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Die Kinderstube der Demokratie Partizipation in ... - Kinder beteiligen!

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M<strong>in</strong>isterium für Soziales, Gesundheit,<br />

Familie, Jugend und Senioren<br />

des Landes Schleswig-Holste<strong>in</strong><br />

Land für K<strong>in</strong><strong>der</strong><br />

Schleswig-Holste<strong>in</strong> –<br />

<strong>Die</strong> <strong>K<strong>in</strong><strong>der</strong>stube</strong> <strong>der</strong> <strong>Demokratie</strong><br />

<strong>Partizipation</strong> <strong>in</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong>tagesstätten


<strong>Die</strong> <strong>K<strong>in</strong><strong>der</strong>stube</strong> <strong>der</strong> <strong>Demokratie</strong><br />

<strong>Partizipation</strong> <strong>in</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong>tagese<strong>in</strong>richtungen<br />

Rüdiger Hansen Ra<strong>in</strong>gard Knauer Bianca Friedrich


Impressum<br />

Herausgeber<strong>in</strong>:<br />

M<strong>in</strong>isterium für Soziales, Gesundheit, Familie,<br />

Jugend und Senioren des Landes Schleswig-<br />

Holste<strong>in</strong><br />

Adolf-Westphal-Str. 4<br />

24143 Kiel<br />

Telefon: 0431/988-7479<br />

Telefax: 0431/988-3634<br />

mit Unterstützung aus dem Landesfonds<br />

Schleswig-Holste<strong>in</strong> – Land für K<strong>in</strong><strong>der</strong><br />

<strong>Die</strong> Landesregierung im Internet:<br />

http://www.schleswig-holste<strong>in</strong>.de/landsh<br />

Gestaltung: Jens Zussy, Tanja Geserick<br />

Fotos: Rüdiger Hansen<br />

Illustrationen: Meike Marxen<br />

Druck: hansadruck, Kiel<br />

3. Auflage: November 2006<br />

ISSN: 0935-4646<br />

<strong>Die</strong>se Broschüre wurde aus Recycl<strong>in</strong>gpapier<br />

hergestellt.<br />

<strong>Die</strong>se Druckschrift wird im Rahmen <strong>der</strong><br />

Öffentlichkeitsarbeit <strong>der</strong> schleswig-holste<strong>in</strong>ischen<br />

Landesregierung herausgegeben.<br />

Sie darf we<strong>der</strong> von Parteien noch von Personen,<br />

die Wahlwerbung o<strong>der</strong> Wahlhilfe betreiben,<br />

im Wahlkampf zum Zwecke <strong>der</strong> Wahlwerbung<br />

verwendet werden.<br />

Auch ohne zeitlichen Bezug zu e<strong>in</strong>er bevorstehenden<br />

Wahl darf die Druckschrift nicht <strong>in</strong><br />

e<strong>in</strong>er Weise verwendet werden, die als Parte<strong>in</strong>ahme<br />

<strong>der</strong> Landesregierung zugunsten e<strong>in</strong>zelner<br />

Gruppen verstanden werden könnte.<br />

Den Parteien ist es gestattet, die Druckschrift<br />

zur Unterrichtung ihrer eigenen Mitglie<strong>der</strong><br />

zu verwenden.<br />

Das Buch erhalten Sie zum Preis von € 5,-<br />

beim Deutschen K<strong>in</strong><strong>der</strong>hilfswerk e. V.<br />

Leipziger Straße 116 – 118<br />

10117 Berl<strong>in</strong><br />

E-Mail: dkhw@dkhw.de<br />

4


Inhalt<br />

Vorwort <strong>der</strong> M<strong>in</strong>ister<strong>in</strong> für Soziales, Gesundheit<br />

Familie, Jugend und Senioren des Landes Schleswig-Holste<strong>in</strong> . . . . . . . . . . . . 6<br />

E<strong>in</strong>leitung <strong>der</strong> Autor<strong>in</strong>nen und des Autors . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8<br />

1. Wie sieben K<strong>in</strong><strong>der</strong>tagese<strong>in</strong>richtungen<br />

<strong>Partizipation</strong>skultur entwickeln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11<br />

1.1 Was bedeutet <strong>Partizipation</strong> <strong>in</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong>tagese<strong>in</strong>richtungen? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12<br />

1.2 <strong>Partizipation</strong>sprojekte aus sieben Modelle<strong>in</strong>richtungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26<br />

Städtische K<strong>in</strong><strong>der</strong>tagese<strong>in</strong>richtung Oslor<strong>in</strong>g, Kiel:<br />

Unsere Kita haben wir selbst gestaltet . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27<br />

AWO-K<strong>in</strong><strong>der</strong>tagesstätte „Hanna Lucas“, Wedel:<br />

Über’s K<strong>in</strong><strong>der</strong>restaurant zum offenen K<strong>in</strong><strong>der</strong>garten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30<br />

KiTa Waldstraße e.V., P<strong>in</strong>neberg:<br />

Wir haben jetzt e<strong>in</strong>e Verfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33<br />

ADS-K<strong>in</strong><strong>der</strong>garten, Tarp:<br />

E<strong>in</strong> Ortsplan von K<strong>in</strong><strong>der</strong>n für K<strong>in</strong><strong>der</strong> . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36<br />

IzzKizz e.V., Itzehoe:<br />

Wir zeigen euch unsere Stadt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41<br />

DRK-K<strong>in</strong><strong>der</strong>tagesstätte Turnstraße, Elmshorn:<br />

Philosophieren mit K<strong>in</strong><strong>der</strong>n . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44<br />

Evangelischer K<strong>in</strong><strong>der</strong>garten, Quickborn:<br />

Auch wir haben jetzt e<strong>in</strong>e Verfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47<br />

1.3 Motive für <strong>Partizipation</strong> – zwischen Nützlichkeitserwägungen<br />

und Grundrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49<br />

2. „Das könnt ihr gar nicht alle<strong>in</strong> bestimmen ...“ –<br />

Beteiligung als Chance und Herausfor<strong>der</strong>ung<br />

für K<strong>in</strong><strong>der</strong> . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52<br />

2.1 Was die K<strong>in</strong><strong>der</strong> <strong>in</strong> den Projekten gelernt haben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53<br />

2.2 <strong>Partizipation</strong> und Bildung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56<br />

2.3 Politische Bildung und Erziehung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 64<br />

2.4 Was brauchen K<strong>in</strong><strong>der</strong>, um sich <strong>beteiligen</strong> zu können? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70<br />

3. Beteiligung beg<strong>in</strong>nt <strong>in</strong> den Köpfen <strong>der</strong> Erwachsenen –<br />

Herausfor<strong>der</strong>ungen für Pädagog<strong>in</strong>nen und Pädagogen . . . . . . . . . . . . . . . . . 76<br />

3.1 Was steht <strong>der</strong> <strong>Partizipation</strong> <strong>der</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong> im Weg? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 77<br />

3.2 Was verlangt die <strong>Partizipation</strong> <strong>der</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong> von den Erwachsenen? . . . . . . . . . . . . . . 82<br />

3.3 Welche Unterstützung brauchen Erwachsene, um K<strong>in</strong><strong>der</strong><br />

zu <strong>beteiligen</strong>? – Begleitung <strong>der</strong> E<strong>in</strong>richtungen im Modellprojekt . . . . . . . . . . . . . . . . 91<br />

4. „Das wirkt sich jetzt überall aus ...“ – Von den<br />

Spuren, die das Modellprojekt <strong>in</strong> den<br />

Modelle<strong>in</strong>richtungen h<strong>in</strong>terlassen hat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 96<br />

Anstelle e<strong>in</strong>es Schlussworts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101<br />

Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102<br />

Autor<strong>in</strong>nen und Autor . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107<br />

Der Träger stellt sich vor . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 108<br />

5


Vorwort <strong>der</strong> M<strong>in</strong>ister<strong>in</strong> für Soziales, Gesundheit, Familie, Jugend und Senioren des Landes Schleswig-Holste<strong>in</strong><br />

Vorwort <strong>der</strong> M<strong>in</strong>ister<strong>in</strong> für Soziales, Gesundheit,<br />

Familie, Jugend und Senioren des<br />

Landes Schleswig-Holste<strong>in</strong><br />

<strong>Die</strong> <strong>K<strong>in</strong><strong>der</strong>stube</strong> <strong>der</strong><br />

<strong>Demokratie</strong><br />

Von Dr. Gitta Trauernicht, M<strong>in</strong>ister<strong>in</strong><br />

für Soziales, Gesundheit, Familie, Jugend<br />

und Senioren<br />

Als wichtige Grundlage <strong>der</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong>tagesstätten-Pädagogik<br />

ist die Beteiligung <strong>der</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong><br />

an allen sie betreffenden Angelegenheiten <strong>in</strong>s<br />

Blickfeld gerückt. <strong>Die</strong> <strong>Partizipation</strong>sfrage berührt<br />

auch die aktuelle Bildungsdiskussion,<br />

wonach <strong>der</strong> Bildung - auch im S<strong>in</strong>ne e<strong>in</strong>er<br />

Eigenaktivität und Selbstbildung - e<strong>in</strong>e grundlegende<br />

Bedeutung zukommt. So wie gerade<br />

<strong>in</strong> diesem Alter durch Bildung wichtige Grundlagen<br />

für die weiteren Bildungsprozesse und<br />

für die Herausbildung von Fähigkeiten für das<br />

Lernen und Aneignen komplexer Zusammenhänge<br />

gelegt werden, können durch e<strong>in</strong>e unzureichende<br />

Stimulierung <strong>der</strong> k<strong>in</strong>dlichen Bildungspotenziale<br />

Benachteiligungen verstärkt<br />

werden.<br />

Bildungsprozesse im frühen K<strong>in</strong>desalter können<br />

jedoch nur dann erfolgreich se<strong>in</strong>, wenn<br />

e<strong>in</strong> ganzheitliches Bildungsverständnis zur<br />

Grundlage pädagogischen Handelns genommen<br />

wird. Ganzheitlich gestaltete Bildung im<br />

frühen K<strong>in</strong>desalter bedeutet, jedes K<strong>in</strong>d so zu<br />

för<strong>der</strong>n, dass es sich im S<strong>in</strong>ne von persönlicher<br />

und gesellschaftlicher Bildung <strong>in</strong>dividuell<br />

weiterentwickeln und an <strong>der</strong> sozialen und kulturellen<br />

Entwicklung teilhaben kann. <strong>Die</strong>se ist<br />

Voraussetzung für e<strong>in</strong>e stabile Persönlichkeitsentwicklung,<br />

für das Entstehen selbstbestimmten<br />

emanzipatorischen Handelns sowie<br />

weltoffener Sichtweisen und E<strong>in</strong>stellungen<br />

und legt die Grundlagen gesellschaftlicher Teilhabe<br />

und für e<strong>in</strong> aktives Mitwirken. Damit ist<br />

die Bildung <strong>in</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong>tagese<strong>in</strong>richtungen die<br />

Basis für den Bestand <strong>der</strong> demokratischen<br />

Kultur, für die Tragfähigkeit des sozialen Zusammenhalts<br />

und <strong>der</strong> gesellschaftlichen Solidarität.<br />

In dem <strong>in</strong> dieser Broschüre dokumentierten<br />

Landesmodellprojekt „<strong>Die</strong> <strong>K<strong>in</strong><strong>der</strong>stube</strong> <strong>der</strong><br />

<strong>Demokratie</strong> – Bed<strong>in</strong>gungen und Auswirkungen<br />

<strong>der</strong> Beteiligung<br />

von K<strong>in</strong><strong>der</strong>n<br />

<strong>in</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong>tagese<strong>in</strong>richtungen“<br />

hat sich die<br />

<strong>Partizipation</strong> als<br />

„Schlüssel zu<br />

Bildung und <strong>Demokratie</strong>“<br />

erwiesen.<br />

<strong>Die</strong>ses<br />

zweijährige Projekt,<br />

an dem<br />

über 900 K<strong>in</strong><strong>der</strong><br />

und weit über<br />

100 Mitarbeiter<strong>in</strong>nen<br />

und Mitarbeiter aus sieben K<strong>in</strong><strong>der</strong>tagese<strong>in</strong>richtungen<br />

verschiedener Träger im ganzen<br />

Land beteiligt waren, hat u.a. gezeigt, dass<br />

K<strong>in</strong><strong>der</strong> pr<strong>in</strong>zipiell an allen sie betreffenden Angelegenheiten<br />

beteiligt werden können, dass<br />

<strong>Partizipation</strong> die Selbstbildungsprozesse <strong>der</strong><br />

K<strong>in</strong><strong>der</strong> för<strong>der</strong>t, e<strong>in</strong>e demokratische Erziehung<br />

unterstützt und die Wahrnehmung und Kommunikation<br />

zwischen allen Beteiligten positiv<br />

verän<strong>der</strong>t. Es hat sich jedoch auch gezeigt,<br />

dass <strong>Partizipation</strong> gelernt se<strong>in</strong> will. Sie verlangt<br />

von den Erwachsenen <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e methodische<br />

Kompetenzen, e<strong>in</strong>e hohe Verantwortungsbereitschaft<br />

gepaart mit <strong>der</strong> Bereitschaft<br />

zur Abgabe von Macht.<br />

Das Modellprojekt „<strong>Die</strong> <strong>K<strong>in</strong><strong>der</strong>stube</strong> <strong>der</strong> <strong>Demokratie</strong>“<br />

hat <strong>in</strong>zwischen bundesweit Aufmerksamkeit<br />

erlangt. Das Projekt konnte zeigen,<br />

dass <strong>Partizipation</strong> <strong>in</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong>tagese<strong>in</strong>richtungen<br />

nicht nur demokratische Bildung<br />

ermöglicht son<strong>der</strong>n <strong>der</strong> Schlüssel für jegliche<br />

Bildungsför<strong>der</strong>ung ist. <strong>Die</strong>se Ergebnisse<br />

schlugen sich <strong>in</strong> den Schleswig-Holste<strong>in</strong>ischen<br />

Leitl<strong>in</strong>ien zum Bildungsauftrag <strong>der</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong>tagese<strong>in</strong>richtungen<br />

genauso nie<strong>der</strong> wie<br />

etwa im Bayerischen Bildungs- und Erziehungsplan.<br />

Der Erfolg des Projektes ist maßgeblich auf<br />

die <strong>in</strong>tensive Begleitung <strong>der</strong> Modelle<strong>in</strong>richtungen<br />

durch Expert<strong>in</strong>nen und Experten für <strong>Partizipation</strong><br />

<strong>in</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong>tagese<strong>in</strong>richtungen zurückzuführen.<br />

Zahlreiche Anfragen von K<strong>in</strong><strong>der</strong>tagese<strong>in</strong>richtungen<br />

aus dem ganzen Land nach<br />

Fortbildungen zur <strong>Partizipation</strong> zeugen von <strong>der</strong><br />

6


Vorwort <strong>der</strong> M<strong>in</strong>ister<strong>in</strong> für Soziales, Gesundheit, Familie, Jugend und Senioren des Landes Schleswig-Holste<strong>in</strong><br />

großen Bereitschaft <strong>der</strong> Fachkräfte, ihre pädagogische<br />

Tätigkeit weiter zu entwickeln.<br />

Damit dies gel<strong>in</strong>gt, braucht Schleswig-Holste<strong>in</strong><br />

Fachkräfte, die <strong>Partizipation</strong> <strong>in</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong>tagese<strong>in</strong>richtungen<br />

dem hohen Standard <strong>der</strong><br />

„<strong>K<strong>in</strong><strong>der</strong>stube</strong> <strong>der</strong> <strong>Demokratie</strong>“ entsprechend<br />

<strong>in</strong>itiieren, begleiten und evaluieren können.<br />

Um diesen Transfer sicherzustellen, führt das<br />

Kieler Institut für <strong>Partizipation</strong> und Bildung von<br />

Juni 2006 bis Mai 2008 e<strong>in</strong>e Qualifizierungsmaßnahme<br />

für 20 Fachkräfte überwiegend<br />

aus dem Bereich <strong>der</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong>tagese<strong>in</strong>richtungen<br />

durch. In diesem über die Geme<strong>in</strong>schaftsaktion<br />

„Schleswig-Holste<strong>in</strong> – Land für K<strong>in</strong><strong>der</strong>“<br />

f<strong>in</strong>anzierten Leitprojekt des K<strong>in</strong><strong>der</strong>- und Jugend-Aktionsplans<br />

werden die Erfahrungen<br />

aus <strong>der</strong> „<strong>K<strong>in</strong><strong>der</strong>stube</strong> <strong>der</strong> <strong>Demokratie</strong>“ so aufgearbeitet<br />

und weitervermittelt, dass nach Abschluss<br />

des Projekts 20 Multiplikator<strong>in</strong>nen<br />

und Multiplikatoren für <strong>Partizipation</strong> <strong>in</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong>tagese<strong>in</strong>richtungen<br />

zur Verfügung stehen, die<br />

selbständig <strong>in</strong> <strong>der</strong> Lage s<strong>in</strong>d, unter Anwendung<br />

des neu erstellten Curriculums K<strong>in</strong><strong>der</strong>tagese<strong>in</strong>richtungen<br />

bei <strong>der</strong> Beteiligung <strong>der</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong><br />

zu unterstützen und Beteiligungsprojekte<br />

im Land zu <strong>in</strong>itiieren, zu begleiten und auszuwerten.<br />

Ich hoffe, dass diese nunmehr bereits <strong>in</strong> 3.<br />

Auflage erschienene Broschüre weiterh<strong>in</strong> vielen<br />

Erwachsenen Impulse geben wird, K<strong>in</strong><strong>der</strong>n<br />

die Teilhabe am eigenen Leben als unmittelbares<br />

Recht zuzugestehen und sie hierbei<br />

fachgerecht zu unterstützen.<br />

Dr. Gitta Trauernicht<br />

M<strong>in</strong>ister<strong>in</strong> für Soziales, Gesundheit,<br />

Familie, Jugend und Senioren des<br />

Landes Schleswig-Holste<strong>in</strong><br />

7


E<strong>in</strong>leitung <strong>der</strong> Autor<strong>in</strong>nen und des Autors<br />

E<strong>in</strong>leitung <strong>der</strong> Autor<strong>in</strong>nen und des Autors<br />

K<strong>in</strong><strong>der</strong> planen die E<strong>in</strong>richtung ihrer neuen Tagesstätte,<br />

erarbeiten K<strong>in</strong><strong>der</strong>stadtpläne, entwickeln<br />

e<strong>in</strong> Konzept für die Öffnung des K<strong>in</strong><strong>der</strong>gartens<br />

und philosophieren mit ihren Erzieher<strong>in</strong>nen<br />

und Erziehern über Bildungsthemen.<br />

K<strong>in</strong><strong>der</strong>tagese<strong>in</strong>richtungen geben sich Verfassungen,<br />

<strong>in</strong> denen die Mitbestimmungsrechte<br />

<strong>der</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong> und Erwachsenen detailliert geregelt<br />

s<strong>in</strong>d. Und <strong>der</strong> Sozialausschuss <strong>der</strong> Geme<strong>in</strong>de<br />

verlegt se<strong>in</strong>e Sitzung, damit die K<strong>in</strong><strong>der</strong><br />

aus dem K<strong>in</strong><strong>der</strong>garten daran teilnehmen<br />

können.<br />

<strong>Die</strong>s s<strong>in</strong>d gelebte Utopien im schleswig-holste<strong>in</strong>ischen<br />

Modellprojekt „<strong>Die</strong> <strong>K<strong>in</strong><strong>der</strong>stube</strong><br />

<strong>der</strong> <strong>Demokratie</strong>“, das wir im Auftrag des Vere<strong>in</strong>s<br />

K<strong>in</strong><strong>der</strong> Umwelt<strong>in</strong>itiativen KIWI von Oktober<br />

2001 bis September 2003 durchführten.<br />

In sieben K<strong>in</strong><strong>der</strong>tagese<strong>in</strong>richtungen unterschiedlicher<br />

Träger im ganzen Land verän<strong>der</strong>ten<br />

sich die Strukturen und Beziehungen<br />

nachhaltig, wurde <strong>Partizipation</strong> zur alltäglichen<br />

Selbstverständlichkeit, wirkten K<strong>in</strong><strong>der</strong> z.T. im<br />

politischen Alltagsgeschehen mit.<br />

Der Titel „<strong>K<strong>in</strong><strong>der</strong>stube</strong> <strong>der</strong> <strong>Demokratie</strong>“ verweist<br />

auf die ursprüngliche Intention des Projekts,<br />

K<strong>in</strong><strong>der</strong>n frühe Begegnungen mit demokratischem<br />

Denken und Handeln zu ermöglichen.<br />

Demokratische Gesellschaften s<strong>in</strong>d auf die<br />

Mitwirkung ihrer Bürger<strong>in</strong>nen und Bürger angewiesen.<br />

Politische <strong>Partizipation</strong> setzt voraus,<br />

dass die Individuen bereit und <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />

Lage s<strong>in</strong>d, sich e<strong>in</strong>zumischen und Verantwortung<br />

zu teilen. <strong>Die</strong>se Grundzüge „politischer<br />

Persönlichkeiten“ entwickeln sich tatsächlich<br />

früh. Der K<strong>in</strong><strong>der</strong>tagesstätte als erste Institution<br />

<strong>der</strong> öffentlichen Erziehung und Bildung <strong>in</strong><br />

<strong>der</strong> Biographie fast aller K<strong>in</strong><strong>der</strong> kommt dabei<br />

e<strong>in</strong>e beson<strong>der</strong>e Bedeutung zu.<br />

<strong>Die</strong> alltäglichen <strong>Partizipation</strong>smöglichkeiten<br />

<strong>der</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong> und die Entwicklung notwendiger<br />

<strong>Partizipation</strong>sfähigkeiten durch die Unterstützung<br />

<strong>der</strong> Erzieher<strong>in</strong>nen und Erzieher s<strong>in</strong>d entscheidende<br />

Faktoren für die politische Sozialisation<br />

von K<strong>in</strong><strong>der</strong>n.<br />

Darüber h<strong>in</strong>aus aber – das wurde im Projekt<br />

immer wie<strong>der</strong> deutlich – hat <strong>Partizipation</strong><br />

e<strong>in</strong>en sehr viel breiteren Wirkungsgrad. <strong>Die</strong><br />

<strong>Partizipation</strong> <strong>der</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong> wirkte e<strong>in</strong> ums an<strong>der</strong>e<br />

Mal als Motor für bee<strong>in</strong>druckende Selbstbildungsprozesse.<br />

<strong>Partizipation</strong> stellt sich nach<br />

den Erfahrungen im Modellprojekt als Schlüssel<br />

zu Bildung und <strong>Demokratie</strong> dar und ist <strong>in</strong>sofern<br />

e<strong>in</strong> zentrales Moment e<strong>in</strong>er zukunftsorientierten<br />

Pädagogik <strong>der</strong> frühen K<strong>in</strong>dheit.<br />

Das Projekt „<strong>Die</strong> <strong>K<strong>in</strong><strong>der</strong>stube</strong> <strong>der</strong> <strong>Demokratie</strong>“<br />

hat gezeigt, dass und wie <strong>Partizipation</strong> <strong>in</strong><br />

K<strong>in</strong><strong>der</strong>tagese<strong>in</strong>richtungen möglich ist – und<br />

zwar mit allen K<strong>in</strong><strong>der</strong>n und bei allen sie betreffenden<br />

Themen. In diesem Projekt wurden<br />

über 900 K<strong>in</strong><strong>der</strong> zwischen e<strong>in</strong> und zehn Jahren<br />

an unterschiedlichen Themen aus ihrem<br />

unmittelbaren Erfahrungsbereich beteiligt. <strong>Die</strong><br />

K<strong>in</strong><strong>der</strong> gewannen so Vertrauen <strong>in</strong> ihre eigenen<br />

Handlungskompetenzen, die Eltern, Erzieher<strong>in</strong>nen<br />

und Erzieher Zutrauen <strong>in</strong> die Beteiligungsfähigkeiten<br />

<strong>der</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong>.<br />

<strong>Die</strong> Beteiligung von K<strong>in</strong><strong>der</strong>n bedeutet für die<br />

Erwachsenen immer e<strong>in</strong>e freiwillige Machtabgabe.<br />

<strong>Die</strong> Bereitschaft dazu wurzelt <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er<br />

partizipativen Grundhaltung und wächst mit<br />

<strong>der</strong> methodischen Kompetenz. Um die Erfahrungen<br />

aus dem zeitlich begrenzten Projekt <strong>in</strong><br />

den Alltag übertragen zu können, wurden weit<br />

über 100 Erzieher<strong>in</strong>nen und Erzieher <strong>in</strong> den<br />

Modelle<strong>in</strong>richtungen <strong>in</strong> ihren Beteiligungskompetenzen<br />

gestärkt und weiter qualifiziert. So<br />

war es möglich, <strong>Partizipation</strong> im Alltag <strong>der</strong> E<strong>in</strong>richtungen<br />

zu verankern.<br />

<strong>Die</strong> spielerische Leichtigkeit und <strong>der</strong> große<br />

Ernst, mit denen sich die K<strong>in</strong><strong>der</strong> beteiligten,<br />

ließ die Erwachsenen immer wie<strong>der</strong> staunen.<br />

<strong>Die</strong>se mussten nämlich oft hart dafür<br />

arbeiten – nicht zuletzt an sich selbst. Trotz<br />

aller Mühen äußerten sie sich letztlich jedoch<br />

zufrieden und überzeugt: über die Bildungsfortschritte<br />

<strong>der</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong>, die Demokratisierung<br />

des Mite<strong>in</strong>an<strong>der</strong>s und die Verän<strong>der</strong>ungen <strong>der</strong><br />

eigenen Rolle.<br />

<strong>Die</strong> vorliegende Dokumentation bereitet die<br />

Erfahrungen und Erkenntnisse des Modellprojekts<br />

auf und versucht sie für die alltägliche<br />

Praxis <strong>in</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong>tagese<strong>in</strong>richtungen handhabbar<br />

zu machen. Im ersten Kapitel werden<br />

nach e<strong>in</strong>er allgeme<strong>in</strong>en E<strong>in</strong>führung <strong>in</strong> verschiedene<br />

Aspekte von <strong>Partizipation</strong> die Modellprojekte<br />

vorgestellt und die Motivationen<br />

<strong>der</strong> Erwachsenen h<strong>in</strong>terfragt, K<strong>in</strong><strong>der</strong> <strong>in</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong>tagese<strong>in</strong>richtungen<br />

zu <strong>beteiligen</strong>. Das zweite<br />

Kapitel beschäftigt sich mit den Chancen und<br />

Herausfor<strong>der</strong>ungen <strong>der</strong> Beteiligung für K<strong>in</strong><strong>der</strong>:<br />

Was haben sie <strong>in</strong> den Projekten gelernt, was<br />

hat Beteiligung mit Bildung und Politik zu tun<br />

und was brauchen K<strong>in</strong><strong>der</strong>, um sich <strong>beteiligen</strong><br />

zu können? Nicht nur <strong>in</strong> diesem Modellprojekt<br />

wurde deutlich, dass K<strong>in</strong><strong>der</strong> sich nur <strong>beteiligen</strong><br />

können, wenn Erwachsene ihnen die<br />

Möglichkeit dazu eröffnen. Daher steht die<br />

Frage: „Welche Anfor<strong>der</strong>ungen stellt <strong>Partizipation</strong><br />

an Erwachsene?“ im Mittelpunkt des drit-<br />

8


E<strong>in</strong>leitung <strong>der</strong> Autor<strong>in</strong>nen und des Autors<br />

ten Kapitels. Schließlich werden im vierten Kapitel<br />

Verän<strong>der</strong>ungen angedeutet, die die Beteiligung<br />

<strong>der</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong> <strong>in</strong> den E<strong>in</strong>richtungen und <strong>in</strong><br />

<strong>der</strong>en Umfeld nachhaltig bewirken kann.<br />

Wir möchten mit dieser Dokumentation veranschaulichen,<br />

dass <strong>Partizipation</strong> ke<strong>in</strong>e zusätzliche<br />

Aufgabe für K<strong>in</strong><strong>der</strong>tagese<strong>in</strong>richtungen ist,<br />

son<strong>der</strong>n e<strong>in</strong> Querschnittsthema darstellt, das<br />

zu e<strong>in</strong>er grundlegenden Überprüfung des pädagogischen<br />

Selbstverständnisses herausfor<strong>der</strong>t.<br />

E<strong>in</strong>e konsequente Beteiligung <strong>der</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong><br />

(und <strong>der</strong> Mütter und Väter bzw. <strong>der</strong> Erzieher<strong>in</strong>nen<br />

und Erzieher) ist e<strong>in</strong>e Unterstützung bei<br />

<strong>der</strong> Bewältigung vieler aktueller Aufgaben<br />

(Qualitätsentwicklung, Bildung etc.), vor<br />

denen K<strong>in</strong><strong>der</strong>tagese<strong>in</strong>richtungen heute stehen.<br />

Wir bedanken uns bei den M<strong>in</strong>isterien für<br />

Justiz, Frauen, Jugend und Familie sowie<br />

Umwelt, Natur und Forsten des Landes<br />

Schleswig-Holste<strong>in</strong>, durch <strong>der</strong>en För<strong>der</strong>ung<br />

das Modellprojekt erst ermöglicht wurde. Und<br />

wir bedanken uns bei allen Erzieher<strong>in</strong>nen und<br />

Erziehern, die sich mutig und engagiert auf<br />

diesen Prozess im Modellprojekt e<strong>in</strong>gelassen<br />

haben, und hoffen, den pädagogischen Fachkräften<br />

<strong>in</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong>tagese<strong>in</strong>richtungen Mut machen<br />

zu können, geme<strong>in</strong>sam mit den K<strong>in</strong><strong>der</strong>n<br />

neue Wege zu beschreiten.<br />

Rüdiger Hansen<br />

Kiel, im August 2004<br />

Rüdiger Hansen<br />

Ra<strong>in</strong>gard Knauer<br />

Bianca Friedrich<br />

Ra<strong>in</strong>gard Knauer<br />

Bianca Friedrich<br />

9


Wie sieben K<strong>in</strong><strong>der</strong>tagese<strong>in</strong>richtungen <strong>Partizipation</strong>skultur entwickeln<br />

1. Wie sieben K<strong>in</strong><strong>der</strong>tagese<strong>in</strong>richtungen<br />

<strong>Partizipation</strong>skultur entwickeln<br />

Das Modellprojekt „<strong>Die</strong> <strong>K<strong>in</strong><strong>der</strong>stube</strong> <strong>der</strong> <strong>Demokratie</strong>“<br />

verfolgte das ehrgeizige Ziel, die<br />

Beteiligung <strong>der</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong> im Alltag <strong>der</strong> Modelle<strong>in</strong>richtungen<br />

zu verankern. Aus den konkreten<br />

Erfahrungen im Projekt sollte sich e<strong>in</strong>e allgeme<strong>in</strong>e<br />

„<strong>Partizipation</strong>skultur“ <strong>in</strong> den beteiligten<br />

K<strong>in</strong><strong>der</strong>tagese<strong>in</strong>richtungen entwickeln. <strong>Die</strong><br />

E<strong>in</strong>lösung e<strong>in</strong>es so umfassenden Anspruchs<br />

setzt e<strong>in</strong> komplexes Verständnis davon voraus,<br />

was <strong>Partizipation</strong> <strong>in</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong>tagese<strong>in</strong>richtungen<br />

bedeuten kann.<br />

Bevor im folgenden die e<strong>in</strong>zelnen <strong>Partizipation</strong>sprojekte<br />

<strong>der</strong> beteiligten K<strong>in</strong><strong>der</strong>tagese<strong>in</strong>richtungen<br />

vorgestellt werden, soll daher zunächst<br />

<strong>der</strong> dem Modellprojekt zugrundeliegende<br />

<strong>Partizipation</strong>sbegriff erläutert werden.<br />

<strong>Die</strong>ser Klärungsprozess war auch e<strong>in</strong> unverzichtbarer<br />

Bestandteil <strong>der</strong> Vorbereitung <strong>der</strong><br />

Teams <strong>in</strong> den Modelle<strong>in</strong>richtungen auf die jeweilige<br />

Projektphase. Abschließend werden<br />

die Motive kritisch h<strong>in</strong>terfragt, die Erwachsene<br />

im allgeme<strong>in</strong>en und pädagogische Fachkräfte<br />

<strong>in</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong>tagese<strong>in</strong>richtungen im beson<strong>der</strong>en<br />

bewegen können, K<strong>in</strong><strong>der</strong> zu <strong>beteiligen</strong>.<br />

11


Was bedeutet <strong>Partizipation</strong> <strong>in</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong>tagese<strong>in</strong>richtungen?<br />

1.1 Was bedeutet <strong>Partizipation</strong> <strong>in</strong><br />

K<strong>in</strong><strong>der</strong>tagese<strong>in</strong>richtungen?<br />

Der Begriff „<strong>Partizipation</strong>“ ist <strong>in</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong>tagese<strong>in</strong>richtungen<br />

oft zu hören. Er hat seit e<strong>in</strong>igen<br />

Jahren e<strong>in</strong>en festen Platz <strong>in</strong> den Konzeptionen<br />

vieler E<strong>in</strong>richtungen. <strong>Die</strong> Beteiligung <strong>der</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong><br />

an allen sie betreffenden Entscheidungen<br />

wird vom K<strong>in</strong><strong>der</strong>- und Jugendhilfegesetz und<br />

von den K<strong>in</strong><strong>der</strong>tagesstätten-Gesetzen <strong>der</strong> Län<strong>der</strong><br />

gefor<strong>der</strong>t. <strong>Partizipation</strong> ist e<strong>in</strong> ausschlaggebendes<br />

Kriterium bei <strong>der</strong> Bewertung <strong>der</strong><br />

pädagogischen Qualität <strong>der</strong> E<strong>in</strong>richtungen<br />

(beispielsweise bei Preiss<strong>in</strong>g 2003; Tietze /<br />

Viernickel 2002).<br />

Was <strong>Partizipation</strong> im Alltag <strong>der</strong> E<strong>in</strong>richtungen<br />

aber konkret ausmacht, sche<strong>in</strong>t vielfach wenig<br />

geklärt. Spricht man mit Erzieher<strong>in</strong>nen und<br />

Erziehern über <strong>Partizipation</strong> <strong>in</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong>tagese<strong>in</strong>richtungen,<br />

hört man häufig Sätze wie die<br />

folgenden:<br />

„Wer K<strong>in</strong><strong>der</strong> <strong>beteiligen</strong> will, muss sie<br />

e<strong>in</strong>fach fragen, was sie wollen!“<br />

So leicht aber ist Beteiligung von K<strong>in</strong><strong>der</strong>n<br />

lei<strong>der</strong> nicht immer. Um sich zu <strong>beteiligen</strong>,<br />

müssen K<strong>in</strong><strong>der</strong> (wie Erwachsene) ihre eigenen<br />

Wünsche und Interessen wahrnehmen,<br />

ausdrücken und <strong>in</strong> e<strong>in</strong>en geme<strong>in</strong>samen Entscheidungsprozess<br />

e<strong>in</strong>br<strong>in</strong>gen können. Dazu<br />

s<strong>in</strong>d K<strong>in</strong><strong>der</strong> (und lei<strong>der</strong> auch viele Erwachsene)<br />

nicht von sich aus <strong>in</strong> <strong>der</strong> Lage; das müssen<br />

sie lernen.<br />

„K<strong>in</strong><strong>der</strong> sollten nur bei Entscheidungen<br />

beteiligt werden, die sie auch überblicken<br />

können.“<br />

Sicher ist es gut geme<strong>in</strong>t, wenn Erwachsene<br />

K<strong>in</strong><strong>der</strong> vor Überfor<strong>der</strong>ung und Enttäuschung<br />

bewahren wollen. Wo aber liegt die Grenze<br />

zwischen <strong>der</strong> <strong>Partizipation</strong> <strong>der</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong> und <strong>der</strong><br />

Verantwortung <strong>der</strong> Erwachsenen? „K<strong>in</strong><strong>der</strong><br />

können mehr, viel mehr, als die meisten Erwachsenen<br />

ihnen zutrauen“, sagt <strong>der</strong> Psychologe<br />

Richard Schrö<strong>der</strong> (1998, 76). Was vielleicht<br />

dem Schutz <strong>der</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong> dienen soll, birgt<br />

die Gefahr, ihre Beteiligung voreilig zu unterb<strong>in</strong>den<br />

und sie damit unnötig zu bevormunden.<br />

„Ich höre den K<strong>in</strong><strong>der</strong>n zu und nehme mir viel<br />

Zeit für sie. Das ist doch die e<strong>in</strong>zige Form von<br />

Beteiligung, die im frühen K<strong>in</strong>desalter angemessen<br />

ist.“<br />

Dass Erwachsene ihnen zuhören und sich Zeit<br />

für sie nehmen, ist tatsächlich e<strong>in</strong>e wichtige<br />

Voraussetzung für die <strong>Partizipation</strong> von K<strong>in</strong><strong>der</strong>n.<br />

Gerade diese Form <strong>der</strong> Beteiligung ist<br />

aber sehr personenabhängig. Wenn K<strong>in</strong><strong>der</strong> <strong>in</strong><br />

K<strong>in</strong><strong>der</strong>tagese<strong>in</strong>richtungen beteiligt werden sollen,<br />

müssen sie ihre Mitspracherechte auch<br />

unabhängig von <strong>der</strong> jeweiligen Bereitschaft<br />

und aktuellen Stimmungslage <strong>der</strong> Erwachsenen<br />

wahrnehmen können. Wie kann das gewährleistet<br />

werden?<br />

<strong>Die</strong> <strong>Partizipation</strong> von K<strong>in</strong><strong>der</strong>n wirft <strong>in</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong>tagese<strong>in</strong>richtungen<br />

noch viele offene Fragen<br />

auf. Es sche<strong>in</strong>t also s<strong>in</strong>nvoll, sich etwas ausführlicher<br />

<strong>der</strong> Frage zu widmen, was <strong>Partizipation</strong><br />

ist.<br />

Das Wort „partizipieren“ stammt aus dem Late<strong>in</strong>ischen<br />

und wird mit „an etwas teilnehmen,<br />

Anteil haben“ übersetzt. In pädagogischen<br />

Arbeitsfel<strong>der</strong>n bedeutet die bloße Teilnahme<br />

(etwa am Gruppengeschehen) aber<br />

noch nicht, dass die Teilnehmenden auch partizipieren.<br />

<strong>Partizipation</strong> wird hier als Beteiligung,<br />

Mitwirkung o<strong>der</strong> Mitbestimmung<br />

verstanden 1 . Richard Schrö<strong>der</strong> beantwortet<br />

die Frage „Was ist <strong>Partizipation</strong>?“ folgen<strong>der</strong>maßen:<br />

„<strong>Partizipation</strong> heißt, Entscheidungen, die das<br />

eigene Leben und das Leben <strong>der</strong> Geme<strong>in</strong>schaft<br />

betreffen, zu teilen und geme<strong>in</strong>sam<br />

Lösungen für Probleme zu f<strong>in</strong>den“ (Schrö<strong>der</strong><br />

1995, 14).<br />

Das kl<strong>in</strong>gt e<strong>in</strong>fach. Doch die Tücke liegt – wie<br />

auch die Erzieher<strong>in</strong>nen und Erzieher <strong>in</strong> den<br />

Modelle<strong>in</strong>richtungen feststellen mussten – im<br />

Detail. In den Teams <strong>der</strong> Modelle<strong>in</strong>richtungen<br />

begann die Ause<strong>in</strong>an<strong>der</strong>setzung mit ihrem<br />

<strong>Partizipation</strong>sverständnis mit e<strong>in</strong>er kle<strong>in</strong>en<br />

Umfrage.<br />

1<br />

Der 11. K<strong>in</strong><strong>der</strong>- und Jugendbericht (BMFSFJ 2002) for<strong>der</strong>t darüber h<strong>in</strong>aus<br />

gehend die „Teilhabe“ von K<strong>in</strong><strong>der</strong>n und Jugendlichen an gesellschaftlichen<br />

Ressourcen und me<strong>in</strong>t damit die <strong>in</strong>dividuelle und kollektive Verfügbarkeit<br />

gesellschaftlichen Reichtums und gesellschaftlicher Chancen. „Beteiligung,<br />

Mitwirkung bzw. Mitbestimmung beziehen sich auf Entscheidungen bzw.<br />

Entscheidungsverfahren. Sie beschreiben Aspekte des Verfahrens. Teilhabe<br />

bezieht sich darüber h<strong>in</strong>aus gehend auf Ressourcen, genauer: auf <strong>der</strong>en <strong>in</strong>dividuelle<br />

o<strong>der</strong> kollektive Verfügbarkeit“ (Lü<strong>der</strong>s 2004, 8).<br />

12


Was bedeutet <strong>Partizipation</strong> <strong>in</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong>tagese<strong>in</strong>richtungen?<br />

In diesen Fragen werden<br />

unterschiedliche Aspekte<br />

angesprochen, die für die<br />

Beteiligung von K<strong>in</strong><strong>der</strong>n <strong>in</strong><br />

K<strong>in</strong><strong>der</strong>tagese<strong>in</strong>richtungen<br />

e<strong>in</strong>e ausschlaggebende<br />

Rolle spielen. Wir werden<br />

im folgenden darauf zurückkommen.<br />

Bei <strong>der</strong> Konzeptionierung<br />

des Modellprojekts g<strong>in</strong>gen<br />

wir von fünf Annahmen aus,<br />

die <strong>in</strong> den e<strong>in</strong>zelnen Projekten<br />

<strong>in</strong> unterschiedlicher<br />

Form e<strong>in</strong>e Rolle spielten:<br />

– Bei <strong>der</strong> Beteiligung von<br />

K<strong>in</strong><strong>der</strong>n spielen die Beziehungen zwischen<br />

Erwachsenen und K<strong>in</strong><strong>der</strong>n e<strong>in</strong>e wichtige<br />

Rolle. Sie ermöglichen <strong>Partizipation</strong> o<strong>der</strong> verh<strong>in</strong><strong>der</strong>n<br />

sie.<br />

– Um nicht von e<strong>in</strong>zelnen Erwachsenen abhängig<br />

zu se<strong>in</strong>, muss <strong>Partizipation</strong> <strong>in</strong> den<br />

Strukturen <strong>der</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong>tagese<strong>in</strong>richtung verankert<br />

se<strong>in</strong>.<br />

– <strong>Partizipation</strong> <strong>der</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong> erfor<strong>der</strong>t auch <strong>Partizipation</strong><br />

<strong>der</strong> Eltern und des Teams.<br />

– <strong>Partizipation</strong> <strong>in</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong>tagese<strong>in</strong>richtungen erfor<strong>der</strong>t<br />

e<strong>in</strong>e Öffnung <strong>der</strong> E<strong>in</strong>richtung nach<br />

außen <strong>in</strong>s Geme<strong>in</strong>wesen und e<strong>in</strong>e E<strong>in</strong>mischung<br />

<strong>in</strong> die kommunale Politik.<br />

– <strong>Partizipation</strong> verlangt die Qualifikation <strong>der</strong><br />

pädagogischen Fachkräfte.<br />

Bei <strong>der</strong> Beteiligung von K<strong>in</strong><strong>der</strong>n spielen die<br />

Beziehungen zwischen Erwachsenen und<br />

K<strong>in</strong><strong>der</strong>n e<strong>in</strong>e wichtige Rolle. Sie ermöglichen<br />

<strong>Partizipation</strong> o<strong>der</strong> verh<strong>in</strong><strong>der</strong>n sie.<br />

Wenn <strong>Partizipation</strong> me<strong>in</strong>t, Entscheidungen,<br />

die das eigene Leben und das <strong>der</strong> Geme<strong>in</strong>schaft<br />

betreffen, zu teilen, kann sie ke<strong>in</strong>e e<strong>in</strong>same<br />

Angelegenheit se<strong>in</strong>. <strong>Partizipation</strong> f<strong>in</strong>det<br />

immer <strong>in</strong> sozialen und kommunikativen Zusammenhängen<br />

statt.<br />

<strong>Die</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong>tagese<strong>in</strong>richtung ist die erste Institution<br />

öffentlicher Erziehung und Bildung <strong>in</strong><br />

<strong>der</strong> Biografie von mittlerweile 86 % <strong>der</strong><br />

schleswig-holste<strong>in</strong>ischen Vorschulk<strong>in</strong><strong>der</strong> (Versorgungsquote<br />

im Jahr 2000 laut MBWFK<br />

2003). Hier müssen die K<strong>in</strong><strong>der</strong> vor dem<br />

H<strong>in</strong>tergrund sehr unterschiedlicher familiärer<br />

Erfahrungen sich häufig erstmals <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er<br />

Gruppe zurechtf<strong>in</strong>den. Dabei werden sie von<br />

pädagogischen Fachkräften begleitet. Insbeson<strong>der</strong>e<br />

durch die Art und Weise, wie die Erzieher<strong>in</strong>nen<br />

und Erzieher ihre Beziehungen zu<br />

den K<strong>in</strong><strong>der</strong>n gestalten, erfahren K<strong>in</strong><strong>der</strong>, ob sie<br />

wichtig s<strong>in</strong>d, ob ihnen zugehört wird, ob ihre<br />

Me<strong>in</strong>ung gefragt ist, ob ihnen zugetraut und<br />

zugemutet wird, Eigen<strong>in</strong>itiative und Verantwortung<br />

zu entwickeln. E<strong>in</strong>e wichtige Erfahrung,<br />

die K<strong>in</strong><strong>der</strong> <strong>in</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong>tagese<strong>in</strong>richtungen<br />

machen, ist damit die <strong>der</strong> Beteiligung.<br />

Wie gut es den Erwachsenen gel<strong>in</strong>gt, den K<strong>in</strong><strong>der</strong>n<br />

<strong>in</strong> ihren Beziehungen <strong>Partizipation</strong>smöglichkeiten<br />

zu eröffnen, hängt davon ab, ob sie<br />

K<strong>in</strong><strong>der</strong> ernst nehmen, ihnen Eigenverantwortung<br />

zugestehen und sie bei <strong>der</strong> Entwicklung<br />

notwendiger Beteiligungsfähigkeiten unterstützen.<br />

q <strong>Partizipation</strong> verlangt, dass Erwachsene<br />

K<strong>in</strong><strong>der</strong> ernst nehmen<br />

<strong>Partizipation</strong> verlangt gleichberechtigte Beziehungen<br />

zwischen Subjekten und damit Achtung,<br />

Respekt und Wertschätzung im Umgang<br />

mite<strong>in</strong>an<strong>der</strong>. Im Alltag – auch von K<strong>in</strong><strong>der</strong>tagese<strong>in</strong>richtungen<br />

– erfahren K<strong>in</strong><strong>der</strong> dagegen<br />

immer wie<strong>der</strong>, dass sie unwichtig und unbedeutend<br />

s<strong>in</strong>d – auch wenn die handelnden<br />

Erwachsenen eigentlich e<strong>in</strong>en an<strong>der</strong>en Anspruch<br />

an sich selbst haben.<br />

Überprüfen Sie sich selbst: Wenn Sie e<strong>in</strong>e<br />

Mutter und ihr K<strong>in</strong>d treffen – auf <strong>der</strong> Straße<br />

o<strong>der</strong> morgens <strong>in</strong> <strong>der</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong>tagese<strong>in</strong>richtung –<br />

wen begrüßen Sie <strong>in</strong> <strong>der</strong> Regel zuerst und<br />

wem gilt <strong>in</strong> erster L<strong>in</strong>ie Ihre Aufmerksamkeit?<br />

Auf <strong>der</strong> Straße passiert es immer wie<strong>der</strong>,<br />

dass wir uns mit <strong>der</strong> erwachsenen Person<br />

unterhalten und das K<strong>in</strong>d an ihrer Hand erst<br />

bemerken, wenn es beg<strong>in</strong>nt, ungeduldig zu<br />

quengeln. Auch die Erzieher<strong>in</strong>, die <strong>in</strong> <strong>der</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong>tagesstätte<br />

zuerst das K<strong>in</strong>d begrüßt, entscheidet<br />

sich <strong>in</strong> <strong>der</strong> Regel erst <strong>in</strong>folge<br />

bewusster Reflexionen für e<strong>in</strong> <strong>der</strong>art unübliches<br />

Verhalten.<br />

E<strong>in</strong> an<strong>der</strong>es Beispiel: Was würde es <strong>in</strong> Ihnen<br />

auslösen, wenn <strong>der</strong> Referent <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Fortbildung<br />

Ihnen beiläufig übers Haar streicht?<br />

13


Was bedeutet <strong>Partizipation</strong> <strong>in</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong>tagese<strong>in</strong>richtungen?<br />

Würden Sie diese Handlung als E<strong>in</strong>griff <strong>in</strong> Ihre<br />

körperliche Integrität, als Grenzverletzung<br />

begreifen? K<strong>in</strong><strong>der</strong>n muten wir Erwachsenen<br />

<strong>der</strong>artige Übergriffe jedoch immer wie<strong>der</strong> zu –<br />

meist ohne daran zu denken, dass wir auch<br />

ihre Grenzen verletzen könnten.<br />

Gleichberechtigte Beziehungen zwischen Erwachsenen<br />

und K<strong>in</strong><strong>der</strong>n s<strong>in</strong>d immer noch<br />

alles an<strong>der</strong>e als selbstverständlich. Wie<br />

Erwachsene die Beziehungen zu K<strong>in</strong><strong>der</strong>n<br />

gestalten, spiegelt sich <strong>in</strong> <strong>der</strong> Art und Weise<br />

wi<strong>der</strong>, wie sie mit ihnen reden. Wenngleich<br />

e<strong>in</strong>e „k<strong>in</strong><strong>der</strong>tümelnde“ Sprache bei pädagogischen<br />

Fachkräften kaum mehr anzutreffen<br />

se<strong>in</strong> dürfte, verwenden auch sie K<strong>in</strong><strong>der</strong>n<br />

gegenüber meist e<strong>in</strong>en Sprachstil, <strong>der</strong> an<strong>der</strong>en<br />

Erwachsenen gegenüber nicht verwendet<br />

wird. Der dänische Familientherapeut Jesper<br />

Juul (1997, 244) charakterisiert diese Sprache<br />

als „besserwisserisch, herablassend und sich<br />

e<strong>in</strong>mischend [...], im besten Fall als freundlich<br />

verhüllend, im schlechtesten als kritisch verletzend“.<br />

Sie transportiert, dass das K<strong>in</strong>d nicht<br />

als gleichwertiger Partner betrachtet wird.<br />

Juul empfiehlt e<strong>in</strong> Experiment, um mit diesem<br />

Sprachgebrauch aufzuräumen:<br />

„Wenn ich diesen Konflikt mit me<strong>in</strong>er besten<br />

erwachsenen Freund<strong>in</strong> o<strong>der</strong> me<strong>in</strong>em besten<br />

erwachsenen Freund hätte, wie würde ich<br />

mich ihr o<strong>der</strong> ihm gegenüber ausdrücken?<br />

Wenn man die Antwort gefunden hat, ist man<br />

auf e<strong>in</strong>er konstruktiven Spur“ (Juul 1997,<br />

244).<br />

Dazu e<strong>in</strong> Beispiel:<br />

In e<strong>in</strong>er multikulturellen K<strong>in</strong><strong>der</strong>gruppe gibt es e<strong>in</strong>en Fahrdienst, um e<strong>in</strong>igen K<strong>in</strong><strong>der</strong>n<br />

den Besuch <strong>der</strong> E<strong>in</strong>richtung zu ermöglichen. Der Berufsanfänger H. bereitet gerade<br />

den Kle<strong>in</strong>bus <strong>der</strong> E<strong>in</strong>richtung für die bevorstehende Rückfahrt vor, als ihn die<br />

fünfjährige Paläst<strong>in</strong>enser<strong>in</strong> Rehab, die üblicherweise nicht zu den Fahrk<strong>in</strong><strong>der</strong>n gehört,<br />

fragt, ob sie an diesem Tag ihren türkischen Freund auf dem Heimweg begleiten<br />

dürfe. Herr H. verspürt wenig Lust sie mitzunehmen, da die beiden schon<br />

den ganzen Vormittag für Unruhe <strong>in</strong> <strong>der</strong> Gruppe gesorgt haben. Unkonzentriert<br />

merkt er an, dass alle Plätze benötigt würden. Rehab hat unterdessen neben<br />

ihrem Freund auf <strong>der</strong> h<strong>in</strong>teren Bank Platz genommen. Be<strong>in</strong>e schlenkernd verweist<br />

sie darauf, dass e<strong>in</strong>es <strong>der</strong> Fahrk<strong>in</strong><strong>der</strong> krank sei. Auch dass vielleicht während <strong>der</strong><br />

Fahrtzeit ihre Eltern ersche<strong>in</strong>en könnten, um sie abzuholen, wi<strong>der</strong>legt sie lächelnd<br />

mit dem H<strong>in</strong>weis auf <strong>der</strong>en Arbeitszeiten. In Herrn H. beg<strong>in</strong>nt sich Unmut zu<br />

regen. Er ist nahe daran, das Gespräch mit <strong>der</strong> energischen Auffor<strong>der</strong>ung zu beenden,<br />

das Mädchen möge doch endlich begreifen, dass es nicht möglich sei sie mitzunehmen.<br />

Stattdessen holt er tief Luft, wendet sich dem Mädchen zu und erläutert ihr den<br />

eigentlichen Grund für se<strong>in</strong>e ablehnende Haltung, woraufh<strong>in</strong> sie – sehr ernsthaft –<br />

Verständnis für se<strong>in</strong>e Befürchtungen äußert und nach kurzer Rücksprache mit<br />

ihrem Freund versichert, während <strong>der</strong> Fahrt „ganz ruhig“ zu se<strong>in</strong>. Herr H. willigt –<br />

nicht ohne Bedenken – e<strong>in</strong> und muss es nicht bereuen.<br />

K<strong>in</strong><strong>der</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong>artigen Situationen als gleichwertige,<br />

eigen-s<strong>in</strong>nige Partner anzusehen, ihnen<br />

ehrlich, authentisch, ohne (pädagogisch begründete)<br />

H<strong>in</strong>tergedanken entgegen zu treten,<br />

ist nicht leicht. Zu sehr s<strong>in</strong>d wir daran gewöhnt,<br />

für K<strong>in</strong><strong>der</strong> zu denken und ihnen Verantwortung<br />

abzunehmen.<br />

Partizipative pädagogische Beziehungen zu<br />

gestalten, bedeutet aber, K<strong>in</strong><strong>der</strong> als Subjekte<br />

zu achten, sich für ihre Positionen, Überlegungen<br />

und Pläne zu <strong>in</strong>teressieren und diese<br />

ernst zu nehmen.<br />

q <strong>Partizipation</strong> verlangt, dass Erwachsene<br />

K<strong>in</strong><strong>der</strong>n Verantwortung für sich selbst<br />

zugestehen<br />

K<strong>in</strong><strong>der</strong> s<strong>in</strong>d sehr wohl <strong>in</strong> <strong>der</strong> Lage, Verantwortung<br />

für sich selbst zu übernehmen. In K<strong>in</strong><strong>der</strong>tagese<strong>in</strong>richtungen<br />

gibt es h<strong>in</strong>gegen zahlreiche<br />

Regeln, die die K<strong>in</strong><strong>der</strong> daran h<strong>in</strong><strong>der</strong>n,<br />

diese Eigenverantwortung wahrzunehmen.<br />

Oft geschieht dies seit vielen K<strong>in</strong><strong>der</strong>gartengenerationen<br />

<strong>in</strong> stillschweigen<strong>der</strong> Übere<strong>in</strong>kunft<br />

<strong>der</strong> Erwachsenen. E<strong>in</strong>e dieser verbreiteten<br />

Regeln lautet: „<strong>Die</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong> müssen <strong>in</strong> <strong>der</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong>tagesstätte<br />

Hausschuhe tragen.“<br />

Es mag viele Gründe geben, die diese Regel<br />

s<strong>in</strong>nvoll ersche<strong>in</strong>en lassen: Sauberkeit, mögliche<br />

Rutschgefahr, Fußbodenkälte etc.. E<strong>in</strong>er<br />

genaueren Prüfung halten diese Gründe aber<br />

meist nicht stand.<br />

<strong>Die</strong> Regel lautet nicht: „In <strong>der</strong> E<strong>in</strong>richtung dürfen<br />

ke<strong>in</strong>e schmutzigen Straßenschuhe getragen<br />

werden.“ Es sche<strong>in</strong>t also um mehr zu<br />

gehen als um Sauberkeit.<br />

Auch verr<strong>in</strong>gern locker an<br />

den Füßen sitzende Hausschuhe<br />

mit Filzsohle sicher<br />

nicht die Rutschgefahr.<br />

Steckt h<strong>in</strong>ter dieser<br />

Regel also (auch) die fürsorgliche<br />

Absicht, die K<strong>in</strong><strong>der</strong><br />

vor kalten Füßen und<br />

folgenden Erkältungskrankheiten<br />

zu bewahren?<br />

Regeln, die <strong>der</strong>art motiviert<br />

s<strong>in</strong>d, s<strong>in</strong>d häufig an<br />

e<strong>in</strong>e subjektive Wahrnehmung<br />

<strong>der</strong> Erwachsenen<br />

gekoppelt: „Ich habe kalte<br />

Füße, wenn ich <strong>in</strong> <strong>der</strong> E<strong>in</strong>richtung<br />

barfuß laufe.“<br />

Wie fragwürdig e<strong>in</strong>e solche<br />

Koppelung ist, zeigt<br />

das folgende Beispiel von<br />

Erika Kazemi-Veisari<br />

(2001, 6 f.): „Es ist Anfang<br />

November. Nebel,<br />

14


Was bedeutet <strong>Partizipation</strong> <strong>in</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong>tagese<strong>in</strong>richtungen?<br />

Dunkelheit und Temperaturen um 10º C br<strong>in</strong>gen<br />

e<strong>in</strong>e Praktikant<strong>in</strong> dazu, e<strong>in</strong>em Jungen<br />

(Schulk<strong>in</strong>d), <strong>der</strong> draußen Fußball spielen will,<br />

zu sagen, er müsse se<strong>in</strong>e Jacke anziehen.<br />

<strong>Die</strong>ser weigert sich. <strong>Die</strong> Praktikant<strong>in</strong> sagt, sie<br />

wisse aber, es sei zu kalt ohne Jacke. Der<br />

Junge rennt ohne Jacke raus. Nach 15 M<strong>in</strong>uten<br />

Fußballspiel stellt er sich völlig verschwitzt<br />

vor die Praktikant<strong>in</strong> und sagt: Er wisse, es sei<br />

warm, sie müsse jetzt ihre Jacke ausziehen.<br />

<strong>Die</strong> Praktikant<strong>in</strong> versteht und akzeptiert die<br />

Lehre. Sie merkt, wie schwer es ist, etwas zu<br />

wissen und aus diesem Wissen für jemanden<br />

zu entscheiden, was für ihn gut und richtig ist.<br />

Ihr wird auch bewusst, dass warm und kalt<br />

nur naturwissenschaftlich gesehen messbare<br />

Größen s<strong>in</strong>d, im Alltagsleben aber Empf<strong>in</strong>dungen,<br />

die von vielen verschiedenen Umständen<br />

abhängen.“<br />

Ob mir kalt o<strong>der</strong> warm ist, ob ich hungrig, durstig<br />

o<strong>der</strong> müde b<strong>in</strong>, was mir schmeckt und<br />

was mir nicht schmeckt o<strong>der</strong> ob ich traurig,<br />

wütend o<strong>der</strong> glücklich b<strong>in</strong>, darüber kann ich<br />

letztlich nur selbst bef<strong>in</strong>den. Jesper Juul<br />

(1997, 149 ff.) billigt auch K<strong>in</strong><strong>der</strong>n une<strong>in</strong>geschränkt<br />

zu, diese „persönliche Verantwortung“<br />

für sich selbst zu übernehmen. Beg<strong>in</strong>nen<br />

Erwachsene, den K<strong>in</strong><strong>der</strong>n ihre persönliche<br />

Verantwortung abzunehmen, führt dies<br />

meist zu ernsten Konflikten und Störungen.<br />

<strong>Die</strong>se Erkenntnis wird mittlerweile auch <strong>in</strong><br />

Präventionsmaßnahmen berücksichtigt. <strong>Die</strong><br />

Leiter<strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Kieler K<strong>in</strong><strong>der</strong>tagese<strong>in</strong>richtung,<br />

die an e<strong>in</strong>em Modellprojekt zur Vorbeugung<br />

von Essstörungen (vgl. Hoffmann-<br />

Steuernagel / Schulze-Lohmann 2004) teilnahm,<br />

berichtet <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em persönlichen Gespräch,<br />

dass ihre E<strong>in</strong>richtung sehr positive Erfahrungen<br />

damit gemacht hat, sämtliche<br />

Reglementierungen rund um die Nahrungsaufnahme<br />

<strong>der</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong> aufzuheben. Es gibt e<strong>in</strong><br />

vielfältiges Angebot im<br />

K<strong>in</strong><strong>der</strong>restaurant <strong>der</strong> E<strong>in</strong>richtung,<br />

und die K<strong>in</strong><strong>der</strong><br />

entscheiden selbst, wann,<br />

was, mit wem, wie viel<br />

und wie sie essen. In <strong>der</strong><br />

Folge haben sich die Essenssituationen<br />

zunehmend<br />

entspannt. Es entstehen<br />

angenehme Tischrunden<br />

und die Erzieher<strong>in</strong>nen<br />

stellen nicht<br />

fest, dass K<strong>in</strong><strong>der</strong> dauerhaft<br />

gar nichts o<strong>der</strong> nur<br />

Süßes zu sich nehmen.<br />

Ähnliches gilt <strong>in</strong> <strong>der</strong> Gewaltprävention.<br />

Während<br />

<strong>in</strong> vielen K<strong>in</strong><strong>der</strong>tagese<strong>in</strong>richtungen – <strong>der</strong> Bef<strong>in</strong>dlichkeit<br />

<strong>der</strong> Erwachsenen entsprechend –<br />

die Regel gilt: „Hier wird nicht gehauen!“, betont<br />

Hans Oswald (1998) die große sozialisatorische<br />

Bedeutung rauher Kampfspiele auf<br />

<strong>der</strong> Grenze zwischen Spaß und Ernst. K<strong>in</strong><strong>der</strong>n<br />

machen diese (meist verbotenen) Spiele nicht<br />

nur viel Spaß; genau an dieser Grenze, die<br />

eben auch manchmal überschritten wird, lernen<br />

sie, die Grenzen des Gegenübers zu erkennen<br />

und e<strong>in</strong>en ungewollten Streit zu vermeiden.<br />

<strong>Die</strong> subjektive Wahrnehmung und die persönlichen<br />

Empf<strong>in</strong>dungen <strong>der</strong> Erwachsenen s<strong>in</strong>d<br />

also e<strong>in</strong>e recht willkürliche Grundlage, um die<br />

Entfaltungsräume <strong>der</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong> durch Regelsetzungen<br />

e<strong>in</strong>zugrenzen.<br />

<strong>Die</strong> Gestaltung partizipativer pädagogischer<br />

Beziehungen verlangt, den K<strong>in</strong><strong>der</strong>n Verantwortung<br />

für sich selbst zuzugestehen. Dementsprechend<br />

müssen Regeln unter Berücksichtigung<br />

<strong>der</strong> unterschiedlichen Interessen geme<strong>in</strong>sam<br />

mit den K<strong>in</strong><strong>der</strong>n ausgehandelt<br />

werden; und zwar immer wie<strong>der</strong> aufs neue –<br />

<strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e mit je<strong>der</strong> neuen K<strong>in</strong><strong>der</strong>gartengeneration.<br />

q <strong>Partizipation</strong> verlangt, dass Erwachsene<br />

K<strong>in</strong><strong>der</strong> bei <strong>der</strong> Entwicklung von Streitkompetenzen<br />

unterstützen<br />

K<strong>in</strong><strong>der</strong>n Verantwortung für sich selbst zuzugestehen,<br />

heißt jedoch nicht, dass Erwachsene<br />

ihre Verantwortung für die K<strong>in</strong><strong>der</strong> abgeben<br />

können. E<strong>in</strong>e Befragung von Mädchen und<br />

Jungen <strong>in</strong> Hamburger Horten ergab, dass<br />

diese von den Erzieher<strong>in</strong>nen und Erziehern<br />

sche<strong>in</strong>bar wi<strong>der</strong>sprüchliche Reaktionen erwarten,<br />

wenn es unter den K<strong>in</strong><strong>der</strong>n Streit gibt.<br />

E<strong>in</strong>erseits „sollen sie uns <strong>in</strong> Ruhe lassen“, an<strong>der</strong>erseits<br />

greifen sie „viel zu wenig“ e<strong>in</strong> (<strong>Die</strong>ken<br />

/ Rohrmann / Sommerfeld 2004, 44).<br />

<strong>Die</strong>se Aussagen drücken trefflich die ambiva-<br />

„<strong>Die</strong><br />

?<br />

K<strong>in</strong><strong>der</strong><br />

müssen <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />

K<strong>in</strong><strong>der</strong>tagestätte<br />

Hausschuhe<br />

tragen“<br />

15


Was bedeutet <strong>Partizipation</strong> <strong>in</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong>tagese<strong>in</strong>richtungen?<br />

„In<br />

?<br />

<strong>der</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong>tagesstätte<br />

sollten<br />

K<strong>in</strong><strong>der</strong> ihre Streitigkeiten<br />

alle<strong>in</strong><br />

regeln können“<br />

lenten Anfor<strong>der</strong>ungen an Erwachsene im Umgang<br />

mit Konflikten unter K<strong>in</strong><strong>der</strong>n aus.<br />

Konflikt und Streit als produktives Lernfeld zu<br />

begreifen, ist <strong>in</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong>tagese<strong>in</strong>richtungen bislang<br />

wenig ausgeprägt. Dabei gehören Konflikte<br />

sowohl <strong>in</strong><br />

<strong>der</strong> Familie als<br />

auch <strong>in</strong> pädagogischen<br />

E<strong>in</strong>richtungen<br />

zum Alltag.<br />

Jan-Uwe<br />

Rogge (2000)<br />

betont, dass<br />

Sich-Streiten<br />

und Sich-Ause<strong>in</strong>an<strong>der</strong>setzen<br />

zu e<strong>in</strong>er lebendigen<br />

Erziehung<br />

und zum demokratischen<br />

Mite<strong>in</strong>an<strong>der</strong><br />

gehören.<br />

Auch Christa<br />

Preiss<strong>in</strong>g<br />

(2000, 82) verb<strong>in</strong>det Beteiligung <strong>in</strong> <strong>der</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong>tagesstätte<br />

mit <strong>der</strong> „Entwicklung e<strong>in</strong>er Streitkultur“.<br />

Dazu ist es zunächst e<strong>in</strong>mal erfor<strong>der</strong>lich,<br />

Streit überhaupt zuzulassen – auch wenn<br />

die K<strong>in</strong><strong>der</strong> noch nicht die Regeln e<strong>in</strong>es rationalen<br />

Dialogs beherrschen.<br />

Sich konstruktiv streiten zu können setzt voraus,<br />

dass unterschiedliche Interessen und E<strong>in</strong>schätzungen<br />

erkannt und thematisiert sowie<br />

Kompromisse und Lösungen gefunden werden.<br />

Sich streiten zu können ist damit e<strong>in</strong>e<br />

Voraussetzung für demokratisches Handeln,<br />

denn auch die <strong>Demokratie</strong> lebt vom Streit,<br />

vom Aushandeln unterschiedlicher Interessen.<br />

Christa Preiss<strong>in</strong>g (2000, 84 ff.) identifiziert vier<br />

Grundqualifikationen für e<strong>in</strong> demokratisches<br />

<strong>in</strong>teraktives Handeln: Selbstpräsentation und<br />

Empathie (also die Kompetenzen, die eigenen<br />

Interessen wahrzunehmen und zu vertreten,<br />

sowie sich <strong>in</strong> an<strong>der</strong>e h<strong>in</strong>e<strong>in</strong>zuversetzen) sowie<br />

Frustrationstoleranz und Ambiguitätstoleranz<br />

(also die Fähigkeiten, Misserfolge, Nie<strong>der</strong>lagen<br />

h<strong>in</strong>nehmen, sowie une<strong>in</strong>deutige Situationen<br />

aushalten zu können). K<strong>in</strong><strong>der</strong> erwerben<br />

und üben diese Kompetenzen schon früh.<br />

Sollten K<strong>in</strong><strong>der</strong> also <strong>in</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong>tagese<strong>in</strong>richtungen<br />

ihre Streitigkeiten alle<strong>in</strong> regeln? E<strong>in</strong> achtjähriges<br />

Mädchen br<strong>in</strong>gt es <strong>in</strong> <strong>der</strong> Hamburger<br />

Befragung auf den Punkt: „Dann sagen sie<br />

[die Erzieher<strong>in</strong>nen, d.A.] immer, wir sollen das<br />

alle<strong>in</strong> regeln, aber wir können das doch gar<br />

nicht, wir haben das noch nicht gelernt“ (<strong>Die</strong>ken<br />

/ Rohrmann / Sommerfeld 2004, 45).<br />

Sich konstruktiv zu streiten will <strong>in</strong> <strong>der</strong> Tat gelernt<br />

se<strong>in</strong>. E<strong>in</strong>fühlsamkeit und Rücksichtnahme<br />

– das, was Jesper Juul (1997, 175 ff.) <strong>in</strong><br />

Abgrenzung zur „persönlichen Verantwortung“<br />

die „soziale Verantwortung“ nennt –<br />

entwickelt sich nur <strong>in</strong> <strong>der</strong> Begegnung mit an<strong>der</strong>en.<br />

Daher spielen Erwachsene <strong>in</strong> diesem<br />

Zusammenhang e<strong>in</strong>e unverzichtbare Rolle.<br />

Wie es enden könnte, wenn K<strong>in</strong><strong>der</strong> mit ihren<br />

Konflikten alle<strong>in</strong> gelassen werden, davon malt<br />

William Gold<strong>in</strong>g (1984) <strong>in</strong> se<strong>in</strong>em Roman<br />

„Herr <strong>der</strong> Fliegen“ e<strong>in</strong> düsteres Bild: E<strong>in</strong>e<br />

Gruppe englischer Schuljungen, die es nach<br />

e<strong>in</strong>em Flugzeugabsturz auf e<strong>in</strong>e e<strong>in</strong>same Insel<br />

verschlägt, entwickelt sich <strong>in</strong> ihren Ause<strong>in</strong>an<strong>der</strong>setzungen<br />

zu menschlichen Bestien.<br />

Empathie und die Freude an konstruktiven<br />

Konfliktlösungen lernen K<strong>in</strong><strong>der</strong> <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e<br />

dadurch, dass sie empathischen und konfliktfreudigen<br />

Erwachsenen begegnen, die sie <strong>in</strong><br />

ihren Konflikten begleiten und nicht alle<strong>in</strong><br />

lassen. <strong>Die</strong> Erwachsenen bleiben also <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />

Verantwortung dafür, K<strong>in</strong><strong>der</strong> bei <strong>der</strong> Entwikklung<br />

von Streitkompetenzen zu unterstützen.<br />

<strong>Die</strong>se Verantwortung <strong>der</strong> Erwachsenen besteht<br />

e<strong>in</strong>erseits dar<strong>in</strong>, K<strong>in</strong><strong>der</strong>n Vorbil<strong>der</strong> zu<br />

se<strong>in</strong> – im Streit untere<strong>in</strong>an<strong>der</strong> und mit den<br />

K<strong>in</strong><strong>der</strong>n – und an<strong>der</strong>erseits, K<strong>in</strong><strong>der</strong>n dabei behilflich<br />

zu se<strong>in</strong>, ihre Streitigkeiten konstruktiv<br />

zu lösen.<br />

Letzteres bedeutet jedoch nicht, dass Erzieher<strong>in</strong>nen<br />

und Erzieher immer e<strong>in</strong>schreiten sollten,<br />

wenn e<strong>in</strong> Streit aufzukeimen droht. Hans<br />

Oswald (1998) weist darauf h<strong>in</strong>, wie schwierig<br />

es für Erwachsene oft ist, zu beurteilen, ob<br />

die Grenze zwischen Spaß und Ernst bereits<br />

überschritten ist. Sche<strong>in</strong>t es ungewiss, ob die<br />

K<strong>in</strong><strong>der</strong> die Situation meistern, sollten die Erwachsenen<br />

ihre Aufmerksamkeit signalisieren<br />

und gegebenenfalls ihre Hilfe anbieten, aber<br />

16


Was bedeutet <strong>Partizipation</strong> <strong>in</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong>tagese<strong>in</strong>richtungen?<br />

nicht aufdrängen. In <strong>der</strong> Regel genügt es aktiv<br />

e<strong>in</strong>zugreifen, wenn e<strong>in</strong>es <strong>der</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong> das Hilfsangebot<br />

e<strong>in</strong>for<strong>der</strong>t.<br />

E<strong>in</strong> Beispiel:<br />

Christ<strong>in</strong>e kommt laut schimpfend zur Erzieher<strong>in</strong><br />

gelaufen. Paul würde ihr immer<br />

die Dose mit den Perlen wegnehmen, obwohl<br />

sie gerade e<strong>in</strong>e Kette auffädeln<br />

wolle. Paul folgt ihr auf dem Fuße. Er sei<br />

Pirat und das sei se<strong>in</strong>e Schatztruhe; Christ<strong>in</strong>e<br />

habe sie aus se<strong>in</strong>em Versteck geklaut.<br />

K<strong>in</strong><strong>der</strong> beg<strong>in</strong>nt – so wird <strong>in</strong> Kapitel 3 ausgeführt<br />

– <strong>in</strong> den Köpfen <strong>der</strong> Erwachsenen. K<strong>in</strong><strong>der</strong><br />

können, wie Jesper Juul (1997, 161) betont,<br />

zwar „ihre Grenzen kenntlich machen,<br />

aber sie können sie nicht gegen die Manipulation<br />

durch größere K<strong>in</strong><strong>der</strong> o<strong>der</strong> Erwachsene<br />

verteidigen“.<br />

Erwachsene, die partizipative pädagogische<br />

Beziehungen gestalten wollen, müssen dementsprechend<br />

die Rolle von Mentoren annehmen,<br />

die die K<strong>in</strong><strong>der</strong> ernst nehmen, ihnen Eigenverantwortung<br />

zugestehen, sie nach bestem<br />

Wissen unterstützen, offen s<strong>in</strong>d für das,<br />

was dann passiert, und letztlich doch die Verantwortung<br />

dafür behalten.<br />

Hier kann es nicht darum gehen, <strong>in</strong> die Rolle<br />

<strong>der</strong> Richter<strong>in</strong> o<strong>der</strong> des Richters zu schlüpfen,<br />

um den genauen Hergang mit den K<strong>in</strong><strong>der</strong>n zu<br />

rekonstruieren und die Entscheidung zu fällen,<br />

wer das erste Anrecht auf die Dose hat. Der<br />

Vorschlag, dass Christ<strong>in</strong>e ja die Frau des Piraten<br />

se<strong>in</strong> und aus den geraubten Perlen wertvolle<br />

Ketten herstellen könnte, würde vielleicht<br />

eher die Situation entspannen, die K<strong>in</strong><strong>der</strong><br />

jedoch gleichzeitig um die Erfahrung e<strong>in</strong>er<br />

geme<strong>in</strong>samen Problemlösung br<strong>in</strong>gen. Inhaltlich<br />

sollten die K<strong>in</strong><strong>der</strong> vielmehr für ihre Ause<strong>in</strong>an<strong>der</strong>setzung<br />

selbst verantwortlich bleiben.<br />

Trotzdem dürfen die Erzieher<strong>in</strong>nen und Erzieher<br />

sie <strong>in</strong> dieser Situation bei ihrer Suche<br />

nach Lösungen nicht alle<strong>in</strong> lassen. Sie s<strong>in</strong>d<br />

dafür zuständig, sie im Prozess zu begleiten,<br />

ihnen Gelegenheit zu geben, sich gegenseitig<br />

ihre Sicht <strong>der</strong> D<strong>in</strong>ge darzustellen, ihnen vielleicht<br />

die Empathie entgegen zu br<strong>in</strong>gen, die<br />

das an<strong>der</strong>e K<strong>in</strong>d im Streit noch nicht aufbr<strong>in</strong>gen<br />

kann, vielleicht zu „übersetzen“, dem jeweiligen<br />

Anliegen e<strong>in</strong>e Sprache zu geben. In<br />

diesem S<strong>in</strong>ne wäre es vielleicht hilfreich,<br />

wenn die Erzieher<strong>in</strong> zunächst nachfragt, wie<br />

Christ<strong>in</strong>e es hätte bemerken können, dass<br />

Paul die Perlen als Piratenschatz versteckt<br />

habe.<br />

Partizipative pädagogische Beziehungen zu<br />

gestalten, verlangt von den Erwachsenen viel<br />

F<strong>in</strong>gerspitzengefühl. Sie müssen immer wie<strong>der</strong><br />

aufs neue klären, wann sie den K<strong>in</strong><strong>der</strong>n<br />

die Verantwortung für e<strong>in</strong>e Situation zutrauen<br />

und zugestehen können und wann sie den<br />

K<strong>in</strong><strong>der</strong>n welche Unterstützung anbieten müssen.<br />

q <strong>Die</strong> Rolle <strong>der</strong> Erwachsenen<br />

<strong>Die</strong> Gestaltung von Beziehungen zwischen Erwachsenen<br />

und K<strong>in</strong><strong>der</strong>n, <strong>in</strong> denen <strong>Partizipation</strong><br />

möglich wird, liegt alle<strong>in</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> Verantwortung<br />

<strong>der</strong> Erwachsenen. <strong>Die</strong> <strong>Partizipation</strong> <strong>der</strong><br />

Um nicht von e<strong>in</strong>zelnen Erwachsenen<br />

abhängig zu se<strong>in</strong>, muss <strong>Partizipation</strong> <strong>in</strong><br />

den Strukturen <strong>der</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong>tagese<strong>in</strong>richtung<br />

verankert se<strong>in</strong>.<br />

Während <strong>Partizipation</strong> als Element <strong>der</strong> pädagogischen<br />

Beziehungen <strong>in</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong>tagese<strong>in</strong>richtungen<br />

<strong>in</strong> hohem Maß von <strong>der</strong> Kompetenz<br />

und <strong>der</strong> Bereitwilligkeit und damit auch von<br />

<strong>der</strong> augenblicklichen Stimmungslage <strong>der</strong> e<strong>in</strong>zelnen<br />

Erwachsenen abhängig ist, geht es bei<br />

<strong>der</strong> strukturellen Verankerung von <strong>Partizipation</strong><br />

darum, K<strong>in</strong><strong>der</strong>n unabhängig von den konkreten<br />

Erwachsenen e<strong>in</strong> Recht auf Mitgestaltung<br />

zu gewährleisten (vgl. Knauer / Brandt<br />

1998).<br />

Erst die strukturelle Verankerung von <strong>Partizipation</strong><br />

lässt Beteiligung als Recht <strong>der</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong><br />

sichtbar werden. Beteiligungsrechte können<br />

<strong>in</strong> <strong>der</strong> pädagogischen Konzeption <strong>der</strong> E<strong>in</strong>richtung<br />

sowie als <strong>in</strong>stitutionelles Recht verankert<br />

se<strong>in</strong>.<br />

q <strong>Partizipation</strong> als Bestandteil <strong>der</strong> pädagogischen<br />

Konzeption<br />

In <strong>der</strong> pädagogischen Konzeption e<strong>in</strong>er K<strong>in</strong><strong>der</strong>tagesstätte<br />

werden die Weichen dafür gestellt,<br />

<strong>in</strong> welchem Maße die K<strong>in</strong><strong>der</strong> im Alltag<br />

<strong>der</strong> E<strong>in</strong>richtung für ihre eigenen Belange zuständig<br />

se<strong>in</strong> können. Entscheidungsspielräume<br />

können hier explizit e<strong>in</strong>geräumt o<strong>der</strong><br />

durch curriculare Zielvorgaben e<strong>in</strong>geschränkt<br />

werden.<br />

In den drei Ansätzen, die zur Zeit den Elementarbereich<br />

am stärksten konzeptionell prägen,<br />

spielt <strong>Partizipation</strong> e<strong>in</strong>e wichtige Rolle: im Situationsansatz<br />

(vgl. Preiss<strong>in</strong>g 2003; Zimmer<br />

2000), <strong>in</strong> <strong>der</strong> Bildungsdebatte (vgl. Schäfer<br />

2003; Laewen / Andres 2002) und auch <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />

pädagogischen Arbeit <strong>in</strong> Reggio Emilia (vgl.<br />

Dreier 1999). <strong>Die</strong> fachliche Kenntnis dieser<br />

Ansätze und <strong>der</strong> Bedeutung von <strong>Partizipation</strong><br />

<strong>in</strong> diesen Kontexten gehört zu den Kernkom-<br />

17


Was bedeutet <strong>Partizipation</strong> <strong>in</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong>tagese<strong>in</strong>richtungen?<br />

petenzen, die Erzieher<strong>in</strong>nen und Erzieher auch<br />

für die Beteiligung <strong>der</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong> benötigen (vgl.<br />

Kapitel 3.2).<br />

Mit <strong>der</strong> Idee des „offenen K<strong>in</strong><strong>der</strong>gartens“<br />

(vgl. Regel / Kühne 2001) hat sich <strong>in</strong> den<br />

1990er Jahren e<strong>in</strong> Konzept entwickelt, das<br />

K<strong>in</strong><strong>der</strong>n e<strong>in</strong> hohes Maß an Selbstbestimmungsrechten<br />

im Alltag zugesteht und <strong>in</strong>sofern<br />

auch als pädagogisch-strukturelle Variante<br />

von <strong>Partizipation</strong> <strong>in</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong>tagese<strong>in</strong>richtungen<br />

angesehen werden kann. Im offenen K<strong>in</strong><strong>der</strong>garten<br />

können K<strong>in</strong><strong>der</strong> selbst entscheiden, welchen<br />

Tätigkeiten sie nachgehen, <strong>in</strong> welchen<br />

<strong>Die</strong> Frage, ob K<strong>in</strong><strong>der</strong> alle<strong>in</strong> das K<strong>in</strong><strong>der</strong>gartengelände<br />

verlassen dürfen, ist unter Erzieher<strong>in</strong>nen<br />

und Erziehern höchst umstritten. Groß ist<br />

die Angst, wegen Verletzung <strong>der</strong> Aufsichtspflicht<br />

belangt zu werden. Das verme<strong>in</strong>tliche<br />

Damoklesschwert <strong>der</strong> Aufsichtspflichtverletzung<br />

wird gar zu rasch zur Schere im Kopf,<br />

die die Selbständigkeit <strong>der</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong> beschneidet.<br />

Dabei gibt es aus rechtlicher Sicht <strong>in</strong> dieser<br />

Frage seit langem Entscheidungsspielräume.<br />

So wies <strong>der</strong> Bundesverband <strong>der</strong> Unfallversicherungsträger<br />

schon vor fast 20 Jahren<br />

auf e<strong>in</strong> Urteil des Bundesgerichtshofs h<strong>in</strong>, <strong>in</strong><br />

dem e<strong>in</strong>geräumt wird, „dass es auch bei Vorschulk<strong>in</strong><strong>der</strong>n<br />

wegen des bevorstehenden<br />

Schulbesuchs und <strong>der</strong> mit dem Schulweg<br />

verbundenen Gefahren oft zweckmäßig se<strong>in</strong><br />

wird, dass sie sich auch ohne ständige Überwachung<br />

<strong>in</strong> ihrem Verhalten auf den Straßenverkehr<br />

e<strong>in</strong>stellen“ (Künzel 1985, 8). Es kann<br />

also auch an<strong>der</strong>s gehen.<br />

Gruppenkonstellationen sie spielen und <strong>in</strong><br />

welchen Räumen sie sich aufhalten wollen.<br />

Öffnungsprozesse vollziehen sich als konzeptionelle<br />

Entwicklungen <strong>in</strong> <strong>der</strong> Praxis <strong>der</strong> E<strong>in</strong>richtungen.<br />

