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Verkehrssicherungspflicht Forst - Forstliches Ausbildungszentrum ...

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Ministerium Ländlicher Raum Baden Württemberg<br />

- Abteilung Landesforstverwaltung -<br />

Leitfaden zur Fortbildungsveranstaltung<br />

<strong>Verkehrssicherungspflicht</strong><br />

Stand 03/2001


- 2 -<br />

1. Rechtsgrundlagen, Rechtsprechung und Konsequenzen<br />

Grundsatz<br />

Grundsätzlich gilt die allgemeine Rechtspflicht, im Verkehr Rücksicht auf die Gefährdung anderer<br />

zu nehmen. Die Rechtsprechung geht davon aus (BGH 1966), dass derjenige, der eine Gefahrenquelle<br />

schafft oder unterhält, nach Lage der Verhältnisse erforderliche und zumutbare Vorkehrungen<br />

treffen muss, um andere Personen zu schützen.<br />

Diese <strong>Verkehrssicherungspflicht</strong> (VSP) ist gesetzlich nicht geregelt. Sie wird aus dem allgemeinen<br />

Schädigungsverbot des § 823 BGB abgeleitet: Jeder, der in seinem Verantwortungsbereich<br />

eine Gefahrenquelle, einen gefahrdrohenden Zustand oder eine Sachlage, von der eine Gefahr für<br />

Dritte ausgeht, schafft oder andauern lässt, hat die Verpflichtung, eine Schädigung anderer tunlichst<br />

abzuwenden. Spezielle Vorschriften gibt es nur in einigen besonderen Ausprägungen (z.B.<br />

§§ 836 bis 838 BGB, Abstandsvorschriften in Bauordnungen).<br />

Ansonsten handelt es sich um Richterrecht und damit um Einzelfallrecht! Es muss also in jedem<br />

Fall neu beurteilt werden, ob dem Waldbesitzer bzw. seinem Beauftragten ein ursächliches Fehlverhalten<br />

vorgeworfen werden kann!<br />

Art, Umfang und Grenzen der Erfüllung<br />

Im Rahmen der allgemeinen VSP sind nur diejenigen Vorkehrungen zu treffen, die im Rahmen<br />

des Möglichen und Zumutbaren liegen und geeignet sind, solche Gefahren abzuwenden, die bei<br />

bestimmungsgemäßer Benutzung drohen. Haftungsbegründend wird eine Gefahr also erst, wenn<br />

sich für ein sachkundiges Urteil die naheliegende Möglichkeit ergibt, dass Rechtsgüter anderer<br />

verletzt werden können.<br />

Maßgebend für den Umfang der VSP ist dabei der typische Verkehr, wie er für die konkreten<br />

örtlichen Verhältnisse in Betracht kommt. Vorkehrungen gegen jeden denkbaren Schadenserfolg<br />

können nicht verlangt werden.


- 3 -<br />

Weiterer Maßstab ist weder der Überängstliche noch der Sorglose, sondern der "verständige und<br />

umsichtige, in vernünftigen Grenzen vorsichtige Mensch".(ständige Rechtsprechung)<br />

Sicherungsmaßnahmen sind also nur dann erforderlich, wenn<br />

• diese den berechtigten Sicherheitserwartungen der Verkehrsteilnehmer entsprechen,<br />

• diese möglich und wirtschaftlich zumutbar sind im Hinblick auf den bestimmungsgemäßen<br />

Gebrauch (für Kinder gelten gesteigerte Anforderungen!).<br />

Sind Sicherungsmaßnahmen notwendig, müssen diese nach dem Stand der Erfahrungen und<br />

Technik geeignet und genügend sein. Maßgeblich sind dabei diejenigen Handlungsweisen, die in<br />

der Praxis erprobt sind, sich bewährt haben und sich bei einer Mehrheit von Praktikern durchgesetzt<br />

haben.<br />

Die Art der Erfüllung richtet sich nach der jeweiligen Situation: primär ist zu schützen, d.h. die<br />

Gefahr zu beseitigen. Ist dies nicht, nicht rechtzeitig oder nicht umfassend möglich, ist zu warnen,<br />

und zwar durch für die jeweiligen Verkehrsteilnehmer geeignete Schilder. Möglich ist es<br />

auch, auf die Erfüllung durch Dritte hinzuwirken. Innerdienstlich besteht die Verpflichtung, eine<br />

entsprechende Organisation zu schaffen und/oder geeignete Dienstanweisungen für die Aufsichtspflichtigen<br />

zu erlassen.<br />

Adressaten<br />

Die <strong>Verkehrssicherungspflicht</strong> des Waldbesitzers i.S. von § 4 Landeswaldgesetz leitet sich aus<br />

seinem Eigentum oder der tatsächlichen Verfügungsmacht über den Wald her, ist also im Grundsatz<br />

privatrechtlicher Natur. Allerdings ist diese Verpflichtung durch § 71 Landeswaldgesetz im<br />

öffentlichen Wald ausdrücklich dem hoheitlichen Bereich zugewiesen, so daß bei einer Verletzung<br />

dieser Pflicht eine Amtspflichtverletzung vorliegt, für die der Dienstherr haftet und vom<br />

schuldigen Bediensteten erst ab grober Fahrlässigkeit Regreß verlangen kann.


