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KARRIEREN<br />
Rette mich,<br />
wer kann<br />
Hans-Olaf Henkel soll für<br />
die AfD bei der Europawahl<br />
kandidieren. Der Ex-BDI-<br />
Chef bekommt so eine neue<br />
Bühne für seine steilen Thesen.<br />
Marktwirtschaft bedeutet für Hans-<br />
Olaf Henkel, auf die Erfolgreichen<br />
zu setzen. Im Jahr 2011 tingelte<br />
der Ex-BDI-Chef über die Veranstaltungen<br />
der Freien Wähler. Sie waren<br />
damals eine steigende Aktie, er pries die<br />
Minipartei als „Plattform für meine liberalen<br />
Ideale“ und verkündete, er sei „per<br />
Handschlag“ Mitglied geworden. Sogar<br />
eine Kandidatur zum Bundestag schloss<br />
er nicht aus, „wenn ich überzeugt bin,<br />
dass in der Partei Not am Mann ist“.<br />
Dann aber sank der Stern der Freien<br />
Wähler – und so auch Henkels Interesse<br />
an der Partei. Der Hans-Olaf Henkel von<br />
heute unterstützt nun die Alternative für<br />
<strong>Deutschland</strong> (AfD). Jetzt lobt er diese als<br />
„einzige Partei, die sich in Europa für<br />
Wettbewerb und Eigenverantwortung einsetzt“,<br />
was auch daran liegen könnte,<br />
dass die AfD ganz gute Chancen hat, im<br />
Mai in das Europaparlament einzuziehen.<br />
Henkel kann sich eine Kandidatur vorstellen:<br />
„Wenn ich überzeugt bin, dass<br />
man mich wirklich braucht.“<br />
Provokateur Henkel*: Einst Inventar der <strong>Talk</strong>shows<br />
Was anderen als Opportunismus ausgelegt<br />
würde, sieht Henkel offenbar als<br />
Chancenoptimierung. Hubert Aiwanger,<br />
Chef der Freien Wähler, ist seinem ehemaligen<br />
Aktivisten aber deshalb nicht<br />
gram. „Er denkt halt immer a bissl betriebswirtschaftlicher,<br />
auch in der Politik.“<br />
Nach Kosten und Nutzen eben.<br />
Schwer zu sagen, wer von der Kandidatur<br />
mehr profitieren würde. Der ewige<br />
Ex-Funktionär Henkel? Oder die Euro-<br />
* Mit Ehefrau Bettina Hannover und deren Schwester<br />
Almut beim Bundespresseball in Berlin.<br />
Gegner, die sich gerade für den Europawahlkampf<br />
rüsten? Zwar muss die AfD<br />
bei der Europawahl nur die Hürde von<br />
drei Prozent überspringen, das macht den<br />
Einzug sehr wahrscheinlich. Andererseits<br />
werden viele AfD-Landesverbände von<br />
Grabenkämpfen geplagt. Davon würde<br />
man gern mit einer hübschen Personalie<br />
ablenken. „Hans-Olaf Henkel wäre das<br />
ideale Aushängeschild für uns, kompetent<br />
und prominent“, sagt Günter Brinker,<br />
Chef der Berliner AfD, auf deren Ticket<br />
Henkel nach Brüssel reisen könnte.<br />
Schon bei der Bundestagswahl habe<br />
man mit ihm als Spitzenmann gelieb -<br />
äugelt, sagt Brinker. Letztlich stellten die<br />
Berliner aber den Ökonomen Joachim<br />
Starbatty auf. „Professor Starbatty ist aber<br />
auch schon 73 Jahre alt“, gibt Brinker zu<br />
bedenken. Nun wird Henkel im März 74,<br />
aber wenn es darum geht, mit Worten die<br />
Welt zu ändern, ist er frisch wie eh und<br />
je. „Wenn ich für die AfD antrete, dann,<br />
um Europa vor dem Euro zu retten, politisch<br />
wie ökonomisch“, sagt Henkel.<br />
Vergangenen Samstag wollte er die<br />
Eröffnungsrede zum europapolitischen<br />
Konvent der Berliner AfD halten. Presse -<br />
einladungen hatte die Partei reichlich verschickt.<br />
Henkel selbst auch. Noch ziert<br />
er sich aber vor der Kandidatur, und die<br />
AfD gönnt ihm viel Bedenkzeit. Theoretisch<br />
müsste Henkel sich erst auf dem<br />
Bundesparteitag in Aschaffenburg am<br />
25. Januar erklären, wo die AfD ihre Bundesliste<br />
zur Europawahl aufstellen wird.<br />
Finanziell hätte Henkel das Abenteuer<br />
Europa nicht nötig, auch nicht in Zeiten<br />
von Niedrigzinsen. Er sitzt in diversen<br />
Aufsichtsräten, und der Weltkonzern IBM<br />
dürfte bei der Rente früherer Top-Kräfte<br />
nicht knausern. Dagegen sind die<br />
Diäten eines EU-Abgeordneten<br />
Peanuts. Dafür würde sich das<br />
Mandat in politischer Aufmerksamkeit<br />
auszahlen, die Henkel seit<br />
einigen Jahren vermissen muss.<br />
Was hilft es, wenn er Finanz -<br />
minister Wolfgang Schäuble in seinem<br />
Buch „Profi der Täuschung“<br />
nennt und Angela Merkel „Kanzlerin<br />
Gespaltene Zunge“? Es hört<br />
keiner zu. Für unbequeme Wahrheiten<br />
werde man in <strong>Deutschland</strong><br />
„zur Sau gemacht“, sagte Henkel<br />
einst. Dass ihn seit Jahren kein relevanter<br />
Politiker mehr zur Sau machte, muss den<br />
Mann betrüben, der einst zum Inventar<br />
der <strong>Talk</strong>show-Republik zählte.<br />
Die relevanten Leute hören eben schon<br />
kaum hin, wenn ein CSU-Generalsekretär<br />
den EZB-Präsidenten beleidigt. War -<br />
um sollten sie also horchen, wenn ein<br />
Ex-Irgendwas über einen Minister lästert?<br />
Eigentlich könnte Hans-Olaf Henkel so<br />
ziemlich alles sagen, was ihm einfällt.<br />
Aber Narrenfreiheit zu genießen heißt ja<br />
irgendwie auch, ein Narr zu sein.<br />
MELANIE AMANN<br />
BABIRADPICTURE / ABP<br />
DER SPIEGEL 50/2013 37