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Frau kauft Auto - Tamara Wernli

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kolumne<br />

<strong>Frau</strong> <strong>kauft</strong> <strong>Auto</strong><br />

Die schlechte Nachricht für die<br />

Herren gleich vorweg: Laut Statistiken<br />

der <strong>Auto</strong>industrie entscheiden<br />

<strong>Frau</strong>en heute zu zwei<br />

Dritteln den <strong>Auto</strong>kauf, egal, ob<br />

das Gefährt für den Ehemann,<br />

den Sohn oder den eigenen<br />

Gebrauch gedacht ist. Das ist<br />

happig für die Männer, aber<br />

bestimmt nichts Neues: Wie<br />

oft haben Sie sich schon in einen<br />

schnittigen Sportflitzer verguckt,<br />

die Chefin zuhause legte<br />

jedoch Veto ein? Eben. Neu ist <strong>Tamara</strong> <strong>Wernli</strong><br />

aber, dass <strong>Frau</strong>en sich zunehmend<br />

selber in unvernünftige, dafür emotional ansprechende<br />

Wagen verlieben und sich diese auch<br />

selber leisten. Das bestätigt Dino Graf, Leiter Corporate<br />

Communication bei AMAG AG: «Die wachsende<br />

Anzahl der <strong>Frau</strong>en in Führungspositionen<br />

und mehr Singlehaushalte tragen dazu bei, dass<br />

sich <strong>Frau</strong>en vermehrt Cabriolets oder SUVs der gehobenen<br />

Preisklasse kaufen.» An dieser Stelle atmen<br />

Ehegatten (und Liebhaber) auf, zu Recht! Denn<br />

wie’s aussieht, müssen sie in Zukunft immer weniger<br />

den fahrbaren Untersatz ihrer besseren Hälfte<br />

berappen, der gesellschaftlichen Veränderung der<br />

Rollenbilder sei Dank.<br />

<strong>Frau</strong> beim <strong>Auto</strong>kauf – in der Praxis sieht das dann<br />

so aus: «Der Wagen bietet grossen Fahrspass!»<br />

Zur Begrüssung zeigt der <strong>Auto</strong>experte – ich bin<br />

beim Jeephändler – auf ein KIA-Kompaktmodell,<br />

das beim Eingang vor sich hindöst und von der<br />

Grösse her in meine Handtasche passt. Warum er<br />

automatisch annimmt, dass ich auf emotionslose<br />

Kleinwagen mit Mini-Verbrauch und verstellbaren<br />

Kindersitzen stehe, bleibt schleierhaft. Das mag bei<br />

<strong>Frau</strong>en, die im fünften Monat mit dem dritten Kind<br />

schwanger sind, zutreffen. Da ich aber offensichtlich<br />

weder mit Baby im Bauch noch mit Kind an der<br />

Hand ausgestattet bin, schrammt seine Bemerkung<br />

haarscharf an einer Beleidigung vorbei.<br />

Wir setzen uns in einen Range Rover Evoque und<br />

er stellt mit endlosen Ausführungen zu Fahrwerk<br />

und Langstreckentauglichkeit seine Sachkenntnis<br />

zur Schau, dabei interessiert mich lediglich, ob das<br />

Fahrzeug CD-Player und Sitzheizung hat. «Ja, aber<br />

die Sitzheizung gehört nicht zur Standardausstattung.»<br />

Okay. Und die Einparkhilfe?<br />

Wieso grinst er jetzt? Bitte?<br />

Das sei ein rein feminines Attribut?<br />

Was für ein antiquierter<br />

Machomist. An die Herren: Mal<br />

ehrlich, wie oft haben Sie schon<br />

von den Helferlein an Ihrem Wagen<br />

profitiert? Na, also.<br />

Beim Mercedeshändler. Hier<br />

gefällt mir das sportliche Coupé<br />

von der Plakatwerbung;<br />

ein junges Model braust darin<br />

den Grand Canyon entlang<br />

und sieht umwerfend aus.<br />

Der Wagen verheisst Verjüngung! Oberflächlich?<br />

Aber, ja. Bevor es jetzt Vorwürfe hagelt von wegen<br />

«voll ins Klischee der Werbestrategen getappt»,<br />

ist etwas Entspannung angebracht: besser<br />

eine Anti-Aging-Karosse unterm Popo als jede<br />

Menge Botox im Gesicht.<br />

Wir setzen uns in einen E200 CGI. Du liebe Güte, der<br />

Wagen hat mehr Tasten und Hebel als ein Klavier!<br />

Warum nicht noch einen Seismografen einbauen, an<br />

der Decke wäre noch freier Platz. Zugegeben, <strong>Frau</strong>en<br />

sind voller Widersprüche: Einerseits soll das <strong>Auto</strong><br />

angemessenen Komfort bieten, andererseits darf es<br />

uns technisch nicht überfordern, letztlich würde also<br />

das Innenleben eines 2CV von 1950 (mit CD-Player)<br />

ausreichen. «Das AMG-Sportpaket käme noch extra<br />

hinzu.» Was bitte soll ich mit AMG? «Wie gesagt, mir<br />

gefällt exakt das Modell von der Plakatwerbung», zische<br />

ich. Dass die Männerwelt ihre Blechkisten mit<br />

überflüssigem Machokram aufmotzt, ist ja evolutionsbedingt<br />

nachvollziehbar: Wer in der Steinzeit die<br />

grösste Beute nach Hause brachte, beeindruckte die<br />

meisten Weibchen. «Das hab ich so verstanden», gibt<br />

mein Gegenüber zurück. «Der Wagen von der Werbung<br />

hat Front- und Heckschürzen, Seitenschweller<br />

und grosse Felgen, genau dieses AMG-Paket macht<br />

den sportlichen Look aus.» Autsch.<br />

Drei Tage später entscheide ich mich fürs Coupé<br />

mit Sportpaket und 19-Zöllern. Über die Wahl des<br />

<strong>Auto</strong>s bestimmen vielleicht die <strong>Frau</strong>en, an den<br />

Kaufentscheid heran führt uns aber immer noch<br />

der Mann … solange wir ihm sagen, was wir wollen.<br />

Ganz ohne ihn geht’s also doch nicht … und<br />

jemand muss uns die Kutsche ja auch noch bauen.<br />

212 | PRESTIGE

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