<strong>Die</strong> Öffnung <strong>der</strong> pädagogischen<br />

Arbeit verlangt von den pädagogischen Fachkräften<br />

immer wie<strong>der</strong> zu reflektieren, wann<br />

ihre pädagogische Verantwortung mit <strong>der</strong> Eigenverantwortung<br />

<strong>der</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong> kollidiert, wann<br />

es also notwendig o<strong>der</strong> gerechtfertigt ist, den<br />

K<strong>in</strong><strong>der</strong>n Grenzen zu setzen und wann nicht.<br />

Auch im offenen K<strong>in</strong><strong>der</strong>garten setzen die<br />

Erwachsenen den K<strong>in</strong><strong>der</strong>n Grenzen. So endet<br />

die freie Wahl des Spielortes zwar nicht mehr<br />

an <strong>der</strong> Gruppentür und oft nicht e<strong>in</strong>mal mehr<br />

an <strong>der</strong> Tür zum Außengelände, aber <strong>in</strong> aller<br />

Regel am Zaun <strong>der</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong>tagese<strong>in</strong>richtung.<br />

Ole und Hanne s<strong>in</strong>d sechs Jahre alt, als<br />

sie ihren langjährigen Betreuer H. e<strong>in</strong>es<br />

Morgens mit <strong>der</strong> Bitte überraschen, spazieren<br />

gehen zu dürfen. Herr H. ist irritiert.<br />

Zwar verlassen immer mal wie<strong>der</strong> kle<strong>in</strong>e<br />

K<strong>in</strong><strong>der</strong>gruppen das Gelände <strong>der</strong> E<strong>in</strong>richtung,<br />

doch stets <strong>in</strong> Begleitung e<strong>in</strong>er erwachsenen<br />

Mitarbeiter<strong>in</strong>. Se<strong>in</strong>e Nachfrage,<br />

was sie vorhätten, beantworten die<br />

K<strong>in</strong><strong>der</strong> kurz und knapp: „E<strong>in</strong>fach nur spazieren<br />

gehen.“ Herr H. wägt ab: Er kennt<br />

die K<strong>in</strong><strong>der</strong> seit fünf Jahren. Sie beherrschen<br />

und beachten die Verkehrsregeln<br />

üblicherweise gut; die Stimmung dieses<br />

Tages sche<strong>in</strong>t für e<strong>in</strong> solches Experiment<br />

günstig; die beiden haben sich <strong>in</strong> <strong>der</strong> Vergangenheit<br />

zuverlässig an getroffene Vere<strong>in</strong>barungen<br />

gehalten; und er ahnt, dass<br />

sie das Ausflugsziel des vergangenen<br />

Tages im nahe gelegenen Park anvisieren.<br />

Herr H. verabredet mit ihnen, dass sie<br />

nicht <strong>in</strong> Richtung <strong>der</strong> Hauptverkehrsstraße,<br />

son<strong>der</strong>n nur <strong>in</strong> Richtung Park gehen und –<br />

ja, Ole hätte se<strong>in</strong>e neue Uhr dabei – <strong>in</strong><br />

e<strong>in</strong>er halben Stunde, wenn <strong>der</strong> große Zeiger<br />

oben ist, zum Mittagessen wie<strong>der</strong> da<br />

se<strong>in</strong> sollen.<br />

<strong>Die</strong>ses Beispiel ist ke<strong>in</strong> Plädoyer dafür, alle<br />

Zäune um K<strong>in</strong><strong>der</strong>tagese<strong>in</strong>richtungen zu beseitigen.<br />

Erzieher<strong>in</strong>nen und Erzieher wie K<strong>in</strong><strong>der</strong><br />

haben e<strong>in</strong>en Anspruch auf den Schutz, den<br />

<strong>der</strong> Zaun vor vielerlei unkalkulierbaren Unglücksfällen<br />

bietet.<br />

Aber wie <strong>der</strong> Erzieher <strong>in</strong> <strong>der</strong> geschil<strong>der</strong>ten Situation<br />

s<strong>in</strong>d Erwachsene, die K<strong>in</strong><strong>der</strong>n Eigenverantwortung<br />

zugestehen wollen, herausgefor<strong>der</strong>t,<br />

die Grenzen, die sie K<strong>in</strong><strong>der</strong>n setzen,<br />

immer wie<strong>der</strong> (selbst)kritisch zu h<strong>in</strong>terfragen.<br />

Kann es nicht für das e<strong>in</strong>e o<strong>der</strong> an<strong>der</strong>e K<strong>in</strong>d<br />

e<strong>in</strong>e angemessene und s<strong>in</strong>nvolle Herausfor<strong>der</strong>ung<br />

se<strong>in</strong>, alle<strong>in</strong> spazieren gehen zu dürfen?<br />

Zur Entwicklung eigenständiger Persönlichkei-<br />

18


Was bedeutet <strong>Partizipation</strong> <strong>in</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong>tagese<strong>in</strong>richtungen?<br />

ten gehört auch e<strong>in</strong> „Recht auf Risiken“,<br />

heißt es <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Broschüre von Landesjugendämtern<br />

zur Aufsichtspflicht <strong>in</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong>tagese<strong>in</strong>richtungen<br />

(Landschaftsverband Rhe<strong>in</strong>land<br />

/ Landschaftsverband Westfalen-Lippe<br />

2000, 4).<br />

Erwachsene Aufsichtspersonen sollten daher<br />

stets aufs neue abwägen, welches Gut <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />

jeweiligen Situation höher zu bewerten ist: die<br />

Eigenständigkeit <strong>der</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong> o<strong>der</strong> <strong>der</strong>en Schutz<br />

vor Gefahren. Das kann für Erzieher<strong>in</strong>nen und<br />

Erzieher bedeuten, sich entscheiden zu müssen<br />

zwischen e<strong>in</strong>er E<strong>in</strong>schränkung <strong>der</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong><br />

und ihrer persönlichen Bereitschaft, die Verantwortung<br />

für das selbstbestimmte Verhalten<br />

<strong>der</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong> zu tragen.<br />

Solche Abwägungsprozesse waren es, die <strong>in</strong><br />

<strong>der</strong> Entwicklung des offenen K<strong>in</strong><strong>der</strong>gartens zu<br />

Raum- und Zeitstrukturen führten, <strong>in</strong>nerhalb<br />

<strong>der</strong>er die K<strong>in</strong><strong>der</strong> „selbstbestimmt mit an<strong>der</strong>en<br />

K<strong>in</strong><strong>der</strong>n zusammen und ohne die ständige Anwesenheit<br />

von Erwachsenen ihren Spiel-, Bewegungs-<br />

und Forschungs<strong>in</strong>teressen nachgehen<br />

können“ (Regel / Kühne 2001, 13). E<strong>in</strong>er<br />

Aufsichtspflichtverletzung macht sich dabei<br />

nicht schuldig, wer wie Herr H. <strong>in</strong> dem o.g.<br />

Beispiel sorgfältig abwägt und e<strong>in</strong> reflektiertes<br />

und pädagogisch begründbares Risiko e<strong>in</strong>geht.<br />

Dabei muss es nicht gleich darum gehen,<br />

dass Elementark<strong>in</strong><strong>der</strong> unbeaufsichtigt durch<br />

den Stadtteil streifen. Im Ev. K<strong>in</strong><strong>der</strong>garten<br />

Schloss Rickl<strong>in</strong>gen beschäftigte die Erzieher<strong>in</strong>nen<br />

und Erzieher die Frage, ob und wie sie es<br />

verantworten könnten, dass K<strong>in</strong><strong>der</strong> alle<strong>in</strong> im<br />

Werkraum tätig seien. Sie führten „Werkstattpässe“<br />

e<strong>in</strong>, <strong>in</strong> denen die K<strong>in</strong><strong>der</strong> sich ihre stufenweise<br />

Qualifizierung als „Lehrl<strong>in</strong>g“, „Geselle“<br />

und „Meister“ bestätigen lassen konnten<br />

und die sie dazu berechtigten, die<br />

Werkstatt ohne Begleitung Erwachsener zu<br />

nutzen. <strong>Die</strong> Qualifizierungen bezogen sich auf<br />

materiale Erfahrungen sowie auf das Wissen<br />

und Beachten von Sicherheitsvorschriften und<br />

Regeln (vgl. Hansen / Schrö<strong>der</strong> / Kühne 2000).<br />

So konnten die Erwachsenen den K<strong>in</strong><strong>der</strong>n erweiterte<br />

Freiräume zugestehen, ohne selbst<br />

<strong>in</strong> Gewissensnöte zu geraten.<br />

S<strong>in</strong>d die Erwachsenen – aus welchen Gründen<br />

auch immer – e<strong>in</strong>mal nicht bereit o<strong>der</strong> <strong>in</strong><br />

<strong>der</strong> Lage, K<strong>in</strong><strong>der</strong>n <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er bestimmten Situation<br />

Eigenverantwortung zuzubilligen, kommt<br />

es sehr darauf an, wie sie den K<strong>in</strong><strong>der</strong>n Grenzen<br />

setzen. Vielen Erzieher<strong>in</strong>nen und Erziehern<br />

mag noch die strenge Ermahnung aus<br />

ihrer K<strong>in</strong>dheit <strong>in</strong> den Ohren hallen: „Das<br />

macht man nicht!“ Werden Grenzsetzungen<br />

<strong>der</strong>art allgeme<strong>in</strong> „begründet“, können K<strong>in</strong><strong>der</strong><br />

sie kaum <strong>in</strong> Frage stellen. E<strong>in</strong> Überschreiten<br />

dieser Grenze muss ihnen als ihr persönliches<br />

Fehlverhalten ersche<strong>in</strong>en, als Verstoß gegen<br />

e<strong>in</strong>e allgeme<strong>in</strong> gültige Regel. In den K<strong>in</strong><strong>der</strong>n<br />

kann auf diese Weise zwar e<strong>in</strong> schlechtes Gewissen<br />

und Angst vor Strafe hervorgerufen<br />

werden, aber sicher ke<strong>in</strong> Verständnis dafür,<br />

warum ihre Handlungsfreiheit an dieser Stelle<br />

e<strong>in</strong>geschränkt wurde.<br />

Wenn Erwachsene K<strong>in</strong><strong>der</strong>n Grenzen setzen,<br />

sollten sie sie daher „persönlich“ begründen,<br />

d.h. als Grenzen kenntlich machen, die von<br />

konkreten Personen aus konkreten Gründen<br />

gesetzt werden. <strong>Die</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong> s<strong>in</strong>d dann nicht<br />

nur mit sich selbst konfrontiert, wenn ihnen<br />

diese Grenzen zu eng ersche<strong>in</strong>en; sie können<br />

auch ärgerlich o<strong>der</strong> wütend se<strong>in</strong> auf die<br />

Grenzsetzer o<strong>der</strong> die Umstände, die zur<br />

Grenzsetzung führten. Ihre persönliche Integrität<br />

ist gewahrt.<br />

Auch aus demokratiepädagogischen Erwägungen<br />

heraus sollten Grenzen für K<strong>in</strong><strong>der</strong> grundsätzlich<br />

h<strong>in</strong>terfragbar bleiben – ja, müssen sie<br />

manchmal auch überschritten werden. Oft beg<strong>in</strong>nt<br />

nämlich die Ause<strong>in</strong>an<strong>der</strong>setzung mit<br />

e<strong>in</strong>er Grenze erst mit ihrer Überschreitung.<br />

Für e<strong>in</strong>e demokratische Erziehung von K<strong>in</strong><strong>der</strong>n<br />

ist es <strong>in</strong> <strong>der</strong> Regel för<strong>der</strong>licher, sich mit<br />

ihnen über S<strong>in</strong>n und Uns<strong>in</strong>n e<strong>in</strong>er Grenze zu<br />

streiten als <strong>der</strong>en unbed<strong>in</strong>gte E<strong>in</strong>haltung<br />

durchzusetzen. Wenn es nicht nur darum<br />

geht, dass sie die Grenzen, die ihnen gesetzt<br />

werden, anerkennen sollen, son<strong>der</strong>n diese<br />

auch aufgehoben o<strong>der</strong> verschoben werden<br />

können, machen K<strong>in</strong><strong>der</strong> dabei elementare demokratische<br />

Erfahrungen – denn auch e<strong>in</strong> demokratischer<br />

Rechtsstaat zeichnet sich nicht<br />

<strong>in</strong> erster L<strong>in</strong>ie durch die polizeiliche Kontrolle<br />

über die E<strong>in</strong>haltung <strong>der</strong> Gesetze aus, son<strong>der</strong>n<br />

durch die Möglichkeit, Gesetze – bis h<strong>in</strong> zum<br />

Grundgesetz – verän<strong>der</strong>n zu können, wenn<br />

dafür Mehrheiten vorhanden s<strong>in</strong>d. K<strong>in</strong><strong>der</strong> sollten<br />

also ke<strong>in</strong>eswegs immer davon abgehalten<br />

und manchmal sogar dazu ermuntert werden,<br />

„Zäune zu übersteigen“, d.h. vorhandene<br />

Grenzen kritisch zu h<strong>in</strong>terfragen. <strong>Die</strong> Grenzüberschreitungen<br />

<strong>der</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong> können so zum<br />

Anlass für e<strong>in</strong>e qualitative Weiterentwicklung<br />

<strong>der</strong> E<strong>in</strong>richtung werden. <strong>Die</strong> Befürchtung, e<strong>in</strong><br />

<strong>der</strong>artiger Umgang mit Regeln und Grenzen<br />

würde dazu führen, das K<strong>in</strong><strong>der</strong> an Orientierung<br />

verlören, ist unbegründet. Im Gegenteil:<br />

Gerade das aktive Aushandeln von Regeln<br />

und die Bereitschaft <strong>der</strong> Erwachsenen, sich<br />

um Grenzen zu streiten, führt dazu, dass Regeln<br />

für K<strong>in</strong><strong>der</strong> wichtiger und bedeutsamer<br />

werden.<br />

„Es ist nicht zu<br />

?<br />

verantworten,<br />

dass drei- bis<br />

sechsjährige K<strong>in</strong><strong>der</strong><br />

das Gelände<br />

<strong>der</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong>tagesstätte<br />

ohne Begleitung<br />

Erwachsener<br />

verlassen“<br />

19


Was bedeutet <strong>Partizipation</strong> <strong>in</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong>tagese<strong>in</strong>richtungen?<br />

„In<br />

?<br />

welche Gruppe<br />

e<strong>in</strong> neues K<strong>in</strong>d<br />

aufgenommen<br />

wird, müssen<br />

schon die Erwachsenen<br />

entscheiden“<br />

Im Alltag von K<strong>in</strong><strong>der</strong>tagese<strong>in</strong>richtungen gibt<br />

es viele Regulierungen, die es lohnt <strong>in</strong> Frage<br />

zu stellen. Sie bestehen oft unh<strong>in</strong>terfragt, solange<br />

den Beteiligten ihr Charakter „struktureller<br />

Fremdbestimmung“ nicht bewusst wird.<br />

E<strong>in</strong> Beispiel dafür ist die Zuordnung <strong>der</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong><br />

zu den Gruppen <strong>der</strong> E<strong>in</strong>richtung.<br />

<strong>Die</strong> Zugehörigkeit zu e<strong>in</strong>er Gruppe ist für<br />

jedes K<strong>in</strong>d e<strong>in</strong> wichtiges Moment <strong>der</strong> Beheimatung.<br />

Hier treffen sie auf Erzieher<strong>in</strong>nen, Erzieher<br />

und K<strong>in</strong><strong>der</strong> mit denen sie <strong>in</strong> den nächsten<br />

Jahren zusammen leben und arbeiten<br />

müssen. Zu welcher Gruppe sie gehören, entscheiden<br />

bislang aber <strong>in</strong> <strong>der</strong> Regel alle<strong>in</strong> die<br />

Erwachsenen. <strong>Die</strong> Aufteilung <strong>der</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong> <strong>in</strong> die<br />

e<strong>in</strong>zelnen (Stamm)-Gruppen f<strong>in</strong>det meist unter<br />

organisatorischen Gesichtspunkten statt und<br />

unterliegt e<strong>in</strong>er Institutionenlogik, die „das<br />

möglichst reibungslose Funktionieren e<strong>in</strong>es<br />

Betriebes“ (Colberg-Schra<strong>der</strong> 1998, 39) gewährleisten<br />

soll. Nur selten wird über diesen<br />

strukturell verankerten Automatismus nachgedacht.<br />

Was passiert aber, wenn die Freund<strong>in</strong> o<strong>der</strong><br />

<strong>der</strong> Freund zu e<strong>in</strong>er an<strong>der</strong>en Gruppe, die<br />

bereits voll ist, gehört? Wie wichtig ist es,<br />

dass die K<strong>in</strong><strong>der</strong>gruppen nach gruppenspezifischen<br />

und nicht nach zufälligen Kriterien zusammengestellt<br />

werden? Wer sollte und wer<br />

darf hier mitbestimmen? Wäre es nicht möglich,<br />

grundsätzlich an<strong>der</strong>e Wege <strong>der</strong> Gruppenf<strong>in</strong>dung<br />

zu erproben? Am Rande e<strong>in</strong>er GEW-<br />

Tagung berichtete e<strong>in</strong>e Erzieher<strong>in</strong>, dass <strong>in</strong><br />

ihrer Tagesstätte im Anschluss an e<strong>in</strong>e Hospitationsphase<br />

geme<strong>in</strong>sam mit den Eltern und<br />

den K<strong>in</strong><strong>der</strong>n entschieden wird, welche Bezugsgruppe<br />

für das K<strong>in</strong>d die beste ist. <strong>Die</strong> Erzieher<strong>in</strong>nen<br />

und Erzieher akzeptieren dabei<br />

sogar, wenn es zu ungleichen Gruppengrößen<br />

kommt.<br />

<strong>Die</strong> konzeptionelle Idee des offenen K<strong>in</strong><strong>der</strong>gartens<br />

ist <strong>in</strong> <strong>der</strong> Praxis entwickelt worden.<br />

Es ist e<strong>in</strong> dynamisches Modell und lebt<br />

davon, dass es <strong>in</strong> den E<strong>in</strong>richtungen ständig<br />

weiterentwickelt wird. <strong>Die</strong> pädagogische Beziehung<br />

zwischen Erzieher<strong>in</strong> / Erzieher und<br />

K<strong>in</strong>d muss dabei stets aufs neue reflektiert<br />

werden. <strong>Die</strong> Konzeption e<strong>in</strong>er K<strong>in</strong><strong>der</strong>tagese<strong>in</strong>richtung<br />

kann diese offene Orientierung aufgreifen<br />

und damit die Erzieher<strong>in</strong>nen und Erzieher<br />

bestärken, diese Ause<strong>in</strong>an<strong>der</strong>setzungen<br />

mit sich selbst und mit den K<strong>in</strong><strong>der</strong>n zu<br />

suchen. Das könnte beispielsweise folgen<strong>der</strong>maßen<br />

kl<strong>in</strong>gen: „Im offenen K<strong>in</strong><strong>der</strong>garten<br />

werden für K<strong>in</strong><strong>der</strong> bewusst Entscheidungsspielräume<br />

erweitert und e<strong>in</strong> konsequenter<br />

Weg <strong>der</strong> Freiheit angestrebt. K<strong>in</strong><strong>der</strong>n wird<br />

selbständiges Handeln zugetraut, Lernen<br />

erfolgt <strong>in</strong> ‚Ernst’-Situationen“ (Regel / Kühne<br />

2001, 22).<br />

q <strong>Partizipation</strong> als <strong>in</strong>stitutionell verankertes<br />

Recht<br />

Wenngleich die konzeptionelle Verankerung<br />

von <strong>Partizipation</strong> den K<strong>in</strong><strong>der</strong>n zahlreiche Möglichkeiten<br />

e<strong>in</strong>räumt, ihren Alltag mitzugestalten,<br />

wird den K<strong>in</strong><strong>der</strong> selbst ihr Recht auf Beteiligung<br />

oft erst durch die E<strong>in</strong>führung formal<br />

verankerter Mitbestimmungsgremien bewusst.<br />

Institutionalisierte Beteiligungsformen<br />

wirken vor<strong>der</strong>gründig spektakulärer als die<br />

konzeptionelle o<strong>der</strong> die <strong>in</strong>formelle Beteiligung<br />

auf <strong>der</strong> Beziehungsebene. Wo K<strong>in</strong><strong>der</strong> sich <strong>in</strong><br />

K<strong>in</strong><strong>der</strong>parlamenten, K<strong>in</strong><strong>der</strong>räten o<strong>der</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong>konferenzen<br />

selbst vertreten können, wächst<br />

das „gefühlte Gewicht“ von <strong>Partizipation</strong>.<br />

<strong>Die</strong> formale Beteiligung von K<strong>in</strong><strong>der</strong>n <strong>in</strong> Gremien<br />

stößt bei Erwachsenen nach wie vor<br />

häufig auf Skepsis. Viele Erwachsene befürchten,<br />

dass formalisierte Beteiligungsrituale<br />

pseudodemokratisch und nicht k<strong>in</strong>dgerecht<br />

seien und hier erwachsenenspezifische Formen<br />

<strong>der</strong> Mitbestimmung ungerechtfertigterweise<br />

auf K<strong>in</strong><strong>der</strong> übertragen würden. Für<br />

diese E<strong>in</strong>schätzung spielt sicher auch e<strong>in</strong>e<br />

Rolle, dass viele Erzieher<strong>in</strong>nen und Erzieher<br />

selbst ke<strong>in</strong>e o<strong>der</strong> schlechte Erfahrungen mit<br />

Mitbestimmungsgremien gemacht haben.<br />

Dass <strong>in</strong>stitutionalisierte Beteiligung <strong>in</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong>tagese<strong>in</strong>richtungen<br />

jedoch funktionieren kann,<br />

belegen die nachfolgend skizzierten Beispiele.<br />

<strong>Die</strong> Beteiligungsformen können dabei sehr<br />

unterschiedlich aussehen. Neben repräsentativen<br />

Formen (e<strong>in</strong>ige K<strong>in</strong><strong>der</strong> vertreten alle K<strong>in</strong><strong>der</strong>)<br />

f<strong>in</strong>den sich auch offene Formen <strong>der</strong> Beteiligung<br />

(die jeweils betroffenen K<strong>in</strong><strong>der</strong> vertreten<br />

sich selbst).<br />

– Im K<strong>in</strong><strong>der</strong>garten <strong>der</strong> Ev. Auferstehungsgeme<strong>in</strong>de<br />

<strong>in</strong> Frankfurt / Ma<strong>in</strong> nehmen alle K<strong>in</strong><strong>der</strong>,<br />

die im nächsten Jahr zur Schule kommen,<br />

am K<strong>in</strong><strong>der</strong>parlament teil. Zwei Erzieher<strong>in</strong>nen<br />

begleiten das Parlament. Sie<br />

strukturieren die Sitzungen im H<strong>in</strong>tergrund,<br />

führen Protokoll, unterstützen die K<strong>in</strong><strong>der</strong><br />

nach Bedarf. <strong>Die</strong> wöchentlichen Sitzungen<br />

werden von den gewählten Vorsitzenden geleitet.<br />

Am Tag nach <strong>der</strong> Parlamentssitzung<br />

f<strong>in</strong>det e<strong>in</strong>e Vollversammlung aller K<strong>in</strong><strong>der</strong> und<br />

Erwachsenen statt, <strong>in</strong> <strong>der</strong> die Vorsitzenden<br />

die Sitzungsergebnisse vorstellen. <strong>Die</strong><br />

begleitenden Erzieher<strong>in</strong>nen achten darauf,<br />

dass jedes K<strong>in</strong>d im Laufe <strong>der</strong> e<strong>in</strong>jährigen<br />

Amtszeit e<strong>in</strong>mal im Vorstand se<strong>in</strong> kann.<br />

Das pädagogische Ziel, das hier im Vor<strong>der</strong>grund<br />

steht, ist die Kompetenzerweiterung<br />

jedes e<strong>in</strong>zelnen K<strong>in</strong>des. In dem e<strong>in</strong>en Jahr<br />

20


Was bedeutet <strong>Partizipation</strong> <strong>in</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong>tagese<strong>in</strong>richtungen?<br />

lernen sie u.a., ihre Interessen zu benennen,<br />

sich darüber mit an<strong>der</strong>en ause<strong>in</strong>an<strong>der</strong> zu<br />

setzen o<strong>der</strong> die Ergebnisse vor vielen Zuhörern<br />

zu präsentieren (vgl. Braun / Deneke /<br />

Dohmen / Kaufmann 1996; Bruner / W<strong>in</strong>klhofer<br />

/ Z<strong>in</strong>ser 2001, 14 ff.).<br />

– In den K<strong>in</strong><strong>der</strong>rat <strong>der</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong>tagesstätte Rohdenhof<br />

<strong>in</strong> Hannover werden Vertreter<strong>in</strong>nen<br />

und Vertreter <strong>der</strong> e<strong>in</strong>zelnen K<strong>in</strong><strong>der</strong>gruppen<br />

gewählt. Angesprochen und tatsächlich gewählt<br />

werden hier eher die kompetenteren<br />

K<strong>in</strong><strong>der</strong>, die sich als verantwortungsvolle Repräsentanten<br />

weiter qualifizieren. <strong>Die</strong> Delegierten<br />

halten <strong>in</strong> ihren Gruppen regelmäßig<br />

Sprechstunden ab, um Probleme o<strong>der</strong> Ideen<br />

<strong>der</strong> übrigen K<strong>in</strong><strong>der</strong> <strong>in</strong> Erfahrung zu br<strong>in</strong>gen.<br />

14-tägig f<strong>in</strong>det e<strong>in</strong>e e<strong>in</strong>stündige „K<strong>in</strong><strong>der</strong>-<br />

<strong>Die</strong>nstbesprechung“ statt, an <strong>der</strong> auch Delegierte<br />

des Teams und die Leitung teilnehmen.<br />

Auch die Erwachsenen s<strong>in</strong>d an die Beschlüsse<br />

dieses Gremiums gebunden. Nach<br />

je<strong>der</strong> Sitzung stellen die jeweiligen Delegierten<br />

die Ergebnisse <strong>in</strong> ihren Gruppen vor.<br />

<strong>Die</strong> Erfahrungen mit dem K<strong>in</strong><strong>der</strong>rat s<strong>in</strong>d aus<br />

Sicht <strong>der</strong> Erwachsenen sehr positiv. Als sich<br />

beispielsweise viele K<strong>in</strong><strong>der</strong> unzufrieden über<br />

den Geschmack <strong>der</strong> angebotenen Tees äußerten,<br />

kam <strong>der</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong>rat auf die Idee,<br />

e<strong>in</strong>en Teehändler zur Teeprobe e<strong>in</strong>zuladen.<br />

Mit dem Vertrauen <strong>der</strong> Erwachsenen <strong>in</strong> die<br />

K<strong>in</strong><strong>der</strong> wuchs auch die Bereitschaft, ihnen<br />

mehr E<strong>in</strong>flussmöglichkeiten e<strong>in</strong>zuräumen.<br />

Spielwarenhändler müssen <strong>in</strong>zwischen ihre<br />

Angebote dem K<strong>in</strong><strong>der</strong>rat unterbreiten. Und<br />

das Team überlegt, den Rat bei Personale<strong>in</strong>stellungen<br />

h<strong>in</strong>zuzuziehen (vgl. K<strong>in</strong><strong>der</strong>tagesstätte<br />

Rohdenhof 2001; Hansen 2004 b).<br />

– Im Ev. K<strong>in</strong><strong>der</strong>garten im hessischen Lorsch<br />

f<strong>in</strong>den K<strong>in</strong><strong>der</strong>konferenzen statt. <strong>Die</strong>se entwickelten<br />

sich aus dem Stuhlkreis heraus<br />

als offene Beteiligungsform. Mittlerweile<br />

gibt es große und kle<strong>in</strong>e K<strong>in</strong><strong>der</strong>konferenzen,<br />

die sowohl regelmäßig als auch spontan<br />

stattf<strong>in</strong>den. <strong>Die</strong> Sitzungen werden von den<br />

Erzieher<strong>in</strong>nen mo<strong>der</strong>iert.<br />

Hier mischen sich immer<br />

die K<strong>in</strong><strong>der</strong> und Erwachsenen<br />

e<strong>in</strong>, die sich von e<strong>in</strong>er<br />

Fragestellung betroffen<br />

fühlen.<br />

Für diese flexible Beteiligungsform<br />

ist die Frage<br />

von Bedeutung, von wem<br />

und wie die jeweilige Konferenz<br />

e<strong>in</strong>berufen werden<br />

kann. Um spontane Zusammenkünfte<br />

zu ermöglichen,<br />

s<strong>in</strong>d vor allem<br />

räumliche Voraussetzungen<br />

geschaffen worden.<br />

Es gibt Ecken, die mit<br />

Teppichböden, separatem<br />

Licht und mobilen Schaumstoffpolstern ausgestattet<br />

s<strong>in</strong>d, die von den K<strong>in</strong><strong>der</strong>n <strong>in</strong> kürzester<br />

Zeit zu e<strong>in</strong>er Runde zusammengelegt<br />

werden können. So kommt es jetzt vor,<br />

dass „schon am frühen Morgen e<strong>in</strong> K<strong>in</strong>d<br />

verkündet, es brauche heute dr<strong>in</strong>gend e<strong>in</strong>e<br />

Konferenz, weil es etwas Tolles erlebt habe<br />

o<strong>der</strong> etwas Dr<strong>in</strong>gendes fragen muss o<strong>der</strong><br />

etwas beobachtet hat o<strong>der</strong> e<strong>in</strong>e Beschwerde<br />

vorbr<strong>in</strong>gen möchte o<strong>der</strong> e<strong>in</strong>e Idee für<br />

e<strong>in</strong>e Unternehmung“ (Mühlum 1994, 28)<br />

(vgl. Mühlum 1994; Mühlum/Virnkaes 1998;<br />

Virnkaes 2001).<br />

Institutionalisierte Beteiligungsformen müssen<br />

<strong>in</strong>dividuell für jede K<strong>in</strong><strong>der</strong>tagese<strong>in</strong>richtung entwickelt<br />

werden. <strong>Die</strong> <strong>in</strong>stitutionelle Verankerung<br />

von <strong>Partizipation</strong> verlangt <strong>in</strong>tensive Ause<strong>in</strong>an<strong>der</strong>setzungen<br />

mit grundsätzlichen pädagogischen<br />

Fragestellungen: Worüber dürfen<br />

die K<strong>in</strong><strong>der</strong>gremien entscheiden und worüber<br />

nicht? Wie geht man mit M<strong>in</strong><strong>der</strong>heitenpositionen<br />

um? Haben die Erwachsenen e<strong>in</strong> Vetorecht?<br />

Wenn die Gremien für alle Beteiligten<br />

selbstverständlich im Alltag zusammentreten<br />

und mit Entscheidungsbefugnissen ausgestattet<br />

s<strong>in</strong>d, die nicht nur für die K<strong>in</strong><strong>der</strong>, son<strong>der</strong>n<br />

auch für die Erwachsenen bedeutsam s<strong>in</strong>d,<br />

wird die Beteiligung <strong>der</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong> unabhängiger<br />

von <strong>der</strong> Bereitwilligkeit e<strong>in</strong>zelner Erzieher<strong>in</strong>nen<br />

o<strong>der</strong> Erzieher. <strong>Partizipation</strong> erhält dann e<strong>in</strong><br />

hohes Maß an Verb<strong>in</strong>dlichkeit. Durch <strong>in</strong>stitutionalisierte<br />

Beteiligungsformen werden die<br />

Mitbestimmungsrechte <strong>der</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong> <strong>in</strong>nerhalb<br />

<strong>der</strong> E<strong>in</strong>richtung öffentlich und e<strong>in</strong>klagbar:<br />

durch die K<strong>in</strong><strong>der</strong>, durch die Eltern und durch<br />

die Kolleg<strong>in</strong>nen.<br />

„K<strong>in</strong><strong>der</strong>parlamen-<br />

?<br />

te u.ä. s<strong>in</strong>d nur<br />

pseudodemokratische<br />

Experimente“<br />

21


Was bedeutet <strong>Partizipation</strong> <strong>in</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong>tagese<strong>in</strong>richtungen?<br />

„<strong>Die</strong> meisten<br />

Eltern<br />

?<br />

verfügen<br />

nicht über ausreichende<br />

pädagogische<br />

Kenntnisse,<br />

um bei konzeptionellen<br />

Fragen <strong>der</strong><br />

E<strong>in</strong>richtung mitzureden“<br />

<strong>Partizipation</strong> <strong>der</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong> erfor<strong>der</strong>t auch<br />

<strong>Partizipation</strong> <strong>der</strong> Eltern und des Teams.<br />

<strong>Die</strong> Erwachsenen und ihre Art und Weise mite<strong>in</strong>an<strong>der</strong><br />

umzugehen s<strong>in</strong>d stets Vorbil<strong>der</strong> und<br />

Anregungen für die K<strong>in</strong><strong>der</strong>. Sie orientieren jedoch<br />

nicht nur ihr eigenes Verhalten daran, sie<br />

überprüfen daran auch die Glaubwürdigkeit<br />

pädagogischer Ambitionen. <strong>Die</strong> Beteiligung<br />

von K<strong>in</strong><strong>der</strong>n braucht daher Erwachsene, die<br />

sich selbst ebenfalls <strong>beteiligen</strong>. Hier wird erneut<br />

deutlich, dass die <strong>Partizipation</strong> <strong>der</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong><br />

bei den Erwachsenen beg<strong>in</strong>nt (vgl. Kapitel 3).<br />

Damit Aushandlungsprozesse zwischen Subjekten<br />

über die pädagogischen Beziehungen<br />

h<strong>in</strong>aus für K<strong>in</strong><strong>der</strong> als allgeme<strong>in</strong>e <strong>Partizipation</strong>skultur<br />

erfahrbar werden, müssen die Erwachsenen<br />

sich ihrerseits für ihre Interessen<br />

e<strong>in</strong>setzen, ihre Rechte wahrnehmen und an<strong>der</strong>e<br />

Menschen unabhängig vom Alter ernst<br />

nehmen. In K<strong>in</strong><strong>der</strong>tagese<strong>in</strong>richtungen erfor<strong>der</strong>t<br />

dies e<strong>in</strong>erseits die Beteiligung <strong>der</strong> Mütter<br />

und Väter, an<strong>der</strong>erseits partizipative Umgangsformen<br />

im Team.<br />

q Mütter und Väter <strong>beteiligen</strong> 2<br />

<strong>Die</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong>tagesstätte ist die erste Instanz öffentlicher<br />

Erziehung neben <strong>der</strong> privaten Familie.<br />

Vielen Eltern fällt es schwer, ihr K<strong>in</strong>d <strong>in</strong> die<br />

Obhut frem<strong>der</strong> Menschen zu übergeben;<br />

an<strong>der</strong>e formulieren selbstbewusst Ansprüche<br />

an die pädagogischen Leistungen <strong>der</strong> E<strong>in</strong>richtung.<br />

So o<strong>der</strong> so entsteht e<strong>in</strong> sensibles Beziehungsdreieck<br />

Erzieher<strong>in</strong> / Erzieher – Eltern –<br />

K<strong>in</strong>d, das es gilt, <strong>in</strong> Balance zu halten.<br />

Neben die bis dah<strong>in</strong> une<strong>in</strong>geschränkte Zuständigkeit<br />

und Expertenschaft <strong>der</strong> Eltern für die<br />

Entwicklung ihres K<strong>in</strong>des tritt nun die fachlichpädagogische<br />

Kompetenz und Zuständigkeit<br />

<strong>der</strong> Fachkräfte <strong>in</strong> <strong>der</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong>tagese<strong>in</strong>richtung.<br />

<strong>Die</strong>s erfor<strong>der</strong>t Aushandlungsprozesse, die,<br />

wenn sie gel<strong>in</strong>gen, beide Seiten qualifizieren.<br />

Für die Gestaltung dieser Prozesse aber s<strong>in</strong>d<br />

wie<strong>der</strong>um <strong>in</strong> erster L<strong>in</strong>ie die professionellen<br />

Pädagog<strong>in</strong>nen und Pädagogen verantwortlich.<br />

Welche unterschiedlichen Interessen die<br />

Erzieher<strong>in</strong>nen und Erzieher dabei jonglieren<br />

müssen, wird deutlich, wenn man verfolgt,<br />

wie sich die oben beschriebene Situation weiter<br />

entwickelt hat, <strong>in</strong> <strong>der</strong> zwei K<strong>in</strong><strong>der</strong> alle<strong>in</strong><br />

das K<strong>in</strong><strong>der</strong>gartengelände verlassen durften.<br />

2<br />

<strong>Die</strong> Beteiligung <strong>der</strong> Eltern wird hier nur im direkten Zusammenhang mit<br />

<strong>der</strong> Beteiligung <strong>der</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong> diskutiert, also als Beteiligung <strong>der</strong> Eltern als<br />

Eltern <strong>in</strong> pädagogischen Fragen. Elternbeteiligung <strong>in</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong>tagese<strong>in</strong>richtungen<br />

kann darüber h<strong>in</strong>aus Eltern als eigenständige Nutzer <strong>der</strong> E<strong>in</strong>richtung<br />

ansprechen, also z.B. Angebote zur (sozialpädagogischen) Unterstützung<br />

<strong>der</strong> Familien o<strong>der</strong> <strong>der</strong> Elternbildung machen.<br />

Ole und Hanne haben die E<strong>in</strong>richtung seit<br />

fünfzehn M<strong>in</strong>uten verlassen, als Hannes<br />

Mutter dort überraschend ersche<strong>in</strong>t, um<br />

sie – früher als erwartet – abzuholen. Sie<br />

ist fassungslos und empört, als sie erfährt,<br />

dass die K<strong>in</strong><strong>der</strong> ohne erwachsene Begleitung<br />

spazieren gehen. Herr H. bemüht<br />

sich vergeblich, sie zu beruhigen, eilt dann<br />

<strong>in</strong> den Park, wo er die beiden wie erwartet<br />

f<strong>in</strong>det, und kehrt mit ihnen <strong>in</strong> die E<strong>in</strong>richtung<br />

zurück.<br />

Beim nächsten Elternabend sieht sich Herr<br />

H. e<strong>in</strong>er aufgebrachten Elternschaft<br />

gegenüber. Obwohl er e<strong>in</strong> von vielen Eltern<br />

geschätzter Mitarbeiter ist, gel<strong>in</strong>gt es<br />

ihm erst nach langer, erregter Diskussion<br />

sie zu überzeugen, dass se<strong>in</strong>e Zustimmung<br />

zu dem Spaziergang nicht leichtfertig<br />

erteilt worden und darüber h<strong>in</strong>aus pädagogisch<br />

s<strong>in</strong>nvoll gewesen sei. Was die<br />

Eltern ihm h<strong>in</strong>gegen nicht nachsehen wollen,<br />

ist se<strong>in</strong> Versäumnis, e<strong>in</strong>e <strong>in</strong> ihren<br />

Augen ungewöhnliche und weit reichende<br />

Entscheidung im Vorwege mit ihnen zu<br />

besprechen.<br />

Der Erzieher hat <strong>in</strong> diesem Beispiel zwar den<br />

Wunsch <strong>der</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong> ernst genommen, dabei<br />

aber den Wunsch <strong>der</strong> Eltern verletzt, <strong>in</strong>formiert<br />

und <strong>in</strong> Entscheidungen über ihr K<strong>in</strong>d <strong>in</strong><br />

<strong>der</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong>tagese<strong>in</strong>richtung e<strong>in</strong>gebunden zu<br />

se<strong>in</strong>. <strong>Die</strong> Beteiligung <strong>der</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong> erfor<strong>der</strong>t auch<br />

die Beteiligung <strong>der</strong> Eltern. <strong>Die</strong> Beteiligung <strong>der</strong><br />

K<strong>in</strong><strong>der</strong> hätte <strong>in</strong> diesem Fall besser damit begonnen,<br />

dass Herr H. die K<strong>in</strong><strong>der</strong> darauf h<strong>in</strong>gewiesen<br />

hätte, dass ihre Eltern darauf vertrauten,<br />

dass er sie begleiten würde. Er hätte<br />

ihnen anbieten können, diese Frage – vielleicht<br />

geme<strong>in</strong>sam mit ihnen – mit den Eltern<br />

zu besprechen.<br />

S<strong>in</strong>d Eltern aber überhaupt <strong>in</strong> <strong>der</strong> Lage, e<strong>in</strong>e<br />

Entscheidung wie diese jenseits <strong>der</strong> Sorge<br />

um ihr eigenes K<strong>in</strong>d pädagogisch angemessen<br />

zu bewerten? Herr H. vertrat auf dem Elternabend<br />

se<strong>in</strong>e pädagogische Entscheidung<br />

und band die Eltern damit – wenngleich zu<br />

spät – erfolgreich <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e konzeptionelle Debatte<br />

e<strong>in</strong>. Dadurch gelang es den Eltern, trotz<br />

ihrer Erregung die Situation differenziert zu<br />

beurteilen. Am Ende bemängelten sie zwar,<br />

nicht rechtzeitig beteiligt worden zu se<strong>in</strong>, trugen<br />

aber e<strong>in</strong>e weitreichende konzeptionelle<br />

Verän<strong>der</strong>ung mit.<br />

Dass – entsprechend angeleitet und<br />

mo<strong>der</strong>iert – alle Mütter und Väter <strong>in</strong> <strong>der</strong> Lage<br />

s<strong>in</strong>d, an <strong>der</strong>artigen Entwicklungen mitzuwir-<br />

22


Was bedeutet <strong>Partizipation</strong> <strong>in</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong>tagese<strong>in</strong>richtungen?<br />

ken, belegt e<strong>in</strong> Beispiel aus dem Kieler Brennpunkt-Stadtteil<br />

Mettenhof. Das Team <strong>der</strong><br />

Städtischen K<strong>in</strong><strong>der</strong>tagese<strong>in</strong>richtung Oslor<strong>in</strong>g,<br />

das später auch am Modellprojekt teilnahm,<br />

beteiligte Mütter und Väter aus neun verschiedenen<br />

Herkunftslän<strong>der</strong>n an <strong>der</strong> Planung des<br />

Außengeländes. <strong>Die</strong> Erzieher<strong>in</strong>nen organisierten<br />

Dolmetscher<strong>in</strong>nen und Dolmetscher und<br />

luden die Eltern zu e<strong>in</strong>er Er<strong>in</strong>nerungsreise an<br />

die Spielorte ihrer eigenen K<strong>in</strong>dheit e<strong>in</strong>. Daraus<br />

entstand nicht nur e<strong>in</strong> angeregter Austausch,<br />

es traten auch erstaunlich ähnliche<br />

Erfahrungsh<strong>in</strong>tergründe zum Vorsche<strong>in</strong>. Wo<br />

immer die Eltern groß geworden waren,<br />

hatten sie <strong>in</strong> erster L<strong>in</strong>ie mit Stock und Ste<strong>in</strong>,<br />

Wasser und Sand, versteckt <strong>in</strong> Gebüschen<br />

o<strong>der</strong> h<strong>in</strong>ter Hügeln gespielt. Eltern, Team und<br />

K<strong>in</strong><strong>der</strong> entwarfen im Anschluss <strong>in</strong> großer<br />

Übere<strong>in</strong>stimmung den Plan e<strong>in</strong>es Naturspielraums<br />

nahezu ohne Spielgeräte (vgl. Hansen<br />

2002 b).<br />

<strong>Partizipation</strong> von Müttern und Vätern <strong>in</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong>tagese<strong>in</strong>richtungen<br />

verlangt vor allem e<strong>in</strong>e<br />

frühzeitige und umfassende Information über<br />

die pädagogische Arbeit. Das beg<strong>in</strong>nt <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />

schriftlich verfassten Konzeption <strong>der</strong> E<strong>in</strong>richtung<br />

und im Anmeldegespräch und setzt sich<br />

<strong>in</strong> <strong>der</strong> Dokumentation <strong>der</strong> pädagogischen Tätigkeiten<br />

und auf Elternabenden fort. Mütter<br />

und Väter können und sollten – über den Austausch<br />

über die Entwicklung des eigenen K<strong>in</strong>des<br />

h<strong>in</strong>aus – <strong>in</strong> pädagogisch-konzeptionelle<br />

Entwicklungen <strong>der</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong>tagese<strong>in</strong>richtung e<strong>in</strong>bezogen<br />

werden.<br />

q Das Team <strong>beteiligen</strong><br />

<strong>Die</strong> meisten K<strong>in</strong><strong>der</strong>tagese<strong>in</strong>richtungen s<strong>in</strong>d<br />

nach <strong>in</strong>nen hierarchisch organisiert (jedenfalls<br />

gibt es <strong>in</strong> <strong>der</strong> Regel Personen mit Leitungsfunktionen);<br />

und sie s<strong>in</strong>d nach außen <strong>in</strong> die<br />

Hierarchie des Trägers e<strong>in</strong>gebunden. Dennoch<br />

können die Erwachsenen authentische <strong>Partizipation</strong>smodelle<br />

se<strong>in</strong>, wenn e<strong>in</strong>erseits <strong>der</strong> Führungsstil<br />

durch Transparenz und Vertrauen gekennzeichnet<br />

ist und an<strong>der</strong>erseits die Mitarbeiter<strong>in</strong>nen<br />

und Mitarbeiter sich selbstbewusst<br />

engagieren.<br />

Natürlich muss die K<strong>in</strong><strong>der</strong>tagesstätten-Leitung,<br />

die ja mit an<strong>der</strong>en Aufgaben betraut ist<br />

als die Gruppenerzieher<strong>in</strong>nen und -erzieher,<br />

selbständig Entscheidungen fällen können.<br />

Aber es ist e<strong>in</strong> Unterschied, ob sie über die<br />

Beauftragung e<strong>in</strong>es Handwerkers, <strong>der</strong> die defekte<br />

Regenr<strong>in</strong>ne reparieren soll, o<strong>der</strong> über<br />

den <strong>Die</strong>nstplan für die nächste Woche entscheidet,<br />

ohne mit dem Team Rücksprache<br />

gehalten zu haben. <strong>Die</strong> Leitung sollte ihre Mitarbeiter<strong>in</strong>nen<br />

und Mitarbeiter über Entscheidungen,<br />

die sie betreffen, ausreichend <strong>in</strong>formieren<br />

und ihnen nach Möglichkeit Mitspracherechte<br />

e<strong>in</strong>räumen. Erzieher<strong>in</strong>nen und<br />

Erzieher wie<strong>der</strong>um sollten ihre Rechte kennen<br />

und vertreten und sich für die Interessen <strong>der</strong><br />

K<strong>in</strong><strong>der</strong> und <strong>der</strong> E<strong>in</strong>richtung e<strong>in</strong>setzen.<br />

<strong>Die</strong> <strong>Partizipation</strong> des Teams ist die Grundlage<br />

für die <strong>Partizipation</strong> <strong>der</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong>. Nur Erzieher<strong>in</strong>nen<br />

und Erzieher, die selbst beteiligt und mitverantwortlich<br />

für die Belange <strong>der</strong> E<strong>in</strong>richtung<br />

s<strong>in</strong>d, können K<strong>in</strong><strong>der</strong>n Entscheidungsmacht<br />

e<strong>in</strong>räumen. Wie wichtig e<strong>in</strong>e partizipative Zusammenarbeit<br />

unter den Erwachsenen für die<br />

Beteiligung <strong>der</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong> ist, betonen Claudia<br />

Bruner, Ursula W<strong>in</strong>klhofer und Claudia Z<strong>in</strong>ser<br />

(2001, 21 f.), die für das Deutsche Jugend<strong>in</strong>stitut<br />

Beteiligungsmodelle u.a. <strong>in</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong>tagesstätten<br />

untersucht haben: „Wo es an Offenheit<br />

und Beteiligungsmöglichkeiten im Team<br />

mangelt und hierarchische Strukturen vorherrschen,<br />

entwickelt sich nur schwer e<strong>in</strong>e <strong>Partizipation</strong>skultur<br />

mit den K<strong>in</strong><strong>der</strong>n.“<br />

Das bedeutet auch, dass sich e<strong>in</strong>e Beteiligung<br />

<strong>der</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong> nicht über die Köpfe des Teams<br />

h<strong>in</strong>weg von oben verordnen lässt, auch wenn<br />

manch engagierte Leitung dadurch auf e<strong>in</strong>e<br />

Geduldprobe gestellt wird.<br />

<strong>Partizipation</strong> <strong>in</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong>tagese<strong>in</strong>richtungen<br />

erfor<strong>der</strong>t e<strong>in</strong>e Öffnung <strong>der</strong> E<strong>in</strong>richtung<br />

nach außen <strong>in</strong>s Geme<strong>in</strong>wesen und e<strong>in</strong>e<br />

E<strong>in</strong>mischung <strong>in</strong> die kommunale Politik.<br />

<strong>Die</strong> Beteiligung von K<strong>in</strong><strong>der</strong>n verlangt ihre E<strong>in</strong>beziehung<br />

<strong>in</strong> alle Planungen und Entscheidungen,<br />

die sie betreffen. Nun wird <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er K<strong>in</strong><strong>der</strong>tagese<strong>in</strong>richtung<br />

vieles geplant und entschieden,<br />

was nicht direkt die pädagogische<br />

Arbeit <strong>in</strong>nerhalb <strong>der</strong> E<strong>in</strong>richtung betrifft. Umbaumaßnahmen,<br />

Verhandlungen mit dem Trä-<br />

„<strong>Die</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong>tages-<br />

?<br />

stätten-Leitung<br />

kann nicht jede<br />

Entscheidung im<br />

Team diskutieren<br />

– da wird sie<br />

ja handlungsunfähig“<br />

23


Was bedeutet <strong>Partizipation</strong> <strong>in</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong>tagese<strong>in</strong>richtungen?<br />

„K<strong>in</strong><strong>der</strong><br />

?<br />

s<strong>in</strong>d nicht<br />

<strong>in</strong> <strong>der</strong> Lage, mit<br />

Architekten über<br />

die Gestaltung<br />

ihrer K<strong>in</strong><strong>der</strong>tagesstätte<br />

zu verhandeln“<br />

ger o<strong>der</strong> <strong>der</strong><br />

Kommune, die<br />

Zusammenarbeit<br />

mit Schulen<br />

etc. erfor<strong>der</strong>n<br />

Ause<strong>in</strong>an<strong>der</strong>setzungen<br />

außerhalb<br />

<strong>der</strong> E<strong>in</strong>richtung,<br />

im Geme<strong>in</strong>wesen,<br />

und e<strong>in</strong>e E<strong>in</strong>mischung<br />

<strong>in</strong> kommunalpolitische<br />

und verwaltungstechnische<br />

Verfahren. <strong>Die</strong><br />

Außenvertretung<br />

<strong>der</strong> E<strong>in</strong>richtung<br />

wird bislang<br />

vornehmlich<br />

durch die Leitung wahrgenommen, f<strong>in</strong>det<br />

also unbemerkt von den K<strong>in</strong><strong>der</strong>n und teilweise<br />

auch von den Erzieher<strong>in</strong>nen und Erziehern auf<br />

<strong>der</strong> H<strong>in</strong>terbühne <strong>der</strong> E<strong>in</strong>richtung statt. <strong>Die</strong>se<br />

Prozesse können aber durchaus auf die<br />

Vor<strong>der</strong>bühne geholt, d.h. zum Gegenstand geme<strong>in</strong>samer<br />

Aushandlungen gemacht werden,<br />

an denen die K<strong>in</strong><strong>der</strong> und das Team beteiligt<br />

s<strong>in</strong>d.<br />

Themen, die <strong>in</strong> diesem Zusammenhang für<br />

K<strong>in</strong><strong>der</strong> <strong>in</strong>teressant s<strong>in</strong>d, können z.B. se<strong>in</strong>:<br />

– Planung <strong>der</strong> Innen- und Außenraumgestaltung<br />

<strong>der</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong>tagese<strong>in</strong>richtung<br />

– Öffnung <strong>der</strong> Außenfläche <strong>der</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong>tagese<strong>in</strong>richtung<br />

<strong>in</strong> den Stadtteil<br />

– Bewertung <strong>der</strong> Spielräume <strong>in</strong> <strong>der</strong> Kommune<br />

– Bewertung <strong>der</strong> Verkehrswege <strong>in</strong> <strong>der</strong> Kommune<br />

aus K<strong>in</strong><strong>der</strong>sicht<br />

– Beteiligung an Veranstaltungen im kommunalen<br />

Raum, auch schon <strong>in</strong> <strong>der</strong> Planungsphase<br />

– und vieles mehr.<br />

Bei all diesen Themen können K<strong>in</strong><strong>der</strong> ihre Expertenschaft<br />

<strong>in</strong> eigener Sache e<strong>in</strong>br<strong>in</strong>gen,<br />

wenn sie entsprechend unterstützt werden.<br />

Dass e<strong>in</strong>e Beteiligung <strong>der</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong> an kommunalen<br />

Planungen nicht nur für die politische<br />

Sozialisation <strong>der</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong>, son<strong>der</strong>n auch im H<strong>in</strong>blick<br />

auf die Ergebnisse des Planungsprozesses<br />

lohnend ist, zeigt <strong>der</strong> „Klassiker“ unter<br />

den Beteiligungsmodellen: die Spielraumplanung.<br />

Der Vere<strong>in</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong> Umwelt<strong>in</strong>itiativen KIWI aus<br />

Kiel beteiligt seit Jahren K<strong>in</strong><strong>der</strong> an <strong>der</strong> Planung<br />

und Gestaltung <strong>der</strong> Außengelände von<br />

K<strong>in</strong><strong>der</strong>tagese<strong>in</strong>richtungen. Dabei erweisen<br />

sich die K<strong>in</strong><strong>der</strong> als kompetente Planungspartner,<br />

die immer wie<strong>der</strong> mit ihren Fähigkeiten<br />

überraschen. Was sie tatsächlich können, zeigen<br />

sie Erwachsenen allerd<strong>in</strong>gs nur, wenn<br />

diese sie dazu auffor<strong>der</strong>n und begleiten. Erwachsene,<br />

die ke<strong>in</strong> Zutrauen zu K<strong>in</strong><strong>der</strong>n<br />

haben o<strong>der</strong> denen es nicht gel<strong>in</strong>gt, abstrakte<br />

Planungsschritte s<strong>in</strong>nlich be-greif-bar zu machen,<br />

s<strong>in</strong>d die eigentlich hemmenden Faktoren<br />

<strong>der</strong> Planungsbeteiligung.<br />

E<strong>in</strong>e frühe Kooperation <strong>der</strong> Beteiligten im Planungsprozess<br />

wirkt sich h<strong>in</strong>gegen för<strong>der</strong>lich<br />

auf die Ergebnisqualität aus. Wenn die Planer<strong>in</strong>nen<br />

und Planer bereits am Entscheidungsprozess<br />

<strong>der</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong> teilnehmen, wenn sie<br />

ihnen die fertigen Entwürfe altersangemessen<br />

präsentieren, dann bewerten Elementark<strong>in</strong><strong>der</strong><br />

<strong>in</strong> <strong>der</strong> Regel die vorgestellten Pläne konzentriert<br />

und bewusst, dann diskutieren Hortk<strong>in</strong><strong>der</strong><br />

sehr engagiert Detailfragen. Noch ist e<strong>in</strong>e<br />

<strong>in</strong> dieser Weise funktionierende Kommunikation<br />

<strong>in</strong> den meisten Fällen auf e<strong>in</strong>e professionelle<br />

Mo<strong>der</strong>ation angewiesen – fällt es doch<br />

Planern oft nicht e<strong>in</strong>mal leicht, erwachsene<br />

Laien am Planungsprozess teilhaben zu lassen.<br />

E<strong>in</strong>e Beteiligung von K<strong>in</strong><strong>der</strong>n im kommunalen<br />

Raum ersche<strong>in</strong>t <strong>in</strong> vielerlei Weise s<strong>in</strong>nvoll.<br />

Nicht nur, dass die E<strong>in</strong>beziehung <strong>der</strong> Sichtweisen<br />

von K<strong>in</strong><strong>der</strong>n zu qualitativen Verbesserungen<br />

kommunaler Planungen und Entscheidungen<br />

führt, die K<strong>in</strong><strong>der</strong> erschließen sich auch<br />

das Umfeld <strong>der</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong>tagesstätte. Sie f<strong>in</strong>den<br />

sich besser zurecht und s<strong>in</strong>d bei Nachbarn<br />

und beim Bäcker, im Altenheim und im Rathaus<br />

bekannt. K<strong>in</strong><strong>der</strong> und K<strong>in</strong><strong>der</strong>leben werden<br />

dadurch im öffentlichen Raum präsenter. Und<br />

auch politische Strukturen können für K<strong>in</strong><strong>der</strong><br />

im Rahmen kommunaler Beteiligungsprozes-<br />

24


Was bedeutet <strong>Partizipation</strong> <strong>in</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong>tagese<strong>in</strong>richtungen?<br />

se stärker erfahrbar werden, wenn sie die<br />

handelnden Personen im unmittelbaren Kontakt<br />

erleben.<br />

<strong>Partizipation</strong> verlangt die Qualifikation <strong>der</strong><br />

pädagogischen Fachkräfte.<br />

Es wurde bereits mehrfach erwähnt: <strong>Die</strong> Beteiligung<br />

von K<strong>in</strong><strong>der</strong>n beg<strong>in</strong>nt <strong>in</strong> den Köpfen<br />

<strong>der</strong> Erwachsenen. <strong>Die</strong> Entscheidungsspielräume,<br />

<strong>in</strong> denen K<strong>in</strong><strong>der</strong> <strong>in</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong>tagese<strong>in</strong>richtungen<br />

Beteiligung erfahren und üben können,<br />

werden immer von Erwachsenen e<strong>in</strong>geräumt<br />

und gestaltet. <strong>Die</strong> Beteiligung <strong>der</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong> setzt<br />

die Bereitschaft und die Fähigkeit <strong>der</strong> Erwachsenen<br />

voraus, K<strong>in</strong><strong>der</strong> zu <strong>beteiligen</strong>. Um <strong>Partizipation</strong>sprozesse<br />

anzustoßen, müssen sich<br />

daher zunächst die Erwachsenen mit Beteiligung<br />

ause<strong>in</strong>an<strong>der</strong> setzen. Dabei geht es <strong>in</strong> erster<br />

L<strong>in</strong>ie darum, das eigene „K<strong>in</strong><strong>der</strong>bild“ zu<br />

h<strong>in</strong>terfragen, und sodann um den Erwerb konkreter<br />

Methodenkenntnisse.<br />

Pädagogik ist <strong>in</strong> beson<strong>der</strong>er Weise getragen<br />

von <strong>der</strong> Vorstellung, die Erwachsene von K<strong>in</strong><strong>der</strong>n<br />

haben – <strong>in</strong> diesem Zusammenhang wird<br />

häufig vom „K<strong>in</strong><strong>der</strong>bild“ gesprochen. <strong>Die</strong> Vorstellungen<br />

davon, was und wie K<strong>in</strong><strong>der</strong> s<strong>in</strong>d,<br />

basieren auf verschiedenen Erfahrungen.<br />

Neben biographischen Erfahrungen spielen<br />

hier gesellschaftliche und kulturelle Übere<strong>in</strong>künfte<br />

e<strong>in</strong>e Rolle. Je konkreter das Bild ist,<br />

das Erwachsene sich vom K<strong>in</strong>d machen,<br />

desto mehr s<strong>in</strong>d sie dazu verleitet, K<strong>in</strong><strong>der</strong> diesem<br />

Bild entsprechend wahrzunehmen. Hartmut<br />

von Hentig (1996, 25 f.) fasst <strong>in</strong> diesem<br />

Zusammenhang Zitate aus Max Frischs zweitem<br />

Tagebuch von 1972 zusammen: „Wir neigen<br />

dazu, uns e<strong>in</strong> Bildnis vom an<strong>der</strong>en zu machen.<br />

[…] Wir halten nicht aus, dass <strong>der</strong> an<strong>der</strong>e<br />

unbestimmbar, e<strong>in</strong> Rätsel ist. […] Mit dem<br />

Bildnis legen wir den an<strong>der</strong>en nicht nur für<br />

uns fest, son<strong>der</strong>n auch für sich. Er wird zu<br />

dem, was das Bildnis vorschreibt“.<br />

es auch die aktuelle Debatte um Bildungsför<strong>der</strong>ung<br />

<strong>in</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong>tagese<strong>in</strong>richtungen for<strong>der</strong>t<br />

(vgl. Kapitel 2), verlangt von den Erwachsenen<br />

die Offenheit und den Mut, sich überraschen<br />

zu lassen, D<strong>in</strong>ge geschehen zu lassen und mit<br />

zu tragen, die sie nicht erwartet haben. K<strong>in</strong><strong>der</strong><br />

als gleichwertige Partner anzusehen heißt,<br />

ihnen Mitgestaltungs-Rechte zuzugestehen.<br />

Darüber h<strong>in</strong>aus verlangt <strong>Partizipation</strong> von K<strong>in</strong><strong>der</strong>n<br />

<strong>in</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong>tagese<strong>in</strong>richtungen e<strong>in</strong> spezifiziertes<br />

Methodenrepertoire, das bislang <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />

Ausbildung von Erzieher<strong>in</strong>nen und Erziehern<br />

nicht o<strong>der</strong> nicht ausreichend vermittelt wird.<br />

Wie werden K<strong>in</strong><strong>der</strong>gespräche mo<strong>der</strong>iert? Wie<br />

können K<strong>in</strong><strong>der</strong>n Zugänge zu komplexen und<br />

abstrakten Fragestellungen eröffnet werden?<br />

Wie können die K<strong>in</strong><strong>der</strong> e<strong>in</strong>er ganzen E<strong>in</strong>richtung<br />

e<strong>in</strong>e geme<strong>in</strong>same Entscheidung treffen?<br />

Wie können die Erwachsenen ihre Vorstellungen<br />

e<strong>in</strong>br<strong>in</strong>gen, ohne dabei die K<strong>in</strong><strong>der</strong> zu manipulieren?<br />

Damit Erzieher<strong>in</strong>nen und Erzieher sich zu diesen<br />

Fragekomplexen qualifizieren können,<br />

brauchen sie professionelle Unterstützung.<br />

Selbst wenn sie schon theoretisch mit <strong>Partizipation</strong>sfragen<br />

vertraut s<strong>in</strong>d, geraten sie <strong>in</strong> Beteiligungsverfahren<br />

immer wie<strong>der</strong> an Fragen,<br />

die im Alltag von K<strong>in</strong><strong>der</strong>tagese<strong>in</strong>richtungen<br />

und ohne externe Fortbildung und Begleitung<br />

nur sehr schwer zu klären s<strong>in</strong>d.<br />

<strong>Partizipation</strong> ist e<strong>in</strong> komplexes Thema und die<br />

Entwicklung e<strong>in</strong>er <strong>Partizipation</strong>skultur <strong>in</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong>tagese<strong>in</strong>richtungen<br />

e<strong>in</strong> weitreichen<strong>der</strong> Anspruch.<br />

Alle am Modellprojekt beteiligten K<strong>in</strong><strong>der</strong>tagese<strong>in</strong>richtungen<br />

haben erfolgreiche Beteiligungsprojekte<br />

entwickelt. In allen<br />

E<strong>in</strong>richtungen ließen sich auch über die Projekte<br />

h<strong>in</strong>aus nachhaltige Verän<strong>der</strong>ungen <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />

pädagogischen Arbeit beobachten. Im folgenden<br />

Abschnitt werden die Projekte aus den<br />

Modelle<strong>in</strong>richtungen vorgestellt.<br />

<strong>Partizipation</strong> beg<strong>in</strong>nt damit, dass sich Erwachsene<br />

über ihre Bil<strong>der</strong>, die sie von K<strong>in</strong><strong>der</strong>n<br />

haben, bewusst werden und diese h<strong>in</strong>terfragen.<br />

Was können K<strong>in</strong><strong>der</strong>? Was können sie<br />

noch nicht? Was traue ich K<strong>in</strong><strong>der</strong>n zu? Welche<br />

Rolle habe ich <strong>in</strong> <strong>der</strong> Pädagogik? Was passiert,<br />

wenn ich K<strong>in</strong><strong>der</strong>n Entscheidungsfreiheiten<br />

zugestehe? All diese Fragen beschäftigen<br />

sich <strong>in</strong> Wirklichkeit zunächst nicht mit den K<strong>in</strong><strong>der</strong>n<br />

son<strong>der</strong>n mit den handelnden Erwachsenen.<br />

K<strong>in</strong><strong>der</strong>n als Subjekten und nicht als Objekten<br />

pädagogischer Ambitionen zu begegnen, wie<br />

25


<strong>Partizipation</strong>sprojekte aus sieben Modelle<strong>in</strong>richtungen<br />

1.2 <strong>Partizipation</strong>sprojekte aus sieben<br />

Modelle<strong>in</strong>richtungen<br />

<strong>Die</strong> Beteiligung junger Menschen hat <strong>in</strong><br />

Schleswig-Holste<strong>in</strong> mittlerweile schon e<strong>in</strong>e<br />

längere Tradition (vgl. Knauer / Friedrich / Herrmann<br />

/ Liebler 2004). K<strong>in</strong><strong>der</strong>gartenk<strong>in</strong><strong>der</strong> wurden<br />

dabei vor allem bei Spielraumplanungen,<br />

die <strong>in</strong> <strong>der</strong> Regel extern mo<strong>der</strong>iert wurden, beteiligt.<br />

Dabei stellte sich heraus, dass viele Erzieher<strong>in</strong>nen<br />

und Erzieher von <strong>der</strong> kompetenten<br />

Mitarbeit „ihrer“ K<strong>in</strong><strong>der</strong> sehr überrascht<br />

waren – e<strong>in</strong> Zeichen dafür, dass sie ihnen eigentlich<br />

weniger zugetraut hatten. Als e<strong>in</strong>e<br />

Kolleg<strong>in</strong> äußerte, sie müsse aufgrund dieser<br />

Erfahrung wohl ihre gesamte pädagogische<br />

Praxis neu überdenken, entstand die Idee, pädagogische<br />

Fachkräfte gezielt im Prozess von<br />

Beteiligungsprojekten für <strong>Partizipation</strong> <strong>in</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong>tagese<strong>in</strong>richtungen<br />

zu qualifizieren. Aus<br />

dieser Idee entwickelte sich das Modellprojekt<br />

„<strong>Die</strong> <strong>K<strong>in</strong><strong>der</strong>stube</strong> <strong>der</strong> <strong>Demokratie</strong>“, das<br />

im Oktober 2001 begann und <strong>in</strong> sieben K<strong>in</strong><strong>der</strong>tagese<strong>in</strong>richtungen<br />

unterschiedlicher Träger<br />

<strong>in</strong> Schleswig-Holste<strong>in</strong> durchgeführt wurde.<br />

Im Modellprojekt sollten die Erzieher<strong>in</strong>nen<br />

und Erzieher <strong>in</strong> zeitlich begrenzten und fachlich<br />

begleiteten Projekten positive Erfahrungen<br />

mit <strong>der</strong> Beteiligung<br />

von K<strong>in</strong><strong>der</strong>n machen können,<br />

diese reflektieren<br />

und <strong>in</strong> den Alltag <strong>der</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong>tagese<strong>in</strong>richtungen<br />

übertragen.<br />

<strong>Die</strong> Modelle<strong>in</strong>richtungen<br />

mussten sich e<strong>in</strong>em Bewerbungsverfahren<br />

unterziehen.<br />

Sie bewarben sich<br />

mit e<strong>in</strong>em Thema, das sie<br />

aktuell beschäftigte. So<br />

war gewährleistet, dass<br />

es sich <strong>in</strong> den Projekten<br />

um „Ernst-Situationen“<br />

handelte, um Themen und<br />

Entscheidungen also, die<br />

auch für die Erwachsenen<br />

von Bedeutung waren.<br />

Bei <strong>der</strong> Auswahl <strong>der</strong> teilnehmenden<br />

E<strong>in</strong>richtungen<br />

wurde darauf geachtet,<br />

dass unterschiedliche Beteiligungsthemen<br />

berücksichtigt<br />

wurden. Dabei kristallisierten sich<br />

vier Themenbereiche heraus:<br />

– Raumplanung (Innenraumgestaltung e<strong>in</strong>er<br />

K<strong>in</strong><strong>der</strong>tagese<strong>in</strong>richtung)<br />

– Konzeptionelle Entwicklungen (Öffnung;<br />

Umsetzung des Bildungsauftrags)<br />

– Institutionalisierte Beteiligungsformen (Verfassungen<br />

für K<strong>in</strong><strong>der</strong>tagese<strong>in</strong>richtungen)<br />

– Geme<strong>in</strong>wesenorientierung (Ausarbeitung<br />

von K<strong>in</strong><strong>der</strong>stadtplänen)<br />

<strong>Die</strong> Teams <strong>in</strong> den Modelle<strong>in</strong>richtungen wurden<br />

<strong>in</strong> Fortbildungen <strong>in</strong>haltlich und methodisch<br />

darauf vorbereitet, die gewählten Themen<br />

geme<strong>in</strong>sam mit den K<strong>in</strong><strong>der</strong>n zu erarbeiten.<br />

Dabei standen die Fragen, woran und wie<br />

die K<strong>in</strong><strong>der</strong> beteiligt werden sollten, im Mittelpunkt.<br />

In e<strong>in</strong>er „Dialogwerkstatt“ wurde den<br />

kommunikativen Aspekten <strong>der</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong>beteiligung<br />

nachgespürt. <strong>Die</strong> Projekte wurden von<br />

den Mitarbeiter<strong>in</strong>nen und Mitarbeitern <strong>der</strong> E<strong>in</strong>richtungen<br />

dann eigenständig durchgeführt.<br />

Sie wurden im gesamten Prozess begleitet<br />

und nach Bedarf unterstützt (vgl. Kapitel 3). In<br />

e<strong>in</strong>er Steuerungsgruppe tauschten Kolleg<strong>in</strong>nen<br />

und Kollegen aus den Modelle<strong>in</strong>richtungen<br />

und Vertreter<strong>in</strong>nen <strong>der</strong> Träger im Laufe<br />

des Modellprojekts regelmäßig ihre Erfahrungen<br />

aus. E<strong>in</strong> <strong>in</strong>term<strong>in</strong>isteriell besetzter Beirat<br />

begleitete die Arbeit des Modellprojekts.<br />

Nachfolgend wird zunächst <strong>der</strong> Verlauf <strong>der</strong><br />

e<strong>in</strong>zelnen Beteiligungsprojekte dargestellt. Auf<br />

den Transfer <strong>in</strong> den Alltag <strong>der</strong> E<strong>in</strong>richtungen<br />

gehen wir <strong>in</strong> den Kapiteln 3 und 4 e<strong>in</strong>.<br />

26


<strong>Partizipation</strong>sprojekte aus sieben Modelle<strong>in</strong>richtungen<br />

Städtische K<strong>in</strong><strong>der</strong>tagese<strong>in</strong>richtung<br />

Oslor<strong>in</strong>g, Kiel: Unsere Kita haben wir<br />

selbst gestaltet<br />

q Der Anlass<br />

Im Februar 2000 wurde die K<strong>in</strong><strong>der</strong>tagese<strong>in</strong>richtung<br />

Oslor<strong>in</strong>g durch Brandstiftung teilweise<br />

zerstört. <strong>Die</strong> Stadt Kiel als kommunaler<br />

Träger entschloss sich, neu zu bauen. Nach<br />

Fertigstellung des Neubaus auf dem selben<br />

Grundstück sollten das alte Gebäude abgerissen<br />

und die Außenanlagen umgestaltet werden.<br />

Im H<strong>in</strong>blick auf § 47 f <strong>der</strong> Schleswig-Holste<strong>in</strong>ischen<br />

Geme<strong>in</strong>deordnung wurden die<br />

K<strong>in</strong><strong>der</strong> im Frühjahr 2001 an <strong>der</strong> Planung <strong>der</strong><br />

Außenraumgestaltung beteiligt (vgl. Hansen<br />

2002 b). Im Herbst 2001 zogen 144 K<strong>in</strong><strong>der</strong><br />

und 18 pädagogische Mitarbeiter<strong>in</strong>nen fast<br />

ohne Inventar <strong>in</strong> die neue, vollkommen leere<br />

und kahle E<strong>in</strong>richtung.<br />

q Das Thema<br />

Während <strong>der</strong> Altbau abgerissen wurde und<br />

die Umgestaltung des Außengeländes begann,<br />

bot das Modellprojekt <strong>der</strong> E<strong>in</strong>richtung<br />

die Möglichkeit, K<strong>in</strong><strong>der</strong> und Eltern auch an <strong>der</strong><br />

Innene<strong>in</strong>richtung des neuen Hauses zu <strong>beteiligen</strong>.<br />

<strong>Die</strong> Frage, woran die K<strong>in</strong><strong>der</strong> beteiligt<br />

werden sollten – ob sie lediglich den eigenen<br />

Gruppenraum o<strong>der</strong> das gesamte Haus mitgestalten<br />

sollten – be<strong>in</strong>haltete die Frage <strong>der</strong> Öffnung<br />

<strong>der</strong> pädagogischen Arbeit, e<strong>in</strong>e Frage,<br />

die im Team zwar thematisiert (die Gruppentüren<br />

standen im Allgeme<strong>in</strong>en offen), jedoch<br />

bislang nicht offensiv und konzeptionell umgesetzt<br />

worden war. Nachdem die Mitarbeiter<strong>in</strong>nen<br />

pädagogische Anfor<strong>der</strong>ungen an die<br />

Räume e<strong>in</strong>er K<strong>in</strong><strong>der</strong>tagese<strong>in</strong>richtung formuliert<br />

hatten, die e<strong>in</strong>e Vielfalt an (Bildungs-)Angeboten<br />

und Möglichkeiten für unbeobachteten<br />

Rückzug umfassten, fiel die Entscheidung,<br />

jeden Gruppenraum für e<strong>in</strong>en Funktionsbereich<br />

zu öffnen, nicht mehr schwer. Bewegen<br />

und Kämpfen, Musizieren, Malen, Rollenspiele,<br />

die Begegnung mit den vier Elementen,<br />

Pflanzen und Tieren, mit Informationsmedien<br />

aller Art, die Möglichkeit zum Bauen, Werken,<br />

Basteln und Experimentieren – all das kann<br />

eben nicht <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Gruppenraum stattf<strong>in</strong>den.<br />

erwarben Beteiligungskompetenzen, <strong>in</strong>dem<br />

sie den Prozess selbst e<strong>in</strong>mal erlebten.<br />

<strong>Die</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong> wurden (wie bereits bei <strong>der</strong><br />

Außenraumplanung) <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Zukunftswerkstatt<br />

mit den Phasen Kritik, Phantasie, Entscheidung,<br />

Planung und Umsetzung beteiligt.<br />

Erstaunlich war, dass sich die Elementark<strong>in</strong><strong>der</strong>,<br />

die schon an <strong>der</strong> Außenraumplanung beteiligt<br />

waren, noch nach e<strong>in</strong>em Jahr an Details<br />

des vergangenen geme<strong>in</strong>samen Prozesses er<strong>in</strong>nern<br />

konnten. Sie erklärten <strong>der</strong> Handpuppe<br />

Lilith, wie sie den Spielplatz geplant hatten,<br />

dass <strong>in</strong> <strong>der</strong> Kritikphase rote Karten „schlecht“<br />

und grüne Karten „gut“ bedeuteten. Und auf<br />

die Frage, warum denn <strong>der</strong> Spielplatz noch<br />

gar nicht fertig sei, antworteten sie gelassen:<br />

„Der alte K<strong>in</strong><strong>der</strong>garten muss doch erst weg.“<br />

<strong>Die</strong>s ist <strong>in</strong>sofern erstaunlich, als im allgeme<strong>in</strong>en<br />

davon ausgegangen wird, dass e<strong>in</strong>e Umsetzung<br />

<strong>der</strong> Planungen beson<strong>der</strong>s bei kle<strong>in</strong>en<br />

K<strong>in</strong><strong>der</strong>n sehr kurzfristig erfolgen muss. <strong>Die</strong>se<br />

K<strong>in</strong><strong>der</strong> zeigten den Erwachsenen, dass sie die<br />

Verwirklichung ihrer Ideen auch über den langen<br />

Zeitraum e<strong>in</strong>es Jahres verfolgten.<br />

q Der Prozess<br />

Im ersten Schritt wurden diese Fragestellungen<br />

für die K<strong>in</strong><strong>der</strong>- und Elternbeteiligung präzisiert.<br />

In e<strong>in</strong>er Zukunftswerkstatt wurde e<strong>in</strong>erseits<br />

das Team selbst an <strong>der</strong> Planung beteiligt,<br />

an<strong>der</strong>erseits diente die Auswertung des Prozesses<br />

<strong>der</strong> Vorbereitung <strong>der</strong> Erzieher<strong>in</strong>nen auf<br />

die K<strong>in</strong><strong>der</strong>beteiligung, die annähernd den gleichen<br />

Verlauf nehmen sollte. <strong>Die</strong> Erzieher<strong>in</strong>nen<br />

27


<strong>Partizipation</strong>sprojekte aus sieben Modelle<strong>in</strong>richtungen<br />

Kritik<br />

Obwohl die Kritikphase, <strong>in</strong> <strong>der</strong> die Erzieher<strong>in</strong>nen<br />

als „Sekretär<strong>in</strong>nen“ die Beiträge <strong>der</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong><br />

wertfrei aufnahmen, sich <strong>in</strong>haltlich<br />

schwierig gestaltete – „Was sollen sie auch<br />

kritisieren, wenn es noch gar nichts gibt?!“ –<br />

war die lange Wäschele<strong>in</strong>e mit den roten und<br />

grünen Karten e<strong>in</strong> imposanter sicht- und greifbarer<br />

E<strong>in</strong>stieg <strong>in</strong> das Projekt, <strong>der</strong> vor allem<br />

auch den neu h<strong>in</strong>zugekommenen K<strong>in</strong><strong>der</strong>n signalisierte,<br />

dass ihre Me<strong>in</strong>ung gefragt war.<br />

Beim nächsten Besuch stürmte e<strong>in</strong> Mädchen<br />

mit <strong>der</strong> Frage auf den Mo<strong>der</strong>ator e<strong>in</strong>: „Hast<br />

du die Karten schon alle gelesen?“ Er hatte;<br />

und dabei war ihm deutlich geworden, dass<br />

die K<strong>in</strong><strong>der</strong> <strong>in</strong> dem kahlen Haus die Öffnung<br />

praktisch schon vollzogen hatten, da viele Bewertungen<br />

sich auf an<strong>der</strong>e als die eigenen<br />

Gruppenräume bezogen.<br />

Entscheidung<br />

In <strong>der</strong> nun folgenden Entscheidungsphase<br />

setzte jedes K<strong>in</strong>d mit je drei Klebepunkten<br />

persönliche Schwerpunkte. Favorit war e<strong>in</strong>deutig<br />

e<strong>in</strong> Bewegungsraum, <strong>in</strong> dem gekämpft<br />

und geklettert werden kann, gefolgt von<br />

e<strong>in</strong>em Bällebad, e<strong>in</strong>em Laboratorium mit<br />

Mikroskop, Reagenzgläsern, Trichtern und<br />

Schläuchen, e<strong>in</strong>em Aquarium, e<strong>in</strong>er Kuscheltierhöhle<br />

und e<strong>in</strong>em Ruheraum.<br />

<strong>Die</strong> hohe Bewertung des Ruheraums spiegelte<br />

die Ergebnisse <strong>der</strong> Teambeteiligung. <strong>Die</strong><br />

unruhige Situation <strong>der</strong> vergangenen Monate<br />

und <strong>der</strong> hohe Lärmpegel <strong>in</strong> <strong>der</strong> kahlen E<strong>in</strong>richtung<br />

fanden hier ihren Ausdruck – e<strong>in</strong> deutlicher<br />

H<strong>in</strong>weis darauf, wie ernsthaft und stimmig<br />

K<strong>in</strong><strong>der</strong> ihre Bedürfnisse e<strong>in</strong>br<strong>in</strong>gen können.<br />

Phantasie<br />

In <strong>der</strong> Phantasiephase erlebten die K<strong>in</strong><strong>der</strong> <strong>in</strong><br />

kle<strong>in</strong>en Gruppen e<strong>in</strong>en anschaulichen Diavortrag<br />

mit vielfältigen Anregungen zur Innenraumgestaltung,<br />

<strong>in</strong> dem sie von e<strong>in</strong>em K<strong>in</strong>d<br />

durch dessen imag<strong>in</strong>ären K<strong>in</strong><strong>der</strong>garten geführt<br />

wurden. Anschließend arbeiteten sie mit den<br />

Papierabzügen <strong>der</strong> Dias weiter und ergänzten<br />

die Anregungen durch eigene Ideen, die sie<br />

zeichneten o<strong>der</strong> zeichnen ließen. <strong>Die</strong> Fotos<br />

und die Zeichnungen wurden abschließend zu<br />

e<strong>in</strong>er großen Ausstellung zusammengetragen<br />

und noch e<strong>in</strong>mal <strong>in</strong>tensiv begutachtet.<br />

Planung<br />

Insgesamt g<strong>in</strong>gen 68 Vorschläge <strong>in</strong> die Bewertung<br />

e<strong>in</strong> – zu viele, um im E<strong>in</strong>zelnen realisiert<br />

zu werden. E<strong>in</strong>e Arbeitsgruppe, bestehend<br />

aus je e<strong>in</strong>em K<strong>in</strong>d und e<strong>in</strong>er Erzieher<strong>in</strong><br />

aus je<strong>der</strong> Gruppe, sortierte <strong>in</strong> <strong>der</strong> Planungsphase<br />

die Vorschläge nach Geme<strong>in</strong>samkeiten,<br />

o<strong>der</strong> im Fachjargon: clusterte sie. <strong>Die</strong>ser abstrakte<br />

Vorgang wurde für die K<strong>in</strong><strong>der</strong> s<strong>in</strong>nlich<br />

nachvollziehbar, <strong>in</strong>dem sie die Bil<strong>der</strong> an verschiedene<br />

Orte im Raum trugen und dort an<br />

die Wand p<strong>in</strong>nten. So entstanden 14 Aktionsbereiche,<br />

die sich zum Teil mit den pädagogischen<br />

Anfor<strong>der</strong>ungen deckten, die die Erzieher<strong>in</strong>nen<br />

<strong>in</strong> <strong>der</strong> Fortbildung erarbeitet hatten.<br />

Nun sollten die Gruppen auswählen, welche<br />

Bereiche sie am liebsten <strong>in</strong> ihrem Raum umsetzen<br />

wollten. Für jeden Bereich wurde aus<br />

den vorsortierten Fotos und Zeichnungen e<strong>in</strong>e<br />

Collage hergestellt; jede Gruppe erhielt e<strong>in</strong>en<br />

Satz dieser Collagen. In Gruppenkonferenzen<br />

suchten die Erzieher<strong>in</strong>nen geme<strong>in</strong>sam mit<br />

den K<strong>in</strong><strong>der</strong>n ihre drei Favoriten heraus.<br />

28


<strong>Partizipation</strong>sprojekte aus sieben Modelle<strong>in</strong>richtungen<br />

q <strong>Die</strong> Eltern<br />

An<strong>der</strong>s als bei <strong>der</strong> Außenraumgestaltung (hier<br />

hatte das Team <strong>der</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong>tagese<strong>in</strong>richtung Eltern<br />

aus neun verschiedenen Herkunftslän<strong>der</strong>n<br />

an <strong>der</strong> Planung beteiligt) sollten die Eltern<br />

aufgrund <strong>der</strong> Komplexität des Themas<br />

und <strong>der</strong> ohneh<strong>in</strong> schon hohen Arbeitsbelastung<br />

des Teams nicht <strong>in</strong> allen Phasen an <strong>der</strong><br />

Gestaltung <strong>der</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong>räume beteiligt werden.<br />

Allerd<strong>in</strong>gs wurde den Eltern <strong>in</strong> zwei Informationsveranstaltungen<br />

vorgestellt, warum und<br />

wie die K<strong>in</strong><strong>der</strong> beteiligt worden waren und<br />

was dabei herausgekommen war. Sie wurden<br />

um Unterstützung bei <strong>der</strong> Umsetzung gebeten<br />

und befragt, was sie für sich selbst <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />

Tagesstätte wünschten. Insbeson<strong>der</strong>e<br />

wünschten die Eltern sich e<strong>in</strong>e weniger e<strong>in</strong>sichtige<br />

Elternecke mit e<strong>in</strong>em Angebot an<br />

<strong>in</strong>ternationalen Zeitschriften, Kaffee und Tee.<br />

Bei <strong>der</strong> Auswertung unterlief uns e<strong>in</strong> methodischer<br />

Fehler, den die zurückhaltende Reaktion<br />

<strong>der</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong> und die verärgerten Äußerungen e<strong>in</strong>iger<br />

Kolleg<strong>in</strong>nen unmittelbar offenbarten. Da<br />

die K<strong>in</strong><strong>der</strong> erschöpft waren und die Verteilung<br />

<strong>der</strong> e<strong>in</strong>zelnen Angebote auf die vorhandenen<br />

Räume sich ohneh<strong>in</strong> nur logisch-abstrakt herleiten<br />

ließ, werteten die Kita-Leitung und die<br />

Mo<strong>der</strong>ation kurzentschlossen die Wünsche<br />

<strong>der</strong> Gruppen aus und präsentierten die fertigen<br />

Ergebnisse <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er abschließenden Vollversammlung,<br />

anstatt auch diesen letzten<br />

Schritt transparent unter Beteiligung des<br />

Teams und <strong>der</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong> durchzuführen. Solche<br />

Fehler werden <strong>in</strong> Beteiligungsprozessen<br />

immer wie<strong>der</strong> passieren – wichtig ist, sie<br />

wahrzunehmen und als Problem zu benennen,<br />

um sie transparent zu machen und künftig<br />

umgehen zu können.<br />

Letztlich fand das Ergebnis breite Zustimmung.<br />

<strong>Die</strong> Gruppen- und Gruppennebenräume<br />

würden künftig jeweils e<strong>in</strong> Schwerpunktangebot<br />

haben: Es sollte e<strong>in</strong>en Kreativitätsund<br />

Experimentierraum geben, e<strong>in</strong>en Rollenspielbereich,<br />

e<strong>in</strong>en Puppenraum, e<strong>in</strong> Mediencenter,<br />

e<strong>in</strong>en Ruheraum, e<strong>in</strong> Atelier, e<strong>in</strong>e<br />

Schatzkammer, e<strong>in</strong> Bällebad sowie e<strong>in</strong>en Bereich<br />

für Pflanzen und Tiere. Im Bewegungsraum<br />

sollten verschiedene Kletter-, Tobe- und<br />

Kampfangebote und <strong>in</strong> <strong>der</strong> Halle e<strong>in</strong> flexibel<br />

e<strong>in</strong>setzbarer Bühnenbereich entstehen.<br />

q <strong>Die</strong> Umsetzung<br />

Nach <strong>der</strong> Gesamtplanung durchliefen die e<strong>in</strong>zelnen<br />

Gruppen bei <strong>der</strong> Umsetzung <strong>der</strong> Planungen<br />

den Prozess e<strong>in</strong> zweites Mal. Jede<br />

Gruppe hatte sich nun für e<strong>in</strong>en Funktionsbereich<br />

entschieden. Aber: Was soll außer dem<br />

Funktionsbereich noch <strong>in</strong> unseren Gruppenraum?<br />

Wo soll was h<strong>in</strong>? Was brauchen wir<br />

dafür? <strong>Die</strong>se Fragen bearbeiteten die Erzieher<strong>in</strong>nen<br />

und die K<strong>in</strong><strong>der</strong> <strong>in</strong> den folgenden Wochen.<br />

<strong>Die</strong> wenigen vorhandenen Möbel wurden h<strong>in</strong><br />

und her geschoben. <strong>Die</strong> Ateliergruppe besuchte<br />

die Stadtgalerie, um sich die E<strong>in</strong>richtung<br />

<strong>der</strong> dortigen Ateliers anzusehen. <strong>Die</strong> Erzieher<strong>in</strong><br />

aus dem Infocenter begann mit den<br />

K<strong>in</strong><strong>der</strong>n e<strong>in</strong>e Bücherei aufzubauen und besuchte<br />

selbst e<strong>in</strong>en Computerkurs. Im Kreativbereich<br />

fand sich e<strong>in</strong>e von Eltern gespendete<br />

Nähmasch<strong>in</strong>e e<strong>in</strong>. <strong>Die</strong> Tier-und-Pflanzen-Gruppe<br />

besetzte die ebenfalls von Eltern zur Verfügung<br />

gestellten Aquarien zunächst mit Papierfischen.<br />

Bestelllisten wurden zusammengestellt.<br />

<strong>Die</strong> Ausschreibungen erfolgten. Im<br />

Spätsommer trudelten die ersten lang ersehnten<br />

Pakete e<strong>in</strong>.<br />

29


<strong>Partizipation</strong>sprojekte aus sieben Modelle<strong>in</strong>richtungen<br />

AWO-K<strong>in</strong><strong>der</strong>tagesstätte „Hanna Lucas“,<br />

Wedel: Über’s K<strong>in</strong><strong>der</strong>restaurant zum<br />

offenen K<strong>in</strong><strong>der</strong>garten<br />

q Der Anlass<br />

Das Team <strong>der</strong> AWO-K<strong>in</strong><strong>der</strong>tagesstätte „Hanna<br />

Lucas“ <strong>in</strong> Wedel wollte die K<strong>in</strong><strong>der</strong> aus <strong>der</strong><br />

E<strong>in</strong>richtung an <strong>der</strong> Weiterentwicklung des bereits<br />

begonnenen Öffnungsprozesses <strong>beteiligen</strong>.<br />

Anbau bevor, im Laufe dessen die konzeptionelle<br />

Umgestaltung eigentlich erst weiterentwickelt<br />

werden sollte. Im Vorgriff auf diese<br />

Baumaßnahme war e<strong>in</strong> Gruppenraum nach<br />

e<strong>in</strong>em Wasserschaden neu gestaltet worden<br />

und diente allen K<strong>in</strong><strong>der</strong>n als Bewegungsraum.<br />

Folglich gab es hier e<strong>in</strong>e „Gruppe ohne<br />

Raum“, was zu Konflikten mit besorgten Eltern<br />

geführt hatte.<br />

<strong>Die</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong> <strong>in</strong> den beiden Häusern <strong>der</strong> E<strong>in</strong>richtung<br />

hatten bereits die Möglichkeit, zwischen<br />

verschiedenen Projektangeboten zu wählen.<br />

Jeden Donnerstag trafen sich <strong>in</strong> <strong>der</strong> Pulverstraße<br />

alle 120 und <strong>in</strong> <strong>der</strong> Von-Suttner-Straße<br />

55 K<strong>in</strong><strong>der</strong>, um an e<strong>in</strong>em <strong>der</strong> von den Erzieher<strong>in</strong>nen<br />

und Erziehern angebotenen Projekte<br />

teilzunehmen. <strong>Die</strong> Vorstellung <strong>der</strong> Projekte<br />

und die Projektauswahl durch die K<strong>in</strong><strong>der</strong> funktionierten<br />

bereits gut. Team und K<strong>in</strong><strong>der</strong> waren<br />

begeistert, es wurde darüber nachgedacht,<br />

die K<strong>in</strong><strong>der</strong> an e<strong>in</strong>er Erweiterung <strong>der</strong> Angebotsstruktur<br />

zu <strong>beteiligen</strong>. Als problematisch<br />

wurde von den Kolleg<strong>in</strong>nen und Kollegen <strong>der</strong><br />

Zeitaufwand für e<strong>in</strong>e Ausweitung <strong>der</strong> Angebote<br />

unter den gegenwärtigen Umständen e<strong>in</strong>geschätzt.<br />

q Das Thema<br />

<strong>Die</strong> Frage, die die Erzieher<strong>in</strong>nen und Erzieher<br />

also zum Zeitpunkt <strong>der</strong> Teilnahme am Modellprojekt<br />

beschäftigte, lautete: Wie soll es mit<br />

dem Öffnungsprozess weiter gehen? Über<br />

diese Diskussion kamen die Teams schnell<br />

auf die Frage <strong>der</strong> Raumgestaltung. <strong>Die</strong> Öffnung<br />

des pädagogischen Konzepts – so<br />

wurde im folgenden deutlich – hat auch etwas<br />

mit den Handlungsmöglichkeiten <strong>in</strong> den Räumen<br />

zu tun.<br />

Seit längerem wurde <strong>in</strong> beiden Häusern das<br />

Thema „K<strong>in</strong><strong>der</strong>restaurant“ diskutiert. In <strong>der</strong><br />

Von-Suttner-Straße gab es bereits e<strong>in</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong>restaurant<br />

<strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Teil <strong>der</strong> E<strong>in</strong>gangshalle. In<br />

diesem Haus stand e<strong>in</strong> größerer Um- und<br />

In <strong>der</strong> Pulverstraße herrschte Une<strong>in</strong>igkeit darüber,<br />

ob e<strong>in</strong> Gruppenraum zum K<strong>in</strong><strong>der</strong>restaurant<br />

umfunktioniert werden sollte, um so <strong>in</strong><br />

den an<strong>der</strong>en Gruppen Raum für weitere Funktionsbereiche<br />

zu schaffen. Das hätte zur Folge<br />

gehabt, dass e<strong>in</strong>e Gruppe sehr weitgehend<br />

die Verfügung über ihren Raum e<strong>in</strong>gebüßt<br />

hätte; und dies erschien nur tragbar, wenn die<br />

an<strong>der</strong>en Gruppen sich ebenfalls auf das Konzept<br />

<strong>der</strong> Funktionsräume e<strong>in</strong>lassen würden.<br />

<strong>Die</strong>se Beschreibung macht deutlich: Das allgeme<strong>in</strong>e<br />

Thema „Beteiligung <strong>der</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong> bei<br />

<strong>der</strong> Ausweitung des Öffnungsprozesses“ verän<strong>der</strong>te<br />

sich, je konkreter die Erzieher<strong>in</strong>nen<br />

und Erzieher sich mit dem Thema ause<strong>in</strong>an<strong>der</strong><br />

setzten.<br />

<strong>Die</strong> Bedenken und Befürchtungen <strong>der</strong> Mitarbeiter<strong>in</strong>nen<br />

und Mitarbeiter, die dabei wie <strong>in</strong><br />

vielen Beteiligungsprozessen auftauchten,<br />

müssen ernst genommen werden. Schließlich<br />

s<strong>in</strong>d sie die primären Gestalter<strong>in</strong>nen und Gestalter<br />

des Beteiligungsprozesses. Sie sollen<br />

im Alltag die Auswirkungen <strong>der</strong> geme<strong>in</strong>samen<br />

Entscheidungen nicht nur er- son<strong>der</strong>n auch<br />

mittragen. In e<strong>in</strong>er Zukunftswerkstatt wurde<br />

30


<strong>Partizipation</strong>sprojekte aus sieben Modelle<strong>in</strong>richtungen<br />

daher zunächst e<strong>in</strong> M<strong>in</strong>imalkonsens darüber<br />

erarbeitet, wie weit sich die Erwachsenen <strong>in</strong><br />

dieser E<strong>in</strong>richtung zu diesem Zeitpunkt auf<br />

weitere Öffnungsprozesse e<strong>in</strong>lassen konnten.<br />

q Der Prozess<br />

<strong>Die</strong> Mitarbeiter<strong>in</strong>nen und Mitarbeiter verständigten<br />

sich darauf, die Gruppenräume für<br />

Funktionsbereiche zu öffnen, aber die Gruppenstruktur<br />

(„noch!“) nicht aufzugeben. <strong>Die</strong><br />

weitreichende Entscheidung über die E<strong>in</strong>führung<br />

e<strong>in</strong>es K<strong>in</strong><strong>der</strong>restaurants <strong>in</strong> <strong>der</strong> Pulverstraße<br />

sollte im Rahmen des Beteiligungsprojekts<br />

von K<strong>in</strong><strong>der</strong>n, Eltern und Team geme<strong>in</strong>sam<br />

gefällt werden.<br />

Zu Beg<strong>in</strong>n <strong>der</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong>beteiligung bestätigten<br />

die K<strong>in</strong><strong>der</strong>, dass das Donnerstags-Angebot<br />

„toll“ sei. Sie wünschten sich, es solle öfter<br />

stattf<strong>in</strong>den. So g<strong>in</strong>gen sie begeistert auf die<br />

Herausfor<strong>der</strong>ung e<strong>in</strong>, überall <strong>in</strong> <strong>der</strong> E<strong>in</strong>richtung<br />

Räume zu schaffen, <strong>in</strong> denen zu je<strong>der</strong><br />

Zeit Angebote gemacht werden könnten.<br />

<strong>Die</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong>beteiligung ähnelte vom Ablauf her<br />

weitgehend jener <strong>in</strong> <strong>der</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong>tagese<strong>in</strong>richtung<br />

Oslor<strong>in</strong>g <strong>in</strong> Kiel. Allerd<strong>in</strong>gs entschieden<br />

die Erzieher<strong>in</strong>nen und Erzieher sich dafür, die<br />

Fotos aus dem Diavortrag, die die Phantasie<br />

<strong>der</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong> anregen sollten, <strong>in</strong> <strong>der</strong> Entscheidungsphase<br />

nicht mit <strong>in</strong> die Ausstellung <strong>der</strong><br />

Gestaltungsideen aufzunehmen. <strong>Die</strong> Folge<br />

war e<strong>in</strong>e breitere Streuung <strong>der</strong> Bepunktung;<br />

die Attraktivität <strong>der</strong> Fotos konnte sich nicht<br />

auf die Entscheidung <strong>der</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong> auswirken.<br />

gleich die For<strong>der</strong>ung nach Übertragung <strong>der</strong><br />

Fußball-Weltmeisterschaft verbanden). Das<br />

K<strong>in</strong><strong>der</strong>restaurant fand viel Zustimmung und<br />

wurde um die Idee e<strong>in</strong>es kle<strong>in</strong>en Ladens o<strong>der</strong><br />

e<strong>in</strong>er Tauschbörse für Pokémonkarten u.ä. erweitert.<br />

Außerdem eröffneten die K<strong>in</strong><strong>der</strong><br />

durch ihre zahlreichen Wünsche, die sich auf<br />

das Außengelände bezogen, e<strong>in</strong>e neue Diskussion,<br />

die das Team beschloss <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em<br />

Folgeprojekt aufzugreifen.<br />

So gab es <strong>in</strong> <strong>der</strong> Pulverstraße nach <strong>der</strong> Entscheidungsphase<br />

116 Vorschläge, die bewertet<br />

worden waren – das Clustern wurde dadurch<br />

nicht e<strong>in</strong>facher. Aber die K<strong>in</strong><strong>der</strong>, die <strong>in</strong><br />

<strong>der</strong> Arbeitsgruppe daran mitwirkten, überraschten<br />

durch ihre ausdauernde und konzentrierte<br />

Mitarbeit. Es entstanden 14 Bereiche<br />

mit zum Teil eigenwilligen Titeln wie dem<br />

„K<strong>in</strong>o-Computer-Gameboy-Fernseh-Raum“<br />

(mit dem e<strong>in</strong>ige K<strong>in</strong><strong>der</strong> und Mitarbeiter auch<br />

Nachdem im nächsten Arbeitsschritt die Gruppen<br />

ihre Favoriten benannt hatten, setzte sich<br />

erneut e<strong>in</strong>e Kle<strong>in</strong>gruppe aus delegierten K<strong>in</strong><strong>der</strong>n<br />

und Erwachsenen aller Gruppen zusammen,<br />

um die endgültige Verteilung zu diskutieren<br />

(hier wurde <strong>der</strong> „Fehler“ aus <strong>der</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong>tagese<strong>in</strong>richtung<br />

Oslor<strong>in</strong>g, die Raumaufteilung<br />

ohne die K<strong>in</strong><strong>der</strong> zu machen, also korrigiert).<br />

<strong>Die</strong> Köpfe rauchten. Aber obwohl die logischabstrakten<br />

Erwägungen <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e die Elementark<strong>in</strong><strong>der</strong><br />

so sehr anstrengten, dass e<strong>in</strong>ige<br />

sich bald entzogen, zeigte es sich, dass es<br />

richtig war, das <strong>Partizipation</strong>sangebot konsequent<br />

aufrecht zu erhalten. Hortk<strong>in</strong><strong>der</strong> kamen<br />

<strong>in</strong> <strong>der</strong> Arbeitsgruppe auf die Idee, dass das<br />

K<strong>in</strong><strong>der</strong>restaurant <strong>in</strong> ihrem Schularbeitenraum<br />

entstehen könnte, weil dort ohneh<strong>in</strong> Stühle<br />

und Tische vorhanden waren. <strong>Die</strong>se Idee<br />

wurde dah<strong>in</strong>gehend weiterentwickelt, dass es<br />

zwei kle<strong>in</strong>ere K<strong>in</strong><strong>der</strong>restaurants geben<br />

31


<strong>Partizipation</strong>sprojekte aus sieben Modelle<strong>in</strong>richtungen<br />

zur Ideenausstellung<br />

bei und<br />

bewertete die<br />

Vorschläge<br />

gleichberechtigt<br />

mit den K<strong>in</strong><strong>der</strong>n<br />

und dem Team<br />

mit je drei Klebepunkten.<br />

Sieben<br />

heterogene<br />

Arbeitsgruppen<br />

aus K<strong>in</strong><strong>der</strong>n, Eltern<br />

und/o<strong>der</strong><br />

Erzieher<strong>in</strong>nen<br />

begannen sodann<br />

mit <strong>der</strong><br />

Verwirklichung<br />

des „Box-Turn-<br />

Kletter-Raums“, des „Kuschel-Schm<strong>in</strong>k-Verkleidungsraums“,<br />

des „K<strong>in</strong><strong>der</strong>büros“ usw..<br />

sollte – e<strong>in</strong>es davon im Schularbeitenraum –,<br />

so dass ke<strong>in</strong>e Gruppe dafür ihren Raum e<strong>in</strong>büßen<br />

musste. Team und K<strong>in</strong><strong>der</strong> bejubelten <strong>in</strong><br />

<strong>der</strong> abschließenden Vollversammlung lautstark<br />

das geme<strong>in</strong>sam erzielte Ergebnis.<br />

In <strong>der</strong> Von-Suttner-Straße entstand e<strong>in</strong>e lebhafte<br />

Debatte zwischen K<strong>in</strong><strong>der</strong>n und Erzieher<strong>in</strong>nen<br />

um die Verteilung <strong>der</strong> sieben Bereiche<br />

auf die vorhandenen Räume. <strong>Die</strong> Erzieher<strong>in</strong>nen<br />

waren von <strong>der</strong> Qualität und <strong>der</strong> Unerschütterlichkeit<br />

<strong>der</strong> Beiträge <strong>der</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong> bee<strong>in</strong>druckt.<br />

So setzte sich e<strong>in</strong> Junge argumentativ<br />

gegen e<strong>in</strong>e Kolleg<strong>in</strong> mit <strong>der</strong> For<strong>der</strong>ung durch,<br />

den Musikbereich im großen Bewegungsraum<br />

unterzubr<strong>in</strong>gen. Se<strong>in</strong>e Begründung: „... weil<br />

man dann auch tanzen kann, und zum Tanzen<br />

braucht man Platz.“<br />

q <strong>Die</strong> Umsetzung<br />

Mit Beg<strong>in</strong>n <strong>der</strong> Umsetzung „stand das Chaos<br />

<strong>in</strong>s Haus, ke<strong>in</strong> Karton blieb da, wo er e<strong>in</strong>mal<br />

war“. Inzwischen s<strong>in</strong>d sowohl <strong>in</strong> <strong>der</strong> Pulverstraße,<br />

als auch <strong>in</strong> <strong>der</strong> Von-Suttner-Straße die<br />

Umgestaltungen abgeschlossen. <strong>Die</strong> Teams<br />

haben e<strong>in</strong>en zusätzlichen regelmäßigen Besprechungsterm<strong>in</strong><br />

e<strong>in</strong>geführt: den „Pädagogischen<br />

Tisch“. In den neugestalteten Bereichen<br />

wurde die Projektarbeit anknüpfend an<br />

die Donnerstags-Angebote wie<strong>der</strong> aufgenommen<br />

und auf drei Tage erweitert. Nicht nur die<br />

Erwachsenen konnten jetzt ihre speziellen<br />

Fachkenntnisse e<strong>in</strong>br<strong>in</strong>gen und weiter entwickeln,<br />

auch die ersten K<strong>in</strong><strong>der</strong> entdeckten<br />

schnell „ihre“ Bereiche.<br />

q <strong>Die</strong> Eltern<br />

Während die Eltern <strong>in</strong> <strong>der</strong> Pulverstraße nur<br />

schwer zur Mitsprache zu bewegen waren,<br />

äußerten die Eltern <strong>in</strong> <strong>der</strong> Von-Suttner-Straße<br />

selbstbewusst ihre Bedenken und brachten<br />

sich konstruktiv <strong>in</strong> den Planungsprozess e<strong>in</strong>.<br />

E<strong>in</strong>e Elterngruppe arbeitete hier parallel zur<br />

K<strong>in</strong><strong>der</strong>beteiligung, trug eigene Zeichnungen<br />

32


<strong>Partizipation</strong>sprojekte aus sieben Modelle<strong>in</strong>richtungen<br />

KiTa Waldstraße e.V., P<strong>in</strong>neberg:<br />

Wir haben jetzt e<strong>in</strong>e Verfassung<br />

q Das Thema<br />

<strong>Die</strong> KiTa Waldstraße e.V., e<strong>in</strong>e Elter<strong>in</strong>itiative <strong>in</strong><br />

P<strong>in</strong>neberg, wollte im Rahmen des Modellprojekts<br />

<strong>in</strong> ihren drei Häusern <strong>in</strong> <strong>der</strong> Schauenburger<br />

Straße, <strong>in</strong> <strong>der</strong> Oelt<strong>in</strong>gsallee und <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />

Bahnhofstraße mit <strong>in</strong>sgesamt 160 K<strong>in</strong><strong>der</strong>n<br />

und 19 Mitarbeiter<strong>in</strong>nen und Mitarbeitern <strong>in</strong>stitutionalisierte<br />

Beteiligungsformen e<strong>in</strong>richten.<br />

q Der Prozess<br />

An<strong>der</strong>s als <strong>in</strong> den vorangehend vorgestellten<br />

Projekten stand <strong>in</strong> diesem Fall zu Beg<strong>in</strong>n nicht<br />

die Themenf<strong>in</strong>dung o<strong>der</strong> die Planung e<strong>in</strong>es<br />

konkreten Beteiligungsprozesses im Vor<strong>der</strong>grund.<br />

Vielmehr g<strong>in</strong>g es um die Klärung<br />

grundsätzlicher struktureller Fragen von Beteiligung:<br />

Worüber sollen die K<strong>in</strong><strong>der</strong> auf jeden<br />

Fall mitbestimmen? Worüber auf ke<strong>in</strong>en Fall?<br />

Wie können pr<strong>in</strong>zipiell Entscheidungen geme<strong>in</strong>sam<br />

getroffen werden? An<strong>der</strong>s ausgedrückt:<br />

Welche formale Mitbestimmungsstruktur<br />

können die Erwachsenen mittragen?<br />

Es liegt auf <strong>der</strong> Hand: <strong>Die</strong>se Fragen müssen<br />

zunächst die Erwachsenen alle<strong>in</strong> beantworten.<br />

Es können eben nicht alle, die künftig partizipieren<br />

(sollen), an <strong>der</strong> Entscheidung partizipieren,<br />

ob und wie partizipiert werden soll.<br />

Team-Reflexion und Planung<br />

So glich <strong>der</strong> erste Tag <strong>der</strong> Teamfortbildung<br />

e<strong>in</strong>er Verfassunggebenden Versammlung.<br />

Dabei standen im Mittelpunkt <strong>der</strong> Ause<strong>in</strong>an<strong>der</strong>setzungen<br />

Fragen, die die pädagogische<br />

Zuständigkeit <strong>der</strong> Erzieher<strong>in</strong>nen und Erzieher<br />

betreffen: Soll die Teilnahme an Gruppenbesprechungen<br />

wirklich freiwillig se<strong>in</strong>? O<strong>der</strong><br />

müssen nicht gerade die K<strong>in</strong><strong>der</strong>, die sich diesen<br />

Sitzungen immer wie<strong>der</strong> entziehen, lernen,<br />

sich <strong>in</strong> <strong>der</strong> Geme<strong>in</strong>schaft zurecht zu f<strong>in</strong>den?<br />

Können die K<strong>in</strong><strong>der</strong> künftig mit ihrer<br />

Mehrheit Konsequenzen, die die pädagogischen<br />

Fachkräfte e<strong>in</strong>for<strong>der</strong>n, aushebeln? Bedenken<br />

und Befürchtungen, die sich bereits <strong>in</strong><br />

den an<strong>der</strong>en Projekten andeuteten, treten bei<br />

<strong>der</strong> grundsätzlichen strukturellen Entscheidung<br />

für e<strong>in</strong>e <strong>in</strong>stitutionalisierte Beteiligungsform<br />

offen zu Tage.<br />

Sicherheit und Zuversicht gewannen die Kolleg<strong>in</strong>nen<br />

und Kollegen <strong>in</strong> dieser Phase durch<br />

e<strong>in</strong>e formale Regelung. Entscheidungen sollten<br />

<strong>in</strong> den Mitbestimmungsgremien grundsätzlich<br />

nicht gegen die Stimmen aller Erwachsenen,<br />

aber auch nicht gegen die Stimmen<br />

aller K<strong>in</strong><strong>der</strong> getroffen werden. <strong>Die</strong><br />

Erwachsenen vertrauten offensichtlich darauf,<br />

dass sie sich <strong>in</strong> grundsätzlichen Fragen e<strong>in</strong>ig<br />

wären und ihr geme<strong>in</strong>sames Vetorecht für sie<br />

unvertretbare Entscheidungen verh<strong>in</strong><strong>der</strong>n<br />

würde. Inhaltlich sollte das Mitspracherecht<br />

<strong>der</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong> lediglich bei übergeordneten Regelungen<br />

(z.B. gesetzlichen Grundlagen) und (zum<strong>in</strong>dest<br />

vorerst) bei personalrechtlichen Angelegenheiten<br />

enden. Aber u.a. Tagesabläufe,<br />

Raumgestaltungen und auch Kritik am Verhalten<br />

e<strong>in</strong>zelner Personen – K<strong>in</strong><strong>der</strong> wie Erwachsener<br />

– sollten künftig geme<strong>in</strong>sam besprochen<br />

werden (können).<br />

Zunächst sollten <strong>in</strong> allen Gruppen m<strong>in</strong>destens<br />

e<strong>in</strong>mal <strong>in</strong> <strong>der</strong> Woche Gruppenkonferenzen<br />

stattf<strong>in</strong>den. Wenn diese sich e<strong>in</strong>gespielt<br />

haben würden, sollten aus allen K<strong>in</strong><strong>der</strong>gruppen,<br />

aus dem Team und von den Eltern Delegierte<br />

für die K<strong>in</strong><strong>der</strong>räte <strong>der</strong> drei Häuser gewählt<br />

werden. <strong>Die</strong>se sollten monatlich tagen<br />

und die Angelegenheiten regeln, die das jeweilige<br />

Haus betreffen. Zu beson<strong>der</strong>en Anlässen,<br />

die die ganze E<strong>in</strong>richtung angehen, sollten<br />

die drei Räte zum K<strong>in</strong><strong>der</strong>parlament zusammentreten.<br />

33


<strong>Partizipation</strong>sprojekte aus sieben Modelle<strong>in</strong>richtungen<br />

Erprobung und erneute Reflexion<br />

<strong>Die</strong> ersten K<strong>in</strong><strong>der</strong>konferenzen wurden detailliert<br />

vorbereitet: Wo und wann f<strong>in</strong>den sie<br />

statt? Wer übernimmt die Mo<strong>der</strong>ation? Wie<br />

wird <strong>der</strong> E<strong>in</strong>stieg <strong>in</strong>s Gespräch gestaltet? Welche<br />

Themen werden vorbereitet? Welche Rituale<br />

werden e<strong>in</strong>geführt? In <strong>der</strong> Dialogwerkstatt<br />

wurden Gesprächsregeln zusammengetragen<br />

und unter den kritischen Blicken<br />

beobachten<strong>der</strong> Kolleg<strong>in</strong>nen und Kollegen Mo<strong>der</strong>ationsübungen<br />

durchgeführt.<br />

<strong>Die</strong> ersten Gruppenkonferenzen wurden auf<br />

Video aufgezeichnet. E<strong>in</strong> zusätzlicher Fortbildungstag<br />

diente <strong>der</strong> geme<strong>in</strong>samen Auswertung<br />

<strong>der</strong> sehr unterschiedlichen Erfahrungen.<br />

Hier war zunächst die Struktur <strong>der</strong> Gruppenkonferenz<br />

vorgestellt worden, da war bereits<br />

e<strong>in</strong>e erste geme<strong>in</strong>same Entscheidung über<br />

das Programm des nächsten Tages getroffen<br />

worden, dort war versucht worden, e<strong>in</strong>fach<br />

nur mite<strong>in</strong>an<strong>der</strong> <strong>in</strong>s Gespräch zu kommen.<br />

E<strong>in</strong>e Konferenz hatte nur fünf M<strong>in</strong>uten gedauert,<br />

e<strong>in</strong>e an<strong>der</strong>e 35. E<strong>in</strong>mal hatte konzentrierte<br />

Ruhe geherrscht, e<strong>in</strong> an<strong>der</strong>es Mal lautstarke<br />

Lebhaftigkeit. Vieles hatte bereits gut funktioniert,<br />

manches überhaupt nicht. Es gab viel<br />

vone<strong>in</strong>an<strong>der</strong> zu lernen und die Kolleg<strong>in</strong>nen<br />

und Kollegen nutzten diese Chance.<br />

<strong>Die</strong> Erzieher<strong>in</strong>nen und Erzieher erfuhren hautnah,<br />

dass die K<strong>in</strong><strong>der</strong> sich dann am bereitwilligsten<br />

auf e<strong>in</strong>en Austausch e<strong>in</strong>lassen, wenn e<strong>in</strong><br />

echtes Interesse <strong>der</strong> Erwachsenen vorhanden<br />

ist und <strong>in</strong> ihrer Gestik und Mimik, ihrer Körperhaltung<br />

und ihrem sprachlichen Ausdruck<br />

spürbar wird ... dass es schwierig und doch<br />

so leicht se<strong>in</strong> kann, die Themen <strong>der</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong> zu<br />

erkennen und darauf e<strong>in</strong>zugehen ... dass e<strong>in</strong><br />

Redestab dabei hilft, auch die stilleren K<strong>in</strong><strong>der</strong><br />

zu Wort kommen zu lassen, an<strong>der</strong>erseits aber<br />

die Lebendigkeit e<strong>in</strong>es Gesprächs beh<strong>in</strong><strong>der</strong>n<br />

kann ... dass <strong>der</strong> Weg, auf dem die K<strong>in</strong><strong>der</strong><br />

sich darauf e<strong>in</strong>lassen, sich zu äußern und e<strong>in</strong>an<strong>der</strong><br />

zuzuhören, zunächst wichtiger ist, als<br />

e<strong>in</strong> kurzfristig erreichtes Ziel ... dass vor <strong>der</strong><br />

Entscheidung <strong>der</strong> Me<strong>in</strong>ungsbildungsprozess<br />

kommt ... dass die Zielstrebigkeit <strong>der</strong> Erwachsenen<br />

<strong>in</strong>sofern auch e<strong>in</strong>e Falle se<strong>in</strong> kann.<br />

<strong>Die</strong> Erzieher<strong>in</strong>nen und Erzieher g<strong>in</strong>gen bestärkt<br />

und motiviert aus diesem Tag hervor.<br />

Sie erfuhren viel Bestätigung und konstruktive<br />

Kritik, billigten sich <strong>in</strong> <strong>der</strong> Folge v.a. mehr Gelassenheit<br />

zu, brachten mehr Zeit und Geduld<br />

für den Prozess auf. <strong>Die</strong> nächsten Gruppenkonferenzen<br />

fanden allesamt unter Beobachtung<br />

e<strong>in</strong>er Kolleg<strong>in</strong> o<strong>der</strong> e<strong>in</strong>es Kollegen aus<br />

e<strong>in</strong>er an<strong>der</strong>en Gruppe statt; die Mo<strong>der</strong>ationskompetenzen<br />

sollten aktiv weiterentwickelt<br />

werden.<br />

q <strong>Die</strong> Umsetzung<br />

Bereits <strong>in</strong> den ersten Konferenzen staunten<br />

die Erwachsenen über die K<strong>in</strong><strong>der</strong>. In e<strong>in</strong>er Elementargruppe<br />

g<strong>in</strong>g es um die Verän<strong>der</strong>ungen,<br />

die die Aufnahme e<strong>in</strong>iger neuer K<strong>in</strong><strong>der</strong> <strong>in</strong> die<br />

Gruppe mit sich gebracht hatte. Nachdem die<br />

„alten“ K<strong>in</strong><strong>der</strong> sich ausführlich – wenn auch<br />

nicht immer direkt zum Thema – geäußert<br />

hatten und die Erzieher<strong>in</strong>nen anerkennend bemerkt<br />

hatten, wie fürsorglich sie sich um die<br />

„neuen“ K<strong>in</strong><strong>der</strong> kümmern würden, meldete<br />

sich erstmals e<strong>in</strong>er dieser Neuen zu Wort:<br />

„Ich f<strong>in</strong>de gut, dass ich jetzt hier <strong>in</strong> die Wawuschel-Gruppe<br />

b<strong>in</strong>.“ Spontaner Beifall <strong>der</strong> ganzen<br />

K<strong>in</strong><strong>der</strong>gruppe belohnte diese Bemerkung.<br />

34


<strong>Partizipation</strong>sprojekte aus sieben Modelle<strong>in</strong>richtungen<br />

<strong>Die</strong> Auswahl <strong>der</strong> Delegierten für die K<strong>in</strong><strong>der</strong>räte<br />

verlief nicht überall ohne Komplikationen.<br />

In <strong>der</strong> Oelt<strong>in</strong>gsallee, <strong>in</strong> <strong>der</strong> es ke<strong>in</strong>e Hortk<strong>in</strong><strong>der</strong><br />

gibt, hatten die Erzieher<strong>in</strong>nen – an<strong>der</strong>s als<br />

<strong>in</strong> den an<strong>der</strong>en Häusern – vorgesehen, dass<br />

alle K<strong>in</strong><strong>der</strong>, die im folgenden Jahr zur Schule<br />

kommen würden, Ratsmitglie<strong>der</strong> werden<br />

sollten. <strong>Die</strong>ser Vorschlag stieß aber auf den<br />

energischen Wi<strong>der</strong>stand e<strong>in</strong>er Dreijährigen,<br />

die vehement ihr passives Wahlrecht e<strong>in</strong>klagte.<br />

Sie fand Gehör bei den an<strong>der</strong>en K<strong>in</strong><strong>der</strong>n<br />

und so wurden auch hier Wahlen durchgeführt.<br />

<strong>Die</strong> Institutionalisierung <strong>der</strong> Mitbestimmung<br />

sollte während e<strong>in</strong>es geme<strong>in</strong>samen Festes<br />

<strong>der</strong> Öffentlichkeit präsentiert werden. <strong>Die</strong><br />

Planung des Festes wurde zur ersten Aufgabe<br />

des K<strong>in</strong><strong>der</strong>parlaments, obgleich dieses noch<br />

nicht vollständig zusammentreten konnte, da<br />

noch nicht alle Delegierten gewählt waren.<br />

Während des Festes stellte e<strong>in</strong>e Theatergruppe<br />

aus Elementar- und Hortk<strong>in</strong><strong>der</strong>n anhand<br />

e<strong>in</strong>es realen Konflikts um die Nutzung des<br />

Bewegungsraums die Funktionen <strong>der</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong>räte<br />

vor. Dass die K<strong>in</strong><strong>der</strong> die Möglichkeiten,<br />

die ihnen dieses Gremium bietet, erfasst hatten,<br />

zeigte sich wenig später <strong>in</strong> <strong>der</strong> ersten K<strong>in</strong><strong>der</strong>ratssitzung<br />

<strong>in</strong> <strong>der</strong> Schauenburger Straße.<br />

<strong>Die</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong> stellten das von den Eltern <strong>in</strong> Folge<br />

des R<strong>in</strong>dfleischskandals durchgesetzte generelle<br />

Fleischverbot auf die Tagesordnung und<br />

erreichten nach zähen, wochenlangen Verhandlungen,<br />

dass Geflügelgerichte wie<strong>der</strong> <strong>in</strong><br />

die Speisekarte aufgenommen wurden.<br />

q <strong>Die</strong> Eltern<br />

Auch die Eltern wählten Delegierte, die an<br />

den K<strong>in</strong><strong>der</strong>räten teilnehmen. Sollten sie die<br />

Bemühungen um die Mitbestimmung <strong>der</strong><br />

K<strong>in</strong><strong>der</strong> bis dah<strong>in</strong> nicht ernst genommen<br />

haben, so än<strong>der</strong>te sich dies spätestens mit<br />

den ersten Ratssitzungen. E<strong>in</strong>e Mutter<br />

äußerte sich sehr erstaunt über die diszipl<strong>in</strong>ierte<br />

und kompetente Beteiligung <strong>der</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong><br />

<strong>in</strong> den Gremien. Vor allem von <strong>der</strong>en Kommunikationskultur<br />

könne so manche Gesprächsrunde<br />

unter Erwachsenen e<strong>in</strong>e Menge lernen.<br />

35


<strong>Partizipation</strong>sprojekte aus sieben Modelle<strong>in</strong>richtungen<br />

ADS-K<strong>in</strong><strong>der</strong>garten, Tarp: E<strong>in</strong> Ortsplan von<br />

K<strong>in</strong><strong>der</strong>n für K<strong>in</strong><strong>der</strong><br />

q Der Anlass<br />

Der K<strong>in</strong><strong>der</strong>garten <strong>der</strong> Arbeitsgeme<strong>in</strong>schaft<br />

Deutsches Schleswig <strong>in</strong> Tarp war mit dem<br />

Projekt „Mit K<strong>in</strong><strong>der</strong>augen und –ohren durch<br />

Tarp“ im Jahr 2000 zweiter Preisträger des<br />

<strong>Die</strong>ter Tiemann-Preises für Alltagsdemokratie<br />

und K<strong>in</strong><strong>der</strong>freundlichkeit. Das Team war also<br />

bereits partizipations- und projekterfahren. Obwohl<br />

die Projektarbeit aufwändig und anstrengend<br />

war, hatten die Beteiligten sie auch als<br />

erfolgreich und befriedigend erlebt. Das Modellprojekt<br />

bot also e<strong>in</strong>en willkommenen Anlass,<br />

e<strong>in</strong> anschließendes Projekt zu beg<strong>in</strong>nen.<br />

q Das Thema<br />

Das Team plante, mit den K<strong>in</strong><strong>der</strong>n aus den<br />

drei Elementargruppen e<strong>in</strong>en Ortsplan zu entwickeln,<br />

<strong>der</strong> sowohl e<strong>in</strong>heimischen Familien<br />

als auch Touristen den Ort aus K<strong>in</strong><strong>der</strong>sicht<br />

vorstellen sollte. Um die Bedeutung dieses<br />

Vorhabens für die 5000-Seelen-Geme<strong>in</strong>de hervorzuheben,<br />

sollte frühzeitig die Kooperation<br />

mit <strong>der</strong> Kommunalverwaltung gesucht werden.<br />

q Der Prozess<br />

E<strong>in</strong>e Ortsplanentwicklung ist e<strong>in</strong> komplexes<br />

und abstraktes Thema, das e<strong>in</strong> ergebnisorientiertes<br />

Vorgehen und damit e<strong>in</strong>e str<strong>in</strong>gente<br />

Planung durch die Erwachsenen verlangt. Um<br />

die gruppenübergreifende Koord<strong>in</strong>ation des<br />

Projekts und den Informationsfluss zu den<br />

K<strong>in</strong><strong>der</strong>n sicherstellen zu können, wurde e<strong>in</strong><br />

K<strong>in</strong><strong>der</strong>parlament e<strong>in</strong>berufen, an dem alle<br />

„Maxis“ teilnahmen. „Maxis“, das s<strong>in</strong>d die<br />

K<strong>in</strong><strong>der</strong>, die im darauffolgenden Jahr zur Schule<br />

gehen werden. Während des e<strong>in</strong>jährigen Projekts<br />

setzte sich das Team immer wie<strong>der</strong> zusammen,<br />

um den Prozess zu reflektieren und<br />

die Planung weiter zu entwickeln.<br />

Zumutung e<strong>in</strong>es Themas<br />

In den vertrauten Gruppenkonferenzen wurden<br />

die K<strong>in</strong><strong>der</strong> mit <strong>der</strong> Idee, e<strong>in</strong>en Ortsplan<br />

für K<strong>in</strong><strong>der</strong> zu entwerfen, konfrontiert. E<strong>in</strong>e<br />

Kolleg<strong>in</strong> mimte mit e<strong>in</strong>igen K<strong>in</strong><strong>der</strong>n e<strong>in</strong>e bayrische<br />

Familie, die mitten <strong>in</strong> Tarp aus dem Auto<br />

steigt und die übrigen K<strong>in</strong><strong>der</strong> nach e<strong>in</strong>er Übernachtungsmöglichkeit<br />

fragt. Nach dieser E<strong>in</strong>führung<br />

<strong>in</strong>s Thema bildeten die K<strong>in</strong><strong>der</strong> <strong>in</strong> den<br />

folgenden Tagen auf vielfältige Weise e<strong>in</strong>en<br />

Ort nach, <strong>in</strong>dem sie mit Bauklötzen o<strong>der</strong><br />

Knete Modelle aufbauten o<strong>der</strong> mit Klebeband<br />

großflächig Wegesysteme auf den Fußboden<br />

klebten.<br />

Erarbeitung<br />

Bereits zu diesem frühen Zeitpunkt fand e<strong>in</strong><br />

erster Besuch im Sozialausschuss statt, <strong>der</strong><br />

eigens zu diesem Anlass se<strong>in</strong>e Sitzung <strong>in</strong> den<br />

Nachmittag vorverlegt hatte. <strong>Die</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong> präsentierten<br />

ihre ersten Arbeiten, berichteten<br />

von <strong>der</strong> konstituierenden Sitzung des K<strong>in</strong><strong>der</strong>parlaments<br />

und erläuterten die Absicht, e<strong>in</strong>en<br />

K<strong>in</strong><strong>der</strong>ortsplan zu entwickeln.<br />

<strong>Die</strong> Arbeit konkretisierte sich nun. Es wurden<br />

die Orte gesammelt und gemalt, die den K<strong>in</strong><strong>der</strong>n<br />

<strong>in</strong> Tarp wichtig erschienen und die zunächst<br />

besucht und anschließend <strong>in</strong> den Ortsplan<br />

aufgenommen werden sollten. <strong>Die</strong>se<br />

Orte wurden <strong>in</strong> den Gruppen bewertet; und<br />

im Parlament wurde ausgezählt. Per F<strong>in</strong>gerabdruck<br />

besiegelten die K<strong>in</strong><strong>der</strong> die Teilnahme an<br />

ihren <strong>in</strong>dividuellen Favoriten unter den <strong>in</strong>sgesamt<br />

20 Ausflügen. Ausflugsziele waren nicht<br />

nur Spielplätze, son<strong>der</strong>n auch die Polizei, <strong>der</strong><br />

Kiosk, an dem es „Naschis“ gibt, <strong>der</strong> Markt,<br />

die Mühle (das Wahrzeichen Tarps) o<strong>der</strong> <strong>der</strong><br />

Bürgermeister.<br />

<strong>Die</strong> Wege wurden zu Fuß zurückgelegt. Um<br />

die Entfernungen <strong>in</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong>schritten nachvollziehbar<br />

machen zu können, hatten die Erzieher<strong>in</strong>nen<br />

e<strong>in</strong>en Schrittzähler angeschafft. <strong>Die</strong><br />

36


<strong>Partizipation</strong>sprojekte aus sieben Modelle<strong>in</strong>richtungen<br />

abstrakte Zahl von 235 Schritten sagte den<br />

K<strong>in</strong><strong>der</strong>n aber wenig. Sie verlangten daher, auf<br />

dem Weg alle zehn Schritte e<strong>in</strong>en Strich auf<br />

e<strong>in</strong>en Block zu machen, so dass sie anschließend<br />

die Anzahl <strong>der</strong> Striche vergleichen konnten.<br />

Damit machten die K<strong>in</strong><strong>der</strong> deutlich, wie<br />

abstrakte Vorstellungen konkretisierbar und<br />

damit s<strong>in</strong>nlich er-fass-bar werden – e<strong>in</strong> wertvoller<br />

methodischer H<strong>in</strong>weis für die K<strong>in</strong><strong>der</strong>beteiligung.<br />

Darüber h<strong>in</strong>aus zeigt das Beispiel auch, wie<br />

ganz nebenbei mathematische Grundkenntnisse<br />

erworben werden. Da K<strong>in</strong><strong>der</strong>n <strong>in</strong> <strong>Partizipation</strong>sprojekten<br />

immer wie<strong>der</strong> neue Themen<br />

zugemutet werden, bieten diese zahlreiche<br />

Anlässe für <strong>der</strong>artige Bildungsprozesse. Dazu<br />

gehört auch, dass sich das komplexe Gebilde<br />

des Ortes den K<strong>in</strong><strong>der</strong>n im Laufe <strong>der</strong> Ausflüge<br />

immer mehr erschloss. Als die K<strong>in</strong><strong>der</strong> die oberen<br />

Stockwerke <strong>der</strong> alten W<strong>in</strong>dmühle besichtigten,<br />

deutete e<strong>in</strong> Mädchen plötzlich aus dem<br />

Fenster. Mit Blick auf das Amt Oeversee rief<br />

sie: „Guck mal! Da wohnt <strong>der</strong> Bürgermeister.“<br />

Dokumentation<br />

<strong>Die</strong> Ausflüge wurden fotografisch dokumentiert<br />

und <strong>in</strong> <strong>der</strong> Halle des K<strong>in</strong><strong>der</strong>gartens ausgestellt.<br />

Im K<strong>in</strong><strong>der</strong>parlament wurden sie abschließend<br />

<strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Straßenkarte zugeordnet.<br />

<strong>Die</strong> begleitende Erzieher<strong>in</strong> zeigte den K<strong>in</strong><strong>der</strong>n,<br />

wo <strong>der</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong>garten <strong>in</strong> <strong>der</strong> Karte zu f<strong>in</strong>den ist<br />

und fragte, ob sie die Mühle f<strong>in</strong>den könnten.<br />

<strong>Die</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong> antworteten mit e<strong>in</strong>er Gegenfrage:<br />

„Wo ist die Eisenbahn?“ Tarp wird durch e<strong>in</strong>e<br />

Bahnl<strong>in</strong>ie geteilt und die erste Orientierung für<br />

die K<strong>in</strong><strong>der</strong> war: S<strong>in</strong>d wir über den Bahnübergang<br />

gegangen o<strong>der</strong> nicht? E<strong>in</strong>e zweite Orientierung<br />

suchten sie im Protokollbuch. „Wie<br />

viel Schritte war die Mühle noch mal weg?“<br />

Nach und nach fanden sich die K<strong>in</strong><strong>der</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />

Karte immer besser zurecht, fanden und kennzeichneten<br />

die besuchten Orte und klebten<br />

die Fotos neben die Karte. In den Gruppenkonferenzen<br />

stellten die Delegierten das Ergebnis<br />

vor.<br />

Zwischenspiel (didaktische Schleife)<br />

<strong>Die</strong> Erzieher<strong>in</strong>nen spürten, dass die jüngeren<br />

K<strong>in</strong><strong>der</strong> „etwas zum Anfassen“ brauchten, um<br />

den Transfer vom s<strong>in</strong>nlich erfahrenen Ort zum<br />

abstrakten Symbol nachvollziehen zu können.<br />

Sie schlugen vor, nach dem Vorbild von Monopoly-Junior<br />

e<strong>in</strong> Spiel über Tarp zu erf<strong>in</strong>den.<br />

Gesagt, getan. Es wurden Modelle aller Ausflugsorte<br />

gebastelt und Spielkarten mit Symbolen<br />

für die Orte entworfen, Teppichfliesen<br />

wurden zu begehbaren Spielfel<strong>der</strong>n, Spielregeln<br />

entstanden. Im Spiel erkannten auch die<br />

jüngeren K<strong>in</strong><strong>der</strong> die besuchten Orte <strong>in</strong> Tarp<br />

wie<strong>der</strong>.<br />

Fertigstellung<br />

Im Parlament erhielt jedes K<strong>in</strong>d e<strong>in</strong>en Ortsplan<br />

von Tarp und bemühte sich erneut um<br />

Orientierung. Als auf diese Weise e<strong>in</strong> Verständnis<br />

für den Umgang mit e<strong>in</strong>er Karte gewachsen<br />

war, begann e<strong>in</strong>e letzte abstrakte Arbeitsphase:<br />

<strong>Die</strong> Legende für den K<strong>in</strong><strong>der</strong>ortsplan<br />

musste geschrieben werden. <strong>Die</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong><br />

entschieden, die Symbole für die besuchten<br />

Orte, die sie bereits für das „Tarpoly“-Spiel<br />

entwickelt hatten, <strong>in</strong> den Plan zu übernehmen<br />

und diktierten den Erzieher<strong>in</strong>nen beschreibende<br />

Texte. Schließlich wurde <strong>der</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong>ortsplan<br />

professionell layoutet und gedruckt. <strong>Die</strong> Kosten<br />

für die Herstellung waren bei lokalen<br />

Sponsoren gesammelt worden.<br />

Öffentlichkeit<br />

Inzwischen waren die Medien auf das Projekt<br />

aufmerksam geworden. <strong>Die</strong> lokale Presse<br />

kündigte sich an, Radio Schleswig-Holste<strong>in</strong><br />

lud die K<strong>in</strong><strong>der</strong> <strong>in</strong>s Studio. Das Team bereitete<br />

37


<strong>Partizipation</strong>sprojekte aus sieben Modelle<strong>in</strong>richtungen<br />

38


<strong>Partizipation</strong>sprojekte aus sieben Modelle<strong>in</strong>richtungen<br />

39


<strong>Partizipation</strong>sprojekte aus sieben Modelle<strong>in</strong>richtungen<br />

und es war <strong>in</strong>zwischen selbstverständlich,<br />

dass die Vertreter <strong>der</strong> Kommunalverwaltung<br />

zu diesem Ereignis erschienen. <strong>Die</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong><br />

hatten zu ihnen e<strong>in</strong> persönliches Verhältnis<br />

aufbauen können. Sie hatten dem „alten“<br />

Bürgermeister zum Abschied e<strong>in</strong> Tarp-Lied gesungen<br />

und se<strong>in</strong>er Nachfolger<strong>in</strong> e<strong>in</strong>en K<strong>in</strong><strong>der</strong>stuhl<br />

für ihr Büro geschenkt, damit bei ihr<br />

auch K<strong>in</strong><strong>der</strong> e<strong>in</strong>en Platz fänden.<br />

die K<strong>in</strong><strong>der</strong> auf die Begegnung mit den Journalisten<br />

vor, <strong>in</strong>dem e<strong>in</strong>e Kolleg<strong>in</strong> sich als Reporter<strong>in</strong><br />

„Roberta Rasant“ ausgab und verkleidet<br />

die E<strong>in</strong>richtung besuchte, um die K<strong>in</strong><strong>der</strong> zu<br />

<strong>in</strong>terviewen. <strong>Die</strong>se durchschauten das Spiel<br />

augenblicklich („das ist ja Birgit“), ließen sich<br />

aber bereitwillig darauf e<strong>in</strong>. Roberta Rasant<br />

befragte die K<strong>in</strong><strong>der</strong> vor laufen<strong>der</strong> Videokamera<br />

und erfuhr auf diese Weise, dass sie das Projekt<br />

<strong>in</strong> se<strong>in</strong>em gesamten Ablauf rekonstruieren<br />

konnten. Den echten Journalisten begegneten<br />

sie anschließend äußerst souverän.<br />

Abschluss<br />

Das Projekt endete vor den Sommerferien mit<br />

e<strong>in</strong>em Abschlussfest. Höhepunkt des Festes<br />

war e<strong>in</strong>e Familienrallye, die mit Hilfe des K<strong>in</strong><strong>der</strong>ortsplans<br />

durch Tarp führte. Am Tag zuvor<br />

war <strong>der</strong> Plan öffentlich präsentiert worden;<br />

Nachwirkungen<br />

<strong>Die</strong> Mitarbeiter<strong>in</strong>nen hatten sich immer wie<strong>der</strong><br />

selbstkritisch gefragt, ob die ereignisreiche<br />

Projektarbeit ihnen und den K<strong>in</strong><strong>der</strong>n<br />

genug Zeit ließe, die Beteiligung <strong>der</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong> <strong>in</strong><br />

den Alltag zu übertragen. <strong>Die</strong> Antwort erhielten<br />

sie spätestens zu Beg<strong>in</strong>n des neuen K<strong>in</strong><strong>der</strong>garten-Jahrs,<br />

als die neuen „Maxis“ ungeduldig<br />

fragten, wann denn endlich K<strong>in</strong><strong>der</strong>parlament<br />

wäre, sie seien ja schließlich jetzt die<br />

Mitglie<strong>der</strong>. Als sie dann dem Sozialausschuss<br />

abschließend den Plan vorstellten, zeigte sich,<br />

dass auch die Erwachsenen dort ihre Erfahrungen<br />

mit den K<strong>in</strong><strong>der</strong>n <strong>in</strong> ihren Alltag übertragen<br />

hatten. <strong>Die</strong> Vorsitzenden des K<strong>in</strong><strong>der</strong>parlaments<br />

wurden e<strong>in</strong>geladen, geme<strong>in</strong>sam mit<br />

dem Vorsitzenden des Ausschusses die Versammlung<br />

zu leiten. Und als <strong>der</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong>garten<br />

im Vorfeld <strong>der</strong> Sanierung <strong>der</strong> geme<strong>in</strong>deeigenen<br />

Spielplätze gebeten wurde, die Experten-<br />

Urteile <strong>der</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong> durch Ortsbegehungen zu<br />

ermitteln, wurde ihnen e<strong>in</strong> unmittelbarer E<strong>in</strong>fluss<br />

auf das politische Geschehen <strong>in</strong> <strong>der</strong> Geme<strong>in</strong>de<br />

e<strong>in</strong>geräumt.<br />

q <strong>Die</strong> Eltern<br />

<strong>Die</strong> Eltern standen dem Projekt zunächst zurückhaltend<br />

gegenüber. Würde <strong>Demokratie</strong> <strong>in</strong><br />

<strong>der</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong>tagese<strong>in</strong>richtung zur Folge haben,<br />

dass sie zu Hause auch über alles mit den<br />

K<strong>in</strong><strong>der</strong>n diskutieren müssten? <strong>Die</strong> Erzieher<strong>in</strong>nen<br />

bemühten sich, die Eltern für das Projekt<br />

zu gew<strong>in</strong>nen, <strong>in</strong>dem sie die <strong>in</strong>dividuellen Bildungsfortschritte<br />

<strong>der</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong> im Projekt betonten.<br />

Nach und nach wich die Skepsis e<strong>in</strong>er<br />

wohlwollenden Zustimmung. An <strong>der</strong> Vorbereitung<br />

des Abschlussfestes waren Eltern und<br />

K<strong>in</strong><strong>der</strong> gleichermaßen beteiligt. Mo<strong>der</strong>iert<br />

wurde das Planungstreffen von den Vorsitzenden<br />

des K<strong>in</strong><strong>der</strong>parlaments.<br />

Als die E<strong>in</strong>richtung mit dem Projekt zur Hauptpreisträger<strong>in</strong><br />

<strong>der</strong> „Goldenen Göre“ wurde,<br />

e<strong>in</strong>es vom Deutschen K<strong>in</strong><strong>der</strong>hilfswerk ausgelobten<br />

För<strong>der</strong>preises für die Beteiligung von<br />

K<strong>in</strong><strong>der</strong>n und Jugendlichen an <strong>der</strong> Gestaltung<br />

ihrer Lebenswelt, waren auch die Eltern voller<br />

Stolz auf die vollbrachte Leistung.<br />

40


<strong>Partizipation</strong>sprojekte aus sieben Modelle<strong>in</strong>richtungen<br />

IzzKizz e.V., Itzehoe: Wir zeigen euch<br />

unsere Stadt<br />

q Der Anlass<br />

<strong>Die</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong>tagesstätte des Vere<strong>in</strong>s IzzKizz <strong>in</strong> Itzehoe<br />

hatte außergewöhnlich lange Öffnungszeiten<br />

und betreute die K<strong>in</strong><strong>der</strong> <strong>in</strong> sogenannten<br />

Familiengruppen, d.h. <strong>in</strong> vergleichsweise kle<strong>in</strong>en<br />

Gruppen mit e<strong>in</strong>er Altersmischung von<br />

null bis sechs Jahren. Viele <strong>der</strong> 105 K<strong>in</strong><strong>der</strong><br />

wurden aufgrund dieser beson<strong>der</strong>en Angebote<br />

<strong>in</strong> <strong>der</strong> E<strong>in</strong>richtung angemeldet und kamen<br />

aus dem gesamten Stadtgebiet <strong>in</strong> den K<strong>in</strong><strong>der</strong>garten.<br />

zurück. Es wäre allerd<strong>in</strong>gs vorschnell, dies als<br />

Indiz für e<strong>in</strong>en grundsätzlichen Mangel an Beteiligungsfähigkeit<br />

bei den Krippen-K<strong>in</strong><strong>der</strong>n zu<br />

deuten. <strong>Die</strong> jüngeren K<strong>in</strong><strong>der</strong> hatten vielmehr<br />

lediglich Schwierigkeiten im Rahmen <strong>der</strong> grossen<br />

Gruppe. <strong>Die</strong> Erzieher<strong>in</strong>nen zogen daraus<br />

die Konsequenz, den jüngeren K<strong>in</strong><strong>der</strong>n parallel<br />

zu <strong>der</strong> gruppenübergreifenden Projektarbeit<br />

themenbezogene Angebote im vertrauten<br />

Kontext ihrer Gruppen zu machen, die diese<br />

dann sehr kompetent wahrnahmen.<br />

q Das Thema<br />

Auch das IzzKizz-Team wollte mit den K<strong>in</strong><strong>der</strong>n<br />

e<strong>in</strong>en K<strong>in</strong><strong>der</strong>stadtplan entwickeln, mit <strong>der</strong> Intention,<br />

dass die Stadtteilerkundung den K<strong>in</strong><strong>der</strong>n<br />

aus <strong>der</strong> E<strong>in</strong>richtung e<strong>in</strong>e eigenständige<br />

Orientierung im näheren und weiteren Umfeld<br />

des K<strong>in</strong><strong>der</strong>gartens ermöglichen sollte.<br />

q Der Prozess<br />

Für die 16 Erzieher<strong>in</strong>nen war es das erste<br />

Mal, dass sie geme<strong>in</strong>sam <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Projekt<br />

des ganzen Hauses zusammenarbeiteten. Das<br />

Team bereitete die gruppenübergreifende<br />

Arbeit mit viel Sorgfalt vor. Dabei konzentrierte<br />

sich die Planung auf die strukturellen Vorgaben<br />

und auf die <strong>in</strong>haltliche E<strong>in</strong>führung. Da das<br />

Projekt weniger auf das Ziel e<strong>in</strong>er Stadtplangestaltung<br />

als auf den Prozess <strong>der</strong> Ause<strong>in</strong>an<strong>der</strong>setzung<br />

mit dem Umfeld ausgerichtet<br />

war, sollten die K<strong>in</strong><strong>der</strong> den Verlauf des Projekts<br />

von Anfang an mitgestalten können.<br />

Zumutung des Themas<br />

Für die K<strong>in</strong><strong>der</strong> begann das Projekt mit e<strong>in</strong>er<br />

Theatervorführung <strong>der</strong> Erzieher<strong>in</strong>nen. Gleich<br />

zu Beg<strong>in</strong>n zeigte sich, dass das große Plenum<br />

aller K<strong>in</strong><strong>der</strong> vielen <strong>der</strong> Unter-Dreijährigen Unbehagen<br />

verursachte. Lautstark machten sie<br />

ihrem Unmut Luft. E<strong>in</strong>ige Erzieher<strong>in</strong>nen kehrten<br />

daraufh<strong>in</strong> mit ihnen <strong>in</strong> die Gruppenräume<br />

Im Theaterstück suchte e<strong>in</strong>e Erzieher<strong>in</strong>, ausgerüstet<br />

mit Handtuch und Schwimmr<strong>in</strong>g,<br />

nach dem Schwimmbad. E<strong>in</strong>e an<strong>der</strong>e war mit<br />

ihrem Roller auf dem Weg zur Bücherei, wo<br />

sie drei Bücher abgeben wollte. Sie kannten<br />

ebenso wenig ihren Weg wie die Erzieher<strong>in</strong>nen,<br />

die e<strong>in</strong>kaufen o<strong>der</strong> im Wald spazieren<br />

gehen wollten. <strong>Die</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong> sprudelten über vor<br />

Hilfsbereitschaft und guten Ratschlägen. E<strong>in</strong>e<br />

<strong>der</strong> Schauspieler<strong>in</strong>nen erhielt noch am selben<br />

Tag e<strong>in</strong>e handgefertigte Karte, damit sie ihren<br />

Weg zum Schwimmbad f<strong>in</strong>den könne.<br />

Entscheidung für e<strong>in</strong> Thema<br />

In den anschließenden Gruppenkonferenzen<br />

sprachen die K<strong>in</strong><strong>der</strong> über das Stück: „<strong>Die</strong><br />

haben nicht da h<strong>in</strong> gefunden ...“ <strong>Die</strong> Frage,<br />

41


<strong>Partizipation</strong>sprojekte aus sieben Modelle<strong>in</strong>richtungen<br />

wie man den richtigen<br />

Weg f<strong>in</strong>de, führte zu erstaunlichen<br />

Antworten.<br />

Man könne e<strong>in</strong>e Lupe<br />

nehmen und den Spuren<br />

nachgehen o<strong>der</strong> e<strong>in</strong>fach<br />

mit dem Taxi fahren. Man<br />

könne auch nach dem<br />

Weg fragen. E<strong>in</strong>em K<strong>in</strong>d<br />

fiel die Schatzkarte von<br />

<strong>der</strong> letzten Geburtstagsfeier<br />

e<strong>in</strong>. An<strong>der</strong>e ergänzten,<br />

es gäbe Landkarten<br />

und Seekarten. Als die Erzieher<strong>in</strong><br />

anmerkte, dass<br />

diese Karten für Erwachsene<br />

gemacht seien und<br />

K<strong>in</strong><strong>der</strong> sie vielleicht gar nicht lesen könnten,<br />

erhielt sie zur Antwort: „Dann male ich e<strong>in</strong>e,<br />

und wo das Schwimmbad ist, mache ich<br />

e<strong>in</strong>en Punkt.“ „O<strong>der</strong> ich baue e<strong>in</strong> Schwimmbad<br />

aus Papier und Pappe.“ E<strong>in</strong> Junge murmelte<br />

etwas von e<strong>in</strong>er Eisenbahn auf e<strong>in</strong>er<br />

Platte und Häusern, die man <strong>in</strong> die Hand nehmen<br />

könne. <strong>Die</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong> waren begeistert. Sie<br />

wollten e<strong>in</strong> Modell bauen.<br />

K<strong>in</strong><strong>der</strong> weniger die Inhalte <strong>der</strong> E<strong>in</strong>führungsveranstaltung<br />

auf als <strong>der</strong>en Form, obwohl sich<br />

auch das Thema wie<strong>der</strong>fand. Bei <strong>der</strong> Abschlusspräsentation<br />

des Projekts brachten sie<br />

das Musical „Wir haben uns verlaufen“ zur<br />

Aufführung. Thema, Drehbuch, Dialoge, Lie<strong>der</strong>,<br />

Kulisse und Requisiten waren von den<br />

K<strong>in</strong><strong>der</strong>n und den Projektbegleiter<strong>in</strong>nen geme<strong>in</strong>sam<br />

entwickelt worden.<br />

Aufgabenverteilung<br />

E<strong>in</strong>e nicht genutzte Elternecke wurde zur Projektecke<br />

umfunktioniert. Dort trafen sich aus<br />

je<strong>der</strong> Gruppe zwei frisch gewählte Delegierte<br />

und e<strong>in</strong>e Erzieher<strong>in</strong> zur ersten Sitzung des Koord<strong>in</strong>ationsgremiums<br />

des Projekts, um die<br />

Ideen aus den Gruppenkonferenzen zusammenzutragen.<br />

<strong>Die</strong>se wurden auf P<strong>in</strong>nwänden<br />

visualisiert und die Projektteilnehmer<strong>in</strong>nen<br />

und –teilnehmer aus den e<strong>in</strong>zelnen Gruppen<br />

bewerteten <strong>in</strong> den folgenden Tagen die<br />

Vorschläge mittels Klebepunkten. So entstanden<br />

vier Projektgruppen: die Stadtplan-Gruppe,<br />

die Modellbau-Gruppe, die Memory-Gruppe<br />

und die Theater-Gruppe, denen sich die<br />

K<strong>in</strong><strong>der</strong> nach freier Wahl zuordneten.<br />

q <strong>Die</strong> Umsetzung<br />

Mit <strong>der</strong> Idee für e<strong>in</strong> Theater-Projekt griffen die<br />

<strong>Die</strong> an<strong>der</strong>en drei Projektgruppen begannen<br />

ihre Arbeit mit Exkursionen <strong>in</strong> das Umfeld <strong>der</strong><br />

E<strong>in</strong>richtung, ausgerüstet mit Zeichenmaterial<br />

o<strong>der</strong> e<strong>in</strong>fachen Fotoapparaten, die eigens zu<br />

diesem Zweck angeschafft worden waren.<br />

Ihre E<strong>in</strong>drücke verarbeiteten sie auf unterschiedliche<br />

Weise. <strong>Die</strong> Memory-Gruppe ließ<br />

42


<strong>Partizipation</strong>sprojekte aus sieben Modelle<strong>in</strong>richtungen<br />

ihre Fotoimpressionen je zweimal abziehen,<br />

verstärkte die Bil<strong>der</strong> mit Papprücken und lam<strong>in</strong>ierte<br />

sie, so dass e<strong>in</strong> Itzehoe-Memory-Spiel<br />

entstand. <strong>Die</strong> Modellbau-Gruppe fertigte Modelle<br />

von ihren favorisierten Ausflugsorten.<br />

Neben dem Spielplatz waren das u.a. das Polizei-Hochhaus<br />

und die Papierconta<strong>in</strong>er h<strong>in</strong>ter<br />

dem Supermarkt. Der K<strong>in</strong><strong>der</strong>stadtplan wandelte<br />

sich auf nachdrücklichen Wunsch <strong>der</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong><br />

entgegen den Vorstellungen <strong>der</strong> – zunächst<br />

e<strong>in</strong> wenig enttäuschten – Erzieher<strong>in</strong>nen<br />

zu e<strong>in</strong>er Litfasssäulen-Ausstellung. Große<br />

Pappkartons, „um die man ’rumgehen kann“,<br />

wurden mit den Zeichnungen <strong>der</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong> beklebt.<br />

Auf dem Deckel <strong>der</strong> Kartons war <strong>in</strong><br />

e<strong>in</strong>em Stadtplan abzulesen, welche Orte die<br />

K<strong>in</strong><strong>der</strong> dargestellt hatten.<br />

Verän<strong>der</strong>ung des Themas<br />

<strong>Die</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong> an <strong>der</strong> Projektplanung und –gestaltung<br />

mitwirken zu lassen, hatte dazu geführt,<br />

dass sich die ursprünglichen Ziele des Projekts<br />

verän<strong>der</strong>ten. Es war ke<strong>in</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong>stadtplan<br />

entstanden, son<strong>der</strong>n e<strong>in</strong>e multimediale Präsentation<br />

<strong>der</strong> Sicht <strong>der</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong> auf ihre Stadt.<br />

Das Ziel e<strong>in</strong>er besseren Orientierung im Umfeld<br />

<strong>der</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong>tagestätte wurde eher als beiläufiges<br />

Produkt <strong>der</strong> zahlreichen Ausflüge erreicht.<br />

Nebenwirkungen<br />

Was sich sehr nachhaltig auswirkte, waren die<br />

strukturellen Neuerungen. Das gruppenübergreifende<br />

Arbeiten hatte zu neuen Kooperationen<br />

im Team und zwischen den Erwachsenen<br />

und den K<strong>in</strong><strong>der</strong>n geführt. Das Zutrauen zu den<br />

K<strong>in</strong><strong>der</strong>n war gewachsen. <strong>Die</strong> positiven Erfahrungen<br />

mit den Öffnungsprozessen und den<br />

differenzierten Angeboten eröffnete die Möglichkeit<br />

zur Modifizierung <strong>der</strong> Gruppenstrukturen.<br />

Inzwischen gibt es <strong>in</strong> <strong>der</strong> E<strong>in</strong>richtung<br />

neben den Familiengruppen auch re<strong>in</strong>e Krippen-<br />

und Elementargruppen. Durch die Vervielfältigung<br />

des Betreuungsangebots <strong>in</strong><br />

Stammgruppen und gleichzeitiger Öffnung <strong>der</strong><br />

Angebote im ganzen Haus hofft das Team,<br />

den e<strong>in</strong>zelnen K<strong>in</strong><strong>der</strong>n <strong>in</strong>dividuellere Bildungsund<br />

Entwicklungsangebote machen zu können<br />

und die <strong>Partizipation</strong>smöglichkeiten <strong>der</strong><br />

K<strong>in</strong><strong>der</strong> <strong>in</strong>sgesamt zu verbessern, ohne dabei<br />

auf die Vorzüge <strong>der</strong> großen Altersmischung<br />

verzichten zu müssen.<br />

q <strong>Die</strong> Eltern<br />

<strong>Die</strong> Eltern haben sich trotz unterschiedlicher<br />

Angebote des Teams wenig <strong>in</strong> das Projekt e<strong>in</strong>gebracht,<br />

sich aber <strong>in</strong>dividuell bei den Gruppenerzieher<strong>in</strong>nen<br />

o<strong>der</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> Projektecke <strong>in</strong>formiert.<br />

<strong>Die</strong> anfängliche Skepsis vieler Eltern<br />

wich zunehmend e<strong>in</strong>er verhaltenen Zustimmung.<br />

43


<strong>Partizipation</strong>sprojekte aus sieben Modelle<strong>in</strong>richtungen<br />

DRK-K<strong>in</strong><strong>der</strong>tagesstätte Turnstraße,<br />

Elmshorn: Philosophieren mit K<strong>in</strong><strong>der</strong>n<br />

q Der Anlass<br />

<strong>Die</strong> DRK-K<strong>in</strong><strong>der</strong>tagesstätte Turnstraße <strong>in</strong> Elmshorn<br />

hatte sich <strong>in</strong> vorangegangenen Fortbildungen<br />

<strong>in</strong>tensiv mit <strong>der</strong> Umsetzung des Bildungsauftrags<br />

<strong>der</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong>tagese<strong>in</strong>richtungen beschäftigt.<br />

<strong>Die</strong> 25 pädagogischen<br />

Mitarbeiter<strong>in</strong>nen und Mitarbeiter hatten verstanden,<br />

dass Bildung auf den Selbstbildungsprozessen<br />

<strong>der</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong> beruht und die Ause<strong>in</strong>an<strong>der</strong>setzung<br />

mit komplexen Anfor<strong>der</strong>ungen<br />

verlangt. Sie trauten den 145 K<strong>in</strong><strong>der</strong>n – wie die<br />

Leiter<strong>in</strong> es formulierte – zu, „ernsthafte Gespräche<br />

über philosophische Themen zu führen“.<br />

Wie aber die Antworten <strong>der</strong> Erwachsenen<br />

auf die Bildungsanstrengungen <strong>der</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong><br />

<strong>in</strong> <strong>der</strong> konkreten praktischen Umsetzung aussehen<br />

könnten, warf nach wie vor viele Fragen<br />

auf.<br />

q Das Thema<br />

Das Team bewegte zu Beg<strong>in</strong>n des Modellprojekts<br />

die Frage, wie die K<strong>in</strong><strong>der</strong> aktiver als bislang<br />

kund tun könnten, was sie bereits wissen<br />

und können. Dah<strong>in</strong>ter verbarg sich nicht nur<br />

die Frage nach den Bildungsthemen, die die<br />

K<strong>in</strong><strong>der</strong> aktuell beschäftigten, son<strong>der</strong>n auch <strong>der</strong><br />

Wunsch, diese Themen nicht ausschließlich<br />

durch Beobachtung ergründen zu müssen. <strong>Die</strong><br />

Beobachtung <strong>der</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong> belässt diese <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />

Objektrolle. <strong>Die</strong> Interpretation <strong>der</strong> Beobachtungen<br />

bleibt den Erwachsenen überlassen – mit<br />

all den Gefahren e<strong>in</strong>er Fehl<strong>in</strong>terpretation, die<br />

dieser Vorgang mit sich br<strong>in</strong>gt. Erst e<strong>in</strong> Dialog<br />

mit den K<strong>in</strong><strong>der</strong>n gesteht diesen e<strong>in</strong>e Subjektrolle<br />

zu, die Rolle, Gestalter <strong>der</strong> eigenen Bildungsprozesse<br />

auch gegenüber den Erwachsenen<br />

zu se<strong>in</strong>.<br />

Im Projekt wollten die Erzieher<strong>in</strong>nen und Erzieher<br />

daher Antworten auf folgende Fragen f<strong>in</strong>den:<br />

Wie treten Erwachsene mit K<strong>in</strong><strong>der</strong>n <strong>in</strong><br />

e<strong>in</strong>en Dialog? Wie entsteht e<strong>in</strong> Austausch über<br />

emotionale, soziale und sachliche Kompetenzen<br />

und Interessen? Wie erkennen Erwachsene<br />

und K<strong>in</strong><strong>der</strong> geme<strong>in</strong>sam, was wer kann und<br />

was wen beschäftigt? Wie entwickeln und verfolgen<br />

sie geme<strong>in</strong>sam die jeweils aktuellen Bildungsthemen?<br />

Und wie können die Prozesse<br />

und die Ergebnisse geme<strong>in</strong>sam festgehalten<br />

werden?<br />

q Der Prozess<br />

Themensuche<br />

Erste Antworten auf diese Fragen suchten die<br />

Erzieher<strong>in</strong>nen und Erzieher <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Analyse<br />

von Gesprächen zwischen ihnen und den K<strong>in</strong><strong>der</strong>n,<br />

wie sie im Alltag von K<strong>in</strong><strong>der</strong>tagese<strong>in</strong>richtungen<br />

immer wie<strong>der</strong> vorkommen. <strong>Die</strong> Gespräche<br />

begannen<br />

mit <strong>der</strong><br />

erstaunten Reaktion<br />

e<strong>in</strong>es K<strong>in</strong>des<br />

bei <strong>der</strong> geme<strong>in</strong>samen<br />

Betrachtung<br />

e<strong>in</strong>es<br />

Buchs o<strong>der</strong> <strong>der</strong><br />

Erfahrung<br />

schmelzenden<br />

Schnees auf <strong>der</strong><br />

Haut. Es entstand<br />

e<strong>in</strong> Wechselspiel<br />

von Fragen<br />

und Antworten,<br />

Zuhören und<br />

Nachfragen.<br />

Manchmal entwickelte<br />

sich<br />

daraus e<strong>in</strong><br />

Thema für die ganze Gruppe, e<strong>in</strong> an<strong>der</strong>es Mal<br />

brach das K<strong>in</strong>d das Gespräch schroff ab.<br />

Staunen, fragen, nachdenken, zweifeln, weiterdenken<br />

und das Ergebnis wie<strong>der</strong> <strong>in</strong> Frage stellen<br />

– dies s<strong>in</strong>d seit <strong>der</strong> Antike die Elemente,<br />

die den Prozess des Philosophierens ausmachen.<br />

<strong>Die</strong> Philosophie als akademische Diszipl<strong>in</strong><br />

„systematisiert das gesammelte Wissen<br />

über fundamentale Probleme menschlicher<br />

Existenz“, schreibt Barbara Brün<strong>in</strong>g (2001).<br />

Und sie fährt fort: „Zu diesem Wissen gelangen<br />

wir nur, <strong>in</strong>dem wir über den S<strong>in</strong>n und<br />

Zweck <strong>der</strong> Welt nachdenken, d.h. philosophieren.“<br />

Nichts an<strong>der</strong>es machen K<strong>in</strong><strong>der</strong> <strong>in</strong> ihrem<br />

immer währenden Bemühen, sich die Welt zu<br />

erklären. Sie staunen, fragen, denken nach,<br />

entwickeln e<strong>in</strong> vorläufiges Weltbild, beg<strong>in</strong>nen<br />

daran zu zweifeln, denken weiter. Könnte das<br />

44


<strong>Partizipation</strong>sprojekte aus sieben Modelle<strong>in</strong>richtungen<br />

Philosophieren mit K<strong>in</strong><strong>der</strong>n also e<strong>in</strong> Weg se<strong>in</strong>,<br />

geme<strong>in</strong>sam zu erkennen, was wer kann und<br />

was wen beschäftigt, um daraus Bildungsthemen<br />

zu entwickeln und zu verfolgen?<br />

<strong>Die</strong> Erzieher<strong>in</strong>nen und Erzieher schreckten zunächst<br />

vor dem großen Begriff „Philosophie“<br />

zurück, den sie als zu anspruchsvoll empfanden.<br />

Insbeson<strong>der</strong>e die Kolleg<strong>in</strong>nen aus <strong>der</strong> Krippen-Gruppe<br />

wirkten eher amüsiert bei <strong>der</strong> Vorstellung,<br />

mit ihren K<strong>in</strong><strong>der</strong>n e<strong>in</strong>en philosophischen<br />

Diskurs zu eröffnen und befürchteten<br />

zudem, auf Unverständnis bei den Eltern zu<br />

stoßen.<br />

Aber Philosophieren mit K<strong>in</strong><strong>der</strong>n bedeutet nicht<br />

Philosophie zu lehren, son<strong>der</strong>n praktisch zu<br />

philosophieren. Philosophieren ist e<strong>in</strong>e Begegnung<br />

mit sich selbst und mit <strong>der</strong> Welt. „Gesetzt<br />

<strong>in</strong> e<strong>in</strong>e Welt voller Geheimnisse, lebt das<br />

K<strong>in</strong>d die Begegnung mit sich selbst und mit <strong>der</strong><br />

Welt zuerst wie selbstverständlich; es ‚kennt’<br />

noch nicht die Welt, auch nicht sich selbst.<br />

Beim Philosophieren mit K<strong>in</strong><strong>der</strong>n ereignet sich<br />

Erkennen: Das, was e<strong>in</strong>fach, ganz ‚natürlich’ da<br />

war, kann nun auch gedanklich ‚er-fahren’ werden“<br />

(Wieacker-Wolff 2002, 139). So lassen<br />

sich auch die Erkenntnisvorgänge bei Krippen-<br />

K<strong>in</strong><strong>der</strong>n beschreiben, wenn sie verbale Ausdrucksformen<br />

für ihre Weltsichten f<strong>in</strong>den. Beim<br />

Philosophieren mit K<strong>in</strong><strong>der</strong>n geht es also darum,<br />

dass Erwachsene ihre Sicht <strong>der</strong> Welt zurückhalten,<br />

neugierig s<strong>in</strong>d auf das, was die K<strong>in</strong><strong>der</strong> zu<br />

sagen haben, sie ermutigen, ihre Fragen aufzuwerfen,<br />

und sie unterstützen, ihre Antworten<br />

zu f<strong>in</strong>den. Es geht darum, mit den K<strong>in</strong><strong>der</strong>n<br />

e<strong>in</strong>en Dialog über ihr Weltwissen zu <strong>in</strong>itiieren.<br />

Zögerlich ließ sich das Team auf das Experiment<br />

e<strong>in</strong>. Für jede Gruppe wurden die ersten<br />

„philosophischen Reisen“ (Wieacker-Wolff) detailliert<br />

vorbereitet. Was s<strong>in</strong>d Anlass und Thema<br />

des Gesprächs? Welche K<strong>in</strong><strong>der</strong> sollen e<strong>in</strong>bezogen<br />

werden? Wann und wo soll das Gespräch<br />

stattf<strong>in</strong>den? Wie eröffnen die Erwachsenen das<br />

Gespräch? Wie soll <strong>der</strong> Prozess und das Ergebnis<br />

dokumentiert werden? <strong>Die</strong> Erzieher<strong>in</strong>nen<br />

und Erzieher übten, offene Fragen zu stellen,<br />

die geeignet s<strong>in</strong>d, e<strong>in</strong> Gespräch <strong>in</strong> Gang zu<br />

br<strong>in</strong>gen (vgl. Heesen 1998), und tra<strong>in</strong>ierten die<br />

Mo<strong>der</strong>ation von Gruppengesprächen.<br />

q <strong>Die</strong> Umsetzung<br />

Zwischen Zuversicht und Verunsicherung<br />

In den kommenden Wochen wurden wir immer<br />

wie<strong>der</strong> <strong>in</strong> die E<strong>in</strong>richtung gebeten. In den meisten<br />

Gruppen schienen die ersten Versuche gescheitert<br />

zu se<strong>in</strong>. <strong>Die</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong> waren nicht auf<br />

die Gesprächsangebote e<strong>in</strong>gegangen. <strong>Die</strong> Erwachsenen<br />

waren verunsichert. Das aktive und<br />

engagierte Team tat sich schwer, sich zurückzuhalten<br />

und abzuwarten. Sie ließen sich jedoch<br />

immer wie<strong>der</strong> ermutigen.<br />

Sie beobachteten weiterh<strong>in</strong> die K<strong>in</strong><strong>der</strong>, suchten<br />

ihre Themen zu ergründen und zu thematisieren.<br />

Doch die K<strong>in</strong><strong>der</strong> waren daran gewöhnt,<br />

dass die Erzieher<strong>in</strong>nen und Erzieher ihnen gut<br />

vorbereitete Projektangebote machten. So ließen<br />

sie sich <strong>in</strong> e<strong>in</strong>igen Gruppen lange Zeit,<br />

bevor sie auf die offenen Fragestellungen e<strong>in</strong>stiegen.<br />

Dann aber gestalteten sie Projekte mit<br />

überraschenden Inhalten.<br />

Von Rittern, Gefangenschaft und Strafen<br />

Aus den Kampfspielen e<strong>in</strong>iger Jungen wurde<br />

e<strong>in</strong>e wochenlange Ause<strong>in</strong>an<strong>der</strong>setzung mit<br />

dem Leben <strong>der</strong> Ritter und Burgfrauen, <strong>der</strong>en<br />

zentraler Gegenstand e<strong>in</strong> Gefängnis war: e<strong>in</strong><br />

großer Pappkarton, <strong>in</strong> den senkrechte Schlitze<br />

geschnitten wurden, dunkelgrau bemalt und<br />

mit dem Stroh ausgelegt, das e<strong>in</strong> Mädchen aus<br />

dem Reitstall mitgebracht hatte. Gefangen, e<strong>in</strong>gesperrt<br />

zu se<strong>in</strong> auf engstem Raum, zum Frühstück<br />

nur Wasser und trockenes Brot zu bekommen<br />

– für die K<strong>in</strong><strong>der</strong> eröffnete das s<strong>in</strong>nliche<br />

Erleben dieser Situation die Möglichkeit die<br />

Themen „Gefangenschaft“, „Strafe“ und „Ausgrenzung“<br />

auch „gedanklich zu erfahren“ (ohne<br />

das Gefühl <strong>der</strong> realen Bedrohung aushalten zu<br />

müssen). Welche Erzieher<strong>in</strong> hätte wohl diese<br />

Möglichkeit berücksichtigt, wenn sie das Projekt<br />

ohne die Beteiligung <strong>der</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong> geplant<br />

hätte?<br />

Wir machen K<strong>in</strong>o<br />

In e<strong>in</strong>er an<strong>der</strong>en Gruppe nutzten zwei K<strong>in</strong><strong>der</strong><br />

den Freiraum, den die Zurückhaltung <strong>der</strong> Erzieher<strong>in</strong>nen<br />

ihnen bot, um ihr eigenes Thema e<strong>in</strong>zubr<strong>in</strong>gen.<br />

