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Bildungsstandards und Evaluation in der politischen Bildung - Die ...

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Benno Hafeneger/Klaus-Peter Hufer<br />

Für e<strong>in</strong>e demokratische <strong>und</strong> partizipatorische Qualitätsdebatte -<br />

<strong><strong>Bildung</strong>sstandards</strong> <strong>und</strong> <strong>Evaluation</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> außerschulischen <strong>politischen</strong> <strong>Bildung</strong><br />

In <strong>der</strong> Republik s<strong>in</strong>d <strong>Evaluation</strong>en, Tests <strong>und</strong> <strong><strong>Bildung</strong>sstandards</strong>, Qualitäts- <strong>und</strong><br />

Organisationsentwicklung mit e<strong>in</strong>er Fülle von Qualitätsmodellen <strong>in</strong> <strong>der</strong> im Ab- <strong>und</strong> Umbau<br />

bef<strong>in</strong>dlichen Sozial- <strong>und</strong> <strong>Bildung</strong>spolitik zum <strong>politischen</strong> Programm <strong>und</strong> zur vielfältigen<br />

Praxis geworden. Das vollzieht sich zwar <strong>in</strong> staatlich bedeutsamen Bereichen,<br />

gesellschaftlich-ökonomisch s<strong>in</strong>d sie aber eher randständig, weil es nicht um die<br />

wissenschaftliche <strong>Evaluation</strong> von „harten“ Politikbereichen wie Wirtschaft <strong>und</strong> F<strong>in</strong>anzen, um<br />

Märkte <strong>und</strong> Subventionen o<strong>der</strong> um Wirkungen <strong>und</strong> Folgen staatlichen Handelns geht. <strong>Die</strong>se<br />

Entwicklung verdient e<strong>in</strong>e sorgfältige politische Beobachtung <strong>und</strong> gr<strong>und</strong>legende Bewertung.<br />

Denn mit ihr wird die Abkehr von e<strong>in</strong>em Politikmodell deutlich, welches jahrzehntelang auch<br />

den Erfolg <strong>der</strong> <strong>politischen</strong> Kultur dieser Republik garantierte: Der Wohlfahrts- <strong>und</strong><br />

Sozialstaates wird abgebaut, auch wenn manche me<strong>in</strong>en, er würde nur umgebaut. Nichts<br />

sche<strong>in</strong>t mehr selbstverständlich <strong>und</strong> unbefragt zum Repertoire <strong>der</strong> sozialen Absicherung zu<br />

gehören, alles gerät auf den „Prüfstand“ – so auch <strong>Bildung</strong> <strong>und</strong> zunehmend die politische<br />

<strong>Bildung</strong>. In diese Zeit fallen auch groß angelegte <strong>Evaluation</strong>sprojekte, <strong>der</strong> <strong>politischen</strong><br />

Jugendbildung <strong>und</strong> <strong>der</strong> <strong>politischen</strong> Erwachsenenbildung.<br />

Mit den „Heimsuchungen“ des Sozialstaates verliert such die politische <strong>Bildung</strong> „gleichsam<br />

die Schutzmacht“ (Lothar Bönisch, Vorwort, <strong>in</strong>: Schrö<strong>der</strong>/Baltzer/Schroedter 2004, S. 5). Wer<br />

hätte noch vor Jahren daran gedacht, dass beispielsweise zum Ende des Jahres e<strong>in</strong>e<br />

Landeszentrale für politische <strong>Bildung</strong>, die Nie<strong>der</strong>sächsische, geschlossen wird?<br />

Parallel zum Boom <strong>der</strong> Modelle <strong>und</strong> „Instrumente“, <strong>der</strong> Implementierung von<br />

unterschiedlichen Typen <strong>und</strong> <strong>der</strong> Formulierung von Qualitätsstandards, e<strong>in</strong>er vielfältigen<br />

Literatur <strong>und</strong> kaum noch überschaubaren Berichten, differenzierten Debatten über Indikatoren<br />

<strong>und</strong> Verfahren (u. a. nachzulesen <strong>in</strong> <strong>der</strong> „Zeitschrift für <strong>Evaluation</strong>“) halten die<br />

Aufgeregtheiten <strong>und</strong> Unsicherheiten über <strong>der</strong>en „S<strong>in</strong>n“ <strong>und</strong> „Nutzen“ bzw. Verkürzungen,<br />

Chancen <strong>und</strong> Grenzen an. Auch wenn die ideologischen Debatten <strong>der</strong> 90er Jahre mit all ihren<br />

Reizworten <strong>und</strong> Schreckgespenstern verflogen s<strong>in</strong>d, so kann die Diskussion dennoch<br />

dichotomisierend so akzentuiert <strong>und</strong> – bei allen reform<strong>politischen</strong> Mischformen - mit zwei<br />

Polen begrenzt werden: <strong>Die</strong> Modelle <strong>und</strong> Verfahren werden e<strong>in</strong>erseits als technokratische <strong>und</strong><br />

neoliberale Macht-, Herrschafts- <strong>und</strong> Kontroll<strong>in</strong>strumente verstanden, mit dem die Verteilung<br />

<strong>der</strong> knappen Mittel marktförmig, verbetriebswirtschaftlicht <strong>und</strong> effizient neu reguliert wird<br />

o<strong>der</strong> aber die Mittel ganz gestrichen werden; an<strong>der</strong>erseits werden sie als demokratische<br />

Entwicklungs<strong>in</strong>strumente gesehen, die <strong>in</strong> die Lage versetzen, <strong>in</strong> <strong>in</strong>haltlicher <strong>und</strong><br />

systematischer Perspektive mehr Beteiligung, Transparenz <strong>und</strong> Professionalität <strong>in</strong> <strong>der</strong> Praxis<br />

herzustellen <strong>und</strong> damit die Qualitätsentwicklung (als Wege um Ziele, Absichten, Wirkungen<br />

zu erreichen) akzentuieren (vgl. Roth 2004). E<strong>in</strong>igkeit besteht dar<strong>in</strong>, dass die zur Verfügung<br />

stehenden F<strong>in</strong>anzen knapp geworden s<strong>in</strong>d, wobei bei e<strong>in</strong>er neune Gerechtigkeitsdebatte die<br />

Jahrzehnte alte Gailbraith´sche Diagnose vom privaten Reichtum bei öffentlicher Armut<br />

gegenwärtig e<strong>in</strong>e neue Relevanz, auch verschärfte Zuspitzung erfährt. Wie immer man sich –<br />

planungsoptimistisch vs. ideologiekritisch/desillusioniert, vielfach hochgesteckten o<strong>der</strong> auch<br />

gänzlich fehlenden Zielen, fehlenden Kenntnissen über die „Schicksale“ <strong>und</strong> Effekte von<br />

<strong>Evaluation</strong>sprozessen <strong>und</strong> -berichten <strong>in</strong> Politik, Verwaltung <strong>und</strong> korporatistischen<br />

Träger<strong>in</strong>teressen – bei weitgehend noch fehlen<strong>der</strong> „<strong>Evaluation</strong> <strong>der</strong> <strong>Evaluation</strong>“, positioniert:<br />

Es sche<strong>in</strong>t Konsens zu se<strong>in</strong>, dass mit <strong>der</strong> schubweisen Realisierung <strong>und</strong> Ausbreitung diese<br />

neue „Instrumentenentwicklung“ nicht mehr aufzuhalten ist. Unter realpolitisch-strategischer<br />

Perspektive wird überlegt, dass es mit fachlicher <strong>und</strong> politischer E<strong>in</strong>mischung gilt, die<br />

- 1 -


Gestaltungsspielräume Kriterien <strong>und</strong> Prozesse zu bee<strong>in</strong>flussen <strong>und</strong> mit zu nutzen (<strong>und</strong> das<br />

beste daraus zu machen); weil auf <strong>Evaluation</strong>en <strong>und</strong> Wirkungsanalysen nicht gänzlich<br />

verzichtet werden kann.<br />

Als „bescheidener“ Bestandteil <strong>der</strong> Sozial- <strong>und</strong> <strong>Bildung</strong>spolitik, <strong>der</strong> Jugendhilfe/ -arbeit <strong>und</strong><br />

des Lebensbegleitenden Lernens ist – wie erwähnt - auch die außerschulische politische<br />

