INDIVIDUUM UND MASSENSCHICKSAL – ein Seth-Buch
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FRISCHER WIND,<br />
BLASE <strong>–</strong> BLASE DURCH MEIN HERZ<br />
<strong>UND</strong> LASS MICH LAUSCHEND<br />
DEINE MELODIEN LEBEN!<br />
von Anita Wysser<br />
Der Text von Anita Wysser ist die spannende, persönliche Biographie <strong>ein</strong>er Musikerin, die sich<br />
schon als Kind über das Gespaltens<strong>ein</strong> wundert, darunter schmerzlich leidet und sich über viele<br />
tiefe Erfahrungen Schritt für Schritt in die Einheit entfaltet. Anita Wysser ist aber nicht nur Musikerin,<br />
sie ist auch Ehefrau, Mutter und Pädagogin, und somit erfahren Sie auch, liebe Leserin, lieber<br />
Leser, wie die Autorin all diese Funktionen in ihrem Leben zu <strong>ein</strong>er Einheit verwebt.<br />
LICHTWELLE<br />
Die Verbindung zu Gott war mir zeitlebens das<br />
Wichtigste überhaupt. In den ersten sieben Jahren<br />
war sie mir geschenkt wie dem Fisch das<br />
Wasser. Auch wenn in unserer Familie nicht viel<br />
von Gott gesprochen wurde, so war doch alles<br />
erfüllt von ihm in diesem geheimnisvollen, strahlenden<br />
Leben.<br />
In dieser Zeit hatte ich <strong>ein</strong>e mir lieb gewordene<br />
Gewohnheit: Jeden Abend vor dem Einschlafen<br />
zog ich das L<strong>ein</strong>tuch ganz über mich und genoss<br />
es, mit Gott all-<strong>ein</strong> zu s<strong>ein</strong>. Im achten Lebensjahr<br />
gab es <strong>ein</strong>en Riss in diesem Einheitserleben:<br />
An <strong>ein</strong>em Sonntag wanderten wir dem<br />
Ufer des Neuenburgersees entlang, ich den<br />
Eltern etwas voraus. Da rief mich m<strong>ein</strong>e Mutter<br />
bei m<strong>ein</strong>em Namen. Wie <strong>ein</strong> Blitz durchfuhr es<br />
mich: „Anita!“ Was soll das? Wer oder was ist<br />
mit diesem Namen angesprochen? Wer oder<br />
was würde antworten? Dieser Klumpen<br />
Fleisch?! Ich geriet in <strong>ein</strong>e wilde Verzweiflung.<br />
Ich biss mich in die Haut, um vielleicht durch<br />
den Schmerz zu erfahren, was mit Anita gem<strong>ein</strong>t<br />
war. Schliesslich rannte ich, rannte bis zu <strong>ein</strong>em<br />
Spielplatz, wo <strong>ein</strong> Kreisel stand. Dort setzte ich<br />
mich hin<strong>ein</strong>, drehte am Rad, so schnell ich nur<br />
konnte, in der Hoffnung, dass das, was mit Anita<br />
gem<strong>ein</strong>t ist, herausspringen würde.<br />
Dort begann die Odyssee m<strong>ein</strong>er Selbstsuche.<br />
Und die Querflöte, die mir drei Jahre später geschenkt<br />
wurde, kommt mir vor wie der Mast, an<br />
den sich Odysseus binden liess, um dem Reiz<br />
der Sirenen nicht zu verfallen. Sie gab mir in all<br />
den Jahren der intensivsten Sinnsuche Halt.<br />
Stundenlang zog ich mich mit ihr zurück - ich<br />
empfand schon früh <strong>ein</strong>e innige Liebe zur Musik<br />
von Bach, kaufte als <strong>ein</strong>es der ersten Notenhefte<br />
mit m<strong>ein</strong>em Taschengeld die Solopartita, vergass<br />
die Zeit völlig, wenn ich Flöte spielte, fand<br />
dort grosse Erfüllung, wenn auch rundum der<br />
Boden immer wieder ins Wanken geriet, auch<br />
durch Todesfälle von mir nahe stehenden Menschen.<br />
Am schmerzlichsten traf mich der Tod<br />
m<strong>ein</strong>es tief verehrten Flötenlehrers. Als ich vierzehn<br />
Jahre alt war und während drei Jahren<br />
Woche für Woche mit grosser Freude bei diesem<br />
zwar strengen, aber gütigen Mann den Unterricht<br />
besucht hatte, war es <strong>ein</strong> sehr, sehr trauriges<br />
Ereignis, als er plötzlich nicht mehr da war.<br />
Denn das Zusammens<strong>ein</strong> mit ihm hatte mir nicht<br />
nur die Welt der Musik eröffnet, sondern auch<br />
das Herz <strong>ein</strong>es liebenden, vielseitig begabten<br />
44 LICHTWELLE / August 2004