Sie wollten „K<strong>in</strong>o machen“. <strong>Die</strong>smal<br />

waren es die Erwachsenen, die zunächst nicht<br />

auf das Anliegen <strong>der</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong> e<strong>in</strong>g<strong>in</strong>gen. War das<br />

denn das Thema <strong>der</strong> ganzen Gruppe? Doch die<br />

K<strong>in</strong><strong>der</strong> blieben hartnäckig und konnten nicht nur<br />

an<strong>der</strong>e K<strong>in</strong><strong>der</strong> begeistern, son<strong>der</strong>n beflügelten<br />

auch die Phantasie <strong>der</strong> Erwachsenen, die bald<br />

die K<strong>in</strong><strong>der</strong> mit <strong>der</strong> e<strong>in</strong>richtungseigenen Videoka-<br />

45


<strong>Partizipation</strong>sprojekte aus sieben Modelle<strong>in</strong>richtungen<br />

mera e<strong>in</strong>en Film drehen sahen. <strong>Die</strong> Vorstellungen<br />

<strong>der</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong> waren aber ganz an<strong>der</strong>er Natur.<br />

<strong>Die</strong> erste Vorstellung, die sie <strong>in</strong>szenierten, war<br />

e<strong>in</strong> „Bil<strong>der</strong>buchk<strong>in</strong>o“. <strong>Die</strong> Bücher wurden vor<br />

großen, senkrecht gestellten Matratzen – <strong>der</strong><br />

Le<strong>in</strong>wand – aufgebaut und die K<strong>in</strong><strong>der</strong> erzählten<br />

dem Publikum ihre Geschichten zu den Bil<strong>der</strong>n.<br />

Zu den nächsten Vorstellungen gab es<br />

bereits E<strong>in</strong>trittskarten, Geld, um diese zu erwerben,<br />

und selbst zubereitetes Popcorn <strong>in</strong><br />

selbstgeklebten Tüten. „K<strong>in</strong>o“ war für sie<br />

mehr als nur e<strong>in</strong> Film. <strong>Die</strong> Bücher wurden bald<br />

durch eigene Zeichnungen ersetzt, da sie<br />

ke<strong>in</strong>e neuen Geschichten mehr hergaben.<br />

Schließlich wurden die Bil<strong>der</strong> an langen Fäden<br />

befestigt und während <strong>der</strong> Vorstellung um die<br />

Matratzen herumgezogen. <strong>Die</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong> hatten<br />

die Geschichte des K<strong>in</strong>os neu erfunden. Sie<br />

hatten für sich entdeckt, wie die Bil<strong>der</strong> laufen<br />

lernten.<br />

Wachsen ist wie …<br />

In e<strong>in</strong>er weiteren Gruppe hatten die Erzieher<strong>in</strong>nen<br />

mehrere vergebliche Versuche gestartet,<br />

mit den K<strong>in</strong><strong>der</strong>n e<strong>in</strong> geme<strong>in</strong>sames Thema zu<br />

f<strong>in</strong>den. Als sie den K<strong>in</strong><strong>der</strong>n aber mitteilten,<br />

dass sie beobachtet hätten, wie sie sich<br />

gegenüberstellen würden, um zu vergleichen,<br />

wer größer sei, schienen alle K<strong>in</strong><strong>der</strong> wie elektrisiert<br />

zu se<strong>in</strong>. E<strong>in</strong> dreijähriger Junge kletterte<br />

auf se<strong>in</strong>en Stuhl und sprudelte los: „Jetzt b<strong>in</strong><br />

ich größer gewachsen.“ E<strong>in</strong> fünfjähriges Mädchen<br />

berichtete, sie würde auch im Schlaf<br />

wachsen, „weil me<strong>in</strong>e Be<strong>in</strong>e dann weh tun“.<br />

<strong>Die</strong> Frage <strong>der</strong> Erzieher<strong>in</strong>, warum Menschen<br />

wachsen, war den K<strong>in</strong><strong>der</strong>n zu abstrakt. Sie<br />

konkretisierte: „Stellt euch mal vor, ihr seid<br />

kle<strong>in</strong>e Babys und würdet nicht wachsen.“ <strong>Die</strong><br />

K<strong>in</strong><strong>der</strong> wollten ke<strong>in</strong>e Babys se<strong>in</strong>, weil sie dann<br />

W<strong>in</strong>deln tragen müssten und nicht malen<br />

könnten. Als e<strong>in</strong> Mädchen begeistert von<br />

ihrem drei Wochen alten Bru<strong>der</strong> erzählte,<br />

baten die K<strong>in</strong><strong>der</strong>: „Kannst du uns de<strong>in</strong> Baby<br />

mal zeigen?“ In den nächsten Tagen besuchte<br />

die Mutter mit dem Baby die Gruppe. <strong>Die</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong><br />

vermaßen die Hände und die Füße, stellten<br />

fest, dass e<strong>in</strong>ige doppelt so groß waren<br />

wie das Baby. Von zu Hause brachten sie Babyfotos<br />

von sich mit, gestalteten e<strong>in</strong>e Bil<strong>der</strong>wand<br />

und fanden Spaß daran, zu raten, wer<br />

welches Baby gewesen sei. Als sie sich <strong>der</strong><br />

Größe nach zu e<strong>in</strong>em Gruppenfoto aufstellten,<br />

stellten sie fest, dass die vierjährige Marie größer<br />

sei als <strong>der</strong> sechsjährige Max. Sie waren erstaunt,<br />

suchten nach Erklärungen. Sie untersuchten,<br />

ob Marie heimlich auf Stelzen stehe,<br />

mutmaßten, sie tr<strong>in</strong>ke e<strong>in</strong>en Zaubertrank, esse<br />

mehr Gemüse o<strong>der</strong> hätte öfter Geburtstag. <strong>Die</strong><br />

vorläufige Lösung fanden sie e<strong>in</strong>es Tages beim<br />

Kneten. Mit dem Wachsen müsse es so se<strong>in</strong><br />

wie mit dem Rollen von Knetgummischlangen:<br />

Aus e<strong>in</strong>er kle<strong>in</strong>en dicken Kugel wird e<strong>in</strong>e beson<strong>der</strong>s<br />

lange Schlange, wenn sie nur genügend<br />

lange gerollt wird. Nicht wenige Eltern<br />

wun<strong>der</strong>ten sich <strong>in</strong> dieser Zeit über die abendliche<br />

Bitte ihrer K<strong>in</strong><strong>der</strong>, sie durchs Bett zu rollen.<br />

Der methodische Zugang des Philosophierens<br />

mit K<strong>in</strong><strong>der</strong>n hatte tatsächlich zu den Themen<br />

geführt, die die K<strong>in</strong><strong>der</strong> bewegten. Aus den verbalen<br />

Dialogen hatten sich „handlungsorientierte<br />

Dialoge“ <strong>in</strong> Form geme<strong>in</strong>sam gestalteter<br />

Projekte entwickelt, <strong>in</strong> denen den Erwachsenen<br />

die Kompetenzen <strong>der</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong> sichtbar vorgeführt<br />

wurden. Dabei g<strong>in</strong>g es dann längst<br />

nicht nur – aber auch – um philosophische Inhalte.<br />

<strong>Die</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong> erschlossen sich gleichermaßen<br />

naturwissenschaftliche Phänomene.<br />

q <strong>Die</strong> Eltern<br />

Bevor die K<strong>in</strong><strong>der</strong> an dem Projekt beteiligt wurden,<br />

waren die Eltern bei e<strong>in</strong>em sehr gut besuchten<br />

Gesamtelternabend über das Projekt<br />

<strong>in</strong>formiert worden. In den kommenden Wochen<br />

verfolgten sie dann <strong>in</strong>teressiert das Geschehen<br />

<strong>in</strong> den K<strong>in</strong><strong>der</strong>gruppen. Nach Abschluss<br />

des Projekts berichtete e<strong>in</strong>e Elternvertreter<strong>in</strong>,<br />

dass auch <strong>in</strong> den Familien<br />

Auswirkungen spürbar wären. <strong>Die</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong><br />

wären selbstbewusster geworden, würden<br />

ihre Mitspracherechte deutlicher e<strong>in</strong>for<strong>der</strong>n.<br />

<strong>Die</strong> Eltern wären viel mehr gefor<strong>der</strong>t, ihre Vorstellungen<br />

zu begründen.<br />

46


<strong>Partizipation</strong>sprojekte aus sieben Modelle<strong>in</strong>richtungen<br />

Evangelischer K<strong>in</strong><strong>der</strong>garten, Quickborn:<br />

Auch wir haben jetzt e<strong>in</strong>e Verfassung<br />

q Der Prozess<br />

<strong>Die</strong> pädagogischen Fachkräfte betätigten sich<br />

also während <strong>der</strong> Teamfortbildung wie bereits<br />

ihre Kolleg<strong>in</strong>nen und Kollegen <strong>in</strong> <strong>der</strong> KiTa<br />

Waldstraße <strong>in</strong> P<strong>in</strong>neberg als Verfassunggebende<br />

Versammlung. Der Prozess glich <strong>in</strong><br />

weiten Teilen dem <strong>in</strong> P<strong>in</strong>neberg. Auch die Mitspracherechte,<br />

die das Team den K<strong>in</strong><strong>der</strong>n<br />

sowie den Eltern e<strong>in</strong>räumte, unterschieden<br />

sich kaum. Lediglich die Struktur <strong>der</strong> Mitbestimmungsorgane<br />

wurde den Verhältnissen <strong>in</strong><br />

<strong>der</strong> E<strong>in</strong>richtung <strong>in</strong>dividuell angepasst.<br />

q Der Anlass<br />

Der Evangelische K<strong>in</strong><strong>der</strong>garten <strong>in</strong> Quickborn<br />

war bereits seit e<strong>in</strong>iger Zeit e<strong>in</strong> offener K<strong>in</strong><strong>der</strong>garten.<br />

<strong>Die</strong> Stammgruppen hatten zwar<br />

„ihre“ Gruppenbereiche, doch waren die<br />

Räume weitgehend funktional gestaltet und<br />

wurden zumeist von allen 120 K<strong>in</strong><strong>der</strong>n des<br />

Hauses nach ihren jeweiligen Interessen genutzt.<br />

Zusätzlich boten die 12 Erzieher<strong>in</strong>nen<br />

und Erzieher regelmäßig Projektgruppen an.<br />

So gab es beispielsweise e<strong>in</strong>e Schach-AG.<br />

<strong>Die</strong> Umstellung auf die offene Arbeit hatte<br />

auch neue Probleme mit sich gebracht. Dass<br />

die Kolleg<strong>in</strong>nen und Kollegen nicht mehr e<strong>in</strong>deutig<br />

für „ihre“ K<strong>in</strong><strong>der</strong> <strong>in</strong> „ihren“ Räumen<br />

verantwortlich waren, führte immer wie<strong>der</strong> zu<br />

Situationen, <strong>in</strong> denen die Zuständigkeiten sowohl<br />

zwischen Erwachsenen und K<strong>in</strong><strong>der</strong>n, als<br />

auch zwischen den Erwachsenen ungeklärt<br />

waren. Wenn alle das ganze Haus nutzen<br />

wollten, musste es auch Gremien geben, <strong>in</strong><br />

denen <strong>der</strong>artige Konflikte mite<strong>in</strong>an<strong>der</strong> geklärt<br />

werden könnten.<br />

q Das Thema<br />

Das Team wollte <strong>in</strong> Begleitung durch das Modellprojekt<br />

e<strong>in</strong> solches Gremium schaffen.<br />

Dazu mussten die Mitspracherechte <strong>der</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong><br />

grundsätzlich geklärt werden. Es sollte<br />

e<strong>in</strong>e <strong>in</strong>stitutionalisierte Beteiligungsform e<strong>in</strong>geführt<br />

werden.<br />

Das Team entschied sich, die Stammgruppen<br />

noch e<strong>in</strong>mal zu teilen. Wöchentlich sollten sogenannte<br />

Halbgruppenkonferenzen tagen, die<br />

Delegierte wählen sollten. <strong>Die</strong>se würden die<br />

Arbeit <strong>der</strong> Halbgruppenkonferenzen <strong>in</strong>nerhalb<br />

<strong>der</strong> Gruppe koord<strong>in</strong>ieren. Wenn die K<strong>in</strong><strong>der</strong>konferenzen<br />

und die Delegiertentätigkeit funktionieren<br />

würden, sollten die Delegierten zu den<br />

K<strong>in</strong><strong>der</strong>räten zusammentreten. Da es sowohl<br />

am Vormittag als auch am Nachmittag Halbtagsgruppen,<br />

sowie e<strong>in</strong>e Ganztagsgruppe im<br />

Haus gab, sollte es je e<strong>in</strong>en Vormittags- und<br />

e<strong>in</strong>en Nachmittagsrat geben. Zu beson<strong>der</strong>en<br />

Anlässen sollten die beiden Räte geme<strong>in</strong>sam<br />

das K<strong>in</strong><strong>der</strong>parlament bilden.<br />

Das Team bereitete die ersten K<strong>in</strong><strong>der</strong>konferenzen<br />

detailliert vor. Wo und wann sollten sie<br />

stattf<strong>in</strong>den? Wer würde mo<strong>der</strong>ieren? Wie<br />

würde protokolliert werden? Welche Rituale<br />

und Gesprächsregeln würden die Erwachsenen<br />

e<strong>in</strong>führen? Welche Themen würden sie<br />

ansprechen? Wie und wann sollten die Delegierten<br />

gewählt werden? Wie sollte die Vorund<br />

Nachbereitung <strong>der</strong> Konferenzen mit den<br />

Delegierten erfolgen? Welche Probleme<br />

wären zu erwarten?<br />

<strong>Die</strong> Erzieher<strong>in</strong>nen und Erzieher g<strong>in</strong>gen motiviert<br />

aus <strong>der</strong> Fortbildung hervor. Beim nächsten<br />

Treffen <strong>der</strong> Steuerungsgruppe berichtete<br />

e<strong>in</strong> Mitarbeiter dann aber, dass allerlei Umstände<br />

sie davon abgehalten hätten, die ersten<br />

K<strong>in</strong><strong>der</strong>konferenzen durchzuführen. E<strong>in</strong>e<br />

Kolleg<strong>in</strong> aus P<strong>in</strong>neberg äußerte ihr Verständnis<br />

– ihnen sei es ähnlich gegangen – und ermutigte<br />

nachdrücklich dazu, e<strong>in</strong>fach anzufangen.<br />

47


<strong>Partizipation</strong>sprojekte aus sieben Modelle<strong>in</strong>richtungen<br />

q Beg<strong>in</strong>n <strong>der</strong> Umsetzung<br />

Bald darauf fanden die ersten Halbgruppenkonferenzen<br />

statt. <strong>Die</strong> Erwachsenen waren<br />

bee<strong>in</strong>druckt, wie <strong>in</strong>teressiert und konzentriert<br />

sich die K<strong>in</strong><strong>der</strong> auf die Gespräche e<strong>in</strong>ließen.<br />

Nachdem <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Gruppe das Delegiertenpr<strong>in</strong>zip<br />

erklärt worden war, begann e<strong>in</strong> Junge <strong>in</strong><br />

den folgenden Tagen ungeduldig die Wahl e<strong>in</strong>zufor<strong>der</strong>n.<br />

Er teilte mit, dass er kandidieren<br />

wolle und for<strong>der</strong>te die K<strong>in</strong><strong>der</strong> auf, ihn zu wählen.<br />

<strong>Die</strong> Erzieher<strong>in</strong>nen und Erzieher gaben<br />

schließlich se<strong>in</strong>em Drängen nach. Wahlplakate<br />

wurden hergestellt. <strong>Die</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong> gaben e<strong>in</strong>zeln<br />

<strong>in</strong> e<strong>in</strong>em beson<strong>der</strong>en Wahlraum ihre Stimme<br />

per Klebepunkt ab. Bei <strong>der</strong> Auszählung stellte<br />

sich heraus, dass <strong>der</strong> Junge tatsächlich gewählt<br />

worden war. Als er abgeholt wurde, teilte<br />

er stolz mit: „Mama, ich b<strong>in</strong> jetzt Politiker!“<br />

Dass nicht nur er se<strong>in</strong>e neue Rolle ernst<br />

nahm, erfuhr er <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er <strong>der</strong> nächsten Halbgruppenkonferenzen.<br />

<strong>Die</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong> hatten dort<br />

die Gelegenheit, ihre Ideen für die Neugestaltung<br />

e<strong>in</strong>es Teils des<br />

Außengeländes aufzuzeichnen.<br />

E<strong>in</strong> Dreijähriger,<br />

<strong>der</strong> damit Schwierigkeiten<br />

hatte, g<strong>in</strong>g schnurstracks<br />

auf ihn zu. „Du sollst das<br />

für mich malen; du bist<br />

doch <strong>der</strong> Politiker!“<br />

Bevor die Räte das erste<br />

Mal zusammentreten<br />

konnten, endete das K<strong>in</strong><strong>der</strong>gartenjahr<br />

und viele<br />

Delegierte verließen die<br />

E<strong>in</strong>richtung <strong>in</strong> Richtung<br />

Schule. <strong>Die</strong> <strong>in</strong>stitutionalisierte<br />

Beteiligung hatte<br />

sich noch nicht verfestigt,<br />

we<strong>der</strong> bei den Erwachsenen, noch bei den<br />

K<strong>in</strong><strong>der</strong>n. An<strong>der</strong>s als <strong>in</strong> Tarp, wo die jüngeren<br />

K<strong>in</strong><strong>der</strong> die Arbeit ihrer Delegierten e<strong>in</strong> ganzes<br />

Jahr lang beobachtet hatten, for<strong>der</strong>ten die K<strong>in</strong><strong>der</strong><br />

<strong>in</strong> Quickborn nach <strong>der</strong> Sommerpause<br />

nicht lautstark ihre Beteiligung e<strong>in</strong>. Und auch<br />

die Erzieher<strong>in</strong>nen und Erzieher wollten zunächst<br />

abwarten, bis die vielen neuen K<strong>in</strong><strong>der</strong><br />

sich <strong>in</strong> <strong>der</strong> E<strong>in</strong>richtung zurechtgefunden hätten<br />

– ohne zu bedenken, dass gerade die Gesprächsrunden<br />

<strong>in</strong> den Halbgruppen dieses Zurechtf<strong>in</strong>den<br />

erleichtern und im K<strong>in</strong><strong>der</strong>garten<br />

erfahrene Delegierte den neuen K<strong>in</strong><strong>der</strong>n hilfreich<br />

zur Seite stehen könnten. Beim letzten<br />

Treffen <strong>der</strong> Steuerungsgruppe wurde den Kolleg<strong>in</strong>nen<br />

und Kollegen diesbezüglich noch e<strong>in</strong>mal<br />

Mut gemacht.<br />

Da dieses Projekt im Modellprojekt als letztes<br />

startete, konnten die Prozesse <strong>in</strong> <strong>der</strong> E<strong>in</strong>richtung<br />

im Laufe des Projekts nicht bis zum<br />

Ende verfolgt werden.<br />

q <strong>Die</strong> Eltern<br />

<strong>Die</strong> Elternvertretung und die Elternschaft <strong>der</strong><br />

e<strong>in</strong>zelnen Gruppen wurden frühzeitig über das<br />

Projekt <strong>in</strong>formiert. <strong>Die</strong> Zustimmung war vor<br />

allem bei den Elternvertretern groß. Sie waren<br />

bereit, Delegierte für die K<strong>in</strong><strong>der</strong>räte zu wählen,<br />

hatten dies aber bis zum Ende des Modellprojekts<br />

noch nicht getan. Allerd<strong>in</strong>gs hatte<br />

auch noch ke<strong>in</strong>e Notwendigkeit dazu bestanden.<br />

48


Motive für <strong>Partizipation</strong> – zwischen Nützlichkeitserwägungen und Grundrecht<br />

1.3 Motive für <strong>Partizipation</strong> – zwischen<br />

Nützlichkeitserwägungen und<br />

Grundrecht<br />

<strong>Partizipation</strong> <strong>in</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong>tagesstätten ist – das<br />

zeigen die beschriebenen Projekte <strong>in</strong> den Modelle<strong>in</strong>richtungen<br />

– e<strong>in</strong> lohnendes Unterfangen.<br />

In den Beteiligungsprojekten haben die<br />

K<strong>in</strong><strong>der</strong> viel gelernt (vgl. Kapitel 2), konnten die<br />

Erzieher<strong>in</strong>nen und Erzieher ihre pädagogische<br />

Arbeit weiterentwickeln (vgl. Kapitel 3) und<br />

die E<strong>in</strong>richtungen ihr Profil schärfen (vgl. Kapitel<br />

4). <strong>Die</strong> Projekte wurden von <strong>der</strong> kommunalen<br />

Öffentlichkeit wahrgenommen; die K<strong>in</strong><strong>der</strong><br />

und die K<strong>in</strong><strong>der</strong>tagese<strong>in</strong>richtungen erhielten<br />

viel Lob für ihre Leistungen.<br />

K<strong>in</strong><strong>der</strong> als Subjekte ernst zu nehmen, ihre<br />

Wünsche zum Ausgangspunkt pädagogischer<br />

Tätigkeit zu machen und ihnen e<strong>in</strong> Beurteilungsrecht<br />

über die Qualität <strong>der</strong> pädagogischen<br />

Arbeit zuzugestehen folgt e<strong>in</strong>er Argumentation,<br />

die <strong>in</strong> <strong>der</strong> Jugendhilfe als dienstleistungstheoretische<br />

Begründung von<br />

<strong>Partizipation</strong> seit den 1990er Jahren zu beobachten<br />

ist (vgl. Schnurr 2001). <strong>Die</strong> dienstleistungstheoretische<br />

Debatte <strong>in</strong> <strong>der</strong> Sozialen<br />

Arbeit, die für die Jugendhilfe <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e<br />

im achten und neunten Jugendbericht ausgeführt<br />

wurde, plädierte für e<strong>in</strong>e neue Rolle des<br />

Klienten <strong>der</strong> Jugendhilfe als Subjekt. Damit<br />

wurde die Beteiligung von K<strong>in</strong><strong>der</strong>n und Jugendlichen<br />

<strong>in</strong> allen sie betreffenden Angelegenheiten<br />

zentraler Bestandteil mo<strong>der</strong>ner Jugendhilfekonzeptionen.<br />

In diesem Zusammenhang<br />

spielte <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e die Hoffnung auf<br />

e<strong>in</strong>e größere Effizienz von Jugendhilfemaßnahmen<br />

e<strong>in</strong>e wichtige Rolle. Angebote, die<br />

den Bedarfen <strong>der</strong> jungen Menschen entsprachen,<br />

würden – so die Vermutung – größere<br />

Wirkung entfalten. In <strong>der</strong> Folge schien sich zu<br />

bestätigen, dass Planungen, <strong>in</strong> die K<strong>in</strong><strong>der</strong> und<br />

Jugendliche als „Experten <strong>in</strong> eigener Sache“<br />

e<strong>in</strong>gebunden waren, k<strong>in</strong>dgerechter waren.<br />

Konnten die K<strong>in</strong><strong>der</strong> und Jugendlichen E<strong>in</strong>fluss<br />

auf die Inhalte <strong>der</strong> pädagogischen Arbeit nehmen,<br />

war diese häufig erfolgreicher, weil sie<br />

als Co-Produzenten sich ernsthafter auf die<br />

Prozesse e<strong>in</strong>ließen.<br />

„<strong>Partizipation</strong> führt dazu, dass die pädagogische<br />

Arbeit besser wird!“ – so könnte auch <strong>in</strong><br />

K<strong>in</strong><strong>der</strong>tagese<strong>in</strong>richtungen e<strong>in</strong> Werbespruch<br />

für Beteiligung lauten.<br />

Auch wenn dieser Satz stimmt, ist er doch<br />

gleichzeitig problematisch. <strong>Partizipation</strong> wird<br />

hier vom Ergebnis her bewertet. Sie wird als<br />

s<strong>in</strong>nvoll betrachtet, weil sie erfolgreich ist. Bei<br />

dieser Argumentation stehen Nützlichkeitserwägungen<br />

im Vor<strong>der</strong>grund.<br />

Wer aber bewertet Erfolg? Was passiert,<br />

wenn die Beteiligung sich nicht als nützlich erweist,<br />

weil die K<strong>in</strong><strong>der</strong> etwas an<strong>der</strong>es wollen<br />

als die Erwachsenen? Auf e<strong>in</strong>er Tagung brachte<br />

e<strong>in</strong>e Jugendliche diese Schwierigkeit <strong>in</strong><br />

dem Satz auf den Punkt: „Mich <strong>in</strong>teressiert<br />

nicht, ob sich e<strong>in</strong>e Geme<strong>in</strong>de e<strong>in</strong> Schild ‚K<strong>in</strong><strong>der</strong>freundliche<br />

Region’ an den Ortse<strong>in</strong>gang<br />

hängen darf, was auch immer das dann bedeutet.<br />

Uns <strong>in</strong>teressiert, ob wir tatsächlich<br />

ernst genommen werden“ (Knauer /<br />

Friedrich / Hermann / Liebler 2004). Solange<br />

Erwachsene <strong>Partizipation</strong> vor allem unter dem<br />

Aspekt bewerten, <strong>in</strong>wiefern sie eigenen Zielen<br />

nützt, bleibt sie e<strong>in</strong> methodisches Kalkül.<br />

Erst, wenn Erwachsene K<strong>in</strong><strong>der</strong>n die Teilhabe<br />

am eigenen Leben von vornhere<strong>in</strong> als Recht<br />

zugestehen, hat <strong>Partizipation</strong> e<strong>in</strong>e Basis. Stefan<br />

Schnurr spricht <strong>in</strong> diesem Zusammenhang<br />

von demokratietheoretischen Begründungen<br />

für <strong>Partizipation</strong> (vgl. Schnurr 2001).<br />

In K<strong>in</strong><strong>der</strong>tagese<strong>in</strong>richtungen spielen beide Begründungsschemata<br />

e<strong>in</strong>e Rolle bei <strong>der</strong> Entscheidung<br />

für <strong>Partizipation</strong>.<br />

<strong>Partizipation</strong> <strong>in</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong>tagese<strong>in</strong>richtungen<br />

hat positive Effekte<br />

<strong>Die</strong> Beteiligung <strong>der</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong> ist für e<strong>in</strong>e erfolgreiche<br />

Arbeit <strong>in</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong>tagese<strong>in</strong>richtungen aus<br />

vielerlei Gründen nützlich. Sie ist daher <strong>in</strong> den<br />

pädagogischen Konzepten frühk<strong>in</strong>dlicher Erziehung<br />

seit dem Situationsansatz grundlegen<strong>der</strong><br />

Bestandteil, auch wenn sie nicht immer begrifflich<br />

explizit hervorgehoben wurde. Im Situationsansatz<br />

spielt <strong>Partizipation</strong> seit jeher<br />

e<strong>in</strong>e zentrale Rolle – etwa bei <strong>der</strong> Erkundung<br />

von Schlüsselsituationen und <strong>der</strong> Unterstützung<br />

<strong>der</strong> Selbständigkeit <strong>der</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong>. Auch die<br />

zur Zeit diskutierten Bildungskonzepte gehen<br />

von e<strong>in</strong>er Beteiligung <strong>der</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong> aus (vgl. Kapitel<br />

2).<br />

<strong>Die</strong> folgende unvollständige Aufzählung macht<br />

deutlich, wie breit <strong>der</strong> Nutzen ist, <strong>der</strong> für die<br />

K<strong>in</strong><strong>der</strong>tagese<strong>in</strong>richtungen durch erfolgreiche<br />

<strong>Partizipation</strong> entstehen kann:<br />

– <strong>Partizipation</strong> <strong>der</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong> ist e<strong>in</strong>e Voraussetzung<br />

für Bildungsunterstützung. Sie hilft K<strong>in</strong><strong>der</strong>n,<br />

sich die Welt zu erschließen. Ohne<br />

<strong>Partizipation</strong> würden K<strong>in</strong><strong>der</strong> <strong>in</strong> ihren Bildungsbemühungen<br />

beh<strong>in</strong><strong>der</strong>t.<br />

– <strong>Die</strong> Expertenschaft <strong>der</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong> <strong>in</strong> eigener<br />

Sache ist nutzbr<strong>in</strong>gend für zielgruppenorientierte<br />

Planungen (Planungen von Raumgestaltungen,<br />

zeitlichen Strukturen, <strong>in</strong>haltlichen<br />

Fragen). Wenn sie unterstützt werden, können<br />

K<strong>in</strong><strong>der</strong> wertvolle H<strong>in</strong>weise und Verbesserungsvorschläge<br />

für Planungen geben, die<br />

sie betreffen. <strong>Die</strong>se Expertenschaft nicht zu<br />

nutzen, hieße, Ressourcen zu vergeben.<br />

– Das Ziel e<strong>in</strong>er bedarfs- und lebensweltorien-<br />

49


Motive für <strong>Partizipation</strong> – zwischen Nützlichkeitserwägungen und Grundrecht<br />

tierten Arbeit <strong>in</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong>tagese<strong>in</strong>richtungen ist<br />

auf <strong>Partizipation</strong> angewiesen. <strong>Die</strong> Sicht <strong>der</strong><br />

K<strong>in</strong><strong>der</strong> (und <strong>der</strong> Mütter und Väter) kann nur<br />

<strong>in</strong> die Arbeit e<strong>in</strong>fließen, wenn sie bekannt<br />

ist. <strong>Partizipation</strong> ermöglicht, die Perspektive<br />

<strong>der</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong> und Eltern für die Arbeit nutzbar<br />

zu machen.<br />

– Frühe Beteiligung erleichtert K<strong>in</strong><strong>der</strong>tagese<strong>in</strong>richtungen<br />

damit, ihre Integrationsfunktion<br />

zu erfüllen. Nur durch Beteiligung gel<strong>in</strong>gt es,<br />

die Lebensrealität <strong>der</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong> und ihrer Familien<br />

zum Ausgangspunkt pädagogischer Arbeit<br />

und sozialpädagogischer Unterstützungsleistungen<br />

zu machen.<br />

– Durch Beteiligung wird die K<strong>in</strong><strong>der</strong>tagese<strong>in</strong>richtung<br />

zum Haus <strong>der</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong> (und begrenzt<br />

auch <strong>der</strong> Mütter und Väter). Mitentscheidung<br />

ist verbunden mit Mitverantwortung.<br />

<strong>Partizipation</strong> erhöht damit die Identifikation<br />

<strong>der</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong> (und <strong>der</strong> Eltern) mit <strong>der</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong>tagese<strong>in</strong>richtung.<br />

– Wenn <strong>in</strong> <strong>Partizipation</strong>sprojekten Fragestellungen<br />

aufgegriffen werden, die aus <strong>der</strong> E<strong>in</strong>richtung<br />

herausführen, werden K<strong>in</strong><strong>der</strong>tagese<strong>in</strong>richtungen<br />

auch öffentlich sichtbarer.<br />

Kontakte zur Kommunalverwaltung und –politik,<br />

die Zusammenarbeit mit nicht-pädagogischen<br />

Institutionen <strong>in</strong> <strong>der</strong> Kommune führen<br />

dazu, dass die K<strong>in</strong><strong>der</strong>tagese<strong>in</strong>richtung<br />

bekannter – und damit nicht selten auch<br />

wichtiger – wird.<br />

– Über erfolgreiche <strong>Partizipation</strong>sprojekte wird<br />

gerne <strong>in</strong> den Medien berichtet. Auch dies<br />

erhöht den Bekanntheitsgrad <strong>der</strong> E<strong>in</strong>richtung.<br />

– Schließlich hat auch die Politik <strong>Partizipation</strong><br />

als wichtige Chance früher politischer Bildung<br />

entdeckt. Erfahren K<strong>in</strong><strong>der</strong> Beteiligung<br />

schon früh, so hofft man, werden sie sich<br />

mit zunehmendem Alter stärker für Politik<br />

<strong>in</strong>teressieren und sich hier engagieren. Wer<br />

früh beteiligt wird, geht später zu Wahlen,<br />

ja, arbeitet vielleicht sogar <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er politischen<br />

Partei mit – diese Hoffnung haben<br />

Politiker<strong>in</strong>nen und Politiker, wenn sie sich<br />

auf das Thema <strong>Partizipation</strong> <strong>in</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong>tagese<strong>in</strong>richtungen<br />

e<strong>in</strong>lassen.<br />

<strong>Die</strong> <strong>Partizipation</strong> von K<strong>in</strong><strong>der</strong>n kann, so zeigen<br />

diese Beispiele und so wurde auch im Modellprojekt<br />

deutlich, für die K<strong>in</strong><strong>der</strong>tagese<strong>in</strong>richtung<br />

e<strong>in</strong>e wertvolle Unterstützung ihrer Arbeit<br />

se<strong>in</strong>.<br />

<strong>Partizipation</strong> muss den K<strong>in</strong><strong>der</strong>n als Recht<br />

zugestanden werden<br />

<strong>Partizipation</strong> sollte den K<strong>in</strong><strong>der</strong>n aber nicht primär<br />

(o<strong>der</strong> nicht nur) aus diesen Erwägungen<br />

heraus zugestanden werden. Erschließt man<br />

das Recht auf Beteiligung von den Ergebnissen<br />

her, führt man genau dieses Recht ad absurdum.<br />

Haben junge Menschen ke<strong>in</strong> Recht<br />

auf Beteiligung, wenn sich die Wahlbeteiligung<br />

nicht nachweisbar erhöht? Haben K<strong>in</strong><strong>der</strong><br />

ke<strong>in</strong> Recht die Räumlichkeiten mitzugestalten,<br />

wenn die Erwachsenen mit den Ergebnissen<br />

nicht zufrieden s<strong>in</strong>d? Der Lüneburger Pädagoge<br />

Waldemar Stange po<strong>in</strong>tiert diese Fragestellung<br />

<strong>in</strong> <strong>der</strong> Feststellung: „Wenn man Leuten<br />

die Freiheit lässt zu denken, dann muss man<br />

auch damit rechnen, dass etwas ’raus kommt,<br />

was man sich vorher nicht gedacht hat“<br />

(Reise / Plöger BRD 1996). <strong>Partizipation</strong> ist gerade<br />

dadurch gekennzeichnet, dass man sich<br />

auf offene Situationen e<strong>in</strong>lässt und <strong>der</strong> Prozess<br />

<strong>der</strong> Willensbildung geme<strong>in</strong>sam erfolgt.<br />

Das Recht auf Beteiligung be<strong>in</strong>haltet sogar<br />

das Recht, sich nicht zu <strong>beteiligen</strong>. <strong>Partizipation</strong><br />

kann nur als freiwillige Beteiligung erfolgen,<br />

genauso wie politisches Engagement<br />

sich <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er <strong>Demokratie</strong> nur als freiwilliges<br />

Engagement entfalten kann.<br />

<strong>Die</strong>ser Freiwilligkeit auf Seiten <strong>der</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong><br />

steht aber e<strong>in</strong>e Pflicht <strong>der</strong> Pädagog<strong>in</strong>nen und<br />

Pädagogen gegenüber, K<strong>in</strong><strong>der</strong> zu <strong>beteiligen</strong>.<br />

50


Motive für <strong>Partizipation</strong> – zwischen Nützlichkeitserwägungen und Grundrecht<br />

Junge Menschen zu <strong>beteiligen</strong> ist an verschiedenen<br />

Stellen gesetzlich sanktioniert. „K<strong>in</strong><strong>der</strong><br />

und Jugendliche s<strong>in</strong>d entsprechend ihrem<br />

Entwicklungsstand an allen sie betreffenden<br />

Entscheidungen <strong>der</strong> öffentlichen Jugendhilfe<br />

zu <strong>beteiligen</strong>“, so lautet § 8, Satz 1 KJHG.<br />

Hier ist nicht formuliert: K<strong>in</strong><strong>der</strong> und Jugendliche<br />

s<strong>in</strong>d zu <strong>beteiligen</strong>, wenn damit die Ziele<br />

e<strong>in</strong>er Institution leichter erreicht werden können.<br />

<strong>Partizipation</strong> ist e<strong>in</strong> Recht junger Menschen<br />

unabhängig von Effektivitäts- und Effizienzüberlegungen.<br />

<strong>Partizipation</strong> gesteht K<strong>in</strong><strong>der</strong>n (und Erwachsenen)<br />

eigene Wege und vor allem Umwege zu<br />

(die sich im Nachh<strong>in</strong>e<strong>in</strong> häufig gar nicht als<br />

Umwege erweisen). <strong>Partizipation</strong> als Recht<br />

von K<strong>in</strong><strong>der</strong>n be<strong>in</strong>haltet damit auch Eigen-<br />

Mächtigkeit, Wi<strong>der</strong>-Borstigkeit und Selbst-Bestimmung.<br />

<strong>Partizipation</strong> im demokratietheoretischen<br />

Diskurs zielt auf Mündigkeit (vgl. Griese 2003,<br />

25) und damit auf die Fähigkeit zur Selbstbestimmung.<br />

Mündigkeit und Selbstbestimmung<br />

kann allerd<strong>in</strong>gs nicht didaktisch o<strong>der</strong> curricular<br />

hergestellt, son<strong>der</strong>n nur selbsttätig errungen<br />

werden. Der Situationsansatz hat dieses erkannt,<br />

<strong>in</strong>dem er Autonomie neben Solidarität<br />

und Kompetenz zu e<strong>in</strong>em pädagogischen<br />

Richtziel erklärt hat, das vor allem durch Beteiligung<br />

zu erreichen ist. „Durch Anerkennung<br />

ihrer unterschiedlichen Vorerfahrungen und<br />

Ausdrucksweisen ermutigen Erzieher<strong>in</strong>nen die<br />

K<strong>in</strong><strong>der</strong> sich an gesellschaftlichen Prozessen<br />

gestaltend zu <strong>beteiligen</strong>. Eigens<strong>in</strong>n und Geme<strong>in</strong>s<strong>in</strong>n<br />

gehören zusammen“ (Preiss<strong>in</strong>g<br />

2004, 7). <strong>Die</strong> Notwendigkeit des Eigen-S<strong>in</strong>ns<br />

betont auch Hartmut von Hentig (2000, 68),<br />

wenn er for<strong>der</strong>t: „Lasst die jungen Menschen<br />

ihren Weg gehen, gängelt nicht, zensiert<br />

nicht, wisst nicht besser – das verschüttet die<br />

mögliche Erneuerung, die Chance, die <strong>der</strong> Generationenwechsel<br />

für jede Gesellschaft <strong>in</strong><br />

sich trägt“.<br />

Indem K<strong>in</strong><strong>der</strong> beteiligt werden, wird ihnen<br />

e<strong>in</strong>e Mündigkeit unterstellt, über die sie entwicklungs-<br />

und statusbed<strong>in</strong>gt noch gar nicht<br />

verfügen. Benedikt Sturzenhecker (2004, 11<br />

f.) verweist auf diese „kontrafaktische Mündigkeitsunterstellung“<br />

als Arbeitspr<strong>in</strong>zip offener<br />

Jugendarbeit. Auch K<strong>in</strong><strong>der</strong>tagese<strong>in</strong>richtungen<br />

arbeiten mit diesem Pr<strong>in</strong>zip, wenn sie<br />

K<strong>in</strong><strong>der</strong> <strong>beteiligen</strong>. Sie trauen ihnen Mündigkeit<br />

und Verantwortung zu, ermuntern sie zu eigenen<br />

Wegen und zu Vertrauen <strong>in</strong> die eigenen<br />

Entscheidungsfähigkeiten.<br />

<strong>Die</strong> hier dargestellten Wi<strong>der</strong>sprüche können<br />

auch als Motivationsparadox von <strong>Partizipation</strong><br />

bezeichnet werden: Gel<strong>in</strong>gt es K<strong>in</strong><strong>der</strong>tagese<strong>in</strong>richtungen<br />

die <strong>Partizipation</strong>schancen <strong>der</strong><br />

K<strong>in</strong><strong>der</strong> (wie auch <strong>der</strong> Mütter und Väter) zu erhöhen,<br />

können sie auf positive Effekte hoffen.<br />

<strong>Die</strong>s gel<strong>in</strong>gt aber nur, wenn <strong>Partizipation</strong> nicht<br />

Mittel zum Zweck wird und die Beteiligung<br />

<strong>der</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong> unabhängig von den Ergebnissen<br />

als Recht begriffen wird.<br />

51


„Das könnt ihr gar nicht alle<strong>in</strong> bestimmen ...“ – Beteiligung als Chance und Herausfor<strong>der</strong>ung für K<strong>in</strong><strong>der</strong><br />

2. „Das könnt ihr gar nicht alle<strong>in</strong> bestimmen ...“ –<br />

Beteiligung als Chance und Herausfor<strong>der</strong>ung für<br />

K<strong>in</strong><strong>der</strong><br />

Im Modellprojekt „<strong>Die</strong> <strong>K<strong>in</strong><strong>der</strong>stube</strong> <strong>der</strong> <strong>Demokratie</strong>“<br />

g<strong>in</strong>g es <strong>in</strong> mehrfacher H<strong>in</strong>sicht um <strong>Partizipation</strong>:<br />

– <strong>Partizipation</strong> von K<strong>in</strong><strong>der</strong>n und die Fähigkeit<br />

und Bereitschaft von Erwachsenen, sie zu<br />

<strong>beteiligen</strong>, waren Ziele des Projekts. Es sollten<br />

Verfahren entwickelt werden, K<strong>in</strong><strong>der</strong><br />

schon frühzeitig auf die Teilhabe <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er demokratischen<br />

Gesellschaft vorzubereiten.<br />

– Schon zu Beg<strong>in</strong>n des Modellprojekts stand<br />

fest, dass K<strong>in</strong><strong>der</strong> <strong>in</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong>tagese<strong>in</strong>richtungen<br />

<strong>Demokratie</strong> nur lernen, <strong>in</strong>dem sie sie alltäglich<br />

erleben (vgl. Doyé / Lipp-Peetz 1998;<br />

Kazemi-Veisari 1998; Knauer / Brandt 1998).<br />

Daher bestimmten <strong>Partizipation</strong>sverfahren<br />

auch die didaktisch-methodische Konzeption<br />

<strong>der</strong> Projekte <strong>in</strong> den Modelle<strong>in</strong>richtungen.<br />

– Inhaltlich g<strong>in</strong>g es <strong>in</strong> den Projekten auch (<strong>in</strong><br />

den beiden E<strong>in</strong>richtungen, die sich Verfassungen<br />

gaben), aber längst nicht nur um<br />

<strong>Partizipation</strong>. Wir g<strong>in</strong>gen davon aus, dass politische<br />

Bildung <strong>in</strong> den Projekten nicht nur im<br />

Zusammenhang mit politischen Inhalten<br />

stattf<strong>in</strong>den würde, son<strong>der</strong>n <strong>in</strong> <strong>der</strong> Ause<strong>in</strong>an<strong>der</strong>setzung<br />

mit jedem beliebigen Thema<br />

(vgl. Kapitel 2.3). Wir luden die E<strong>in</strong>richtungen<br />

daher e<strong>in</strong>, ihre Themen mitzubr<strong>in</strong>gen und<br />

unter Beteiligung <strong>der</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong> zu erarbeiten.<br />

<strong>Die</strong> <strong>in</strong>haltliche Vielfalt <strong>der</strong> Beteiligungsprojekte,<br />

die sich aus diesem Vorgehen ergab, eröffnete<br />

uns e<strong>in</strong>en Blick über Aspekte politischer<br />

Bildung h<strong>in</strong>aus auf die Zusammenhänge von<br />

<strong>Partizipation</strong> mit frühk<strong>in</strong>dlichen Bildungsprozessen<br />

im allgeme<strong>in</strong>en.<br />

Auch wenn wir <strong>Partizipation</strong> <strong>in</strong> erster L<strong>in</strong>ie als<br />

Grundrecht von K<strong>in</strong><strong>der</strong>n und Jugendlichen verstehen,<br />

sich kritisch handelnd mit den Vorgaben<br />

<strong>der</strong> Erwachsenen-Welt ause<strong>in</strong>an<strong>der</strong> zu<br />

setzen, wird es im folgenden Kapitel zunächst<br />

darum gehen, welche Erfolge K<strong>in</strong><strong>der</strong> durch<br />

<strong>Partizipation</strong> erleben können und welche<br />

Chancen ihnen <strong>Partizipation</strong> eröffnet. Dabei<br />

nähern wir uns <strong>der</strong> Perspektive <strong>der</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong><br />

durch die Brille <strong>der</strong> beteiligten Erwachsenen:<br />

Was haben die K<strong>in</strong><strong>der</strong> aus <strong>der</strong> Sicht <strong>der</strong> Erzieher<strong>in</strong>nen<br />

und Erzieher <strong>in</strong> den Projekten gelernt?<br />

Und welche Bedeutung haben diese Zugew<strong>in</strong>ne<br />

im H<strong>in</strong>blick auf Herausfor<strong>der</strong>ungen,<br />

mit denen <strong>der</strong> gesellschaftliche Wandel junge<br />

Menschen heute konfrontiert? Im Verlauf des<br />

Modellprojekts wurde dabei immer deutlicher:<br />

<strong>Die</strong> <strong>Partizipation</strong> <strong>der</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong> ist <strong>der</strong> entscheidende<br />

Schlüssel zu <strong>in</strong>dividuellen Bildungsfortschritten<br />

und zu e<strong>in</strong>er nachhaltigen demokratischen<br />

Bildung. <strong>Die</strong>se Zusammenhänge werden<br />

im zweiten und dritten Abschnitt dieses<br />

Kapitels dargestellt. Zum Abschluss des Kapitels<br />

stellt sich die Frage, wie <strong>der</strong>art erfolgversprechende<br />

Bildungsprozesse geför<strong>der</strong>t werden<br />

können, mit an<strong>der</strong>en Worten: Was brauchen<br />

K<strong>in</strong><strong>der</strong>, um sich <strong>beteiligen</strong> zu können?<br />

52


Was die K<strong>in</strong><strong>der</strong> <strong>in</strong> den Projekten gelernt haben<br />

2.1 Was die K<strong>in</strong><strong>der</strong> <strong>in</strong> den Projekten<br />

gelernt haben<br />

Der gesellschaftliche Wandel zur Informations-<br />

und Wissensgesellschaft lässt das Wissen<br />

immer schneller veralten. Es sche<strong>in</strong>t<br />

immer weniger möglich, junge Menschen mit<br />

e<strong>in</strong>em Grundlagenwissen auszustatten, auf<br />

das sie e<strong>in</strong> Leben lang zurückgreifen können.<br />

Kommunikationsfähigkeit und lebenslange<br />

Lernfähigkeit werden zunehmend wichtiger.<br />

Seit Mitte <strong>der</strong> siebziger Jahre des vergangenen<br />

Jahrhun<strong>der</strong>ts setzt sich daher <strong>in</strong> den<br />

Lehrplänen <strong>der</strong> schulischen und beruflichen<br />

Bildung <strong>der</strong> Kompetenzansatz gegenüber <strong>der</strong><br />

Formulierung e<strong>in</strong>es Wissenskanons durch.<br />

<strong>Die</strong>ser Wandel spiegelt sich im Bereich <strong>der</strong><br />

frühk<strong>in</strong>dlichen Bildung und Erziehung wi<strong>der</strong> <strong>in</strong><br />

<strong>der</strong> Entwicklung des Situationsansatzes <strong>in</strong> den<br />

1970er Jahren aus dem „Curriculum Soziales<br />

Lernen“ (vgl. Deutsches Jugend<strong>in</strong>stitut<br />

1980/1981; Deutsches Jugend<strong>in</strong>stitut / Arbeitsgruppe<br />

Vorschulerziehung 1973). Zu Beg<strong>in</strong>n<br />

des 21. Jahrhun<strong>der</strong>ts fragt die Expertengruppe<br />

des „Forum Bildung“ <strong>in</strong> <strong>der</strong> Bund-Län<strong>der</strong>-Kommission<br />

für Bildungsplanung und<br />

Forschungsför<strong>der</strong>ung wie<strong>der</strong> danach, was K<strong>in</strong><strong>der</strong>,<br />

Jugendliche und Erwachsene heute lernen<br />

müssen, um jene Kompetenzen zu entwickeln<br />

und zu erwerben, die <strong>in</strong> Zukunft benötigt<br />

werden.<br />

<strong>Die</strong> Expertengruppe identifiziert drei Zieldimensionen<br />

von Bildung, die untrennbar mite<strong>in</strong>an<strong>der</strong><br />

verbunden s<strong>in</strong>d: die Entwicklung <strong>der</strong><br />

Gesamtpersönlichkeit, die Teilhabe an <strong>der</strong> Gesellschaft<br />

und Beschäftigungsfähigkeit. „<strong>Die</strong><br />

Herausfor<strong>der</strong>ungen des technischen und sozialen<br />

Wandels führen zunehmend dazu, dass<br />

sich die Anfor<strong>der</strong>ungen an die Beschäftigungsfähigkeit<br />

(Qualifizierung für den Arbeitsmarkt)<br />

immer mehr <strong>in</strong> Bereiche ausdehnen,<br />

die traditionell eher dem Bereich Gesamtpersönlichkeit<br />

zugerechnet wurden (z.B. sog. personale<br />

und soziale Kompetenzen). Persönlichkeitsentwicklung<br />

wie<strong>der</strong>um umfasst nicht nur<br />

die <strong>in</strong>dividuelle Selbstentfaltung, son<strong>der</strong>n auch<br />

die Fähigkeit, Verantwortung für an<strong>der</strong>e und<br />

die Geme<strong>in</strong>schaft zu übernehmen. Ohne e<strong>in</strong>e<br />

vielseitig entwickelte Gesamtpersönlichkeit<br />

mit ausgeprägten Kompetenzen für persönliches<br />

und soziales Handeln ist Beschäftigungsfähigkeit<br />

heute nicht mehr denkbar; umgekehrt<br />

ist die Fähigkeit, den eigenen Lebensunterhalt<br />

zu sichern, e<strong>in</strong>e notwendige<br />

Voraussetzung für die Entfaltung <strong>der</strong> eigenen<br />

Person und für die Teilhabe an <strong>der</strong> Gesellschaft“<br />

(Arbeitsstab Forum Bildung 2002, 4).<br />

Bildungsziele werden <strong>in</strong> diesem Verständnis<br />

als komplexer – wenngleich angesichts <strong>der</strong> rasanten<br />

Entwicklungen offener – Katalog von<br />

Schlüsselkompetenzen def<strong>in</strong>iert, von denen<br />

die personalen und sozialen Kompetenzen zunehmend<br />

an Bedeutung gew<strong>in</strong>nen (vgl. auch<br />

Kuwan / Waschbüsch 1998, 53 f.).<br />

Schlüsselkompetenzen für die Bewältigung<br />

e<strong>in</strong>er unkalkulierbaren Zukunft werden häufig<br />

zusammenfassend als „Handlungskompetenz“<br />

bezeichnet. In Anlehnung an die Rahmenlehrpläne<br />

für die beruflichen Schulen, die<br />

auf die Entwicklung von Handlungskompetenz<br />

ausgerichtet s<strong>in</strong>d, wollen wir Handlungskompetenz<br />

im Folgenden verstehen als die Fähigkeit<br />

und Bereitschaft des Menschen, <strong>in</strong> privaten,<br />

gesellschaftlichen und beruflichen Situationen<br />

psychisch stabil und persönlich<br />

durchdacht (Selbstkompetenz), kommunikativ<br />

und sozial verantwortlich (Sozialkompetenz),<br />

sachgerecht (Sachkompetenz) und mit angemessen<br />

Mitteln (Methodenkompetenz) zu<br />

handeln (vgl. KMK 2000, 9).<br />

Im Rahmen des Modellprojekts <strong>in</strong>teressierte<br />

uns, welche Lern- und Entwicklungsprozesse<br />

<strong>der</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong> die Erzieher<strong>in</strong>nen und Erzieher im<br />

Zusammenhang mit den Beteiligungsprojekten<br />

beobachten konnten. Gelang es durch Beteiligung<br />

K<strong>in</strong><strong>der</strong> anzuregen, ihre Handlungskompetenz<br />

zu erweitern und zu erproben?<br />

Und welche Kompetenzen wurden im Rahmen<br />

<strong>der</strong> Beteiligungsprojekte beson<strong>der</strong>s geför<strong>der</strong>t?<br />

Wir haben die pädagogischen Fachkräfte am<br />

Ende des Modellprojekts gefragt, was die K<strong>in</strong><strong>der</strong><br />

aus ihrer Sicht im Laufe <strong>der</strong> Projekte <strong>in</strong><br />

den Modelle<strong>in</strong>richtungen gelernt hätten. Dabei<br />

entstand die folgende Liste, die auf den ersten<br />

Blick an die Weltwissen-Listen von Donata<br />

Elschenbroich (2001) er<strong>in</strong>nert.<br />

53


Was die K<strong>in</strong><strong>der</strong> <strong>in</strong> den Projekten gelernt haben<br />

q Was die K<strong>in</strong><strong>der</strong> <strong>in</strong> den Projekten gelernt<br />

haben<br />

– Selbständigkeit<br />

– Selbstbewusstse<strong>in</strong><br />

– dass ihnen zugehört wird<br />

– dass ihre Me<strong>in</strong>ung wichtig ist<br />

– dass ihre Me<strong>in</strong>ung zählt<br />

– an<strong>der</strong>en zuzuhören<br />

– Probleme anzusprechen<br />

– an<strong>der</strong>e Me<strong>in</strong>ungen zu akzeptieren<br />

– mit an<strong>der</strong>en zusammen Lösungen zu f<strong>in</strong>den<br />

– Entscheidungen zu treffen<br />

– wie man mit <strong>der</strong> Muscheltasche abstimmt<br />

– geme<strong>in</strong>sam aufgestellte Regeln e<strong>in</strong>zuhalten<br />

– nach dem Angebot geme<strong>in</strong>sam aufzuräumen<br />

– dass es Regeln gibt und dass trotzdem<br />

nicht immer alles klappt<br />

– dass man sich e<strong>in</strong>igen muss<br />

– zu fotografieren<br />

– zu lam<strong>in</strong>ieren<br />

– sich zur Wahl zu stellen<br />

– für e<strong>in</strong> Amt zu kandidieren<br />

– nicht genug Stimmen zu bekommen<br />

– jemanden zu wählen<br />

– dass heute e<strong>in</strong>e Sitzung stattf<strong>in</strong>det, wenn<br />

das Parlamentsschild draußen hängt<br />

– e<strong>in</strong>e Sitzung zu eröffnen<br />

– e<strong>in</strong>e Sitzung zu beenden<br />

– hilfsbereit zu se<strong>in</strong> gegenüber Kle<strong>in</strong>eren<br />

und Schwächeren<br />

– dass man als Politiker etwas für se<strong>in</strong>e<br />

Wähler tun muss<br />

– im Gremium für die Gruppe zu sprechen<br />

– <strong>in</strong> <strong>der</strong> Gruppe zu berichten, was im Gremium<br />

beschlossen wurde<br />

– die an<strong>der</strong>en K<strong>in</strong><strong>der</strong> zu bitten, ruhig zu se<strong>in</strong><br />

– im Sozialausschuss die Erwachsenen mit<br />

<strong>der</strong> Kl<strong>in</strong>gel zur Ruhe zu rufen<br />

– dass auch sie bei <strong>der</strong> Gestaltung von Räumen<br />

mitreden können<br />

– dass sie etwas verän<strong>der</strong>n können<br />

– dass man eigene Ideen umsetzen kann<br />

– geme<strong>in</strong>sam etwas zu planen und zu organisieren<br />

– zu sägen und zu kleben<br />

– systematisch zu überlegen: Was brauche<br />

ich zum Basteln? Wie fange ich an?<br />

– an<strong>der</strong>e K<strong>in</strong><strong>der</strong> an bestimmte Tätigkeiten zu<br />

er<strong>in</strong>nern<br />

– nicht alles als gegeben h<strong>in</strong>zunehmen, was<br />

Erwachsene sagen<br />

– ihre Bedürfnisse selbstbewusster e<strong>in</strong>zufor<strong>der</strong>n<br />

– e<strong>in</strong> Spiel zu erf<strong>in</strong>den<br />

– das Spiel zu spielen<br />

– sich <strong>in</strong> Tarp gut auszukennen<br />

– wo <strong>der</strong> Bürgermeister wohnt<br />

– e<strong>in</strong>e Landkarte zu lesen und zu erklären<br />

– schwere Wörter (z.B. Legende)<br />

– sie s<strong>in</strong>d selbständiger und selbstbewusster<br />

geworden<br />

– über den Tellerrand zu gucken<br />

– sie haben die Frau vom Radio kennen gelernt<br />

– neue Freundschaften zu knüpfen (<strong>der</strong> Kontakt<br />

über die Gruppe h<strong>in</strong>aus von K<strong>in</strong>d zu<br />

K<strong>in</strong>d hat zugenommen)<br />

– <strong>in</strong> <strong>der</strong> Gruppe zusammenzuhalten<br />

– den Mut sich zu äußern<br />

– etwas zu sagen o<strong>der</strong> auch nicht<br />

– klärende Gespräche e<strong>in</strong>zufor<strong>der</strong>n<br />

– ihre Mitbestimmung e<strong>in</strong>zufor<strong>der</strong>n<br />

– auf ihr Recht zu bestehen (auch gegenüber<br />

den Erwachsenen)<br />

– e<strong>in</strong>e eigene Me<strong>in</strong>ung <strong>der</strong> Erwachsenen zu<br />

akzeptieren<br />

– Ideen und Anregungen zu geben (zu Spielen,<br />

Ausflügen, Regeln)<br />

– E<strong>in</strong>fluss zu nehmen<br />

– geme<strong>in</strong>sam Lösungswege zu erarbeiten<br />

– dass es sich lohnt, für e<strong>in</strong>e Sache e<strong>in</strong>zutreten<br />

– sie s<strong>in</strong>d selbständiger geworden (im K<strong>in</strong><strong>der</strong>restaurant<br />

wollen sie selbst auffüllen,<br />

holen von sich aus Geschirr, wenn was<br />

fehlt)<br />

– etwas nur zu tun, wenn sie selbst es<br />

möchten<br />

– e<strong>in</strong> Gefängnis zu bauen<br />

– wie man e<strong>in</strong>e „Hoppetosse“ baut und<br />

damit im Gruppenraum herumfahren kann<br />

– dass Kokosnüsse außen eigentlich grün<br />

s<strong>in</strong>d<br />

– Spielregeln e<strong>in</strong>zuhalten<br />

– dass Spielregeln auch verän<strong>der</strong>bar s<strong>in</strong>d<br />

– dass es blöd ist, wenn man viel Boss ist,<br />

weil man dann viel aufpassen muss und<br />

nicht alles machen kann<br />

– dass es auch blöd ist, wenn man nie Boss<br />

ist<br />

54


Was die K<strong>in</strong><strong>der</strong> <strong>in</strong> den Projekten gelernt haben<br />

Kategorisiert man diese Aufzählung mithilfe<br />

des Rasters <strong>der</strong> vier genannten Kompetenzbereiche<br />

(Selbst-, Sozial-, Sach- und Methodenkompetenz),<br />

fällt auf, dass – im Unterschied<br />

zu Elschenbroichs Listen – die sachlichen Fertigkeiten<br />

etwas <strong>in</strong> den H<strong>in</strong>tergrund treten. <strong>Die</strong><br />

meisten <strong>der</strong> Nennungen bezeichnen Fähigkeiten<br />

aus dem Bereich <strong>der</strong> Selbst- und Sozialkompetenz.<br />

Das bedeutet allerd<strong>in</strong>gs nicht,<br />

dass die K<strong>in</strong><strong>der</strong> <strong>in</strong> den Beteiligungsprojekten<br />

weniger Sachkompetenz erwerben konnten.<br />

Es weist vielmehr darauf h<strong>in</strong>, dass das Themenspektrum<br />

<strong>der</strong> Projekte sehr vielseitig war<br />

und die K<strong>in</strong><strong>der</strong> sich <strong>in</strong> jedem Projekt nur spezifische<br />

Sachfragen erschlossen. „Wie man<br />

e<strong>in</strong>e Hoppetosse baut“ und „dass Kokosnüsse<br />

außen eigentlich grün s<strong>in</strong>d“, lernten eben<br />

nur die K<strong>in</strong><strong>der</strong> aus <strong>der</strong> DRK-Kita Turnstraße,<br />

die ihr Fasch<strong>in</strong>gsfest geme<strong>in</strong>sam als Pippi-<br />

Langstrumpf-Party planten und organisierten.<br />

Und wo <strong>der</strong> Bürgermeister <strong>in</strong> Tarp wohnt, erfuhren<br />

im Projekt nur die K<strong>in</strong><strong>der</strong> aus dem<br />

ADS-K<strong>in</strong><strong>der</strong>garten.<br />

Ähnlich verhält es sich mit den methodischen<br />

Fertigkeiten. Nicht alle K<strong>in</strong><strong>der</strong> haben „mit <strong>der</strong><br />

Muscheltasche abgestimmt“ o<strong>der</strong> erlebt, wie<br />

e<strong>in</strong> Gremium „mit e<strong>in</strong>er Kl<strong>in</strong>gel zur Ruhe gerufen“<br />

wurde.<br />

An<strong>der</strong>s sieht es h<strong>in</strong>gegen aus <strong>in</strong> den Bereichen<br />

<strong>der</strong> Selbst- und Sozialkompetenz. Immer<br />

wie<strong>der</strong> betonten die Erzieher<strong>in</strong>nen und Erzieher,<br />

dass die K<strong>in</strong><strong>der</strong> „selbständiger“ und<br />

„selbstbewusster“ geworden seien und dass<br />

ihre kommunikativen Kompetenzen („an<strong>der</strong>en<br />

zuzuhören“ o<strong>der</strong> <strong>der</strong> „Mut sich zu äußern“)<br />

und ihre soziale Verantwortung („geme<strong>in</strong>sam<br />

aufgestellte Regeln e<strong>in</strong>zuhalten“ o<strong>der</strong> „hilfsbereit<br />

zu se<strong>in</strong>“) zugenommen hätten.<br />

<strong>Die</strong> Beteiligungsprojekte – so unterschiedlich<br />

sie waren – sche<strong>in</strong>en <strong>in</strong> beson<strong>der</strong>em Maß die<br />

Selbst- und Sozialkompetenzen <strong>der</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong> geför<strong>der</strong>t,<br />

aber auch themenspezifische Sachund<br />

Methodenkenntnisse vermittelt zu haben.<br />

Insofern dürften die Lernerfolge <strong>der</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong> <strong>in</strong><br />

den Projekten den Anfor<strong>der</strong>ungen durchaus<br />

gerecht werden, die aus den Kompetenzansätzen<br />

abgeleitet werden. <strong>Partizipation</strong>sprojekte<br />

ermöglichen K<strong>in</strong><strong>der</strong>n das zu erwerben und<br />

zu entwickeln, was <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er nicht voraussehbaren<br />

Zukunft von ihnen erwartet wird: Handlungskompetenz.<br />

55


<strong>Partizipation</strong> und Bildung<br />

2.2 <strong>Partizipation</strong> und Bildung<br />

K<strong>in</strong><strong>der</strong>tagese<strong>in</strong>richtungen werden zur Zeit als<br />

Bildungse<strong>in</strong>richtungen (wie<strong>der</strong>-)entdeckt. <strong>Die</strong><br />

öffentliche Diskussion <strong>der</strong> Ergebnisse des<br />

<strong>in</strong>ternationalen Schulleistungsvergleichs im<br />

Rahmen <strong>der</strong> PISA-Studie forciert dabei – ähnlich<br />

wie <strong>in</strong> den 1960er Jahren nach dem so<br />

genannten Sputnik-Schock – e<strong>in</strong>e hektische<br />

Suche nach Möglichkeiten, Bildung schon <strong>in</strong><br />

<strong>der</strong> frühen K<strong>in</strong>dheit zu för<strong>der</strong>n. Hans-Joachim<br />

Laewen, <strong>der</strong> das Modellprojekt „Zum Bildungsauftrag<br />

von K<strong>in</strong><strong>der</strong>tagese<strong>in</strong>richtungen“<br />

leitete, bezeichnet dies als „lärmende Variante<br />

<strong>der</strong> Bildungsdiskussion“ (Laewen 2002 a, 30).<br />

Durch frühe Bildungsmaßnahmen <strong>in</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong>tagese<strong>in</strong>richtungen<br />

– so hofft man – kann schulische<br />

Bildung auf e<strong>in</strong>er soli<strong>der</strong>en Basis aufbauen<br />

und damit junge Menschen zu höheren<br />

(schulischen) Leistungen führen. <strong>Die</strong>ser Gedankengang<br />

deutet auf das Bildungsverständnis<br />

h<strong>in</strong>, das dieser Diskussion zugrunde liegt.<br />

Bildung wird hier als etwas verstanden, das <strong>in</strong><br />

Bildungse<strong>in</strong>richtungen (primär <strong>in</strong> <strong>der</strong> Schule)<br />

vermittelt, verglichen und bewertet werden<br />

kann. Damit wird Bildung vom Ergebnis her<br />

funktionalisiert und <strong>in</strong> erster L<strong>in</strong>ie als Produkt<br />

betrachtet. Nach diesem Verständnis ist Bildung<br />

bedarfsorientiert gestaltbar. E<strong>in</strong> solches<br />

Bildungsverständnis verleitet dazu, nach tatsächlichen<br />

o<strong>der</strong> verme<strong>in</strong>tlichen Defiziten zu<br />

suchen und diese durch Curricula, Tra<strong>in</strong><strong>in</strong>gs,<br />

För<strong>der</strong>programme etc. beheben zu wollen.<br />

Daran än<strong>der</strong>t auch die Verlagerung <strong>der</strong> Bildungsziele<br />

von e<strong>in</strong>em Wissenskanon zu<br />

e<strong>in</strong>em Kompetenzkatalog wenig.<br />

<strong>Die</strong>ses auf e<strong>in</strong> Produkt h<strong>in</strong> orientierte Verständnis<br />

von Bildung ist aber zu eng führend –<br />

und im Zusammenhang mit Bildung <strong>in</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong>tagese<strong>in</strong>richtungen<br />

geradezu kontraproduktiv.<br />

Der damalige Bundespräsident Johannes Rau<br />

wies auf dem ersten Kongress des Forum Bildung<br />

auf die doppelte Bedeutung von Bildung<br />

h<strong>in</strong>: „Bildung ist [...] die menschliche Form<br />

<strong>der</strong> Weltaneignung und zugleich ihr Ergebnis“<br />

(Bundespräsidialamt 2000, 3). Zu fragen wäre<br />

demnach nicht nur, was Bildung ist und welche<br />

Bildung gebraucht wird, son<strong>der</strong>n vor<br />

allem, wie sich Bildung ereignet.<br />

<strong>Die</strong> Aneignung <strong>der</strong> Welt ist e<strong>in</strong> aktiver Prozess,<br />

<strong>der</strong> e<strong>in</strong> handelndes Subjekt verlangt. Bildung<br />

ist „nicht ohne die K<strong>in</strong><strong>der</strong> selbst zu<br />

haben“ (Laewen 2002 a, 47). <strong>Die</strong>se Erkenntnis<br />

ist nicht neu. Schon Humboldt begriff Bildung<br />

als Anregung aller Kräfte e<strong>in</strong>es Menschen,<br />

damit diese sich über die Aneignung<br />

<strong>der</strong> Welt entfalten (vgl. Hentig 1996, 40), und<br />

betonte damit die Beteiligung am eigenen Bildungsprozess.<br />

Bilden, betont Hartmut von<br />

Hentig, ist sich bilden. „Nicht immer s<strong>in</strong>d wir<br />

das Subjekt dieses Vorgangs, und wir s<strong>in</strong>d es<br />

auch nicht immer erst am Ende (das es genaugenommen<br />

gar nicht gibt). Aber <strong>der</strong> Anteil,<br />

den wir selber daran haben, sollte immer größer<br />

werden und nie, auch <strong>in</strong> den frühen Stadien<br />

nicht, ausgeschlossen se<strong>in</strong>, vielmehr:<br />

nicht geleugnet werden, denn ‚ausschließen’<br />

lässt er sich nicht. Das kle<strong>in</strong>e K<strong>in</strong>d ist <strong>in</strong> ungleich<br />

höherem Maße se<strong>in</strong> eigener Lehrmeister,<br />

als es später <strong>der</strong> Schüler se<strong>in</strong> wird – und<br />

vieles davon ist nicht nur Entdeckung und<br />

Übung von Fähigkeiten, son<strong>der</strong>n <strong>der</strong>en eigentümliche<br />

Gestaltung, die ‚sich bilden’ genannt<br />

zu werden sehr wohl verdient: <strong>in</strong> <strong>der</strong> Sprache,<br />

<strong>in</strong> <strong>der</strong> Aufmerksamkeit für an<strong>der</strong>e Menschen,<br />

im Spiel <strong>der</strong> E<strong>in</strong>bildungskraft, <strong>in</strong> <strong>der</strong> Empfänglichkeit<br />

für Musik, für die Schönheit <strong>der</strong><br />

D<strong>in</strong>ge, für die Rätsel und Wun<strong>der</strong> <strong>der</strong> Natur“<br />

(Hentig 1996, 39).<br />

Dem produktorientierten Verständnis von Bildung<br />

aus <strong>der</strong> Perspektive Erwachsener steht<br />

damit e<strong>in</strong> Zugang zur Bildung vom K<strong>in</strong>de aus<br />

gegenüber. Im Mittelpunkt steht die Frage:<br />

Wie bildet sich das K<strong>in</strong>d und welche Unterstützung<br />

benötigt es für se<strong>in</strong>e Bildung? Nicht<br />

das Bedarfsdenken <strong>der</strong> älteren Generation<br />

wird zum Ausgangspunkt <strong>der</strong> Überlegungen,<br />

son<strong>der</strong>n die Frage danach, was e<strong>in</strong> K<strong>in</strong>d überhaupt<br />

ist und wie e<strong>in</strong> K<strong>in</strong>d sich <strong>in</strong> Verb<strong>in</strong>dung<br />

mit <strong>der</strong> Welt setzt. <strong>Die</strong>se Sicht auf Bildungsprozesse<br />

wird durch neue Forschungsergebnisse<br />

<strong>der</strong> Bildungsforschung und <strong>der</strong> Entwicklungspsychologie<br />

bestätigt (vgl. Schäfer 2003;<br />

Laewen 2002 a; Gopnik / Kuhl / Meltzoff<br />

2000). E<strong>in</strong> subjektorientierter Bildungsbegriff<br />

hat <strong>in</strong> <strong>der</strong> Pädagogik e<strong>in</strong>e lange Tradition.<br />

Auch Jean-Jacques Rousseau, Maria Montessori<br />

o<strong>der</strong> Janusz Korczak <strong>in</strong>teressierte die<br />

Welt vom K<strong>in</strong>de aus. Was s<strong>in</strong>d K<strong>in</strong><strong>der</strong>? Wie<br />

bilden sie sich? Welches pädagogische Verhältnis<br />

zu Erwachsenen brauchen sie für ihre<br />

Bildung? <strong>Partizipation</strong> ist e<strong>in</strong>em solchen Bildungsverständnis<br />

von jeher immanent (vgl.<br />

Knauer / Brandt 1998). In den letzten Jahren<br />

wurde das am selbsttätigen K<strong>in</strong>d orientierte<br />

Bildungsverständnis <strong>in</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong>tagese<strong>in</strong>richtungen<br />

vor allem durch die Rezeption <strong>der</strong> Kle<strong>in</strong>k<strong>in</strong>dpädagogik<br />

aus Reggio Emilia <strong>in</strong> <strong>der</strong> deutschen<br />

Diskussion wie<strong>der</strong> entdeckt. <strong>Die</strong> Reggianer<br />

sprechen vom „Flirt des K<strong>in</strong>des mit <strong>der</strong><br />

Welt“, den es zu unterstützen gilt (vgl. Dreier<br />

1999).<br />

q Frühe Bildung ist vor allem Selbst-Bildung<br />

In <strong>der</strong> aktuellen wissenschaftlichen Ause<strong>in</strong>an<strong>der</strong>setzung<br />

mit früher Bildung besteht E<strong>in</strong>igkeit<br />

dar<strong>in</strong>, dass die Selbstbildungsprozesse<br />

<strong>der</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong> die Basis von Bildungsför<strong>der</strong>ung <strong>in</strong><br />

K<strong>in</strong><strong>der</strong>tagese<strong>in</strong>richtungen se<strong>in</strong> müssen (vgl.<br />

56


<strong>Partizipation</strong> und Bildung<br />

Schäfer 2003; Laewen / Andres 2002; Elschenboich<br />

2001). <strong>Die</strong>s f<strong>in</strong>det sich auch im<br />

Geme<strong>in</strong>samen Rahmen <strong>der</strong> Län<strong>der</strong> für die<br />

frühe Bildung <strong>in</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong>tagese<strong>in</strong>richtungen<br />

wie<strong>der</strong>. „Grundlegende Voraussetzung für die<br />

Umsetzung <strong>der</strong> Rahmenpläne ist die Wahrnehmung<br />

<strong>der</strong> Fragen, Interessen und Themen<br />

<strong>der</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong>, denn diese s<strong>in</strong>d mehr als e<strong>in</strong> Anlass<br />

für Beschäftigungsangebote, sie s<strong>in</strong>d vielmehr<br />

Ausdruck des k<strong>in</strong>dlichen Bildungs<strong>in</strong>teresses<br />

und damit Zentrum <strong>der</strong> zu planenden<br />

Angebote“ (JMK / KMK 2004, 5).<br />

Warum Bildung im frühen Alter nur als Selbstbildung<br />

begriffen werden kann, wird deutlich,<br />

wenn man sich e<strong>in</strong> Neugeborenes vor Augen<br />

führt. E<strong>in</strong> wenige Tage altes Baby kann nicht<br />

im herkömmlichen S<strong>in</strong>ne unterrichtet werden.<br />

Es gibt noch ke<strong>in</strong>e direkte Verständigungsmöglichkeit<br />

über geteilte Symbole wie Worte,<br />

Bil<strong>der</strong> o<strong>der</strong> Gesten. „Kle<strong>in</strong>e K<strong>in</strong><strong>der</strong> s<strong>in</strong>d <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />

Situation, dass man ihnen kaum etwas beibr<strong>in</strong>gen<br />

kann, weil sie all die Erklärungen noch<br />

nicht verstehen, die Leute, die es besser wissen,<br />

ihnen anbieten können“ (Schäfer 2003,<br />

34). Auch Hans-Joachim Laewen betont diese<br />

Ohnmacht <strong>der</strong> Erwachsenen: „Es besteht<br />

ke<strong>in</strong>e Möglichkeit e<strong>in</strong>er direkten Übertragung<br />

von Erfahrung / Wissen / Kompetenzen vom<br />

Erwachsenen auf K<strong>in</strong><strong>der</strong>. Zwischen <strong>der</strong> anzueignenden<br />

Kultur und dem K<strong>in</strong>d steht grundsätzlich<br />

e<strong>in</strong>e Konstruktionsleistung des K<strong>in</strong>des.<br />

Pädagogik muss deshalb auf die Vorstellung<br />

verzichten, K<strong>in</strong><strong>der</strong>n (o<strong>der</strong> Erwachsenen)<br />

etwas beibr<strong>in</strong>gen zu können“ (Laewen 1999,<br />

14).<br />

Und doch ist e<strong>in</strong> Neugeborenes bestens dafür<br />

ausgerüstet, sich <strong>in</strong> dieser Welt zurecht zu f<strong>in</strong>den.<br />

Es hat all se<strong>in</strong>e S<strong>in</strong>ne, e<strong>in</strong> sich noch entwickelndes<br />

Gehirn und e<strong>in</strong>en unbändigen<br />

Willen, die Welt, die es zunächst nur über<br />

s<strong>in</strong>nliche Wahrnehmungen erfassen kann, zu<br />

verstehen. Es ordnet se<strong>in</strong>e Wahrnehmungen,<br />

bildet Hypothesen über die Beschaffenheit<br />

<strong>der</strong> wahrgenommenen Welt, überprüft diese<br />

Hypothesen, entwickelt sie weiter und versucht<br />

so, die Welt für sich zu strukturieren.<br />

K<strong>in</strong><strong>der</strong> gehen „– kaum dass die Nabelschnur<br />

durchgeschnitten ist – ihre eigenen Wege [...]<br />

Im tätigen Umgang mit <strong>der</strong> Welt machen sie<br />

sich e<strong>in</strong> Bild von ihr und streben h<strong>in</strong>sichtlich<br />

ihrer Bedürfnisse und Interessen mit all ihren<br />

Kräften nach Handlungsfähigkeit“ (Laewen<br />

2002 a, 53).<br />

„Frühk<strong>in</strong>dliche Bildung ist mehr als Aneignung“,<br />

schlussfolgert Gerd Schäfer (2003,<br />

38), und Donata Elschenbroich (2001, 48) bestätigt:<br />

Jedes K<strong>in</strong>d muss die Welt „neu erf<strong>in</strong>den“.<br />

Es entwickelt <strong>in</strong> <strong>der</strong> tätigen Ause<strong>in</strong>an<strong>der</strong>setzung<br />

mit se<strong>in</strong>er Umwelt <strong>in</strong> sozialen<br />

Situationen se<strong>in</strong>e eigene Bildungsbiographie.<br />

Bildung ist bis <strong>in</strong>s hohe Alter etwas sehr persönliches.<br />

Neue Zusammenhänge müssen<br />

mit dem vorhandenen Wissen <strong>in</strong> Verb<strong>in</strong>dung<br />

gebracht werden. Das ist bei K<strong>in</strong><strong>der</strong>n nicht an<strong>der</strong>s<br />

als bei Erwachsenen.<br />

q <strong>Die</strong> Rolle <strong>der</strong> Pädagog<strong>in</strong> / des Pädagogen<br />

än<strong>der</strong>t sich<br />

Damit verän<strong>der</strong>t sich die Rolle von Pädagog<strong>in</strong>nen<br />

und Pädagogen im Bildungsgeschehen. In<br />

herkömmlichen Bildungskonzepten wird Bildung<br />

meist als etwas verstanden, über das<br />

Erwachsene verfügen und das sie K<strong>in</strong><strong>der</strong>n<br />

vermitteln könnten. Daher f<strong>in</strong>det Unterricht <strong>in</strong><br />

<strong>der</strong> Schule <strong>in</strong> <strong>der</strong> Regel lehrerzentriert statt.<br />

Im traditionellen Bildungsverständnis ist <strong>der</strong><br />

lehrende Mensch Inhaber des Wissens bzw.<br />

Kundiger <strong>der</strong> Wege zum Wissen. <strong>Die</strong> Autor<strong>in</strong>nen<br />

und Autoren des Bildungs-Delphi, e<strong>in</strong>er<br />

Auftragsstudie, die die Auswirkungen <strong>der</strong><br />

Wissensgesellschaft auf Bildungsprozesse<br />

und Bildungsstrukturen bis 2020 prognostiziert,<br />

betonen, dass dieses Bildungsverständnis<br />

künftigem Lernen nur noch e<strong>in</strong>geschränkt<br />

gerecht wird. In Zukunft wird es viel mehr<br />

darum gehen müssen, <strong>in</strong>dividuelle Lernarrangements<br />

zu gestalten, die Eigen<strong>in</strong>itiative und<br />

Selbststeuerung <strong>der</strong> Lernprozesse ermöglichen<br />

(vgl. Kuwan / Waschbüsch 1998, 45 f.).<br />

Was hier für Schule und Hochschule gefor<strong>der</strong>t<br />

wird, gilt umso mehr für vorschulisches Lernen.<br />

Erzieher<strong>in</strong>nen und Erzieher werden die<br />

Aufgaben von Bildungsbegleitern übernehmen<br />

müssen, die Bildungsprozesse <strong>der</strong> e<strong>in</strong>zelnen<br />

K<strong>in</strong><strong>der</strong> ermöglichen, unterstützen und herausfor<strong>der</strong>n.<br />

<strong>Die</strong> (Selbst-)Bildung von K<strong>in</strong><strong>der</strong>n zu<br />

begleiten erfor<strong>der</strong>t, K<strong>in</strong><strong>der</strong> als Subjekte wahrzunehmen<br />

und ihre <strong>in</strong>dividuelle Sicht <strong>der</strong> Welt<br />

zum Ausgangspunkt pädagogischer Arbeit zu<br />

machen, mit an<strong>der</strong>en Worten: sie zu <strong>beteiligen</strong>.<br />

<strong>Die</strong> Beteiligung <strong>der</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong> wird damit zum<br />

Ausgangspunkt bildungsbegleiten<strong>der</strong> Pädago-<br />

57


<strong>Partizipation</strong> und Bildung<br />

Auch das Konzept wechselseitiger emotionaler,<br />

kognitiver und sozialer Anerkennung (vgl.<br />

Leu 1998; Honneth 1994) verlangt e<strong>in</strong>e Vorleistung<br />

<strong>der</strong> Erwachsenen. K<strong>in</strong><strong>der</strong> können gar<br />

nicht an<strong>der</strong>s: Sie lieben, achten und schätzen<br />

die ihnen nahe stehenden Erwachsenen,<br />

gleich, wie diese sich ihnen gegenüber verhalten.<br />

„K<strong>in</strong><strong>der</strong> kooperieren im gleichen Umfang<br />

mit konstruktiven wie destruktiven Prozessen<br />

<strong>in</strong> <strong>der</strong> Familie. Ihre Psyche kann nicht unterscheiden“<br />

(Juul 1997, 206 f.). Erst wenn die<br />

Erwachsenen K<strong>in</strong><strong>der</strong> als kompetente Subjekte<br />

<strong>der</strong> eigenen Bildungsprozesse anerkennen, ermöglichen<br />

sie ihnen, ihre Bildungspotentiale<br />

auszuschöpfen (vgl. Laewen 2002 a, 69 ff.).<br />

gik. <strong>Die</strong> Orientierung an den Interessen <strong>der</strong><br />

K<strong>in</strong><strong>der</strong>, ihre Beteiligung an allen sie betreffenden<br />

Angelegenheiten wird zum Schlüssel für<br />

Bildungsprozesse und Bildungskonzepte. <strong>Partizipation</strong><br />

ist nicht alle<strong>in</strong> e<strong>in</strong> Ziel neben an<strong>der</strong>en.<br />

<strong>Partizipation</strong> ist <strong>der</strong> Schlüssel zur Bildung.<br />

q Bildungsför<strong>der</strong>ung verlangt e<strong>in</strong>en Dialog<br />

zwischen Erwachsenen und K<strong>in</strong><strong>der</strong>n<br />

Wenn <strong>Partizipation</strong> <strong>der</strong> Schlüssel zur Bildung<br />

ist – welche Konsequenzen lassen sich dann<br />

aus dieser Erkenntnis für e<strong>in</strong>e bildungsför<strong>der</strong>nde<br />

Aktivität <strong>der</strong> Erwachsenen ableiten?<br />

Wie können Erwachsene die Selbstbildungsprozesse<br />

von K<strong>in</strong><strong>der</strong>n ermöglichen, unterstützen,<br />

herausfor<strong>der</strong>n, wenn diese doch selber<br />

die Akteure ihrer Bildung s<strong>in</strong>d?<br />

Frühk<strong>in</strong>dliche (Selbst-)Bildung ist immer auf<br />

die Mitwirkung von Erwachsenen angewiesen.<br />

<strong>Die</strong> Basis für die Bildungsaktivitäten von<br />

K<strong>in</strong><strong>der</strong>n s<strong>in</strong>d sichere emotionale B<strong>in</strong>dungen<br />

und e<strong>in</strong> Klima <strong>der</strong> wechselseitigen Anerkennung.<br />

Erst <strong>der</strong> Aufbau sicherer B<strong>in</strong>dungen zu vertrauten<br />

