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Farbe im Garten - johannesstoffler.ch

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FARBE IM GARTEN<br />

VON PFLANZENFARBEN UND FÄRBERPFLANZEN<br />

topiaria helvetica 2011<br />

SGGK S<strong>ch</strong>weizeris<strong>ch</strong>e Gesells<strong>ch</strong>aft für <strong>Garten</strong>kultur<br />

SSAJ Société Suisse pour l’Art des Jardins<br />

SSAG Società Svizzera dell’Arte dei Giardini SSOC Societad Svizra d’Orticultura


topiaria helvetica wird herausgegeben von der SGGK<br />

(S<strong>ch</strong>weizeris<strong>ch</strong>e Gesells<strong>ch</strong>aft für <strong>Garten</strong>kultur) und ers<strong>ch</strong>eint<br />

jährli<strong>ch</strong>. Das Abonnement ist für Mitglieder der SGGK <strong>im</strong> Jahresbeitrag<br />

inbegriffen.<br />

http://www.sggk.<strong>ch</strong><br />

Redaktion<br />

Annemarie Bu<strong>ch</strong>er, Dr. sc. ETH (bu<strong>ch</strong>er@sggk.<strong>ch</strong>)<br />

Johannes Stoffler, Dr. sc. ETH, Dipl.-Ing. (stoffler@sggk.<strong>ch</strong>)<br />

Übersetzungen Resumés<br />

Anne Devaux<br />

Topiaria 2012 bes<strong>ch</strong>äftigt si<strong>ch</strong> mit dem Thema « Pflanzen auf Reisen<br />

» (Arbeitstitel). Manuskripte und Anfragen sind an die Adresse<br />

der Redaktion zu ri<strong>ch</strong>ten. Ein Anspru<strong>ch</strong> auf Veröffentli<strong>ch</strong>ung besteht<br />

ni<strong>ch</strong>t. Für unverlangt eingesandte Manuskripte und Abbildungen<br />

übernehmen Verlag und Redaktion keine Haftung.<br />

Das vorliegende Werk eins<strong>ch</strong>liessli<strong>ch</strong> aller seiner Teile ist urheberre<strong>ch</strong>tli<strong>ch</strong><br />

ges<strong>ch</strong>ützt. Jede Verwertung ausserhalb der engen Grenzen<br />

des Urheberre<strong>ch</strong>tsgesetzes ist ohne Zust<strong>im</strong>mung des Verlages<br />

unzulässig und strafbar. Das gilt besonders für Vervielfältigungen,<br />

Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspei<strong>ch</strong>erung und<br />

Verarbeitung in elektronis<strong>ch</strong>en Systemen.<br />

Die Autoren und die Redaktion haben si<strong>ch</strong> bemüht, alle Inhaber von<br />

Urheberre<strong>ch</strong>ten ausfindig zu ma<strong>ch</strong>en. Sollten dabei Fehler unterlaufen<br />

sein, werden diese bei entspre<strong>ch</strong>ender Bena<strong>ch</strong>ri<strong>ch</strong> tigung <strong>im</strong><br />

na<strong>ch</strong>folgenden Jahrgang ri<strong>ch</strong>tiggestellt.<br />

Bibliografis<strong>ch</strong>e Information<br />

der Deuts<strong>ch</strong>en Nationalbibliothek<br />

Die Deuts<strong>ch</strong>e Nationalbibliothek verzei<strong>ch</strong>net diese Publikation in der<br />

Deuts<strong>ch</strong>en Nationalbibliografie; detaillierte bibliografis<strong>ch</strong>e Daten<br />

sind <strong>im</strong> Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.<br />

© 2011, für diese Ausgabe:<br />

vdf Ho<strong>ch</strong>s<strong>ch</strong>ulverlag AG an der ETH Züri<strong>ch</strong><br />

www.vdf.ethz.<strong>ch</strong><br />

verlag@vdf.ethz.<strong>ch</strong><br />

© Text: bei den Autoren<br />

© Abbildungen: bei den Bildautoren bzw. deren Re<strong>ch</strong>tsna<strong>ch</strong>folgern<br />

ISBN 978-3-7281-3333-5<br />

Ums<strong>ch</strong>lagbild: Fotografie Annemarie Bu<strong>ch</strong>er


Der <strong>Farbe</strong>ngarten der ZÜGA.<br />

Ein Exper<strong>im</strong>ent der Moderne am Züri<strong>ch</strong>see<br />

Johannes Stoffler<br />

Im Sommer des Jahres 1933 erregte ein ungewöhnli<strong>ch</strong>er<br />

<strong>Garten</strong> am linken Ufer des Züri<strong>ch</strong>sees den<br />

Unmut des Publikums. Ein « Se<strong>ch</strong>zehnender » oder ein<br />

« Riesenpolyp » sei hier den Besu<strong>ch</strong>ern der ZÜGA, der<br />

Zür<strong>ch</strong>er <strong>Garten</strong>bauausstellung, zugemutet worden. Kaum<br />

zu ertragen seien seine « grellfarbigen Blumenarme ».1<br />

Die Kritik galt dem <strong>Farbe</strong>ngarten <strong>im</strong> Herzen des Geländes,<br />

der mit kräftigen Farbtönen in Gelb, Orange, Rot und<br />

Weiss und einem ungewöhnli<strong>ch</strong>en, biomorphen Grundriss<br />

auf si<strong>ch</strong> aufmerksam ma<strong>ch</strong>te. S<strong>ch</strong>öpfer des umstrittenen<br />

Werks war der Zür<strong>ch</strong>er <strong>Garten</strong>ar<strong>ch</strong>itekt Gustav Ammann<br />

(1885–1955), der in enger Zusammenarbeit mit seinen<br />

Berufskollegen und dem Ar<strong>ch</strong>itekten Karl Egender (1897–<br />

1969) das Gesamtkonzept der Ausstellung entwickelt<br />

hatte.2 Veranstalter der Ausstellung, die vom 24. Juni bis<br />

zum 17. September dauerte, war der Zür<strong>ch</strong>er Handelsgärtnerverein,<br />

der in Zeiten wirts<strong>ch</strong>aftli<strong>ch</strong>er Depression eine<br />