- 4 -<br />

Im Einzelfall können andere <strong>Verkehrssicherungspflicht</strong>ige anstelle oder neben den verpflichteten<br />

Waldbesitzer treten:<br />

• Kraft Gesetztes überlagert z.B. eine öffentlich-rechtliche VSP (z.B.: Ausweisung als Naturdenkmal<br />

schränkt Verfügungsmöglichkeit des Waldbesitzers ein) die privatrechtliche<br />

VSP.<br />

• Kraft vertraglicher Übertragung der VSP auf einen anderen. Dies ist möglich, setzt aber eine<br />

unmißverständliche Regelung voraus. Damit wird der Übernehmer verkehrssicherungspflichtig<br />

und ggf. deliktisch verantwortlich, während beim Übertragenden eine Verpflichtung<br />

zur Überwachung des Übernehmers entsteht.<br />

Es ist auch möglich, daß sich VSP überschneiden, z.B. kann neben der primären VSP des Waldbesitzers<br />

eine eingeschränkte VSP des Straßenbaulastträgers bestehen, so daß sich die Frage einer<br />

internen Haftungsverteilung stellt.<br />

Für die Praxis ist davon auszugehen, daß immer eine - in Sonderfällen vielleicht eingeschränkte -<br />

<strong>Verkehrssicherungspflicht</strong> des Waldbesitzers besteht. Diese umfaßt die Verpflichtung zur Anlage<br />

möglichst ungefährlicher Waldungen (sonst "Anlageverschulden") und zur Kontrolle und Überwachung<br />

der Waldbäume auf Krankheitsbefall je nach Gefahrensituation (sonst "Überwachungsverschulden").<br />

Fazit für die Praxis<br />

Bei der VSP handelt es sich um eine Aufgabe, die nicht nach mathematischen Grundsätzen berechenbar<br />

und handhabbar ist. Es ist vielmehr eine wertende Betrachtung und Einschätzung mehrerer<br />

Faktoren erforderlich, die eine argumentative Auseinandersetzung mit dem jeweiligen Einzelfall<br />

erfordert.<br />

Diese Einzelfallbezogenheit verträgt kein starres, sondern erfordert ein flexibles System zur Beurteilung<br />

der Frage, ob dem Waldbesitzer ein ursächliches Fehlverhalten nachgewiesen werden<br />

kann oder nicht. Der Waldbesitzer muß folgende Überlegungen in seine Entscheidungsfindung<br />

einbeziehen:


- 5 -<br />

• Je größer die Wahrscheinlichkeit des Gefahreneintritts, desto eher sind Maßnahmen erforderlich;<br />

• je schwerwiegender die möglichen Folgen eines Nichthandelns, insbesondere die Art des möglichen<br />

Schadens, desto strenger sind die Anforderungen;<br />

• je einfacher Maßnahmen objektiv möglich und objektiv zumutbar sind, desto eher können diese<br />

auch erwartet werden.<br />

• je mehr Möglichkeiten des Selbstschutzes bestehen, üblich und zumutbar sind, desto weniger ist<br />

der Waldbesitzer in die Pflicht genommen;<br />

• je erkennbarer und/oder typischer eine Gefahrenlage ist, desto eher ist Selbstschutz möglich.<br />

Wichtig: Eine absolute Gewißheit über die Stand- und Bruchsicherheit von Bäumen gibt es<br />

nicht!<br />

Fallgruppen<br />

Von Waldbeständen ausgehende Gefahren<br />

Leitgedanke: Selbstschutz steht im Vordergrund; keine Vorsorge durch Waldbesitzer<br />

Innerhalb von Waldbeständen gibt es keine Sicherungspflichten für von Bäumen ausgehende<br />

Gefahren. Dort herrschen typische Gefahren vor, die sich aus der Natur oder aus der ordnungsgemäßen<br />

forstlichen Nutzung ergeben (z.B. Trockenäste, Reisig, Faulstellen etc.). Hier steht die<br />

Pflicht zum Selbstschutz im Vordergrund.<br />

Auch im nicht bewirtschafteten Wald sowie bei Verfügungsbeschränkungen aufgrund Waldoder<br />