Personen se<strong>in</strong>er Umgebung ermöglicht<br />

es dem K<strong>in</strong>d, sich aktiv <strong>der</strong> Welt zuzuwenden<br />

und diese zu erkunden (vgl. Rauh<br />

1998, 239 ff.). Ob <strong>der</strong> B<strong>in</strong>dungsaufbau gel<strong>in</strong>gt,<br />

hängt <strong>in</strong> erster L<strong>in</strong>ie von den Erwachsenen<br />

ab. Sie können dem K<strong>in</strong>d die Botschaft vermitteln,<br />

die es so sehr ersehnt: „Du bist erwünscht,<br />

und ich werde dich nicht alle<strong>in</strong> lassen“<br />

(Hrdy 2000, 576).<br />

Um die Bildungsbewegungen <strong>der</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong> zu<br />

unterstützen und herauszufor<strong>der</strong>n, können Erwachsene<br />

Bildungs-Räume (Innen- und<br />

Außenräume, Zeiträume, Situationen …)<br />

sowie ihre Interaktionen mit den K<strong>in</strong><strong>der</strong>n so<br />

gestalten, dass die Bildungsthemen, die die<br />

K<strong>in</strong><strong>der</strong> umtreiben, beantwortet und ihnen weitere<br />

Themen, die den Erwachsenen wichtig<br />

ersche<strong>in</strong>en, zugemutet werden (vgl. Laewen<br />

2002 a, 79 ff.). Entscheidend für das Gel<strong>in</strong>gen<br />

dieser Form von Bildungsför<strong>der</strong>ung ist „die<br />

Wahl des Dialogs als Form <strong>der</strong> Interaktion“<br />

(Laewen 2002 a, 73).<br />

Beate Andres, Mitarbeiter<strong>in</strong> im Modellprojekt<br />

„Zum Bildungsauftrag von K<strong>in</strong><strong>der</strong>tagese<strong>in</strong>richtungen“,<br />

betont, dass Bildung nur als dialogischer<br />

Prozess zwischen Erzieher<strong>in</strong>nen / Erziehern<br />

und K<strong>in</strong><strong>der</strong>n verstanden werden kann.<br />

Auch die Gestaltung <strong>der</strong> Bildungsumgebung<br />

des K<strong>in</strong>des „bewegt sich immer auf den Spuren<br />

<strong>der</strong> Bildungsthemen <strong>der</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong> und ist<br />

nicht als losgelöster, e<strong>in</strong>seitiger Akt zu verstehen“<br />

(Andres 2002, 356). <strong>Die</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong>tagese<strong>in</strong>richtung<br />

Oslor<strong>in</strong>g <strong>in</strong> Kiel und die AWO-K<strong>in</strong><strong>der</strong>tagesstätte<br />

„Hanna Lucas“ <strong>in</strong> Wedel haben<br />

im Modellprojekt „<strong>Die</strong> <strong>K<strong>in</strong><strong>der</strong>stube</strong> <strong>der</strong> <strong>Demokratie</strong>“<br />

e<strong>in</strong>drucksvoll demonstriert, wie Erwachsene<br />

und K<strong>in</strong><strong>der</strong> ihre Räume im Dialog<br />

gestalten können (vgl. Kapitel 1.2).<br />

<strong>Die</strong> Beantwortung <strong>der</strong> Themen <strong>der</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong> und<br />

die Zumutung auch gesellschaftlich relevanter<br />

Themen durch die Erwachsenen s<strong>in</strong>d Teil<br />

e<strong>in</strong>es Bildungsdialogs, <strong>in</strong> dem sich K<strong>in</strong><strong>der</strong> und<br />

Erwachsene als Subjekte begegnen.<br />

<strong>Die</strong>ser Dialog ist nicht nur als verbale Ause<strong>in</strong>an<strong>der</strong>setzung<br />

zu verstehen. „E<strong>in</strong> K<strong>in</strong>d hat 100<br />

Sprachen“, sagt Loris Malaguzzi (nach Dreier<br />

1999, 15). Der Bildungsdialog beg<strong>in</strong>nt also auf<br />

<strong>der</strong> Seite <strong>der</strong> Erwachsenen damit, die Themen<br />

<strong>der</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong>, die diese genauso im Spiel<br />

wie im Gespräch äußern, wahrzunehmen und<br />

zu erkennen. Dazu müssen Erzieher<strong>in</strong>nen und<br />

Erzieher die K<strong>in</strong><strong>der</strong> systematisch beobachten<br />

58


<strong>Partizipation</strong> und Bildung<br />

und ihre Beobachtungen vor dem H<strong>in</strong>tergrund<br />

entwicklungspsychologischer Kenntnisse<br />

<strong>in</strong>terpretieren können. <strong>Die</strong> Interpretation <strong>der</strong><br />

eigenen Wahrnehmung birgt aber stets die<br />

Gefahr <strong>der</strong> Fehl<strong>in</strong>terpretation. Vermuten Erwachsene<br />

also, e<strong>in</strong> Bildungsthema <strong>der</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong><br />

erkannt zu haben, müssen sie sich mit den<br />

K<strong>in</strong><strong>der</strong>n darüber „verständigen“, ob sie sie<br />

richtig verstanden haben. Sie können den K<strong>in</strong><strong>der</strong>n<br />

antworten, <strong>in</strong>dem sie Spielräume und -situationen<br />

gestalten, <strong>in</strong> direkter Interaktion mit<br />

ihnen handeln o<strong>der</strong> sich verbal-kommunikativ<br />

äußern. Aber erst die Reaktion <strong>der</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong> auf<br />

diese Antwort kann ihnen Gewissheit darüber<br />

geben, ob sie das Thema <strong>der</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong> richtig erkannt<br />

haben (vgl. Schäfer 2003, 126 f.).<br />

In diesem Zusammenhang qualifizieren <strong>Partizipation</strong>skenntnisse<br />

Erzieher<strong>in</strong>nen und Erzieher<br />

<strong>in</strong> beson<strong>der</strong>em Maße dafür, die Bildungsbewegungen<br />

<strong>der</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong> wirkungsvoll zu unterstützen<br />

und herauszufor<strong>der</strong>n. <strong>Partizipation</strong>sverfahren<br />

dienen stets dazu, e<strong>in</strong>en Dialog zwischen<br />

Erwachsenen und K<strong>in</strong><strong>der</strong>n zu<br />

<strong>in</strong>szenieren (vgl. Hansen 2004 b, 29 ff.; Kle<strong>in</strong> /<br />

Vogt 2000). <strong>Die</strong> folgenden Beispiele veranschaulichen,<br />

zu welchen Bildungsprozessen<br />

die Beteiligung <strong>der</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong> führen kann.<br />

Bildung und Beteiligung im Modellprojekt<br />

In allen beteiligten K<strong>in</strong><strong>der</strong>tagese<strong>in</strong>richtungen<br />

nutzten die K<strong>in</strong><strong>der</strong> die <strong>Partizipation</strong>sprojekte<br />

für bee<strong>in</strong>druckende Bildungsprozesse. Sie<br />

setzten sich ernsthaft, e<strong>in</strong>fallsreich und sehr<br />

kompetent mit den Aufgaben und Themen<br />

ause<strong>in</strong>an<strong>der</strong>, die die Projekte ihnen stellten.<br />

Stellvertretend für viele an<strong>der</strong>e werden im<br />

Folgenden zwei Bildungsgeschichten aus <strong>der</strong><br />

DRK-K<strong>in</strong><strong>der</strong>tagesstätte Turnstraße <strong>in</strong> Elmshorn<br />

dah<strong>in</strong>gehend betrachtet, wie <strong>der</strong> Bildungsdialog<br />

zwischen den Erwachsenen und den K<strong>in</strong><strong>der</strong>n<br />

entstand und welche Bildungsprozesse<br />

sich daraus entwickelten. Sie s<strong>in</strong>d deshalb<br />

prädest<strong>in</strong>iert, diesen Zusammenhang zwischen<br />

<strong>Partizipation</strong> und Bildung zu verdeutlichen,<br />

weil die Frage nach <strong>der</strong> Beteiligung <strong>der</strong><br />

K<strong>in</strong><strong>der</strong> am Auff<strong>in</strong>den von Bildungsthemen<br />

ausdrücklich <strong>der</strong> Ausgangspunkt des Projekts<br />

war.<br />

Da e<strong>in</strong>e e<strong>in</strong>fache Befragung <strong>der</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong> unter<br />

dem Motto „Was <strong>in</strong>teressiert euch beson<strong>der</strong>s?“<br />

die Gefahr mit sich gebracht hätte,<br />

dass die K<strong>in</strong><strong>der</strong> lediglich die Inhalte reproduziert<br />

hätten, die aktuell bereits thematisiert<br />

waren, hatten sich die Erzieher<strong>in</strong>nen und<br />

Erzieher dafür entschieden, die K<strong>in</strong><strong>der</strong> zu<br />

„philosophischen Reisen“ e<strong>in</strong>zuladen (vgl.<br />

Wieacker-Wolff 2002, 139 ff.). Sie wollten mit<br />

den methodisch-didaktischen Mitteln des<br />

„Philosophierens mit K<strong>in</strong><strong>der</strong>n“ mit den K<strong>in</strong><strong>der</strong>n<br />

Dialoge über ihr Weltwissen eröffnen<br />

(vgl. Kapitel 1.2).<br />

q Wachsen ist wie …<br />

Der Ausgangspunkt <strong>der</strong> ersten Bildungsgeschichte<br />

war e<strong>in</strong>e Beobachtung <strong>der</strong> Erzieher<strong>in</strong>nen.<br />

Ihnen war aufgefallen, dass viele K<strong>in</strong><strong>der</strong><br />

<strong>in</strong> <strong>der</strong> Gruppe immer wie<strong>der</strong> ihre Größe<br />

verglichen. Das Thema „Wachsen“ schien<br />

viele K<strong>in</strong><strong>der</strong> zu beschäftigen.<br />

In e<strong>in</strong>em Gesprächskreis teilten sie ihnen ihre<br />

Beobachtung mit und sangen mit ihnen das<br />

Lied „Wir werden immer größer“. <strong>Die</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong><br />

begannen sofort, sich mit ihren Freund<strong>in</strong>nen<br />

und Freunden zu messen und zu vergleichen.<br />

Es entstand e<strong>in</strong> reger, leicht chaotisch anmuten<strong>der</strong><br />

Gedankenaustausch <strong>in</strong> <strong>der</strong> ganzen<br />

Gruppe. <strong>Die</strong> Beiträge reichten von „<strong>Die</strong> Mutter<br />

ist immer größer als <strong>der</strong> Vater“ über „Ich<br />

wachse auch, wenn ich schlafe, weil me<strong>in</strong>e<br />

Be<strong>in</strong>e dann weh tun“ bis „E<strong>in</strong> Regenwurm<br />

wächst nicht so wie e<strong>in</strong> Mensch“. <strong>Die</strong> lebhafte<br />

Reaktion <strong>der</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong> zeigte den Erzieher<strong>in</strong>nen,<br />

das sie e<strong>in</strong> Thema <strong>der</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong> richtig erkannt<br />

hatten, und lieferte bereits viele Fäden,<br />

die weitergesponnen werden konnten.<br />

Mit <strong>der</strong> abstrakten und komplexen Frage e<strong>in</strong>er<br />

Erzieher<strong>in</strong>, warum <strong>der</strong> Mensch wachse, konn-<br />

59


<strong>Partizipation</strong> und Bildung<br />

ten die K<strong>in</strong><strong>der</strong> nichts anfangen. <strong>Die</strong> konkretere<br />

Auffor<strong>der</strong>ung, sich vorzustellen, e<strong>in</strong> Baby zu<br />

se<strong>in</strong> und nicht zu wachsen, führte zunächst zu<br />

empörter Ablehnung – „Ich will nicht kle<strong>in</strong><br />

se<strong>in</strong>, son<strong>der</strong>n groß“ und: „Me<strong>in</strong> kle<strong>in</strong>er Bru<strong>der</strong><br />

ist dumm: Ich spiele Barbie und er kommt<br />

immer h<strong>in</strong>terher“ – und schließlich zur E<strong>in</strong>ladung<br />

e<strong>in</strong>es Babys, das se<strong>in</strong>e Schwester<br />

gegen den Vorwurf <strong>der</strong> Dummheit beherzt<br />

verteidigt hatte. E<strong>in</strong> Projekt, das die Gruppe <strong>in</strong><br />

den darauffolgenden Wochen beschäftigen<br />

sollte, war entstanden.<br />

<strong>Die</strong> nächsten Projektphasen wurden immer<br />

wie<strong>der</strong> im Dialog zwischen Erzieher<strong>in</strong>nen und<br />

K<strong>in</strong><strong>der</strong>n entwickelt. Höhepunkt des Projekts<br />

wurde die Beschäftigung mit <strong>der</strong> Frage,<br />

warum e<strong>in</strong> vierjähriges Mädchen größer se<strong>in</strong><br />

könne als e<strong>in</strong> sechsjähriger Junge. <strong>Die</strong>se Feststellung<br />

wi<strong>der</strong>sprach ihrem bisherigen Alltagswissen,<br />

dass ältere K<strong>in</strong><strong>der</strong> größer s<strong>in</strong>d als jüngere,<br />

und brachte sie zum Staunen. Das Staunen<br />

über e<strong>in</strong> wahrgenommenes Phänomen ist<br />

e<strong>in</strong> typischer Ausgangspunkt für philosophisches<br />

Fragen und e<strong>in</strong> wichtiges Motiv für die<br />

Suche nach Antworten. <strong>Die</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong> waren<br />

damit nach vielen Umwegen zurückgekehrt<br />

zur e<strong>in</strong>gangs von den Erzieher<strong>in</strong>nen aufgeworfenen<br />

Frage, warum <strong>der</strong> Mensch wachse. Sie<br />

suchten Erklärungen und überprüften sie. Sie<br />

schoben die Hosenbe<strong>in</strong>e des Mädchens hoch,<br />

um nachzusehen, ob sie heimlich Stelzen<br />

trug. Sie wurde befragt, ob sie viel Gemüse<br />

esse o<strong>der</strong> über e<strong>in</strong>en Zaubertrank verfüge.<br />

Und sie rechneten nach, dass sie nicht öfter<br />

Geburtstag haben könne, weil sie ja erst vier<br />

und <strong>der</strong> Junge schon sechs Jahre alt sei. <strong>Die</strong><br />

Erklärungen wurden solange verworfen und<br />

durch neue ersetzt, bis e<strong>in</strong>em K<strong>in</strong>d beim Kneten<br />

die Erleuchtung kam und sie sich darauf<br />

e<strong>in</strong>igen konnten, dass Wachsen funktionieren<br />

müsse wie das Rollen von Knetgummischlangen:<br />

Aus kle<strong>in</strong>en dicken Kugeln werden lange<br />

dünne Schlangen, wenn sie nur ausdauernd<br />

genug gerollt werden.<br />

Damit war das Thema für die K<strong>in</strong><strong>der</strong> vorerst<br />

abgeschlossen, auch wenn e<strong>in</strong>ige von ihnen<br />

noch die Konsequenz daraus zogen, ihre Eltern<br />

um abendliches Rollen zu bitten. Sie<br />

waren mit ihrer Erklärung zufrieden. Das<br />

Thema „Wachsen“ war für sie zu diesem<br />

Zeitpunkt erschöpfend behandelt. Sie werden<br />

später gewiss wie<strong>der</strong> auf dieses Thema stoßen<br />

und ihre vorläufige Erklärung des Phänomens<br />

weiter entwickeln.<br />

<strong>Die</strong> Beobachtung <strong>der</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong> durch die Erzieher<strong>in</strong>nen,<br />

ihr vorsichtiges E<strong>in</strong>br<strong>in</strong>gen des Themas<br />

und die Zurückhaltung, mit <strong>der</strong> sie die<br />

weitere Ause<strong>in</strong>an<strong>der</strong>setzung mit <strong>der</strong> Thematik<br />

begleiteten, ermöglichten den K<strong>in</strong><strong>der</strong>n, sich<br />

das Thema „Wachsen“ selbsttätig forschend<br />

zu erschließen. Sie konnten ihre Wege gehen<br />

und ihre Antworten f<strong>in</strong>den, durch <strong>in</strong>teressiertes<br />

Nachfragen und gezielte Hilfestellungen<br />

(etwa bei <strong>der</strong> E<strong>in</strong>ladung <strong>der</strong> Mutter mit dem<br />

Baby) von den Erzieher<strong>in</strong>nen unterstützt. Bei<br />

ihren Forschungen g<strong>in</strong>gen die K<strong>in</strong><strong>der</strong> genauso<br />

vor, wie Wissenschaftler sich e<strong>in</strong>em Phänomen<br />

nähern. Sie bildeten Hypothesen, überprüften<br />

sie, verwarfen sie gegebenenfalls, bildeten<br />

neue Hypothesen, bis sie sich schließlich<br />

auf e<strong>in</strong>e Theorie verständigen konnten.<br />

„Es ist lediglich die Art und Weise, wie Fragen<br />

und Hypothesen gebildet und überprüft<br />

werden, die k<strong>in</strong>dliches Erkenntnisstreben von<br />

wissenschaftlichem unterscheiden“, fasst<br />

Gerd Schäfer (2003, 39 f.) die diesbezüglichen<br />

Ausführungen von Alison Gopnik, Patricia Kuhl<br />

und Andrew Meltzoff (2000) zusammen. Dass<br />

das Wachstum des Menschen dabei noch<br />

nicht „richtig“ erklärt wurde, spielt nur e<strong>in</strong>e<br />

untergeordnete Rolle. Übrigens konnten die<br />

Erzieher<strong>in</strong>nen ke<strong>in</strong>en K<strong>in</strong><strong>der</strong>arzt gew<strong>in</strong>nen, <strong>der</strong><br />

sich <strong>in</strong> <strong>der</strong> Lage sah, den K<strong>in</strong><strong>der</strong>n das Phänomen<br />

des Wachsens aus erwachsener wissenschaftlicher<br />

Sicht richtig zu erklären. Ihnen erschien<br />

das Thema zu komplex.<br />

q Wir machen K<strong>in</strong>o<br />

<strong>Die</strong> zweite Bildungsgeschichte aus <strong>der</strong> DRK-<br />

K<strong>in</strong><strong>der</strong>tagesstätte Turnstraße mussten die K<strong>in</strong><strong>der</strong><br />

gegen den anfänglichen Wi<strong>der</strong>stand <strong>der</strong><br />

Erwachsenen durchsetzen. Auch hier suchten<br />

die Erzieher<strong>in</strong>nen <strong>in</strong> Gesprächsrunden mit den<br />

K<strong>in</strong><strong>der</strong>n nach den Bildungsthemen, die diese<br />

aktuell beschäftigten. Aber sie konnten <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />

Gruppe ke<strong>in</strong>e nennenswerte Reaktion auslösen,<br />

wenn sie ihre Beobachtungen mitteilten.<br />

Nach e<strong>in</strong>iger Zeit machten zwei K<strong>in</strong><strong>der</strong> von<br />

sich aus e<strong>in</strong>en Vorschlag: Sie wollten „K<strong>in</strong>o<br />

machen“. <strong>Die</strong> Erzieher<strong>in</strong>nen g<strong>in</strong>gen nicht darauf<br />

e<strong>in</strong>. Sie suchten nach e<strong>in</strong>em Thema <strong>der</strong><br />

ganzen Gruppe. Doch die beiden K<strong>in</strong><strong>der</strong> nah-<br />

60


<strong>Partizipation</strong> und Bildung<br />

men das Dialogangebot <strong>der</strong> Erwachsenen<br />

ernst. Sie waren nach ihren Interessen gefragt<br />

worden und machten diese nun deutlich. In<br />

e<strong>in</strong>em Nebenraum begannen sie mit den Vorbereitungen<br />

für e<strong>in</strong>e K<strong>in</strong>ovorführung und<br />

wie<strong>der</strong>holten ihren Vorschlag <strong>in</strong> den Gesprächsrunden<br />

so lange, bis an<strong>der</strong>e K<strong>in</strong><strong>der</strong><br />

sich ihnen anschlossen und auch die Erzieher<strong>in</strong>nen<br />

sich e<strong>in</strong>ließen.<br />

Obwohl sie <strong>in</strong> ihrer Phantasie die K<strong>in</strong><strong>der</strong><br />

schon e<strong>in</strong>en Videofilm drehen sahen, hielten<br />

die Erzieher<strong>in</strong>nen sich im weiteren Verlauf zurück,<br />

versuchten die Ideen <strong>der</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong> zu erfassen<br />

und ihnen die<br />

Unterstützung zukommen<br />

zu lassen, die sie benötigten.<br />

So entstanden K<strong>in</strong>otage<br />

als komplexes s<strong>in</strong>nliches<br />

Erlebnis für alle Beteiligten.<br />

„K<strong>in</strong>o“ – das bedeutete,<br />

an <strong>der</strong> Kasse <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />

Schlange zu stehen, Geld<br />

gegen E<strong>in</strong>trittskarten und<br />

Popcorn zu tauschen, mit<br />

an<strong>der</strong>en <strong>in</strong> langen Reihen<br />

zu sitzen und Geschichten<br />

zu hören und zu sehen,<br />

aber genauso Geld, E<strong>in</strong>trittskarten,<br />

Popcorn und<br />

die Tüten dafür herzustellen,<br />

Geschichten zu erzählen, sich neue Geschichten<br />

auszudenken, Bil<strong>der</strong> auf e<strong>in</strong>er Le<strong>in</strong>wand<br />

zu zeigen und diese „zum Laufen zu<br />

br<strong>in</strong>gen“. <strong>Die</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong> hatten we<strong>der</strong> <strong>in</strong>s K<strong>in</strong>o<br />

gehen wollen, um e<strong>in</strong>en Film anzusehen,<br />

noch hatten sie e<strong>in</strong>en Film drehen wollen, <strong>der</strong><br />

<strong>in</strong> irgende<strong>in</strong>em K<strong>in</strong>o gezeigt würde. Sie erarbeiteten<br />

sich vielmehr, was für sie zum Erlebnis<br />

„K<strong>in</strong>o“ gehörte – Schlange stehen, E<strong>in</strong>trittskarten,<br />

Popcorn etc. – und entdeckten,<br />

wie aus e<strong>in</strong>er Geschichte e<strong>in</strong> Film entstehen<br />

kann. Dazu brauchte es e<strong>in</strong>e Le<strong>in</strong>wand, Bil<strong>der</strong>,<br />

Ton, und die Bil<strong>der</strong> mussten sich bewegen.<br />

Dabei wechselten sie immerzu die Rollen.<br />

Aus Popcornherstellern wurden Popcornverkäufer<br />

und Popcornkonsumenten, aus K<strong>in</strong>ovorführern<br />

K<strong>in</strong>obesucher und umgekehrt. Sie<br />

durchdrangen das Phänomen „K<strong>in</strong>o“ aus den<br />

unterschiedlichsten Perspektiven. Ohne dass<br />

die Fasz<strong>in</strong>ation verloren g<strong>in</strong>g, konnten sie die<br />

Geschichten verfolgen, die sie selbst erfunden<br />

hatten.<br />

<strong>Die</strong>sen Facettenreichtum und diese Perspektivenvielfalt<br />

<strong>der</strong> selbst gestalteten Bildungsprozesse<br />

beobachteten die Erzieher<strong>in</strong>nen auch <strong>in</strong><br />

an<strong>der</strong>en Projekten. In e<strong>in</strong>er Gruppe bereiteten<br />

die K<strong>in</strong><strong>der</strong> geme<strong>in</strong>sam mit den Erzieher<strong>in</strong>nen<br />

e<strong>in</strong>e Gruppenfreizeit vor. Dazu gehörte auch,<br />

dass sie e<strong>in</strong>e Schatzsuche planten. Sie besorgten<br />

den Schatz, versteckten ihn, fertigten<br />

e<strong>in</strong>e Schatzkarte, h<strong>in</strong>terlegten H<strong>in</strong>weise, die<br />

zu dem Schatz führten – und beteiligten sich<br />

begeistert und überrascht an <strong>der</strong> Schatzsuche,<br />

als hätten sie mit <strong>der</strong> Vorbereitung gar<br />

nichts zu tun gehabt.<br />

Das waren an<strong>der</strong>e Bildungsprozesse als die,<br />

die die Erwachsenen den K<strong>in</strong><strong>der</strong>n zugemutet<br />

hätten, wenn sie das Projekt geplant hätten.<br />

Und sie wurden nur möglich, weil die Erwachsenen<br />

ihre Neugier auf die Beiträge <strong>der</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong><br />

signalisiert, sich zurückgehalten und die K<strong>in</strong><strong>der</strong><br />

nur dort unterstützt hatten, wo sie Hilfe<br />

wollten. Hätten die Erzieher<strong>in</strong>nen ihre Vorstellung<br />

von K<strong>in</strong>o unverzüglich beigesteuert und<br />

die Video-Kamera geholt, wäre etwas an<strong>der</strong>es<br />

entstanden. <strong>Die</strong> Bildungsthemen und –prozesse,<br />

die die K<strong>in</strong><strong>der</strong> selbst e<strong>in</strong>br<strong>in</strong>gen, erstaunen<br />

uns Erwachsene immer wie<strong>der</strong>. Auf vieles<br />

würden wir ohne sie gar nicht kommen. Welche<br />

Erzieher<strong>in</strong> o<strong>der</strong> welcher Erzieher hätte<br />

denn e<strong>in</strong> Gefängnis zum zentralen Element<br />

e<strong>in</strong>es Ritterprojekts erhoben (vgl. Kapitel 1.2)?<br />

<strong>Die</strong>s alle<strong>in</strong> wäre schon Grund genug, die K<strong>in</strong><strong>der</strong><br />

an <strong>der</strong> Gestaltung ihrer Bildungskontexte<br />

systematisch zu <strong>beteiligen</strong>.<br />

61


<strong>Partizipation</strong> und Bildung<br />

K<strong>in</strong><strong>der</strong> an Bildungsdialogen zu <strong>beteiligen</strong>, ist<br />

für Erzieher<strong>in</strong>nen und Erzieher nicht leicht.<br />

Das belegen die vielen Fehlversuche, die den<br />

gelungenen Projekten <strong>in</strong> <strong>der</strong> DRK-K<strong>in</strong><strong>der</strong>tagesstätte<br />

Turnstraße vorausg<strong>in</strong>gen. Insbeson<strong>der</strong>e<br />

<strong>in</strong> <strong>der</strong> Gruppe, die sich letztlich mit dem<br />

Thema „Wachsen“ ause<strong>in</strong>an<strong>der</strong> setzte, hatten<br />

die Erzieher<strong>in</strong>nen e<strong>in</strong>e Reihe von misslungenen<br />

Anläufen genommen, geme<strong>in</strong>sam mit<br />

den K<strong>in</strong><strong>der</strong>n e<strong>in</strong> Bildungsthema zu entwickeln.<br />

Dabei mag e<strong>in</strong>e Rolle gespielt haben, dass die<br />

K<strong>in</strong><strong>der</strong> es gewohnt waren, an von den Erwachsenen<br />

gut vorbereiteten Projekten teilzunehmen.<br />

<strong>Die</strong> abwartende Haltung <strong>der</strong> Erzieher<strong>in</strong>nen<br />

und Erzieher dürfte sie zunächst irritiert<br />

haben. Sie brauchten daher e<strong>in</strong>ige Zeit, um<br />

sich auf die Zumutung <strong>der</strong> Erwachsenen, Bildung<br />

im Dialog zu gestalten, e<strong>in</strong>zulassen. Das<br />

erste, was die Erzieher<strong>in</strong>nen und Erzieher also<br />

lernen mussten, war Geduld. Nach und nach<br />

nutzten die K<strong>in</strong><strong>der</strong> dann aber wie im K<strong>in</strong>o-Projekt<br />

ihre Beteiligungschancen.<br />

E<strong>in</strong> weiteres Problem <strong>der</strong> Erwachsenen lag<br />

dar<strong>in</strong>, zu erkennen und angemessen zu thematisieren,<br />

was die K<strong>in</strong><strong>der</strong> gerade beschäftigte<br />

und welche Unterstützung sie gerade benötigten.<br />

<strong>Die</strong>se Erfahrung machten auch die Kolleg<strong>in</strong>nen<br />

und Kollegen aus den an<strong>der</strong>en<br />

Modelle<strong>in</strong>richtungen. Das folgende Beispiel<br />

aus dem ADS-K<strong>in</strong><strong>der</strong>garten <strong>in</strong> Tarp macht<br />

deutlich, wie s<strong>in</strong>nvoll es ist, die K<strong>in</strong><strong>der</strong> von<br />

Anfang an an e<strong>in</strong>er Problemlösung mitwirken<br />

zu lassen. Gleichzeitig zeigt es, wie sich K<strong>in</strong><strong>der</strong><br />

schon früh selbsttätig mathematische Zusammenhänge<br />

erschließen.<br />

<strong>Die</strong> Erzieher<strong>in</strong>nen standen bei <strong>der</strong> Entwicklung<br />

e<strong>in</strong>es „Ortsplans von K<strong>in</strong><strong>der</strong>n für<br />

K<strong>in</strong><strong>der</strong>“ (vgl. Kapitel 1.2) vor dem Problem,<br />

wie die K<strong>in</strong><strong>der</strong> die Entfernungen zwischen<br />

den e<strong>in</strong>zelnen Orten, die im Plan berücksichtigt<br />

werden sollten, feststellen und vergleichen<br />

könnten. Sie hatten die ausgefallene<br />

Idee, e<strong>in</strong>en Schrittzähler anzuschaffen, <strong>der</strong> die<br />

Entfernungen <strong>in</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong>schritten messen sollte.<br />

Das schien e<strong>in</strong>e k<strong>in</strong>dgerechte Lösung des<br />

Problems zu se<strong>in</strong>. <strong>Die</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong> wurden <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />

Tat durch dieses D<strong>in</strong>g, das da um das Fußgelenk<br />

e<strong>in</strong>es K<strong>in</strong>des geschnallt wurde, auf die<br />

Möglichkeit aufmerksam, die Entfernung zwischen<br />

zwei Orten durch die Anzahl <strong>der</strong> Schritte<br />

zu messen. <strong>Die</strong> Zahlen, die <strong>der</strong> Apparat lieferte,<br />

waren ihnen aber zu groß – es waren<br />

immer mehr als zehn Schritte – und zu abstrakt.<br />

Sie konnten sich darunter nichts vorstellen.<br />

In <strong>der</strong> geme<strong>in</strong>samen Diskussion dieses<br />

Problems machten sie den Vorschlag, wie<br />

im Spiel „E<strong>in</strong> Hut, e<strong>in</strong> Stock, e<strong>in</strong> Regenschirm<br />

...“ immer zehn Schritte abzuzählen und dann<br />

e<strong>in</strong>en Strich auf e<strong>in</strong>en Zettel zu machen. Anschließend<br />

konnten sie die Anzahl <strong>der</strong> Striche<br />

vergleichen und so feststellen, welche Entfernungen<br />

größer o<strong>der</strong> kle<strong>in</strong>er waren.<br />

<strong>Die</strong>ses Beispiel verdeutlicht sehr e<strong>in</strong>drucksvoll,<br />

wie K<strong>in</strong><strong>der</strong> Rechenoperationen selbst erf<strong>in</strong>den,<br />

wenn sie vor e<strong>in</strong>er für sie bedeutsamen<br />

Aufgabe stehen. Sie erkannten selbst ihr<br />

mathematisches Problem („<strong>Die</strong> Zahl von 253<br />

Schritten ist uns viel zu groß ...“) und fanden<br />

für sich e<strong>in</strong>e Lösung, <strong>in</strong>dem sie die große Zahl<br />

<strong>in</strong> Zehnergruppen zerlegten.<br />

Der Schrittzähler hatte die K<strong>in</strong><strong>der</strong> auf das Problem<br />

h<strong>in</strong>gewiesen. <strong>Die</strong> Erzieher<strong>in</strong>nen hatten<br />

ihn aber angeschafft, um das Problem zu<br />

lösen. Zu e<strong>in</strong>er angemessenen, k<strong>in</strong>dgerechten<br />

Lösung des Problems kam es allerd<strong>in</strong>gs erst<br />

durch die Mitwirkung <strong>der</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong> selbst.<br />

Bildungsbereich Sprache<br />

<strong>Die</strong> <strong>Partizipation</strong> <strong>der</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong> ermöglicht ihnen,<br />

sich <strong>in</strong> „Ernst-Situationen“ zu bilden. <strong>Die</strong>se Situationen<br />

s<strong>in</strong>d, wie die soeben geschil<strong>der</strong>ten<br />

Beispiele zeigen, komplex und verlangen von<br />

den K<strong>in</strong><strong>der</strong>n, selbst heraus zu f<strong>in</strong>den, welche<br />

Fähigkeiten sie e<strong>in</strong>setzen können, um Lösungen<br />

für die anstehenden Aufgaben zu f<strong>in</strong>den.<br />

„Das Lösen von Problemen im Alltag nutzt zunächst<br />

alle zur Verfügung stehenden Kräfte<br />

e<strong>in</strong>es Menschen und entwickelt e<strong>in</strong>en Prozess,<br />

<strong>in</strong> dessen Verlauf immer klarer wird,<br />

welche Kompetenzen dafür s<strong>in</strong>nvoll e<strong>in</strong>gesetzt<br />

werden können und <strong>in</strong> welcher Komb<strong>in</strong>ation“<br />

(Schäfer 2003, 32 f.). Es s<strong>in</strong>d diese<br />

Alltagsthemen, „die die konkreten Bildungsaufgaben<br />

vorgeben und dafür sorgen, dass<br />

K<strong>in</strong><strong>der</strong> die Breite ihrer <strong>in</strong>neren Verarbeitungsmöglichkeiten<br />

zu bestimmten Fragen e<strong>in</strong>setzen<br />

und nicht nur funktionale und kurzfristige<br />

Lernziele erreichen“ (Schäfer 2003, 142). Erfolgversprechende<br />

Bildungsför<strong>der</strong>ung, die die<br />

Entfaltung <strong>der</strong> k<strong>in</strong>dlichen Potentiale unterstützt,<br />

zeichnet sich also eher durch die Betei-<br />

62


<strong>Partizipation</strong> und Bildung<br />

ligung <strong>der</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong> an <strong>der</strong> Lösung anstehen<strong>der</strong><br />

Probleme aus – und damit durch<br />

<strong>Partizipation</strong> – als durch Tra<strong>in</strong><strong>in</strong>gs und För<strong>der</strong>maßnahmen,<br />

gleich, wie wirksam diese im<br />

E<strong>in</strong>zelnen auch se<strong>in</strong> mögen.<br />

Nur vor diesem H<strong>in</strong>tergrund s<strong>in</strong>d auch die Bildungsbereiche<br />

zu verstehen, die die Bildungspläne<br />

<strong>der</strong> Län<strong>der</strong> ausweisen. Der Geme<strong>in</strong>same<br />

Rahmenplan betont das „Pr<strong>in</strong>zip <strong>der</strong> ganzheitlichen<br />

För<strong>der</strong>ung“ (JMK / KMK 2004, 3).<br />

Es werden zwar Themenfel<strong>der</strong> beschrieben,<br />

um die Angebote <strong>der</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong>tagese<strong>in</strong>richtungen<br />

zu konkretisieren, diese sollen aber nicht<br />

isoliert stehen, son<strong>der</strong>n sich gegenseitig<br />

durchdr<strong>in</strong>gen.<br />

Beson<strong>der</strong>s hervorgehoben wird von <strong>der</strong> geme<strong>in</strong>samen<br />

Konferenz <strong>der</strong> Jugend- und <strong>der</strong><br />

Kultusm<strong>in</strong>ister <strong>der</strong> Bereich <strong>der</strong> Sprachentwikklung<br />

und Sprachför<strong>der</strong>ung. Gerade für die<br />

k<strong>in</strong>dliche Sprachentwicklung gilt aber, dass<br />

Sprache nicht als isolierte Kompetenz vermittelt<br />

werden kann, son<strong>der</strong>n sich im kommunikativen<br />

Kontext alltäglicher Situationen entwickeln<br />

muss.<br />

q Sprache lernt man durch Sprechen<br />

Sprache ist für K<strong>in</strong><strong>der</strong> e<strong>in</strong> wichtiger Zugang<br />

zur Welt. Sie hilft ihnen, ihre Wahrnehmungen<br />

<strong>der</strong> Welt zu strukturieren und mit <strong>der</strong> Welt zu<br />

kommunizieren. Was allerd<strong>in</strong>gs <strong>in</strong> <strong>der</strong> öffentlichen<br />

Bildungsdebatte <strong>in</strong> erster L<strong>in</strong>ie als<br />

Sprachför<strong>der</strong>ung diskutiert wird, ist nur unter<br />

dem E<strong>in</strong>druck zu verstehen, den die Ergebnisse<br />

<strong>der</strong> PISA-Studie <strong>in</strong> Deutschland h<strong>in</strong>terlassen<br />

haben. <strong>Die</strong> <strong>in</strong> den Bundeslän<strong>der</strong>n nach<br />

PISA relativ schnell begonnenen Maßnahmen<br />

frühk<strong>in</strong>dlicher Sprachför<strong>der</strong>ung s<strong>in</strong>d stark produktorientiert.<br />

Frühe Sprachför<strong>der</strong>ung <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e<br />

bei den durch PISA identifizierten Bildungsrisikogruppen<br />

sollen die Chancengerechtigkeit<br />

<strong>in</strong> <strong>der</strong> Schule erhöhen. Dah<strong>in</strong>ter<br />

steht die Hoffnung durch Sprachtests Sprachentwicklungsverzögerungen<br />

und Sprachprobleme<br />

etwa von K<strong>in</strong><strong>der</strong>n mit Migrationsh<strong>in</strong>tergrund<br />

möglichst früh erfassen und diese<br />

durch geeignete Maßnahmen beheben zu<br />

können.<br />

Sprachtra<strong>in</strong><strong>in</strong>gs mit K<strong>in</strong><strong>der</strong>garten-K<strong>in</strong><strong>der</strong>n<br />

mögen durchaus messbare Effekte erzielen,<br />

e<strong>in</strong>e nachhaltig wirksame Sprachför<strong>der</strong>ung bedarf<br />

darüber h<strong>in</strong>aus aber vor allem e<strong>in</strong>er Kultur<br />

des Mite<strong>in</strong>an<strong>der</strong>-Sprechens <strong>in</strong> <strong>der</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong>tagese<strong>in</strong>richtung.<br />

K<strong>in</strong><strong>der</strong> erfahren Sprache zunächst als E<strong>in</strong>heit<br />

mit konkreten Handlungen und Situationen.<br />

Das wesentliche Element <strong>der</strong> Kommunikation<br />

besteht für sie <strong>in</strong> <strong>der</strong> Vermittlung des Inhalts<br />

(vgl. Jampert 2002, 21). Sie lernen Sprache<br />

durch Sprechen. Sprache ist immer e<strong>in</strong>gebettet<br />

<strong>in</strong> soziale Situationen. Gerd Schäfer (2003,<br />

173) betont: „Sprechen heißt: mite<strong>in</strong>an<strong>der</strong><br />

sprechen“. Um ihre sprachlichen Kompetenzen<br />

zu erweitern, müssen K<strong>in</strong><strong>der</strong> <strong>in</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong>tagese<strong>in</strong>richtungen<br />

also vor allem viele Gelegenheiten<br />

und Anregungen erhalten, mit an<strong>der</strong>en<br />

<strong>in</strong>s Gespräch zu kommen.<br />

q Wir sprechen, wenn man uns zuhört<br />

Was bewegt nun K<strong>in</strong><strong>der</strong> dazu, zu sprechen?<br />

Das folgende Beispiel aus dem Evangelischen<br />

K<strong>in</strong><strong>der</strong>garten <strong>in</strong> Quickborn liefert Anhaltspunkte.<br />

In <strong>der</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong>konferenz e<strong>in</strong>er Elementargruppe<br />

hatte sich e<strong>in</strong>e Gesprächskultur entwickelt.<br />

<strong>Die</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong> erzählten, was sie bewegte, weil<br />

sie das offensichtliche Interesse <strong>der</strong> Erzieher<strong>in</strong>nen<br />

und <strong>der</strong> an<strong>der</strong>en K<strong>in</strong><strong>der</strong> spürten. Auch<br />

e<strong>in</strong> Junge, dessen Familie gerade erst nach<br />

Deutschland e<strong>in</strong>gewan<strong>der</strong>t war, formte hier<br />

se<strong>in</strong>e ersten deutschen Worte: „Ich habe geschlafen<br />

…“ <strong>Die</strong> achtsame Aufmerksamkeit<br />

<strong>der</strong> Gruppe führte dazu, dass er <strong>in</strong> den nächsten<br />

Sitzungen diese Äußerung wie<strong>der</strong>holte,<br />

bis er endlich weitere Worte fand.<br />

Um zum Sprechen motiviert zu werden, müssen<br />

K<strong>in</strong><strong>der</strong> auf e<strong>in</strong> Gegenüber treffen, das<br />

neugierig und <strong>in</strong>teressiert an dem ist, was sie<br />

zu sagen haben. „K<strong>in</strong><strong>der</strong> brauchen Erzieher<strong>in</strong>nen,<br />

die ihnen zuhören, wenn sie ihnen etwas<br />

mitteilen wollen, und die sich darum bemühen,<br />

ihre <strong>in</strong>dividuelle Art <strong>der</strong> Mitteilung zu verstehen“<br />

(Schäfer 2003, 174).<br />

<strong>Partizipation</strong> spielt daher auch für die Sprachför<strong>der</strong>ung<br />

e<strong>in</strong>e Schlüsselrolle. Wenn sie beteiligt<br />

werden, erleben K<strong>in</strong><strong>der</strong>, „dass ihnen zugehört<br />

wird“ und „dass ihre Me<strong>in</strong>ung wichtig<br />

ist“ und entwickeln daraus „den Mut sich zu<br />

äußern“. Das jedenfalls betonten die Erzieher<strong>in</strong>nen<br />

und Erzieher am Ende des Modellprojekts<br />

(vgl. Kapitel 2.1).<br />

63


Politische Bildung und Erziehung<br />

2.3 Politische Bildung und Erziehung<br />

Politische Bildung ist e<strong>in</strong> Bestandteil des Bildungsauftrags<br />

von K<strong>in</strong><strong>der</strong>tagese<strong>in</strong>richtungen<br />

und das eigentliche Thema des Modellprojekts<br />

„<strong>Die</strong> <strong>K<strong>in</strong><strong>der</strong>stube</strong> <strong>der</strong> <strong>Demokratie</strong>“. Politik<br />

und Vorschulk<strong>in</strong><strong>der</strong> – diese beiden Begriffe<br />

sche<strong>in</strong>en zunächst nicht zusammenzupassen.<br />

Mit Politik verb<strong>in</strong>den wir vornehmlich Probleme<br />

<strong>der</strong> Arbeitsmarkt- und <strong>der</strong> F<strong>in</strong>anzpolitik,<br />

Fragen <strong>der</strong> <strong>in</strong>ternationalen Diplomatie o<strong>der</strong><br />

des globalen Umweltschutzes. Politik ist nach<br />

landläufiger Me<strong>in</strong>ung e<strong>in</strong>e Sache <strong>der</strong> Erwachsenen.<br />

Wird von politischer Bildung <strong>in</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong>tagese<strong>in</strong>richtungen<br />

gesprochen, wird schnell<br />

Indoktr<strong>in</strong>ation befürchtet.<br />

An<strong>der</strong>s als geme<strong>in</strong>h<strong>in</strong> angenommen, entwikkeln<br />

K<strong>in</strong><strong>der</strong> schon früh politische E<strong>in</strong>stellungen.<br />

Der 11. K<strong>in</strong><strong>der</strong>- und Jugendbericht verweist<br />

auf Erkenntnisse zur politischen Sozialisation,<br />

„denen zufolge politische Grunde<strong>in</strong>stellungen<br />

bis zum Alter von 12 Jahren erworben<br />

werden“ (BMFSFJ 2002, 202). Der damalige<br />

brandenburgische Bildungs- und Jugendm<strong>in</strong>ister<br />

Steffen Reiche schreibt <strong>in</strong> se<strong>in</strong>em<br />

Vorwort zu dem Buch „Bildung mit <strong>Demokratie</strong><br />

und Zärtlichkeit“ (Hoenisch / Niggemeyer<br />

2003, 7): „Lebendige <strong>Demokratie</strong> lebt davon,<br />

dass e<strong>in</strong> An<strong>der</strong>er mir nicht gleichgültig ist,<br />

son<strong>der</strong>n gleich: gleich berechtigt, gleich wertig,<br />

gleich lieb.“ <strong>Die</strong>se Erfahrung über den<br />

Wert des Menschen, den Wert <strong>der</strong> eigenen<br />

und <strong>der</strong> an<strong>der</strong>er Personen, machen K<strong>in</strong><strong>der</strong><br />

von Anfang an. Politische Bildung und Erziehung<br />

f<strong>in</strong>den damit – ob gewollt o<strong>der</strong> ungewollt<br />

– schon sehr früh statt. Sie lassen sich<br />

gar nicht vermeiden.<br />

Welche Bedeutung die K<strong>in</strong><strong>der</strong>tagese<strong>in</strong>richtung<br />

für <strong>der</strong>artige Prozesse <strong>in</strong> <strong>der</strong> Biographie e<strong>in</strong>es<br />

K<strong>in</strong>des hat, beschreibt Christa Preiss<strong>in</strong>g<br />

(2000, 81): „Neben die private Familie tritt [...]<br />

die öffentliche Institution. Ihr werden [...] weitere<br />

Institutionen folgen: Grundschule, weiterführende<br />

Schule, berufliche Bildung o<strong>der</strong> Studium.<br />

[...] Bis zur Volljährigkeit bilden diese öffentlichen<br />

Institutionen das B<strong>in</strong>deglied<br />

zwischen dem e<strong>in</strong>zelnen und <strong>der</strong> Gesellschaft.<br />

In ihnen erfährt das K<strong>in</strong>d, wer und was<br />

<strong>in</strong> unserer Gesellschaft zählt.“<br />

Der E<strong>in</strong>tritt <strong>in</strong> die öffentliche Institution K<strong>in</strong><strong>der</strong>tagesstätte<br />

stellt die K<strong>in</strong><strong>der</strong> vor neue Entwicklungsaufgaben.<br />

„Aus den z.T. sehr unterschiedlichen<br />

familiären E<strong>in</strong>zelerfahrungen <strong>der</strong><br />

K<strong>in</strong><strong>der</strong> muss <strong>in</strong> <strong>der</strong> Gruppe e<strong>in</strong> Kompromiss,<br />

e<strong>in</strong>e Balance [...] gefunden werden“ (Büttner<br />

2000, 25). In K<strong>in</strong><strong>der</strong>tagese<strong>in</strong>richtungen erleben<br />

K<strong>in</strong><strong>der</strong>, wie mit Konflikten zwischen dem<br />

e<strong>in</strong>zelnen K<strong>in</strong>d und <strong>der</strong> Gruppe umgegangen<br />

wird. <strong>Die</strong>se Erfahrungen bestimmen nicht nur<br />

die unmittelbare Bef<strong>in</strong>dlichkeit des K<strong>in</strong>des,<br />

son<strong>der</strong>n vermitteln ihm gleichzeitig erste Erfahrungen<br />

mit <strong>der</strong> grundlegenden politischen<br />

Frage nach dem Verhältnis zwischen Individuum<br />

und Gesellschaft. Insofern ist jede pädagogische<br />

Praxis, gleich wie sie sich des Problems<br />

annimmt, unausweichlich e<strong>in</strong> Beitrag<br />

zur politischen Sozialisation des K<strong>in</strong>des. Es ist<br />

deshalb unabd<strong>in</strong>gbar, schon <strong>in</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong>tagese<strong>in</strong>richtungen<br />

demokratische Prozesse bewusst<br />

zu gestalten und zu reflektieren.<br />

Politik und die politische Persönlichkeit<br />

Politik wird landläufig meist mit Bundes- o<strong>der</strong><br />

Landespolitik verbunden. <strong>Die</strong>s ist u.a. <strong>der</strong> Berichterstattung<br />

<strong>in</strong> den Medien zu verdanken,<br />

die dem überregionalen politischen Geschehen<br />

den meisten Raum widmet. <strong>Die</strong> Basis <strong>der</strong><br />

Politik ist aber das lokale politische Handeln.<br />

Wenn Politik <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er <strong>Demokratie</strong> die gleichberechtigte<br />

Gestaltung des Mite<strong>in</strong>an<strong>der</strong>-Lebens<br />

me<strong>in</strong>t, dann beg<strong>in</strong>nt Politik vor unserer<br />

Haustür, ja, f<strong>in</strong>det auch <strong>in</strong> den Familien statt.<br />

Politisches Denken und Handeln ist weit mehr<br />

als das, was <strong>in</strong> Parteien und Parlamenten geschieht.<br />

Politisches Denken und Handeln <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er <strong>Demokratie</strong><br />

baut auf drei Säulen:<br />

Verantwortung<br />

<strong>Die</strong> Antriebsfe<strong>der</strong> politischen Handelns ist<br />

e<strong>in</strong>e Haltung des „Sich-zuständig-Fühlens“<br />

und <strong>der</strong> Bereitschaft, Verantwortung zu übernehmen.<br />

Nur Menschen, denen es nicht egal<br />

ist, wie es außerhalb <strong>der</strong> eigenen vier Wände<br />

aussieht, engagieren sich politisch. Sie gehen<br />

mit offenen Augen durch ihr Geme<strong>in</strong>wesen,<br />

fühlen sich zuständig für die Probleme und die<br />

Gestaltung ihres Ortes und mischen sich e<strong>in</strong>.<br />

Dabei vertreten sie natürlich auch – und<br />

manchmal vor allem – eigene Interessen.<br />

64


Politische Bildung und Erziehung<br />

Aushandeln<br />

Politisches Handeln bedarf demokratischer<br />

Handlungskompetenzen. <strong>Die</strong> <strong>Demokratie</strong> lebt<br />

vom Aushandeln unterschiedlicher Interessen.<br />

Um <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er <strong>Demokratie</strong> politisch handeln zu<br />

können, müssen Menschen ihre eigenen<br />

Interessen kennen und vertreten können. Sie<br />

müssen die Interessen <strong>der</strong> an<strong>der</strong>en berücksichtigen<br />

wollen und können. Sie dürfen<br />

ke<strong>in</strong>e Konflikte scheuen und müssen sich<br />

achtsam streiten können. Sie müssen den<br />

Konsens o<strong>der</strong> Kompromisse suchen und es<br />

aushalten können, wenn sie sich nicht durchsetzen.<br />

Wissen<br />

Schließlich benötigt politisches Handeln auch<br />

Wissen: über die eigenen Rechte, über politische<br />

Strukturen und über politische Prozesse.<br />

Menschen, die sich für ihr Umfeld zuständig<br />

fühlen, demokratische Handlungskompetenzen<br />

entwickelt und sich politisches Wissen<br />

angeeignet haben, können als „politische Persönlichkeiten“<br />

bezeichnet werden. Sie s<strong>in</strong>d<br />

bereit und <strong>in</strong> <strong>der</strong> Lage, das politische Geschehen<br />

nicht nur zu verfolgen, son<strong>der</strong>n selbst politisch<br />

zu handeln.<br />

<strong>Die</strong> klassischen Ansätze politischer Bildung<br />

konzentrieren sich fast ausschließlich auf Wissensvermittlung.<br />

<strong>Die</strong> Zielgruppe s<strong>in</strong>d meist ältere<br />

Schüler<strong>in</strong>nen und Schüler. Ob diese das<br />

Bildungsangebot im Politikunterricht aber für<br />

ihre eigene politische Bildung nutzen, hängt<br />

wesentlich davon ab, ob sie zuvor die angesprochenen<br />

demokratischen Haltungen und<br />

Kompetenzen entwickeln konnten. Politisches<br />

Wissen ist für die politische Bildung zwar<br />

wichtig, kann ihr alle<strong>in</strong> aber nicht genügen<br />

und steht vor allem nicht an ihrem Anfang.<br />

Politische Bildung <strong>in</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong>tagese<strong>in</strong>richtungen<br />

Politische Bildung <strong>in</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong>tagese<strong>in</strong>richtungen<br />

me<strong>in</strong>t die Perspektive <strong>der</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong>. Auch politische<br />

Bildung ist Selbstbildung. Sie kann nicht<br />

gelehrt werden, sie muss von den K<strong>in</strong><strong>der</strong>n<br />

selbst handelnd erworben werden. Damit<br />

wird die Erfahrung von <strong>Partizipation</strong> zu e<strong>in</strong>em<br />

wichtigen Moment politischer Bildung. In <strong>der</strong><br />

politischen Bildung von Vorschulk<strong>in</strong><strong>der</strong>n f<strong>in</strong>den<br />

sich die genannten demokratischen Haltungen<br />

und Kompetenzen wie<strong>der</strong>.<br />

Ich b<strong>in</strong> zuständig für ...<br />

Politische Bildung f<strong>in</strong>det statt, wenn K<strong>in</strong><strong>der</strong><br />

viele Möglichkeiten haben, sich zuständig zu<br />

fühlen. K<strong>in</strong><strong>der</strong> br<strong>in</strong>gen e<strong>in</strong>e große Bereitschaft<br />

mit, sich zu engagieren und Verantwortung zu<br />

übernehmen. Schon früh wollen sie uns helfen,<br />

den Frühstückstisch zu decken. Aus<br />

Angst um das gute Porzellan o<strong>der</strong> weil es<br />

schneller geht, wenn wir das eben selbst erledigen,<br />

verweigern wir ihnen solche Gelegenheiten<br />

sich zu <strong>beteiligen</strong>, bis sie ihre ursprüngliche<br />

Lust am Helfen verloren haben – um uns<br />

dann über ihre mangelnde Hilfsbereitschaft zu<br />

beklagen. K<strong>in</strong><strong>der</strong> <strong>in</strong> ihrem Wunsch nach Selbständigkeit<br />

und Verantwortungsübernahme zu<br />

unterstützen, ist e<strong>in</strong> wichtiges Angebot politischer<br />

Bildung. Sie erfahren damit, dass man<br />

ihnen etwas zutraut und dass ihre Beiträge<br />

ernst und wichtig genommen werden.<br />

In K<strong>in</strong><strong>der</strong>tagese<strong>in</strong>richtungen gibt es zahlreiche<br />

Gelegenheiten für K<strong>in</strong><strong>der</strong>, Verantwortung zu<br />

übernehmen – für e<strong>in</strong> Tier, für e<strong>in</strong>en Raum, für<br />

die kle<strong>in</strong>e Sab<strong>in</strong>e, die erst seit e<strong>in</strong>igen Tagen<br />

<strong>in</strong> <strong>der</strong> E<strong>in</strong>richtung ist. Je mehr wir K<strong>in</strong><strong>der</strong>n<br />

diese Beteiligungsrechte zugestehen und sie<br />

dar<strong>in</strong> unterstützen, sie wahrzunehmen, desto<br />

eher s<strong>in</strong>d sie vermutlich bereit, sich später<br />

auch für an<strong>der</strong>e e<strong>in</strong>zusetzen. K<strong>in</strong><strong>der</strong> werden<br />

aber nur dann Verantwortung übernehmen,<br />

wenn sie „nicht als Pflicht gegen das Recht<br />

auf Selbstbestimmung aufgewogen o<strong>der</strong><br />

durchgesetzt wird, son<strong>der</strong>n sich erst mit den<br />

<strong>Partizipation</strong>smöglichkeiten entwickelt“ (Kazemi-Veisari<br />

1998, 13). Um e<strong>in</strong> Verantwortungsbewusstse<strong>in</strong><br />

zu entwickeln, benötigen K<strong>in</strong><strong>der</strong><br />

daher zunächst e<strong>in</strong>en Vertrauensvorschuss<br />

und e<strong>in</strong>e gehörige Portion Nachsicht seitens<br />

<strong>der</strong> Erwachsenen.<br />

Gel<strong>in</strong>gt es e<strong>in</strong>er K<strong>in</strong><strong>der</strong>tagese<strong>in</strong>richtung, e<strong>in</strong>e<br />

<strong>Partizipation</strong>skultur zu etablieren, wird dieses<br />

„Sich-zuständig-Fühlen“ für K<strong>in</strong><strong>der</strong> selbstverständlich.<br />

Wer, wenn nicht wir, ist dafür zuständig,<br />

das Sommerfest zu planen? Wer,<br />

wenn nicht wir, entscheidet darüber, wie die<br />

65


Politische Bildung und Erziehung<br />

Räume e<strong>in</strong>gerichtet werden? <strong>Partizipation</strong><br />

macht selbstbewusst und unabhängiger. K<strong>in</strong><strong>der</strong>,<br />

die ihr Mitspracherecht erfahren haben,<br />

warten nicht, bis an<strong>der</strong>e für sie entschieden<br />

haben, son<strong>der</strong>n mischen sich sofort e<strong>in</strong>. Das<br />

erfuhr e<strong>in</strong>e Erzieher<strong>in</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong>tagese<strong>in</strong>richtung<br />

Oslor<strong>in</strong>g <strong>in</strong> Kiel, <strong>in</strong> <strong>der</strong> die K<strong>in</strong><strong>der</strong><br />

zuvor an <strong>der</strong> Planung <strong>der</strong> Innene<strong>in</strong>richtung<br />

des Kita-Neubaus beteiligt worden waren. Als<br />

sie den K<strong>in</strong><strong>der</strong>n mitteilte, dass sie <strong>in</strong> den Baumarkt<br />

fahren wolle, um das bestellte Material<br />

abzuholen, freuten sich die K<strong>in</strong><strong>der</strong>: „Oh, ja, da<br />

kommen wir natürlich mit!“ Derartige Erfahrungen<br />

bilden e<strong>in</strong> solides Fundament für den<br />

weiteren politischen Bildungsweg <strong>der</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong>.<br />

Ich weiß, wie wir uns e<strong>in</strong>igen<br />

Politische Bildung erwerben K<strong>in</strong><strong>der</strong>, wenn sie<br />

<strong>in</strong> den K<strong>in</strong><strong>der</strong>tagese<strong>in</strong>richtungen die Möglichkeit<br />

haben, demokratische Handlungskompetenzen<br />

zu entwickeln. Um gegensätzliche<br />

Interessen aushandeln, um sich konstruktiv<br />

streiten zu können, benötigen sie die von<br />

Christa Preiss<strong>in</strong>g (2000, 84 ff.) benannten<br />

„Grundqualifikationen für e<strong>in</strong> demokratisches<br />

<strong>in</strong>teraktives Handeln“: Selbstpräsentation und<br />

Empathie, sowie Frustrationstoleranz und Ambiguitätstoleranz.<br />

Das s<strong>in</strong>d Kompetenzen,<br />

<strong>der</strong>en Erwerb aus biographischer Sicht sehr<br />

früh beg<strong>in</strong>nt, und zwar <strong>in</strong>dem sie erfahren und<br />

erlebt werden. <strong>Die</strong> <strong>Partizipation</strong> <strong>der</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong><br />

bietet dazu vielfältige Anlässe. So machten<br />

die K<strong>in</strong><strong>der</strong> im Modellprojekt Erfahrungen<br />

damit, Diskussionen zu führen und Gruppengespräche<br />

zu leiten, lernten unterschiedliche<br />

Verfahren <strong>der</strong> Entscheidungsf<strong>in</strong>dung <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er<br />

Gruppe kennen und erlebten, wie trotz unterschiedlicher<br />

Interessen geme<strong>in</strong>same Lösungen<br />

gefunden wurden, ohne jemanden auszugrenzen.<br />

Im Anschluss an die Projektteilnahme überlegten<br />

die K<strong>in</strong><strong>der</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> Hortgruppe <strong>der</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong>tagese<strong>in</strong>richtung<br />

Oslor<strong>in</strong>g geme<strong>in</strong>sam mit den<br />

Erzieher<strong>in</strong>nen, wofür die Mittel aus dem<br />

Haushaltsposten „Pädagogischer Sachbedarf“<br />

im laufenden Haushaltsjahr ausgegeben werden<br />

sollten. <strong>Die</strong> Jungen for<strong>der</strong>ten lautstark,<br />

dass die Anschaffung <strong>der</strong> Fußballtore aus<br />

dem Katalog Vorrang vor allem an<strong>der</strong>en haben<br />

müsse. <strong>Die</strong> Mädchen rechneten nach und legten<br />

Wi<strong>der</strong>spruch e<strong>in</strong>, weil damit <strong>der</strong> Etat fast<br />

erschöpft wäre. Nach zähen Verhandlungen<br />

e<strong>in</strong>igten sie sich darauf, Holz und Nägel zu<br />

kaufen, um selber Fußballtore anzufertigen.<br />

Sie hatten ihre unterschiedlichen Interessen<br />

ausgehandelt und e<strong>in</strong>e Lösung gefunden, die<br />

alle zufrieden stellte.<br />

Ich weiß etwas über Politik ...<br />

Ganz nebenbei erfassen die K<strong>in</strong><strong>der</strong> auch politische<br />

Zusammenhänge und erwerben Wissen<br />

über Politik. Obwohl die Erzieher<strong>in</strong>nen und Erzieher<br />

<strong>in</strong> den Modelle<strong>in</strong>richtungen die Vermittlung<br />

politischen Wissens nicht <strong>in</strong> den Vor<strong>der</strong>grund<br />

stellten, erfuhren die K<strong>in</strong><strong>der</strong> <strong>in</strong> den Projekten<br />

durchaus etwas über politische<br />

Strukturen.<br />

Sie lernten politisch handelnde Menschen <strong>in</strong><br />

ihrer Geme<strong>in</strong>de kennen – beispielsweise den<br />

Itzehoer Stadtmanager, <strong>der</strong> e<strong>in</strong>em Mädchen<br />

aus dem IzzKizz-K<strong>in</strong><strong>der</strong>garten ans Herz wuchs,<br />

„weil <strong>der</strong> so gut riecht“ – und präsentierten<br />

wie <strong>in</strong> Tarp ihre Vorstellungen <strong>in</strong> politischen<br />

Gremien. Durch diese sehr persönlichen Erfahrungen<br />

begriffen sie auch abstraktere politische<br />

Zusammenhänge, wie die folgende Geschichte<br />

zeigt.<br />

Als die Leiter<strong>in</strong> des ADS-K<strong>in</strong><strong>der</strong>gartens den<br />

K<strong>in</strong><strong>der</strong>n erzählte, dass <strong>in</strong> Tarp e<strong>in</strong>e neue Bürgermeister<strong>in</strong><br />

gewählt worden sei, fragte e<strong>in</strong><br />

jüngeres K<strong>in</strong>d, was noch ’mal e<strong>in</strong>e Bürgermeister<strong>in</strong><br />

sei. Ältere K<strong>in</strong><strong>der</strong> hatten den Wahlvorgang<br />

wie<strong>der</strong>erkannt und stellten fest, dass die<br />

Bürgermeister<strong>in</strong> die Vorsitzende des Ortes ist,<br />

66


Politische Bildung und Erziehung<br />

wie Lukas und Jil die Vorsitzenden<br />

des K<strong>in</strong><strong>der</strong>parlaments<br />

s<strong>in</strong>d. Nach e<strong>in</strong>er<br />

Bedenksekunde fragte e<strong>in</strong><br />

Mädchen nachdenklich:<br />

„Und was ist mit dem<br />

Herrn Schrö<strong>der</strong>?“ Und geme<strong>in</strong>sam<br />

erkannten sie,<br />

dass <strong>der</strong> Herr Schrö<strong>der</strong> als<br />

Bundeskanzler <strong>der</strong> Vorsitzende<br />

von Deutschland<br />

ist. Sie hatten e<strong>in</strong>e Parallele<br />

gezogen von ihren eigenen<br />

Erfahrungen mit dem<br />

K<strong>in</strong><strong>der</strong>parlament im K<strong>in</strong><strong>der</strong>garten<br />

über die Begegnung<br />

mit den Organen <strong>der</strong><br />

kommunalen Selbstverwaltung bis zu den politischen<br />

Strukturen <strong>der</strong> Bundesrepublik.<br />

<strong>Die</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong>tagese<strong>in</strong>richtung als polis<br />

<strong>Die</strong> Laborschule Bielefeld hat diesen Zusammenhang<br />

zwischen politischer Bildung<br />

und Pädagogik früh erkannt. <strong>Die</strong> Schule wurde<br />

als Modell e<strong>in</strong>er politisch verfassten Geme<strong>in</strong>schaft<br />

entwickelt: „<strong>Die</strong> Schule ist e<strong>in</strong>e polis.<br />

Man lernt am Modell dieser Geme<strong>in</strong>schaft die<br />

Grundbed<strong>in</strong>gungen des friedlichen, gerechten,<br />

geregelten und verantworteten Zusammenlebens<br />

und alle Schwierigkeiten, die dies bereitet“<br />

(Hentig 1993, 222 f.). „<strong>Die</strong> polis – das ist<br />

für kle<strong>in</strong>e K<strong>in</strong><strong>der</strong> und auch noch für Jugendliche<br />

zunächst e<strong>in</strong>mal die Gruppe, <strong>in</strong> <strong>der</strong> sie<br />

leben, sodann die größere Geme<strong>in</strong>schaft – <strong>der</strong><br />

Nachbargruppen, des Jahrgangs, <strong>der</strong> Stufe –<br />

und bei selteneren Gelegenheiten auch die<br />

gesamte community <strong>der</strong> Schule“ (Groeben<br />

2000, 116). <strong>Die</strong> Schule soll – so ihr langjähriger<br />

Leiter Hartmut von Hentig – im Kle<strong>in</strong>en<br />

das große Geme<strong>in</strong>wesen wi<strong>der</strong>spiegeln. In<br />

dieser polis können die Schüler<strong>in</strong>nen und<br />

Schüler e<strong>in</strong>e gereifte Persönlichkeit ausbilden<br />

und demokratisches Denken und Handeln e<strong>in</strong>üben.<br />

Absolventen <strong>der</strong> Laborschule sollten<br />

e<strong>in</strong>en Beitrag zu e<strong>in</strong>er „besseren“ Gesellschaft<br />

leisten können und wollen. <strong>Die</strong> Strukturen,<br />

<strong>der</strong> Unterricht und das Mite<strong>in</strong>an<strong>der</strong> an<br />

<strong>der</strong> Schule wurden auf diese Ziele h<strong>in</strong> ausgerichtet.<br />

Auch die K<strong>in</strong><strong>der</strong>tagese<strong>in</strong>richtung kann als polis<br />

verstanden werden. Auch hier können K<strong>in</strong><strong>der</strong><br />

im Kle<strong>in</strong>en demokratisches Denken und Handeln<br />

erfahren und e<strong>in</strong>üben. Dazu müssen sie<br />

regelmäßig <strong>in</strong> die Entscheidungen <strong>der</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong>tagese<strong>in</strong>richtung<br />

e<strong>in</strong>bezogen werden.<br />

<strong>Die</strong> KiTa Waldstraße <strong>in</strong> P<strong>in</strong>neberg und <strong>der</strong><br />

Evangelische K<strong>in</strong><strong>der</strong>garten <strong>in</strong> Quickborn gaben<br />

sich Verfassungen, <strong>in</strong> denen die Mitspracherechte<br />

<strong>der</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong> und <strong>der</strong> Erwachsenen detailliert<br />

geregelt s<strong>in</strong>d. Ihr fö<strong>der</strong>alistischer Aufbau<br />

ähnelt sich sehr, wenngleich die Entscheidungsstrukturen<br />

<strong>in</strong>dividuell auf die jeweiligen<br />

Verhältnisse <strong>in</strong> den E<strong>in</strong>richtungen zugeschnitten<br />

wurden. <strong>Die</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong>, die Eltern und das<br />

Team können sich nunmehr an nahezu allen<br />

Entscheidungen <strong>in</strong> <strong>der</strong> E<strong>in</strong>richtung <strong>beteiligen</strong>.<br />

Ausgenommen haben die Mitarbeiter<strong>in</strong>nen<br />

und Mitarbeiter <strong>in</strong> beiden E<strong>in</strong>richtungen („vorerst!“)<br />

lediglich Personalentscheidungen.<br />

In so e<strong>in</strong>em Kontext wird den K<strong>in</strong><strong>der</strong>n auch<br />

die Verantwortung, die sie mit ihren E<strong>in</strong>flussmöglichkeiten<br />

übernehmen, schnell bewusst.<br />

Wie ernsthaft und reflektiert sie von ihren Mitspracherechten<br />

Gebrauch machen, musste<br />

e<strong>in</strong> Junge <strong>in</strong> P<strong>in</strong>neberg erleben, <strong>der</strong> unbed<strong>in</strong>gt<br />

<strong>in</strong> den K<strong>in</strong><strong>der</strong>rat gewählt werden wollte, nachdem<br />

er erfahren hatte, dass dort entschieden<br />

wird, wofür das Geld <strong>der</strong> E<strong>in</strong>richtung ausgegeben<br />

werden soll. Bevor sie ihn wählen würden,<br />

teilten ihm die K<strong>in</strong><strong>der</strong> se<strong>in</strong>er Gruppe mit,<br />

müsse er – an<strong>der</strong>s als bisher – erst e<strong>in</strong>mal regelmäßig<br />

an den Gruppenkonferenzen teilnehmen.<br />

Dass Rechte mit Verantwortung verbunden<br />

s<strong>in</strong>d, war <strong>in</strong> diesem Fall e<strong>in</strong>e Erkenntnis<br />

<strong>der</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong> – eben e<strong>in</strong> Ergebnis politischer<br />

Selbst-Bildung. <strong>Die</strong>se Erkenntnis konnten die<br />

K<strong>in</strong><strong>der</strong> aber nur erlangen, weil ihnen ihre Mitspracherechte<br />

zuvor bed<strong>in</strong>gungslos zugestanden<br />

worden waren.<br />

Politische Erziehung <strong>in</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong>tagese<strong>in</strong>richtungen<br />

Wir wenden uns nun e<strong>in</strong>em Aspekt zu, den<br />

wir bisher vernachlässigt haben, weil es uns<br />

bezüglich <strong>der</strong> Zusammenhänge zwischen <strong>Partizipation</strong><br />

und Bildung vornehmlich um die<br />

Selbstbildungsprozesse <strong>der</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong> und <strong>der</strong>en<br />

wirkungsvolle Unterstützung durch die Erwachsenen<br />

g<strong>in</strong>g. Insbeson<strong>der</strong>e im H<strong>in</strong>blick<br />

67


Politische Bildung und Erziehung<br />

auf die politische Bildung nachfolgen<strong>der</strong> Generationen<br />

aber darf die Frage nicht außer<br />

Acht gelassen werden, wie es unter diesen<br />

Bed<strong>in</strong>gungen gel<strong>in</strong>gen kann, legitime gesellschaftliche<br />

Interessen (etwa die Zustimmung<br />

zur <strong>Demokratie</strong>) an die K<strong>in</strong><strong>der</strong> weiter zu<br />

geben.<br />

Das Modellprojekt „Zum Bildungsauftrag von<br />

K<strong>in</strong><strong>der</strong>tagese<strong>in</strong>richtungen“ unterscheidet zwischen<br />

Bildung als Leistung <strong>der</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong> und Erziehung<br />

als Beitrag <strong>der</strong> Erwachsenen. „Wenn<br />

Bildung Sache des K<strong>in</strong>des wäre, bliebe Erziehung<br />

die <strong>der</strong> Pädagogen“ (Laewen 2002 a,<br />

48). Obwohl die Polarität, die damit diesen<br />

Begriffen zugeschrieben wird, nicht unumstritten<br />

ist, hilft sie doch, die jeweiligen Anteile<br />

<strong>der</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong> und <strong>der</strong> Erwachsenen am k<strong>in</strong>dlichen<br />

Bildungsprozess differenzierter wahrzunehmen.<br />

Letztlich ist auch für Hans-Joachim<br />

Laewen (2002 a, 47) Bildung „nur als kooperatives<br />

Projekt zwischen Erwachsenen und K<strong>in</strong><strong>der</strong>n<br />

möglich.“<br />

Bildung als Selbstbildung ist e<strong>in</strong>e <strong>in</strong>dividuelle<br />

Konstruktionsleistung <strong>der</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong>, bei <strong>der</strong> soziale<br />

und materiale Umwelt<strong>in</strong>formationen<br />

selbsttätig verarbeitet werden. Auch die Persönlichkeit,<br />

die E<strong>in</strong>stellungen und das Verhalten<br />

<strong>der</strong> Erziehenden stellen dabei bedeutende<br />

Konstruktionsangebote für die K<strong>in</strong><strong>der</strong> dar. Was<br />

immer wir Erwachsenen tun, wie wir K<strong>in</strong><strong>der</strong>n<br />

begegnen, was wir von ihnen erwarten o<strong>der</strong><br />

ihnen vorleben – sie verwerten es. Aber wir<br />

wissen nie, auf welche Weise das geschieht:<br />

ob sie sich mit uns identifizieren o<strong>der</strong> sich von<br />

uns abgrenzen o<strong>der</strong> unsere Angebote verwerfen<br />

und sich ganz an<strong>der</strong>s orientieren.<br />

Durch die E<strong>in</strong>stellungen und das Verhalten <strong>der</strong><br />

Erwachsenen werden die K<strong>in</strong><strong>der</strong> auch mit gesellschaftlichen<br />

Normen und Werten konfrontiert.<br />

Auf welche Weise diese Vorbil<strong>der</strong> <strong>in</strong> die<br />

k<strong>in</strong>dlichen Konstruktionen e<strong>in</strong>gebaut werden,<br />

hängt vermutlich stark damit zusammen, wie<br />

authentisch (glaubwürdig, ehrlich) und wie attraktiv<br />

sich die jeweiligen Erwachsenen präsentieren.<br />

Dabei schadet es nicht, wenn sie<br />

unterschiedliche Positionen vertreten, solange<br />

es ihnen gel<strong>in</strong>gt mit ihren Differenzen konstruktiv<br />

umzugehen. Im Gegenteil: <strong>Die</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong><br />

profitieren aus dieser Une<strong>in</strong>igkeit <strong>der</strong> Erwachsenen,<br />

da sie sie dazu zw<strong>in</strong>gt, ihre eigenen<br />

Positionen zu differenzieren (vgl. Kle<strong>in</strong> 2001).<br />

Um die Bildungsanstrengungen <strong>der</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong><br />

durch Erziehung konstruktiv zu beantworten,<br />

müssen die Erwachsenen nicht nur anregende<br />

Lernumwelten schaffen und die Interaktionen<br />

mit den K<strong>in</strong><strong>der</strong>n dialogisch gestalten, son<strong>der</strong>n<br />

auch ihre eigenen Wertvorstellungen klären<br />

und die Authentizität ihres Verhaltens prüfen.<br />

Das gilt <strong>in</strong> beson<strong>der</strong>em Maße für die politische<br />

Erziehung.<br />

q Politische Erziehung verlangt e<strong>in</strong>e Reflexion<br />

<strong>der</strong> eigenen politischen E<strong>in</strong>stellungen<br />

Während es die Sache <strong>der</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong> ist, sich mit<br />

den politischen Bildungsangeboten selbsttätig<br />

ause<strong>in</strong>an<strong>der</strong> zu setzen, sich also zu bilden, ist<br />

es die Sache <strong>der</strong> Erwachsenen, zu entscheiden,<br />

welche Ziele ihnen für die politische Erziehung<br />

<strong>der</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong> wichtig s<strong>in</strong>d. Politische Bildung<br />

und politische Erziehung s<strong>in</strong>d zwei Seiten<br />

e<strong>in</strong>er Medaille. Damit sich K<strong>in</strong><strong>der</strong> mit<br />

politischen Themen ause<strong>in</strong>an<strong>der</strong>setzen können,<br />

brauchen sie Erwachsene, die eigene politische<br />

E<strong>in</strong>stellungen haben und die die K<strong>in</strong><strong>der</strong><br />

damit konfrontieren – o<strong>der</strong>, wie Hans-Joachim<br />

Laewen (2002 a) sagt, die sie ihnen<br />

zumuten.<br />

Welche Ziele könnte also e<strong>in</strong>e demokratische<br />

politische Erziehung <strong>in</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong>tagese<strong>in</strong>richtungen<br />

verfolgen? In Reggio Emilia begann nach<br />

dem Ende des Faschismus 1945 die Entwicklung<br />

e<strong>in</strong>er neuen pädagogischen Konzeption<br />

<strong>der</strong> öffentlichen K<strong>in</strong><strong>der</strong>betreuung mit <strong>der</strong><br />

Frage: „Woh<strong>in</strong> wollen wir unsere K<strong>in</strong><strong>der</strong> erziehen?“<br />

(Dreier 1999, 48). Auch <strong>in</strong> Deutschland<br />

ist <strong>der</strong> Auftrag <strong>der</strong> Jugendhilfe gleichermaßen<br />

e<strong>in</strong> pädagogischer wie e<strong>in</strong> politischer: die Erziehung<br />

zu e<strong>in</strong>er eigenverantwortlichen und<br />

68


Politische Bildung und Erziehung<br />

geme<strong>in</strong>schaftsfähigen Persönlichkeit (§ 1<br />

KJHG). Populär ausgedrückt bedeutet das<br />

nichts an<strong>der</strong>es, als K<strong>in</strong><strong>der</strong> und Jugendliche<br />

dabei zu unterstützen, mit sich und mit <strong>der</strong><br />

Gesellschaft zurecht zu kommen, und sie<br />

dazu zu befähigen, die Gesellschaft mit zu gestalten.<br />

Im Situationsansatz wie <strong>in</strong> <strong>der</strong> Reggio-Pädagogik<br />

f<strong>in</strong>det diese politische Ausrichtung <strong>der</strong> pädagogischen<br />

Arbeit ihren Nie<strong>der</strong>schlag, <strong>in</strong>dem<br />

„Autonomie“ und „Solidarität“ als vornehmste<br />

Erziehungsziele postuliert werden. „Autonomie“,<br />

schreibt Jürgen Zimmer (2000, 14),<br />

„bedeutet Selbstbestimmung, Unabhängigkeit,<br />

Eigen<strong>in</strong>itiative, Selbständigkeit.“ Und<br />

„das Ziel e<strong>in</strong>er Erziehung zur Solidarität verweist<br />

darauf, dass wir nicht alle<strong>in</strong> auf <strong>der</strong> Welt<br />

s<strong>in</strong>d, son<strong>der</strong>n geme<strong>in</strong>sam mit an<strong>der</strong>en<br />

leben“.<br />

<strong>Die</strong> Erziehungsziele Autonomie und Solidarität<br />

wi<strong>der</strong>sprechen sich nicht. Jesper Juul (1997,<br />

93) bestreitet vehement, „dass es zwischen<br />

dem Bedarf des Individuums, se<strong>in</strong>e Integrität<br />

zu wahren und zu entwickeln, und dem geme<strong>in</strong>schaftlichen<br />

/ gesellschaftlichen Bedürfnis<br />

nach Organisation und Entwicklung e<strong>in</strong>en<br />

fast unüberw<strong>in</strong>dlichen Gegensatz gibt. [...]<br />

Vieles deutet darauf, dass das Gegenteil <strong>der</strong><br />

Fall ist: <strong>Die</strong> Fürsorge für die Integrität des K<strong>in</strong>des<br />

/ Individuums ist e<strong>in</strong>e Bed<strong>in</strong>gung für die<br />

gesunde Entwicklung von Geme<strong>in</strong>schaften.<br />

Es gibt ke<strong>in</strong> kollektives Wohlbef<strong>in</strong>den, wenn<br />

es sich nicht auf e<strong>in</strong> <strong>in</strong>dividuelles Wohlbef<strong>in</strong>den<br />

gründen kann.“ E<strong>in</strong>e Pädagog<strong>in</strong> aus<br />

Reggio formuliert es e<strong>in</strong>facher: „Wenn e<strong>in</strong><br />

K<strong>in</strong>d nicht ‚ich’ und ‚me<strong>in</strong>’ sagen kann, wie<br />

soll es dann ‚du’ und ‚unser’ sagen?“ (nach<br />

Dreier 1999, 155).<br />

Autonomie und Solidarität bed<strong>in</strong>gen sich<br />

gegenseitig und werden heute mehr denn je<br />

gebraucht, sowohl vom Individuum als auch<br />

von e<strong>in</strong>er demokratischen Gesellschaft. E<strong>in</strong>e<br />

gelungene Identitätsentwicklung erfor<strong>der</strong>t angesichts<br />

von Individualisierungs- und Vere<strong>in</strong>zelungstendenzen<br />

mehr denn je e<strong>in</strong>e Balance<br />

von Autonomie und Beziehungsfähigkeit. Und<br />

die <strong>Demokratie</strong> als Staatsform ist angesichts<br />

<strong>der</strong> Machte<strong>in</strong>bußen nationaler Regierungen<br />

mehr denn je darauf angewiesen, dass ihre<br />

Grundwerte Freiheit, Gerechtigkeit und Solidarität<br />

von je<strong>der</strong> und jedem E<strong>in</strong>zelnen getragen<br />

werden (vgl. Beck 1999). Pädagog<strong>in</strong>nen und<br />

Pädagogen s<strong>in</strong>d also herausgefor<strong>der</strong>t, gleichermaßen<br />

ihre <strong>in</strong>dividuellen und ihre politischen<br />

Erziehungsziele zu klären.<br />

Damit stellt sich für K<strong>in</strong><strong>der</strong>tagese<strong>in</strong>richtungen<br />

die Frage, <strong>in</strong>wieweit e<strong>in</strong>e <strong>in</strong>tensive Ause<strong>in</strong>an<strong>der</strong>setzung<br />

<strong>der</strong> pädagogischen Fachkräfte<br />

über ihre <strong>in</strong>dividuellen Grundwerte zum Ausgangspunkt<br />

ihrer erzieherischen Arbeit gemacht<br />

wird. E<strong>in</strong>e demokratische politische Erziehung<br />

verlangt e<strong>in</strong>en demokratischen Grundwertekanon.<br />

Können sich die Erzieher<strong>in</strong>nen<br />

und Erzieher auf e<strong>in</strong>en Wertekanon verständigen,<br />

<strong>der</strong> die allgeme<strong>in</strong>en Menschenrechte,<br />

die beson<strong>der</strong>en K<strong>in</strong><strong>der</strong>rechte und die Verpflichtung<br />

zu e<strong>in</strong>er ökologisch, sozial und ökonomisch<br />

nachhaltigen Lebensweise berücksichtigt<br />

und an dem die konkrete Gestaltung<br />

<strong>der</strong> pädagogischen Praxis immer wie<strong>der</strong><br />

aufs neue gemessen wird?<br />

Um sich politisch bilden zu können, brauchen<br />

K<strong>in</strong><strong>der</strong> Erwachsene, die auch ihnen die Ause<strong>in</strong>an<strong>der</strong>setzung<br />

mit diesen Themen als wichtige<br />

Fragen des Lebens zumuten und die dazu<br />

Positionen beziehen, mit an<strong>der</strong>en Worten: die<br />

erziehen. Wie die K<strong>in</strong><strong>der</strong> diese Erziehung<br />

durch Bildungsprozesse beantworten, steht<br />

auf e<strong>in</strong>em an<strong>der</strong>en Blatt.<br />

q Politische Erziehung verlangt politische<br />

Erwachsene<br />

Politische Bildung <strong>in</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong>tagese<strong>in</strong>richtungen<br />

muss durch e<strong>in</strong>e politische Erziehung begleitet<br />

werden. Analog zu den o.g. Punkten<br />

braucht e<strong>in</strong>e demokratische politische Erziehung<br />

Erzieher<strong>in</strong>nen und Erzieher mit folgenden<br />

Haltungen und Kompetenzen:<br />

E<strong>in</strong> authentisches Gegenüber se<strong>in</strong><br />

Politische Erziehung braucht Erzieher<strong>in</strong>nen<br />

und Erzieher, die sich ihrer eigenen Werte bewusst<br />

s<strong>in</strong>d, sie authentisch vertreten und engagiert<br />

kommunizieren. Politische Erziehung<br />

braucht Erzieher<strong>in</strong>nen und Erzieher, die den<br />

K<strong>in</strong><strong>der</strong>n e<strong>in</strong>e kompetente Ause<strong>in</strong>an<strong>der</strong>setzung<br />

mit diesen Themen zutrauen und zumuten.<br />

69


Was brauchen K<strong>in</strong><strong>der</strong>, um sich <strong>beteiligen</strong> zu können?<br />

Politische Erziehung braucht Erzieher<strong>in</strong>nen<br />

und Erzieher, die davon überzeugt s<strong>in</strong>d, dass<br />

K<strong>in</strong><strong>der</strong> Rechte haben und diese ihren pädagogischen<br />