Jugend- <strong>und</strong> Erwachsenenbildung mitten im Sog <strong>der</strong> Debatten – <strong>und</strong> hier vor allem vor allem<br />

mit <strong>Evaluation</strong> <strong>und</strong> Standardentwicklung, mit Implementierungs- <strong>und</strong> Umsetzungsstrategien<br />

konfrontiert. So liegen für die politische Jugendbildung, die nach dem K<strong>in</strong><strong>der</strong>- <strong>und</strong><br />

Jugendplan (KJP) des B<strong>und</strong>es geför<strong>der</strong>t wird, e<strong>in</strong> erster Bericht vor<br />

(Schrö<strong>der</strong>/Baltzer/Schroedter 2004). <strong>Die</strong> Ergebnisse <strong>der</strong> <strong>Evaluation</strong> des<br />

För<strong>der</strong>ungsprogramms „Politische <strong>Bildung</strong>“ zeigen aus <strong>der</strong> Sicht von hauptamtlichen<br />

Mitarbeitern die Situation <strong>und</strong> Entwicklungen des Feldes. <strong>Die</strong>ser erste evaluative Blick macht<br />

u. a. deutlich, welche thematische <strong>und</strong> methodische Vielfalt <strong>und</strong> Kreativität vorhanden ist <strong>und</strong><br />

welche Bedeutung den hauptamtlichen <strong>Bildung</strong>sreferenten mit ihrer Drehpunkt-,<br />

Vernetzungs- <strong>und</strong> Qualifizierungsfunktion zukommt. Erste H<strong>in</strong>weise zur (im Jahr 2004<br />

abgeschlossenen) <strong>Evaluation</strong> <strong>der</strong> durch den B<strong>und</strong> geför<strong>der</strong>ten <strong>politischen</strong><br />

Erwachsenenbildung zeigen die Bedeutung des „<strong>in</strong>teressenorientierten Kompetenzbegriffs“,<br />

die große <strong>und</strong> immer wie<strong>der</strong> aktuelle Themenvielfalt sowie die Zielsetzungen im Bereich von<br />

Mündigkeit, Teilhabe, Persönlichkeitsentwicklung <strong>und</strong> Orientierungshilfe (vgl. Fritz/Maier<br />

2004).<br />

Im Folgenden soll e<strong>in</strong> mehr allgeme<strong>in</strong>er Problemaufriss des gesellschaftlichen<br />

Bezugsrahmens skizziert <strong>und</strong> dann angedeutet werden, woh<strong>in</strong> die Reise gehen sollte, die sich<br />

e<strong>in</strong>er demokratischen <strong>und</strong> partizipatorischen <strong>Evaluation</strong>skultur im Dialog mit den<br />

Betroffenen verpflichtet weiß.<br />

E<strong>in</strong>stiegsüberlegungen<br />

Drei gänzlich unterschiedliche Überlegungen sollen zunächst andeuten, <strong>in</strong> welchen<br />

Rahmungen sich die Diskussion bewegt <strong>und</strong> welcher Spannungsbogen zwischen<br />

fachlicher B<strong>in</strong>nenperspektive <strong>und</strong> äußeren Bed<strong>in</strong>gungen zu bedenken ist.<br />

I.<br />

In <strong>der</strong> Geschichte <strong>der</strong> Pädagogik, <strong>der</strong> sozialen Arbeit <strong>und</strong> auch <strong>der</strong> <strong>politischen</strong> <strong>Bildung</strong> hat<br />

es im Zeitbezug schon immer Wege <strong>und</strong> Formen <strong>der</strong> (Selbst)<strong>Evaluation</strong> wie auch von<br />

Standardformulierungen gegeben. Begriffe wie Praxisreflexion, Hospitation, Auswertung<br />

von Erfahrungen, Teamgespräche <strong>und</strong> Programmplanung deuten an, dass es <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />

<strong>politischen</strong> <strong>Bildung</strong> immer schon reflexiv <strong>und</strong> nie „nur“ im engen S<strong>in</strong>ne praktisch zug<strong>in</strong>g.<br />

Politische <strong>Bildung</strong> musste sich immer Gedanken über ihre Standortbestimmung <strong>und</strong><br />

pädagogische Praxis machen, hier gehört es zu den unterschwelligen Zumutungen <strong>und</strong><br />

Unterstellungen, dass dies bisher nicht o<strong>der</strong> kaum <strong>der</strong> Fall gewesen wäre. Sie musste<br />

immer „gut“ se<strong>in</strong> <strong>und</strong> sich über „Standards verständigen, sie musste sich immer wie<strong>der</strong><br />

neu formulieren, weil sonst das „Publikum“ weg <strong>und</strong> sie praktisch unwirksam blieb. Neu<br />

ist an <strong>der</strong> Debatte nicht <strong>der</strong> notwendige <strong>und</strong> konstitutiv zu dem Arbeitsfeld gehörende<br />

Mo<strong>der</strong>nisierungsprozess, aber neu an <strong>der</strong> Debatte ist, dass weniger über „gute Arbeit“,<br />

„gelungene Praxis“ <strong>und</strong> „anspruchsvolle Ziele“ als über Ergebnisse <strong>und</strong> <strong>der</strong>en Wirkungen<br />

(messbare Effekte) geredet wird, diese e<strong>in</strong>gefor<strong>der</strong>t <strong>und</strong> empirisch kontrolliert werden<br />

sollen – neu ist also e<strong>in</strong> spezifischer evaluativer Charakter <strong>der</strong> Qualitätsdebatte. In <strong>der</strong><br />

<strong>der</strong>zeitigen Ause<strong>in</strong>an<strong>der</strong>setzung geht es somit um das Verhältnis von Qualität <strong>und</strong><br />

<strong>Evaluation</strong>, <strong>und</strong> hier weniger um (die zu klärenden „guten“, „gelungenen“)<br />

pädagogische(n) Qualität(en) selbst, als um Verfahren <strong>der</strong> <strong>Evaluation</strong> <strong>und</strong> die<br />

- 2 -


Operationalisierung von Qualitätskriterien. <strong>Die</strong>ses Verständnis <strong>und</strong> dieser technische<br />

Zugriff betonen lediglich e<strong>in</strong>e (nämlich die evaluative) Seite des Qualitätsbegriffs mit<br />

ihren letztlich standardisierten, normierten, vergleichbaren <strong>und</strong> komplexitätsreduzierenden<br />

Verfahren <strong>und</strong> Instrumenten.<br />

II.<br />

Wenn es Ziel ist, dass <strong>Bildung</strong>sforschung <strong>und</strong> <strong>Evaluation</strong>sprozesse <strong>und</strong> <strong>der</strong>en -ergebnisse<br />

<strong>in</strong> die Praxis e<strong>in</strong>greifen <strong>und</strong> diese – im S<strong>in</strong>ne <strong>der</strong> Entwicklung <strong>und</strong> Überprüfung<br />

erfolgreicher Implementierungs- <strong>und</strong> Umsetzungsstrategien (Qualitätspolitik) – verän<strong>der</strong>n,<br />

dass sie Machtrout<strong>in</strong>en <strong>in</strong>frage stellen <strong>und</strong> Maßstäbe präzisieren sollen, dann haben sie<br />

gute Gründe <strong>und</strong> e<strong>in</strong>en empirisch gestützten praxisentwickelnden Nutzen. Dabei gibt es<br />

ke<strong>in</strong>en methodischen „Königsweg“ <strong>und</strong> auch ke<strong>in</strong>e „neutrale“ <strong>Evaluation</strong>, weil die<br />

jeweiligen Ziele <strong>und</strong> konkreten Kontexte sowie spezifischen Bed<strong>in</strong>gungen von Trägern<br />

<strong>und</strong> E<strong>in</strong>richtungen begründen, welches Instrument <strong>und</strong> welcher <strong>Evaluation</strong>sweg aus dem<br />

„bunten Strauß“ angemessen ist. E<strong>in</strong> zentraler Bezugspunkt e<strong>in</strong>er „demokratischen<br />

<strong>Evaluation</strong>“ <strong>und</strong> <strong>der</strong>en Chancen für e<strong>in</strong>e „gute Praxis“ wäre jedoch <strong>der</strong>en transparente,<br />

dialogische bzw. diskursive Anlage, <strong>in</strong> die auch die Betroffenen e<strong>in</strong>bezogen s<strong>in</strong>d; <strong>und</strong> mit<br />

Blick <strong>in</strong> die komplexe Praxis pädagogischen Handelns wären – bei aller „hochtrabenden“<br />