Leistungss<strong>ch</strong>au veranstalten wollte, um der stagnierenden<br />

Auftragslage der Gärtners<strong>ch</strong>aft neuen S<strong>ch</strong>wung zu verleihen.<br />

Diese Leistungss<strong>ch</strong>au – das war die Bots<strong>ch</strong>aft der<br />

Ausstellung – sollte ni<strong>ch</strong>t nur auf das Feld der Hortikultur<br />

bes<strong>ch</strong>ränkt bleiben. Sie sollte au<strong>ch</strong> den Forts<strong>ch</strong>ritt in der<br />

<strong>Garten</strong>gestaltung präsentieren. Während dieser Forts<strong>ch</strong>ritt<br />

auf der Zür<strong>ch</strong>er <strong>Garten</strong>s<strong>ch</strong>au <strong>im</strong> Jahre 1912 no<strong>ch</strong><br />

in Form des streng formal organisierten Ar<strong>ch</strong>itekturgartens<br />

dargestellt wurde, manifestierte si<strong>ch</strong> auf der ZÜGA<br />

der Dur<strong>ch</strong>bru<strong>ch</strong> der <strong>Garten</strong>gestaltung der Moderne, die<br />

zwis<strong>ch</strong>en Naturalismus und Abstraktion <strong>ch</strong>angierte. In<br />

Abb. 1: Gustav Ammanns <strong>Farbe</strong>ngarten an der ZÜGA 1933.<br />

diesem Rahmen nahm Ammanns <strong>Farbe</strong>ngarten eine prominente<br />

Rolle ein. Er war das Ergebnis einer beständigen,<br />

kritis<strong>ch</strong>en Auseinandersetzung mit Fragen der Pflanzen­


verwendung, der Farbkomposition und der Form <strong>im</strong><br />

<strong>Garten</strong>. Eine Auseinandersetzung, die bis in die Anfänge<br />

von Ammanns Ausbildung zurückrei<strong>ch</strong>te.<br />

Ar<strong>ch</strong>itektonis<strong>ch</strong>e Farbwirkungen<br />

In den grossen deuts<strong>ch</strong>en <strong>Garten</strong>bauausstellungen des<br />

frühen 20. Jahrhunderts in Düsseldorf (1904), Darmstadt<br />

(1905) und Mannhe<strong>im</strong> (1907) avancierte der <strong>Farbe</strong>ngarten<br />

zu einem beliebten Motiv.3 Die Ausstellungen und ihre<br />

Sondergärten standen unter dem Eindruck der Kunstgewerbereform,<br />

die si<strong>ch</strong> bewusst von der bürgerli<strong>ch</strong>en Kultur<br />

des vergangenen Jahrhunderts abgrenzen wollte. Als<br />

« farbige Raumkunst»4 <strong>im</strong> Freien distanzierten sie si<strong>ch</strong><br />

von der historistis<strong>ch</strong>en – wie Alfred Li<strong>ch</strong>twark bemerkte<br />

– « trüben Farbst<strong>im</strong>mung, die für altdeuts<strong>ch</strong> galt ».5 Die<br />

Gärten vermittelten stattdessen eine neue, intensive Art<br />

von Farbigkeit, die signalhaft den Weg in eine neue ästhetis<strong>ch</strong>e<br />

Kultur des jungen Jahrhunderts weisen sollte.<br />

Der erste Ausstellungsgarten, der das Thema der <strong>Farbe</strong><br />

neuartig konzentriert aufgriff und « in der <strong>Farbe</strong>nbewegung<br />

in starkem Maß <strong>im</strong>pulsgebend » wirken sollte, wurde<br />

vom Sezessionskünstler und Ar<strong>ch</strong>itekten Joseph Maria<br />

Olbri<strong>ch</strong> (1867–1908) 1905 auf der <strong>Garten</strong>bauausstellung<br />

in Darmstadt dem Publikum vorgestellt.6 Er bestand aus<br />

einem blauen, einem roten und einem gelben <strong>Garten</strong>teil,<br />

deren mono<strong>ch</strong>rome Blumenbeete – vorwiegend aus Massenpflanzungen<br />

einer Art von Sommerblumen, aber au<strong>ch</strong><br />

von Stauden und Rosen – in geometris<strong>ch</strong>-ornamentalen<br />

Mustern des Jugendstils ausgebildet waren.7 Alle drei<br />

Gärten waren Senkgärten, die dur<strong>ch</strong> Rasenbös<strong>ch</strong>ungen<br />

oder bewa<strong>ch</strong>sene Sandsteinmauern eingefasst und dur<strong>ch</strong><br />

einzelne Ausstattungselemente wie weisse Bänke oder<br />

Lauben aus Treillagenwerk akzentuiert wurden. Wie radikal<br />

Olbri<strong>ch</strong> sein Farbkonzept <strong>im</strong> <strong>Garten</strong> umsetzte, wird<br />

Abb. 2: Der rote <strong>Garten</strong> von Joseph Maria Olbri<strong>ch</strong> an der Allgemeinen <strong>Garten</strong>bau-Ausstellung in Darmstadt 1905.<br />

30 Der <strong>Farbe</strong>ngarten der ZÜGA. Ein Exper<strong>im</strong>ent der Moderne am Züri<strong>ch</strong>see • Johannes Stoffler


darin deutli<strong>ch</strong>, dass er anfangs sogar das Wasser <strong>im</strong> roten<br />

<strong>Garten</strong> rot färben liess.<br />

Für Ammann und die <strong>Garten</strong>ar<strong>ch</strong>itekten seiner<br />

Generation wurden die Ausstellungsgärten jener Zeit ein<br />

leu<strong>ch</strong>tendes Vorbild für ihre eigene Arbeit: « Voll Begeisterung<br />

zogen wir Jungen damals umher in den Gärten,<br />

die ein Olbri<strong>ch</strong>, ein Behrens, ein Läuger ges<strong>ch</strong>affen. Mit<br />

mä<strong>ch</strong>tiger Ar<strong>ch</strong>itektur, mit Konzentrieren und Bes<strong>ch</strong>ränkung<br />

auf wenige Motive und <strong>Farbe</strong>n wurden Wirkungen<br />

erzielt, wie s<strong>ch</strong>on lange ni<strong>ch</strong>t mehr. So sind sie uns denn<br />

zum Ereignis geworden und stets tau<strong>ch</strong>ten sie in unserer<br />

Erinnerung wieder auf, wenn wir über neuen Entwürfen<br />

sassen.»8<br />

Das Bestreben, die <strong>Farbe</strong> ungewöhnli<strong>ch</strong> konzentriert<br />