Naturschutzrecht kann man grundsätzlich keine höheren Pflichten des Waldbesitzers annehmen.<br />

Aber: In Waldschutzgebieten (insbes. Bannwald) mit aus ökologischen Gründen hohen Totholzanteilen<br />

sollten bei hohem Besucherdruck Hinweisschilder aufgestellt werden (bei Flächenauswahl<br />

von solchen Flächen Problem berücksichtigen!).<br />

Sollten im Wald atypische Gefahren auftreten (nicht durch die Natur oder die Art der Bewirtschaftung<br />

zwangsläufig vorgegeben), die vom Waldbesitzer selbst geschaffen werden, müssen<br />

die Waldbesucher vor diesen Gefahren geschützt werden (z.B.: Bodeneinschläge etc.).


- 6 -<br />

In diesem Zusammenhang bedeutet die in § 37 Abs. 1 Landeswaldgesetz enthaltene Formulierung,<br />

das Betreten des Waldes erfolge auf eigene Gefahr, dass die waldtypischen Gefahren der<br />

Risikosphäre des Besuchers zuzurechnen sind. Der Waldbesitzer hat aber vor atypischen und<br />

gesteigerten Gefahren zu schützen.<br />

Waldarbeit<br />

Leitgedanke: Derjenige, der eine Gefahrenlage schafft, muß dafür sorgen, daß anderen kein<br />

Schaden entsteht (Vorsorge)<br />

In der Diskussion um Gefährdungen, die vom Wald und seiner Bewirtschaftung ausgehen, werden<br />

oft die Anforderungen des betrieblichen Arbeitsschutzes und der <strong>Verkehrssicherungspflicht</strong><br />

miteinander vermischt. Die Unfallverhütungsvorschriften richten sich ausschließlich an die Versicherten,<br />

d.h. an den Betrieb und seine Beschäftigten (interne Wirkung). Dagegen ist die <strong>Verkehrssicherungspflicht</strong><br />

vor allem gegenüber Dritten wahrzunehmen (externe Wirkung). Allerdings<br />

werden in der Rechtsprechung zur Verkehrssicherung die Standards der Unfallverhütungsvorschriften<br />

mangels anderer Richtlinien häufig zur Urteilsfindung herangezogen. Deshalb müssen<br />

die nach innen anzuwendenden Standards auch gegenüber Dritten eingehalten werden.<br />

Auf laufende Arbeiten, z.B. Fällung von Bäumen, ist durch zumutbare Maßnahmen, insbesondere<br />

Schilder, hinzuweisen bzw. es sind entsprechende Sicherungsmaßnahmen zu ergreifen.<br />

Zum Schutz von Dritten und Sachen ist die Absicherung von Hiebsflächen unabdingbar.<br />

In Abhängigkeit von der jeweiligen Situation an der Arbeitsstelle (Lage des Hiebsortes, Wege-<br />

/Straßennähe, Besucherintensität etc.) muß in Abhängigkeit der örtlichen Erfahrungen die Gefahrensituation<br />

eingeschätzt werden. Im Zuge der Arbeitsplanung sind die daraus abzuleitenden Sicherungsmaßnahmen<br />

festzulegen. Diese sind im schriftlichen Arbeitsauftrag (s. Betriebsordnung)<br />

an die Waldarbeiter aufzuführen (Muster WAS Itzelberg). Alle Betriebsleitungen sind gehalten,<br />

schriftliche Arbeitsaufträge zu erstellen und diese auch zu kontrollieren.<br />

Wichtig: notwendige Absperrungen sollten an solchen Stellen angebracht werden, wo der Waldbesucher<br />

auf Alternativwege ausweichen kann (Wegkreuzungen).


- 7 -<br />

Konkret gilt:<br />

Absperren von Waldwegen bei der motormanuellen Holzernte<br />

Bei Hiebsmaßnahmen sind Wege, die sich im Fallbereich der zu fällenden Bäume befinden,<br />

grundsätzlich zu sperren. (Fallbereich = Kreisfläche mit einem Halbmesser von mind. der doppelten<br />

Baumlänge um den zu fällenden Baum).<br />

Untergeordnete Erschließungslinien, die innerhalb des abgesperrten Gefahrenbereichs abzweigen<br />

und verlaufen, müssen nicht gesondert abgesperrt werden.<br />

Abzusperrende Waldwege im Gefahrenbereich sind:<br />

• PKW-befahrbare, befestigte Fahrwege<br />

• markierte Wege<br />

Andere Wege (Maschinenwege, Rückegassen) sind zu sperren, sofern bekannt ist, dass diese<br />

regelmäßig von Waldbesuchern genutzt werden.<br />

Kurzfristige Sperrungen für Einzelbaumfällungen können auch durch Warnposten erfolgen (s.<br />