Literaturflut – eher auf bescheidene Ansprüche zu setzen (vgl. Ulrich/Wenzel 2003). Auch<br />

für die politische <strong>Bildung</strong> gilt, dass wir so gut wie nichts über ihre Wirkungen wissen <strong>und</strong><br />

Forschung <strong>in</strong>sgesamt e<strong>in</strong> „Stiefk<strong>in</strong>d“ ist; wenn <strong>der</strong> Forschungskostenanteil e<strong>in</strong> Indikator<br />

für die politische <strong>und</strong> gesellschaftliche Bedeutung e<strong>in</strong>es Arbeitsfeldes ist, dann hat die<br />

wissenschaftliche Erkenntnisproduktion hier e<strong>in</strong>en zu vernachlässigenden Stellenwert. Es<br />

gibt <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>politischen</strong> <strong>Bildung</strong> eher e<strong>in</strong>en „Überhang“ an Postulaten <strong>und</strong><br />

programmatischen Beschreibungen, an normativen <strong>und</strong> auch reichlich virtuellen Debatten;<br />

aber über Wirksamkeit, Tätigkeit <strong>und</strong> Reichweite u. a. kaum ausgewiesenes evaluatives<br />

<strong>und</strong> wissenschaftliche Wissen (Ahlheim 2003). Bei <strong>der</strong> <strong>politischen</strong> <strong>Bildung</strong> wäre – wie<br />

bei an<strong>der</strong>en Fel<strong>der</strong>n <strong>der</strong> Jugendarbeit <strong>und</strong> Erwachsenenbildung auch – anzufragen, was sie<br />

denn wirklich tut, welche Reichweiten <strong>und</strong> Wirksamkeit sie hat; weil nur gesicherte –<br />

auch schmerzhafte - Informationen <strong>in</strong> den (för<strong>der</strong>ungs-)<strong>politischen</strong> Ause<strong>in</strong>an<strong>der</strong>setzungen<br />

sicher(er) <strong>und</strong> weniger angreifbar machen. Im Aushalten des durchaus schwierigen<br />

Spannungsverhältnisses zwischen Forschung <strong>und</strong> Praxis, <strong>in</strong> <strong>der</strong> Differenz zum<br />

Gegenstand begründet sich e<strong>in</strong>e gehaltvolle (Praxis-)Forschung. In den Ergebnissen (als<br />

Biographie-, Adressaten-, Organisationsforschung, <strong>Bildung</strong>squalität <strong>der</strong> Lernorte) liegen<br />

gleichzeitig die Chancen <strong>der</strong> Praxis, ihre Arbeit auf empirisch gesicherte Gr<strong>und</strong>lagen zu<br />

stellen; weil mit gewonnenen Daten <strong>und</strong> Impulsen – verstanden als Systematisierung von<br />

Erfahrungen - die Arbeit <strong>in</strong> Praxisentwicklungsprojekten optimiert <strong>und</strong> mit Blick auf die<br />

Nutzer wie auch die Geldgeber (noch) „besser zugemacht werden kann“. Es geht mit<br />

Blick auf Forschung <strong>und</strong> <strong>Evaluation</strong> (von Programmen, Maßnahmen etc.) mit ihren<br />

unterschiedlichen Reichweiten aufzuzeigen, was politische <strong>Bildung</strong> zielgerichtet <strong>und</strong><br />

wirklich leistet, <strong>und</strong> weniger was sie tun soll <strong>und</strong> welche Bedeutungen sie sich selbst<br />

zuschreibt. Trotz <strong>der</strong> Plausibilität des H<strong>in</strong>weises, dass auch die Praxis <strong>der</strong> <strong>politischen</strong><br />

<strong>Bildung</strong> ke<strong>in</strong> abgeschirmtes Terra<strong>in</strong> se<strong>in</strong> darf, dass sie sich – da sie öffentlich alimentiert<br />

wird – auch öffentlich legitimieren muss, bleibt bei Skeptikern die begründete zweifelnde<br />

Frage, ob es hier nur auf Forschung <strong>und</strong> Praxis ankommt o<strong>der</strong> ob o<strong>der</strong> ob es vielmehr um<br />

die Durchsetzung e<strong>in</strong>er neuen wirtschafts- <strong>und</strong> sozial<strong>politischen</strong> L<strong>in</strong>ie geht. H<strong>in</strong>ter allem<br />

steht ja auch – das ist bekannt – e<strong>in</strong> „erkenntnisleitendes Interesse“, das nicht immer nur<br />

<strong>der</strong> wissenschaftlichen Klarheit dient.<br />

III.<br />

So muss die angedeutete positive Perspektive durch e<strong>in</strong>e weitere ergänzt <strong>und</strong> relativiert<br />

- 3 -


werden, wenn nicht blauäugig <strong>und</strong> naiv über das Thema gesprochen, wenn<br />

gesellschaftliche Interessen, Wi<strong>der</strong>sprüche <strong>und</strong> Entwicklungen nicht ausgeblendet werden<br />

sollen. Im Sog <strong>der</strong> massiven Sparpolitik <strong>der</strong> Kommunen, <strong>der</strong> Län<strong>der</strong> <strong>und</strong> des B<strong>und</strong>es, des<br />

Um- bzw. Abbaus <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Bildung</strong>s- <strong>und</strong> Sozialpolitik, des Ma<strong>in</strong>streams neoliberaler<br />

Mo<strong>der</strong>nisierungspolitik geht es immer (<strong>und</strong> primär) um Verschlankung, Spareffekte,<br />

Effizienz <strong>und</strong> Verbilligung <strong>und</strong> mit dem sukzessiven Rückzug <strong>der</strong> öffentlichen<br />

Verantwortung (<strong>und</strong> F<strong>in</strong>anzierung) schließlich um Markt <strong>und</strong> Privatisierung o<strong>der</strong> auch<br />

Auflösung von bisherigen Strukturen <strong>und</strong> Angeboten. Damit verb<strong>und</strong>en hält vor allem die<br />

halbierte (weil nicht emanzipatorische, auf <strong>in</strong>dividuelle Selbstentfaltung zielende)<br />

Dimension des „Selbst“ – mit Begriffen wie Selbstorganisation, Selbststeuerung,<br />

Selbstverantwortung, Selbstmanagement, Selbstarrangement, Selbstzuständigkeit –<br />

E<strong>in</strong>zug <strong>in</strong> die Weiterbildung <strong>und</strong> das Lernen. Mit dieser doppelten<br />

betriebswirtschaftlichen „Philosophie“ transformiert sich e<strong>in</strong> Lernfeld mit se<strong>in</strong>en Trägern,<br />

Orten <strong>und</strong> Angeboten bis h<strong>in</strong> zu den Nutzern, die nun mit neuen Regulierungen selbst,<br />

<strong>in</strong>dividuell <strong>und</strong> privat für ihre <strong>Bildung</strong>s<strong>in</strong>vestitionen (Zeit <strong>und</strong> Geld) zuständig s<strong>in</strong>d <strong>und</strong><br />

für die Kosten aufkommen sollen. Viele Beispiele im Bereich <strong>der</strong> Jugend- <strong>und</strong><br />

Erwachsenenbildung belegen <strong>in</strong> den letzten Jahren die Tendenzen bei öffentlichen <strong>und</strong><br />

freien Trägern: Mittel <strong>und</strong> Stellen werden reduziert, Arbeitsfel<strong>der</strong> aufgegeben,<br />

Mitarbeiter/<strong>in</strong>nen entlassen, <strong>Bildung</strong>sstätten geschlossen; <strong>und</strong> viele Träger verhalten sich<br />

<strong>in</strong> <strong>der</strong> Krise – jenseits von Sozialethik/-lehre, öffentlichem Auftrag <strong>und</strong> Demokratiepolitik<br />

- wie private Unternehmen (Hafeneger 2004, siehe auch die Beiträge <strong>in</strong> Außerschulische<br />

<strong>Bildung</strong> 2004). Letztlich steht h<strong>in</strong>ter den Verän<strong>der</strong>ungen <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Bildung</strong>slandschaft – <strong>und</strong><br />

dies ist beson<strong>der</strong>s <strong>in</strong> <strong>der</strong> Erwachsenenbildung zu erkennen – e<strong>in</strong> Paradigmenwechsel mit<br />

dem schleichenden Prozess <strong>der</strong> Ökonomisierung von Arbeit, Leben, Lernen <strong>und</strong> <strong>Bildung</strong><br />

o<strong>der</strong> <strong>der</strong> Versuch, diesen Paradigmenwechsel durchzusetzen (Hufer 2004). Es ist <strong>der</strong><br />