<strong>im</strong> <strong>Garten</strong> einzusetzen, wurde zu einem Merkmal der<br />

Ar<strong>ch</strong>itekturgärten, wie sie von nun an bis Ende der 1920er<br />

Jahre au<strong>ch</strong> in der S<strong>ch</strong>weiz angelegt wurden. Die ar<strong>ch</strong>itektonis<strong>ch</strong>e<br />

Wirkung dieser Gärten beruhte ni<strong>ch</strong>t allein auf<br />

einem geometris<strong>ch</strong> organisierten Grundriss, der jenen des<br />

Hauses unter freiem H<strong>im</strong>mel fortsetzte. Sie bestand au<strong>ch</strong><br />

in der effektvollen Steigerung ihrer räumli<strong>ch</strong>en Wirkung<br />

dur<strong>ch</strong> den Einsatz kräftiger Farbgebungen von <strong>Garten</strong>ar<strong>ch</strong>itekturen<br />

und Blütenpflanzungen. Der Farbpalette<br />

seiner Gärten widmete Ammann folgli<strong>ch</strong> besondere<br />

Aufmerksamkeit. Hier plädierte er für starke Wirkungen:<br />

« Im Allgemeinen bin i<strong>ch</strong> <strong>im</strong> <strong>Garten</strong> gegen das Bre<strong>ch</strong>en<br />

der klaren Farbtöne, wie es <strong>im</strong> Wohnraum übli<strong>ch</strong> ist.<br />

Wenn i<strong>ch</strong> die <strong>Farbe</strong> hier anwende, dann ges<strong>ch</strong>ieht es resolut.»9<br />

Ammanns Gärten waren deshalb ausgespro<strong>ch</strong>en<br />

farbkräftig, was si<strong>ch</strong> au<strong>ch</strong> in seinen Entwürfen für <strong>Garten</strong>möbel<br />

und <strong>Garten</strong>ar<strong>ch</strong>itekturen widerspiegelte. Mittelblaue<br />

Pergolen oder ockergelbe Bänke mit roten Armlehnen<br />

setzten Akzente in seinen Gärten, die aus heutiger<br />

Si<strong>ch</strong>t überras<strong>ch</strong>end bunt wirken und eine Vorstellung von<br />

der « Harmonie der <strong>Farbe</strong>n»10 vermitteln, die aufgrund<br />

der zahlrei<strong>ch</strong>en überlieferten S<strong>ch</strong>warz-Weiss-Fotografien<br />

jener Zeit nur no<strong>ch</strong> s<strong>ch</strong>wer na<strong>ch</strong>zuvollziehen ist.<br />

Au<strong>ch</strong> die Pflanzenverwendung jener frühen Ar<strong>ch</strong>itekturgärten<br />

in Ammanns Werk war bisweilen « resolut ».<br />

Dies betraf vor allem die Rabatten aus Massenpflanzungen<br />

von einjährigen Sommerblumen, in denen beispielsweise<br />

rote Streifen aus Begonien mit einem blauen Grund von<br />

Ageratum kontrastierten. Zumindest <strong>im</strong> Hausgarten problematis<strong>ch</strong><br />

an der Verwendung derartiger Pflanzungen war<br />

allerdings – ganz abgesehen von den Kosten – die verhältnismässig<br />

kurze Dauer der opt<strong>im</strong>alen Farbwirkung zwis<strong>ch</strong>en<br />

Auf- und Abblühen der Pflanzung. Blühfreudiger<br />

und günstiger waren hingegen die gemis<strong>ch</strong>ten Staudenrabatten,<br />

die unter dem Einfluss englis<strong>ch</strong>er und deuts<strong>ch</strong>er<br />

Vorbilder bereits in Ammanns Ar<strong>ch</strong>itekturgärten stetig an<br />

Bedeutung gewannen. Mit den neuen Staudenrabatten zog<br />

freili<strong>ch</strong> au<strong>ch</strong> eine neue Farbästhetik in die Gärten ein.<br />

« Natürli<strong>ch</strong>es » <strong>Farbe</strong>nspiel<br />

Im Jahre 1929, vier Jahre vor dem <strong>Farbe</strong>ngarten auf der<br />

ZÜGA, bekannte si<strong>ch</strong> Ammann erstmals öffentli<strong>ch</strong> zu<br />

seinem Bru<strong>ch</strong> mit dem Ar<strong>ch</strong>itekturgarten. Er forderte<br />

stattdessen den « natürli<strong>ch</strong>en <strong>Garten</strong> », wie er den neuen<br />

Wohngarten der Moderne anfangs au<strong>ch</strong> bezei<strong>ch</strong>nete.11<br />

Diese neue, « natürli<strong>ch</strong>e » Gestaltung verstand den <strong>Garten</strong><br />

ni<strong>ch</strong>t mehr als Teil des Hauses, sondern als Teil der Lands<strong>ch</strong>aft.<br />

Der <strong>Garten</strong> wurde zur gärtneris<strong>ch</strong>en Interpretation<br />

von Aspekten der freien Natur- und Kulturlands<strong>ch</strong>aft, die<br />

mit der Ar<strong>ch</strong>itektur in einen maleris<strong>ch</strong>en Kontrast trat.<br />

Hierin folgte Ammann einerseits den Vorstellungen zahlrei<strong>ch</strong>er<br />