BO)<br />

Absperren von Waldwegen bei der mechanisierten Holzernte<br />

Hier gelten die gleichen Grundsätze wie bei motormanueller Fällung; Warnposten zur Ergänzung<br />

der Wegsperrung (s.u.) sind i.d.R. nicht erforderlich.<br />

Form der Sperrung<br />

Mindeststandard:<br />

• Warnband (straff in ca. 1 m Höhe über den Weg gespannt) und<br />

• Sperrschild mit der Aufschrift: „Durchgang verboten - <strong>Forst</strong>arbeiten - Lebensgefahr, § 37<br />

Abs. 4 LWaldG“ (sicherer Stand in Wegmitte); Schild entsprechend der Waldsperrungs-VO


- 8 -<br />

Stellung von Posten zur Absicherung bei Holzerntearbeiten<br />

Warnposten sind zusätzlich zu der ordnungsgemäß aufgestellten Absperrung jedenfalls dann einzusetzen,<br />

wenn der Waldarbeiter bei motormanueller Fällung den Waldweg nicht einsehen kann,<br />

der im Bereich der einfachen Baumlänge verläuft, und der Baum in Richtung des Waldwegs gefällt<br />

werden soll. Dies gilt auch für andere Wege, wenn bekannt ist, dass diese regelmäßig von<br />

Erholungssuchenden frequentiert werden. Warnposten an Waldwegen benötigen keine Warnflagge.<br />

Der Aufenthalt von Warnposten im Fallbereich innerhalb der einfachen Baumlänge ist nicht zulässig.<br />

Im Fallbereich innerhalb der doppelten Baumlänge ist der Aufenthalt von Warnposten<br />

unter Beachtung von § 5 Abs. 2 a UVV-<strong>Forst</strong>en - GUV 1.13 - (dort als Fällbereich bezeichnet)<br />

zulässig. In solchen Fällen wird eine Regelung im Arbeitsauftrag für notwendig gehalten.<br />

Im übrigen ist die Notwendigkeit, Warnposten einzusetzen nach Lage der jeweiligen Verhältnisse<br />

zu prüfen und nötigenfalls im Arbeitsauftrag zu regeln.<br />

Die Entscheidung, ob und wie viele Warnposten gestellt werden müssen, ist im Einzelfall in<br />

Abwägung der jeweiligen Umstände und Rahmenbedingungen zu treffen; es gilt dabei der<br />

Grundsatz: Sicherheit hat Vorrang vor fiskalischen oder betriebswirtschaftlichen Überlegungen.<br />

Der Arbeitsorganisation kommt hierbei eine wichtige Rolle zu (z.B. Serienfällungen<br />

entlang der gefährdeten Wegrandzone, Beiziehen von Hilfskräften etc.).<br />

Fällungsarbeiten entlang von öffentlichen Straßen sind - sobald ein Baum auf die Straße fallen<br />

kann oder mit abrollenden Stämmen, Stammteilen oder Steinen etc. gerechnet werden muß - nur<br />

unter Einsatz von Ampelanlagen durchzuführen. Die Genehmigungsbehörde für die Straßensperrung<br />

erläßt hierzu einen Beschilderungsplan, dem zu entsprechen ist.<br />

Allgemeine Grundlagen:<br />

• Beachtung der Unfallverhütungs-Vorschriften<br />

• Betriebsordnung (im Staatswald)<br />

• Schriftlicher Arbeitsauftrag für die Waldarbeiter


- 9 -<br />

Nach dem Abschluß von Hiebsarbeiten sind Randbereiche entlang von öffentlichen Verkehrswegen<br />

zu kontrollieren z.B. auf angeschobene oder beschädigte Bäume, hängengebliebene Äste<br />

oder Kronenteile etc.<br />

Absperrung bei der Holzbringung<br />

Bei der Holzbringung sind die Wege im Gefahrenbereich analog abzusperren wie bei der Holzernte;<br />

auch hinsichtlich der Form der Absperrung gibt es keine Unterschiede.<br />

Holzpolter<br />

Mit Holzpoltern soll ein Mindestabstand von 1 m zum Fahrbahnrand eingehalten werden; wird<br />

dieser Abstand unterschritten ist eine Warnung nur dort erforderlich, wo Stämme in den Weg-<br />