Planungen zu Grunde legen.<br />

Aushandlungsprozesse gestalten können<br />

Politische Erziehung braucht Erzieher<strong>in</strong>nen<br />

und Erzieher, die über demokratische Handlungskompetenzen<br />

verfügen und <strong>in</strong> <strong>der</strong> Lage<br />

s<strong>in</strong>d, demokratische Prozesse zu mo<strong>der</strong>ieren.<br />

Das verlangt auch konkrete Methodenkenntnisse:<br />

Wie werden K<strong>in</strong><strong>der</strong>gespräche mo<strong>der</strong>iert?<br />

Wie kann den K<strong>in</strong><strong>der</strong> das für e<strong>in</strong>e Entscheidung<br />

notwendige Wissen vermittelt werden,<br />

ohne zu manipulieren? Wie können<br />

Abstimmungen durchgeführt und die Ergebnisse<br />

be-greif-bar gemacht werden? Und vieles<br />

mehr.<br />

Sich politisches Wissen aneignen<br />

Politische Erziehung <strong>in</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong>tagese<strong>in</strong>richtungen<br />

braucht auch Wissen über vor allem kommunale<br />

politische und adm<strong>in</strong>istrative Strukturen.<br />

Wer muss e<strong>in</strong>bezogen werden, wenn die<br />

K<strong>in</strong><strong>der</strong> an <strong>der</strong> Planung des neuen Außengeländes<br />

beteiligt werden sollen? Wer muss gewonnen<br />

werden, um e<strong>in</strong>e Verkehrsberuhigung<br />

vor <strong>der</strong> E<strong>in</strong>richtung durchzusetzen? Welches<br />

Wissen jeweils benötigt wird, ergibt sich<br />

immer aus den konkreten Fragestellungen.<br />

q Pädagogik ist immer politisch<br />

Da <strong>der</strong> Gegenstand <strong>der</strong> Pädagogik die Beziehung<br />

zwischen Menschen mit verschiedener<br />

Lebenserfahrung und ungleich verteilter<br />

Macht ist, muss sie sich immer die Frage<br />

nach den Rechten <strong>der</strong> Beteiligten stellen. Der<br />

Pädagoge He<strong>in</strong>rich Kupffer (1980, 19) formuliert<br />

die Kernfrage, die jede Pädagog<strong>in</strong> und<br />

je<strong>der</strong> Pädagoge für sich beantwortet haben<br />

muss: „Welche Konstellation zwischen ungleichen<br />

Partnern halten wir für angemessen?“ –<br />

mit an<strong>der</strong>en Worten: Haben K<strong>in</strong><strong>der</strong> und Jugendliche<br />

e<strong>in</strong> Recht auf Teilhabe?<br />

<strong>Die</strong> Beantwortung dieser Frage hat immer<br />

auch e<strong>in</strong>e politische Dimension. <strong>Die</strong> Art und<br />

Weise, wie wir mit K<strong>in</strong><strong>der</strong>n und Jugendlichen<br />

kommunizieren, wie wir sie <strong>beteiligen</strong> an den<br />

Entscheidungen, die ihr eigenes Leben und<br />

das <strong>der</strong> Geme<strong>in</strong>schaft betreffen, ist immer<br />

gleichzeitig auch politische Erziehung und ermöglicht<br />

den K<strong>in</strong><strong>der</strong>n und Jugendlichen politische<br />

Bildungsprozesse. E<strong>in</strong>e gel<strong>in</strong>gende <strong>Partizipation</strong><br />

von K<strong>in</strong><strong>der</strong>n und Jugendlichen ist <strong>der</strong><br />

Schlüssel zu e<strong>in</strong>er demokratischen Weiterentwicklung<br />

<strong>der</strong> Gesellschaft.<br />

2.4. Was brauchen K<strong>in</strong><strong>der</strong>, um sich <strong>beteiligen</strong><br />

zu können?<br />

„Das könnt ihr gar nicht alle<strong>in</strong> bestimmen<br />

...“ – diesen und ähnliche Sätze hörten die Erzieher<strong>in</strong>nen<br />

und Erzieher <strong>in</strong> den Modelle<strong>in</strong>richtungen<br />

im Laufe <strong>der</strong> Projekte immer öfter.<br />

Den K<strong>in</strong><strong>der</strong>n waren ihre Beteiligungsrechte<br />

bewusster geworden. Sie nahmen sie im Alltag<br />

selbstverständlich wahr, wenn sie etwa im<br />

neuen K<strong>in</strong><strong>der</strong>restaurant <strong>der</strong> AWO-K<strong>in</strong><strong>der</strong>tagesstätte<br />

„Hanna Lucas“ <strong>in</strong> Wedel darauf bestanden,<br />

sich selbst ihre Portionen aufzufüllen;<br />

und sie for<strong>der</strong>ten sie selbstbewusst e<strong>in</strong>, wenn<br />

sie e<strong>in</strong>mal nicht beteiligt wurden, beispielsweise<br />

von <strong>der</strong> Erzieher<strong>in</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong>tagese<strong>in</strong>richtung<br />

Oslor<strong>in</strong>g <strong>in</strong> Kiel, die ohne sie die<br />

Materialien für die geme<strong>in</strong>sam beschlossene<br />

E<strong>in</strong>richtung des Ateliers aus dem Baumarkt<br />

holen wollte: „Da kommen wir natürlich<br />

mit!“. Mehr und mehr nahmen sie ihre eigenen<br />

Angelegenheiten <strong>in</strong> die Hand.<br />

<strong>Die</strong> <strong>Partizipation</strong> <strong>der</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong> hat sich als<br />

Schlüssel zu Bildung und <strong>Demokratie</strong> erwiesen.<br />

Sie hat zu bee<strong>in</strong>druckenden Selbstbildungsprozessen<br />

geführt. <strong>Die</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong> haben<br />

ihre allgeme<strong>in</strong>e Handlungsfähigkeit und ihre<br />

demokratischen Kompetenzen sichtbar erweitert.<br />

Wir wollen am Ende dieses Kapitels<br />

noch e<strong>in</strong>mal rekapitulieren, was diese bemerkenswerten<br />

Entwicklungen bewirkt hat. <strong>Die</strong>se<br />

Beobachtungen lassen darauf schließen, was<br />

K<strong>in</strong><strong>der</strong> brauchen, um sich <strong>beteiligen</strong> zu können,<br />

nämlich:<br />

– Menschen, die ihnen zuhören<br />

– Menschen, die sich für ihre Weltsicht <strong>in</strong>teressieren<br />

– Menschen, die ihre Beiträge ernst nehmen<br />

– Möglichkeiten, ihre eigenen Bildungswege<br />

zu gehen<br />

– Entscheidungsspielräume – auch <strong>in</strong> Fragen,<br />

die die Erwachsenen berühren<br />

– Unterstützung bei <strong>der</strong> Me<strong>in</strong>ungsbildung<br />

– Erwachsene, die auch ihre Interessen e<strong>in</strong>br<strong>in</strong>gen<br />

– Erwachsene, die – wenn es denn se<strong>in</strong><br />

muss – auch den „Mut zum Besserwissen“<br />

haben.<br />

Um sich <strong>beteiligen</strong> zu können, brauchen<br />

K<strong>in</strong><strong>der</strong> Menschen, die ihnen zuhören, die<br />

sich für ihre Weltsicht <strong>in</strong>teressieren und<br />

die ihre Beiträge ernst nehmen<br />

Der K<strong>in</strong><strong>der</strong>- und Jugendbuchautor Michael<br />

Ende (1973) beschreibt „e<strong>in</strong>e ungewöhnliche<br />

Eigenschaft“ <strong>der</strong> Titelheld<strong>in</strong> se<strong>in</strong>es Märchen-<br />

Romans „Momo“: „Was die kle<strong>in</strong>e Momo<br />

70


Was brauchen K<strong>in</strong><strong>der</strong>, um sich <strong>beteiligen</strong> zu können?<br />

konnte wie ke<strong>in</strong> an<strong>der</strong>er, das war: Zuhören.“<br />

<strong>Die</strong>s sche<strong>in</strong>t zunächst ke<strong>in</strong>e beson<strong>der</strong>e Fertigkeit.<br />

Wir alle neigen zu <strong>der</strong> Annahme: „Zuhören<br />

zu können ist doch nichts beson<strong>der</strong>es, zuhören<br />

kann doch je<strong>der</strong>.“ <strong>Die</strong> Erzieher<strong>in</strong>nen<br />

und Erzieher aus <strong>der</strong> KiTa Waldstraße <strong>in</strong> P<strong>in</strong>neberg<br />

mussten erkennen, dass dem nicht so<br />

ist. <strong>Die</strong> Videoaufnahmen <strong>der</strong> ersten K<strong>in</strong><strong>der</strong>konferenzen<br />

<strong>in</strong> den Gruppen <strong>der</strong> E<strong>in</strong>richtung<br />

offenbarten, dass die Gespräche mit den K<strong>in</strong><strong>der</strong>n<br />

sehr unterschiedlich verlaufen waren und<br />

dass dafür das unterschiedliche Verhalten <strong>der</strong><br />

Erwachsenen, die die Gespräche mo<strong>der</strong>ierten,<br />

e<strong>in</strong>e ausschlaggebende Rolle gespielt hatte.<br />

In den Gesprächsrunden, <strong>in</strong> denen es bereits<br />

zu e<strong>in</strong>er lebhafteren Beteiligung <strong>der</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong> gekommen<br />

war, war bei den Erzieher<strong>in</strong>nen o<strong>der</strong><br />

Erziehern etwas von Momos Kunst des Zuhörens<br />

zu erkennen gewesen. <strong>Die</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong> hatten<br />

sich davon <strong>in</strong>spirieren lassen.<br />

„Momo konnte so zuhören, dass dummen<br />

Leuten plötzlich sehr gescheite Gedanken<br />

kamen. Nicht etwa, weil sie etwas sagte<br />

o<strong>der</strong> fragte, was den an<strong>der</strong>en auf solche<br />

Gedanken brachte, ne<strong>in</strong>, sie saß nur da<br />

und hörte e<strong>in</strong>fach zu, mit aller Aufmerksamkeit<br />

und aller Anteilnahme. Dabei<br />

schaute sie den an<strong>der</strong>en mit ihren großen<br />

Augen an, und <strong>der</strong> Betreffende fühlte, wie<br />

<strong>in</strong> ihm auf e<strong>in</strong>mal Gedanken auftauchten,<br />

von denen er nie geahnt hatte, dass sie <strong>in</strong><br />

ihm steckten.<br />

[...] Und wenn jemand me<strong>in</strong>te, se<strong>in</strong> Leben<br />

sei ganz verfehlt und bedeutungslos und<br />

er selbst nur irgende<strong>in</strong>er unter Millionen,<br />

e<strong>in</strong>er, auf den es überhaupt nicht ankommt<br />

und <strong>der</strong> ebenso schnell ersetzt<br />

werden kann wie e<strong>in</strong> kaputter Topf – und<br />

er g<strong>in</strong>g h<strong>in</strong> und erzählte all das <strong>der</strong> kle<strong>in</strong>en<br />

Momo, dann wurde ihm, noch während er<br />

redete, auf geheimnisvolle Weise klar,<br />

dass er sich gründlich irrte, dass es ihn,<br />

genauso wie er war, unter allen Menschen<br />

nur e<strong>in</strong> e<strong>in</strong>ziges Mal gab und dass er deshalb<br />

auf se<strong>in</strong>e beson<strong>der</strong>e Weise für die<br />

Welt wichtig war.<br />

So konnte Momo zuhören!“<br />

(Ende 1973)<br />

Wenn die Erwachsenen <strong>in</strong> den K<strong>in</strong><strong>der</strong>konferenzen<br />

<strong>in</strong> P<strong>in</strong>neberg den K<strong>in</strong><strong>der</strong>n so zugehört<br />

hatten – mit aller Aufmerksamkeit und aller<br />

Anteilnahme, mit e<strong>in</strong>er Haltung, die Neugier<br />

und Interesse ausdrückten an dem, was das<br />

K<strong>in</strong>d zu sagen hatte, und ihm signalisierten,<br />

dass se<strong>in</strong> Beitrag e<strong>in</strong>malig und wertvoll sei –<br />

dann hatten die K<strong>in</strong><strong>der</strong> begonnen sich mitzuteilen.<br />

Manchmal waren sie trotz alledem zögerlich<br />

– vielleicht waren sie es nicht gewohnt,<br />

dass ihnen so zugehört wurde. Aber je<br />

deutlicher sie spürten, dass die Erwachsenen<br />

nicht die Geduld verloren und ihnen beharrlich<br />

das Zutrauen entgegenbrachten, dass sie<br />

etwas zum jeweiligen Thema beizutragen hätten,<br />

desto mutiger schienen sie ihre Hemmschwellen<br />

zu überw<strong>in</strong>den.<br />

Und sie begannen zu erzählen – ausschweifend,<br />

abweichend und für die Erzieher<strong>in</strong>nen<br />

und Erzieher nicht immer verständlich.<br />

Manchmal benutzten sie Worte, von <strong>der</strong>en<br />

Bedeutung sie bislang nur e<strong>in</strong>e ungefähre Vorstellung<br />

hatten, erprobten ihren Gebrauch und<br />

korrigierten nebenbei ihr Verständnis, wenn<br />

die Erwachsenen nachfragten, um Verstehen<br />

bemüht, ohne sie durch e<strong>in</strong>e direkte Verbesserung<br />

zu tadeln.<br />

Zuhören ist <strong>in</strong> <strong>der</strong> pädagogischen Beziehung<br />

ke<strong>in</strong>e passive Tätigkeit <strong>der</strong> Erwachsenen.<br />

Zum Aktiven Zuhören gehört <strong>der</strong> Versuch des<br />

Verstehens, <strong>der</strong> Versuch, den Beitrag (sei er<br />

verbal o<strong>der</strong> nonverbal) aus <strong>der</strong> Perspektive<br />

des K<strong>in</strong>des nachzuvollziehen und sich des eigenen<br />

Verständnisses zu vergewissern. Damit<br />

gehört zum Aktiven Zuhören auch das Antworten<br />

des Erwachsenen, das wie<strong>der</strong> zu e<strong>in</strong>er<br />

Antwort <strong>der</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong> führt. Denn „erst die Antwort<br />

<strong>der</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong> auf die Antwort [<strong>der</strong> Erwachsenen,<br />

d.A.] zeigt, ob wirklich etwas von dem<br />

verstanden wurde, was das K<strong>in</strong>d geme<strong>in</strong>t hat.<br />

Der Versuch zur wechselseitigen Verständigung<br />

bildet die Basis je<strong>der</strong> Pädagogik <strong>der</strong> frühen<br />

K<strong>in</strong>dheit“ (Schäfer 2003, 127).<br />

Das spürbare Bemühen <strong>der</strong> Erwachsenen, die<br />

Sicht <strong>der</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong> auf die Welt zu erfassen,<br />

brachte die Kommunikation <strong>in</strong> Gang. Dass<br />

ihnen zugehört wurde, sagte den K<strong>in</strong><strong>der</strong>n,<br />

dass ihre Gedanken ke<strong>in</strong> Uns<strong>in</strong>n s<strong>in</strong>d und motivierte<br />

sie zum Sprechen. Und die Erwachsenen<br />

erlebten, wie im folgenden Beispiel, dass<br />

<strong>in</strong> den zunächst bisweilen uns<strong>in</strong>nig kl<strong>in</strong>genden<br />

Aussagen <strong>der</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong> meist doch e<strong>in</strong> S<strong>in</strong>n verborgen<br />

lag.<br />

„Wir brauchen e<strong>in</strong> großes Klo“, murrte e<strong>in</strong><br />

dreijähriges Mädchen <strong>in</strong> <strong>der</strong> neuerbauten K<strong>in</strong><strong>der</strong>tagese<strong>in</strong>richtung<br />

Oslor<strong>in</strong>g <strong>in</strong> Kiel. <strong>Die</strong> Erzieher<strong>in</strong><br />

wun<strong>der</strong>te sich aufrichtig. Der Waschraum<br />

war großzügig gestaltet worden; es gab<br />

Toiletten <strong>in</strong> verschiedenen Größen. Was wollte<br />

das Mädchen sagen? <strong>Die</strong> Erzieher<strong>in</strong> blickte<br />

sie erstaunt an, fragte nach: „Ist dir das Klo zu<br />

kle<strong>in</strong>?“ und erfuhr so, dass es immer wie<strong>der</strong><br />

71


Was brauchen K<strong>in</strong><strong>der</strong>, um sich <strong>beteiligen</strong> zu können?<br />

zu Ause<strong>in</strong>an<strong>der</strong>setzungen um die Zahnputzbecher<br />

kam, weil die K<strong>in</strong><strong>der</strong> sich mit <strong>der</strong> neuen<br />

Ordnung noch nicht zurechtfanden.<br />

Verstanden zu werden ist e<strong>in</strong>e notwendige,<br />

aber noch ke<strong>in</strong>e h<strong>in</strong>reichende Bed<strong>in</strong>gung für<br />

<strong>Partizipation</strong>. Wenn die Erzieher<strong>in</strong> die Klage<br />

des Mädchens zwar zur Kenntnis nimmt, aber<br />

<strong>der</strong>artige Gespräche ke<strong>in</strong>e Folgen haben, ist<br />

zu befürchten, dass die Motivation des K<strong>in</strong>des,<br />

sich mitzuteilen, bald wie<strong>der</strong> nachlassen<br />

wird. Dem K<strong>in</strong>d schien es ja darum zu gehen,<br />

die unbefriedigende Situation im Waschraum<br />

zu verän<strong>der</strong>n. Wenn die Erzieher<strong>in</strong> dieses Anliegen<br />

ernst nimmt, wird sie weiterfragen:<br />

„Und? Was denkst du? Was könnten wir<br />

tun?“<br />

So unterstützten die Erzieher<strong>in</strong>nen des ADS-<br />

K<strong>in</strong><strong>der</strong>gartens <strong>in</strong> Tarp die K<strong>in</strong><strong>der</strong> dabei, e<strong>in</strong>en<br />

für sie bedeutsamen Sachverhalt <strong>der</strong> kommunalen<br />

Selbstverwaltung vorzutragen. E<strong>in</strong>er <strong>der</strong><br />

Ausflüge im Rahmen <strong>der</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong>ortsplan-Entwicklung<br />

hatte sie auf e<strong>in</strong>en Spielplatz geführt,<br />

auf dem e<strong>in</strong> Schild mit e<strong>in</strong>em durchgestrichenen<br />

Hund an e<strong>in</strong>er Schaukel angebracht<br />

war. <strong>Die</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong> wun<strong>der</strong>ten sich:<br />

„Dürfen Hunde hier nicht schaukeln?“ <strong>Die</strong> Erzieher<strong>in</strong>nen<br />

mutmaßten, dass das Schild eher<br />

bedeuten solle, dass ke<strong>in</strong>e Hunde auf den<br />

Spielplatz dürften. <strong>Die</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong> waren empört.<br />

Dann müsse das Schild am E<strong>in</strong>gang des Spielplatzes<br />

angebracht werden, aber nicht an <strong>der</strong><br />

Schaukel. <strong>Die</strong> Erzieher<strong>in</strong>nen wiesen darauf<br />

h<strong>in</strong>, dass <strong>der</strong> Sozialausschuss für die Spielplätze<br />

zuständig sei, und die K<strong>in</strong><strong>der</strong> beschlossen,<br />

ihre Beschwerde <strong>der</strong> ihnen bereits bekannten<br />

Vorsitzenden des Sozialausschusses mitzuteilen.<br />

<strong>Die</strong>se nahm ihr Anliegen ernst und veranlasste,<br />

dass das Schild umgehängt wurde –<br />

e<strong>in</strong>e umsichtige Reaktion, die die K<strong>in</strong><strong>der</strong> dar<strong>in</strong><br />

bestärkt haben dürfte, ihre Interessen auch<br />

weiterh<strong>in</strong> öffentlich zu äußern und damit ihre<br />

<strong>Partizipation</strong>srechte wahrzunehmen.<br />

Um sich <strong>beteiligen</strong> zu können, brauchen<br />

K<strong>in</strong><strong>der</strong> Möglichkeiten, ihre eigenen<br />

Bildungswege zu gehen<br />

<strong>Partizipation</strong> und Bildung s<strong>in</strong>d, wie wir gesehen<br />

haben, eng mite<strong>in</strong>an<strong>der</strong> verknüpft. Nicht<br />

nur, dass erfolgreiche (Selbst-)Bildung <strong>Partizipation</strong><br />

verlangt, auch werden demokratische<br />

Haltungen und politische Handlungsfähigkeit<br />

<strong>in</strong> Selbstbildungsprozessen erworben. Dabei<br />

muss es nicht immer um explizit politische<br />

Themen gehen. Sich zuständig zu fühlen und<br />

unterschiedliche Vorstellungen mite<strong>in</strong>an<strong>der</strong><br />

auszuhandeln, also die Bereitschaft und die<br />

Fähigkeit sich zu <strong>beteiligen</strong>, entwickeln K<strong>in</strong><strong>der</strong><br />

<strong>in</strong> <strong>der</strong> geme<strong>in</strong>samen Ause<strong>in</strong>an<strong>der</strong>setzung mit<br />

allen möglichen Themen, sofern sie dabei ihre<br />

eigenen Bildungswege gehen können.<br />

K<strong>in</strong><strong>der</strong>n ihre eigenen Bildungswege zuzugestehen,<br />

bedeutet, sie sowohl an <strong>der</strong> Auswahl<br />

<strong>der</strong> Bildungs<strong>in</strong>halte als auch an <strong>der</strong> Gestaltung<br />

<strong>der</strong> Bildungsprozesse zu <strong>beteiligen</strong>. Als die<br />

K<strong>in</strong><strong>der</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> DRK-K<strong>in</strong><strong>der</strong>tagesstätte Turnstraße<br />

<strong>in</strong> Elmshorn sich die Phänomene<br />

„K<strong>in</strong>o“ und „Wachsen“ erarbeiteten (vgl. Kapitel<br />

1.2 und 2.2), haben sie die Themen, die<br />

Inhalte und die Methoden <strong>der</strong> Projekte mitbe-<br />

72


Was brauchen K<strong>in</strong><strong>der</strong>, um sich <strong>beteiligen</strong> zu können?<br />

stimmt. Dabei s<strong>in</strong>d sie aus Erwachsenen-Sicht<br />

auf Um- und Abwege geraten und, zum<strong>in</strong>dest<br />

was die Erklärung des Wachsens angeht, zu<br />

e<strong>in</strong>deutig falschen Ergebnissen gekommen.<br />

<strong>Die</strong>ser Aspekt löste bei Elternabenden <strong>in</strong> den<br />

Modelle<strong>in</strong>richtungen, bei denen das Modellprojekt<br />

vorgestellt wurde, deutliches Befremden<br />

aus. „Wenn me<strong>in</strong> K<strong>in</strong>d mir sagt, dass <strong>der</strong><br />

Wal e<strong>in</strong> Fisch ist, muss ich das doch korrigieren.<br />

Das ist doch falsch.“ <strong>Die</strong>se Äußerung<br />

e<strong>in</strong>er Mutter war Anlass, k<strong>in</strong>dliche Bildungsprozesse<br />

anhand ihres Beispiels noch e<strong>in</strong>mal<br />

kritisch zu reflektieren.<br />

Was mag es bei e<strong>in</strong>em K<strong>in</strong>d auslösen, wenn<br />

wir se<strong>in</strong>e Aussage, <strong>der</strong> Wal sei e<strong>in</strong> Fisch, korrigieren?<br />

Vielleicht wird es die Information<br />

„Der Wal ist ke<strong>in</strong> Fisch, son<strong>der</strong>n e<strong>in</strong> Säugetier“<br />

abspeichern und sich bereits während<br />

unserer Erörterung <strong>der</strong> Unterschiede zwischen<br />

Kiemen- und Lungenatmung wie<strong>der</strong> an<strong>der</strong>en<br />

D<strong>in</strong>gen zuwenden. Auf jeden Fall wird<br />

es aber e<strong>in</strong>e an<strong>der</strong>e Nachricht registrieren.<br />

<strong>Die</strong>se lautet: „Me<strong>in</strong>e Sicht <strong>der</strong> Welt ist falsch.<br />

<strong>Die</strong> Erwachsenen wissen es besser. Es wird<br />

nicht honoriert, wenn ich selber nachdenke.“<br />

Der Forschergeist des K<strong>in</strong>des und se<strong>in</strong>e Lust<br />

mitzureden werden durch diese Rückmeldung<br />

sicher nicht bestärkt.<br />

Fragen wir stattdessen erstaunt: „Warum<br />

denkst du, dass <strong>der</strong> Wal e<strong>in</strong> Fisch ist?“, kann<br />

sich das K<strong>in</strong>d entscheiden. Es kann die<br />

Zwischenfrage kurz abwehren „Ist doch klar:<br />

Er lebt im Wasser!“ und das Thema weiterverfolgen,<br />

dass es zu dieser Aussage veranlasste.<br />

Es kann aber auch unseren Zweifel an<br />

se<strong>in</strong>er Weltwahrnehmung heraushören und<br />

darauf e<strong>in</strong>gehen. Dann könnte e<strong>in</strong> geme<strong>in</strong>samer<br />

Forschungsprozess beg<strong>in</strong>nen.<br />

Das bedeutet nicht, dass wir e<strong>in</strong>er aus unserer<br />

Sicht falschen Deutung zustimmen sollten,<br />

wenn das K<strong>in</strong>d nicht an e<strong>in</strong>er weiteren Klärung<br />

<strong>in</strong>teressiert sche<strong>in</strong>t. Aber es genügt, unsere<br />

Zweifel leise anzudeuten: „Ja? Me<strong>in</strong>st<br />

du?“ und unser Wissen – wie Lothar Kle<strong>in</strong><br />

und Herbert Vogt (2000, 102 f.) es<br />

ausdrücken – „<strong>in</strong> <strong>der</strong> Schwebe“ zu halten.<br />

Erst wenn das K<strong>in</strong>d uns direkt fragt, ob <strong>der</strong><br />

Wal e<strong>in</strong> Fisch sei, kann es e<strong>in</strong>e Antwort erwarten.<br />

Aber auch an <strong>der</strong> Suche nach dieser<br />

Antwort kann das K<strong>in</strong>d beteiligt werden:<br />

„Woran könnten wir das feststellen? Was<br />

spricht dafür? Was spricht dagegen?“<br />

Entscheidend ist, dass das K<strong>in</strong>d sich aus eigenem<br />

Antrieb auf die Nachforschung e<strong>in</strong>lässt.<br />

Ist es momentan gar nicht daran <strong>in</strong>teressiert,<br />

die Klassen des Tierreichs zu differenzieren,<br />

wird es sich kaum lohnen, ihm e<strong>in</strong>e Ause<strong>in</strong>an<strong>der</strong>setzung<br />

über die Zuordnung des Wals<br />

zur Klasse <strong>der</strong> Fische o<strong>der</strong> <strong>der</strong> Säugetiere aufzudrängen.<br />

Dann nämlich werden die an<strong>der</strong>en<br />

Botschaften schwerer wiegen: die <strong>der</strong> eigenen<br />

Unkenntnis und <strong>der</strong> Besserwisserei <strong>der</strong><br />

Erwachsenen.<br />

<strong>Die</strong> Bildungsgeschichten aus den Projekten <strong>in</strong><br />

<strong>der</strong> DRK-K<strong>in</strong><strong>der</strong>tagesstätte Turnstraße sprechen<br />

dafür, dass die „richtige“ Erkenntnis<br />

nicht <strong>der</strong> e<strong>in</strong>zige und vielfach auch nicht <strong>der</strong><br />

wichtigste Gew<strong>in</strong>n von Bildungsprozessen <strong>in</strong><br />

K<strong>in</strong><strong>der</strong>tagese<strong>in</strong>richtungen ist. <strong>Die</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong> werden<br />

nicht <strong>in</strong> <strong>der</strong> Überzeugung altern, dass<br />

menschliches Wachstum durch Rollen bewirkt<br />

wird. Unser Weltwissen – nicht nur das <strong>der</strong><br />

Siebenjährigen – ist immer e<strong>in</strong> vorläufiges. Galileis<br />

berühmter Ausspruch „Und sie bewegt<br />

sich doch!“ (nämlich die Erde um die Sonne)<br />

zeugt davon, dass das Weltbild menschlicher<br />

Kulturen sich immer wie<strong>der</strong> wandelt. Heute<br />

zw<strong>in</strong>gt uns die Quantenphysik, uns von vertrauten<br />

Gewissheiten unserer Alltagserfahrung<br />

zu verabschieden. „Das Weltbild steht<br />

überhaupt nicht fest“, sagt <strong>der</strong> renommierte<br />

Quantenphysiker Anton Zeil<strong>in</strong>ger (2003) im<br />

Klappentext se<strong>in</strong>es Buches „E<strong>in</strong>ste<strong>in</strong>s<br />

Schleier“. „Wir haben gerade erst begonnen<br />

darüber nachzudenken.“ Bildungsför<strong>der</strong>ung <strong>in</strong><br />

K<strong>in</strong><strong>der</strong>tagese<strong>in</strong>richtungen sollte daher vor<br />

allem dem Nachdenken, dem Forschen des<br />

K<strong>in</strong>des selbst Raum geben – auch wenn dabei<br />

aus Erwachsenen-Sicht Umwege beschritten<br />

werden und <strong>in</strong> <strong>der</strong> e<strong>in</strong>en o<strong>der</strong> an<strong>der</strong>en Sackgasse<br />

wie<strong>der</strong> umgekehrt werden muss.<br />

Um sich <strong>beteiligen</strong> zu können, brauchen<br />

K<strong>in</strong><strong>der</strong> Entscheidungsspielräume – auch <strong>in</strong><br />

Fragen, die Erwachsene berühren – und<br />

Unterstützung bei <strong>der</strong> Me<strong>in</strong>ungsbildung<br />

<strong>Partizipation</strong> bedeutet, Entscheidungen zu teilen<br />

und Probleme geme<strong>in</strong>sam zu lösen. Wenn<br />

die Beteiligung von K<strong>in</strong><strong>der</strong>n <strong>in</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong>tagese<strong>in</strong>richtungen<br />

ernst geme<strong>in</strong>t ist und nicht nur<br />

„<strong>Partizipation</strong>s-Spielwiesen“ eröffnet werden<br />

sollen, müssen die Erwachsenen bereit se<strong>in</strong>,<br />

e<strong>in</strong>en Teil ihrer Entscheidungs- und Gestaltungsmacht<br />

abzugeben und anstehende Probleme<br />

offen zu legen. <strong>Die</strong> atemlose Span-<br />

73


Was brauchen K<strong>in</strong><strong>der</strong>, um sich <strong>beteiligen</strong> zu können?<br />

sie zu thematisieren. <strong>Die</strong> öffentliche E<strong>in</strong>führung<br />

<strong>der</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong>räte zeigte ihnen e<strong>in</strong>e solche<br />

Möglichkeit auf.<br />

nung, mit <strong>der</strong> die Erzieher<strong>in</strong>nen und Erzieher<br />

<strong>in</strong> <strong>der</strong> AWO-K<strong>in</strong><strong>der</strong>tagesstätte „Hanna Lucas“<br />

<strong>in</strong> Wedel <strong>der</strong> Verteilung <strong>der</strong> Funktionsecken <strong>in</strong><br />

<strong>der</strong> E<strong>in</strong>richtung entgegenfieberten, zeugte<br />

davon, wie sehr das Thema des Beteiligungsprojekts<br />

auch ihnen am Herzen lag. <strong>Die</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong><br />

registrierten die Bedeutung, die dem geme<strong>in</strong>samen<br />

Entscheidungsprozess beigemessen<br />

wurde, und beteiligten sich mit großer Ernsthaftigkeit<br />

und Kreativität. So lösten sie u.a.<br />

das Problem <strong>der</strong> Erwachsenen mit <strong>der</strong> E<strong>in</strong>führung<br />

e<strong>in</strong>es K<strong>in</strong><strong>der</strong>restaurants, <strong>in</strong>dem sie vorschlugen,<br />

zwei kle<strong>in</strong>e Restaurants e<strong>in</strong>zurichten,<br />

so dass dafür ke<strong>in</strong> großer Gruppenraum<br />

geopfert werden musste (vgl. Kapitel 1.2).<br />

Damit die K<strong>in</strong><strong>der</strong> die ihnen zugestandenen<br />

Entscheidungsspielräume nutzen können,<br />

müssen sie ihnen explizit bekannt gegeben<br />

werden. Nur wenn K<strong>in</strong><strong>der</strong> ihre Rechte kennen,<br />

können sie sie auch wahrnehmen. In <strong>der</strong><br />

KiTa Waldstraße <strong>in</strong> P<strong>in</strong>neberg wurden den K<strong>in</strong><strong>der</strong>n<br />

während e<strong>in</strong>es großen Festes die neue<br />

„Verfassung“ und ihre konkreten Mitspracherechte<br />

<strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Theaterstück vorgestellt. Bereits<br />

<strong>in</strong> <strong>der</strong> ersten Sitzung e<strong>in</strong>es <strong>der</strong> drei K<strong>in</strong><strong>der</strong>räte<br />

<strong>der</strong> E<strong>in</strong>richtung brachten die Delegierten<br />

<strong>der</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong>gruppen das Anliegen vor, zu<br />

den Mahlzeiten wie<strong>der</strong> Fleischgerichte angeboten<br />

zu bekommen (vgl. Kapitel 1.2). Dass<br />

ihre E<strong>in</strong>gabe so kurzfristig erfolgte, deutet darauf<br />

h<strong>in</strong>, dass diese Frage sie bereits zuvor<br />

beschäftigt, es aber bislang ke<strong>in</strong> Forum gegeben<br />

hatte, <strong>in</strong> dem es sich angeboten hätte,<br />

Mit dem Zugeständnis und <strong>der</strong> Veröffentlichung<br />

von Entscheidungsspielräumen ist es<br />

allerd<strong>in</strong>gs nicht getan, denn jede Entscheidung<br />

verlangt zuvor e<strong>in</strong>en Me<strong>in</strong>ungsbildungsprozess.<br />

Der Entwicklungspsychologe Rolf<br />

Oerter (2001, 39 ff.) weist darauf h<strong>in</strong>, dass<br />

das Denken des K<strong>in</strong>des sich nach neueren Erkenntnissen<br />

qualitativ nicht wesentlich von<br />

dem des Erwachsenen unterscheidet, dass<br />

K<strong>in</strong><strong>der</strong> aber über viel weniger Erfahrungen<br />

und Wissen verfügen als Erwachsene. Um zu<br />

abgewogenen Urteilen zu gelangen, sei <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />

Regel aber e<strong>in</strong> enormes Wissen nötig. Das<br />

bedeutet e<strong>in</strong>erseits, dass K<strong>in</strong><strong>der</strong> grundsätzlich<br />

an allen Entscheidungen beteiligt werden können,<br />

an<strong>der</strong>erseits aber auch, dass ihnen das<br />

Wissen für alle komplexeren Entscheidungen<br />

altersangemessen zur Verfügung gestellt werden<br />

muss. Altersangemessen bedeutet für<br />

K<strong>in</strong><strong>der</strong>garten-K<strong>in</strong><strong>der</strong> <strong>in</strong> diesem Zusammenhang<br />

möglichst konkret, mit den S<strong>in</strong>nen<br />

be-greif-bar, direkt an die k<strong>in</strong>dliche Erfahrungswelt<br />

anknüpfend.<br />

Bevor die K<strong>in</strong><strong>der</strong> die Innene<strong>in</strong>richtung <strong>der</strong><br />

neuen K<strong>in</strong><strong>der</strong>tagese<strong>in</strong>richtung Oslor<strong>in</strong>g <strong>in</strong> Kiel<br />

planen konnten, mussten sie zunächst ihre<br />

Vorstellungen darüber, wie e<strong>in</strong>e K<strong>in</strong><strong>der</strong>tagese<strong>in</strong>richtung<br />

von <strong>in</strong>nen aussehen kann über<br />

ihren begrenzten Erfahrungshorizont h<strong>in</strong>aus<br />

erweitern. Schließlich kannten sie bislang<br />

außer ihrer alten E<strong>in</strong>richtung kaum e<strong>in</strong>e K<strong>in</strong><strong>der</strong>tagesstätte.<br />

<strong>Die</strong>ser Prozess kann durch<br />

Ausflüge <strong>in</strong> Werkstätten, Ateliers, Labors<br />

unterstützt werden. Im Modellprojekt wurden<br />

die Ausflüge <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Diavortrag simuliert.<br />

<strong>Die</strong> E<strong>in</strong>drücke des Diavortrags wurden <strong>in</strong> kle<strong>in</strong>en<br />

Gruppen weiter bearbeitet. <strong>Die</strong> Dias<br />

konnten dabei als Papierabzüge noch e<strong>in</strong>mal<br />

<strong>in</strong> die Hand genommen, h<strong>in</strong>- und hergeschoben<br />

und sortiert werden. Nach und nach erfassten<br />

die K<strong>in</strong><strong>der</strong> die Möglichkeiten, die<br />

ihnen die Planungsbeteiligung bot, ergänzten<br />

dann konstruktiv die Vorschläge und setzten<br />

souverän und situationsangemessen ihre Prioritäten<br />

(vgl. Kapitel 1.2).<br />

Um sich <strong>beteiligen</strong> zu können, brauchen<br />

K<strong>in</strong><strong>der</strong> Erwachsene, die auch ihre Interessen<br />

e<strong>in</strong>br<strong>in</strong>gen und die – wenn es denn<br />

se<strong>in</strong> muss – auch den „Mut zum Besserwissen“<br />

haben<br />

Nicht nur um gesellschaftlich relevante Themen<br />

<strong>in</strong> die Erziehung <strong>der</strong> nachfolgenden Generation<br />

e<strong>in</strong>fließen zu lassen, müssen auch<br />

74


Was brauchen K<strong>in</strong><strong>der</strong>, um sich <strong>beteiligen</strong> zu können?<br />

die Erwachsenen ihre Interessen <strong>in</strong> die Beteiligungsprozesse<br />

mit den K<strong>in</strong><strong>der</strong>n e<strong>in</strong>br<strong>in</strong>gen.<br />

<strong>Die</strong> Raumgestaltungen <strong>in</strong> <strong>der</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong>tagese<strong>in</strong>richtung<br />

Oslor<strong>in</strong>g und <strong>der</strong> AWO-K<strong>in</strong><strong>der</strong>tagesstätte<br />

„Hanna Lucas“ hätten ohne die <strong>in</strong>haltliche<br />

Beteiligung <strong>der</strong> Erzieher<strong>in</strong>nen und Erzieher<br />

gar nicht geplant werden können, da sie ja<br />

anschließend die Gestaltung <strong>der</strong> Funktionsecken<br />

<strong>in</strong> ihren Gruppenräumen koord<strong>in</strong>ieren<br />

und diese (Bildungs-)Angebote als Expert<strong>in</strong>nen<br />

und Experten für ihren speziellen Bereich<br />

mit ihren <strong>in</strong>dividuellen Kenntnissen bereichern<br />

sollten. Als es also um die Frage g<strong>in</strong>g, welche<br />

Funktionsecken <strong>in</strong> welchen Gruppenräumen<br />

verwirklicht werden sollten, konnten sie nicht<br />

nur, sie mussten ihre Vorstellungen <strong>in</strong> den geme<strong>in</strong>samen<br />

Entscheidungsprozess e<strong>in</strong>br<strong>in</strong>gen.<br />

K<strong>in</strong><strong>der</strong> brauchen – weit über diese pädagogisch-didaktischen<br />

Erwägungen<br />

h<strong>in</strong>ausgehend – für die Entwicklung eigener<br />

Positionen Erwachsene, die e<strong>in</strong> authentisches<br />

Gegenüber darstellen und ihnen Reibungsflächen<br />

bieten. Das K<strong>in</strong>d als Partner <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em<br />

gleichberechtigten Dialog ernst zu nehmen,<br />

verlangt nicht nur, ihm zuzuhören, son<strong>der</strong>n<br />

gleichermaßen eigene Positionen zu vertreten,<br />

ohne sie allerd<strong>in</strong>gs dem K<strong>in</strong>d aufzw<strong>in</strong>gen<br />

zu wollen. Nur wenn diese beiden Voraussetzungen<br />

erfüllt s<strong>in</strong>d, können Aushandlungsprozesse<br />

zwischen Erwachsenen und K<strong>in</strong><strong>der</strong>n –<br />

und damit <strong>Partizipation</strong> – stattf<strong>in</strong>den.<br />

Mit wie viel Kompetenz und Engagement sich<br />

K<strong>in</strong><strong>der</strong> auf <strong>der</strong>artige Ause<strong>in</strong>an<strong>der</strong>setzungen<br />

e<strong>in</strong>lassen können, bewies im Modellprojekt<br />

sehr e<strong>in</strong>drucksvoll <strong>der</strong> Junge <strong>in</strong> <strong>der</strong> AWO-K<strong>in</strong><strong>der</strong>tagesstätte<br />

„Hanna Lucas“, <strong>der</strong> sich<br />

gegenüber den Erzieher<strong>in</strong>nen argumentativ<br />

damit durchsetzen konnte, dass <strong>der</strong> Musikraum<br />

im großen Bewegungsraum<br />

untergebracht<br />

werden sollte, weil dort<br />

auch genug Platz zum<br />

Tanzen wäre (vgl. Kapitel<br />

1.2). Als am nächsten<br />

Morgen die Leiter<strong>in</strong> <strong>der</strong><br />

E<strong>in</strong>richtung, die am Vortag<br />

nicht im Hause gewesen<br />

war, die Plakate begutachtete,<br />

auf denen die Ergebnisse<br />

<strong>der</strong> Verhandlungen<br />

präsentiert wurden, äußerte<br />

sie sich irritiert:<br />

„Was ist das denn? Was<br />

habt ihr denn da gemacht?“<br />

Es war etwas<br />

entstanden, was so gar<br />

nicht den Vorüberlegungen <strong>der</strong> Erwachsenen<br />

entsprach. Neben ihr stand <strong>der</strong> Junge, <strong>der</strong><br />

zuvor so souverän die Verhandlungen geführt<br />

hatte. Freundlich wandte er sich jetzt an sie:<br />

„Das habe ich mir gedacht, dass ich dir das<br />

auch noch mal erklären muss.“<br />

<strong>Die</strong> Beteiligung <strong>der</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong> verlangt e<strong>in</strong>en offenen<br />

Dialog zwischen gleichberechtigten Partnern.<br />

Wie weit Erwachsene sich aber auch<br />

immer auf die Beteiligung <strong>der</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong> e<strong>in</strong>lassen,<br />

behalten sie doch die Verantwortung für<br />

die dabei entstehenden Prozesse. Obwohl es<br />

im Modellprojekt ke<strong>in</strong>en Anlass dafür gab, soll<br />

an dieser Stelle nicht unerwähnt bleiben, dass<br />

diese Verantwortung <strong>der</strong> Erwachsenen ihnen<br />

auch den „Mut zum Besserwissen“ abfor<strong>der</strong>t,<br />

wenn die Selbstbestimmung <strong>der</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong> dazu<br />

führt, dass sie sich gar zu viel zumuten o<strong>der</strong><br />

sich und an<strong>der</strong>e gefährden. <strong>Die</strong> Bereitschaft<br />

<strong>der</strong> Erwachsenen, die Notbremse zu ziehen,<br />

bietet den K<strong>in</strong><strong>der</strong>n die notwendige Sicherheit<br />

für e<strong>in</strong>e selbstbestimmte Entwicklung, auch<br />

und gerade, wenn davon selten Gebrauch gemacht<br />

wird.<br />

Im vorausgegangenen Kapitel wurde deutlich,<br />

dass K<strong>in</strong><strong>der</strong>, um sich <strong>beteiligen</strong> zu können, Erwachsene<br />

brauchen, die K<strong>in</strong><strong>der</strong> ernst nehmen,<br />

die <strong>der</strong> forschenden und gestaltenden<br />

Ause<strong>in</strong>an<strong>der</strong>setzung <strong>der</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong> mit ihrer Lebenswelt<br />

mit dem zurückhaltenden Verzicht<br />

auf voreilige Erklärungen begegnen, die die<br />

Entscheidungen <strong>der</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong> durch e<strong>in</strong> größtmögliches<br />

Maß an Informationen absichern<br />

und die bei alledem ihre Verantwortung behalten.<br />

Wie den Erwachsenen das gel<strong>in</strong>gen<br />

kann, darum geht es im nächsten Kapitel.<br />

75


Beteiligung beg<strong>in</strong>nt <strong>in</strong> den Köpfen <strong>der</strong> Erwachsenen – Herausfor<strong>der</strong>ungen für Pädagog<strong>in</strong>nen und Pädagogen<br />

3. Beteiligung beg<strong>in</strong>nt <strong>in</strong> den Köpfen <strong>der</strong> Erwachsenen –<br />

Herausfor<strong>der</strong>ungen für Pädagog<strong>in</strong>nen und Pädagogen<br />

Wir s<strong>in</strong>d nie an die Grenzen <strong>der</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong>, immer<br />

wie<strong>der</strong> aber an die Grenzen <strong>der</strong> Erwachsenen<br />

gestoßen – so lassen sich die Erfahrungen im<br />

Modellprojekt „<strong>Die</strong> <strong>K<strong>in</strong><strong>der</strong>stube</strong> <strong>der</strong> <strong>Demokratie</strong>“<br />

zusammenfassen. <strong>Die</strong> verme<strong>in</strong>tlichen<br />

Grenzen <strong>der</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong> entpuppten sich bei näherem<br />

H<strong>in</strong>sehen als Probleme <strong>der</strong> Erwachsenen,<br />

ihnen die nötigen <strong>Partizipation</strong>sräume zuzugestehen<br />

o<strong>der</strong> die Beteiligung methodisch<br />

adäquat zu gestalten. <strong>Die</strong> Erzieher<strong>in</strong>nen und<br />

Erzieher h<strong>in</strong>gegen waren immer wie<strong>der</strong> mit<br />

Grundsatzfragen über ihre pädagogische Praxis<br />

konfrontiert. <strong>Die</strong> Beteiligung von K<strong>in</strong><strong>der</strong>n <strong>in</strong><br />

K<strong>in</strong><strong>der</strong>tagese<strong>in</strong>richtungen stellt hohe Anfor<strong>der</strong>ungen<br />

an die pädagogischen Fachkräfte und<br />

stellt ihr pädagogisches Selbstverständnis vielfach<br />

auf die Probe.<br />

E<strong>in</strong>e frühzeitige Beteiligung von K<strong>in</strong><strong>der</strong>n muss<br />

von den Erwachsenen ausgehen. <strong>Die</strong> Arbeit<br />

im Modellprojekt konzentrierte sich daher auf<br />

die Fortbildung und Begleitung <strong>der</strong> Erzieher<strong>in</strong>nen<br />

und Erzieher. In den vorangegangenen<br />

Kapiteln wurde bereits auf Haltungen und<br />

Kompetenzen h<strong>in</strong>gewiesen, die die pädagogischen<br />

Fachkräfte für die Initiierung und Begleitung<br />

von <strong>Partizipation</strong>sprozessen benötigen.<br />

Bevor wir diese Anfor<strong>der</strong>ungen im Folgenden<br />

fokussieren, wollen wir zunächst <strong>der</strong><br />

Frage nachgehen, was auf <strong>der</strong> Seite <strong>der</strong><br />

Erwachsenen <strong>der</strong> Beteiligung <strong>der</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong> im<br />

Wege steht. Abschließend geht es um die<br />

Frage, welche Unterstützung Pädagog<strong>in</strong>nen<br />

und Pädagogen für die <strong>Partizipation</strong> von K<strong>in</strong><strong>der</strong>n<br />

benötigen.<br />

76


Was steht <strong>der</strong> <strong>Partizipation</strong> <strong>der</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong> im Weg?<br />

3.1 Was steht <strong>der</strong> <strong>Partizipation</strong> <strong>der</strong><br />

K<strong>in</strong><strong>der</strong> im Weg?<br />

Auch wenn <strong>in</strong> den Modelle<strong>in</strong>richtungen die<br />

Entscheidung für <strong>Partizipation</strong> gefallen war<br />

und alle Mitarbeiter<strong>in</strong>nen und Mitarbeiter sich<br />

mit Engagement und Begeisterung <strong>der</strong> Beteiligung<br />

<strong>der</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong> widmeten, zeigte sich im Verlauf<br />

<strong>der</strong> e<strong>in</strong>zelnen Projekte, dass die Erwachsenen<br />

immer wie<strong>der</strong> vor neuen Hürden standen.<br />

E<strong>in</strong>e konsequente Beteiligung <strong>der</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong><br />

ist <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Welt, <strong>in</strong> <strong>der</strong> dies ke<strong>in</strong>e Selbstverständlichkeit<br />

ist, gar nicht so leicht zu verwirklichen<br />

– wi<strong>der</strong>spricht sie doch an vielen Stellen<br />

unserem gewohnten Alltagshandeln. Hürden<br />

s<strong>in</strong>d aber dazu da, überwunden zu<br />

werden, und dies gel<strong>in</strong>gt am besten, wenn<br />

man sich zuvor genau anschaut, was e<strong>in</strong>em<br />

im Wege steht.<br />

<strong>Die</strong> Beschäftigung mit diesen Hürden war e<strong>in</strong><br />

wichtiger Teil <strong>der</strong> externen Begleitung im Modellprojekt.<br />

Im Verlauf <strong>der</strong> Projekte <strong>in</strong> den Modelle<strong>in</strong>richtungen<br />

wurden die Beteiligungsprozesse<br />

immer wie<strong>der</strong> mit den Erzieher<strong>in</strong>nen<br />

und Erziehern reflektiert. Dabei spielte die<br />

Übertragung auf den Alltag e<strong>in</strong>e wichtige<br />

Rolle; g<strong>in</strong>g es doch darum, durch die Projekte<br />

<strong>Partizipation</strong> im Alltagsgeschehen zu implementieren.<br />

Es wurden Videoaufnahmen e<strong>in</strong>zelner<br />

Projektphasen analysiert o<strong>der</strong> sche<strong>in</strong>bar<br />

<strong>in</strong>dividuelle Schwierigkeiten bei <strong>der</strong> Durchführung<br />

<strong>der</strong> Projekte <strong>in</strong> E<strong>in</strong>zel- o<strong>der</strong> Gruppengesprächen<br />

erörtert. Dabei zeigte sich, dass die<br />

Fachkräfte <strong>in</strong> den Modelle<strong>in</strong>richtungen vor<br />

vergleichbaren Problemen standen. E<strong>in</strong>e genauere<br />

Betrachtung <strong>der</strong> Situationen, die für<br />

die Erwachsenen typischerweise problematisch<br />

waren, veranschaulicht, wo <strong>der</strong> Prozess<br />

<strong>der</strong> Beteiligung <strong>in</strong>s Stocken geraten und wie<br />

er wie<strong>der</strong> belebt werden kann.<br />

Gegenstand vieler Gespräche und Ause<strong>in</strong>an<strong>der</strong>setzungen<br />

waren immer wie<strong>der</strong> folgende<br />

fünf Hürden:<br />

– Mangelndes Zutrauen zu den K<strong>in</strong><strong>der</strong>n<br />

– Mangelnde methodische Kompetenzen <strong>der</strong><br />

Erwachsenen<br />

– Ängste <strong>der</strong> Erzieher<strong>in</strong>nen und Erzieher<br />

– Unklarheit über die eigene Rolle<br />

– Strukturelle H<strong>in</strong><strong>der</strong>nisse.<br />

Mangelndes Zutrauen zu den K<strong>in</strong><strong>der</strong>n<br />

„Ich habe die ganzen kle<strong>in</strong>en (o<strong>der</strong> ausländischen)<br />

K<strong>in</strong><strong>der</strong>. <strong>Die</strong> können das noch gar nicht.<br />

<strong>Die</strong> können ja noch nicht e<strong>in</strong>mal (deutsch)<br />

sprechen.“<br />

„Wenn die Teilnahme an <strong>der</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong>konferenz<br />

freiwillig ist, dann bleiben gerade die K<strong>in</strong><strong>der</strong><br />

weg, die es so nötig hätten.“<br />

Derartige Bedenken äußerten die Erzieher<strong>in</strong>nen<br />

und Erzieher immer wie<strong>der</strong> vor Beg<strong>in</strong>n<br />

<strong>der</strong> Beteiligungsprojekte. Sie trauten den K<strong>in</strong><strong>der</strong>n<br />

nicht zu, sich angemessen zu <strong>beteiligen</strong>.<br />

Beispiele gelungener <strong>Partizipation</strong> z.B. von gehörlosen<br />

K<strong>in</strong><strong>der</strong>n an <strong>der</strong> Gestaltung <strong>der</strong><br />

Räume ihrer K<strong>in</strong><strong>der</strong>tagesstätte (vgl. Wiegand /<br />

Hansen / Marxen 2000; Plöger / Müller BRD<br />

2002) o<strong>der</strong> von funktionierenden K<strong>in</strong><strong>der</strong>konferenzen<br />

<strong>in</strong> an<strong>der</strong>en E<strong>in</strong>richtungen (vgl. Hansen<br />

2004 b) konnten diese Zweifel alle<strong>in</strong> nicht zerstreuen.<br />

Erst die konkreten Erfahrungen <strong>der</strong><br />

kompetenten Beteiligung „ihrer“ K<strong>in</strong><strong>der</strong> führte<br />

dazu, dass nahezu alle Pädagog<strong>in</strong>nen und Pädagogen<br />

erstaunt und begeistert über die <strong>Partizipation</strong>sbereitschaft<br />

und die <strong>Partizipation</strong>sfähigkeiten<br />

<strong>der</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong> waren.<br />

So stellten sie fest, dass sich die K<strong>in</strong><strong>der</strong> – und<br />

selbst jene, die sich anfänglich entzogen –<br />

sehr wohl freiwillig an Gesprächsrunden betei-<br />

77


Was steht <strong>der</strong> <strong>Partizipation</strong> <strong>der</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong> im Weg?<br />

ligten, wenn sie für sich e<strong>in</strong>en S<strong>in</strong>n <strong>in</strong> <strong>der</strong> Teilnahme<br />

sahen (wenn ihnen dort zugehört<br />

wurde o<strong>der</strong> wenn dort über künftige Anschaffungen<br />

entschieden wurde), dass sie sehr<br />

pragmatisch Lösungen für Probleme fanden,<br />

an denen die Erwachsenen zuvor gescheitert<br />

waren, und dass sie sich <strong>in</strong> ihren Entscheidungen<br />

viel weniger manipulieren ließen, als die<br />

Erwachsenen erwartet hatten.<br />

Mangelndes Zutrauen ist häufig mit e<strong>in</strong>em defizitären<br />

Blick auf die K<strong>in</strong><strong>der</strong> verbunden. Gesehen<br />

wird, was sie nicht können und wo Pädagogik<br />

verme<strong>in</strong>tlich kompensatorisch regulieren<br />

muss. <strong>Die</strong> Ressourcen und Kompetenzen<br />

<strong>der</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong> werden weniger wahrgenommen.<br />

<strong>Die</strong> <strong>in</strong> den Projekten gemachten Erfahrungen<br />

führten zu e<strong>in</strong>em Perspektivwechsel. <strong>Die</strong> Erzieher<strong>in</strong>nen<br />

und Erzieher fragten sich jetzt<br />

eher: Was können die K<strong>in</strong><strong>der</strong> eigentlich schon<br />

alles? An welchen Kompetenzen kann ich ansetzen?<br />

<strong>Partizipation</strong> bietet damit e<strong>in</strong>e Chance, die<br />

Ressourcenorientierung, die sowohl im Lebensweltansatz<br />

<strong>der</strong> Sozialen Arbeit als auch<br />

im Situationsansatz und <strong>in</strong> Bildungskonzepten<br />

gefor<strong>der</strong>t wird, umzusetzen.<br />

Mangelnde methodische Kompetenzen <strong>der</strong><br />

Erwachsenen<br />

„Wir haben schon versucht, die K<strong>in</strong><strong>der</strong> bei <strong>der</strong><br />

Gestaltung des Außengeländes zu <strong>beteiligen</strong>.<br />

Aber dabei ist überhaupt nichts ’rausgekommen.<br />

Außer Schaukel und Rutsche wollten sie<br />

nichts haben.“<br />

Wer die K<strong>in</strong><strong>der</strong> im Rahmen e<strong>in</strong>er Außenraumgestaltung<br />

fragt, was sie sich auf dem Spielplatz<br />

„wünschen“, darf sich nicht über die<br />

Antworten wun<strong>der</strong>n. <strong>Die</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong> werden das<br />

benennen, was sie mit dem Begriff „Spielplatz“<br />

verb<strong>in</strong>den: Schaukel, Rutsche, Sandkasten.<br />

Wer davon ausgeht, dass diese Antworten<br />

nicht die Bedürfnisse <strong>der</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong> wi<strong>der</strong>spiegeln,<br />

sollte nicht die Beteiligungsfähigkeiten<br />

<strong>der</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong> <strong>in</strong> Frage stellen, son<strong>der</strong>n das<br />

eigene methodische Vorgehen. <strong>Die</strong> E<strong>in</strong>gangsfrage<br />

impliziert die Antworten. Hilfreicher<br />

wäre es gewesen, zu fragen, ob die K<strong>in</strong><strong>der</strong><br />

sich an Orte er<strong>in</strong>nern könnten, an denen sie<br />

„e<strong>in</strong>mal ganz toll gespielt“ hätten: an den<br />

Strand, den Wald o<strong>der</strong> e<strong>in</strong>e Kieskuhle.<br />

<strong>Die</strong> <strong>Partizipation</strong> <strong>der</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong> verlangt den Erwachsenen<br />

ab, dass sie ihr Geschäft verstehen.<br />

Sie müssen wissen, was K<strong>in</strong><strong>der</strong> allgeme<strong>in</strong><br />

und diese konkreten K<strong>in</strong><strong>der</strong> <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e<br />

wissen und können, welche Fragen sie<br />

umtreiben, welche Methoden ihnen schon zur<br />

Verfügung stehen. <strong>Die</strong> pädagogischen Angebote<br />

<strong>der</strong> Erwachsenen müssen auf diesen<br />

Analysen aufbauen.<br />

Auch die Erzieher<strong>in</strong>nen und Erzieher <strong>in</strong> den<br />

Modelle<strong>in</strong>richtungen hatten Probleme, e<strong>in</strong> Gespräch<br />

mit den K<strong>in</strong><strong>der</strong>n zu entfachen o<strong>der</strong> das<br />

Durche<strong>in</strong>an<strong>der</strong>, das im Laufe e<strong>in</strong>es Gesprächs<br />

entstand, zu regeln, ohne das Gespräch abzuwürgen.<br />

Stockte dann <strong>der</strong> Prozess, lag es<br />

nahe, wie<strong>der</strong> die mangelnden Beteiligungsfähigkeiten<br />

<strong>der</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong> dafür verantwortlich zu<br />

machen.<br />

<strong>Die</strong> Projektteilnehmer<strong>in</strong>nen und –teilnehmer<br />

erkannten im Laufe des Modellprojekts, dass<br />

eher ihr pädagogisches Verhalten als die Inkompetenz<br />

<strong>der</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong> diese Probleme verursachte,<br />

und erweiterten ihre „handwerklichen“<br />

Beteiligungskompetenzen. Sie lernten,<br />

offene Fragen zu formulieren, die zu e<strong>in</strong>er Gesprächsbeteiligung<br />

anregen. Sie lernten, abstrakte<br />

Zusammenhänge zu konkretisieren<br />

und an <strong>der</strong> Erfahrungswelt <strong>der</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong> anzuknüpfen.<br />

Sie lernten K<strong>in</strong><strong>der</strong>gespräche zu mo-<br />

78


Was steht <strong>der</strong> <strong>Partizipation</strong> <strong>der</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong> im Weg?<br />

<strong>der</strong>ieren o<strong>der</strong> Entscheidungsarrangements so<br />

zu gestalten, dass sie für K<strong>in</strong><strong>der</strong> überschaubar<br />

s<strong>in</strong>d und diese somit entscheidungsfähig<br />

werden.<br />

Wie jedes pädagogische Vorgehen braucht<br />

auch <strong>Partizipation</strong> Pädagog<strong>in</strong>nen und Pädagogen,<br />

die ihr methodisches Handwerkszeug beherrschen<br />

und ihre Methodenkompetenz laufend<br />

verbessern.<br />

Ängste <strong>der</strong> Erzieher<strong>in</strong>nen und Erzieher<br />

„Können die dann mit ihrer Mehrheit alles<br />

wegstimmen, was wir entschieden haben?“<br />

<strong>Die</strong> Ängste <strong>der</strong> Erzieher<strong>in</strong>nen und Erzieher traten<br />

am deutlichsten bei <strong>der</strong> E<strong>in</strong>führung <strong>in</strong>stitutionalisierter<br />

Beteiligungsformen zum Vorsche<strong>in</strong>.<br />

<strong>Partizipation</strong> thematisiert das Machtverhältnis<br />

zwischen Erwachsenen und K<strong>in</strong><strong>der</strong>n<br />

und <strong>in</strong>sofern auch die Rolle <strong>der</strong> Erwachsenen<br />

<strong>in</strong> <strong>der</strong> pädagogischen Beziehung. K<strong>in</strong><strong>der</strong>n Mitbestimmungsrechte<br />

e<strong>in</strong>zuräumen, verlangt<br />

von den Erwachsenen, e<strong>in</strong>en Teil ihrer Entscheidungs-<br />

und Gestaltungsmacht freiwillig<br />

abzugeben. Dadurch können Bedenken und<br />

Zweifel hervorgerufen werden bezüglich e<strong>in</strong>es<br />

Kontrollverlusts über die K<strong>in</strong><strong>der</strong> und <strong>der</strong> Wirksamkeit<br />

<strong>der</strong> eigenen pädagogischen Tätigkeit.<br />

Aber auch im Zusammenhang mit den Öffnungsprozessen<br />

<strong>in</strong> den E<strong>in</strong>richtungen brachten<br />

die Erzieher<strong>in</strong>nen und Erzieher Ängste<br />

zum Ausdruck: vor dem E<strong>in</strong>blick, den diese<br />

Prozesse den Kolleg<strong>in</strong>nen und Kollegen <strong>in</strong> die<br />

eigenen Tätigkeiten eröffnen, und <strong>der</strong> Kontrolle<br />

o<strong>der</strong> <strong>der</strong> Konkurrenz, die sich daraus entwickeln<br />

könnten.<br />

Derartige Ängste können dazu führen, dass<br />

die Beteiligungsprozesse – bewusst o<strong>der</strong> unbewusst<br />

– unterlaufen werden. Entsprechend<br />

rücksichtsvoll und geduldig sollten die Erwachsenen<br />

mit sich selbst und mite<strong>in</strong>an<strong>der</strong><br />

umgehen. Sie sollten sich Zeit lassen und sich<br />

nicht überfor<strong>der</strong>n. Statt mit zu hohen Ansprüchen<br />

<strong>in</strong> den Beteiligungsprozess zu starten,<br />

sollten sie sich ehrlich die Frage beantworten,<br />

wie weit sie bereit s<strong>in</strong>d, sich auf die anstehenden<br />

Verän<strong>der</strong>ungen e<strong>in</strong>zulassen.<br />

Allerd<strong>in</strong>gs verlangten die unterschiedlichen<br />

Projektthemen, die sie sich selbst gestellt hatten,<br />

von den Erzieher<strong>in</strong>nen und Erziehern von<br />

vornhere<strong>in</strong> e<strong>in</strong>en unterschiedlichen Grad <strong>der</strong><br />

Bereitschaft, sich auf die Beteiligung <strong>der</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong><br />

e<strong>in</strong>zulassen. <strong>Die</strong> Planung des geme<strong>in</strong>sam<br />

genutzten Außengeländes <strong>in</strong> <strong>der</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong>tagese<strong>in</strong>richtung<br />

Oslor<strong>in</strong>g <strong>in</strong> Kiel, die <strong>der</strong> Projektteilnahme<br />

vorausgegangen war, hatte die e<strong>in</strong>zelne<br />

Erzieher<strong>in</strong> weniger betroffen als die Mitbestimmung<br />

<strong>der</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong> bei <strong>der</strong> Gestaltung <strong>der</strong><br />

Innenräume. Hier redeten an<strong>der</strong>e mit über die<br />

Gestaltung „ihres“ Gruppenraums und damit<br />

ihres <strong>in</strong>dividuellen Arbeitsplatzes. E<strong>in</strong> zeitlich<br />

begrenztes Projekt zur Raumgestaltung<br />

wie<strong>der</strong>um stellte die Frage <strong>der</strong> Mitspracherechte<br />

<strong>der</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong> weniger grundsätzlich als<br />

die E<strong>in</strong>führung e<strong>in</strong>er <strong>in</strong>stitutionalisierten Beteiligungsform.<br />

K<strong>in</strong><strong>der</strong>konferenzen <strong>in</strong> <strong>der</strong> eigenen<br />

Gruppe durchzuführen, setzte die Erwachsenen<br />

weniger <strong>der</strong> Kontrolle <strong>der</strong> Kolleg<strong>in</strong>nen<br />

und Kollegen aus als die Begleitung<br />

des K<strong>in</strong><strong>der</strong>parlaments <strong>der</strong> ganzen E<strong>in</strong>richtung.<br />

Schon <strong>der</strong> E<strong>in</strong>stieg <strong>in</strong> die Beteiligung <strong>der</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong><br />

sollte daher immer mit <strong>der</strong> Frage beg<strong>in</strong>nen:<br />

Was trauen wir Erwachsenen uns zu?<br />

Und welche Fragen wollen wir vorerst ausklammern?<br />

Letzteres darf allerd<strong>in</strong>gs nicht<br />

dazu führen, dass diese Fragen grundsätzlich<br />

ad acta gelegt werden. <strong>Die</strong> Frage <strong>der</strong> Beteiligung<br />

von K<strong>in</strong><strong>der</strong>n <strong>in</strong> diesen Bereichen wird<br />

vielmehr nur zurückgestellt, um sie zu e<strong>in</strong>em<br />

späteren Zeitpunkt erneut zu diskutieren.<br />

Im Modellprojekt wurde konsequent darauf<br />

geachtet, dass Entscheidungen über Gegenstand<br />

und Grenzen <strong>der</strong> <strong>Partizipation</strong> im Konsens<br />

getroffen wurden. <strong>Die</strong> Ängste <strong>der</strong> e<strong>in</strong>zelnen<br />

Erzieher<strong>in</strong>nen und Erzieher wurden sehr<br />

ernst genommen. Wir g<strong>in</strong>gen davon aus, dass<br />

kle<strong>in</strong>ere Schritte, die geme<strong>in</strong>sam gegangen<br />

werden können, die Entwicklung e<strong>in</strong>er Beteiligungskultur<br />

<strong>in</strong> den E<strong>in</strong>richtungen weiter voranbr<strong>in</strong>gen<br />

würden als große, die nicht alle<br />

Teammitglie<strong>der</strong> gehen würden. Durch diese<br />

Vorgehensweise wurden positive geme<strong>in</strong>same<br />

Erfahrungen möglich. Das Zutrauen <strong>der</strong><br />

Erwachsenen <strong>in</strong> die eigene Beteiligungsfähigkeit<br />

und die methodische Kompetenz wuchsen<br />

und mit ihnen die Bereitschaft, sich auf<br />

die <strong>Partizipation</strong> <strong>der</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong> e<strong>in</strong>zulassen.<br />

Unklarheit über die eigene Rolle<br />

All diese Aspekte deuten darauf h<strong>in</strong>, dass <strong>Partizipation</strong><br />

mit dem Kern von Pädagogik zu tun<br />

hat – mit <strong>der</strong> Gestaltung <strong>der</strong> pädagogischen<br />

Beziehung zwischen Erwachsenen und K<strong>in</strong><strong>der</strong>n.<br />

Obwohl viele Pädagog<strong>in</strong>nen und Pädagogen<br />

heute e<strong>in</strong> pädagogisches Selbstverständnis<br />

formulieren, das den K<strong>in</strong><strong>der</strong>n Rechte<br />

zugesteht, wird <strong>in</strong> <strong>der</strong> Praxis nach wie vor oft<br />

an<strong>der</strong>s gehandelt. Immer wie<strong>der</strong> treffen wir<br />

auf die (häufig nicht reflektierte) Vorstellung<br />

<strong>der</strong> Erwachsenen: „Wir wissen, was gut ist<br />

für die K<strong>in</strong><strong>der</strong>, und sorgen dafür, dass sie es<br />

erhalten.“<br />

Wie schwierig das allerd<strong>in</strong>gs se<strong>in</strong> kann, erlebten<br />

die Erzieher<strong>in</strong>nen und Erzieher <strong>der</strong> AWO<br />

79


Was steht <strong>der</strong> <strong>Partizipation</strong> <strong>der</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong> im Weg?<br />

K<strong>in</strong><strong>der</strong>tagesstätte „Hanna Lucas“ <strong>in</strong> Wedel.<br />

Im Rahmen <strong>der</strong> geme<strong>in</strong>sam mit den K<strong>in</strong><strong>der</strong>n<br />

weiterentwickelten Öffnungsprozesse (vgl.<br />

Kapitel 1.2) hatten sie sich entschlossen, den<br />

K<strong>in</strong><strong>der</strong>n den Zugang zur großzügigen, e<strong>in</strong>richtungs<strong>in</strong>ternen<br />

Turnhalle auch ohne Begleitung<br />

erwachsener Aufsichtspersonen zu gewähren.<br />

Zu diesem Zweck waren „Aufpasser“ ernannt<br />

worden, <strong>in</strong> <strong>der</strong>en Begleitung auch an<strong>der</strong>e K<strong>in</strong><strong>der</strong><br />

die Halle nutzen durften. E<strong>in</strong>er dieser Aufpasser<br />

war nun dabei überrascht worden, wie<br />

er <strong>in</strong> <strong>der</strong> Turnhalle h<strong>in</strong>ter e<strong>in</strong>en Mattenstapel<br />

ur<strong>in</strong>ierte. <strong>Die</strong> Aufregung war groß. Es wurden<br />

klärende Gespräche geführt. Der Aufpasser<br />

selber rechtfertigte sich damit, dass er doch<br />

Aufpasser gewesen sei und deshalb die Turnhalle<br />

nicht verlassen durfte, um auf die Toilette<br />

zu gehen. Er hatte sich also durchaus<br />

pflichtbewusst, wenngleich <strong>der</strong> Situation nicht<br />

recht angemessen verhalten. An<strong>der</strong>e K<strong>in</strong><strong>der</strong><br />

wiesen auf e<strong>in</strong>en weiteren H<strong>in</strong>tergrund des<br />

Vorfalls h<strong>in</strong>. <strong>Die</strong> Erzieher<strong>in</strong>nen und Erzieher<br />

hätten die Aufpasser schlecht ausgewählt.<br />

„Aufpasser kann nur se<strong>in</strong>, wer aufpassen<br />

kann.“ Und <strong>der</strong> betreffende Junge sei dazu<br />

offensichtlich nicht <strong>in</strong> <strong>der</strong> Lage gewesen. <strong>Die</strong><br />

Erwachsenen mussten sich und den K<strong>in</strong><strong>der</strong>n<br />

e<strong>in</strong>gestehen, dass sie e<strong>in</strong>ige Aufpasser <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />

Tat ausgewählt hatten, weil sie vermuteten,<br />

dass diesen K<strong>in</strong><strong>der</strong>n die Übertragung e<strong>in</strong>er<br />

solchen Aufgabe gut tun würde. <strong>Die</strong> pragmatische<br />

Sichtweise <strong>der</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong> gab ihnen nun zu<br />

denken.<br />

E<strong>in</strong> partizipatives pädagogisches Selbstverständnis<br />

setzt an die Stelle dieses kompensatorischen<br />

Gestaltungswillens die Bereitschaft<br />

zu e<strong>in</strong>em ergebnisoffenen Diskurs. <strong>Die</strong> Aufpasser<br />

hätten, nachdem die Erwachsenen ihre<br />

Anfor<strong>der</strong>ungen an die künftigen Funktionsträger<br />

formuliert und mit den K<strong>in</strong><strong>der</strong>n ausgehandelt<br />

hätten, geme<strong>in</strong>sam mit den K<strong>in</strong><strong>der</strong>n ausgewählt<br />

werden können. Und auch dem Jungen<br />

hätte es sicher besser getan, wenn er mit<br />

e<strong>in</strong>er Aufgabe herausgefor<strong>der</strong>t worden wäre,<br />

<strong>der</strong> er eher gewachsen gewesen wäre.<br />

Zum partizipativen Selbstverständnis gehört<br />

auch die Formulierung und Wahrung eigener<br />

Interessen <strong>der</strong> Erwachsenen. Als die Erzieher<strong>in</strong>nen<br />

und Erzieher <strong>in</strong> <strong>der</strong> AWO-K<strong>in</strong><strong>der</strong>tagesstätte<br />

„Hanna Lucas“ wie <strong>in</strong> <strong>der</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong>tagese<strong>in</strong>richtung<br />

Oslor<strong>in</strong>g <strong>in</strong> Kiel geme<strong>in</strong>sam mit<br />

den K<strong>in</strong><strong>der</strong>n ihrer jeweiligen Gruppe entscheiden<br />

sollten, welche Funktionsbereiche sie<br />

gern <strong>in</strong> ihren Gruppenräumen e<strong>in</strong>richten wollten,<br />

taten sich viele Erwachsene schwer.<br />

Während e<strong>in</strong>ige e<strong>in</strong>gestanden, dass sie versucht<br />

hätten, die K<strong>in</strong><strong>der</strong> zu e<strong>in</strong>er ihnen angenehmen<br />

Entscheidung zu manipulieren, berichteten<br />

an<strong>der</strong>e mit unsicherem Lächeln,<br />

dass die K<strong>in</strong><strong>der</strong> sich für e<strong>in</strong>en Bereich entschieden<br />

hätten, <strong>der</strong> gar nicht ihren Interessen<br />

entsprach. „In me<strong>in</strong>e Gruppe kommt jetzt<br />

die Musikecke – und ich hab’ doch mit Musik<br />

so gar nichts am Hut!“ E<strong>in</strong>e solche Selbstverleugnung<br />

wi<strong>der</strong>spricht allerd<strong>in</strong>gs dem Gedanken<br />

<strong>der</strong> <strong>Partizipation</strong>.<br />

<strong>Partizipation</strong> bedeutet das gleichberechtigte<br />

Aushandeln unterschiedlicher Interessen.<br />

Dazu verhilft we<strong>der</strong> die Manipulation <strong>der</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong><br />

noch die Selbstaufgabe <strong>der</strong> Erwachsenen.<br />

<strong>Die</strong> Erwachsenen müssen vielmehr <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />

Lage se<strong>in</strong>, ihre eigenen Interessen gleichwertig<br />

mit denen <strong>der</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong> e<strong>in</strong>zubr<strong>in</strong>gen und zur<br />

Disposition zu stellen. In <strong>der</strong> AWO-K<strong>in</strong><strong>der</strong>tagesstätte<br />

„Hanna Lucas“ gelang e<strong>in</strong> solcher<br />

Aushandlungsprozess beispielsweise, als sich<br />

<strong>der</strong> Junge mit se<strong>in</strong>er Vorstellung von e<strong>in</strong>em<br />

Musikraum, <strong>der</strong> auch Platz zum Tanzen bieten<br />

muss, gegen die Erwachsenen durchsetzen<br />

konnte. Auch die Erzieher<strong>in</strong>nen hatten ihre<br />

Wünsche <strong>in</strong> die Verhandlungen e<strong>in</strong>gebracht,<br />

beugten sich aber den besseren Argumenten<br />

des K<strong>in</strong>des. In <strong>der</strong> KiTa Waldstraße <strong>in</strong> P<strong>in</strong>neberg<br />

konnten die K<strong>in</strong><strong>der</strong> zwar ihren Wunsch<br />

nach Fleisch auf dem Speiseplan durchsetzen,<br />

mussten sich aber aufgrund <strong>der</strong> E<strong>in</strong>wände <strong>der</strong><br />

Eltern mit Geflügelgerichten zufrieden geben.<br />

<strong>Die</strong> Bereitschaft und Fähigkeit, e<strong>in</strong>en offenen<br />

Dialog mit den K<strong>in</strong><strong>der</strong>n zu lernen, verlangt Vertrauen<br />

– <strong>in</strong> die eigenen Kompetenzen und die<br />

80


Was steht <strong>der</strong> <strong>Partizipation</strong> <strong>der</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong> im Weg?<br />

<strong>der</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong> sowie <strong>in</strong> die Fehlerfreundlichkeit<br />

<strong>der</strong> Kolleg<strong>in</strong>nen und Kollegen. <strong>Die</strong> Projektteilnehmer<strong>in</strong>nen<br />

und -teilnehmer wurden immer<br />

wie<strong>der</strong> ermutigt, sich auszuprobieren. Dabei<br />

wurden selbstverständlich Fehler gemacht,<br />

wie nicht nur die Video-Aufnahmen <strong>der</strong> ersten<br />

K<strong>in</strong><strong>der</strong>konferenzen <strong>in</strong> <strong>der</strong> KiTa Waldstraße offenbarten.<br />

Dass alle Beteiligten die sehr nahe<br />

gehenden Analysen ihrer ersten Mo<strong>der</strong>ationsversuche<br />

dennoch als äußerst konstruktiv beschrieben,<br />

war <strong>der</strong> konsequenten Strukturierung<br />

<strong>der</strong> geme<strong>in</strong>samen Auswertung <strong>der</strong> Videos<br />

im Team sowie den vorangegangenen<br />

vertrauensbildenden Erfahrungen <strong>in</strong> <strong>der</strong> geme<strong>in</strong>samen<br />

Vorbereitung zu verdanken.<br />

Strukturelle H<strong>in</strong><strong>der</strong>nisse<br />

<strong>Partizipation</strong> von K<strong>in</strong><strong>der</strong>n gel<strong>in</strong>gt nur schwer,<br />

wenn die beteiligten Erwachsenen nicht ebenfalls<br />

<strong>in</strong> <strong>der</strong> Lage und bereit s<strong>in</strong>d, zu partizipieren.<br />

Damit s<strong>in</strong>d die <strong>in</strong>neren und äußeren<br />

Strukturen <strong>der</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong>tagese<strong>in</strong>richtungen angesprochen.<br />

<strong>Die</strong> Leitung und <strong>der</strong> Träger können<br />

die <strong>Partizipation</strong> <strong>der</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong> wirkungsvoll<br />

unterstützen, aber auch beh<strong>in</strong><strong>der</strong>n.<br />

Obwohl die Entscheidung zur <strong>Partizipation</strong> –<br />

beispielsweise zur Teilnahme am Modellprojekt<br />

– häufig e<strong>in</strong>e Leitungsentscheidung ist,<br />

muss diese im Team kommuniziert werden,<br />

wenn sie nicht unterlaufen werden soll. Das<br />

belegen u.a. zwei K<strong>in</strong><strong>der</strong>tagese<strong>in</strong>richtungen,<br />

die, nachdem sie das Auswahlverfahren<br />

durchlaufen hatten, aus dem Modellprojekt<br />

wie<strong>der</strong> ausstiegen. In beiden E<strong>in</strong>richtungen<br />

zogen sich die Teams von <strong>der</strong> Projektteilnahme<br />

zurück, als die Leitungen aus unterschiedlichen<br />

Gründen über e<strong>in</strong>en längeren Zeitraum<br />

abwesend waren. Das legt die Vermutung<br />

nahe, dass die Bewerbungen <strong>in</strong> diesen E<strong>in</strong>richtungen<br />

nicht aufgrund e<strong>in</strong>es übere<strong>in</strong>stimmenden<br />

Beschlusses <strong>der</strong> Leitungen und <strong>der</strong><br />

Teams erfolgt waren. Der Wunsch<br />

<strong>der</strong> Leitung, die K<strong>in</strong><strong>der</strong> zu <strong>beteiligen</strong>,<br />

erfor<strong>der</strong>t aber auch e<strong>in</strong>e partizipative<br />

E<strong>in</strong>b<strong>in</strong>dung <strong>der</strong> beteiligten Erwachsenen.<br />

An<strong>der</strong>erseits: Wenn die Leitung<br />

nicht ausdrücklich für e<strong>in</strong>e Beteiligung<br />

<strong>der</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong> e<strong>in</strong>tritt und die Umsetzung<br />

geme<strong>in</strong>sam beschlossener<br />

Maßnahmen <strong>in</strong> diesem Zusammenhang<br />

mit Nachdruck verfolgt, kann<br />

e<strong>in</strong> gewisses „Trägheitsmoment<br />

des Alltags“ dazu führen, dass <strong>Partizipation</strong><br />

auf <strong>der</strong> Strecke bleibt. Insbeson<strong>der</strong>e<br />

bei <strong>der</strong> E<strong>in</strong>führung <strong>in</strong>stitutionalisierter<br />

Beteiligungsformen<br />

<strong>in</strong> <strong>der</strong> KiTa Waldstraße und im Evangelischen<br />

K<strong>in</strong><strong>der</strong>garten <strong>in</strong> Quickborn gestanden<br />

die Mitarbeiter<strong>in</strong>nen und Mitarbeiter<br />

nachträglich e<strong>in</strong>, dass <strong>der</strong> E<strong>in</strong>stieg <strong>in</strong> die Gremienarbeit<br />

sich ohne die ultimativen For<strong>der</strong>ungen<br />

<strong>der</strong> Leitungen sicher länger h<strong>in</strong>ausgezögert<br />

hätte. <strong>Die</strong> Erzieher<strong>in</strong>nen und Erzieher<br />

standen vor großen persönlichen Herausfor<strong>der</strong>ungen.<br />

<strong>Partizipation</strong> for<strong>der</strong>t e<strong>in</strong>e selbstkritische<br />

Ause<strong>in</strong>an<strong>der</strong>setzung mit dem pädagogischen<br />

Selbstverständnis und <strong>der</strong> Gestaltung<br />

<strong>der</strong> Interaktionen mit den K<strong>in</strong><strong>der</strong>n. <strong>Die</strong>s macht<br />

Mühe und kostet Zeit und ist im gegenwärtigen<br />

Alltag <strong>in</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong>tagese<strong>in</strong>richtungen nur<br />

durch e<strong>in</strong> sehr hohes Engagement <strong>der</strong> Erzieher<strong>in</strong>nen<br />

und Erzieher zu bewältigen.<br />

Leitung und Träger von K<strong>in</strong><strong>der</strong>tagese<strong>in</strong>richtungen<br />

s<strong>in</strong>d dafür verantwortlich, dass <strong>der</strong> strukturelle<br />

Rahmen für <strong>der</strong>art anspruchsvolle Prozesse<br />

geschaffen wird. Welche Unterstützung<br />

erhalten die Erzieher<strong>in</strong>nen und Erzieher? Wie<br />

viel Zeit wird ihnen für die Reflexion ihrer<br />

pädagogischen Arbeit zur Verfügung gestellt?<br />

Wie wird e<strong>in</strong>e angemessene Begleitung<br />

sicher gestellt? <strong>Die</strong> am Modellprojekt beteiligten<br />

E<strong>in</strong>richtungen betonten immer wie<strong>der</strong>,<br />

dass gerade die Praxisbegleitung und die<br />

Unterstützung bei <strong>der</strong> Reflexion <strong>der</strong> eigenen<br />

Tätigkeit durch das Projektteam für sie von<br />

beson<strong>der</strong>er Bedeutung waren.<br />

81


Was verlangt die <strong>Partizipation</strong> <strong>der</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong> von den Erwachsenen?<br />

3.2 Was verlangt die <strong>Partizipation</strong> <strong>der</strong><br />

K<strong>in</strong><strong>der</strong> von den Erwachsenen?<br />

<strong>Partizipation</strong> – <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e von jüngeren K<strong>in</strong><strong>der</strong>n<br />