Rückzug <strong>der</strong> öffentlichen Verantwortung, <strong>der</strong> öffentlichen <strong>Bildung</strong>s- <strong>und</strong><br />

Erfahrungsräume zu Gunsten e<strong>in</strong>er Verbetriebswirtschaftlichung <strong>der</strong> Arbeit; auf „<strong>der</strong><br />

Strecke bleiben“ die nicht-ref<strong>in</strong>anzierbaren Teile <strong>der</strong> Weiterbildung (d. h. auch die<br />

Persönlichkeitsbildung, die politische <strong>Bildung</strong>; die gesellschafts<strong>politischen</strong>, ethischen,<br />

orientierenden, religiösen Fragen) <strong>und</strong> Folgen s<strong>in</strong>d e<strong>in</strong>e weitere Verschärfung von<br />

<strong>Bildung</strong>sbenachteiligungen mit gesellschaftlichen Polarisierungen. Negt spricht hier von<br />

e<strong>in</strong>er „für die Demokratie höchst bedrohlichen Tendenz“ (Negt 2004, S. 18), weil die<br />

Ligaturen <strong>der</strong> Menschen <strong>und</strong> <strong>der</strong> Gesamtzusammenhalt <strong>der</strong> Gesellschaft durch solche<br />

Prozesse zerbrechen; <strong>und</strong> er spricht von e<strong>in</strong>er Erosion des <strong>Bildung</strong>sbegriffs, <strong>der</strong> sich nur<br />

noch an <strong>der</strong> allseitig betriebswirtschaftlichen Verfüg- <strong>und</strong> Verwertbarkeit („Ich-AG“),<br />

engen Leistungskompetenzen bzw. dem „zerstörten Charakter“ orientiert (Sennett 1998).<br />

<strong>Die</strong> Leitmotive <strong>der</strong> <strong>politischen</strong> <strong>Bildung</strong> stehen demgegenüber <strong>in</strong> <strong>der</strong> Tradition e<strong>in</strong>er<br />

kritischen <strong>Bildung</strong>stheorie <strong>und</strong> <strong>der</strong> emanzipatorischen bzw. gerechtigkeitsorientierten<br />

Potenziale von <strong>Bildung</strong>, Subjektentwicklung <strong>und</strong> Demokratisierung <strong>der</strong> Gesellschaft.<br />

Politische <strong>Bildung</strong> ist <strong>Bildung</strong> zur Demokratie, selbst e<strong>in</strong>e demokratische Lebens-<br />

/Lernform <strong>und</strong> e<strong>in</strong> Beitrag zur „demokratischen Tugendbildung“. Allerd<strong>in</strong>gs gibt es <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />

<strong>politischen</strong> <strong>Bildung</strong> seit e<strong>in</strong>iger Zeit zunehmend <strong>und</strong> weith<strong>in</strong> beachtet Stimmen, die das<br />

emanzipatorische Verständnis vom Fach als „missionarisch“ ablehnen <strong>und</strong> statt dessen<br />

e<strong>in</strong>e an<strong>der</strong>e Vorstellung von politischer <strong>Bildung</strong> formulieren, die ohne weiteres<br />

kompatibel ist mit den neoliberalen Tendenzen <strong>der</strong> Gegenwart (zur Beschreibung <strong>und</strong><br />

Kritik siehe Hufer 2004).<br />

Vier Markierungen<br />

- 4 -


Ohne auf die e<strong>in</strong>zelnen Qualitätsmodelle, Ansätze <strong>und</strong> Wege <strong>der</strong> <strong>Evaluation</strong> bzw. die<br />

Paradigmen <strong>der</strong> <strong>Evaluation</strong>sforschung e<strong>in</strong>zugehen (vgl. He<strong>in</strong>er 1996, Stockmann 2000), s<strong>in</strong>d<br />

für <strong>Evaluation</strong>en <strong>und</strong> die Entwicklung von Standards e<strong>in</strong>ige rahmende Dimensionen <strong>in</strong><br />

Er<strong>in</strong>nerung zu rufen. Sie gehören zu den reflexiven <strong>und</strong> empirischen Errungenschaften wie<br />

auch den diszipl<strong>in</strong>ären Selbstbeschreibungen, wenn über Lernen <strong>und</strong> politische <strong>Bildung</strong><br />

nachgedacht wird <strong>und</strong> h<strong>in</strong>ter die nicht zurückzufallen ist.<br />

1. Qualität von <strong>Bildung</strong><br />

Zunächst ist die Frage zu beantworten, was unter Qualität verstanden wird <strong>und</strong> gemessen<br />

werden soll. Pädagogisches Handeln <strong>und</strong> politische <strong>Bildung</strong> zielen u.a. auf<br />

Verhaltensdispositionen, auf personale Entwicklung (Subjektivität <strong>und</strong> Mündigkeit), auf<br />

e<strong>in</strong> solides F<strong>und</strong>ament an demokratischen Überzeugungen (Kenntnissen <strong>und</strong> Fähigkeiten)<br />

<strong>und</strong> politische Handlungsfähigkeit. Solche entwicklungsbezogenen, <strong>der</strong> Aktualität<br />

geschuldeten, aber auch kont<strong>in</strong>uierlichen Themen, Fragestellungen, Ziele, Begründungen<br />

<strong>und</strong> Intentionen gehören weitgehend zum normativen Gr<strong>und</strong>konsens <strong>und</strong> Gr<strong>und</strong>auftrag<br />

von politischer <strong>Bildung</strong>. <strong>Die</strong> „pädagogische Qualität“ von Lern- <strong>und</strong> <strong>Bildung</strong>sprozessen<br />

<strong>und</strong> die Eigenarten <strong>der</strong> Subjektivität <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Feld absichtsvoller Kommunikation – <strong>in</strong><br />

dem sich Personen „verän<strong>der</strong>n“ sollen (Luhmann) - deuten an, <strong>in</strong> welch e<strong>in</strong>em komplexen<br />

Feld man sich bewegt. Jenseits von Kausalitätsannahmen markiert <strong>der</strong> <strong>Bildung</strong>sbegriff<br />

„die Selbsttätigkeit des Individuums im Lernvorgang <strong>und</strong> damit die Unverfügbarkeit des<br />

Lernens aus <strong>der</strong> Perspektive des Lehrenden“ (Scheunpflug 2004, S. 69); gleichzeitig geht<br />

es um prägende „Vorratslager“ (Negt) durch <strong>Bildung</strong>, denen e<strong>in</strong>e zentrale<br />

identitätsstiftende Bedeutung zukommt. In den Prozessen <strong>der</strong> Qualitäts- <strong>und</strong><br />

Organisationsentwicklung wird man daher um die Klärung des Spannungsfeldes zweier<br />

Handlungslogiken – Profession <strong>und</strong> Organisation – nicht vorbei kommen. Hier gilt es<br />

orig<strong>in</strong>är pädagogisch-bildende Ansprüche gegenüber <strong>in</strong>stitutionell-organisatorischer<br />

Logik deutlich zu machen <strong>und</strong> traditionelle pädagogische Wissensbestände bewusst an die<br />

Qualitätsdebatte anzuschließen, professionsbezogene Inhalte <strong>in</strong> das Qualitätsmanagement<br />

zu überführen <strong>und</strong> Standards daraus abzuleiten.<br />

Nicht unerheblich <strong>in</strong> diesem Zusammenhang ist, dass die Qualitätsdebatte um <strong>Bildung</strong><br />

nicht auch gleich impliziert <strong>und</strong> def<strong>in</strong>iert, was „gute“ <strong>Bildung</strong> ist. Auf die Frage an<br />

siebzehn Theoretiker <strong>und</strong> Theoretiker<strong>in</strong>nen <strong>der</strong> außerschulischen <strong>politischen</strong><br />

Jugendbildung <strong>und</strong> <strong>politischen</strong> <strong>Bildung</strong>, wie sie „gute“ politische <strong>Bildung</strong> beschrieben<br />

würden, wurden u.a. folgende Kennzeichen genannt bzw. paraphrasiert: dialogisch,<br />

diskursiv, unterhaltsam, humorvoll, lustvoll, nachdenklich, anregend, spannend,<br />

subjektorientiert, kreativ, handlungsorientiert, mutig, aufklärend (Hufer/Pohl/Scheurich<br />