/Fahrbahnbereich hinein ragen.<br />

Bei Holzpolterung entlang von öffentlichen Straßen muß nach den Vorgaben der Straßenverkehrsbehörde<br />

vorgegangen werden.<br />

Alle Stämme eines Holzpolters müssen so gelagert sein, daß ein Abrollen von Stämmen unmöglich<br />

ist. Nach Teilabfuhren ist der Fuhrmann, der das Holz geladen hat, dafür verantwortlich, daß<br />

von den Stämmen des Restpolters keine Gefahren ausgehen (AVZ Nr. 346)<br />

Waldränder entlang einer Bebauung:<br />

Hier gibt es keine Rechtsprechung, die für den Waldbesitzer/Revierleiter eine regelmäßige Kontrolle<br />

verlangt! Erfolgt jedoch ein Hinweis auf einen „gefährlichen“ Baum durch einen Anwohner,<br />

muß der Förster dem nachgehen, d.h. er muß den betreffenden Baum auf Auffälligkeiten<br />

untersuchen und das Maß der Gefährdung einschätzen. Bei Gefahr i.d.R. Fällung, falls besonders<br />

wertvoller Baum o.ä. weitere Untersuchungen ggf. unter Beiziehung eines Spezialisten.


- 10 -<br />

Wald an öffentlichen Verkehrswegen<br />

Leitgedanke: Vorsorge steht im Vordergrund, da kein Selbstschutz möglich<br />

Zunächst ist der Waldeigentümer verpflichtet, den Waldbestand (auch entlang von öffentlichen<br />

Verkehrswegen) im Rahmen einer ordnungsgemäßen Bewirtschaftung durch richtige Wahl des<br />

Standorts und der Baumart möglichst ungefährlich anzulegen. Grundlegende waldbauliche Fehler<br />

können schadensersatzpflichtig machen.<br />

In der Praxis wichtiger ist jedoch die notwendige regelmäßige Überwachung der Bestandesränder<br />

auf ihre Verkehrssicherheit: Die Rechtsprechung verlangt hierzu eine sorgfältige äußere Besichtigung<br />

auf verdächtige Umstände vom Boden aus. Die Bäume brauchen nicht mit dem Hubwagen<br />

untersucht, bestiegen, rundum abgeklopft oder angebohrt zu werden. Ergibt diese sorgfältige<br />

"Okulardiagnose" keine Anzeichen für eine Krankheit oder herabgesetzte Standfestigkeit des<br />

Baumes, ist die Prüfung beendet.<br />

Hierzu führt der Bundesgerichtshof schon im Jahre 1965 aus:<br />

"Zwar stellt jeder Baum an einer Straße eine mögliche Gefahrenquelle dar, weil durch Naturereignisse<br />

sogar gesunde Bäume geknickt oder Teile von ihen abgebrochen werden können. Andererseits<br />

ist die Erkrankung oder Vermorschung eines Baumes von außen nicht immer erkennbar.<br />

Trotz starken Holzzerfalls können die Baumkronen noch völlig grün sein und äußere Krankheitszeichen<br />

fehlen. Ein verhältnismäßig schmaler Streifen unbeschädigten Kambiums genügt, um<br />

eine Baumkrone rundherum grün zu halten. Das rechtfertigt aber nicht die Entfernung aller Bäume<br />

aus der Nähe von Straßen, denn der Verkehr muss gewisse Gefahren, die nicht durch menschliches<br />

Handeln entstehen, sondern auf Gegebenheiten oder Gewalten der Natur beruhen, als unvermeidbar<br />

hinnehmen. Eine schuldhafte Verletzung der <strong>Verkehrssicherungspflicht</strong> liegt in solchen<br />

Fällen nur vor, wenn Anzeichen verkannt oder übersehen worden sind, die nach der Erfahrung<br />

auf eine weitere Gefahr durch den Baum hinweisen."<br />

Bei der Feststellung verdächtiger Umstände ist über die Okulardiagnose hinaus eine eingehende<br />

Untersuchung erforderlich. Diese sollte nach den Kriterien erfolgen, die unter Kap. 3 „Methodik"


- 11 -<br />

beschrieben sind. Bestätigt sich bei dieser eingehenden fachmännischen Untersuchung die aktuelle<br />

Gefahr durch den Baum (Kriterium: Einsicht eines besonnenen, verständigen und gewissenhaften<br />

Menschen) oder ist diese nicht auszuräumen, ist der Baum in der Regel nicht zu konservieren,<br />

sondern zu fällen.<br />

Die Überwachung des Bestandesrands erstreckt sich auf eine Tiefe von einer Baumlänge, in der<br />

Regel also 30 Meter und hat bei Auffälligkeiten einzelstammweise zu erfolgen. Der Zeitpunkt<br />

der Kontrolle und die veranlassten Maßnahmen sind in einem Kontrollbuch festzuhalten.<br />