– ist ke<strong>in</strong> Selbstgänger. Wenn sie nicht<br />

zur Beteiligung herausgefor<strong>der</strong>t werden und<br />

die Entwicklung ihrer Beteiligungsfähigkeiten<br />

nicht systematisch unterstützt wird, wenn sie<br />

ke<strong>in</strong>e Erwachsenen erleben, die sich selbst<br />

<strong>beteiligen</strong> und sie als gleichwertige Partner<br />

ernst nehmen, dann werden sich K<strong>in</strong><strong>der</strong> –<br />

wenn es ihnen überhaupt <strong>in</strong> den S<strong>in</strong>n kommt,<br />

sich <strong>in</strong> die Gestaltung des Alltags <strong>der</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong>tagese<strong>in</strong>richtung<br />

e<strong>in</strong>zumischen – sehr schwer<br />

tun, ihre Interessen zu äußern und ihre Rechte<br />

e<strong>in</strong>zuklagen. E<strong>in</strong>e <strong>Partizipation</strong>skultur, <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />

es für Erwachsene wie K<strong>in</strong><strong>der</strong> selbstverständlich<br />

ist, dass alle etwas zu sagen haben und<br />

daher auch allen zugehört wird und alle mitentscheiden,<br />

kann sich <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er K<strong>in</strong><strong>der</strong>tagese<strong>in</strong>richtung<br />

nur aufgrund e<strong>in</strong>er reflektierten<br />

pädagogischen Tätigkeit <strong>der</strong> Fachkräfte entfalten.<br />

<strong>Partizipation</strong> for<strong>der</strong>t sie mit ihrer ganzen<br />

Person und mit ihrer ganzen Professionalität.<br />

<strong>Die</strong> E<strong>in</strong>stellungen und Kompetenzen, sowie<br />

das methodische Know-How <strong>der</strong> Erwachsenen<br />

s<strong>in</strong>d <strong>der</strong> Schlüssel zur Beteiligung <strong>der</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong>.<br />

Daher war e<strong>in</strong> weiterer Schwerpunkt <strong>der</strong><br />

externen Begleitung <strong>der</strong> Teams im Modellprojekt,<br />

mit den Erzieher<strong>in</strong>nen und Erziehern herauszuarbeiten,<br />

welche Haltungen und welche<br />

pädagogischen Verhaltensweisen beson<strong>der</strong>s<br />

geeignet s<strong>in</strong>d, die <strong>Partizipation</strong> <strong>der</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong> zu<br />

för<strong>der</strong>n. Im Folgenden sollen – obwohl sie<br />

zum Teil schon <strong>in</strong> den vorangegangenen Kapiteln<br />

angeklungen s<strong>in</strong>d – noch e<strong>in</strong>mal vier<br />

Aspekte hervorgehoben werden, die sich im<br />

Modellprojekt als för<strong>der</strong>lich für die Beteiligung<br />

<strong>der</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong> erwiesen haben.<br />

<strong>Die</strong> <strong>Partizipation</strong> von K<strong>in</strong><strong>der</strong>n <strong>in</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong>tagese<strong>in</strong>richtungen<br />

verlangt von den Erwachsenen<br />

<strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e:<br />

– ihre politischen Werte und ihre pädagogischen<br />

Ziele zu klären<br />

– theoretische Diskussionen zu verfolgen<br />

– e<strong>in</strong>e dialogische Haltung zu entwickeln<br />

– ihre Mo<strong>der</strong>ationskompetenzen zu erweitern.<br />

<strong>Partizipation</strong> verlangt von den Erwachsenen,<br />

ihre politischen Werte und ihre pädagogischen<br />

Ziele zu klären<br />

Pädagogik ist auf die Zukunft gerichtet. Pädagogisches<br />

Denken und Handeln zielt darauf,<br />

die nachwachsende Generation auf künftige<br />

Anfor<strong>der</strong>ungen vorzubereiten. Damit kommen<br />

Pädagog<strong>in</strong>nen und Pädagogen nicht umh<strong>in</strong>,<br />

sich eigene Vorstellungen von <strong>der</strong> Zukunft zu<br />

machen. Pädagogik hat immer auch utopische<br />

Elemente. Sie basiert auf Ideen von e<strong>in</strong>er<br />

Welt von morgen, die <strong>in</strong> pädagogische Ziele<br />

umgesetzt werden und mehr o<strong>der</strong> weniger reflektiert<br />

unser pädagogisches Handeln bestimmen.<br />

Ob Theodor Adorno (1971), für den nur e<strong>in</strong>e<br />

„Erziehung zur Mündigkeit“ dafür sorgen<br />

konnte, „dass Auschwitz nicht noch e<strong>in</strong>mal<br />

sei“, ob Paulo Freire (1973), <strong>der</strong> se<strong>in</strong>e „Pädagogik<br />

<strong>der</strong> Unterdrückten“ als Erziehung zur<br />

Selbstbefreiung verstand, ob Alexan<strong>der</strong> Neill<br />

(1969), <strong>der</strong> Verbrechen, Hass und Krieg dadurch<br />

zu überw<strong>in</strong>den hoffte, freie und damit<br />

glückliche K<strong>in</strong><strong>der</strong> zu erziehen, o<strong>der</strong> ob Hartmut<br />

von Hentig (1993), <strong>der</strong> die Laborschule<br />

Bielefeld e<strong>in</strong>er polis nachempfunden hat, <strong>in</strong><br />

<strong>der</strong> die K<strong>in</strong><strong>der</strong> die „Grundbed<strong>in</strong>gungen des<br />

friedlichen, gerechten, geregelten und verantworteten<br />

Zusammenlebens“ lernen – sie alle<br />

leiteten ihre pädagogischen Ziele u.a. aus<br />

ihren Utopien von e<strong>in</strong>er besseren Welt ab.<br />

So verfuhren vor 30 Jahren auch Jürgen Zimmer<br />

und die Arbeitsgruppe Vorschulerziehung<br />

im Deutschen Jugend<strong>in</strong>stitut, als sie den Situationsansatz<br />

entwickelten. <strong>Die</strong> Leitziele Autonomie,<br />

Solidarität und Kompetenz s<strong>in</strong>d getragen<br />

von <strong>der</strong> Utopie e<strong>in</strong>er freien, gerechten<br />

und solidarischen Welt und haben auch unter<br />

den verän<strong>der</strong>ten gegenwärtigen Bed<strong>in</strong>gungen<br />

ihre Aktualität bewahrt:<br />

– Autonomie me<strong>in</strong>t Selbstbestimmung, Unabhängigkeit,<br />

Eigen<strong>in</strong>itiative, Selbständigkeit.<br />

– Solidarität ergänzt die Autonomie um den<br />

Geme<strong>in</strong>s<strong>in</strong>n. Wer solidarisch ist, <strong>in</strong>teressiert<br />

sich für An<strong>der</strong>e, fühlt mit, engagiert und<br />

kümmert sich.<br />

– Kompetenz schließlich me<strong>in</strong>t die Fähigkeit <strong>in</strong><br />

komplexen Situationen <strong>der</strong> Sache ange-<br />

82


Was verlangt die <strong>Partizipation</strong> <strong>der</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong> von den Erwachsenen?<br />

messen, autonom und solidarisch handeln<br />

zu können (vgl. Zimmer 2000, 14).<br />

<strong>Partizipation</strong> verlangt von pädagogischen<br />

Fachkräften sich auch mit ihren politischen<br />

Grundhaltungen ause<strong>in</strong>an<strong>der</strong> zu setzen und<br />

daraus ihre pädagogischen Ziele zu erarbeiten.<br />

Wer will, dass K<strong>in</strong><strong>der</strong> gehorchen lernen und<br />

zu unauffälligen, angepassten Erwachsenen<br />

werden, wird ihnen kaum Beteiligungsmöglichkeiten<br />

zugestehen. Das Interesse von Erwachsenen<br />

an den Rechten von K<strong>in</strong><strong>der</strong>n und<br />

an <strong>der</strong>en <strong>Partizipation</strong> wurzelt eher <strong>in</strong> freiheitlich,<br />

humanistisch, emanzipatorisch, demokratisch<br />

o.ä. motivierten politischen Wertvorstellungen.<br />

Bei <strong>der</strong> Klärung eigener politischer Werte und<br />

pädagogischer Ziele können folgende Fragen<br />

hilfreich se<strong>in</strong>:<br />

– Wie wünsche ich mir die Zukunft <strong>der</strong> Gesellschaft?<br />

– Welche Werte s<strong>in</strong>d mir wichtig?<br />

– Welche Werte möchte ich den K<strong>in</strong><strong>der</strong>n nahe<br />

br<strong>in</strong>gen?<br />

– Welche Kompetenzen brauchen K<strong>in</strong><strong>der</strong>, um<br />

die Welt von morgen aktiv mitgestalten zu<br />

können?<br />

<strong>Partizipation</strong> verlangt von den<br />

Erwachsenen, theoretische Diskussionen<br />

zu verfolgen<br />

Qualität ist ke<strong>in</strong>e objektive Größe. Eltern, Erzieher<strong>in</strong>nen<br />

und Erzieher, K<strong>in</strong><strong>der</strong>, Träger, Gesellschaft<br />

o<strong>der</strong> Politik haben unterschiedliche<br />

Vorstellungen von <strong>der</strong> Qualität von K<strong>in</strong><strong>der</strong>tagese<strong>in</strong>richtungen.<br />

Qualitätsentwicklung<br />

braucht daher e<strong>in</strong>en Dialog über Ziele. Sie ist<br />

ke<strong>in</strong>e gänzlich neue Aufgabe, son<strong>der</strong>n immer<br />

schon Bestandteil e<strong>in</strong>er pädagogischen Arbeit<br />

gewesen, die sich an e<strong>in</strong>er Konzeption orientiert<br />

und diese regelmäßig<br />

überprüft.<br />

Im Nationalen Kriterienkatalog<br />

für die pädagogische<br />

Qualität <strong>in</strong> Tagese<strong>in</strong>richtungen<br />

für K<strong>in</strong><strong>der</strong><br />

(Tietze / Viernickel 2002)<br />

ist <strong>Partizipation</strong> e<strong>in</strong>er von<br />

sechs Leitgesichtspunkten<br />

zur Bestimmung pädagogischer<br />

Qualität.<br />

Das heißt, dass die Qualität<br />

<strong>in</strong> allen 20 dort genannten<br />

Qualitätsbereichen<br />

entscheidend daran<br />

gemessen wird, wie es<br />

gel<strong>in</strong>gt, die K<strong>in</strong><strong>der</strong> zu <strong>beteiligen</strong>.<br />

Aus fachlicher<br />

Sicht ist <strong>Partizipation</strong><br />

damit e<strong>in</strong> Querschnittsthema.<br />

<strong>Die</strong> fachliche Grundlage e<strong>in</strong>zelner E<strong>in</strong>richtungskonzeptionen<br />

bilden pädagogische<br />

Ansätze. Im Bereich <strong>der</strong> Elementarpädagogik<br />

lassen sich <strong>in</strong> Deutschland zur Zeit drei<br />

bedeutsame curriculare Diskussionsstränge<br />

ausmachen: <strong>der</strong> Situationsansatz, die Diskussion<br />

um Bildung <strong>in</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong>tagese<strong>in</strong>richtungen<br />

und die Rezeption <strong>der</strong> Kle<strong>in</strong>k<strong>in</strong>dpädagogik aus<br />

Reggio Emilia. In diesen Ansätzen spielt <strong>Partizipation</strong><br />

jeweils e<strong>in</strong>e zentrale Rolle, allerd<strong>in</strong>gs<br />

– wie umseitig kurz dargestellt – mit<br />

unterschiedlichen Akzenten.<br />

Erzieher<strong>in</strong>nen und Erzieher, die sich für <strong>Partizipation</strong><br />

entschieden haben, sollten die Diskurse<br />

über frühk<strong>in</strong>dliche Pädagogik aufmerksam<br />

verfolgen und wissen, wie <strong>Partizipation</strong> <strong>in</strong> den<br />

verschiedenen Ansätzen berücksichtigt wird.<br />

So kann die grundlegende Bedeutung von<br />

<strong>Partizipation</strong> <strong>in</strong> den Konzeptionen <strong>der</strong> E<strong>in</strong>richtungen<br />

nachvollzogen und vermieden werden,<br />

dass <strong>Partizipation</strong> als vorübergehendes Modethema<br />

und zusätzliche Aufgabe von K<strong>in</strong><strong>der</strong>tagese<strong>in</strong>richtungen<br />

missverstanden wird. Erzieher<strong>in</strong>nen<br />

und Erzieher sollten ihre pädagogische<br />

Praxis vor dem H<strong>in</strong>tergrund dieser<br />

theoretischen Ansätze reflektieren und darstellen<br />

können. Sie müssen – auch <strong>in</strong> Bezug<br />

auf die Beteiligung <strong>der</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong> – die Frage beantworten<br />

können, warum sie so handeln, wie<br />

sie handeln, und sich dafür mit folgenden Fragen<br />

ause<strong>in</strong>an<strong>der</strong>setzen:<br />

– Wie reflektieren wir unsere Arbeit theoretisch?<br />

– Was bedeutet <strong>Partizipation</strong> <strong>in</strong> den aktuellen<br />

Ansätzen <strong>der</strong> Kle<strong>in</strong>k<strong>in</strong>dpädagogik?<br />

– Wie br<strong>in</strong>gen wir unsere theoretischen<br />

H<strong>in</strong>tergründe <strong>in</strong> die Konzeption und <strong>in</strong> die<br />

Dokumentation unserer pädagogischen Arbeit<br />

e<strong>in</strong>?<br />

83


Was verlangt die <strong>Partizipation</strong> <strong>der</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong> von den Erwachsenen?<br />

q <strong>Partizipation</strong> im Situationsansatz<br />

Der Situationsansatz geht von den realen komplexen<br />

Lebenssituationen <strong>der</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong> aus und hat als<br />

Richtziele Autonomie, Solidarität und Kompetenz.<br />

Ausgangspunkt <strong>der</strong> pädagogischen Arbeit ist das<br />

Aufspüren von Schlüsselsituationen. <strong>Die</strong>s s<strong>in</strong>d Situationen<br />

im Alltag <strong>der</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong>, die für sie und ihre<br />

Entwicklung von beson<strong>der</strong>er Bedeutung s<strong>in</strong>d.<br />

Aufgabe <strong>der</strong> Erzieher<strong>in</strong>nen und Erzieher ist es,<br />

diese Schlüsselsituationen zu erkennen, zu analysieren<br />

und zum Ausgangspunkt pädagogischen<br />

Handelns (<strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e <strong>in</strong> Projekten) zu machen<br />

(vgl. Zimmer 2000, 27 ff.). Um Schlüsselsituationen<br />

als solche erkennen zu können, braucht es<br />

<strong>Partizipation</strong>. <strong>Die</strong> Frage ist nicht: Wie kann ich<br />

das den K<strong>in</strong><strong>der</strong>n vermitteln? Son<strong>der</strong>n: Wie kann<br />

ich die K<strong>in</strong><strong>der</strong> verstehen? Welche Bedeutung hat<br />

diese Situation für die K<strong>in</strong><strong>der</strong>? Auch die weiteren<br />

methodischen Schritte des Situationsansatzes<br />

be<strong>in</strong>halten immer wie<strong>der</strong> das Aushandeln mit den<br />

K<strong>in</strong><strong>der</strong>n.<br />

<strong>Partizipation</strong> ist e<strong>in</strong>e von fünf theoretischen Dimensionen,<br />

die die konzeptionellen Grundsätze<br />

des Situationsansatzes begründen (vgl. Preiss<strong>in</strong>g<br />

2003, 11). „K<strong>in</strong><strong>der</strong> zu <strong>beteiligen</strong> bedeutet, sie<br />

ganz selbstverständlich als Subjekte zu begreifen,<br />

die ihr Leben selbst <strong>in</strong> die Hand nehmen [...].<br />

Ausgehend von diesem Bewusstse<strong>in</strong> heißt das<br />

für die pädagogische Arbeit: K<strong>in</strong><strong>der</strong> lernen, Situationen<br />

selbst zu gestalten. Geme<strong>in</strong>t ist, K<strong>in</strong><strong>der</strong>n<br />

die Chance zu geben, sich Wege selbst zu suchen<br />

und diesen Prozess des forschenden, entdeckenden,<br />

experimentierenden Lernens durch<br />

die Erweiterung des Blickw<strong>in</strong>kels und durch vertiefende<br />

Recherchen zu för<strong>der</strong>n“ (Preiss<strong>in</strong>g 2003,<br />

46).<br />

q <strong>Partizipation</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> aktuellen Bildungsdiskussion<br />

<strong>Die</strong> Zusammenhänge von <strong>Partizipation</strong> und Bildung<br />

wurden bereits im zweiten Kapitel dargestellt.<br />

An dieser Stelle geht es darum, die H<strong>in</strong>weise,<br />

die sich aus dieser Diskussion für die<br />

Weiterentwicklung des Situationsansatzes ergeben,<br />

zu skizzieren.<br />

Hans-Joachim Laewen (2002 b, 237) stellt im<br />

Modellprojekt „Zum Bildungsauftrag von K<strong>in</strong><strong>der</strong>tagese<strong>in</strong>richtungen“<br />

aus entwicklungspsychologischer<br />

Perspektive fest: „Der Situationsansatz hat<br />

ke<strong>in</strong> Verfahren zur Identifizierung von Schüsselthemen<br />

o<strong>der</strong> Schlüsselsituationen von K<strong>in</strong><strong>der</strong>n<br />

entwickelt, das sich auf das subjektive Erleben<br />

von K<strong>in</strong><strong>der</strong>n, auf <strong>der</strong>en Konstruktionen von Welt<br />

stützt und diese Informationen zum Ausgangspunkt<br />

weitergreifen<strong>der</strong> Analysen bis h<strong>in</strong> zu Konzepten<br />

erzieherischen Handelns machen würde.“<br />

In <strong>der</strong> Tat räumt Jürgen Zimmer (2000, 29) e<strong>in</strong>,<br />

dass es im Situationsansatz die Erzieher<strong>in</strong>nen<br />

und Erzieher s<strong>in</strong>d, die entscheiden, was e<strong>in</strong>e<br />

Schlüsselsituation ist: „Sie müssen die Komplexität<br />

des Geschehens, das Sie beobachten, reduzieren<br />

und sagen: Das ist die Situation, die ich<br />

jetzt wichtig f<strong>in</strong>de.“ Hans-Joachim Laewen plädiert<br />

stattdessen dafür, stärker als im Situationsansatz<br />

bislang geschehen, von <strong>der</strong> subjektiven<br />

Weltsicht <strong>der</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong> auszugehen und dies methodisch<br />

zu systematisieren. Er empfiehlt, immer<br />

dann skeptisch zu werden, wenn K<strong>in</strong><strong>der</strong> leicht<br />

verstanden werden: „Oft beruht dieses verme<strong>in</strong>tlich<br />

rasche Verstehen auf e<strong>in</strong>er Verkürzung des<br />

vom K<strong>in</strong>d Geme<strong>in</strong>ten auf e<strong>in</strong>en Teilaspekt o<strong>der</strong><br />

aber auf e<strong>in</strong>er völligen Fehl<strong>in</strong>terpretation“ (Laewen<br />

2002 a, 95).<br />

<strong>Die</strong>s ist e<strong>in</strong> Plädoyer für e<strong>in</strong>e stärkere K<strong>in</strong><strong>der</strong>beteiligung<br />

bei <strong>der</strong> Auswahl von Schlüsselsituationen<br />

und Bildungsthemen. <strong>Partizipation</strong>sverfahren,<br />

wie sie v.a. <strong>in</strong> <strong>der</strong> DRK-K<strong>in</strong><strong>der</strong>tagesstätte Turnstraße<br />

<strong>in</strong> Elmshorn entwickelt wurden, können<br />

dazu beitragen, dass tatsächlich das subjektive<br />

Erleben <strong>der</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong> im Mittelpunkt steht, ihre Fragen<br />

und ihre Antworten wahrgenommen werden<br />

und e<strong>in</strong> offener Dialog ermöglicht wird.<br />

q <strong>Partizipation</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> Kle<strong>in</strong>k<strong>in</strong>dpädagogik <strong>in</strong><br />

Reggio Emilia<br />

In den K<strong>in</strong><strong>der</strong>tagese<strong>in</strong>richtungen <strong>in</strong> Reggio Emilia<br />

f<strong>in</strong>det genau dies schon lange statt. Hier ist die<br />

subjektive Weltsicht <strong>der</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong> Ausgangspunkt<br />

<strong>der</strong> pädagogischen Arbeit. Für die Pädagog<strong>in</strong>nen<br />

und Pädagogen <strong>in</strong> Reggio s<strong>in</strong>d die Ideen und Vorstellungen<br />

<strong>der</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong> niemals falsch o<strong>der</strong> unvollständig,<br />

son<strong>der</strong>n haben e<strong>in</strong>e eigene Qualität, die<br />

sie mit größter Aufmerksamkeit zu verstehen<br />

trachten. „Es sche<strong>in</strong>t fast, als sei für die K<strong>in</strong><strong>der</strong><br />

jedes Objekt und jedes Ereignis Träger e<strong>in</strong>er Bedeutung,<br />

die es wert ist, <strong>in</strong>terpretiert zu werden“<br />

(S. Spaggiari nach Dreier 1999, 71). <strong>Die</strong> Erzieher<strong>in</strong>nen<br />

und Erzieher nehmen die Fragen und Beiträge<br />

<strong>der</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong> ernst, greifen sie auf und beziehen<br />

sie <strong>in</strong> ihre pädagogische Tätigkeit e<strong>in</strong>. Der dialogische<br />

Prozess des Verstehens <strong>der</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong><br />

umfasst dabei ausführliche Dokumentationen <strong>der</strong><br />

Interaktionen zwischen Erwachsenen und K<strong>in</strong><strong>der</strong>n,<br />

<strong>der</strong>en Interpretation aufgrund fachlicher<br />

Kenntnisse und <strong>in</strong>tensive Reflexionen im Team<br />

und mit <strong>der</strong> Fachberatung (vgl. Laewen 2002 b,<br />

237 ff.). Das ausschlaggebende Moment <strong>in</strong> diesem<br />

Prozess ist die direkte Beteiligung <strong>der</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong><br />

im Dialog.<br />

84


Was verlangt die <strong>Partizipation</strong> <strong>der</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong> von den Erwachsenen?<br />

<strong>Partizipation</strong> verlangt von den Erwachsenen<br />

e<strong>in</strong>e dialogische Haltung<br />

<strong>Partizipation</strong> verlangt e<strong>in</strong>e gleichwertige, e<strong>in</strong>e<br />

symmetrische Kommunikation. Voraussetzung<br />

dafür ist e<strong>in</strong>e dialogische Haltung <strong>der</strong> Erwachsenen.<br />

Wenn <strong>Partizipation</strong> bedeutet, geme<strong>in</strong>sam<br />

Entscheidungen zu fällen und geme<strong>in</strong>sam<br />

Probleme zu lösen, braucht sie zudem<br />

e<strong>in</strong>en Gegenstand, e<strong>in</strong> für die Beteiligten relevantes<br />

Thema. Es geht nicht nur um e<strong>in</strong> Mite<strong>in</strong>an<strong>der</strong>-Verhandeln,<br />

son<strong>der</strong>n gleichzeitig um<br />

e<strong>in</strong> Aushandeln von Interessen. <strong>Partizipation</strong><br />

verlangt also e<strong>in</strong>en Dialog mit K<strong>in</strong><strong>der</strong>n über<br />

e<strong>in</strong>en Inhalt.<br />

q Dialoge mit K<strong>in</strong><strong>der</strong>n<br />

Dialoge mit K<strong>in</strong><strong>der</strong>n können <strong>in</strong> „100 Sprachen“<br />

erfolgen. Sie s<strong>in</strong>d nicht auf verbale<br />

Ausdrucksformen beschränkt. <strong>Die</strong> Körpersprache<br />

<strong>der</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong> spricht oft e<strong>in</strong>e viel e<strong>in</strong>deutigere<br />

Sprache als ihr verbaler Ausdruck es vermag.<br />

„Der Körper ist <strong>der</strong> Handschuh <strong>der</strong><br />

Seele, se<strong>in</strong>e Sprache das Wort des Herzens“,<br />

sagt <strong>der</strong> Pantomime Samy Molcho (2003, 20<br />

f.). „Jede <strong>in</strong>nere Bewegung, Gefühle, Emotionen,<br />

Wünsche drücken sich durch unseren<br />

Körper aus.“ Das heißt für Molcho, dass <strong>der</strong><br />

Körper nicht lügen kann. Bei Erwachsenen beobachten<br />

wir allerd<strong>in</strong>gs sehr viel häufiger als<br />

bei K<strong>in</strong><strong>der</strong>n wi<strong>der</strong>sprüchliche Signale o<strong>der</strong> Gebärden.<br />

Dabei geht es um Wi<strong>der</strong>sprüche zwischen<br />

verbaler Äußerung und Bewegung und<br />

<strong>in</strong> sich wi<strong>der</strong>sprüchliche Bewegungen. Samy<br />

Molcho (1996, 187) führt das darauf zurück,<br />

dass „Rituale mehr und mehr e<strong>in</strong> Teil des eigenen<br />

Ich werden“ und so Konflikte zwischen<br />

dem Ritual und den eigenen Wünschen auftreten.<br />

Während wir vielleicht <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Gesprächsrunde,<br />

die uns langweilt o<strong>der</strong> überfor<strong>der</strong>t<br />

o<strong>der</strong> aus sonstigen Gründen unangenehm<br />

ist, „gute M<strong>in</strong>e zum bösen Spiel“<br />

machen werden, verrät uns die Körpersprache<br />

<strong>der</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong> sehr e<strong>in</strong>deutig, ob sie noch bei <strong>der</strong><br />

Sache s<strong>in</strong>d o<strong>der</strong> nicht. <strong>Die</strong>se Signale gilt es zu<br />

beachten und zu berücksichtigen.<br />

<strong>Die</strong> genaue Beobachtung <strong>der</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong> und die<br />

Interpretation ihrer Lebensäußerungen auf <strong>der</strong><br />

Grundlage fachlichen Wissens s<strong>in</strong>d e<strong>in</strong> Teil<br />

des Dialogs mit K<strong>in</strong><strong>der</strong>n. Dazu gehört aber<br />

auch die Verständigung mit den K<strong>in</strong><strong>der</strong>n darüber,<br />

ob die jeweilige Interpretation ihrer Äußerung<br />

richtig ist.<br />

<strong>Die</strong>se Qualität des Interaktionsprozesses bestimmen<br />

zunächst alle<strong>in</strong> die Erwachsenen.<br />

Nur wenn sie den K<strong>in</strong><strong>der</strong>n mit e<strong>in</strong>er dialogischen<br />

Haltung begegnen, können Dialoge zwischen<br />

Erwachsenen und K<strong>in</strong><strong>der</strong>n entstehen.<br />

E<strong>in</strong>e dialogische Haltung <strong>der</strong> Erwachsenen bedeutet,<br />

davon überzeugt zu se<strong>in</strong>, dass je<strong>der</strong><br />

und jede etwas zu sagen hat, <strong>in</strong>teressiert und<br />

neugierig auf das zu se<strong>in</strong>, was die K<strong>in</strong><strong>der</strong> beizutragen<br />

haben, ihnen fragend, nicht wissend<br />

zu begegnen und ihre Beiträge ernst zu nehmen.<br />

Dialoge mit K<strong>in</strong><strong>der</strong>n erfor<strong>der</strong>n aufmerksam zuzuhören,<br />

sich ihnen zuzuwenden, Blickkontakt<br />

zu suchen, die K<strong>in</strong><strong>der</strong> ausreden zu lassen,<br />

auch wenn sie sche<strong>in</strong>bar abschweifen. Wenn<br />

es, aus welchen Gründen auch immer, gerade<br />

nicht möglich ist, sich auf das Gespräch e<strong>in</strong>zulassen,<br />

muss das ehrlich ausgesprochen werden:<br />

„Ich kann dir jetzt nicht zuhören. Kannst<br />

du warten, bis ich hiermit fertig b<strong>in</strong>?“<br />

Dialoge mit K<strong>in</strong><strong>der</strong>n erfor<strong>der</strong>n, sich auf sie e<strong>in</strong>zulassen<br />

und sich <strong>in</strong> sie h<strong>in</strong>e<strong>in</strong>zuversetzen.<br />

Sie können bedeuten, den Gefühlen o<strong>der</strong> Gedanken<br />

<strong>der</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong> e<strong>in</strong>e Sprache zu geben<br />

o<strong>der</strong> ihre Ausdrucksformen anzunehmen. Sie<br />

verlangen Respekt, als „das Gefühl für den<br />

fe<strong>in</strong>en Unterschied zwischen Nähe und Zunahe-Treten“<br />

(Raoul Wortmann nach Kazemi-<br />

Veisari 1998, 18).<br />

Dialoge mit K<strong>in</strong><strong>der</strong>n brauchen die Geduld, die<br />

es ermöglicht, den eigenen Wissensvorsprung<br />

zurück und eigene Bewertungen „<strong>in</strong><br />

<strong>der</strong> Schwebe“ zu halten (Kle<strong>in</strong> / Vogt 2000,<br />

102 f.), die Fähigkeit, das eigene Vorwissen<br />

ohne Besserwisserei zur Verfügung zu stellen<br />

und die Selbstsicherheit, eigene Ungewissheiten<br />

e<strong>in</strong>zugestehen: „Das weiß ich auch nicht,<br />

aber wir können geme<strong>in</strong>sam versuchen, es<br />

heraus zu bekommen.<br />

Dialoge mit K<strong>in</strong><strong>der</strong>n zu führen, verlangt von<br />

den Erwachsenen bereit und <strong>in</strong> <strong>der</strong> Lage zu<br />

se<strong>in</strong>, die Interaktionen mit den K<strong>in</strong><strong>der</strong>n symmetrisch<br />

zu gestalten. Entscheidend dafür,<br />

dass das gel<strong>in</strong>gt, ist das, was wir als „Ton“,<br />

„Stimmung“ o<strong>der</strong> „Atmosphäre“ bezeichnen.<br />

85


Was verlangt die <strong>Partizipation</strong> <strong>der</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong> von den Erwachsenen?<br />

Interaktionen zwischen Erwachsenen und<br />

K<strong>in</strong><strong>der</strong>n f<strong>in</strong>den im Alltag von K<strong>in</strong><strong>der</strong>tagese<strong>in</strong>richtungen<br />

<strong>in</strong> sehr unterschiedlichen Formen<br />

statt. Ob Erzieher<strong>in</strong>nen o<strong>der</strong> Erzieher dabei<br />

e<strong>in</strong>e dialogische Haltung e<strong>in</strong>nehmen, spüren<br />

K<strong>in</strong><strong>der</strong> sehr genau.<br />

q Dialoge über Inhalte<br />

Dialoge mit K<strong>in</strong><strong>der</strong>n können das Phänomen<br />

des Wachsens, das nächste Ausflugsziel,<br />

Raum- o<strong>der</strong> Tagesgestaltungen, die Gestaltung<br />

e<strong>in</strong>es K<strong>in</strong><strong>der</strong>ortsplanes o<strong>der</strong> auch Personalfragen<br />

be<strong>in</strong>halten. Gegenstand des Dialogs<br />

kann se<strong>in</strong>, was die K<strong>in</strong><strong>der</strong> gerade <strong>in</strong>teressiert<br />

o<strong>der</strong> wie sie Alltägliches <strong>in</strong> <strong>der</strong> E<strong>in</strong>richtung<br />

wahrnehmen, aber auch, was die Erwachsenen<br />

beschäftigt o<strong>der</strong> was im Alltag <strong>der</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong>tagese<strong>in</strong>richtung<br />

gerade entschieden werden<br />

muss. K<strong>in</strong><strong>der</strong> nehmen Anteil am Leben <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />

E<strong>in</strong>richtung und am Weltgeschehen. Es entgeht<br />

ihnen nicht, welche Themen Erwachsene<br />

bewegen. Sie wollen daran teilhaben; und<br />

sie br<strong>in</strong>gen viele Voraussetzungen dafür mit.<br />

Nur <strong>in</strong> Dialogen mit K<strong>in</strong><strong>der</strong>n erfahren Erwachsene,<br />

welches die jeweils aktuellen Themen<br />

<strong>der</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong> s<strong>in</strong>d. E<strong>in</strong> Dialog verlangt von den<br />

Erwachsenen aber auch, sich mit den K<strong>in</strong><strong>der</strong>n<br />

über D<strong>in</strong>ge ause<strong>in</strong>an<strong>der</strong> zu setzen, die ihnen<br />

selbst am Herzen liegen. Erwachsene müssen<br />

immer wie<strong>der</strong> klären, welche Themen sie den<br />

K<strong>in</strong><strong>der</strong>n zumuten wollen, und diese Themen<br />

so e<strong>in</strong>br<strong>in</strong>gen, dass die K<strong>in</strong><strong>der</strong> <strong>in</strong> die Lage<br />

versetzt werden, darüber <strong>in</strong> e<strong>in</strong>en Dialog zu<br />

treten.<br />

Um Dialoge mit K<strong>in</strong><strong>der</strong>n über die vielen denkbaren<br />

Inhalte zu ermöglichen, müssen die Erzieher<strong>in</strong>nen<br />

und Erzieher sich fragen:<br />

– Kann ich aktiv zuhören?<br />

– Nehme ich die Äußerungen <strong>der</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong><br />

wahr? Inwiefern berücksichtige ich nicht nur<br />

die verbalen, son<strong>der</strong>n auch non-verbale<br />

Sprachen <strong>der</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong>?<br />

– Wie viel Zeit lasse ich mir, die K<strong>in</strong><strong>der</strong> zu verstehen?<br />

Wie vergewissere ich mich, ob ich<br />

die K<strong>in</strong><strong>der</strong> richtig verstanden habe, bevor ich<br />

me<strong>in</strong>e sie verstanden zu haben?<br />

– Was s<strong>in</strong>d die Themen <strong>der</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong>?<br />

– Was s<strong>in</strong>d me<strong>in</strong>e Themen, Positionen und<br />

Ziele? Welche will ich den K<strong>in</strong><strong>der</strong>n zumuten?<br />

<strong>Partizipation</strong> verlangt von den Erwachsenen<br />

Mo<strong>der</strong>ationskompetenzen<br />

Das Handwerkszeug von Pädagog<strong>in</strong>nen und<br />

Pädagogen s<strong>in</strong>d Methoden, mit denen pädagogische<br />

Prozesse gestaltet werden können.<br />

Das gilt auch für <strong>Partizipation</strong>. Um K<strong>in</strong><strong>der</strong> <strong>in</strong><br />

K<strong>in</strong><strong>der</strong>tagese<strong>in</strong>richtungen <strong>beteiligen</strong> zu können,<br />

brauchen Erzieher<strong>in</strong>nen und Erzieher methodische<br />

Kompetenzen, die <strong>Partizipation</strong>sprozesse<br />

ermöglichen und erleichtern. Dazu zählen<br />

vor allem Mo<strong>der</strong>ationskompetenzen.<br />

Mo<strong>der</strong>ieren bedeutet, den Me<strong>in</strong>ungs- und<br />

Willensbildungsprozess e<strong>in</strong>er Gruppe zu ermöglichen<br />

o<strong>der</strong> zu erleichtern, ohne <strong>in</strong>haltlich<br />

e<strong>in</strong>zugreifen und zu steuern. Mo<strong>der</strong>ator<strong>in</strong>nen<br />

86


Was verlangt die <strong>Partizipation</strong> <strong>der</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong> von den Erwachsenen?<br />

und Mo<strong>der</strong>atoren s<strong>in</strong>d methodische Helfer,<br />

die ihre eigenen Me<strong>in</strong>ungen, Ziele und Wertungen<br />

zurückstellen können. <strong>Die</strong> Kunst bei<br />

<strong>der</strong> Beteiligung von K<strong>in</strong><strong>der</strong>n besteht nun dar<strong>in</strong>,<br />

sich e<strong>in</strong>erseits im Dialog mit e<strong>in</strong>er eigenen<br />

Position e<strong>in</strong>zubr<strong>in</strong>gen, diese aber an<strong>der</strong>erseits<br />

<strong>in</strong> <strong>der</strong> Mo<strong>der</strong>ation des Beteiligungsprozesses<br />

zurückzuhalten.<br />

Für die <strong>Partizipation</strong> <strong>in</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong>tagese<strong>in</strong>richtungen<br />

s<strong>in</strong>d <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e die Mo<strong>der</strong>ation von<br />

K<strong>in</strong><strong>der</strong>gesprächen, die Konfliktmo<strong>der</strong>ation und<br />

die Mo<strong>der</strong>ation von Beteiligungsverfahren bedeutsam.<br />

q Mo<strong>der</strong>ation von K<strong>in</strong><strong>der</strong>gesprächen<br />

Wenn <strong>Partizipation</strong> bedeutet, geme<strong>in</strong>sam Entscheidungen<br />

zu fällen, muss nicht nur die<br />

Kommunikation zwischen Erwachsenen und<br />

K<strong>in</strong><strong>der</strong>n auf Gleichwertigkeit beruhen, son<strong>der</strong>n<br />

auch die zwischen den K<strong>in</strong><strong>der</strong>n selbst. Erzieher<strong>in</strong>nen<br />

und Erzieher können K<strong>in</strong><strong>der</strong> schon<br />

früh dar<strong>in</strong> unterstützen, Gesprächskompetenzen<br />

zu üben.<br />

„K<strong>in</strong><strong>der</strong>gespräche zu begleiten, zu mo<strong>der</strong>ieren,<br />

fiel mir nicht e<strong>in</strong>fach <strong>in</strong> den Schoß. Es<br />

war e<strong>in</strong> langer Lernprozess,“ gesteht Siegl<strong>in</strong>de<br />

Mühlum (Mühlum / Virnkaes 1998, 63),<br />

langjährige Leiter<strong>in</strong> des Evangelischen K<strong>in</strong><strong>der</strong>gartens<br />

im hessischen Lorsch. <strong>Die</strong> Aufgaben<br />

<strong>der</strong> Mo<strong>der</strong>ation sieht sie dar<strong>in</strong>, bei <strong>der</strong> Entwicklung<br />

von Gesprächsregeln behilflich zu<br />

se<strong>in</strong>, darauf zu achten, dass alle zu Wort kommen<br />

können, nicht ausgelacht o<strong>der</strong> verspottet<br />

werden. Dabei gilt es durchaus, auch das Ziel<br />

des Gesprächs im Auge zu behalten, sich aber<br />

tunlichst davor zu hüten, zu bewerten o<strong>der</strong> für<br />

e<strong>in</strong>zelne K<strong>in</strong><strong>der</strong> Position zu beziehen.<br />

E<strong>in</strong> Erzieher berichtete, wie sich das geme<strong>in</strong>same<br />

Frühstück <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Krabbelgruppe mit<br />

e<strong>in</strong>- bis dreijährigen K<strong>in</strong><strong>der</strong>n über Monate zu<br />

e<strong>in</strong>er Gesprächsrunde entwickelte, <strong>in</strong> <strong>der</strong> die<br />

K<strong>in</strong><strong>der</strong> bis zu dreißig M<strong>in</strong>uten mite<strong>in</strong>an<strong>der</strong><br />

e<strong>in</strong>en Gesprächsfaden verfolgen konnten –<br />

wenn auch auf allerlei Umwegen. Zu Beg<strong>in</strong>n<br />

wies er die K<strong>in</strong><strong>der</strong> immer wie<strong>der</strong> darauf h<strong>in</strong>,<br />

dass Jonas gerade rede, for<strong>der</strong>te sie auf, ihm<br />

zuzuhören, weil <strong>der</strong> so Interessantes berichte.<br />

Er bat, die Ansprechpartner zu benennen:<br />

„Frag doch Klara selbst“, ermutigte Manuel<br />

(bedrängte ihn aber nicht), zu wie<strong>der</strong>holen,<br />

was er gerade gesagt habe, o<strong>der</strong> griff selber<br />

e<strong>in</strong>en Beitrag auf. Er übersetzte, bremste<br />

Nele lachend, wenn sie an<strong>der</strong>en gar zu<br />

stürmisch <strong>in</strong>s Wort fiel, sorgte aber auch<br />

dafür, dass sie zu Wort kam, bevor sie alles<br />

wie<strong>der</strong> vergaß. Nach und nach entwickelten<br />

so schon diese e<strong>in</strong>- bis dreijährigen K<strong>in</strong><strong>der</strong><br />

e<strong>in</strong>e Gesprächskultur.<br />

<strong>Die</strong> Mo<strong>der</strong>ation von K<strong>in</strong><strong>der</strong>gesprächen ist<br />

immer e<strong>in</strong>e Gratwan<strong>der</strong>ung. „K<strong>in</strong><strong>der</strong> brauchen<br />

Erwachsene, die sich ihnen mit ihren eigenen<br />

Lebenserfahrungen zur Verfügung stellen,<br />

d.h.: Ich br<strong>in</strong>ge mich e<strong>in</strong>, beziehe Stellung,<br />

habe Vorlieben und Abneigungen, habe me<strong>in</strong>e<br />

Me<strong>in</strong>ung, aber sie muss nicht die Me<strong>in</strong>ung<br />

an<strong>der</strong>er se<strong>in</strong>“ (Mühlum / Virnkaes 1998, 63).<br />

Erzieher<strong>in</strong>nen und Erzieher s<strong>in</strong>d <strong>in</strong> den Gesprächen<br />

mit K<strong>in</strong><strong>der</strong>n oft Teilnehmer mit beson<strong>der</strong>en<br />

Aufgaben. Sie leiten den Prozess<br />

des Gesprächs, s<strong>in</strong>d aber u.U. mit ihren persönlichen<br />

Erfahrungen gefragt o<strong>der</strong> selbst an<br />

<strong>der</strong> Entscheidungsf<strong>in</strong>dung <strong>in</strong>teressiert. <strong>Die</strong>se<br />

ambivalente Doppelrolle – die dem eigentlichen<br />

Geist <strong>der</strong> Mo<strong>der</strong>ation wi<strong>der</strong>spricht – gebietet,<br />

den Rollenwechsel von <strong>der</strong> Gesprächsleitung<br />

zur Gesprächsbeteiligung bewusst<br />

wahrzunehmen und den K<strong>in</strong><strong>der</strong>n transparent<br />

zu machen: „Ihr habt jetzt gesagt, wie ihr das<br />

seht. Nun will ich auch sagen, wie ich das<br />

sehe. Und dann könnt ihr wie<strong>der</strong> dazu sagen,<br />

wie ihr das f<strong>in</strong>det.“<br />

q Mo<strong>der</strong>ation von Konflikten<br />

Wenn man geme<strong>in</strong>sam plant und entscheidet,<br />

kommt es immer wie<strong>der</strong> zu Konflikten. <strong>Partizipation</strong><br />

scheut Konflikte nicht, son<strong>der</strong>n greift<br />

sie vielmehr so auf, dass Lösungen gesucht<br />

werden, die von allen mitgetragen werden<br />

können.<br />

Voraussetzung für e<strong>in</strong>en konstruktiven Umgang<br />

mit Konflikten ist, sie nicht als störend<br />

o<strong>der</strong> bedrohlich wahrzunehmen, son<strong>der</strong>n sie<br />

als Chance zu betrachten. „Konflikte s<strong>in</strong>d <strong>in</strong><br />

<strong>der</strong> Arbeit mit K<strong>in</strong><strong>der</strong>n etwas Normales“,<br />

schreiben Kurt und Sab<strong>in</strong>e Faller (2002, 16).<br />

„Konflikte – früh wahrgenommen – s<strong>in</strong>d e<strong>in</strong><br />

wichtiges Signal, dass etwas nicht stimmt.<br />

Sie bieten e<strong>in</strong>e Chance zur Entwicklung. [...]<br />

Nicht <strong>der</strong> Konflikt ist das Problem, son<strong>der</strong>n<br />

die Art und Weise, wie wir damit umgehen.“<br />

Kurt und Sab<strong>in</strong>e Faller haben das Konzept <strong>der</strong><br />

„Mediation <strong>in</strong> <strong>der</strong> pädagogischen Arbeit“ (Faller<br />

1998) für K<strong>in</strong><strong>der</strong>tagese<strong>in</strong>richtungen aufgearbeitet.<br />

Mediation ist e<strong>in</strong> Verfahren zur Konfliktlösung<br />

durch e<strong>in</strong>e unbeteiligte dritte Person, um<br />

e<strong>in</strong>e Lösung zu f<strong>in</strong>den, mit <strong>der</strong> alle Beteiligten<br />

zufrieden s<strong>in</strong>d. <strong>Die</strong> Mediation lebt von e<strong>in</strong>er<br />

mediativen Haltung und entsprechenden Gesprächstechniken.<br />

„Das s<strong>in</strong>d ganz allgeme<strong>in</strong><br />

Respekt und Achtung gegenüber den Personen<br />

und Vertrauen <strong>in</strong> ihre Fähigkeit, selbst Lösungen<br />

für ihre Probleme zu f<strong>in</strong>den. [...] <strong>Die</strong> Mediator<strong>in</strong><br />

ist verantwortlich für das Verfahren und<br />

die Gesprächsführung, aber nicht für den Inhalt<br />

und die Lösung“ (Faller / Faller 2002, 11 f.).<br />

87


Was verlangt die <strong>Partizipation</strong> <strong>der</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong> von den Erwachsenen?<br />

<strong>Die</strong> Aufgabe <strong>der</strong> Mediator<strong>in</strong> o<strong>der</strong> des Mediators<br />

ist also nicht, den Konflikt zu beurteilen,<br />

son<strong>der</strong>n se<strong>in</strong>e Lösung zu mo<strong>der</strong>ieren. Dazu<br />

erhalten zunächst beide Konfliktparteien die<br />

Gelegenheit, die Situation aus ihrer Sicht darzustellen.<br />

Zwei Karten, auf denen entwe<strong>der</strong><br />

e<strong>in</strong> Ohr o<strong>der</strong> e<strong>in</strong> Mund abgebildet ist, können<br />

den K<strong>in</strong><strong>der</strong>n dabei helfen, e<strong>in</strong>mal die Rolle des<br />

Zuhörenden und e<strong>in</strong>mal die des Sprechenden<br />

e<strong>in</strong>zunehmen. Wer zuerst den Mund gezogen<br />

hat, darf beg<strong>in</strong>nen zu erzählen. Auf die gleiche<br />

Weise benennen beide mögliche Auswege.<br />

Schließlich geht es darum, dass die Kontrahenten<br />

mite<strong>in</strong>an<strong>der</strong> e<strong>in</strong>e Lösung aushandeln<br />

und geme<strong>in</strong>sam Konsequenzen festlegen.<br />

Und die Mediator<strong>in</strong> o<strong>der</strong> <strong>der</strong> Mediator vergewissern<br />

sich, dass beide die Vere<strong>in</strong>barungen<br />

verstanden haben.<br />

Mediation fällt beson<strong>der</strong>s schwer, wenn die<br />

Erwachsenen selbst <strong>in</strong> Konflikte mit e<strong>in</strong>em<br />

K<strong>in</strong>d verwickelt s<strong>in</strong>d. Oft f<strong>in</strong>det sich im Alltag<br />

ke<strong>in</strong>e Kolleg<strong>in</strong>, die gerade <strong>in</strong> <strong>der</strong> Lage ist, die<br />

Konfliktlösung zu begleiten. Dann müssen die<br />

Erwachsenen den Spagat vollbr<strong>in</strong>gen, den eigenen<br />

Konflikt zu mo<strong>der</strong>ieren. <strong>Die</strong>s erfor<strong>der</strong>t<br />

sehr viel Rollendistanz, um die eigenen Beiträge<br />

von <strong>der</strong> Mo<strong>der</strong>ation des Prozesses zu trennen.<br />

<strong>Die</strong> Rolle e<strong>in</strong>er Mo<strong>der</strong>ator<strong>in</strong> o<strong>der</strong> e<strong>in</strong>es<br />

Mo<strong>der</strong>ators <strong>in</strong> Konflikten kann aber – wie Kurt<br />

und Sab<strong>in</strong>e Faller zeigen – auch von K<strong>in</strong><strong>der</strong>n<br />

übernommen werden.<br />

q Mo<strong>der</strong>ation von Beteiligungsverfahren<br />

Mo<strong>der</strong>ation spielt schließlich auch bei <strong>der</strong> Gesamtplanung<br />

von Beteiligungsverfahren e<strong>in</strong>e<br />

wichtige Rolle. Erwachsene müssen auch hier<br />

immer wie<strong>der</strong> e<strong>in</strong>en Spagat bewältigen, nämlich<br />

e<strong>in</strong>erseits offene Situationen zu schaffen,<br />

<strong>in</strong> denen K<strong>in</strong><strong>der</strong> ihre Ideen entwickeln können,<br />

an<strong>der</strong>erseits den Gesamtprozess so zu<br />

gestalten, dass die Zusammenhänge für alle<br />

erkennbar bleiben und verabredete Ziele auch<br />

erreicht werden können.<br />

Dabei müssen Erzieher<strong>in</strong>nen und Erzieher <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e<br />

e<strong>in</strong> Gleichgewicht zwischen Planung<br />

und Beteiligung sowie Prozess- und Ergebnisorientierung<br />

f<strong>in</strong>den.<br />

Planung und Beteiligung<br />

E<strong>in</strong>e am K<strong>in</strong>d orientierte partizipative Pädagogik<br />

steht immer <strong>in</strong> dem Dilemma, e<strong>in</strong>erseits<br />

offene Verfahren zu gestalten (Beteiligung),<br />

an<strong>der</strong>erseits methodisch planen zu müssen<br />

(Planung). Es gilt, die Balance zwischen Planung<br />

und Offenheit zu f<strong>in</strong>den, um e<strong>in</strong>erseits<br />

geme<strong>in</strong>sam besprochene Ziele zu erreichen<br />

(z.B. die Erstellung e<strong>in</strong>es K<strong>in</strong><strong>der</strong>stadtplans) an<strong>der</strong>erseits<br />

die <strong>Partizipation</strong> nicht zugunsten<br />

e<strong>in</strong>es e<strong>in</strong>mal def<strong>in</strong>ierten Ziels aufzugeben.<br />

Für diese Planung s<strong>in</strong>d – jedenfalls <strong>in</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong>tagese<strong>in</strong>richtungen<br />

– zunächst ausschließlich<br />

die Erwachsenen verantwortlich. Das wird beson<strong>der</strong>s<br />

deutlich bei <strong>der</strong> E<strong>in</strong>führung <strong>in</strong>stitutionalisierter<br />

Beteiligungsformen. <strong>Die</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong> <strong>in</strong><br />

K<strong>in</strong><strong>der</strong>tagese<strong>in</strong>richtungen verfügen normalerweise<br />

über ke<strong>in</strong>erlei Erfahrungen mit formalen<br />

Mitbestimmungsstrukturen. Es mangelt ihnen<br />

am nötigen Wissen, um an e<strong>in</strong>er Entscheidung<br />

über die Form ihrer künftigen Beteiligung<br />

beteiligt zu werden. Erst wenn sie e<strong>in</strong>ige<br />

Zeit <strong>in</strong> den von den Erwachsenen e<strong>in</strong>geführten<br />

Gremien gearbeitet haben, verfügen<br />

sie über e<strong>in</strong> Wissen, das ihnen ermöglicht an<br />

<strong>der</strong> Weiterentwicklung <strong>der</strong> Abläufe und Strukturen<br />

mitzuwirken.<br />

Wie diese Balance aussehen kann, zeigte sich<br />

<strong>in</strong> <strong>der</strong> Gestaltung des K<strong>in</strong><strong>der</strong>stadtplans im<br />

Izz-Kizz-K<strong>in</strong><strong>der</strong>garten <strong>in</strong> Itzehoe (vgl. Kapitel<br />

1.2). Hier hatten sich die Erzieher<strong>in</strong>nen dafür<br />

entschieden, <strong>in</strong> Zusammenarbeit mit den K<strong>in</strong><strong>der</strong>n<br />

e<strong>in</strong>en K<strong>in</strong><strong>der</strong>stadtplan zu entwickeln. Sie<br />

hatten Ziele formuliert (bezüglich <strong>der</strong> Beteiligung<br />

<strong>der</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong>, sowie <strong>der</strong> Inhalte und <strong>der</strong><br />

Produkte des Projekts), hatten den E<strong>in</strong>stieg<br />

geplant, mögliche Arbeits- und Präsentationsformen<br />

zusammengetragen, e<strong>in</strong>en Zeitplan<br />

erstellt und über potenzielle Stolperste<strong>in</strong>e im<br />

Projektverlauf nachgedacht. <strong>Die</strong> Beteiligung<br />

<strong>der</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong> sollte gleich nach <strong>der</strong> E<strong>in</strong>stiegsphase<br />

beg<strong>in</strong>nen. Auch die Beteiligungsstrukturen<br />

88


Was verlangt die <strong>Partizipation</strong> <strong>der</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong> von den Erwachsenen?<br />

waren genau geplant worden.<br />

Schon bei <strong>der</strong> Auswahl <strong>der</strong> Arbeitsformen, <strong>der</strong><br />

ersten Phase <strong>der</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong>beteiligung, erlebten<br />

die Erwachsenen ihre erste Überraschung. Es<br />

fand sich e<strong>in</strong>e Gruppe von K<strong>in</strong><strong>der</strong>n, die das<br />

Medium <strong>der</strong> E<strong>in</strong>stiegsphase (e<strong>in</strong>e Theaterszene)<br />

aufgriff und nicht den vorgestellten Inhalt.<br />

So entstand neben e<strong>in</strong>er Gruppe, die sich tatsächlich<br />

mit <strong>der</strong> Erstellung e<strong>in</strong>es K<strong>in</strong><strong>der</strong>stadtplans<br />

beschäftigen wollte, und zwei e<strong>in</strong>geplanten<br />

Gruppen, die e<strong>in</strong> Modell des Umfeldes<br />

<strong>der</strong> E<strong>in</strong>richtung und e<strong>in</strong> Foto-Memory-<br />

Spiel herstellen wollten, e<strong>in</strong>e Theatergruppe.<br />

<strong>Die</strong>se K<strong>in</strong><strong>der</strong> setzten sich <strong>in</strong> ihrem Theaterstück<br />

zwar mit dem Thema des „Verlaufens“<br />

ause<strong>in</strong>an<strong>der</strong>, führten aber nicht, wie es <strong>der</strong> <strong>in</strong>haltlichen<br />

Intention <strong>der</strong> Erzieher<strong>in</strong>nen entsprach,<br />

Exkursionen zur Erkundung des Stadtteils<br />

durch. <strong>Die</strong> Erzieher<strong>in</strong>nen standen hier vor<br />

<strong>der</strong> Frage: Wie gehen wir damit um, dass e<strong>in</strong>ige<br />

K<strong>in</strong><strong>der</strong> sich e<strong>in</strong> an<strong>der</strong>es Thema suchen?<br />

E<strong>in</strong>e zweite Überraschung erlebten die Erzieher<strong>in</strong>nen,<br />

die die Stadtplan-Gruppe mo<strong>der</strong>ierten.<br />

<strong>Die</strong> Erwachsenen liebäugelten damit,<br />

e<strong>in</strong>en K<strong>in</strong><strong>der</strong>stadtplan im Stile e<strong>in</strong>es Bildatlasses<br />

herzustellen. Als sie <strong>in</strong> <strong>der</strong> Umsetzungsphase<br />

des Projekts den K<strong>in</strong><strong>der</strong>n diese<br />

Idee vorstellten, stießen sie auf Wi<strong>der</strong>stand.<br />

„Das ist doch ke<strong>in</strong> Stadtplan. Das ist doch e<strong>in</strong><br />

Buch.“ Und: „Me<strong>in</strong> Papa hat e<strong>in</strong>en ganz an<strong>der</strong>en<br />

Plan. So e<strong>in</strong>en großen, zum Aufmachen.“<br />

<strong>Die</strong> Erzieher<strong>in</strong>nen waren enttäuscht. Sie spielten<br />

den Ball zurück: „Wie stellt ihr euch denn<br />

den K<strong>in</strong><strong>der</strong>stadtplan vor? Wie soll <strong>der</strong> denn<br />

werden?“ <strong>Die</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong> drucksten herum. Es<br />

war spürbar, wie sie nach Worten suchten.<br />

„So was Großes.“ „Ja, wo man ’rumlaufen<br />

kann.“ Als es den Erzieher<strong>in</strong>nen gelang, sich<br />

wie<strong>der</strong> auf die Vorstellungen <strong>der</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong> e<strong>in</strong>zulassen,<br />

entwickelten sie geme<strong>in</strong>sam die Idee<br />

weiter zu e<strong>in</strong>er Litfasssäulen-Ausstellung, die<br />

mit Hilfe großer Pappkartons verwirklicht<br />

wurde.<br />

<strong>Die</strong> Erzieher<strong>in</strong>nen standen im Projektverlauf<br />

immer wie<strong>der</strong> vor <strong>der</strong> Entscheidung, was sie<br />

höher bewerten wollten: die Interessensäußerungen<br />

<strong>der</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong> und damit <strong>der</strong>en <strong>Partizipation</strong><br />

an <strong>der</strong> Gestaltung des Projektverlaufs<br />

o<strong>der</strong> ihre ursprünglichen Ziele und <strong>in</strong>haltlichen<br />

Planungen. Bei <strong>der</strong> Auswertung im Team am<br />

Ende des Projekts war von <strong>der</strong> zwischenzeitlichen<br />

Enttäuschung nichts mehr zu spüren.<br />

<strong>Die</strong> Erzieher<strong>in</strong>nen hatten das Projekt umsichtig<br />

vorbereitet und die Beteiligung <strong>der</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong><br />

e<strong>in</strong>geplant. Dass ihre <strong>in</strong>haltlichen Vorstellungen<br />

und Zielsetzungen dann im Prozess nicht<br />

immer berücksichtigt wurden, war im E<strong>in</strong>zelfall<br />

zwar e<strong>in</strong> wenig schmerzlich, aber von<br />

vornhere<strong>in</strong> erwartet worden.<br />

Prozess- und Ergebnisorientierung<br />

E<strong>in</strong> ähnliches Dilemma ist das Verhältnis von<br />

Prozess- und Ergebnisorientierung. Ob es<br />

mehr um den Prozess geht o<strong>der</strong> ob das Ergebnis<br />

im Vor<strong>der</strong>grund steht, ist auch vom Inhalt<br />

des Beteiligungsprojekts abhängig und<br />

davon, welche Relevanz die zu erzielenden Ergebnisse<br />

haben. Welche Bedeutung dies<br />

haben kann, zeigt e<strong>in</strong> Vergleich zwischen den<br />

verschiedenen Beteiligungsprojekten.<br />

<strong>Die</strong> Planung <strong>der</strong> Außenraumgestaltung <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />

K<strong>in</strong><strong>der</strong>tagese<strong>in</strong>richtung Oslor<strong>in</strong>g <strong>in</strong> Kiel war<br />

e<strong>in</strong>gebunden <strong>in</strong> e<strong>in</strong> komplexes Planungsverfahren,<br />

<strong>in</strong> dem die Term<strong>in</strong>vorgaben öffentlicher<br />

Ausschreibungen und externer Pla-<br />

89


Was verlangt die <strong>Partizipation</strong> <strong>der</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong> von den Erwachsenen?<br />

nungsbüros berücksichtigt werden mussten<br />

(vgl. Hansen 2002 b). Wenn die Ergebnisse<br />

<strong>der</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong>beteiligung <strong>in</strong> die Gestaltung des<br />

Außengeländes e<strong>in</strong>fließen sollten, mussten<br />

das Beteiligungsverfahren term<strong>in</strong>gerecht abgeschlossen<br />

und die Ergebnisse <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er für<br />

die Landschaftsplaner verwertbaren Form vorgelegt<br />

werden. Der Beteiligungsprozess konnte<br />

also nicht von den K<strong>in</strong><strong>der</strong>n variiert werden,<br />

ohne ihre E<strong>in</strong>flussmöglichkeiten auf die<br />

Gestaltung des Außengeländes aufs Spiel zu<br />

setzen. In so e<strong>in</strong>er Situation muss die Mo<strong>der</strong>ation<br />

zwangsläufig ergebnisorientiert erfolgen.<br />

In <strong>der</strong> DRK-K<strong>in</strong><strong>der</strong>tagesstätte Turnstraße <strong>in</strong><br />

Elmshorn war die Ausgangslage dagegen<br />

gänzlich an<strong>der</strong>s. Hier gab es ke<strong>in</strong>e Zielvorgaben.<br />

Im Mittelpunkt stand die Beteiligung <strong>der</strong><br />

K<strong>in</strong><strong>der</strong>, g<strong>in</strong>g es doch gerade darum, ihre Themen<br />

und ihre Wege, diese zu bearbeiten, zu<br />

entdecken. So waren die K<strong>in</strong><strong>der</strong> von <strong>der</strong> Zielformulierung,<br />

<strong>der</strong> Auswahl <strong>der</strong> Inhalte, <strong>der</strong> Gestaltung<br />

<strong>der</strong> Prozesse bis zur Entscheidung<br />

über das Ende des Prozesses beteiligt. Jede<br />

K<strong>in</strong><strong>der</strong>gruppe fand so schließlich ihre eigenen<br />

Themen und erschloss sich diese auf ihre eigene<br />

Weise. <strong>Die</strong> Mo<strong>der</strong>ation dieser Beteiligungsverfahren<br />

erfolgte äußerst zurückhaltend<br />

und prozessorientiert.<br />

Je ergebnisorientierter e<strong>in</strong> Beteiligungsverfahren<br />

erfolgt, desto mehr beschränken sich die<br />

Beteiligungsmöglichkeiten <strong>der</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong> auf die<br />

<strong>in</strong>haltlichen Fragen. <strong>Die</strong> Erwachsenen s<strong>in</strong>d<br />

allerd<strong>in</strong>gs gefor<strong>der</strong>t den Prozessverlauf so<br />

transparent wie möglich zu gestalten, <strong>in</strong>dem<br />

sie immer wie<strong>der</strong> mit den K<strong>in</strong><strong>der</strong>n reflektieren,<br />

was bereits geschehen ist und was noch<br />

geschehen muss, bis das Ziel erreicht ist. Nur<br />

so haben die K<strong>in</strong><strong>der</strong> u.a. die Möglichkeit, sich<br />

bewusst für o<strong>der</strong> gegen e<strong>in</strong>e Beteiligung zu<br />

entscheiden.<br />

vorliegen sollte. Dementsprechend ergebnisorientiert<br />

mo<strong>der</strong>ierten die Erzieher<strong>in</strong>nen.<br />

Im IzzKizz-K<strong>in</strong><strong>der</strong>garten h<strong>in</strong>gegen sollte die<br />

K<strong>in</strong><strong>der</strong>stadtplanentwicklung vornehmlich dazu<br />

dienen, den K<strong>in</strong><strong>der</strong>n e<strong>in</strong>e bessere Orientierung<br />

im Umfeld <strong>der</strong> E<strong>in</strong>richtung zu ermöglichen.<br />

Daher waren den K<strong>in</strong><strong>der</strong>n hier von<br />

vornhere<strong>in</strong> weitergehende E<strong>in</strong>flussmöglichkeiten<br />

auf den Prozess e<strong>in</strong>geräumt worden, die<br />

dazu führten, dass letztlich statt e<strong>in</strong>es K<strong>in</strong><strong>der</strong>stadtplans<br />

e<strong>in</strong>e bunte Ausstellung über die<br />

Sicht <strong>der</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong> auf ihre Stadt entstand.<br />

Für die Mo<strong>der</strong>ation spielen folgende Fragen<br />

e<strong>in</strong>e Rolle:<br />

– Wie gel<strong>in</strong>gt es uns, Gespräche <strong>in</strong> <strong>der</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong>gruppe<br />

anzuregen und zu begleiten?<br />

– Wie können wir die Entwicklung e<strong>in</strong>er Gesprächskultur<br />

för<strong>der</strong>n?<br />

– Wie gel<strong>in</strong>gt es uns, eigene Beiträge als solche<br />

zu kennzeichnen und den Rollenwechsel<br />

von <strong>der</strong> Mo<strong>der</strong>ation zur <strong>in</strong>haltlichen Beteiligung<br />

zu verdeutlichen?<br />

– Wie konfliktfreudig und konfliktfähig s<strong>in</strong>d wir<br />

selbst?<br />

– Wie können wir die Entwicklung e<strong>in</strong>er Streitkultur<br />

för<strong>der</strong>n?<br />

– Welche Ziele sollen im Beteiligungsverfahren<br />

erreicht werden?<br />

– Welche Vorgaben und Rahmenbed<strong>in</strong>gungen<br />

müssen beachtet werden?<br />

– Wie wichtig ist <strong>der</strong> Prozess? Wie wichtig ist<br />

das Erreichen bestimmter Ziele?<br />

– Welche Beteiligungsverfahren s<strong>in</strong>d für diesen<br />

Zweck geeignet?<br />

– Wie machen wir unsere Ziele und den geplanten<br />

Prozess für die K<strong>in</strong><strong>der</strong> transparent?<br />

Wird weniger ergebnisorientiert mo<strong>der</strong>iert,<br />

erlangen die K<strong>in</strong><strong>der</strong> mehr E<strong>in</strong>fluss auf den<br />

Prozess. <strong>Die</strong> Inhalte und <strong>der</strong> Verlauf werden<br />

offener, die Ergebnisse aber auch beliebiger.<br />

Hier geht es nicht darum, dass das e<strong>in</strong>e Verfahren<br />

mehr und das an<strong>der</strong>e weniger Beteiligung<br />

ermöglicht, son<strong>der</strong>n letztlich um die jeweiligen<br />

Ziele, die die Erzieher<strong>in</strong>nen und Erzieher<br />

verfolgen:<br />

Im ADS-K<strong>in</strong><strong>der</strong>garten <strong>in</strong> Tarp hatten die<br />

Erzieher<strong>in</strong>nen die K<strong>in</strong><strong>der</strong> für die Entwicklung<br />

e<strong>in</strong>es K<strong>in</strong><strong>der</strong>ortsplans begeistern können. Alle<br />

Beteiligten hatten zu je<strong>der</strong> Zeit des Projekts<br />

das Ziel, dass am Ende e<strong>in</strong> gedruckter Plan<br />

90


Welche Unterstützung brauchen Erwachsene, um K<strong>in</strong><strong>der</strong> zu <strong>beteiligen</strong>? – Begleitung <strong>der</strong> E<strong>in</strong>richtungen im Modellprojekt<br />

3.3 Welche Unterstützung brauchen<br />

Erwachsene, um K<strong>in</strong><strong>der</strong> zu<br />

<strong>beteiligen</strong>? – Begleitung <strong>der</strong><br />

E<strong>in</strong>richtungen im Modellprojekt<br />

<strong>Die</strong> vorangegangenen Kapitel haben gezeigt,<br />

welche Anfor<strong>der</strong>ungen <strong>Partizipation</strong> an die Erwachsenen<br />

stellt. <strong>Die</strong> Beteiligung von K<strong>in</strong><strong>der</strong>n<br />

<strong>in</strong> Tagese<strong>in</strong>richtungen verlangt von den pädagogischen<br />

Fachkräften e<strong>in</strong>en hohen persönlichen<br />

und professionellen E<strong>in</strong>satz. Sie müssen<br />

ihr K<strong>in</strong><strong>der</strong>bild h<strong>in</strong>terfragen und dessen Bedeutung<br />

für ihr pädagogisches Handeln<br />

reflektieren. Sie müssen ihre eigene Rolle <strong>in</strong><br />

den pädagogischen Beziehungen neu gestalten<br />

und mit K<strong>in</strong><strong>der</strong>n <strong>in</strong> Dialoge über <strong>der</strong>en Bildung<br />

und Erziehung treten. Sie müssen begründbare<br />

Visionen von <strong>der</strong> Zukunft und politische<br />

Wertvorstellungen entwickeln und<br />

daraus die Ziele ihrer pädagogischen Arbeit<br />

ableiten. Sie müssen ihre Tätigkeiten aufwändig<br />

planen und dabei berücksichtigen, dass die<br />

Beteiligung <strong>der</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong> ihre Planungen wie<strong>der</strong><br />

verän<strong>der</strong>n o<strong>der</strong> verwerfen kann. Sie müssen<br />

über vielfältige methodische Kenntnisse verfügen,<br />

zielgerichtet arbeiten und dabei k<strong>in</strong>dgerechte<br />

Prozesse gestalten können.<br />

<strong>Die</strong> Erzieher<strong>in</strong>nen und Erzieher <strong>in</strong> den Modelle<strong>in</strong>richtungen<br />

haben bewiesen, dass sie imstande<br />

s<strong>in</strong>d, diesen hohen Erwartungen gerecht<br />

zu werden. Sie haben bee<strong>in</strong>druckende<br />

Beteiligungsprojekte durchgeführt und sich<br />

persönlich und fachlich weiterentwickelt, wie<br />

die Evaluationsergebnisse belegen (vgl. Kapitel<br />

4). Sie haben aber auch betont, dass sie<br />

diese Leistungen unter den gegenwärtigen<br />

Bed<strong>in</strong>gungen <strong>in</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong>tagese<strong>in</strong>richtungen aus<br />

eigenen Kräften heraus kaum hätten erbr<strong>in</strong>gen<br />

können.<br />

Das führt zu <strong>der</strong> Frage, was diese Entwicklungen<br />

im Modellprojekt ermöglicht hat und welche<br />

Unterstützung Erzieher<strong>in</strong>nen und Erzieher<br />

<strong>in</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong>tagese<strong>in</strong>richtungen im Allgeme<strong>in</strong>en<br />

benötigen, wenn sie K<strong>in</strong><strong>der</strong> ähnlich erfolgreich<br />

<strong>beteiligen</strong> wollen.<br />

Fortbildung und Begleitung im<br />

Modellprojekt<br />

Im Rahmen des Modellprojekts wurde e<strong>in</strong> Verfahren<br />

entwickelt, um Erzieher<strong>in</strong>nen und Erzieher<br />

<strong>in</strong> e<strong>in</strong>er kompakten Fortbildungsveranstaltung<br />

mit e<strong>in</strong>er anschließenden zeitlich begrenzten<br />

Praxisbegleitung für die Beteiligung<br />

von K<strong>in</strong><strong>der</strong>n zu qualifizieren. Dabei wurden Erfahrungen<br />

vorangegangener Beteiligungsprojekte<br />

<strong>in</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong>tagese<strong>in</strong>richtungen aufgenommen<br />

(vgl. Hansen 2002 b; Wiegand / Hansen /<br />

Marxen 2000), generalisiert und erweitert.<br />

q Leitideen <strong>der</strong> Fortbildung<br />

Das Fortbildungskonzept basiert auf <strong>der</strong> Annahme,<br />

dass die Haltungen <strong>der</strong> Erwachsenen<br />

entscheidend dafür s<strong>in</strong>d, ob und wie K<strong>in</strong><strong>der</strong> <strong>in</strong><br />

K<strong>in</strong><strong>der</strong>tagese<strong>in</strong>richtungen partizipieren können.<br />

Durch die Teilnahme an <strong>der</strong> Fortbildung<br />

sollten sich vornehmlich die Haltungen <strong>der</strong><br />

Teilnehmenden <strong>in</strong> Richtung e<strong>in</strong>es partizipativeren<br />

pädagogischen Selbstverständnisses verän<strong>der</strong>n.<br />

Zusätzlich sollten konkrete methodisch-didaktische<br />

Kompetenzen erworben<br />

werden.<br />

Von <strong>der</strong> konkreten Erfahrung zur allgeme<strong>in</strong>en<br />

Erkenntnis<br />

<strong>Die</strong> Begriffe „Haltung“ und „pädagogisches<br />

Selbstverständnis“ umschreiben recht unscharf<br />

komplexe Grundorientierungen. Derartige<br />

Grundorientierungen s<strong>in</strong>d relativ verän<strong>der</strong>ungsresistent.<br />

Das Fortbildungskonzept verfolgte<br />

die Absicht, den Teilnehmenden<br />

konkrete Erfahrungen mit e<strong>in</strong>er erfolgreichen<br />

Beteiligung von K<strong>in</strong><strong>der</strong>n zu ermöglichen, diese<br />

Erfahrungen theoretisch fundiert mit ihnen zu<br />

reflektieren und daraus Erkenntnisse für die<br />

Anwendung im Alltag zu gew<strong>in</strong>nen. Zu diesem<br />

Zweck wurden die Erzieher<strong>in</strong>nen und Erzieher<br />

<strong>in</strong> den Modelle<strong>in</strong>richtungen jeweils bei<br />

<strong>der</strong> Planung und Durchführung e<strong>in</strong>es Beteiligungsprojekts<br />

unterstützt und begleitet. Dadurch<br />

sollte zunächst gewährleistet werden,<br />

dass das Projekt möglichst erfolgreich verläuft.<br />

Gleichzeitig aber sollten die Erzieher<strong>in</strong>nen und<br />

Erzieher diese positiven <strong>Partizipation</strong>serfahrungen<br />

im Zusammenhang mit ihren verän<strong>der</strong>ten<br />

Verhaltensweisen verstehen lernen. <strong>Die</strong>s erfor<strong>der</strong>te<br />

u.a. e<strong>in</strong>en e<strong>in</strong>fühlsamen Umgang mit<br />

dem Faktor Zeit. E<strong>in</strong>erseits beanspruchten die<br />

nachhaltigen Verän<strong>der</strong>ungsprozesse Zeit, was<br />

dazu führte, das die E<strong>in</strong>richtungen die Begleitung<br />

durch das Modellprojekt durchweg länger<br />

<strong>in</strong> Anspruch nahmen, als ursprünglich geplant<br />

war. An<strong>der</strong>erseits entstand dadurch, dass die<br />

externe Begleitung zeitlich limitiert war – die<br />

Projekte sollten ja möglichst <strong>in</strong>nerhalb des<br />

Modellzeitraums abgeschlossen werden – e<strong>in</strong><br />

Zeitdruck, <strong>der</strong> im positiven S<strong>in</strong>n zum Handeln<br />

zwang.<br />

Jede/r im Team entscheidet mit<br />

Das Fortbildungskonzept war explizit als<br />

Teamfortbildung ausgelegt. Um die Beteiligung<br />

<strong>der</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong> <strong>in</strong> allen sie betreffenden Fragen<br />

zu ermöglichen und langfristig abzusichern,<br />

sollte sich e<strong>in</strong>e umfassende <strong>Partizipation</strong>skultur<br />

entwickeln. Dafür aber war e<strong>in</strong>e<br />

Ause<strong>in</strong>an<strong>der</strong>setzung des gesamten Teams mit<br />

<strong>der</strong> Thematik erfor<strong>der</strong>lich. Damit die Entschei-<br />

91


Welche Unterstützung brauchen Erwachsene, um K<strong>in</strong><strong>der</strong> zu <strong>beteiligen</strong>? – Begleitung <strong>der</strong> E<strong>in</strong>richtungen im Modellprojekt<br />

dungen des Teams bezüglich des <strong>Partizipation</strong>sprojekts<br />

und <strong>der</strong> angestrebten Verän<strong>der</strong>ungen<br />

<strong>in</strong> <strong>der</strong> E<strong>in</strong>richtung von allen getragen<br />

werden konnten, wurden sie stets im Konsens<br />

getroffen.<br />

<strong>Die</strong> Fortbildung als <strong>Partizipation</strong>sprozess<br />

Das zentrale Moment des Fortbildungskonzepts<br />

war die partizipative Haltung des Projektteams.<br />

<strong>Die</strong> konkreten Projekte wurden jeweils<br />

<strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Dialog entwickelt, <strong>in</strong> den die<br />

K<strong>in</strong><strong>der</strong>tagese<strong>in</strong>richtung das jeweilige Projektthema<br />

– die E<strong>in</strong>richtungen hatten sich ja bereits<br />

mit e<strong>in</strong>em Thema beworben – und das<br />

Wissen um die Rahmenbed<strong>in</strong>gungen vor Ort<br />

e<strong>in</strong>brachte. Das Projektteam lieferte das<br />

Know-How für <strong>Partizipation</strong>sverfahren und<br />

mo<strong>der</strong>ierte die Projektvorbereitung. <strong>Die</strong> Entscheidung,<br />

was und wie <strong>in</strong> <strong>der</strong> konkreten Projektdurchführung<br />

passierte, traf alle<strong>in</strong> das<br />

Team <strong>der</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong>tagese<strong>in</strong>richtung. Den Erzieher<strong>in</strong>nen<br />

und Erziehern wurden im gesamten<br />

Projektverlauf <strong>Partizipation</strong>srechte zugestanden<br />

und sie wurden <strong>in</strong> ihren Beteiligungskompetenzen<br />

unterstützt. <strong>Die</strong>se Vorgehensweise<br />

entsprach den Maßgaben für die Beteiligung<br />

<strong>der</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong> und antizipierte <strong>in</strong>sofern die K<strong>in</strong><strong>der</strong>beteiligung<br />

<strong>in</strong> Form von Selbsterfahrungsprozessen.<br />

q Fortbildungsbauste<strong>in</strong>e<br />

<strong>Die</strong> Fortbildungen begannen mit e<strong>in</strong>er dreitägigen<br />

Teamfortbildung, <strong>in</strong> <strong>der</strong> das jeweilige konkrete<br />

Beteiligungsprojekt durch Theorievermittlung,<br />

Selbsterfahrung, Reflexion und Projektplanung<br />

vorbereitet wurde. <strong>Die</strong> drei Tage<br />

standen jeweils unter e<strong>in</strong>er allgeme<strong>in</strong>en Überschrift,<br />

wurden aber durch das Projektteam <strong>in</strong>dividuell<br />

auf die Situation vor Ort zugeschnitten.<br />

Der erste Tag diente <strong>der</strong> Klärung <strong>der</strong> Fragestellung<br />

<strong>der</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong>- und gegebenenfalls <strong>der</strong><br />

Elternbeteiligung: „Worum geht’s?“ Am zweiten<br />

Tag wurde die K<strong>in</strong><strong>der</strong>- und Elternbeteiligung<br />

detailliert vorbereitet: „Wie geht’s?“<br />

Und am dritten Tag wurden voraussichtlich<br />

benötigte kommunikative Kompetenzen tra<strong>in</strong>iert:<br />

„Dialogwerkstatt“.<br />

„Worum geht’s?“<br />

<strong>Die</strong> Frage „Worum geht’s?“ thematisierte, <strong>in</strong>wieweit<br />

die Erwachsenen bereit waren, die<br />

K<strong>in</strong><strong>der</strong> zu <strong>beteiligen</strong>. Trotz e<strong>in</strong>er schon im Bewerbungsverfahren<br />

geme<strong>in</strong>sam formulierten<br />

Fragestellung stellte sich <strong>in</strong> den Modellprojekten<br />

immer wie<strong>der</strong> heraus, dass das Verständnis<br />

<strong>der</strong> Fragestellung im Team z.T. weit ause<strong>in</strong>an<strong>der</strong><br />

g<strong>in</strong>g. In <strong>der</strong> Vorbereitung dieses<br />

Tages waren Vorgespräche mit den Teams<br />

während e<strong>in</strong>er Teamsitzung geführt worden.<br />

<strong>Die</strong> so gewonnenen Informationen waren <strong>in</strong><br />

die Mo<strong>der</strong>ation des ersten Tages e<strong>in</strong>geflossen.<br />

Am Ende dieses Tages waren die Ziele<br />

des jeweiligen Beteiligungsprojekts übere<strong>in</strong>stimmend<br />

festgelegt worden. Der zielorientiert<br />

mo<strong>der</strong>ierte Willensbildungsprozess führte<br />

zu <strong>der</strong> <strong>in</strong> vielen Teams seltenen Erfahrung,<br />

dass sich alle e<strong>in</strong>ig werden konnten. Das<br />

sorgte für e<strong>in</strong>e positive Grundstimmung dem<br />

Projekt gegenüber und entlastete e<strong>in</strong>zelne<br />

Mitarbeiter<strong>in</strong>nen und Mitarbeiter bereits<br />

etwas von Leistungsdruck und Ängsten.<br />

„Wie geht’s?“<br />

Der zweite Fortbildungstag schloss nicht unmittelbar<br />

an, da erst die Ergebnisse des ersten<br />

Tages die Vorbereitung <strong>der</strong> Mo<strong>der</strong>ation<br />

des folgenden Tages ermöglichten. <strong>Die</strong> Frage<br />

„Wie geht’s?“ führte zu den Beteiligungsformen<br />

<strong>der</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong> und Eltern. Das Projektteam<br />

stellte das Know-How zur Verfügung und ermöglichte<br />

den Teams, das jeweilige Projekt<br />

detailliert vorzubereiten. Am Ende des Tages<br />

waren die Aufgaben zwischen den Teams <strong>der</strong><br />

Modelle<strong>in</strong>richtungen und dem Projektteam<br />

e<strong>in</strong>deutig verteilt. <strong>Die</strong> Erzieher<strong>in</strong>nen und Erzieher<br />

übernahmen alle Aufgaben, zu denen sie<br />

sich bereit und <strong>in</strong> <strong>der</strong> Lage sahen. Das Projektteam<br />

übernahm im Rahmen se<strong>in</strong>er Kapazitäten<br />

die verbleibenden Aufgaben. Dadurch<br />

konnte e<strong>in</strong>e subjektive Überfor<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> Erzieher<strong>in</strong>nen<br />

und Erzieher mit zu viel neuen<br />

Aufgaben vermieden werden, was ihnen die<br />

nötige Sicherheit gab, um sich auf die Beteiligungsprozesse<br />

e<strong>in</strong>zulassen.<br />

92


Welche Unterstützung brauchen Erwachsene, um K<strong>in</strong><strong>der</strong> zu <strong>beteiligen</strong>? – Begleitung <strong>der</strong> E<strong>in</strong>richtungen im Modellprojekt<br />

Dialogwerkstatt<br />

Am dritten Tag wurden partizipationsrelevante<br />

kommunikative Kompetenzen tra<strong>in</strong>iert. <strong>Die</strong><br />

„Dialogwerkstatt“ bot Gelegenheit, die eigene<br />

Wahrnehmung kritisch zu h<strong>in</strong>terfragen, um anschließend<br />

sensibler die Beiträge <strong>der</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong><br />

<strong>in</strong>terpretieren zu können. Aktives Zuhören und<br />

Gesprächsmo<strong>der</strong>ation wurde unter den kritischen<br />

Augen und Ohren <strong>der</strong> Kolleg<strong>in</strong>nen und<br />

Kollegen geübt. Und unter Bezugnahme auf<br />

Mediationsverfahren wurde e<strong>in</strong> konstruktiver<br />

Zugang zu Konflikten gesucht.<br />

Projekterfahrung<br />

Nach dieser gründlichen Vorbereitung führten<br />

die Erzieher<strong>in</strong>nen und Erzieher die <strong>Partizipation</strong>sprojekte<br />

weitgehend eigenständig durch.<br />

<strong>Die</strong> Phasen des Beteiligungsprozesses, wie<br />

sie ihn selbst <strong>in</strong> <strong>der</strong> Teamfortbildung erlebt<br />

hatten, wie<strong>der</strong>holten sich dabei <strong>in</strong> den Beteiligungsprojekten<br />

mit den K<strong>in</strong><strong>der</strong>n und den Eltern.<br />

Reflexion<br />

<strong>Die</strong> Erzieher<strong>in</strong>nen und Erzieher wurden darauf<br />

vorbereitet, dass trotz <strong>der</strong> guten Vorbereitung<br />

Probleme auftreten würden. Unter dem Motto<br />

„Wenn <strong>der</strong> Prozess gut läuft, läuft er<br />

schlecht“ wurde thematisiert, dass so weitreichende<br />

Verän<strong>der</strong>ungen nicht ohne Komplikationen<br />

verlaufen könnten, dass aber gerade<br />

die Hürden, vor denen sie stehen würden, die<br />

Ause<strong>in</strong>an<strong>der</strong>setzung mit <strong>Partizipation</strong> vertiefen<br />

würden. In dieser Phase konnten die Erzieher<strong>in</strong>nen<br />

und Erzieher die Begleitung durch das<br />

Modellprojekt nach Bedarf abrufen. <strong>Die</strong> auftretenden<br />

Schwierigkeiten boten zudem viele<br />

Gelegenheiten, den Transfer <strong>in</strong> den Alltag zu<br />

reflektieren.<br />

Was den Erzieher<strong>in</strong>nen und Erziehern im Modellprojekt<br />

ermöglichte, so bee<strong>in</strong>druckende<br />

<strong>Partizipation</strong>sprojekte durchzuführen, war,<br />

dass sie selbst am gesamten Prozess des<br />

Modellprojekts von <strong>der</strong> Auswahl des Projektthemas<br />

bis zur Präsentation <strong>der</strong> Ergebnisse<br />

während <strong>der</strong> Abschlusstagung beteiligt waren.<br />

Ihnen wurde zugetraut, dass sie den Anfor<strong>der</strong>ungen<br />

gerecht werden konnten. Ihre Ängste,<br />

Bedenken und E<strong>in</strong>wände wurden ernst genommen.<br />

<strong>Die</strong> Entwicklung ihrer Kompetenzen<br />

wurde praxisgerecht unterstützt. Ihnen wurde<br />

immer nur so viel Verantwortung zugemutet,<br />

wie sie bereit und <strong>in</strong> <strong>der</strong> Lage waren, zu übernehmen.<br />

