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Goya, Daumier und Yongbo Zhao - Kulturmagazin-Bodensee.de

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Provokation!<br />

<strong>Goya</strong>,<br />

<strong>Daumier</strong> <strong>und</strong><br />

<strong>Yongbo</strong> <strong>Zhao</strong><br />

in <strong>de</strong>r „Fähre“<br />

Bad Saulgau<br />

Drei Künstler aus drei Jahrh<strong>und</strong>erten,<br />

drei Kritiker <strong>und</strong> Spötter<br />

ihrer Zeit, wer<strong>de</strong>n in <strong>de</strong>r<br />

Ausstellung kontrastierend<br />

gegenübergestellt. Obwohl<br />

die geografischen wie historischen<br />

Hintergrün<strong>de</strong> <strong>de</strong>r Künstler<br />

unterschiedlicher nicht<br />

sein könnten, haben sie eines<br />

in ihrer Kunst gemeinsam: die<br />

Provokation! Mit scharfsinniger<br />

Karikatur <strong>und</strong> unheimlich<br />

anmuten<strong>de</strong>r Groteske prangern<br />

sie die gesellschaftlichen<br />

Missstän<strong>de</strong> ihrer Zeit an. Ihre<br />

Kunst ist ihre Waffe!<br />

<strong>Yongbo</strong> <strong>Zhao</strong>, Der Kelch <strong>de</strong>r Päpste, 2008, 180 x 240cm<br />

20 21


Provokation! – <strong>Goya</strong>, <strong>Daumier</strong> <strong>und</strong> <strong>Yongbo</strong> <strong>Zhao</strong>.<br />

Ihre Kunst ist ihre Waffe!<br />

Dass hier ein zeitgenössischer chinesischer<br />

Künstler auf zwei kunstgeschichtliche<br />

Ikonen trifft, mag zunächst<br />

irritieren. Bei genauerer Betrachtung<br />

wird <strong>de</strong>utlich, dass <strong>de</strong>n in München leben<strong>de</strong>n<br />

<strong>Yongbo</strong> <strong>Zhao</strong> nicht nur inhaltlich,<br />

son<strong>de</strong>rn auch formal vieles mit Francisco<br />

<strong>de</strong> <strong>Goya</strong> <strong>und</strong> Honoré <strong>Daumier</strong> verbin<strong>de</strong>t:<br />

Da ist zum einen die stupen<strong>de</strong> Beherrschung<br />

<strong>de</strong>r Technik, insbeson<strong>de</strong>re <strong>de</strong>r<br />

Aquatinta-Radierung, mit <strong>de</strong>r <strong>Yongbo</strong><br />

<strong>Zhao</strong> spielerisch <strong>und</strong> frech auf die legendären<br />

<strong>Goya</strong>-Zyklen Los Caprichos <strong>und</strong><br />

Los Desastres <strong>de</strong> Ia Guerra antwortet.<br />

Und da ist <strong>de</strong>r kalkulierte Tabubruch <strong>und</strong><br />

die Mehr<strong>de</strong>utigkeit <strong>de</strong>s künstlerischen<br />

Werks, die allen dreien eigen ist <strong>und</strong> ihre<br />

gleichzeitige Aktualität wie Zeitlosigkeit<br />

unterstreicht.<br />

Die außergewöhnliche Qualität<br />

von <strong>Yongbo</strong> <strong>Zhao</strong>s irritieren<strong>de</strong>m Werk<br />

wird je<strong>de</strong>nfalls gera<strong>de</strong> im Kontext dieser<br />

historischen Vorbil<strong>de</strong>r augenfällig.<br />

Im Verb<strong>und</strong> mit <strong>de</strong>r kulturellen wie zeitlichen<br />

Distanz kommt es dabei immer<br />

wie<strong>de</strong>r zu überraschen<strong>de</strong>n Bezügen <strong>und</strong><br />

Brechungen, die Unterschie<strong>de</strong> wie Gemeinsamkeiten<br />

<strong>de</strong>r drei Provokateure<br />

<strong>de</strong>utlich hervortreten lassen.<br />

Flankiert von <strong>Goya</strong>s berühmten<br />

Radierfolgen Los Caprichos <strong>und</strong> Los Desastros<br />

<strong>de</strong> la Guerra steht im Zentrum<br />

<strong>de</strong>r Ausstellung das malerische <strong>und</strong> grafische<br />

Werk <strong>Yongbo</strong> <strong>Zhao</strong>s. 1964 in <strong>de</strong>r<br />

Mandschurei geboren, verarbeitet <strong>Yongbo</strong><br />

<strong>Zhao</strong> unübersehbar eigene Erfahrungen<br />

zu einer einzigartigen, surreal-visionären<br />

Bildwelt voller kunstgeschichtlicher<br />

Bezüge. Die grotesken Fabeltiere,<br />

die in seinen Bil<strong>de</strong>rn auftauchen, erinnern<br />

sind freilich nur oberflächlich mit ihren<br />

Vorbil<strong>de</strong>rn bei <strong>Goya</strong> o<strong>de</strong>r mit <strong>de</strong>n von<br />