Ar<strong>ch</strong>itekten der Moderne, die wie Le Corbusier die<br />

« Natur ums Haus » forderten, wel<strong>ch</strong>e mit den neuartigen,<br />

kristallinen Baukörpern in einen spannungsvollen<br />

Dialog treten sollte.12 Andererseits knüpfte er aber au<strong>ch</strong><br />

an die Ästhetik des englis<strong>ch</strong>en « Wild Garden » an, der<br />

Exoten und Wildblumen in extensiv gepflegten Berei<strong>ch</strong>en<br />

lands<strong>ch</strong>aftli<strong>ch</strong>er Parkanlagen maleris<strong>ch</strong> einbra<strong>ch</strong>te.13 Im<br />

Gegensatz zum Ar<strong>ch</strong>itekturgarten sollte der « natürli<strong>ch</strong> »<br />

gestaltete <strong>Garten</strong> ein tägli<strong>ch</strong> nutzbarer Aufenthaltsort<br />

sein, ein Wohngarten jenseits repräsentativer Etikette.<br />

Und s<strong>ch</strong>liessli<strong>ch</strong> – au<strong>ch</strong> das war angesi<strong>ch</strong>ts wirts<strong>ch</strong>aftli<strong>ch</strong>er<br />

Krisenzeiten eine zeitgemässe Forderung – sollte der<br />

<strong>Garten</strong> in Anlage und Unterhalt mögli<strong>ch</strong>st preiswert sein<br />

und tunli<strong>ch</strong>st auf die aufwendigen Bauwerke und Terrassierungen<br />

des Ar<strong>ch</strong>itekturgartens verzi<strong>ch</strong>ten.<br />

Mit dem neuen, « natürli<strong>ch</strong>en » Gestaltungsideal<br />

gehörten die Massenpflanzungen aus Sommerblumen<br />

Topiaria Helvetica 31


Abb. 3: Rittersporn, Phlox und Kletterrose <strong>im</strong> « stillen » <strong>Farbe</strong>nspiel. Bepf lanzungs aspekt aus Karl Foersters Bu<strong>ch</strong> Vom<br />

Blütengarten der Zukunft, 1922 .<br />

in den Gärten endgültig der Vergangenheit an. Selbst<br />

dort, wo sie si<strong>ch</strong> einst in Ammanns Ar<strong>ch</strong>itekturgärten<br />

befunden hatten, waren sie – bestärkt dur<strong>ch</strong> die Publikationen<br />

des deuts<strong>ch</strong>en Staudenzü<strong>ch</strong>ters Karl Foerster<br />

(1874–1970) – bereits während des Ersten Weltkriegs<br />

sukzessive den gemis<strong>ch</strong>ten Staudenrabatten englis<strong>ch</strong>en<br />

Vorbilds gewi<strong>ch</strong>en.14 « Wie wir den <strong>Garten</strong> heute sehen »,<br />

so bekannte Ammann 1929, « wie wir ihn aufteilen und<br />

gliedern, wie wir alles Steife und jede Härte <strong>im</strong> Ausdruck<br />

zu vermeiden su<strong>ch</strong>en, […] es ges<strong>ch</strong>ieht <strong>im</strong>mer über die<br />

englis<strong>ch</strong>e Brille, ob wir wollen oder ni<strong>ch</strong>t.»15 Tatsä<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong><br />

war Ammann ein grosser Verehrer Gertrude Jekylls<br />

(1843–1932), deren Gärten er aus eigener Ans<strong>ch</strong>auung<br />

kannte. Ihren Umgang mit <strong>Farbe</strong> in ihren Pflanzungen<br />

hatte die englis<strong>ch</strong>e Staudengärtnerin bereits 1908 in<br />

ihrem Bu<strong>ch</strong> Colour in the Flower Garden publiziert.16<br />

Jekyll arbeitete in ihren Rabatten mit « Drifts », also<br />

langgezogenen, dünnen, blühenden Staudengruppen, die<br />

<strong>im</strong> Laufe des Jahres abwe<strong>ch</strong>selnd und in rhythmis<strong>ch</strong>en<br />

Abständen in den Vordergrund traten.17 Diese delikaten<br />

Kompositionen unters<strong>ch</strong>ieden si<strong>ch</strong> grundlegend von<br />

jenen der teppi<strong>ch</strong>artigen Sommerblumenpflanzungen<br />

und bunten Staudenbeeten des frühen Ar<strong>ch</strong>itekturgartens.<br />

Denn statt der monumentalen Wirkung einer <strong>Farbe</strong><br />

oder eines Farbkontrastes wurde das Spiel mit lei<strong>ch</strong>t<br />

<strong>ch</strong>angierenden Farbtönen wi<strong>ch</strong>tiger. In den Vordergrund<br />

traten au<strong>ch</strong> Blattwerk, Habitus und Höhenstaffelung der<br />

Pflanzen, wel<strong>ch</strong>e die « grafis<strong>ch</strong>e » Dominanz der <strong>Farbe</strong><br />

bra<strong>ch</strong>en und sie in einen differenzierteren gärtneris<strong>ch</strong>en<br />

Zusammenhang stellten. Neueinführungen exotis<strong>ch</strong>er<br />

Pflanzen und Zü<strong>ch</strong>tungserfolge erweiterten die für die<br />

neuen ästhetis<strong>ch</strong>en Vorlieben taugli<strong>ch</strong>e Pflanzenpalette<br />

32 Der <strong>Farbe</strong>ngarten der ZÜGA. Ein Exper<strong>im</strong>ent der Moderne am Züri<strong>ch</strong>see • Johannes Stoffler


Abb. 4: Jardin d’Eau et de Lumière von Gabriel Guevrekian in Paris, 1925.<br />

beträ<strong>ch</strong>tli<strong>ch</strong>. Das kontinentale « Kunterbunt », das in<br />

man<strong>ch</strong>en Gärten der 1920er-Jahre no<strong>ch</strong> vorgeherrs<strong>ch</strong>t<br />

hatte, wi<strong>ch</strong> so zunehmend einer subtilen Ästhetik von<br />

<strong>Farbe</strong> und Textur.18 Wie erfolgrei<strong>ch</strong> der « Siegeslauf edler,<br />

stiller <strong>Farbe</strong>n » in den Gärten der S<strong>ch</strong>weiz und Deuts<strong>ch</strong>lands<br />

seit den 1920er-Jahren war, hielt no<strong>ch</strong> <strong>im</strong> Jahr 1942<br />