Waldwege<br />

Leitgedanke: Selbstschutz; Waldbesucher muß auf (niedrigen) Standard und typische Gefahren<br />

des Waldes eingestellt sein.<br />

Der Umfang der VSP wird vom Charakter des Weges sowie Art und Ausmaß seiner Benutzung<br />

bestimmt. An die Sicherung eines Weges von untergeordneter Bedeutung, dessen Charakter auch<br />

für den Benutzer erkennbar ist, sind nur geringe Anforderungen zu stellen.<br />

Die Rechtsprechung hat eine VSP in Bezug auf Ausbau und Unterhaltung von Waldwegen in<br />

weitem Umfang für nicht erforderlich gehalten. Der Waldbesitzer muß auf Waldwegen keine<br />

besonderen Vorkehrungen gegen die typischen Gefahren des Waldes (herabhängende Äste, Fahrspuren,<br />

Reisig im Bestand, Trockenäste in Baumkronen o.ä.) treffen.<br />

Bei normalen Waldwegen besteht also keine Verpflichtung zur regelmäßigen Kontrolle der<br />

Randbäume (Betretensrecht ist nur Duldungspflicht des Waldbesitzers). Auch sonst brauchen<br />

keine besonderen Vorkehrungen zum Schutz der Waldbesucher getroffen werden.<br />

Aber: es besteht die allgemeine VSP hinsichtlich erheblicher unvermuteter und/oder nicht erkennbarer<br />

und/oder atypischer Gefahren (Vorsorge).<br />

Ob und in welchem Umfang Sicherungsmaßnahmen aufgrund dieser allgemeinen VSP erforderlich<br />

sind, muß im Einzelfall bewertet und eingeschätzt werden (Kriterien: typisch/atypisch, erkennbar<br />

oder nicht, unvermutet oder kann man sich rechtzeitig darauf einstellen).


- 12 -<br />

Atypische Gefahren im Wald können z.B. sein:<br />

• Einrichtungen oder Anlagen, die vom Waldbesitzer oder von Dritten geschaffen wurden<br />

• <strong>Forst</strong>liche Betriebsarbeiten<br />

• Bauten wie Brücken, Stege, Geländer<br />

• Erholungseinrichtungen (s. eigener Abschnitt)<br />

• Wegschranken: Waldbesucher sind verpflichtet auf Sicht zu laufen (auch bei Nacht); gem. der<br />

Wegbenutzungsanweisung im Staatswald muss auf Schranken durch Schilder (auf deren Lesbarkeit<br />

geachtet werden muss) hingewiesen werden.<br />

• Wegabgrabungen<br />

• Wegabschwemmungen (zwar natürlich, aber atypisch)<br />

• Bodeneinschläge<br />

Erholungseinrichtungen<br />

Leitgedanke: Vorsorge für die ordnungsgemäße Anlage und bestimmungsgemäße Nutzung<br />

Grundsatz der Rechtsprechung: Wenn Waldbesitzer oder <strong>Forst</strong>verwaltung Einrichtungen für eine<br />

bestimmungsgemäße Nutzung durch die Allgemeinheit anlegt, ist auch eine Wartung und Kontrolle<br />

nötig!<br />

Erholungseinrichtungen sind z.B. offizielle Wanderparkplätze im Wald, Kinderspielplätze, Vesper-<br />

und Grillplätze, Liegewiesen, Schutzhütten, Loipen, Stationen von Trimmpfaden, Waldlehroder<br />

Walderlebnispfaden etc.<br />

Hier besteht wegen des verstärkten Publikumsverkehrs, den der Waldbesitzer selbst verursacht,<br />

eindeutig eine gesteigerte VSP und eine Kontrollpflicht seitens des Waldbesitzers oder der von<br />

ihm beauftragten Personen (Revierleiter).<br />

Für die Errichtung derartiger Anlagen gilt, dass sie nicht von vornherein unnötig gefährlich sein<br />

dürfen. Bei Spielplätzen sind die DIN-Normen zu beachten, Loipen und Lehrpfade sind auf geeigneten<br />

Trassen anzulegen und Reit- und Fahrradwege sollten nicht über die schlechtesten Wege<br />

(starkes Gefälle, lange Steigungen, Grobschotter etc.) führen.


- 13 -<br />

Hauptproblem ist die notwendige Kontrolle der (festen) Einrichtungen (z.B. Spielgeräte) und der<br />

Bäume im Umfeld der Erholungseinrichtungen. Die Häufigkeit und Intensität von Kontrollen<br />

hängt von der Eigenart der Anlage, dem Benutzerkreis, der Frequentierung, besonderen Ereignissen<br />

(z.B. Sturm) sowie von der Erkennbarkeit einer Gefahr und dem Gefährdungspotential ab. In<br />

Ferienzeiten kann bei stark angenommenen Spielplätzen durchaus eine wöchentliche Kontrolle<br />

angebracht sein. Bezüglich der Bäume reicht eine jährlich mindestens zweimalige Kontrolle aus.<br />