2004). Das alles s<strong>in</strong>d für wichtig <strong>und</strong> konstitutiv erachtete Eigenschaften, die <strong>in</strong> den<br />

Kennzeichnungen <strong>der</strong> Qualitätsbemessungsmodelle nicht o<strong>der</strong> nur <strong>in</strong> Spurenelementen zu<br />

f<strong>in</strong>den s<strong>in</strong>d. Hier werden zwei Welten sichtbar: die pädagogische <strong>und</strong> die technologische.<br />

2. Technologiedefizit, Ungewissheit <strong>und</strong> Offenheit<br />

Das Technologieproblem des Erziehungssystems me<strong>in</strong>t nach Luhmann (2002) das<br />

Problem <strong>der</strong> Wirksamkeit von pädagogischen Intentionen. <strong>Die</strong> Verknüpfung von Intention<br />

<strong>und</strong> Wirkung – weil politische Bildner schon von Berufs wegen ja etwas bewirken wollen<br />

– kann <strong>in</strong> ihrer Bedeutsamkeit von Interaktion, Situation <strong>und</strong> Handlung nur reflexiv<br />

bestimmt werden. Hier ist an die Dimension des strukturellen „Technologiedefizits von<br />

- 5 -


Pädagogik“ (wie es Luhmann schon zu Beg<strong>in</strong>n <strong>der</strong> 80er-Jahre vorgetragen hat) zu<br />

er<strong>in</strong>nern, das auch für die politische <strong>Bildung</strong> konstitutiv ist. Ausgehend von <strong>der</strong> Frage, wie<br />

<strong>Bildung</strong> <strong>und</strong> Erziehung – <strong>in</strong> <strong>der</strong> das Subjekt gleichzeitig Zweck <strong>und</strong> Mittel ist – überhaupt<br />

möglich ist, zielt die Qualitätsdebatte auf den Kern dieses ungelösten<br />

Technologieproblems. Es geht <strong>in</strong> pädagogisch organisierten Kommunikations- <strong>und</strong><br />

Vermittlungsprozessen (<strong>und</strong> politische <strong>Bildung</strong> gehört nicht zum engeren Kontext <strong>und</strong><br />

Kanon des Erziehungssystems) um die Differenz, weil das Erreichen des „an<strong>der</strong>en<br />

Zustandes“ nicht mit Sicherheit garantiert werden kann. „Denn die professionelle Praxis,<br />

<strong>in</strong> <strong>der</strong> es ja immer um Personen geht, <strong>in</strong> die man nicht h<strong>in</strong>e<strong>in</strong>schauen kann <strong>und</strong> die immer<br />

auch an<strong>der</strong>s reagieren können, als es sich <strong>der</strong> professionelle Praktiker vorgestellt hat, ist<br />

weitgehend durch e<strong>in</strong> Technologiedefizit <strong>und</strong> damit mit Ungewissheitshorizonten<br />

belastet“ (Kurtz 2004, S. 25).<br />

Technologiedefizit des Erziehungssystems me<strong>in</strong>t nach Luhmann, dass die Personen <strong>und</strong><br />

Interaktionen ke<strong>in</strong>e Gewissheit über den Zusammenhang von richtigem, e<strong>in</strong>gegebenen<br />

Input <strong>und</strong> gewünschtem Resultat bzw. Output liefern können. So bleibt bei allen guten<br />

Angeboten <strong>und</strong> Erfahrungsmöglichkeiten <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>politischen</strong> <strong>Bildung</strong> das Dilemma: Der<br />

Ungewissheit <strong>und</strong> Grenze <strong>der</strong> erreichten <strong>und</strong> erreichbaren Wirksamkeit dessen, was man<br />

<strong>in</strong>tendiert, steht schon die Selbstreferenz <strong>und</strong> Freiheit <strong>der</strong> Adressaten entgegen. O<strong>der</strong><br />

an<strong>der</strong>s formuliert: Es bleibt e<strong>in</strong>e offene Frage, ob Jugendliche <strong>und</strong> Erwachsene das, was<br />

kommuniziert o<strong>der</strong> angeboten wird, tatsächlich (<strong>in</strong> ihren Innenwelten) aufnehmen; weil es<br />

nicht <strong>der</strong> Pädagoge ist, <strong>der</strong> bildet, son<strong>der</strong>n das soziale System <strong>der</strong> Kommunikation <strong>und</strong><br />

Interaktion, <strong>in</strong> dem sich <strong>der</strong> Jugendliche <strong>und</strong> Erwachsene selbst bildet. <strong>Bildung</strong>sangebote<br />

können bei Jugendlichen <strong>und</strong> Erwachsenen politische Mündigkeit, Kritik- <strong>und</strong><br />

Handlungsfähigkeit för<strong>der</strong>n; auf <strong>der</strong> an<strong>der</strong>en Seite s<strong>in</strong>d sie freie Subjekte <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em<br />

freiwilligen (nicht beliebigen, immer auch geplanten <strong>und</strong> strukturierten) Sett<strong>in</strong>g <strong>und</strong><br />

können sich immer auch – nach dem „Gesetz“ <strong>der</strong> ungewollten Nebenfolgen bzw.<br />

unbeabsichtigten Effekte – <strong>in</strong> ihrer Freiheit des Lernens an<strong>der</strong>s entscheiden. Gleichzeitig<br />

bleibt unklar, ob Verän<strong>der</strong>ungen (Erfolge) denn das Werk <strong>der</strong> <strong>politischen</strong> <strong>Bildung</strong> <strong>und</strong> <strong>der</strong><br />

Pädagogen gewesen s<strong>in</strong>d. Luhmann hat wie<strong>der</strong>holt auf die Ungewissheiten <strong>der</strong><br />

Erfolgschancen <strong>in</strong> <strong>der</strong> Pädagogik h<strong>in</strong>gewiesen, sie gehört für ihn neben dem<br />

Arbeitswissen zu dem „Geheimwissen“ <strong>der</strong> pädagogischen Profession. Danach gibt es für<br />

ke<strong>in</strong>e Seite (Institution/Organisation , Profession, Teilnehmer) e<strong>in</strong>e zuverlässige Kontrolle<br />

über das Verhältnis von Aufwand <strong>und</strong> Ertrag, man könnte auch sagen über <strong>der</strong> Erfolg <strong>der</strong><br />

„Produkte“. E<strong>in</strong>e Reformulierung des Technologieproblems – sollen sie nicht nur<br />

Technologieersatztechnologien se<strong>in</strong> – kann neue Chancen eröffnen, wenn sie sich<br />

empirisch mit <strong>der</strong> Eigenlogik pädagogischer Fel<strong>der</strong> <strong>und</strong> Prozesse (hier <strong>der</strong> <strong>politischen</strong><br />

<strong>Bildung</strong>) befasst, wenn sie nicht auf „Produkte“ starrt o<strong>der</strong> komplexe Lernprozesse <strong>in</strong><br />

e<strong>in</strong>fache Quantitäten (Kategorien <strong>der</strong> Beurteilung) transformiert, son<strong>der</strong>n Genese <strong>und</strong><br />

Prozesse von Lernen <strong>und</strong> <strong>Bildung</strong> <strong>in</strong> ihrem system-, selbst- <strong>und</strong> fremdreferentiellen<br />

Agieren untersucht <strong>und</strong> klären hilft.<br />

In <strong>der</strong> neueren pädagogischen Diskussion werden mit Blick <strong>in</strong> Diagnosen <strong>der</strong> entwickelten<br />

Mo<strong>der</strong>ne vor allem auch die ambivalenten Dimensionen wie Risiko, Offenheit <strong>und</strong><br />

Ungewissheit aufgenommen. Danach gehorchen Lernprozesse ke<strong>in</strong>er <strong>in</strong>stitutionellen<br />

Logik <strong>und</strong> haben mith<strong>in</strong> auch ke<strong>in</strong>en exklusiven Ort. Gerade deshalb gilt es – neben dem<br />

schulischen als formalisierten Lernen – erneut über die Ermöglichung bzw. die Chancen<br />

<strong>und</strong> Grenzen von nicht-formalisierten Lernorten (wie <strong>in</strong> <strong>der</strong> außerschulischen <strong>politischen</strong><br />

Jugend- <strong>und</strong> Erwachsenenbildung) <strong>und</strong> auch Gelegenheiten des <strong>in</strong>formellen, offenen<br />