Karl Foerster fest: « Der Mens<strong>ch</strong> dringt <strong>im</strong>mer staunender<br />

in die Wunder des <strong>Farbe</strong>nrei<strong>ch</strong>es. […] Hierbei verläßt<br />

er den alten fals<strong>ch</strong>en Weg der theoretis<strong>ch</strong>en Spektralfarben<br />

und legt die <strong>Farbe</strong>n des Lebens und der atmosphäris<strong>ch</strong>en<br />

Natur zugrunde. […] Zahllose Blumenfarben gab<br />

es früher nur in derben Stufungen. Plötzli<strong>ch</strong> haben hier<br />

best<strong>im</strong>mte Abarten und Zü<strong>ch</strong>tungen die Führung übernommen<br />

und S<strong>ch</strong>ritt für S<strong>ch</strong>ritt vornehme Zauberrei<strong>ch</strong>e<br />

über jenen derben Gründen erri<strong>ch</strong>tet.»19<br />

Von Gärten und Avantgarden<br />

Der <strong>Farbe</strong>ngarten der ZÜGA war glei<strong>ch</strong> in zweifa<strong>ch</strong>er<br />

Hinsi<strong>ch</strong>t ein gestalteris<strong>ch</strong>es Exper<strong>im</strong>ent. Zum einen griff<br />

er das Thema « <strong>Farbe</strong> » vor dem Hintergrund der veränderten<br />

Farbästhetik und Pflanzenverwendung auf. Zum<br />

anderen reflektierte er Ammanns Su<strong>ch</strong>e na<strong>ch</strong> einer neuen<br />

Form, die in der Auseinandersetzung mit der Kunst und<br />

den Gärten der Avantgarden der Moderne stattfand.<br />

Bereits seit Mitte der 1920er Jahre hatte Ammann die<br />

neuen avantgardistis<strong>ch</strong>en Stömungen des Jahrzehnts –<br />

zunä<strong>ch</strong>st eher abwartend – verfolgt. Ihre verbreitete Lust<br />

am Konstruktiven und an abstrakten Geometrien wurde<br />

in Frankrei<strong>ch</strong> bereits 1925 an der Exposition internationale<br />

des Arts Décoratifs et Industriels Modernes dem Publikum<br />

vorgestellt. Der « Jardin d’eau et de lumière » von Gabriel<br />

Topiaria Helvetica 33


Abb. 5: Präsentationszei<strong>ch</strong>nung von Gunnar Asplunds <strong>Farbe</strong>ngarten von Rudolf Persson für die Stockholmer Werkbundausstellung<br />

1930.<br />

Guevrekian (1900–1970) basierte <strong>im</strong> Grundriss und in<br />

seinen Ausstellungselementen auf Variationen der Form<br />

des Dreiecks, die formal mit einer von innen beleu<strong>ch</strong>teten,<br />

bunten Glaskugel kontrastierten.20 In der grafis<strong>ch</strong>en Disposition<br />

des <strong>Garten</strong>s war die Pflanze zum gelben, roten,<br />

weissen oder blauen Farbpigment reduziert – ein Ansatz,<br />

den Guevrekian au<strong>ch</strong> für seinen dreieckigen <strong>Garten</strong> bei<br />

der Villa Noailles <strong>im</strong> südfranzösis<strong>ch</strong>en Hyères von 1926<br />

gewählt hatte. So neuartig diese Gärten in formaler Hinsi<strong>ch</strong>t<br />

au<strong>ch</strong> in Ers<strong>ch</strong>einung traten, so wenig Neues hatten<br />

sie letztli<strong>ch</strong> hinsi<strong>ch</strong>tli<strong>ch</strong> Farbkomposition und Pflanzenverwendung<br />

zu bieten. Für Ammann, der <strong>Garten</strong>gestaltung<br />

au<strong>ch</strong> als hortikulturelle Herausforderung begriff,<br />

waren derartige Exper<strong>im</strong>ente deshalb kaum hilfrei<strong>ch</strong> für<br />

den Entwurf seines <strong>Farbe</strong>ngartens an der ZÜGA. Hinzu<br />

kam, dass Ammann inzwis<strong>ch</strong>en den <strong>Garten</strong> ni<strong>ch</strong>t mehr<br />

als Ar<strong>ch</strong>itektur betra<strong>ch</strong>tete und – wie er angesi<strong>ch</strong>ts der<br />

Villa Noailles bekannte – den Versu<strong>ch</strong>en, « den <strong>Garten</strong><br />

in formaler Beziehung strenger, viellei<strong>ch</strong>t den modernen<br />

Bauprinzipien verwandter zu gestalten », wenig abgewinnen<br />

konnte.21<br />

Au<strong>ch</strong> Gunnar Asplunds (1885–1940) <strong>Farbe</strong>ngarten<br />

auf der Werkbundausstellung in Stockholm 1930 bot si<strong>ch</strong><br />

kaum als Vorbild für Ammanns Exponat an.22 Während<br />

die ZÜGA die Lage am Wasser, die modernen Fla<strong>ch</strong>da<strong>ch</strong>bauten<br />

und ihre maleris<strong>ch</strong>e Verfle<strong>ch</strong>tung mit dem<br />

alten Baumbestand bewusst dem s<strong>ch</strong>wedis<strong>ch</strong>en Vorbild<br />

na<strong>ch</strong>empfand, blieb Asplunds <strong>Farbe</strong>ngarten davon ausges<strong>ch</strong>lossen.<br />

Asplund hatte auf dem Festplatz der Stockholmer<br />

Ausstellung – deren Chefar<strong>ch</strong>itekt er glei<strong>ch</strong>zeitig<br />

war – lange Reihen von Pflanztrögen aufstellen lassen,<br />

deren Sommerflor kräftig in Weiss, Gelb, Orange und<br />

Rot leu<strong>ch</strong>tete. Zwis<strong>ch</strong>en den Kübeln, die auf Ständern<br />

präsentiert wurden, sollte der Besu<strong>ch</strong>er inmitten eines<br />

34 Der <strong>Farbe</strong>ngarten der ZÜGA. Ein Exper<strong>im</strong>ent der Moderne am Züri<strong>ch</strong>see • Johannes Stoffler


lühenden Feldes Platz nehmen können, um auszuruhen.<br />

Sowohl die <strong>Farbe</strong>n als au<strong>ch</strong> die lineare Ausri<strong>ch</strong>tung der<br />