Die Überprüfung und ihr Ergebnis sowie die veranlassten Arbeiten sind schriftlich festzuhalten.<br />

Sind Geräte sehr reparaturanfällig oder oft mutwillig beschädigt, ist auch an eine Verlegung oder<br />

ersatzlose Beseitigung (nicht nur Demontage) zu denken. Jedenfalls sind festgestellte Schäden -<br />

falls die Anlage nicht stillgelegt wird - sofort zu reparieren. Das gleiche gilt für Geländer an<br />

Felsnasen, Aussichtsplattformen oder ahnlichem. Bei Schadhaftigkeit ist der Zugang sicher zu<br />

sperren und/oder eine sofortige Reparatur vorzunehmen.<br />

Auf die Arbeitsmappe "Wald und Erholung" in der Fassung vom 01.07.1996, Kapitel C und D (s.<br />

Materialsammlung) wird besonders verwiesen.<br />

Keine Erholungseinrichtungen mit entsprechenden Überwachungspflichten liegen vor, wenn<br />

Wege als Wander-, Reit- oder Radwege zum Zwecke der Wegweisung oder Orientierungshilfe<br />

lediglich gekennzeichnet oder beschildert werden. Bei derartigen Wegen gilt der Grundsatz, dass<br />

sie so hinzunehmen sind, wie sie sich dem Benutzer erkennbar darbieten. Allerdings kann ein<br />

Anlageverschulden vorliegen, wenn diese Wege für die gekennzeichnete Nutzungsart ungeeignet<br />

sind.<br />

Ausnahme: Wegezwang! z.B. ausgewiesene Reitwege; diese müssen geeignet sein und im Bedarfsfall<br />

gewartet werden. Der Umfang der Wartung ist abhängig von der örtlichen Situation<br />

(z.B. Frequentierung) im Rahmen der Erforderlichkeit und Zumutbarkeit.


- 14 -<br />

2. Darstellung der derzeit angewandten gängigen Beurteilungsverfahren und ihre Eignung<br />

für die forstliche Praxis<br />

Hier wird verwiesen auf das Arbeitspapier der FVA: „Methoden zur Überprüfung der Verkehrssicherheit<br />

von Bäumen und ihre Eignung für die forstliche Praxis“ (s. Materialsammlung).<br />

3. Methodik<br />

Die Baumkontrolle findet folgendermaßen statt:<br />

• Visuelle Baumkontrolle vom Boden aus (Okulardiagnose) ohne weitere Maßnahmen und ohne<br />

Verwendung von Geräten; hierbei gilt es Defektsymptome, die „ins Auge springen“, zu erkennen<br />

und das Gefährdungspotential einzuschätzen. Defektsymptome können vielfältig sein<br />

(Beispiele unten) und sind nicht abschließend auflistbar. Maßstab bei der Kontrolle ist der besonnene,<br />

verständige und gewissenhafte Mensch.<br />

• Ablauf der Sichtkontrolle:<br />

- Sind Symptome/Auffälligkeiten zu erkennen?<br />

- Wie groß ist das Ausmaß der Gefahr?<br />

- Konsequenzen?<br />

• Kontrolle von Stammfuß, Stamm und Krone<br />

• Zahl der Kontrollen: einmal im Jahr bei Bestandesrändern an öffentlichen Straßen und zusätzlich<br />

nach besonderen Ereignissen wie Sturm, Hiebsmaßnahmen oder Baumaßnahmen; zweimal<br />

im Jahr bei Bäumen im Bereich von Erholungseinrichtungen (einmal im belaubten und<br />

einmal im unbelaubten Zustand)<br />

• Ausmaß der Kontrolle wird beeinflußt durch Alter und Vitalität des Bestandes/Baumes,<br />

Baumart, Hanglage, Beschaffenheit des Untergrundes, Streßfaktoren (z.B. Straßennähe, frühere<br />

Abgrabungen...), frische Durchforstung oder andere Faktoren<br />

• Schriftliche Dokumentation (Ort, Zeitpunkt); die Aufzeichnungen müssen so erfolgen, daß sie<br />

bei Auseinandersetzungen als Beweismittel für die Erfüllung der dem Eigentümer/der Behörde<br />

obliegenden Sorgfaltspflicht herangezogen werden können.