<strong>Daumier</strong> überzeichneten Hel<strong>de</strong>n jener<br />

Zeit verwandt. Sie passen ganz einfach<br />

in die Strategie <strong>de</strong>s Künstlers, die sich<br />

durch ein selbstbewusstes <strong>und</strong> souveränes<br />

Navigieren zwischen <strong>de</strong>n Kulturen<br />

auszeichnet.<br />

In seiner Heimat erkannte man<br />

schon früh <strong>Yongbo</strong> <strong>Zhao</strong>s künstlerisches<br />

Talent, <strong>de</strong>r bereits mit 22 Jahren Professor<br />

an <strong>de</strong>r Malaka<strong>de</strong>mie Changchun<br />

wur<strong>de</strong>, bei <strong>de</strong>n Allchinesischen Kunstausstellungen<br />

Preise einheimste <strong>und</strong> einer<br />

großen Karriere im kommunistischen<br />

China entgegensah. Aber das Bedürfnis,<br />

<strong>de</strong>r westlichen Kunstgeschichte nicht<br />

nur in drittklassigen Reproduktionen zu<br />

begegnen, trieben ihn in ein bis heute<br />

andauern<strong>de</strong>s Abenteuer. 1991 bestieg er<br />

die Transsibirische Eisenbahn <strong>und</strong> lan<strong>de</strong>te<br />

in München, wo ihn <strong>de</strong>r Pop-Art-Künstler<br />

Robin Page in seine Klasse an <strong>de</strong>r<br />

r: Honoré <strong>Daumier</strong>, Le nouvel Atlas, mitte: Francisco <strong>de</strong> <strong>Goya</strong>, Capricho 51-Se repulen<br />

l: <strong>Yongbo</strong> <strong>Zhao</strong>, Mutter Er<strong>de</strong> - ausgesaugt, 2007, 180 x 240cm<br />

Kunstaka<strong>de</strong>mie aufnahm. <strong>Yongbo</strong> <strong>Zhao</strong><br />

setzte sich erneut mit <strong>de</strong>m F<strong>und</strong>us <strong>de</strong>r<br />

europäischen Bildtradition auseinan<strong>de</strong>r;<br />

das Resultat sind Bil<strong>de</strong>r, die wie Collagen<br />

wirken. Leonardo Da Vinci, Delacroix,<br />

Boucher <strong>und</strong> nicht zuletzt <strong>Goya</strong> o<strong>de</strong>r<br />

<strong>Daumier</strong> liefern archetypische Vorbil<strong>de</strong>r,<br />

die <strong>Yongbo</strong> <strong>Zhao</strong> als Wan<strong>de</strong>rer zwischen<br />

<strong>de</strong>n Kulturen für seine Zwecke uminterpretiert.<br />

Christoph Wie<strong>de</strong>mann bemerkt<br />

dazu im Ausstellungskatalog: „Die Motive<br />

scheinen im ersten Moment vertraut,<br />

bei genauerem Hinsehen jedoch wächst<br />

die Irritation. Das Bildgeschehen explodiert<br />

förmlich. Ziegenböcke, barockes<br />

Symbol <strong>de</strong>r Geilheit, toben durchs Bild<br />

<strong>und</strong> beglücken die vermeintlich so unnahbaren<br />

Schönheiten <strong>de</strong>r antiken Mythologie.<br />

Es geht <strong>de</strong>rb <strong>und</strong> sinnlich zu in <strong>de</strong>n<br />

Bil<strong>de</strong>rn von <strong>Yongbo</strong> <strong>Zhao</strong>. Und irgendwo<br />

taucht immer auch das Konterfei <strong>de</strong>s begna<strong>de</strong>t<br />

malen<strong>de</strong>n Unruhestifters auf. Die<br />

Darstellungen wirken wie eine nicht en<strong>de</strong>n<br />

wollen<strong>de</strong> Selbsterfahrungsorgie, die<br />

we<strong>de</strong>r Grenzen noch Tabus kennt –<br />

wobei<br />

die technische Meisterschaft, mit <strong>de</strong>r<br />

<strong>Yongbo</strong> <strong>Zhao</strong> sowohl <strong>de</strong>n Pinsel als auch<br />

die Graviermesser einzusetzen versteht,<br />

einen großen Teil <strong>de</strong>r Faszination ausmachen.<br />

Andreas Ruess<br />

Zur Ausstellung ist im Hirmer-Verlag ein<br />

Katalog erschienen, 104 Seiten, 24,90 EUR<br />

12.10.-8.12.2013<br />

Städtische Galerie Fähre I Hauptstr. 102/1<br />

I 88348 Bad Saulgau I T07581-207-160 I<br />

Di-So 14-17 Uhr<br />

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