Pflanztröge nahmen die Charakteristika der langgezogenen<br />

Sonnenstoren des dahinter liegenden Restaurants<br />

auf und setzten diese in der Flä<strong>ch</strong>e fort. Damit verstand<br />

Asplund die Installation als Bestandteil seiner Ar<strong>ch</strong>itektur,<br />

als ihr funktionales Ornament, das zuglei<strong>ch</strong> vollkommen<br />

reversibel war. Denn fand eine Veranstaltung auf dem<br />

Festplatz statt, konnte der ganze <strong>Farbe</strong>ngarten kurzerhand<br />

abgeräumt werden. Do<strong>ch</strong> au<strong>ch</strong> dieses Konzept zwis<strong>ch</strong>en<br />

ephemerer Installation und Ar<strong>ch</strong>itekturmöbel entspra<strong>ch</strong><br />

wohl kaum Ammanns Vorstellung von <strong>Garten</strong>gestaltung.<br />

Hinzu kam, dass es für eine <strong>Garten</strong>bauausstellung grundsätzli<strong>ch</strong><br />

abwegig gewesen wäre, ein wi<strong>ch</strong>tiges Exponat so<br />

zu konstruieren, dass man es aus dem Zentrum abtransportieren<br />

lassen könnte.<br />

Was letztli<strong>ch</strong> Ammann für den eigenwilligen biomorphen<br />

Grundriss des <strong>Farbe</strong>ngartens inspiriert hat,<br />

lässt si<strong>ch</strong> heute ni<strong>ch</strong>t mehr eindeutig na<strong>ch</strong>weisen. Eine<br />

wi<strong>ch</strong>tige und frühe Inspiration dafür dürfte jedo<strong>ch</strong> die<br />

Ausstellung Neue Optik <strong>im</strong> Zür<strong>ch</strong>er Kunsthaus gewesen<br />

sein, die 1929 als eine der ersten Ausstellungen weltweit<br />

einen Quers<strong>ch</strong>nitt dur<strong>ch</strong> die Kunst der Moderne präsentierte.<br />

Die Ausstellung zeigte heterogene Gruppierungen<br />

aus « Futuristen, Kubisten, abstrakten Malern, Konstruktivisten,<br />

au<strong>ch</strong> Surrealisten und Gruppen, die in Bildung<br />

begriffen sind.»23 Ausgestellt waren Werke von 40 Künstlern,<br />

darunter Hans Arp, Constantin Brancusi, Theo van<br />

Doesburg, Max Ernst, Wassily Kandinsky, Paul Klee,<br />

Fernand Léger, Joan Miró, Piet Mondrian, Pablo Picasso<br />

und Kurt S<strong>ch</strong>witters. Massgebli<strong>ch</strong> an der Konzeption<br />

der Ausstellung beteiligt war die Kunstkritikerin Carola<br />

Giedion-Welcker (1893–1979). Das Ziel der neuen Bewegung,<br />

so s<strong>ch</strong>rieb sie, sei die ständige Vereinfa<strong>ch</strong>ung und<br />

Vertiefung mens<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong>er Wahrnehmung: « Viel intensiver<br />

als um Formprobleme ging es hier um die neuen Inhalte<br />

der Kunst, um die vertiefte Einstellung des Künstlers<br />

auf den verborgenen, inneren Klang der Welt. Vom<br />

Si<strong>ch</strong>tbaren, von den Zufälligkeiten der äusseren Ers<strong>ch</strong>einung<br />

distanzierte man si<strong>ch</strong>, um zum Wesentli<strong>ch</strong>en, zur<br />

geistigen Essenz zu gelangen.»24 Man<strong>ch</strong>e dieser Künstler<br />

nahmen Formen der Natur zum Ausgangspunkt ihrer<br />

Abb. 6: Objets plastiques. Bemaltes Holzrelief von Hans Arp<br />

auf der Ausstellung <strong>im</strong> Kunsthaus Züri<strong>ch</strong>, 1929.<br />

Abstraktionen, wie beispielsweise Hans Arp (1886–1966)<br />

festhielt: « In Ascona zei<strong>ch</strong>nete i<strong>ch</strong> mit Pinsel und Tus<strong>ch</strong>e<br />

abgebro<strong>ch</strong>ene Äste, Wurzeln, Gräser, Steine, die der See<br />

an den Strand gespült hatte. Diese Formen vereinfa<strong>ch</strong>te<br />

i<strong>ch</strong> und vereinigte ihr Wesen in bewegten Ovalen, Sinnbildern<br />

der ewigen Verwandlung und des Werdens der<br />

Körper.»25 Ob Ammann diesen Weg für seinen <strong>Farbe</strong>ngarten<br />

selbst ging oder ob er ledigli<strong>ch</strong> den von Künstlern<br />

wie Arp vorgebahnten Weg plakativ na<strong>ch</strong>vollzog, bleibt<br />

dahingestellt. Fest steht jedo<strong>ch</strong>, dass er si<strong>ch</strong> in jener Zeit<br />

mit dem Mittel der Abstraktion in Kunst und Philosophie<br />

bes<strong>ch</strong>äftigte.26<br />

Das Exper<strong>im</strong>ent des Gärtners<br />

Ni<strong>ch</strong>t nur die biomorphe Form, sondern au<strong>ch</strong> die Materialisierung<br />

des <strong>Farbe</strong>ngartens der ZÜGA war neu. Als<br />

Einfassung der Pflanzfelder verwendete Ammann bewusst<br />

moderne Materialien wie neuartige Betonkammersteine,<br />

die ni<strong>ch</strong>t nur billig und lei<strong>ch</strong>t zu verlegen waren, sondern<br />

au<strong>ch</strong> eine interessante Oberflä<strong>ch</strong>entextur aufwiesen.<br />

Zahlrei<strong>ch</strong>e Pfade aus Betonplatten dur<strong>ch</strong>zogen den <strong>Farbe</strong>ngarten.<br />