- 15 -<br />

• eine regelmäßige Bestandespflege muß auch eine Kontrolle der Innen- und Aussenränder beinhalten<br />

Praktische Beispiele für Auffälligkeiten/Defektsymptome sind:<br />

• Verfärbungen von Blättern/Nadeln, Blattform und -größe (oft Verfärbungen nach Grabungen<br />

oder Kabelverlegungen im Wurzelbereich)<br />

• Krone: Ausformung, Zopfdürre, Totastanteil<br />

• Zwiesel und Starkverzweigungen<br />

• Ausladene einzelne Starkäste<br />

• Stand des Baumes (Hänger o.ä.)<br />

• Rindenverfärbungen, Rindenschäden<br />

• alte Stammwunden, Höhlungen, Abbrüche, Faulstellen, (senkrechte) Risse (oft verbunden mit<br />

Wasser im Βaum; Risse sind im Winter besser sichtbar als im Sommer!), Aufbauchungen/Beulen<br />

• Pilze (wo Pilze = Fäule, Holzzersetzung!); wenn Pilze im Kronenbereich, dann Bruchgefahr!<br />

Weiß- und Braunfäulen<br />

• Blitzschläge (oft an gleichen Plätzen)<br />

• Boden-/Wurzelbereich (dicke Zugwurzeln ?)<br />

Werden bei einer Kontrolle Auffälligkeiten/Defektsymptome festgestellt, die Zweifel über die<br />

Verkehrssicherheit erbringen, sind weitergehende Maßnahmen angezeigt:<br />

• im Wald wird im Regelfall die Fällung eines (Gefahren-)Baumes die Gefährdungssituation<br />

beheben.<br />

• bei besonders erhaltungswürdigen Einzelbäumen (Naturdenkmale, besonders landschaftsprägende<br />

Bäume) kann eine eingehendere fachmännische Untersuchungen zur Feststellung des<br />

Schadensumfangs und der Verkehrsgefährdung ggf. unter Hinzuziehung von Experten durchgeführt<br />

werden; danach erfolgt die Festlegung evtl. durchzuführender Maßnahmen (Einzelfälle).


- 16 -<br />

Fazit: die Rechtsprechung differenziert bei der Beurteilung der Frage, ob es sich um einen Gefahrenbaum<br />

handelt, nicht zwischen Waldbäumen und Straßenbäumen. Maßgeblich ist ausschließlich,<br />

ob sich für ein sachkundiges Urteil die naheliegende Möglichkeit ergibt, daß Rechtsgüter<br />

anderer verletzt werden. Der Baum muß also auf ins Auge springende Auffälligkeiten untersucht<br />

werden. Dies beurteilt sich nach dem Stand der Technik und Erfahrungen. Besonders wichtig ist<br />

somit, welche Sorgfalts- und Sicherheitsstandards von einem verständigen und nicht übermäßig<br />

ängstlichem Menschen erwartet werden können und zumutbar sind.<br />

Für den Wald ist demnach zunächst eine reine Okulardiagnose vom Boden aus und ohne Hilfsmittel<br />

ausreichend. Erst bei Vorliegen von Verdachtsmomenten sind weitere Untersuchungen<br />

notwendig. Konsequenz bei festgestellter Gefahr oder nicht auszuräumender Gefahr ist in aller<br />

Regel die Fällung des Baumes; eine Konservierung kommt nur in Ausnahmefällen in Betracht.<br />

4. Geltungsbereich<br />

Die Grundlagen der <strong>Verkehrssicherungspflicht</strong> gelten für den Einsatz staatlicher Waldarbeiter in<br />

allen Waldbesitzarten.<br />

Im Nichtstaatswald bleibt die Verantwortlichkeit des Waldbesitzers bestehen. Bei der forsttechnischen<br />

Betriebsleitung und der vertraglichen Betreuung orientiert sich die Aufgabenerfüllung<br />

aber an den o.g. Grundlagen der <strong>Verkehrssicherungspflicht</strong>.


- 17 -<br />

Ablaufschema für die Baumkontrolle im Wald<br />

Sichtkontrolle<br />

aus biologischer Sicht<br />

aus mechanischer Sicht<br />

Belaubung (Farbe, Blattform, ...)<br />

Rinde (Verfärbung, Abblättern, ...)<br />

Kronenzustand (Form, Totäste, Zopfdürre)<br />

Pilzbefall (Fruchtkörper)<br />

Zwiesel und Starkverzweigungen<br />

Ausladende Starkäste<br />

Stand des Baumes (Hänger, ...)<br />

Stammwunden<br />

Höhlungen, Abbrüche, Faulstellen<br />

Rindenrisse (Blitz, ...)<br />

Aufbauchungen, Beulen, Wülste<br />

Stammleisten<br />

Wurzelanläufe<br />

Bodenveränderungen<br />

Keine Auffälligkeiten<br />

Auffälligkeiten / Defektsymptome<br />

Einschätzung Gefährdungspotential<br />

Baum bleibt<br />

Keine Besorgnis<br />

Besorgnis<br />

Bei besonderen Einzelbäumen weitere<br />

Untersuchung (Klopfen, Zuwachsbohrer)<br />

i.d.R. Fällung

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