Lernens (z. B. <strong>in</strong> Peers, mit Medien) nachzudenken <strong>und</strong> diskussionswürdige Erkenntnisse<br />

zu gew<strong>in</strong>nen. Das gilt auch für kooperative Lernformen <strong>und</strong> Netzwerkbildungen zwischen<br />

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den drei – formellen, nichtformellen, <strong>in</strong>formellen – <strong>Bildung</strong>sbereichen. Plädiert wird für<br />

die Anerkennung von Ungewissheit als struktureller Ant<strong>in</strong>omie <strong>und</strong> als Produktivkraft <strong>in</strong><br />

<strong>der</strong> pädagogischen Theorie wie auch im pädagogischen Handeln, weil „das Denken des<br />

Ungewissen, Vergewisserungen über Ungewissheit <strong>und</strong> Entwürfe <strong>der</strong><br />

Ungewissheitsbewältigung aus dieser Sicht den Prozess <strong>der</strong> Mo<strong>der</strong>nisierung begleiten“<br />

(Helsper 2003, S. 16). Lernprozesse <strong>und</strong> die Zukunft s<strong>in</strong>d mehrfach ungewiss <strong>und</strong> offen,<br />

sicheres Wissen gibt es nicht; daher muss die unbekannte Zukunft als Ressource begriffen<br />

werden, <strong>in</strong> <strong>der</strong> Jugendliche <strong>und</strong> Erwachsene – mit er<strong>in</strong>nerndem Blick auf ihre Erfahrungen<br />

<strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>politischen</strong> <strong>Bildung</strong> – <strong>in</strong> <strong>der</strong> Lage s<strong>in</strong>d, reflexiv <strong>und</strong> gut begründet Entscheidungen<br />

zu treffen <strong>und</strong> zu handeln, Krisen zu bewältigen <strong>und</strong> Neues zu ermöglichen. Mit Blick auf<br />

die Profession wäre <strong>der</strong> politische Bildner dann als strukturieren<strong>der</strong> <strong>und</strong> sensibler<br />

„Experte für Ungewissheit“ <strong>in</strong> den biographischen Suchprozessen <strong>und</strong> <strong>der</strong><br />

Ause<strong>in</strong>an<strong>der</strong>setzung mit Politik, Alltag <strong>und</strong> Biographie zu verstehen.<br />

Bei aller Offenheit <strong>und</strong> Ungewissheit bleibt auch noch die gerade für politische (!)<br />

<strong>Bildung</strong> spezifische Frage nach ihrer Normativität zu klären. Denn da politische <strong>Bildung</strong><br />

<strong>in</strong> <strong>der</strong> Tradition <strong>der</strong> Aufklärung steht, Partei ergreift für Demokratie <strong>und</strong> Menschenrechte,<br />

sich für öffentliche Belange engagiert <strong>und</strong> auch die Macht- <strong>und</strong> Herrschaftsfrage <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er<br />

Gesellschaft thematisiert (gerade dann, wenn diese nicht legitimiert ersche<strong>in</strong>t), muss sie<br />

bei e<strong>in</strong>em klaren <strong>und</strong> une<strong>in</strong>geschränkten Plädoyer für Teilnehmerorientierung (siehe<br />

Hufer/Pohl/Scheurich 2004) auf diesen für sie identitätsstiftenden „Markenzeichen“ ihrer<br />

Arbeit beharren.<br />

3. Markt, Angebot <strong>und</strong> Nachfrage<br />

Außerschulische politische <strong>Bildung</strong> war <strong>und</strong> ist stets auf e<strong>in</strong>en „Markt“ verwiesen,<br />

muss(te) sie doch e<strong>in</strong> „Produkt“ anbieten, das – im zyklischen Auf <strong>und</strong> Ab <strong>der</strong><br />

Nachkriegsgeschichte – oft nicht son<strong>der</strong>lich attraktiv <strong>und</strong> von vielen <strong>in</strong> Politik <strong>und</strong><br />

Gesellschaft nur wenig gewollt war. Außerdem wurde <strong>und</strong> wird sie immer von etlichen<br />

weiteren – konkurrierenden <strong>und</strong> unterschiedlich ausgestatteten – Anbietern offeriert. Das<br />

konnte <strong>und</strong> kann nur gehen <strong>und</strong> ist nur tragfähig, wenn politische <strong>Bildung</strong> als<br />

gesellschaftlich notwendig <strong>und</strong> subventionsbedürftig akzeptiert <strong>und</strong> geför<strong>der</strong>t wird. <strong>Die</strong>ses<br />

Agreement sche<strong>in</strong>t gegenwärtig (tendenziell) <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er desolaten <strong>Bildung</strong>slandschaft<br />

aufgekündigt zu werden, stagniert bzw. ist <strong>in</strong> weiten Bereichen bereits reduziert o<strong>der</strong> auch<br />

aufgegeben worden. Der Markt, auf dem politische <strong>Bildung</strong> (wie auch an<strong>der</strong>e Bereiche<br />

von <strong>Bildung</strong>) jetzt bei e<strong>in</strong>gefrorenen o<strong>der</strong> zurückgeschraubten <strong>Bildung</strong>sausgaben platziert<br />

wird, wird staatlich kaum mehr o<strong>der</strong> auch überhaupt nicht mehr gestützt. Was dann<br />

zukünftig von ihr im „Paradigmenwechsel von <strong>der</strong> Angebots- zur Nachfrageorientierung“<br />

(aksb 2002, S. 4) übrig bleibt, ist abzuwarten. Schon jetzt deutet sich an, dass aus dem<br />

öffentlich subventionierten Markt nun e<strong>in</strong>e (teil)privatisierte <strong>und</strong> marktliberale<br />

Konkurrenzsituation entstehen wird, bei <strong>der</strong> das Pr<strong>in</strong>zip <strong>der</strong> Trägerpluralität – öffentlich<br />

<strong>und</strong> weltanschaulich unterschiedliche Träger/Institutionen mit entsprechend<br />

unterschiedlich akzentuierten <strong>Bildung</strong>sprofilen <strong>und</strong> auch wichtigem Nischencharakter –<br />

durch betriebswirtschaftlich <strong>und</strong> kommerziell agierende sowie verme<strong>in</strong>tlich<br />

„kostengünstige <strong>Bildung</strong>sunternehmen“ ersetzt wird, <strong>der</strong>en Operationen <strong>in</strong> erster L<strong>in</strong>ie auf<br />

Market<strong>in</strong>g-Strategien (mit Nachfrageorientierung, Zertifizierung, Qualitätsentwicklung u.<br />

a.) gestützt s<strong>in</strong>d. Damit verän<strong>der</strong>n sich Marktpositionen <strong>und</strong> tendenziell könnten das<br />

öffentliche Interesse an außerschulischer politischer <strong>Bildung</strong> (auch <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er bescheidenaffirmativen<br />

Variante) ganz erlöschen; sie könnte <strong>in</strong> <strong>der</strong> Schule im Rahmen von zu<br />

erwartenden <strong>Bildung</strong>sreformen im Fach „Wirtschaft <strong>und</strong> Politik“ aufgehen. <strong>Die</strong><br />

Perspektive e<strong>in</strong>es sozialwissenschaftlich profilierten <strong>und</strong> demokratiebezogenen Lernens<br />

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als <strong>Bildung</strong>saufgabe <strong>und</strong> als kritischer Umgang mit dem Spannungsfeld „Markt (o<strong>der</strong><br />

auch digitalem Kapitalismus) <strong>und</strong> Demokratie“ wäre dann wohl endgültig aufgegeben;<br />

damit e<strong>in</strong>hergehen würde dann auch e<strong>in</strong>e Verän<strong>der</strong>ung von subjektentwickelnden,<br />

<strong>in</strong>teressenorientierten <strong>und</strong> aufklärerischen didaktischen Pr<strong>in</strong>zipien (vgl. Brenner 2003).<br />

4. Profil <strong>und</strong> Identität<br />

<strong>Die</strong> Debatten <strong>der</strong> letzten Jahre zeigen die Suchbewegungen um das Profil bzw. die <strong>in</strong><br />

ihren Reichweiten unterschiedlichen Profile (man könnte auch sagen: diszipl<strong>in</strong>äre<br />

Identität) <strong>und</strong> Konzepte <strong>der</strong> außerschulischen <strong>politischen</strong> Jugend- <strong>und</strong><br />