Neben der Pflanzung bildeten sie eine zweite,<br />

Topiaria Helvetica 35


Abb. 7: Der <strong>Farbe</strong>ngarten an der ZÜGA <strong>im</strong> Juli 1933.<br />

autonome Struktur, wel<strong>ch</strong>e die Beete begleitete oder<br />

s<strong>ch</strong>nitt. Auf diesen Wegen sollte der Besu<strong>ch</strong>er der Ausstellung<br />

die Blütenpflanzung aus nä<strong>ch</strong>ster Nähe erfahren und<br />

erfors<strong>ch</strong>en können. Für die Anlage arbeitete Ammann mit<br />

der breiten Palette des Pflanzenrepertoires, wie sie si<strong>ch</strong> in<br />

den folgenden Jahren <strong>im</strong> Wohngarten etablierte. Vorherrs<strong>ch</strong>end<br />

waren ni<strong>ch</strong>t nur Stauden und Zwiebelpflanzen,<br />

sondern au<strong>ch</strong> Gehölze. Damit gewannen die Aspekte der<br />

Einzelpflanze verstärkt an Bedeutung und die vertikale<br />

D<strong>im</strong>ension des <strong>Garten</strong>s wurde dur<strong>ch</strong> Vegetation definiert.<br />

Ni<strong>ch</strong>t zuletzt bot der <strong>Garten</strong> au<strong>ch</strong> ein interessantes<br />

<strong>Farbe</strong>nspiel. Abseits von « derben Stufungen » oszillierte<br />

er <strong>im</strong> Berei<strong>ch</strong> orange-gelber Farbtöne, die dur<strong>ch</strong> weisse<br />

und rote Blütengruppen in ihrer Wirkung gesteigert<br />

wurden. Pflanzpläne des <strong>Garten</strong>s sind zwar ni<strong>ch</strong>t erhalten.<br />

In der überquellenden Vielfalt erkennbar sind aber<br />

etwa Madonnenlilie und Sonnenhut. Im Kontrast dazu<br />

standen Gehölze wie etwa die Blaufi<strong>ch</strong>te. Wel<strong>ch</strong>e Logistik<br />

und Beherrs<strong>ch</strong>ung des Pflanzenmaterials diese Anlage<br />

ermögli<strong>ch</strong>te wird deutli<strong>ch</strong>, wenn man die langsamen<br />

Entwicklungszeiten von Stauden und die überquellende<br />

Vegetation der temporären Rabatten des <strong>Farbe</strong>ngartens<br />

einander gegenüberstellt.<br />

Weder das Publikum no<strong>ch</strong> Ammanns Fa<strong>ch</strong>kollegen<br />

erkannten die innovative Leistung des <strong>Farbe</strong>ngartens.<br />

Der polemis<strong>ch</strong>en Kritik am « Grellfarbigen » oder<br />

36 Der <strong>Farbe</strong>ngarten der ZÜGA. Ein Exper<strong>im</strong>ent der Moderne am Züri<strong>ch</strong>see • Johannes Stoffler


« bizarr und Gesu<strong>ch</strong>ten » begegnete Ammann mit<br />

Unverständnis.27 Geradezu trotzig bekräftigte er den<br />

Sinn derartiger Exper<strong>im</strong>ente: « Es hat aber keinen Zweck,<br />

diesen Ausbru<strong>ch</strong> in freiere Gefilde nun als neue Mode<br />

oder als hypermodern an den Pranger zu stellen. Es war<br />

ein Versu<strong>ch</strong>, ein Ausstellungseffekt und damit basta, so<br />

der Rosengarten, Irrgarten usw. Nur ni<strong>ch</strong>t <strong>im</strong>mer si<strong>ch</strong> an<br />

Bestehendes klammern oder einen Stil su<strong>ch</strong>en wollen;<br />

si<strong>ch</strong> frei ma<strong>ch</strong>en, das sollte die Lehre sein.»28 Denno<strong>ch</strong><br />

war Ammann mit dem Wagnis des <strong>Farbe</strong>ngartens in die<br />

Defensive geraten. Und obwohl er einen verglei<strong>ch</strong>baren<br />

<strong>Garten</strong> an der S<strong>ch</strong>weizeris<strong>ch</strong>en Landesausstellung 1939<br />

erneut anlegen liess, blieben sol<strong>ch</strong> kühne Exper<strong>im</strong>ente in<br />

den folgenden Jahrzehnten die Ausnahme. Der <strong>Farbe</strong>ngarten<br />

der ZÜGA ist aber bis heute ein seltenes Beispiel<br />

jener Zeit für die Vers<strong>ch</strong>melzung hortikultureller Tradition<br />

und avantgardistis<strong>ch</strong>em Exper<strong>im</strong>ent – gestaltet von<br />

einem Gärtner.29<br />

1 Ammann, Gustav (1933). « Die <strong>Garten</strong>anlagen », in: S<strong>ch</strong>weizeris<strong>ch</strong>e<br />

Bauzeitung. 51. Jg., Nr. 10, S. 123; sowie S<strong>ch</strong>mid,<br />

Willy (1933). « Züga und <strong>Garten</strong>gestaltung », in: Neue<br />

Zür<strong>ch</strong>er Zeitung. 11.7.1933, Abendausgabe<br />

2 Stoff ler, Johannes (2008). Gustav Ammann. Lands<strong>ch</strong>aften<br />

der Moderne in der S<strong>ch</strong>weiz. Züri<strong>ch</strong>, S. 99–104<br />

3 <strong>Farbe</strong>ngärten spielten zwar bereits <strong>im</strong> späten Rokokogarten<br />

und Lands<strong>ch</strong>aftsgarten eine gewisse Rolle, wurden aber<br />

ni<strong>ch</strong>t als Träger eines verglei<strong>ch</strong>baren Reformprogramms<br />

verstanden und entspre<strong>ch</strong>end ni<strong>ch</strong>t radikal umgesetzt. Zu<br />

den Vorläufern vgl. Bäßler, Caroline (1998). Die <strong>Garten</strong>kunst<br />