Alle Entscheidungen bezüglich des<br />

weiteren Vorgehens wurden mit ihnen geme<strong>in</strong>sam<br />

getroffen. Und die Verantwortung<br />

für das Gel<strong>in</strong>gen o<strong>der</strong> das mögliche Missl<strong>in</strong>gen<br />

des Modellprojekts hat letztlich immer<br />

das Projektteam übernommen.<br />

Partizipative Leitung, partizipative<br />

Fortbildung und partizipative Begleitung<br />

Ohne Unterstützung wird es Erzieher<strong>in</strong>nen<br />

und Erziehern nur sehr schwer möglich se<strong>in</strong>,<br />

Dokumentation und Präsentation<br />

<strong>Die</strong> Erzieher<strong>in</strong>nen und Erzieher dokumentierten<br />

ausführlich den jeweiligen Projektverlauf.<br />

<strong>Die</strong> Dokumentationen verbesserten die Reflexionsmöglichkeiten<br />

und dienten gleichzeitig<br />

dazu, die Projekte den Kolleg<strong>in</strong>nen und Kollegen<br />

im Team, <strong>der</strong> Elternschaft und <strong>der</strong> Öffentlichkeit<br />

zu präsentieren.<br />

93


Welche Unterstützung brauchen Erwachsene, um K<strong>in</strong><strong>der</strong> zu <strong>beteiligen</strong>? – Begleitung <strong>der</strong> E<strong>in</strong>richtungen im Modellprojekt<br />

e<strong>in</strong>e <strong>Partizipation</strong>skultur <strong>in</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong>tagese<strong>in</strong>richtungen<br />

zu etablieren. Es ist e<strong>in</strong> Ausdruck <strong>der</strong><br />

Trägerqualität, <strong>in</strong> welchem Umfang <strong>der</strong> E<strong>in</strong>richtungsträger<br />

die strukturellen Voraussetzungen<br />

für <strong>der</strong>artige Entwicklungen schafft. <strong>Die</strong><br />

Beteiligung von K<strong>in</strong><strong>der</strong>n <strong>in</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong>tagese<strong>in</strong>richtungen<br />

erfor<strong>der</strong>t e<strong>in</strong> Management <strong>der</strong> Teamund<br />

Organisationsentwicklung, an <strong>der</strong> die Mitarbeiter<strong>in</strong>nen<br />

und Mitarbeiter beteiligt s<strong>in</strong>d,<br />

Fortbildungen, <strong>in</strong> denen partizipationsspezifisches<br />

Know-How praxisnah erworben werden<br />

kann, und e<strong>in</strong>e kont<strong>in</strong>uierliche Praxisbegleitung,<br />

die persönliche und fachliche Entwicklungen<br />

<strong>der</strong> pädagogischen Fachkräfte<br />

unterstützt und herausfor<strong>der</strong>t.<br />

q Partizipative Leitung<br />

<strong>Die</strong> Entwicklung e<strong>in</strong>er <strong>Partizipation</strong>skultur <strong>in</strong><br />

e<strong>in</strong>er K<strong>in</strong><strong>der</strong>tagese<strong>in</strong>richtung ist e<strong>in</strong> Prozess<br />

<strong>der</strong> Team- und Organisationsentwicklung. <strong>Die</strong>sen<br />

Prozess zu managen ist Aufgabe <strong>der</strong> E<strong>in</strong>richtungsleitung.<br />

Sie kann die Ause<strong>in</strong>an<strong>der</strong>setzung<br />

mit dem Thema <strong>Partizipation</strong> aufgreifen<br />

o<strong>der</strong> herausfor<strong>der</strong>n. Sie kann anregen, die<br />

Fortbildungsaktivitäten <strong>der</strong> Mitarbeiter<strong>in</strong>nen<br />

und Mitarbeiter im H<strong>in</strong>blick auf e<strong>in</strong>e geme<strong>in</strong>same<br />

Weiterentwicklung mite<strong>in</strong>an<strong>der</strong> zu koord<strong>in</strong>ieren.<br />

Und sie kann Unterstützungssysteme<br />

aufbauen, <strong>in</strong>dem sie Mittel für Supervision<br />

und Praxisbegleitung e<strong>in</strong>wirbt. Letzteres war<br />

für e<strong>in</strong>ige Leiter<strong>in</strong>nen <strong>der</strong> Modelle<strong>in</strong>richtungen<br />

e<strong>in</strong>er <strong>der</strong> Beweggründe, sich für die Teilnahme<br />

am Modellprojekt zu bewerben.<br />

<strong>Die</strong> Leitung muss die Entwicklung e<strong>in</strong>er <strong>Partizipation</strong>skultur<br />

so mo<strong>der</strong>ieren, dass die Prozessorientierung<br />

und die Zielorientierung gut<br />

ausbalanciert s<strong>in</strong>d. Das heißt, e<strong>in</strong>erseits muss<br />

sie die Mitarbeiter<strong>in</strong>nen und Mitarbeiter an<br />

allen Entscheidungen im Laufe des Prozesses<br />

<strong>beteiligen</strong> und darauf achten, dass möglichst<br />

niemand ausgegrenzt wird, an<strong>der</strong>erseits muss<br />

sie die Umsetzung geme<strong>in</strong>sam gefasster Beschlüsse<br />

nachhaltig e<strong>in</strong>for<strong>der</strong>n o<strong>der</strong> thematisieren,<br />

was e<strong>in</strong>er Umsetzung im Wege steht.<br />

q Partizipative Fortbildung<br />

Damit sich <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er K<strong>in</strong><strong>der</strong>tagese<strong>in</strong>richtung<br />

e<strong>in</strong>e Beteiligungskultur entwickeln kann, müssen<br />

die Mitarbeiter<strong>in</strong>nen und Mitarbeiter u.a.<br />

<strong>Partizipation</strong> <strong>in</strong> den theoretischen Bezugsrahmen<br />

ihrer Arbeit e<strong>in</strong>b<strong>in</strong>den können und über<br />

spezifische methodisch-didaktische Kompetenzen<br />

verfügen. Sie müssen beispielsweise<br />

erkannt haben, welche Rolle die Beteiligung<br />

<strong>der</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong> für <strong>der</strong>en Selbstbildungsprozesse<br />

spielt, o<strong>der</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> Lage se<strong>in</strong>, e<strong>in</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong>gespräch<br />

zu mo<strong>der</strong>ieren. Erzieher<strong>in</strong>nen und Erzieher<br />

müssen Gelegenheit haben, <strong>der</strong>artige<br />

Erkenntnisse und Fähigkeiten <strong>in</strong> Fortbildungen<br />

zu erwerben.<br />

Fortbildungen sollen zwischen Theorie und<br />

Praxis vermitteln. Sie sollen <strong>in</strong>formieren und<br />

tra<strong>in</strong>ieren, Möglichkeiten bieten für Selbsterfahrung<br />

und Selbstreflexion, und sie können<br />

die Planung konkreter Vorhaben unterstützen.<br />

Aber auch die Fortbildung pädagogischer<br />

Fachkräfte beruht <strong>in</strong> erster L<strong>in</strong>ie auf Selbstbildungsprozessen.<br />

Das heißt, Fortbildungen<br />

(nicht nur, aber <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e) zum Thema<br />

<strong>Partizipation</strong> müssen an den Interessen und<br />

Problemen <strong>der</strong> Teilnehmenden anknüpfen,<br />

können ihnen neue Themen zumuten, aber<br />

nicht aufdrängen und müssen ihnen bei <strong>der</strong><br />

Umsetzung ihrer selbstgesteckten Ziele die<br />

nötige Unterstützung zukommen lassen. Fortbildungen,<br />

die <strong>der</strong> Entwicklung e<strong>in</strong>er <strong>Partizipation</strong>skultur<br />

dienen sollen, müssen konsequent<br />

die Teilnehmer<strong>in</strong>nen und Teilnehmer <strong>beteiligen</strong>.<br />

q Partizipative Begleitung<br />

Persönliche Entwicklungen können <strong>in</strong> Fortbildungen<br />

zwar angeregt werden, beanspruchen<br />

naturgemäß aber längere Zeiträume. Das gilt<br />

genauso für Teamentwicklungsprozesse. Und<br />

auch <strong>der</strong> Diskurs zwischen Theorie und Praxis<br />

sollte dauerhaft (und nicht e<strong>in</strong>gleisig) erfolgen.<br />

Da <strong>Partizipation</strong> – und die mo<strong>der</strong>ne Kle<strong>in</strong>k<strong>in</strong>dpädagogik<br />

<strong>in</strong>sgesamt – Erzieher<strong>in</strong>nen und Erziehern<br />

anspruchsvolle persönliche und fachliche<br />

Entwicklungen abverlangt, brauchen die<br />

Fachkräfte kont<strong>in</strong>uierliche Möglichkeiten ihre<br />

pädagogische Praxis zu reflektieren und weiter<br />

zu entwickeln. Dafür müssen ihnen entsprechend<br />

qualifizierte Ansprechpartner zur<br />

Seite stehen, die sie <strong>in</strong> ihren selbsttätigen Bildungs-<br />

und Entwicklungsprozessen begleiten<br />

und unterstützen.<br />

In Reggio Emilia wurde schon längst erkannt,<br />

welche Bedeutung die externe Fachberatung<br />

und Praxisbegleitung für diese Prozesse und<br />

damit für die Qualitätssicherung und -weiterentwicklung<br />

<strong>der</strong> pädagogischen Arbeit <strong>in</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong>tagese<strong>in</strong>richtungen<br />

hat. <strong>Die</strong> hier aufgebaute<br />

Struktur von Beratung und Reflexionsstrukturen<br />

ist e<strong>in</strong> fundamentaler Bauste<strong>in</strong> dieser<br />

erfolgreichen Pädagogik. Auch für Gerd Schäfer<br />

(2003, 131) ist e<strong>in</strong>e prozessbegleitende<br />

Fachberatung e<strong>in</strong>e strukturelle Rahmenbed<strong>in</strong>gung<br />

gel<strong>in</strong>gen<strong>der</strong> Bildungsarbeit. „Dabei sollte<br />

e<strong>in</strong>e Fachberatung für nicht mehr als 30 Erzieher<strong>in</strong>nen<br />

zur Verfügung stehen.“ Aus <strong>der</strong><br />

Sicht des Modellprojekts „<strong>Die</strong> <strong>K<strong>in</strong><strong>der</strong>stube</strong><br />

<strong>der</strong> <strong>Demokratie</strong>“ können wir uns dieser For<strong>der</strong>ung<br />

nur anschließen.<br />

94


Welche Unterstützung brauchen Erwachsene, um K<strong>in</strong><strong>der</strong> zu <strong>beteiligen</strong>? – Begleitung <strong>der</strong> E<strong>in</strong>richtungen im Modellprojekt<br />

<strong>Partizipation</strong> braucht Erwachsene ...<br />

... die K<strong>in</strong><strong>der</strong> achten (Menschenbild)<br />

... die <strong>in</strong> <strong>der</strong> Lage s<strong>in</strong>d, die konkreten Themen <strong>der</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong> zu erfassen<br />

(Beobachtung und Analyse)<br />

... die <strong>in</strong> <strong>der</strong> Lage s<strong>in</strong>d, e<strong>in</strong>en Dialog zu führen (Dialogfähigkeit)<br />

... die bereit s<strong>in</strong>d, Macht abzugeben (Reflexion)<br />

... die bereit s<strong>in</strong>d, sich auf offene Situationen e<strong>in</strong>zulassen (Mut und Vertrauen)<br />

... die <strong>in</strong> <strong>der</strong> Lage s<strong>in</strong>d, die Anfor<strong>der</strong>ungen so zu gestalten, dass sie den Lebenserfahrungen<br />

<strong>der</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong> entsprechen (Methodenkompetenzen)<br />

... die geduldig mit sich und den K<strong>in</strong><strong>der</strong>n s<strong>in</strong>d (Geduld)<br />

... die felerfreundlich s<strong>in</strong>d (Fehlerfreundlichkeit)<br />

... die eigene Positionen haben und vertreten (Erwachsense<strong>in</strong>)<br />

... die je<strong>der</strong>zeit ihre Verantwortung behalten (Verantwortung)<br />

95


„Das wirkt sich jetzt überall aus ...“ – Von den Spuren, die das Modellprojekt <strong>in</strong> den Modelle<strong>in</strong>richtungen h<strong>in</strong>terlassen hat<br />

4. „Das wirkt sich jetzt überall aus ...“ –<br />

Von den Spuren, die das Modellprojekt <strong>in</strong><br />

den Modelle<strong>in</strong>richtungen h<strong>in</strong>terlassen hat<br />

Das Modellprojekt „<strong>Die</strong> <strong>K<strong>in</strong><strong>der</strong>stube</strong> <strong>der</strong> <strong>Demokratie</strong>“<br />

wollte <strong>in</strong> den Modelle<strong>in</strong>richtungen<br />

die Beteiligung <strong>der</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong> etablieren und die<br />

Entwicklung e<strong>in</strong>er <strong>Partizipation</strong>skultur ermöglichen.<br />

Wir konnten <strong>in</strong> dem auf zwei Jahre beschränkten<br />

Projektzeitraum nur begrenzt<br />

untersuchen, <strong>in</strong>wiefern dieser hohe Anspruch<br />

e<strong>in</strong>gelöst werden konnte. Aber die Ergebnisse<br />

<strong>der</strong> projekt<strong>in</strong>ternen Evaluation und die Spuren,<br />

die das Modellprojekt <strong>in</strong> den beteiligten K<strong>in</strong><strong>der</strong>tagese<strong>in</strong>richtungen<br />

auch jenseits <strong>der</strong> untersuchten<br />

Variablen h<strong>in</strong>terlassen hat, geben H<strong>in</strong>weise<br />

darauf, dass die im Modellprojekt entwickelten<br />

Mittel geeignet s<strong>in</strong>d, nachhaltige<br />

Verän<strong>der</strong>ungsprozesse auszulösen.<br />

Da diese Dokumentation vornehmlich für die<br />

Praktiker<strong>in</strong>nen und Praktiker <strong>in</strong> den K<strong>in</strong><strong>der</strong>tagese<strong>in</strong>richtungen<br />

geschrieben wurde, wollen<br />

wir <strong>in</strong> diesem abschließenden Kapitel die Inhalte,<br />

das Verfahren und die Ergebnisse <strong>der</strong><br />

Evaluation nur <strong>in</strong> aller Kürze vorstellen und e<strong>in</strong>ige<br />

weitere Spuren verfolgen, die ebenfalls<br />

darauf h<strong>in</strong>deuten, dass <strong>Partizipation</strong> <strong>in</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong>tagese<strong>in</strong>richtungen<br />

durch gezielte Fortbildungen,<br />

wie wir sie durchgeführt haben, wirkungsvoll<br />

implementiert werden kann. Es soll<br />

aber gleichermaßen unterstrichen werden,<br />

dass die Beteiligung <strong>der</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong> e<strong>in</strong>e dauerhafte<br />

Ause<strong>in</strong>an<strong>der</strong>setzung <strong>der</strong> Erwachsenen mit<br />

dem Thema <strong>Partizipation</strong> erfor<strong>der</strong>t.<br />

<strong>Die</strong> Evaluation<br />

Neben den Fortbildungsmodulen wurde das<br />

Modellprojekt „<strong>Die</strong> <strong>K<strong>in</strong><strong>der</strong>stube</strong> <strong>der</strong> <strong>Demokratie</strong>“<br />

im Rahmen e<strong>in</strong>er Prozessevaluation begleitet.<br />

Ziel <strong>der</strong> Evaluation war vor allem, die<br />

Qualität des Fortbildungskonzepts zu überprüfen.<br />

Eignet sich die Begleitung, die die K<strong>in</strong><strong>der</strong>tagese<strong>in</strong>richtungen<br />

im Modellprojekt erhielten,<br />

um nachhaltig die <strong>Partizipation</strong> von K<strong>in</strong><strong>der</strong>n<br />

<strong>in</strong> den E<strong>in</strong>richtungen zu erhöhen?<br />

96


„Das wirkt sich jetzt überall aus ...“ – Von den Spuren, die das Modellprojekt <strong>in</strong> den Modelle<strong>in</strong>richtungen h<strong>in</strong>terlassen hat<br />

q Was wir untersucht haben<br />

Schon zu Beg<strong>in</strong>n des Modellprojekts g<strong>in</strong>gen<br />

wir davon aus, dass die Beteiligungskompetenzen<br />

<strong>der</strong> Erwachsenen ausschlaggebend<br />

dafür s<strong>in</strong>d, ob sich K<strong>in</strong><strong>der</strong> <strong>in</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong>tagese<strong>in</strong>richtungen<br />

<strong>beteiligen</strong> können. Im Mittelpunkt<br />

<strong>der</strong> Evaluation standen daher Fragen nach Verän<strong>der</strong>ungen<br />

<strong>in</strong> den Haltungen <strong>der</strong> Erzieher<strong>in</strong>nen<br />

und Erzieher im Laufe des Projekts.<br />

Haben sie im Projekt mehr Zutrauen <strong>in</strong> die<br />

<strong>Partizipation</strong>sfähigkeit <strong>der</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong> gewonnen?<br />

Konnten sie Ängste bezüglich <strong>der</strong> Verän<strong>der</strong>ungen<br />

<strong>der</strong> eigenen Rolle <strong>in</strong> <strong>Partizipation</strong>sprozessen<br />

ablegen? Gewannen sie an methodischer<br />

Sicherheit?<br />

q Wie wir untersucht haben<br />

Um diese Fragen zu beantworten, wurden alle<br />

pädagogischen Mitarbeiter<strong>in</strong>nen und Mitarbeiter<br />

aus den Modelle<strong>in</strong>richtungen vor und nach<br />

dem Projekt schriftlich befragt. Sie schätzten<br />

anhand von acht E<strong>in</strong>zelfragen die gängige <strong>Partizipation</strong>spraxis<br />

<strong>in</strong> ihrer jeweiligen E<strong>in</strong>richtung<br />

e<strong>in</strong>. In zehn kle<strong>in</strong>en Geschichten wurden verschiedene<br />

Problemsituationen aus dem Alltag<br />

von K<strong>in</strong><strong>der</strong>tagese<strong>in</strong>richtungen geschil<strong>der</strong>t, und<br />

die Erzieher<strong>in</strong>nen und Erzieher wurden gebeten,<br />

sich jeweils für e<strong>in</strong>e von vier vorgegebenen<br />

Handlungsalternativen <strong>in</strong> diesen Situationen<br />

zu entscheiden. Sie benannten aus ihrer<br />

Sicht, welche Voraussetzungen die Erwachsenen<br />

und die K<strong>in</strong><strong>der</strong> für <strong>Partizipation</strong> mitbr<strong>in</strong>gen<br />

müssen, und gaben Rückmeldungen zur Fortbildung<br />

und zum Modellprojekt.<br />

<strong>Die</strong>se Befragung wurde durch e<strong>in</strong>e Befragung<br />

pädagogischer Fachkräfte, die nicht am Modellprojekt<br />

beteiligt waren, ergänzt.<br />

Darüber h<strong>in</strong>aus fanden qualitative Interviews<br />

und Gruppendiskussionen mit den am Modellprojekt<br />

beteiligten Erzieher<strong>in</strong>nen und Erziehern<br />

während und nach Abschluss des Projekts<br />

statt.<br />

q Was dabei herausgekommen ist<br />

<strong>Die</strong> Ergebnisse <strong>der</strong> qualitativen Befragungen<br />

s<strong>in</strong>d <strong>in</strong> vielen Passagen <strong>der</strong> vorangegangenen<br />

Kapitel e<strong>in</strong>geflossen. Im folgenden werden<br />

die wichtigsten Tendenzen skizziert, die sich<br />

aus <strong>der</strong> schriftlichen Befragung ergaben.<br />

<strong>Die</strong> gängige <strong>Partizipation</strong>spraxis <strong>in</strong> den E<strong>in</strong>richtungen<br />

wurde im Rahmen des Modellprojekts<br />

<strong>in</strong> den Teams meist erstmalig thematisiert. So<br />

setzten die Erzieher<strong>in</strong>nen und Erzieher <strong>in</strong> den<br />

Modelle<strong>in</strong>richtungen sich nach Abschluss des<br />

jeweiligen Projekts <strong>in</strong>tensiver und differenzierter<br />

mit <strong>der</strong> Frage ause<strong>in</strong>an<strong>der</strong>, ob und wie E<strong>in</strong>richtungsregeln<br />

geme<strong>in</strong>sam mit den K<strong>in</strong><strong>der</strong>n<br />

aufgestellt werden können, als zu Beg<strong>in</strong>n des<br />

Projekts. Dabei schien e<strong>in</strong>e Rolle zu spielen,<br />

dass vor dem Projekt viele Erwachsene sich<br />

gar nicht darüber im klaren waren, dass Regeln<br />

auch unter den Erzieher<strong>in</strong>nen und Erziehern<br />

unterschiedlich ausgelegt wurden. <strong>Die</strong><br />

Gespräche mit den K<strong>in</strong><strong>der</strong>n und unter den<br />

Fachkräften schärften das Bewusstse<strong>in</strong> für<br />

die Bedeutung <strong>der</strong> Ause<strong>in</strong>an<strong>der</strong>setzung um<br />

die Regeln des Zusammenlebens. <strong>Die</strong> Erzieher<strong>in</strong>nen<br />

und Erzieher waren nach dem Modellprojekt<br />

deutlich eher bereit, E<strong>in</strong>richtungsregeln<br />

zu thematisieren und geme<strong>in</strong>sam mit<br />

den K<strong>in</strong><strong>der</strong>n auszuhandeln.<br />

Im Vergleich <strong>der</strong> gewählten Handlungsalternativen<br />

<strong>in</strong> den Alltagssituationen („Wie würden<br />

sie handeln?“) wurde erkennbar, dass sich die<br />

Erzieher<strong>in</strong>nen und Erzieher <strong>in</strong> allen Situationen<br />

nach dem Projekt deutlich eher für partizipative<br />

Handlungsvarianten entschieden als zuvor.<br />

Dabei wurden als partizipativ ausschließlich<br />

solche Verhaltensweisen klassifiziert, <strong>in</strong> denen<br />

die Erwachsenen die K<strong>in</strong><strong>der</strong> von Anfang an an<br />

e<strong>in</strong>er Problemlösung beteiligten. Das bedeutet,<br />

dass die Erzieher<strong>in</strong>nen und Erzieher am<br />

Ende des Projekts eher bereit waren, sich auf<br />

Handlungsalternativen e<strong>in</strong>zulassen, die ke<strong>in</strong>e<br />

Lösungsmöglichkeiten vorwegnahmen und ergebnisoffene<br />

Situationen schufen. <strong>Die</strong> <strong>in</strong>tensive<br />

Arbeit im Modellprojekt hatte – zum<strong>in</strong>dest<br />

direkt nach dem Abschluss <strong>der</strong> e<strong>in</strong>zelnen Projekte<br />

– dazu geführt, dass die Erzieher<strong>in</strong>nen<br />

und Erzieher ihre Verhaltensweisen stärker<br />

partizipativ ausrichteten.<br />

Das Zutrauen <strong>der</strong> Erzieher<strong>in</strong>nen und Erzieher,<br />

e<strong>in</strong> Beteiligungsprojekt durchzuführen, stieg<br />

im Laufe des Modellprojekts deutlich an.<br />

Während zu Beg<strong>in</strong>n immerh<strong>in</strong> 48 % <strong>der</strong> Befragten<br />

angaben, sie würden sich auf ke<strong>in</strong>en<br />

Fall ohne Begleitung an das Projekt heranwagen,<br />

und nur 5 % sich dies auf jeden Fall zutrauten,<br />

antworten am Ende des Projekts<br />

44 % <strong>der</strong> Befragten, dass sie sich die Durch-<br />

97


„Das wirkt sich jetzt überall aus ...“ – Von den Spuren, die das Modellprojekt <strong>in</strong> den Modelle<strong>in</strong>richtungen h<strong>in</strong>terlassen hat<br />

führung e<strong>in</strong>es solchen Projekts jetzt auch alle<strong>in</strong>e<br />

zutrauten, während nur noch 9 % dieses<br />

Zutrauen nicht hatten.<br />

Zu Beg<strong>in</strong>n des Modellprojekts mutmaßten die<br />

Erzieher<strong>in</strong>nen und Erzieher, dass sie selbst vor<br />

allem konkretes Wissen und methodische<br />

Kenntnisse und die K<strong>in</strong><strong>der</strong> vor allem Ausdrucksfähigkeit<br />

und e<strong>in</strong>e gewisse Auffassungsgabe<br />

benötigen würden. Sie zweifelten<br />

zum<strong>in</strong>dest an <strong>der</strong> Beteiligungsfähigkeit <strong>der</strong><br />

jüngeren K<strong>in</strong><strong>der</strong>. Am Ende des Projekts erschien<br />

ihnen vor allem das Interesse <strong>der</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong><br />

am Thema und damit zusammenhängend<br />

<strong>der</strong>en Motivation zur Mitarbeit sowie die Fähigkeit<br />

<strong>der</strong> Erwachsenen, den K<strong>in</strong><strong>der</strong>n zuzuhören,<br />

erwähnenswert. Damit rückten sie die dialogische<br />

Haltung <strong>der</strong> Erwachsenen, die ihnen<br />

gleichermaßen erst ermöglicht, die für die K<strong>in</strong><strong>der</strong><br />

<strong>in</strong>teressanten Themen zu erkennen, <strong>in</strong><br />

den Vor<strong>der</strong>grund. Zweifel an <strong>der</strong> Kompetenz<br />

<strong>der</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong> wurden kaum mehr erwähnt.<br />

<strong>Die</strong> pädagogischen Fachkräfte standen nach<br />

<strong>der</strong> Teilnahme am Modellprojekt <strong>der</strong> <strong>Partizipation</strong><br />

<strong>der</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong> viel gelassener gegenüber.<br />

Ihre Grundhaltungen hatten sich <strong>in</strong> Richtung<br />

e<strong>in</strong>er partizipativeren Orientierung verän<strong>der</strong>t.<br />

Sie hatten Zutrauen <strong>in</strong> ihre eigenen Beteiligungsfähigkeiten<br />

und die <strong>der</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong> sowie<br />

methodische Sicherheit gewonnen. Wie wichtig<br />

ihnen dabei die externe Begleitung im Rahmen<br />

des Modellprojekts war, wurde daran<br />

deutlich, dass 91% <strong>der</strong> Befragten die Fortbildungen<br />

mit gut bis sehr gut bewerteten.<br />

Auf Spurensuche ...<br />

<strong>Die</strong> Tatsache, dass die Erzieher<strong>in</strong>nen und Erzieher<br />

<strong>Partizipation</strong> jetzt an<strong>der</strong>s bewerteten<br />

und ihre Beteiligungskompetenzen verbessert<br />

hatten, machte sich <strong>in</strong> ihrer pädagogischen Arbeit<br />

bemerkbar. Im Laufe des Projekts erweiterten<br />

sie ihren Blick auf die K<strong>in</strong><strong>der</strong> und<br />

suchten stärker den Dialog mit ihnen. In den<br />

abschließenden Gesprächen mit den Teams<br />

<strong>der</strong> Modelle<strong>in</strong>richtungen betonten die Erzieher<strong>in</strong>nen<br />

und Erzieher immer wie<strong>der</strong>, dass die<br />

Auswirkungen des Modellprojekts „überall“<br />

zu spüren seien. Wir s<strong>in</strong>d diesen Spuren – u.a.<br />

<strong>in</strong> Gesprächen mit den Leiter<strong>in</strong>nen <strong>der</strong> E<strong>in</strong>richtungen<br />

nach Beendigung des<br />

Modellprojekts – nachgegangen. Dabei gewannen<br />

wir den E<strong>in</strong>druck, dass die <strong>Partizipation</strong>sprojekte<br />

<strong>in</strong> den E<strong>in</strong>richtungen nachwirkten<br />

und auch E<strong>in</strong>fluss auf das Umfeld <strong>der</strong> E<strong>in</strong>richtungen<br />

hatten.<br />

q ... <strong>in</strong> den E<strong>in</strong>richtungen<br />

Was war <strong>in</strong> den Modelle<strong>in</strong>richtungen nach<br />

Ende des Modellprojekts geschehen? Waren<br />

die Wirkungen des Modellprojekts nur kurzfristig<br />

spürbar o<strong>der</strong> wirkten sie weiter? <strong>Die</strong>se<br />

Frage konnten wir nicht mehr evaluieren. Da<br />

die Kontakte zu vielen <strong>der</strong> E<strong>in</strong>richtungen aber<br />

auch nach Beendigung des Modellprojekts<br />

weiter bestanden (z.B. wurden e<strong>in</strong>zelne Fortbildungstage<br />

gebucht), haben wir e<strong>in</strong>ige H<strong>in</strong>weise<br />

auf die mittelfristigen Auswirkungen.<br />

Beson<strong>der</strong>s <strong>in</strong>teressierte uns, ob die positiven<br />

Erfahrungen im Modellprojekt dazu führten,<br />

dass die pädagogische Arbeit sich dauerhaft<br />

än<strong>der</strong>te o<strong>der</strong> ob die <strong>Partizipation</strong>serfahrungen<br />

im Modellprojekt e<strong>in</strong>e „Halbwertzeit“ hätten?<br />

In e<strong>in</strong>er Evaluation von <strong>Partizipation</strong>sprojekten<br />

mit K<strong>in</strong><strong>der</strong>n und Jugendlichen <strong>in</strong> <strong>der</strong> Kommune<br />

<strong>in</strong> Schleswig-Holste<strong>in</strong> (vgl. Knauer / Friedrich<br />

/ Herrmann / Liebler 2004) wurde festgestellt,<br />

dass die Wirkungen kommunaler <strong>Partizipation</strong><br />

verblassen, wenn die K<strong>in</strong><strong>der</strong>- und<br />

Jugendbeteiligung nicht verstetigt wird. <strong>Die</strong>ses<br />

Ergebnis wurde den Mitarbeiter<strong>in</strong>nen und<br />

Mitarbeitern <strong>der</strong> Modellprojekte <strong>in</strong> <strong>der</strong> Steuerungsgruppe<br />

vorgestellt und erntete aus e<strong>in</strong>igen<br />

E<strong>in</strong>richtungen heftige<br />

Kritik. <strong>Die</strong> E<strong>in</strong>richtungen<br />

erlebten zu diesem Zeitpunkt,<br />

dass die Beteiligung<br />

<strong>der</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong> e<strong>in</strong>e Eigendynamik<br />

entwickelte<br />

und sich verstärkte:<br />

„Ohne K<strong>in</strong><strong>der</strong>beteiligung<br />

können wir bald gar<br />

nichts mehr entscheiden.“<br />

Gegen Ende des Modellprojekts<br />

relativierte sich<br />

diese E<strong>in</strong>schätzung allerd<strong>in</strong>gs.<br />

In <strong>der</strong> Zwischenzeit<br />

hatten <strong>in</strong> e<strong>in</strong>igen Modelle<strong>in</strong>richtungen<br />

Mitarbeiter<strong>in</strong>nen<br />

und Mit-<br />

98


„Das wirkt sich jetzt überall aus ...“ – Von den Spuren, die das Modellprojekt <strong>in</strong> den Modelle<strong>in</strong>richtungen h<strong>in</strong>terlassen hat<br />

arbeiter, die das Projekt beson<strong>der</strong>s engagiert<br />

mitgetragen hatten, die E<strong>in</strong>richtung verlassen.<br />

<strong>Die</strong> neuen Kolleg<strong>in</strong>nen und Kollegen konnten<br />

an den Erfahrungen des Modellprojekts nicht<br />

anknüpfen. <strong>Die</strong> Leiter<strong>in</strong>nen <strong>der</strong> E<strong>in</strong>richtungen<br />

stellten resigniert fest: „Wir müssen wohl<br />

wie<strong>der</strong> ganz von vorn anfangen.“<br />

Hier wird deutlich, dass sowohl die K<strong>in</strong><strong>der</strong> als<br />

auch die Erwachsenen Beteiligungserfahrungen<br />

selbst machen müssen. <strong>Partizipation</strong> ist<br />

e<strong>in</strong> permanenter und daher immer wie<strong>der</strong><br />

mühsamer Prozess. Um ihr pädagogisches<br />

Konzept zu sichern und weiter entwickeln zu<br />

können, müssen die Leitungen von K<strong>in</strong><strong>der</strong>tagese<strong>in</strong>richtungen<br />

sorgfältiges Personalmanagement<br />

betreiben. Insbeson<strong>der</strong>e die Fortund<br />

Weiterbildung <strong>der</strong> Mitarbeiter<strong>in</strong>nen und<br />

Mitarbeiter, sowie die E<strong>in</strong>arbeitung neuer Kolleg<strong>in</strong>nen<br />

und Kollegen müssen sorgsam geplant<br />

und begleitet werden.<br />

Auch <strong>in</strong> den Modelle<strong>in</strong>richtungen, die e<strong>in</strong>en<br />

zwischenzeitlichen Beteiligungse<strong>in</strong>bruch beklagten,<br />

hat sich wie<strong>der</strong> Optimismus breit gemacht.<br />

So hat die K<strong>in</strong><strong>der</strong>tagese<strong>in</strong>richtung Oslor<strong>in</strong>g<br />

e<strong>in</strong>e e<strong>in</strong>richtungs<strong>in</strong>terne Fortbildung organisiert,<br />

<strong>in</strong> <strong>der</strong> die „alten“ Kolleg<strong>in</strong>nen den<br />

neuen von ihren Erfahrungen berichteten und<br />

alle geme<strong>in</strong>sam die nächsten Schritte auf dem<br />

Weg zu e<strong>in</strong>er Beteiligungskultur vorbereiteten.<br />

<strong>Die</strong> neuen Kolleg<strong>in</strong>nen und Kollegen machten<br />

sich mit dem Thema <strong>Partizipation</strong> auf externen<br />

Fortbildungen vertraut. Seit kurzem gibt<br />

es <strong>in</strong> <strong>der</strong> E<strong>in</strong>richtung e<strong>in</strong>en gewählten und<br />

aktiv mitarbeitenden K<strong>in</strong><strong>der</strong>rat. <strong>Die</strong> <strong>Partizipation</strong><br />

<strong>der</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong> ist zum Aushängeschild <strong>der</strong><br />

E<strong>in</strong>richtung geworden.<br />

Auch <strong>in</strong> den an<strong>der</strong>en Modelle<strong>in</strong>richtungen hat<br />

die <strong>Partizipation</strong> <strong>der</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong> zur Schärfung des<br />

Profils beigetragen. In e<strong>in</strong>er E<strong>in</strong>richtung führten<br />

die <strong>in</strong>ternen Ause<strong>in</strong>an<strong>der</strong>setzungen mit<br />

dem Thema dazu, dass e<strong>in</strong>e Mitarbeiter<strong>in</strong> kündigte,<br />

weil sie sich den Anfor<strong>der</strong>ungen, die<br />

das übrige Team formulierte, nicht stellen<br />

mochte. <strong>Die</strong> Trennung erfolgte <strong>in</strong> bei<strong>der</strong>seitigem<br />

E<strong>in</strong>vernehmen. In den darauf folgenden<br />

Bewerbungsgesprächen wurden die potenziellen<br />

neuen Mitarbeiter<strong>in</strong>nen und Mitarbeiter<br />

von vornhere<strong>in</strong> mit den Vorstellungen des<br />

Teams bezüglich <strong>der</strong> Beteiligung <strong>der</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong><br />

konfrontiert, woraufh<strong>in</strong> zahlreiche Bewerbungen<br />

zurückgezogen wurden. E<strong>in</strong>gestellt wurde<br />

e<strong>in</strong>e Kolleg<strong>in</strong>, die sich offensiv zur <strong>Partizipation</strong><br />

bekannte.<br />

In drei Modelle<strong>in</strong>richtungen nahmen im Anschluss<br />

an die Projektteilnahme die kompletten<br />

Teams an Mo<strong>der</strong>ationstra<strong>in</strong><strong>in</strong>gs teil, um<br />

die im Modellprojekt erworbenen Kenntnisse<br />

zu vertiefen. In Wedel entwickelten die drei<br />

AWO-E<strong>in</strong>richtungen die Erfahrungen <strong>der</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong>tagesstätte<br />

„Hanna Lucas“ aus dem Modellprojekt<br />

weiter zu e<strong>in</strong>em <strong>in</strong>ternen „Haltungstra<strong>in</strong><strong>in</strong>g“<br />

für Erzieher<strong>in</strong>nen und Erzieher.<br />

Zwei Modelle<strong>in</strong>richtungen überarbeiteten <strong>in</strong>zwischen<br />

ihre Konzeptionen und richteten sie<br />

am Leitgedanken <strong>der</strong> <strong>Partizipation</strong> aus. <strong>Die</strong><br />

Mitarbeiter<strong>in</strong>nen und Mitarbeiter <strong>der</strong> Modelle<strong>in</strong>richtungen<br />

s<strong>in</strong>d bei an<strong>der</strong>en E<strong>in</strong>richtungen<br />

ihres Trägers gefragt als Expert<strong>in</strong>nen und Experten<br />

für <strong>Partizipation</strong>. <strong>Die</strong> E<strong>in</strong>richtungen stehen<br />

als Konsultationse<strong>in</strong>richtungen für <strong>in</strong>teressierte<br />

Kolleg<strong>in</strong>nen und Kollegen zur Verfügung.<br />

q ... im Umfeld <strong>der</strong> E<strong>in</strong>richtungen<br />

<strong>Die</strong> Aktivitäten <strong>der</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong>tagese<strong>in</strong>richtungen<br />

blieben auch außerhalb <strong>der</strong> E<strong>in</strong>richtungen<br />

nicht unbemerkt. <strong>Die</strong> ausführliche Dokumentation<br />

und Präsentation <strong>der</strong> eigenen Tätigkeiten<br />

im Rahmen des Modellprojekts brachte<br />

den Erzieher<strong>in</strong>nen und Erziehern Aufmerksamkeit<br />

und Anerkennung von den Eltern e<strong>in</strong> und<br />

weckte teilweise das Interesse benachbarter<br />

Grundschulen und <strong>der</strong> Kommunalpolitik.<br />

Als erste bemerkten die Eltern die Verän<strong>der</strong>ungen<br />

<strong>in</strong> <strong>der</strong> Arbeit. E<strong>in</strong>e Elternvertreter<strong>in</strong>,<br />

die an <strong>der</strong> Steuerungsgruppe des Projekts teilnahm,<br />

zeigte sich überrascht, „wie viel hier<br />

über die Arbeit mit unseren K<strong>in</strong><strong>der</strong>n nachgedacht<br />

wird“. E<strong>in</strong>e Mutter, die als Delegierte<br />

an den K<strong>in</strong><strong>der</strong>räten <strong>in</strong> <strong>der</strong> KiTa Waldstraße <strong>in</strong><br />

P<strong>in</strong>neberg teilnahm, brachte ihr Erstaunen<br />

über die Kompetenz und die Kommunikationskultur<br />

<strong>der</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong> zum Ausdruck. Und immer<br />

wie<strong>der</strong> gab es Stimmen von Eltern, die die<br />

Auswirkungen des Projekts auch zu Hause<br />

spürten. „Sie tun nicht mehr e<strong>in</strong>fach, was<br />

man ihnen sagt. Wir müssen viel mehr erklären,<br />

warum wir etwas wollen.“ <strong>Die</strong> Mutter,<br />

die sich so äußerte, war erfreut über diese<br />

Entwicklung. Ob das für alle Eltern gilt, haben<br />

wir nicht <strong>in</strong> Erfahrung gebracht.<br />

In den beiden Häusern <strong>der</strong> AWO-K<strong>in</strong><strong>der</strong>tagesstätte<br />

„Hanna Lucas“ <strong>in</strong> Wedel hatten die Eltern<br />

zunächst sehr unterschiedlich auf das Beteiligungsprojekt<br />

reagiert (vgl. Kapitel 1.2).<br />

Während <strong>in</strong> <strong>der</strong> Pulverstraße viele Eltern <strong>der</strong><br />

E<strong>in</strong>richtung sehr unsicher begegneten und<br />

sich kaum zu e<strong>in</strong>er eigenen Beteiligung ermuntern<br />

ließen („Sie machen das doch alles<br />

gut“), waren die Eltern <strong>in</strong> <strong>der</strong> Von-Suttner-<br />

Straße dem Projekt misstrauisch und sehr kritisch<br />

begegnet. <strong>Die</strong> Haltungen bei<strong>der</strong> Eltern-<br />

99


„Das wirkt sich jetzt überall aus ...“ – Von den Spuren, die das Modellprojekt <strong>in</strong> den Modelle<strong>in</strong>richtungen h<strong>in</strong>terlassen hat<br />

gruppen än<strong>der</strong>ten sich <strong>in</strong> <strong>der</strong> Folge des Modellprojekts<br />

und näherten sich dabei an. <strong>Die</strong><br />

Eltern <strong>in</strong> <strong>der</strong> Pulverstraße legten nach und<br />

nach ihre Zurückhaltung ab und zeigten zunehmend<br />

Interesse und Bereitschaft, sich <strong>in</strong><br />

die Entwicklungen <strong>der</strong> E<strong>in</strong>richtung e<strong>in</strong>zubr<strong>in</strong>gen,<br />

<strong>in</strong>dem sie ihre Mitarbeit bei Renovierungs-<br />

und Gartenarbeiten anboten. <strong>Die</strong> Eltern<br />

<strong>in</strong> <strong>der</strong> Von-Suttner-Straße wurden durch ihre<br />

Beteiligung am Planungsprozess direkt <strong>in</strong> die<br />

Entscheidungen <strong>der</strong> E<strong>in</strong>richtung e<strong>in</strong>bezogen<br />

und gewannen so wie<strong>der</strong> Vertrauen <strong>in</strong> die Arbeit<br />

<strong>der</strong> Erzieher<strong>in</strong>nen und Erzieher. <strong>Die</strong> Bemühungen<br />

<strong>der</strong> Mitarbeiter<strong>in</strong>nen und Mitarbeiter<br />

die Eltern zu <strong>beteiligen</strong> führten offensichtlich<br />

dazu, dass diese sich mehr mit <strong>der</strong><br />

E<strong>in</strong>richtung identifizierten und bereit waren<br />

sich zu engagieren.<br />

Aber nicht nur die Eltern bemerkten die Projekte.<br />

Auch Schulen waren direkt o<strong>der</strong> <strong>in</strong>direkt<br />

von den Verän<strong>der</strong>ungen <strong>in</strong> den K<strong>in</strong><strong>der</strong>tagese<strong>in</strong>richtungen<br />

betroffen.<br />

In Tarp entschlossen sich die Eltern <strong>der</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong>,<br />

die <strong>in</strong> ihrem letzten Jahr vor Schulbeg<strong>in</strong>n<br />

im K<strong>in</strong><strong>der</strong>parlament des ADS-K<strong>in</strong><strong>der</strong>gartens<br />

mitgewirkt hatten, <strong>in</strong> <strong>der</strong> Schule darauf zu<br />

dr<strong>in</strong>gen, dass ihre K<strong>in</strong><strong>der</strong> bereits <strong>in</strong> <strong>der</strong> ersten<br />

Klasse Klassensprecher wählen dürften und<br />

nicht erst, wie vielfach üblich, <strong>in</strong> <strong>der</strong> dritten<br />

Klasse. Den Eltern war es wichtig, dass die<br />

<strong>Partizipation</strong>serfahrungen aus dem K<strong>in</strong><strong>der</strong>garten<br />

e<strong>in</strong>e Fortsetzung <strong>in</strong> <strong>der</strong> Schule erfuhren.<br />

In Elmshorn nahm <strong>der</strong> Schulleiter <strong>der</strong> Nachbarschule<br />

die E<strong>in</strong>ladung zum Gesamtelternabend<br />

<strong>in</strong> <strong>der</strong> DRK-K<strong>in</strong><strong>der</strong>tagesstätte Turnstraße<br />

an und äußerte se<strong>in</strong> Interesse, <strong>in</strong> diesem<br />

Zusammenhang die Kooperation mit <strong>der</strong><br />

Tagesstätte zu <strong>in</strong>tensivieren. Angedacht ist <strong>in</strong>zwischen<br />

e<strong>in</strong> geme<strong>in</strong>sames Projekt von K<strong>in</strong><strong>der</strong>tagese<strong>in</strong>richtung<br />

und Schule im Jahr 2005<br />

im Rahmen des BLK-Programms <strong>Demokratie</strong><br />

lernen & leben.<br />

Schließlich verfolgten auch Vertreter<strong>in</strong>nen und<br />

Vertreter <strong>der</strong> Kommunalpolitik <strong>in</strong> vielen Orten<br />

die Teilnahme <strong>der</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong>tagese<strong>in</strong>richtungen<br />

am Modellprojekt sehr aufmerksam. In Elmshorn<br />

hatte die Bürgermeister<strong>in</strong> die Schirmherrschaft<br />

über das Projekt <strong>in</strong> <strong>der</strong> DRK-K<strong>in</strong><strong>der</strong>tagesstätte<br />

Turnstraße übernommen, das Projekt<br />

während des erwähnten Gesamtelternabends<br />

eröffnet und bis zur Abschlusspräsentation<br />

aufmerksam begleitet. In Tarp lernten<br />

die erwachsenen Gremienvertreter die direkte<br />

Zusammenarbeit mit den K<strong>in</strong><strong>der</strong>n kennen und<br />

schätzen. <strong>Die</strong> Auszeichnung des ADS-K<strong>in</strong><strong>der</strong>gartens<br />

mit <strong>der</strong> Goldenen Göre, dem bundesweit<br />

ausgeschriebenen Beteiligungspreis des<br />

Deutschen K<strong>in</strong><strong>der</strong>hilfswerks, erfüllte nicht nur<br />

die K<strong>in</strong><strong>der</strong>, Erzieher<strong>in</strong>nen und Eltern mit Stolz,<br />

son<strong>der</strong>n auch die politischen Mandatsträger<br />

und die Öffentlichkeit des kle<strong>in</strong>en Ortes.<br />

Das Modellprojekt „<strong>Die</strong> <strong>K<strong>in</strong><strong>der</strong>stube</strong> <strong>der</strong> <strong>Demokratie</strong>“<br />

eröffnete den beteiligten K<strong>in</strong><strong>der</strong>tagese<strong>in</strong>richtungen<br />

die Chance, die Beteiligung<br />

<strong>der</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong> <strong>in</strong> ihren E<strong>in</strong>richtungen zu verbessern.<br />

In <strong>der</strong> Folge än<strong>der</strong>te sich nicht nur die<br />

pädagogische Arbeit, es <strong>in</strong>tensivierten sich<br />

auch Kontakte zu Müttern und Vätern, Lehrkräften<br />

und Politikern. Damit hat sich die konsequente<br />

Beteiligung <strong>der</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong> <strong>in</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong>tagese<strong>in</strong>richtungen<br />

an allen sie betreffenden<br />

Angelegenheiten als e<strong>in</strong>e erfolgreiche, lebendige<br />

und zukunftsweisende Grundlage <strong>der</strong> pädagogischen<br />

Arbeit erwiesen.<br />

100


Anstelle e<strong>in</strong>es Schlussworts<br />

10 D<strong>in</strong>ge, die wir aus dem Modellprojekt lernen können<br />

1. <strong>Partizipation</strong> beg<strong>in</strong>nt mit <strong>der</strong> Geburt.<br />

2. K<strong>in</strong><strong>der</strong> können pr<strong>in</strong>zipiell an allen sie betreffenden Angelegenheiten beteiligt werden.<br />

3. <strong>Partizipation</strong> beg<strong>in</strong>nt <strong>in</strong> den Köpfen <strong>der</strong> Erwachsenen. Sie verlangt von ihnen<br />

gleichzeitig e<strong>in</strong>e freiwillige Machtabgabe und e<strong>in</strong>e hohe Verantwortungsbereitschaft.<br />

4. <strong>Partizipation</strong> verlangt e<strong>in</strong>en gleichberechtigten Dialog aller Beteiligten.<br />

5. <strong>Partizipation</strong> verlangt von den Erwachsenen methodische Kompetenzen. Sie müssen<br />

die Balance halten können zwischen Planung und Beteiligung sowie zwischen<br />

Prozess- und Ergebnisorientierung.<br />

6. <strong>Partizipation</strong> verän<strong>der</strong>t die Wahrnehmung und die Kommunikation zwischen allen<br />

Beteiligten.<br />

7. <strong>Partizipation</strong> lohnt sich. Beteiligungsverfahren wirken sich positiv auf die Ergebnisqualität<br />

aus.<br />

8. <strong>Partizipation</strong> schärft das Profil <strong>der</strong> E<strong>in</strong>richtungen.<br />

9. <strong>Partizipation</strong> för<strong>der</strong>t die Selbstbildungsprozesse <strong>der</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong> und unterstützt e<strong>in</strong>e<br />

demokratische Erziehung. Damit ist sie das zentrale Moment e<strong>in</strong>er<br />

zukunftsorientierten Pädagogik.<br />

10. <strong>Partizipation</strong> will gelernt se<strong>in</strong>. Dazu brauchen pädagogische Fachkräfte Fortbildung<br />

und Begleitung.<br />

101


Literatur<br />

Literatur<br />

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Wie K<strong>in</strong><strong>der</strong> die Welt entdecken<br />

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Konflikte klären. Mediation und soziale Frühför<strong>der</strong>ung<br />

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Münster 2002<br />

Freire, Paulo: Pädagogik <strong>der</strong> Unterdrückten.<br />

Bildung als Praxis <strong>der</strong> Freiheit, Re<strong>in</strong>bek 1973<br />

Gold<strong>in</strong>g, William: Herr <strong>der</strong> Fliegen, Frankfurt/M.<br />

1984 (Dt. Erstausgabe 1956)<br />

102


Literatur<br />

Gopnik, Alison / Kuhl, Patricia / Meltzoff, Andrew:<br />

Forschergeist <strong>in</strong> W<strong>in</strong>deln. Wie Ihr K<strong>in</strong>d<br />

die Welt begreift, Kreuzl<strong>in</strong>gen / München<br />

2000<br />

Griese, Hartmut M.: Jugend und <strong>Partizipation</strong><br />

– Integration o<strong>der</strong> Emanzipation, <strong>in</strong>: Griese,<br />

Hartmut M. / Honisch, Christoph /<br />

Klemm, Rudi (Hrsg.): Projekt <strong>Partizipation</strong> <strong>in</strong><br />

Jugendzentren. Erstes Expertenforum, Hannover<br />

2003, 18-31<br />

Groeben, Annemarie von <strong>der</strong>: Am Kle<strong>in</strong>en das<br />

Große lernen. Erziehung zu Verantwortung<br />

und <strong>Demokratie</strong> an <strong>der</strong> Bielefel<strong>der</strong> Laborschule,<br />

<strong>in</strong>: Büttner, Christian / Meyer, Bernhard<br />

(Hrsg.): Lernprogramm <strong>Demokratie</strong>. Möglichkeiten<br />

und Grenzen politischer Erziehung von<br />

K<strong>in</strong><strong>der</strong>n und Jugendlichen, We<strong>in</strong>heim / München<br />

2000, 109-124<br />

Hansen, Anke / Schrö<strong>der</strong>, Manuela / Kühne,<br />

Thomas: Aus dem Ev. K<strong>in</strong><strong>der</strong>garten Schloss<br />

Rickl<strong>in</strong>gen, Garbsen, <strong>in</strong>: Kühne, Thomas /<br />

Regel, Gerhard (Hrsg.): Bildungsansätze im offenen<br />

K<strong>in</strong><strong>der</strong>garten. Erzieher<strong>in</strong>nen im Mittelpunkt<br />

<strong>der</strong> pädagogischen Arbeit, Hamburg<br />

2000, 87-128<br />

Hansen, Rüdiger: Beteiligung <strong>in</strong> <strong>der</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong>tagesstätte,<br />

<strong>in</strong>: Bundesm<strong>in</strong>isterium für Familie,<br />

Senioren, Frauen und Jugend (Hrsg.):<br />

<strong>Partizipation</strong> von K<strong>in</strong><strong>der</strong>n und Jugendlichen als<br />

gesellschaftliche Utopie? Ideale –<br />

Erfahrungen –Perspektiven, Dokumentation<br />

des Bundeskongresses am 12./13. November<br />

2001, Berl<strong>in</strong> 2002 a, 137-148<br />

Hansen, Rüdiger: E<strong>in</strong>e Kita plant ihr Außengelände.<br />

Dokumentation des Beteiligungsprojekts.<br />

26. Februar 2001 bis 26. Juni 2001. K<strong>in</strong><strong>der</strong>tagese<strong>in</strong>richtung<br />

Oslor<strong>in</strong>g. Kiel-Mettenhof,<br />

Kiel 2002 b, unveröffentlicht<br />

Hansen, Rüdiger: <strong>Partizipation</strong> von K<strong>in</strong><strong>der</strong>n<br />

und Jugendlichen als gesellschaftliche Utopie,<br />

<strong>in</strong>: Freistaat Thür<strong>in</strong>gen – Landesamt für Soziales<br />

und Familie (Hrsg.): Dokumentation<br />

<strong>der</strong> Fachtagung <strong>Partizipation</strong> – K<strong>in</strong><strong>der</strong> und Jugendliche<br />

als Expert<strong>in</strong>nen und Experten <strong>in</strong> eigener<br />

Sache. Europäische Jugendbildungsund<br />

Begegnungsstätte Weimar. 25.06.2003<br />

bis 26.06.2003, o.O. 2004 a, 41-49<br />

Hansen, Rüdiger: Beteiligung <strong>in</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong>tagese<strong>in</strong>richtungen<br />

– zwischen partizipativer Pädagogik<br />

und politischer <strong>Partizipation</strong>, <strong>in</strong>: Bundesm<strong>in</strong>isterium<br />

für Familie, Senioren, Frauen<br />

und Jugend (Hrsg.): Kiste – Bauste<strong>in</strong>e für die<br />

K<strong>in</strong><strong>der</strong>- und Jugendbeteiligung, Entwicklung<br />

und wissenschaftliche Begleitung: Prof. W.<br />

Stange, FH Lüneburg – Forschungsstelle K<strong>in</strong><strong>der</strong>politik,<br />

Vertrieb: Infostelle K<strong>in</strong><strong>der</strong>politik des<br />

deutschen K<strong>in</strong><strong>der</strong>hilfswerks, Berl<strong>in</strong> 2004 b, im<br />

Manuskript<br />

Heesen, Berrie: Kle<strong>in</strong> aber clever. Nachdenken<br />

und Philosophieren mit K<strong>in</strong><strong>der</strong>n, Mühlheim<br />

1998<br />

Hentig, Hartmut von: <strong>Die</strong> Schule neu denken.<br />

E<strong>in</strong>e Übung <strong>in</strong> praktischer Vernunft,<br />

München / Wien 1993<br />

Hentig, Hartmut von: Bildung, München /<br />

Wien 1996<br />

Hentig, Hartmut von: Kreativität. Hohe Erwartungen<br />

an e<strong>in</strong>en schwachen Begriff, We<strong>in</strong>heim<br />

/ Basel 2000<br />

Hoenisch, Nancy / Niggemeyer, Elisabeth:<br />

Bildung mit <strong>Demokratie</strong> und Zärtlichkeit,<br />

We<strong>in</strong>heim / Basel / Berl<strong>in</strong> 2003<br />

Hoffmann-Steuernagel, Sab<strong>in</strong>e / Schulze-<br />

Lohmann, Petra: Leibeslust – Lebenslust. E<strong>in</strong><br />

Pilotprojekt zur Prävention von Essstörungen<br />

im K<strong>in</strong><strong>der</strong>garten, <strong>in</strong>: KiTa spezial, Nr. 1/2004,<br />

45-47<br />

Honneth, Axel: Kampf um Anerkennung. Zur<br />

moralischen Grammatik sozialer Konflikte,<br />

Frankfurt/Ma<strong>in</strong> 1994<br />

Hrdy, Sarah Blaffer: Mutter Natur. <strong>Die</strong> weibliche<br />

Seite <strong>der</strong> Evolution, Berl<strong>in</strong> 2000<br />

Jugendm<strong>in</strong>isterkonferenz / Kultusm<strong>in</strong>isterkonferenz<br />

(JMK / KMK): Geme<strong>in</strong>samer Rahmen<br />

<strong>der</strong> Län<strong>der</strong> für die frühe Bildung <strong>in</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong>tagese<strong>in</strong>richtungen<br />

(Beschluss <strong>der</strong> Jugendm<strong>in</strong>isterkonferenz<br />

vom 13./14.05.2004 /<br />

Beschluss <strong>der</strong> Kultusm<strong>in</strong>isterkonferenz vom<br />

03./04.06.2004), o.O. 2004, Internet:<br />

http://www.kmk.org/doc/beschl/306-KMK-<br />

TOP13.pdf<br />

Juul, Jesper: Das kompetente K<strong>in</strong>d, Re<strong>in</strong>bek<br />

1997<br />

Kazemi-Veisari, Erika: <strong>Partizipation</strong> – Hier entscheiden<br />

K<strong>in</strong><strong>der</strong> mit, Freiburg / Basel / Wien<br />

1998<br />

103


Literatur<br />

Kazemi-Veisari, Erika: Sich als Person fühlen<br />

können. <strong>Partizipation</strong> von K<strong>in</strong><strong>der</strong>n erweist sich<br />

im gelebten Alltag, <strong>in</strong>: TPS – Theorie und Praxis<br />

<strong>der</strong> Sozialarbeit – Evangelische Fachzeitschrift<br />

für die Arbeit mit K<strong>in</strong><strong>der</strong>n, Heft 2/2001,<br />

6-9<br />

K<strong>in</strong><strong>der</strong>tagesstätte Rohdenhof: K<strong>in</strong><strong>der</strong>rat <strong>der</strong><br />

K<strong>in</strong><strong>der</strong>tagesstätte Rohdenhof. Internes Arbeitspapier,<br />

Hannover 2001, unveröffentlicht<br />

Klebert, Kar<strong>in</strong> / Schra<strong>der</strong>, E<strong>in</strong>hard / Straub,<br />

Walter G.: Mo<strong>der</strong>ations-Methode, Hamburg<br />

2002<br />

Kle<strong>in</strong>, Lothar: „Wenn wir uns nicht e<strong>in</strong>ig s<strong>in</strong>d,<br />

nutzen die K<strong>in</strong><strong>der</strong> das aus!“ Von <strong>der</strong> Une<strong>in</strong>igkeit<br />

<strong>der</strong> Erwachsenen und dem Gew<strong>in</strong>n für<br />

die K<strong>in</strong><strong>der</strong>, <strong>in</strong>: TPS – Theorie und Praxis <strong>der</strong><br />

Sozialarbeit – Evangelische Fachzeitschrift für<br />

die Arbeit mit K<strong>in</strong><strong>der</strong>n, Heft 2/2001, 22-24<br />

Kle<strong>in</strong>, Lothar / Vogt, Herbert: Erzieher<strong>in</strong>nen<br />

im Dialog mit K<strong>in</strong><strong>der</strong>n. Wie <strong>Partizipation</strong> im<br />

K<strong>in</strong><strong>der</strong>garten aussehen kann, <strong>in</strong>: Büttner,<br />

Christian / Meyer, Bernhard (Hrsg.): Lernprogramm<br />

<strong>Demokratie</strong>. Möglichkeiten und Grenzen<br />

politischer Erziehung von K<strong>in</strong><strong>der</strong>n und Jugendlichen,<br />

We<strong>in</strong>heim und München 2000,<br />

89-105<br />

Knauer, Ra<strong>in</strong>gard / Brandt, Petra: K<strong>in</strong><strong>der</strong> können<br />

mitentscheiden. Beteiligung von K<strong>in</strong><strong>der</strong>n<br />

und Jugendlichen <strong>in</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong>garten, Schule und<br />

Jugendarbeit, Neuwied / Kriftel / Berl<strong>in</strong> 1998<br />

Knauer, Ra<strong>in</strong>gard / Friedrich, Bianca / Herrmann,<br />

Thomas / Liebler, Bett<strong>in</strong>a: <strong>Partizipation</strong>sprojekte<br />

mit K<strong>in</strong><strong>der</strong>n und Jugendlichen <strong>in</strong><br />

<strong>der</strong> Kommune. Vom Beteiligungsprojekt zum<br />

demokratischen Geme<strong>in</strong>wesen, Wiesbaden<br />

2004<br />

Künzel, Gerd: Aufsichtspflicht und Haftung <strong>in</strong><br />

K<strong>in</strong><strong>der</strong>gärten, Hrsg.: Bundesverband <strong>der</strong> Unfallversicherungsträger<br />

<strong>der</strong> öffentlichen Hand<br />

e.V., München 1985<br />

Kultusm<strong>in</strong>isterkonferenz (KMK): Handreichungen<br />

für die Erarbeitung von Rahmenlehrplänen<br />

<strong>der</strong> Kultusm<strong>in</strong>isterkonferenz (KMK) für<br />

den berufsbezogenen Unterricht <strong>in</strong> <strong>der</strong> Berufsschule<br />

und ihre Abstimmung mit Ausbildungsordnungen<br />

des Bundes für anerkannte<br />

Ausbildungsberufe, o.O. 2000, Internet:<br />

http://www.kmk.org/doc/publ/handreich.pdf<br />

Kupffer, He<strong>in</strong>rich: Erziehung – Angriff auf die<br />

Freiheit. Essays gegen Pädagogik, die den Lebensweg<br />

des Menschen mit H<strong>in</strong>weisschil<strong>der</strong>n<br />

umstellt, We<strong>in</strong>heim / Basel 1980<br />

Kuwan, Helmut / Waschbüsch, Eva: Delphi-<br />

Befragung 1996 / 1998. Abschlussbericht zum<br />

„Bildungs-Delphi“. Potentiale <strong>der</strong> Wissensgesellschaft.<br />

Auswirkungen auf Bildungsprozesse<br />

und Bildungsstrukturen, Hrsg.: Bundesm<strong>in</strong>isterium<br />

für Bildung und Forschung, München<br />

1998<br />

Laewen, Hans-Joachim: Alien K<strong>in</strong>d – das unbekannte<br />

Wesen. Neue Forschungen über<br />

das K<strong>in</strong>d und se<strong>in</strong>e Aneignung <strong>der</strong> Welt, <strong>in</strong>:<br />

kle<strong>in</strong> & groß, Heft 9/1999, 6-16<br />

Laewen, Hans-Joachim: Bildung und Erziehung<br />

<strong>in</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong>tagese<strong>in</strong>richtungen, <strong>in</strong>: Laewen,<br />

Hans-Joachim / Andres, Beate: Bildung<br />

und Erziehung <strong>in</strong> <strong>der</strong> frühen K<strong>in</strong>dheit. Bauste<strong>in</strong>e<br />

zum Bildungsauftrag von K<strong>in</strong><strong>der</strong>tagese<strong>in</strong>richtungen,<br />

We<strong>in</strong>heim / Berl<strong>in</strong> / Basel 2002 a,<br />

16-102<br />

Laewen, Hans-Joachim: Das „konstruierende<br />

K<strong>in</strong>d“ und <strong>der</strong> Situationsansatz, <strong>in</strong>: Laewen,<br />

Hans-Joachim / Andres, Beate: Bildung und<br />

Erziehung <strong>in</strong> <strong>der</strong> frühen K<strong>in</strong>dheit. Bauste<strong>in</strong>e<br />

zum Bildungsauftrag von K<strong>in</strong><strong>der</strong>tagese<strong>in</strong>richtungen,<br />

We<strong>in</strong>heim / Berl<strong>in</strong> / Basel 2002 b,<br />

208-243<br />

Laewen, Hans-Joachim / Andres, Beate: Bildung<br />

und Erziehung <strong>in</strong> <strong>der</strong> frühen K<strong>in</strong>dheit.<br />

Bauste<strong>in</strong>e zum Bildungsauftrag von K<strong>in</strong><strong>der</strong>tagese<strong>in</strong>richtungen,<br />

We<strong>in</strong>heim / Berl<strong>in</strong> / Basel<br />

2002<br />

Landschaftsverband Rhe<strong>in</strong>land / Landschaftsverband<br />

Westfalen-Lippe (Hrsg.):<br />

Aufsichtspflicht <strong>in</strong> Tagese<strong>in</strong>richtungen für K<strong>in</strong><strong>der</strong>.<br />

Grundlagen, Inhalte, Versicherungsschutz,<br />

Köln / Münster 2000<br />

Leu, Hans Rudolf: Zum Konzept <strong>der</strong> wechselseitigen<br />

Anerkennung, <strong>in</strong>: M<strong>in</strong>isterium für<br />

Bildung, Jugend und Sport des Landes<br />

Brandenburg (Hrsg.): Auf dem Weg zu e<strong>in</strong>em<br />

Bildungsauftrag für K<strong>in</strong><strong>der</strong>tagese<strong>in</strong>richtungen.<br />

Dokumentation <strong>der</strong> 1. Fachtagung des Modellprojekts<br />

„Zum Bildungsauftrag für K<strong>in</strong><strong>der</strong>tagese<strong>in</strong>richtungen“,<br />

Berl<strong>in</strong> / Potsdam 1998, 12-<br />

23<br />

Lü<strong>der</strong>s, Christian: <strong>Partizipation</strong> – e<strong>in</strong>e (Heraus)For<strong>der</strong>ung<br />

und Aufgabe für die Jugendhilfe,<br />

<strong>in</strong>: Freistaat Thür<strong>in</strong>gen – Landesamt für<br />

Soziales und Familie (Hrsg.): Dokumentation<br />

<strong>der</strong> Fachtagung <strong>Partizipation</strong> – K<strong>in</strong><strong>der</strong> und Ju-<br />

104


Literatur<br />

gendliche als Expert<strong>in</strong>nen und Experten <strong>in</strong> eigener<br />

Sache. Europäische Jugendbildungsund<br />

Begegnungsstätte Weimar. 25.06.2003<br />

bis 26.06.2003, o.O. 2004, 7-20<br />

M<strong>in</strong>isterium für Bildung, Wissenschaft, Forschung<br />

und Kultur des Landes Schleswig-<br />

Holste<strong>in</strong> (MBWFK): K<strong>in</strong><strong>der</strong>tagese<strong>in</strong>richtungen<br />

<strong>in</strong> Schleswig-Holste<strong>in</strong>. Erfolgsbilanz und Perspektiven,<br />

Kiel 2003<br />

Molcho, Samy: Körpersprache, München<br />

2003 (Orig<strong>in</strong>alausgabe München 1983)<br />

Molcho, Samy: Körpersprache <strong>der</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong>,<br />

München 1996 (Son<strong>der</strong>ausgabe)<br />

Mühlum, Siegl<strong>in</strong>de: K<strong>in</strong><strong>der</strong>konferenz, <strong>in</strong>:<br />

Mühlum, Siegl<strong>in</strong>de / Lipp-Peetz, Christ<strong>in</strong>e<br />

(Hrsg.): Situationsansatz konkret. Am Beispiel<br />

des evangelischen K<strong>in</strong><strong>der</strong>gartens <strong>in</strong> Lorsch,<br />

TPS-extra 18. Son<strong>der</strong>heft von TPS – Theorie<br />

und Praxis <strong>der</strong> Sozialarbeit – Evangelische<br />

Fachzeitschrift für die Arbeit mit K<strong>in</strong><strong>der</strong>n, Bielefeld<br />

1994, 28-29<br />

Mühlum, Siegl<strong>in</strong>de / Virnkaes, Gabriele:<br />

Dafür s<strong>in</strong>d die doch noch viel zu kle<strong>in</strong>! O<strong>der</strong>:<br />

Wie <strong>Demokratie</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong>tagesstätte funktioniert,<br />

<strong>in</strong>: Bildungswerk „an<strong>der</strong>es lernen“<br />

e.V. – He<strong>in</strong>rich-Böll-Stiftung Schleswig-Holste<strong>in</strong><br />

(Hrsg.): Von K<strong>in</strong><strong>der</strong>n Lernen. <strong>Partizipation</strong><br />

im Kle<strong>in</strong>k<strong>in</strong>dalter, Kiel 1998, 60-64<br />

Neill, Alexan<strong>der</strong> S.: Theorie und Praxis <strong>der</strong><br />

antiautoritären Erziehung. Das Beispiel Summerhill,<br />

Re<strong>in</strong>bek 1969<br />

Oerter, Rolf: Was können K<strong>in</strong><strong>der</strong> und Jugendliche?<br />

Was können sie verantworten?, <strong>in</strong>: Oerter,<br />

Rolf / Höfl<strong>in</strong>g, Siegfried (Hrsg.): Mitwirkung<br />

und Teilhabe von K<strong>in</strong><strong>der</strong>n und Jugendlichen,<br />

München 2001, 37-54<br />

Oswald, Hans: Jenseits <strong>der</strong> Grenze zur Gewalt:<br />

Sanktionen und rauhe Spiele, <strong>in</strong>: Schäfer,<br />

Mechthild / Frey, <strong>Die</strong>ter (Hrsg.): Aggression<br />

und Gewalt unter K<strong>in</strong><strong>der</strong>n und Jugendlichen,<br />

Gött<strong>in</strong>gen 1998, 179-202<br />

Preiss<strong>in</strong>g, Christa: <strong>Demokratie</strong>-Erleben im<br />

K<strong>in</strong><strong>der</strong>garten, <strong>in</strong>: Büttner, Christian / Meyer,<br />

Bernhard (Hrsg.): Lernprogramm <strong>Demokratie</strong>.<br />

Möglichkeiten und Grenzen politischer Erziehung<br />

von K<strong>in</strong><strong>der</strong>n und Jugendlichen, We<strong>in</strong>heim<br />

/ München 2000, 81-87<br />

Preiss<strong>in</strong>g, Christa (Hrsg.): Qualität im Situationsansatz.<br />

Qualitätskriterien und Materialien<br />

für die Qualitätsentwicklung <strong>in</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong>tagese<strong>in</strong>richtungen,<br />

We<strong>in</strong>heim / Basel / Berl<strong>in</strong> 2003<br />

Preiss<strong>in</strong>g, Christa (Hrsg.): E<strong>in</strong>führung, PDF-<br />

Datei auf: Qualität im Situationsansatz, We<strong>in</strong>heim<br />

/ Basel 2004, CD-ROM-Beilage <strong>in</strong>: Preiss<strong>in</strong>g,<br />

Christa (Hrsg.): Qualität im Situationsansatz.<br />

Qualitätskriterien und Materialien für die<br />

Qualitätsentwicklung <strong>in</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong>tagese<strong>in</strong>richtungen,<br />

We<strong>in</strong>heim / Basel / Berl<strong>in</strong> 2003<br />

Rauh, Hellgard: Frühe K<strong>in</strong>dheit, <strong>in</strong>: Oerter,<br />

Rolf / Montada, Leo (Hrsg.): Entwicklungspsychologie,<br />

We<strong>in</strong>heim 1998, 167-248<br />

Regel, Gerhard / Kühne, Thomas: Arbeit im<br />

offenen K<strong>in</strong><strong>der</strong>garten, Freiburg / Basel / Wien<br />

2001<br />

Rogge, Jan-Uwe: Streiten kann man lernen.<br />

Partnerschaftliche Konfliktlösungen im Familienalltag,<br />

<strong>in</strong>: Büttner, Christian / Meyer, Bernhard<br />

(Hrsg.): Lernprogramm <strong>Demokratie</strong>. Möglichkeiten<br />

und Grenzen politischer Erziehung<br />

von K<strong>in</strong><strong>der</strong>n und Jugendlichen, We<strong>in</strong>heim /<br />

München 2000, 47-61<br />

Schäfer, Gerd E. (Hrsg.): Bildung beg<strong>in</strong>nt mit<br />

<strong>der</strong> Geburt. För<strong>der</strong>ung von Bildungsprozessen<br />

<strong>in</strong> den ersten sechs Lebensjahren,<br />

We<strong>in</strong>heim / Basel / Berl<strong>in</strong> 2003<br />

Schnurr, Stefan: <strong>Partizipation</strong>, <strong>in</strong>: Otto, Hans-<br />

Uwe / Thiersch, Hans: Handbuch Sozialarbeit<br />

Sozialpädagogik, Neuwied / Kriftel 2001, 1330-<br />

1345<br />

Schrö<strong>der</strong>, Richard: K<strong>in</strong><strong>der</strong> reden mit! Beteiligung<br />

an Politik, Stadtplanung und Stadtgestaltung,<br />

We<strong>in</strong>heim / Basel 1995<br />

Schrö<strong>der</strong>, Richard: Progressiv, dynamisch, mit<br />

Phantasie, aber sachlich. O<strong>der</strong>: Wie effizient<br />

K<strong>in</strong><strong>der</strong> Städte planen, <strong>in</strong>: Bildungswerk „an<strong>der</strong>es<br />

lernen“ e.V. – He<strong>in</strong>rich-Böll-Stiftung<br />

Schleswig-Holste<strong>in</strong> (Hrsg.): Von K<strong>in</strong><strong>der</strong>n Lernen.<br />

<strong>Partizipation</strong> im Kle<strong>in</strong>k<strong>in</strong>dalter, Kiel 1998,<br />

74-84<br />

Sturzenhecker, Benedikt: <strong>Partizipation</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />

Offenen Jugendarbeit, <strong>in</strong>: Bundesm<strong>in</strong>isterium<br />

für Familie, Senioren, Frauen und Jugend<br />

(Hrsg.): Kiste – Bauste<strong>in</strong>e für die K<strong>in</strong><strong>der</strong>und<br />

Jugendbeteiligung, Entwicklung und wissenschaftliche<br />

Begleitung: Prof. W. Stange,<br />

FH Lüneburg – Forschungsstelle K<strong>in</strong><strong>der</strong>politik,<br />

Vertrieb: Infostelle K<strong>in</strong><strong>der</strong>politik des deutschen<br />

K<strong>in</strong><strong>der</strong>hilfswerks, Berl<strong>in</strong> 2004, im Manuskript<br />

105


Literatur<br />

Tietze, Wolfgang / Viernickel, Susanne<br />

(Hrsg.): Pädagogische Qualität <strong>in</strong> Tagese<strong>in</strong>richtungen<br />

für K<strong>in</strong><strong>der</strong>. E<strong>in</strong> nationaler Kriterienkatalog,<br />

We<strong>in</strong>heim / Basel / Berl<strong>in</strong> 2002<br />

Virnkaes, Gaby: Gruppenbesprechung – K<strong>in</strong><strong>der</strong><br />

reden mit. E<strong>in</strong> Übungsfeld für Autonomie,<br />

Solidarität und Kompetenz, <strong>in</strong>: TPS – Theorie<br />

und Praxis <strong>der</strong> Sozialarbeit – Evangelische<br />

Fachzeitschrift für die Arbeit mit K<strong>in</strong><strong>der</strong>n, Heft<br />

2/2001, 25-26<br />

Wieacker-Wolff, Marie-Laure: Mit K<strong>in</strong><strong>der</strong>n<br />

philosophieren. Staunen – Fragen – Nachdenken,<br />

Freiburg 2002<br />

Wiegand, Ingo / Hansen, Rüdiger / Marxen,<br />

Meike: Umweltpädagogische Innenraumkonzepte<br />

für K<strong>in</strong><strong>der</strong>tagesstätten. Projektdokumentation,<br />

Hrsg.: K<strong>in</strong><strong>der</strong> Umwelt<strong>in</strong>itiativen<br />

KIWI e.V., Kiel 2000, unveröffentlicht<br />

Zeil<strong>in</strong>ger, Anton: E<strong>in</strong>ste<strong>in</strong>s Schleier. <strong>Die</strong> neue<br />

Welt <strong>der</strong> Quantenphysik, München 2003<br />

Zimmer, Jürgen: Das kle<strong>in</strong>e Handbuch zum<br />

Situationsansatz, We<strong>in</strong>heim / Basel 2000<br />

Plöger, Thomas / Müller, Lorenz: <strong>Die</strong> <strong>K<strong>in</strong><strong>der</strong>stube</strong><br />

<strong>der</strong> <strong>Demokratie</strong>, © Aktion Schleswig-<br />

Holste<strong>in</strong> – Land für K<strong>in</strong><strong>der</strong>, Videofilm, BRD<br />

2002<br />

(Der Film ist trotz des gleichen Titels ke<strong>in</strong> Film<br />

über das Modellprojekt. Er ist vor dem Modellprojekt<br />

entstanden.)<br />

Reise, Nils / Plöger, Thomas: Planen mit<br />

Phantasie. Zukunftswerkstatt und Planungszirkel<br />

für K<strong>in</strong><strong>der</strong> und Jugendliche, © Aktion<br />

Schleswig-Holste<strong>in</strong> – Land für K<strong>in</strong><strong>der</strong>, Videofilm,<br />

BRD 1996<br />

106


Autor<strong>in</strong>nen und Autor<br />

Autor<strong>in</strong>nen und Autor<br />

Rüdiger Hansen, Diplom-Sozialpädagoge,<br />

Mo<strong>der</strong>ator für k<strong>in</strong><strong>der</strong>freundliches<br />

Planen. Langjährige Tätigkeit<br />

<strong>in</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong>tagese<strong>in</strong>richtungen, Planungsbeteiligung<br />

von K<strong>in</strong><strong>der</strong>n, Fortbildungen<br />

und Publikationen zu <strong>Partizipation</strong><br />

und Bildung <strong>in</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong>tagese<strong>in</strong>richtungen.<br />

Prof. Dr. Ra<strong>in</strong>gard Knauer, Diplom-<br />

Sozialpädagog<strong>in</strong>, Diplompädagog<strong>in</strong>,<br />

ist Professor<strong>in</strong> an <strong>der</strong> Fachhochschule<br />

Kiel, Fachbereich Soziale Arbeit<br />

und Gesundheit mit dem<br />

Schwerpunkt Erziehung und Bildung<br />

im K<strong>in</strong>desalter. Fortbildungen,<br />

Vorträge und Publikationen zu <strong>Partizipation</strong>,<br />

Bildung <strong>in</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong>tagese<strong>in</strong>richtungen<br />

sowie Kooperation von<br />

Jugendhilfe und Schule.<br />

Bianca Friedrich, Diplompädagog<strong>in</strong>,<br />

Mo<strong>der</strong>ator<strong>in</strong> für k<strong>in</strong><strong>der</strong>freundliches<br />

Planen. Fortbildungen und Publikationen,<br />

sowie Evaluation von <strong>Partizipation</strong>sverfahren.<br />

<strong>Die</strong> Autor<strong>in</strong>nen und <strong>der</strong> Autor s<strong>in</strong>d<br />

tätig als freie Mitarbeiter<strong>in</strong>nen und<br />

Mitarbeiter im Institut für <strong>Partizipation</strong><br />

und Bildung.<br />

Das Institut für <strong>Partizipation</strong> und<br />

Bildung bietet K<strong>in</strong><strong>der</strong>tagese<strong>in</strong>richtungen<br />

und an<strong>der</strong>en E<strong>in</strong>richtungen<br />

<strong>der</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong>- und Jugendhilfe Information<br />

und Beratung, Fortbildung<br />

und Praxisbegleitung, Konzeptentwicklung<br />

und Projektmanagement<br />

zu <strong>Partizipation</strong> und Bildung von<br />

K<strong>in</strong><strong>der</strong>n und Jugendlichen.<br />

Kontakt:<br />

Institut für <strong>Partizipation</strong> und Bildung<br />

Damaschkeweg 86, 24113 Kiel<br />

Telefon 0431 / 65 80 502<br />

Telefax 0431 / 65 80 704<br />

E-Mail IPB-Kiel@arcor.de<br />

Internet www.<strong>Partizipation</strong>-und-Bildung.de<br />

107


Der Träger stellt sich vor<br />

Der Träger stellt sich vor<br />

Der Kieler Vere<strong>in</strong> KIWI e.V. – K<strong>in</strong><strong>der</strong> Umwelt<strong>in</strong>itiativen<br />

– hat sich seit se<strong>in</strong>er Gründung<br />

1994 die Umwandlung trister Spielflächen <strong>in</strong><br />

kreativ-fantasievolle Naturspielräume nach<br />

umweltpädagogischen, sozialen und ökologischen<br />

Kriterien zur Aufgabe gemacht. Unter<br />

<strong>in</strong>tensiver E<strong>in</strong>b<strong>in</strong>dung aller Beteiligten entstehen<br />

so <strong>in</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong>tagese<strong>in</strong>richtungen, Schulen<br />

und auf öffentlichen Spielplätzen sowohl<br />

ideenreiche als auch k<strong>in</strong>d- und jugendgerechte<br />

Naturspielräume.<br />

Hierzu hat KIWI <strong>Partizipation</strong>sverfahren entwickelt,<br />

mit denen K<strong>in</strong><strong>der</strong>, Jugendliche und Erwachsene<br />

<strong>in</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong>tagese<strong>in</strong>richtungen und an<br />

Schulen ihren eigenen Naturspielraum selber<br />

planen und gestalten können. In mehrtägigen<br />

Zukunftswerkstätten lernen K<strong>in</strong><strong>der</strong> und Jugendliche<br />

demokratische Entscheidungsprozesse<br />

kennen, eigene Me<strong>in</strong>ungen zu vertreten,<br />

aber auch an<strong>der</strong>e Me<strong>in</strong>ungen und Mehrheitsbeschlüsse<br />

zu akzeptieren.<br />

Zu diesem Zwecke bietet KIWI Fortbildungssem<strong>in</strong>are<br />

für Erzieher<strong>in</strong>nen, Erzieher und Lehrkräfte<br />

an, <strong>in</strong> denen das Know-how zur eigenständigen<br />

Durchführung e<strong>in</strong>er Zukunftswerkstatt<br />

vermittelt wird.<br />

Zur Planung e<strong>in</strong>es Naturspielraumes gehört<br />

vor allem auch die konkrete Umsetzung.<br />

Neben <strong>der</strong> f<strong>in</strong>anziellen und fachlichen Beratung<br />

zeichnet KIWI auch für das gesamte Projektmanagement<br />

verantwortlich.<br />

<strong>Die</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong>, Jugendlichen und Erwachsenen,<br />

die im ersten Schritt ihren neuen Naturspielraum<br />

geplant haben, setzen nun ihre Vorschläge<br />

eigenhändig unter <strong>der</strong> fachmännischen Anleitung<br />

von KIWI um.<br />

Neben <strong>der</strong> „<strong>K<strong>in</strong><strong>der</strong>stube</strong> <strong>der</strong> <strong>Demokratie</strong>“<br />

zeichnet KIWI auch für das aktuell laufende<br />

Modellprojekt „Lebensraum Schulhof“ zur<br />

För<strong>der</strong>ung des <strong>Demokratie</strong>gedankens an<br />

Schulen verantwortlich.<br />

Seit se<strong>in</strong>er Entstehung hat KIWI etwa 150 Naturspielräume<br />

<strong>in</strong> enger Zusammenarbeit mit<br />

allen Beteiligten <strong>in</strong> Schleswig-Holste<strong>in</strong>, Hamburg<br />

und Nie<strong>der</strong>sachsen geschaffen. Zum Erhalt<br />

und zur Weiterentwicklung dieser Naturspielräume<br />

führt KIWI <strong>in</strong> den E<strong>in</strong>richtungen<br />

Pflegesem<strong>in</strong>are durch und entwickelt <strong>in</strong>dividuelle<br />

Pflegekalen<strong>der</strong>. So wird gewährleistet,<br />

dass <strong>der</strong> Naturspielraum auch über die Planung<br />

und Umsetzung h<strong>in</strong>aus Bestandteil des<br />

Alltags von K<strong>in</strong><strong>der</strong>tagese<strong>in</strong>richtungen und<br />

Schulen bleibt.<br />

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Schleswig-Holste<strong>in</strong> –<br />

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