Erwachsenenbildung. Dabei können grob vier durchaus stabile Lesarten bzw.<br />

(ideologische) E<strong>in</strong>färbungen unterschieden werden: 1. <strong>der</strong> Abbau von (biographischen,<br />

gruppen-, schichten- <strong>und</strong> klassenbed<strong>in</strong>gten) <strong>Bildung</strong>sdefiziten, um die Chancen für<br />

Integration <strong>und</strong> Teilhabe zu erhöhen; 2. die <strong>Bildung</strong> als zivilgesellschaftliche Aufgabe für<br />

„alle“, um <strong>in</strong>formierte <strong>und</strong> gebildete Bürger<strong>in</strong>nen <strong>und</strong> Bürger zu stärken; 3. die<br />

notwendige Anpassungsbildung, um sich auch sozial <strong>und</strong> politisch (mental) an die sich<br />

verän<strong>der</strong>nden strukturellen Rahmenbed<strong>in</strong>gungen anpassen zu können, 4. schließlich e<strong>in</strong>e<br />

neoliberale Position, die es möglichst ohne staatliche Vorgaben <strong>und</strong> Regelungen <strong>der</strong><br />

Autonomie des Lernens überlassen will, ob, wie <strong>und</strong> bei wem er lernen will. Ob sich mit<br />

diesen Tendenzen <strong>und</strong> Begründungen (<strong>in</strong> <strong>der</strong> Weiterbildung <strong>in</strong>sgesamt) h<strong>in</strong>reichend das<br />

spezifische Profil <strong>der</strong> <strong>politischen</strong> <strong>Bildung</strong> markieren lässt, bleibt mehr als fraglich (vgl.<br />

Gewerkschaft, Erziehung <strong>und</strong> Wissenschaft 2003).<br />

Aussagekräftig ist, dass sich die Erwachsenenbildung als e<strong>in</strong>e Referenzdiszipl<strong>in</strong> <strong>der</strong><br />

<strong>politischen</strong> <strong>Bildung</strong> ganz offensichtlich <strong>in</strong> weiten Teilen von e<strong>in</strong>er gesellschaftstheoretisch<br />

f<strong>und</strong>ierten theoretischen Bezugnahme verabschiedet hat. So nennt Horst Siebert zwar<br />

sechs „Theorien für die Praxis“ (technologische, identitätstheoretische, sozialökologische,<br />

am Gen<strong>der</strong>-Ansatz orientierte <strong>und</strong> konstruktivistische), ke<strong>in</strong>e davon ist mit e<strong>in</strong>em<br />

politisch-theoretischen Programm o<strong>der</strong> e<strong>in</strong>em ökonomischen Ansatz verb<strong>und</strong>en, von e<strong>in</strong>er<br />

emanzipatorischen Orientierung ganz zu schweigen(Siebert 2004). Das sah <strong>in</strong> se<strong>in</strong>en<br />

früheren (1977 u. 1993) theoretischen <strong>und</strong> konzeptionellen Zusammenfassungen noch<br />

an<strong>der</strong>s aus (Siebert 2004, S. 18).<br />

<strong>Die</strong> streitbare Suche nach <strong>der</strong> Rolle <strong>und</strong> Bedeutung von politischer <strong>Bildung</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />

Demokratie <strong>und</strong> Demokratieentwicklung, <strong>in</strong> <strong>der</strong> aufklärenden Ause<strong>in</strong>an<strong>der</strong>setzung über<br />

den gesellschaftlichen Problemhaushalt <strong>und</strong> <strong>der</strong>en Lösungen sowie die mit<br />

Selbstwirksamkeits- <strong>und</strong> Anerkennungserfahrungen verb<strong>und</strong>ene Bedeutung im<br />

Aufwachsen, für Lebensorientierung, Biographie <strong>und</strong> Lebensverläufe wären die<br />

unh<strong>in</strong>tergehbare diszipl<strong>in</strong>äre Aufgabe <strong>und</strong> <strong>der</strong> Gr<strong>und</strong>gedanke des anstehenden Diskurses.<br />

In ihrer Selbstbeschreibung <strong>und</strong> kritischen Dimension müsste politische <strong>Bildung</strong> selbst<br />

zum Spiegelbild <strong>der</strong> strukturellen Differenzierungen mo<strong>der</strong>ner Gesellschaft werden, <strong>in</strong><br />

<strong>der</strong>en Reflexionsprozess sie sich verortet <strong>und</strong> zu <strong>der</strong>en Problemlösungen sie beiträgt. Hier<br />

<strong>in</strong> guter gesellschaftswissenschaftlicher Theorietradition (Habermas, Foucault, Luhmann,<br />

Beck, Bourdieu <strong>und</strong> vor allem <strong>der</strong> Ungleichheitsforschung), mit konzeptionellen<br />

F<strong>und</strong>ierungen, empirischer Forschung <strong>und</strong> reflektierten Praxisentwicklungen auf die<br />

„Suche“ <strong>und</strong> reflexive Ause<strong>in</strong>an<strong>der</strong>setzung mit <strong>der</strong> Wirklichkeit (mit <strong>der</strong> politische<br />

<strong>Bildung</strong> „notorisch unzufrieden ist“) zu gehen, <strong>und</strong> Diskurse mitzugestalten, sche<strong>in</strong>t uns<br />

die aktuell diszipl<strong>in</strong>geschichtliche Herausfor<strong>der</strong>ung zu se<strong>in</strong>. <strong>Die</strong>se Perspektive <strong>der</strong> Profil<strong>und</strong><br />

Identitätssuche wäre auch als Beitrag zu verstehen, das Statusproblem bzw. –defizit<br />

gegenüber traditionellen Handlungswissenschaften abbauen zu helfen. Professionelle<br />

Identität ist geb<strong>und</strong>en an fachspezifische Traditionen <strong>und</strong> Wissensbestände. „Alte“<br />

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emanzipatorische <strong>und</strong> <strong>der</strong> Aufklärung verpflichtete Gr<strong>und</strong>gedanken <strong>und</strong> Aspirationen mit<br />

neuen Herausfor<strong>der</strong>ungen wie Ungewissheit, Offenheit <strong>und</strong> Biografisierung des Lebens zu<br />

verknüpfen, sie professionell zu ordnen <strong>und</strong> handhabbar zu machen, das wäre <strong>der</strong><br />

verän<strong>der</strong>te Expertenstatus.<br />

<strong>Evaluation</strong> <strong>und</strong> Standards – <strong>in</strong> demokratischer Absicht<br />

Um Missverständnissen vorzubeugen: Wir wehren uns mit den skizzierten rahmenden<br />

Überlegungen nicht gegen e<strong>in</strong>e dialogische Qualitätsentwicklung, gegen e<strong>in</strong>e <strong>Evaluation</strong>, die<br />

als Programm-, Planungs-, Verlaufs- <strong>und</strong> Prozessevaluation sowie mit Transferüberlegungen<br />

versucht e<strong>in</strong>en demokratischen <strong>und</strong> partizipativen Wissen- <strong>und</strong> Entwicklungszuwachs zu<br />

br<strong>in</strong>gen; aber wir kritisieren die verwirrende <strong>und</strong> Unsicherheit stiftende Flut von<br />

Informationen <strong>in</strong> Form von Datenbanken, Leistungs<strong>in</strong>dikatoren, Beurteilungssitzungen,<br />

jährlichen Überprüfungen, die Anfertigung von Berichten, regelmäßige Veröffentlichungen<br />

von Ergebnissen, Inspektionen <strong>und</strong> peer reviews. <strong>Evaluation</strong> gehört e<strong>in</strong>erseits zur<br />

„pädagogischen Seriosität“, sie kann an<strong>der</strong>erseits mit ihren Instrumenten aber auch<br />

überfor<strong>der</strong>t werden <strong>und</strong> mit ihren Versprechungen letztlich Ideologie produzieren. Politische<br />

<strong>Bildung</strong> mit ihrem gesellschaftlichen Verständigungs- <strong>und</strong> Begegnungscharakter (e<strong>in</strong>er<br />

demokratischen Zivil- <strong>und</strong> Bürgergesellschaft) braucht weniger e<strong>in</strong>e kaum realisierbare Input-<br />

Output-Kontrolle o<strong>der</strong> oberflächliche Marktanalyse (<strong>und</strong> Marktfähigkeit); aber sie braucht um<br />

ihren Aufgaben <strong>und</strong> Chancen besser nachgehen, ihre Potenziale besser entfalten <strong>und</strong><br />

Entwicklungen wissensbasiert besser steuern zu können, seriöse Forschung <strong>und</strong> <strong>Evaluation</strong>,<br />

Standards <strong>und</strong> öffentliche Verantwortung.<br />

Plausibel unterscheidet Giesecke z. B. für die Weiterbildung mit Blick auf die Praxis vier<br />

<strong>Evaluation</strong>stypen: „Systemevaluation zum Zwecke von Spar-, Abbau- o<strong>der</strong><br />

Umbaumaßnahmen; immanente <strong>Evaluation</strong> <strong>und</strong> Forschung zum Zwecke <strong>der</strong> Steuerung<br />

pädagogischen Handelns; <strong>Evaluation</strong> zu Legitimationszwecken; <strong>Evaluation</strong> <strong>in</strong> betrieblichen<br />

Transferprozessen zur Begleitung <strong>und</strong> Sicherung von <strong>Bildung</strong>sverwertung“ (Giesecke 2002,<br />

S. 69). Ihr geht es mit <strong>Evaluation</strong> im <strong>Bildung</strong>smanagement <strong>und</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> Qualitätssicherung um<br />

e<strong>in</strong>e immanente Aufgabe von Institutional-, Programm- <strong>und</strong> Lernkulturentwicklung <strong>in</strong><br />

<strong>Bildung</strong>s<strong>in</strong>stitutionen. Im Zentrum <strong>der</strong> zu klärenden Fragen bzw. Bereiche stehen dann u. a.<br />

Qualitätsverständnis, Leistungsverständnis <strong>und</strong> <strong>Evaluation</strong>. Das heißt für die e<strong>in</strong>zelnen<br />

<strong>Bildung</strong>se<strong>in</strong>richtungen: Gr<strong>und</strong>verständnis <strong>der</strong> eigenen Arbeit (z. B. als <strong>Die</strong>nstleistung),<br />

Verständnis von Erwachsenen- bzw. Weiterbildung <strong>und</strong> die dar<strong>in</strong> enthaltenen Leitideen <strong>und</strong><br />

Werte, Verständnis von <strong>Bildung</strong> <strong>und</strong> Lernen <strong>und</strong> die daraus abgeleiteten Qualitätsziele,<br />

Verfahrensweisen zur Gestaltung des Zusammenhanges von Planen –<br />

Durchführen/Auswerten – Dokumentation – Konsequenzen ziehen, Sicht auf das Umfeld (z.<br />

B. die Region <strong>und</strong> ihre Lebensverhältnisse), Profil des Angebotes, die Zielgruppen. In den<br />

Leistungen ist all das enthalten, was „erbracht“ wird: <strong>der</strong> Lehrgang, Kurs, Gesprächskreis, <strong>der</strong><br />

Jahresbericht, <strong>der</strong> Projektantrag, das ExpertInnengespräch. Bezogen auf die <strong>Evaluation</strong> <strong>der</strong><br />

E<strong>in</strong>richtung geht es um die Aktivitäten, mit denen geprüft wird, was das eigene Tun erreicht,<br />

wie es wirkt <strong>und</strong> welche E<strong>in</strong>schätzungen es erzeugt. Auf dieser Gr<strong>und</strong>lage lassen sich<br />

Ergebnisse feststellen <strong>und</strong> bewerten. Zugleich gehört zur <strong>Evaluation</strong> auch die regelmäßige<br />

Überprüfung <strong>der</strong> e<strong>in</strong>gesetzten Verfahren.<br />

Wenn politische <strong>Bildung</strong> nicht zur abhängigen Variable fremdbestimmter (politisch-fiskalisch<br />

<strong>und</strong>/o<strong>der</strong> markt- <strong>und</strong> betriebswirtschaftlich orientierter) Interessen werden soll o<strong>der</strong> <strong>in</strong> bloß<br />

affirmativer Richtung als pluralistische <strong>und</strong> entpolitisierte <strong>Die</strong>nstleistung ihren „Stachel“<br />

verlieren will, dann ist die Frage zu beantworten, welche Interessen <strong>und</strong> Prozesse h<strong>in</strong>ter<br />

Mo<strong>der</strong>nisierungsabsichten stehen. Es gilt weiter die Fragen zu beantworten: Wer kontrolliert<br />

das Feld? Wer bestimmt, welche Leistung als wertvoll, effektiv o<strong>der</strong> befriedigend gilt? Was<br />

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ist e<strong>in</strong>e gute politische <strong>Bildung</strong>? Wissen wir, dass wir unsere Arbeit gut machen, auch wenn<br />

uns die Leistungs<strong>in</strong>dikatoren etwas an<strong>der</strong>es nahe legen?<br />

<strong>Die</strong> Ause<strong>in</strong>an<strong>der</strong>setzung mit diesen Fragen wie<strong>der</strong>um selbstreflexiv <strong>und</strong> aufklärend<br />

aufzunehmen, sie <strong>in</strong> ihren Paradoxien, Ambivalenzen <strong>und</strong> Wi<strong>der</strong>sprüchlichkeiten zu erkennen<br />

<strong>und</strong> auszuloten ist ebenso Aufgabe politischer <strong>Bildung</strong> wie e<strong>in</strong> neuer Versuch, den<br />

spezifischen <strong>und</strong> öffentlichen <strong>Bildung</strong>sauftrag mit se<strong>in</strong>en möglichen „Freiräumen“ <strong>und</strong> den<br />

„Momenten <strong>der</strong> bildenden Begegnung“ für die Nutzer<strong>in</strong>nen <strong>und</strong> Nutzer zu denken <strong>und</strong> zu<br />

begründen. In dieser zukunftsorientierten Entwicklungsarbeit deutet sich e<strong>in</strong>e gehaltvolle<br />

Weiterentwicklung an, die <strong>in</strong> <strong>der</strong> Tradition kritischen (Nach)denkens, humaner Vernunft,<br />

Aufklärung <strong>der</strong> Wirklichkeit – <strong>und</strong> auch öffentlicher För<strong>der</strong>ung des Lernfeldes für e<strong>in</strong>e<br />

lebendige Demokratieentwicklung (Zivilgesellschaft, Nachhaltigkeit etc.) steht. Politische<br />

<strong>Bildung</strong> ist als Lernprogramm mit vielen <strong>Bildung</strong>sanlässen, mit se<strong>in</strong>en (neuen)<br />

Gelegenheiten, Räumen <strong>und</strong> Orten <strong>der</strong> Ause<strong>in</strong>an<strong>der</strong>setzung, <strong>der</strong> Wahrnehmung <strong>und</strong><br />

Erfahrungen <strong>der</strong> Entwicklung mentaler Positionen <strong>und</strong> Orientierungen geradezu prädest<strong>in</strong>iert<br />

für die Funktion e<strong>in</strong>es demokratie<strong>politischen</strong> <strong>und</strong> lebenspraktischen Reservoirs. Es ist <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />

gegenwärtigen gesellschaftlichen Umbruchs- <strong>und</strong> Übergangssituation nicht ausgemacht, ob<br />

politische <strong>Bildung</strong> mit ihren sozialwissenschaftlichen, bildungs- <strong>und</strong> subjekttheoretischen<br />

Bezügen ihren exklusiven Ort <strong>und</strong> ihre bildenden Gelegenheitsstrukturen <strong>in</strong> <strong>der</strong> weiteren<br />

„Beheimatung <strong>der</strong> Demokratie <strong>in</strong> Deutschland“ zukünftig behalten wird (San<strong>der</strong> 2002, S. 36).<br />

<strong>Die</strong> For<strong>der</strong>ung nach Demokratisierung ist „heute <strong>in</strong> verän<strong>der</strong>ten Formen <strong>und</strong> theoretischen<br />

Verortungen nach wie vor aktuell“ (Weißeno 1999). Vom wem könnte sie mit größerem<br />

Nachdruck vertreten werden als von <strong>der</strong> <strong>politischen</strong> <strong>Bildung</strong>?<br />

Literatur<br />

Ahlheim, K. 2003: Vermessene <strong>Bildung</strong>? Wirkungsforschung <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>politischen</strong><br />

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Erschienen <strong>in</strong>: Redaktionen Politische <strong>Bildung</strong> & kursiv – Journal für politische <strong>Bildung</strong> (Hrsg.)<br />

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