<strong>im</strong> Spiegel der <strong>Garten</strong>bauausstellungen des frühen<br />

20. Jahrhunderts. Unveröff. Inaugural-Dissertation an der<br />

Katholis<strong>ch</strong>en Universität Ei<strong>ch</strong>stätt, S. 129<br />

4 Baer, Cas<strong>im</strong>ir Hermann (1911). Farbige Raumkunst, 120<br />

Entwürfe moderner Künstler. Stuttgart. Zum S<strong>ch</strong>weizer Kontext<br />

vgl. Gubler, Hans Martin (1980). « Die befreite <strong>Farbe</strong><br />

– zum Farbkl<strong>im</strong>a der Ar<strong>ch</strong>itektur um 1905–1910 », in:<br />

Von <strong>Farbe</strong> und <strong>Farbe</strong>n. Albert Knoepfli zum 70. Geburtstag.<br />

Hg. v. Institut für Denkmalpf lege an der ETH Züri<strong>ch</strong>,<br />

Züri<strong>ch</strong>, S. 193–199<br />

5 Li<strong>ch</strong>twark, Alfred (1907). Blumenkultus, Wilde Blumen.<br />

Berlin, S. 36<br />

6 Hottenträger, Grit (1996). <strong>Farbe</strong> <strong>im</strong> Freiraum. Zur Anwendung<br />

von <strong>Farbe</strong> und Farbtheorien in der <strong>Garten</strong>ar<strong>ch</strong>itektur<br />

des 19. und frühen 20. Jahrhunderts. Diss. TU Berlin, S. 181<br />

7 Vgl. Olbri<strong>ch</strong>, Joseph Maria (1905). Neue Gärten. Berlin,<br />

S. 43: Die Bepf lanzung des <strong>Garten</strong>s bestand aus « 1. Bengalrosen<br />

(Gruss an Teplitz), 2. Einfassungen aus Begonia<br />

semperf lorens, Mm. Emile de Cock und Altenathea naua<br />

compacta, 3. Canna indica, 4. Glänzendem Salbei, 5. Knollenbegonien,<br />

6. Buntlippe, 7. Pelargonien, Krani<strong>ch</strong>s<strong>ch</strong>nabel,<br />

8. Brands<strong>ch</strong>opf, 9. Virginis<strong>ch</strong>em Tabak, 10. Ho<strong>ch</strong>stämmigen<br />

Fu<strong>ch</strong>sien. »<br />

8 Ammann, Gustav (1913). « Neue Sondergärten », in:<br />

Die <strong>Garten</strong>kunst. 15. Jg., Nr. 5, S. 57<br />

9 Ammann, Gustav (1913). « <strong>Garten</strong>möbel », in: Die S<strong>ch</strong>weizeris<strong>ch</strong>e<br />

Baukunst. 5. Jg., Nr. 24, S. 347<br />

10 Ammann, Gustav (1913). « Entwicklung und Aufgaben der<br />

neuen <strong>Garten</strong>kunst », in: Neue Zür<strong>ch</strong>er Zeitung. 16. 5.1913,<br />

134. Jg., Nr. 134, Zweites Morgenblatt<br />

11 Ammann, Gustav (1929). « Vom Naturgarten zum natürli<strong>ch</strong>en<br />

<strong>Garten</strong> », in: Neue Zür<strong>ch</strong>er Zeitung. 1.September,<br />

150. Jg., Nr. 1674. Erste Sonntagsausgabe<br />

12 Le Corbusier/Jeanneret, Pierre (1927). Zwei Wohnhäuser.<br />

Stuttgart, S. 37<br />

13 Helmrei<strong>ch</strong>, Anne (1997). « Re-presenting Nature: Ideology.<br />

Art, and Science in William Robinson’s ‹Wild Garden›»,<br />

in: Wols<strong>ch</strong>ke-Bulmahn, Joa<strong>ch</strong><strong>im</strong> (Hg.), Nature and Ideology.<br />

Natural Garden Design in the Twentieth Century. Washington,<br />

S. 85<br />

14 Insbesondere: Foerster, Karl (1913). Winterharte Blütenstauden<br />

und Sträu<strong>ch</strong>er der Neuzeit. Leipzig; und ders.<br />

(1922). Vom Blütengarten der Zukunft. Berlin<br />

15 Ammann, Gustav (1929). « Vom Naturgarten zum natürli<strong>ch</strong>en<br />

<strong>Garten</strong> », in: Neue Zür<strong>ch</strong>er Zeitung, 1.9.1929, 150. Jg.,<br />

Nr. 1674, Erste Sonntagsausgabe<br />

16 Jekyll, Gertrude (1908). Colour in the Flower Garden.<br />

London<br />

17 Bisgrove, Ri<strong>ch</strong>ard (1992). The Gardens of Gertrude Jekyll.<br />

Boston/Toronto/London, S. 44<br />

18 Hirs<strong>ch</strong>, Wilhelm (1931). « Der <strong>Garten</strong>raum und sein Hauptbaustoff:<br />

die Pf lanze », in: Die <strong>Garten</strong>kunst. 44. Jg., Nr. 6,<br />

S. 83<br />

19 Foerster, Karl (1942). « Neues Leben mit <strong>Farbe</strong>n <strong>im</strong> Gange<br />

unseres Jahrhunderts » in: <strong>Garten</strong>bau <strong>im</strong> Rei<strong>ch</strong>. 23. Jg. der<br />

<strong>Garten</strong>s<strong>ch</strong>önheit, August, S. 125<br />

20 Imbert, Dorothée (1993). The modernist <strong>Garten</strong> in France.<br />

New Haven/London, S. 126–128<br />

21 Ammann, Gustav (1934). « <strong>Garten</strong>kultur », in: S<strong>ch</strong>weizeris<strong>ch</strong>e<br />

Bauzeitung, 52. Jg., Nr. 103, S. 117<br />

Topiaria Helvetica 37


22 Rudberg, Eva (1999). The Stockholm Exhibition 1930.<br />

Modernism’s Breaktrough in Swedish Ar<strong>ch</strong>itecture. Stockholm<br />

23 Giedion-Welcker, Carola (1929). « Neue Optik », in:<br />

Berliner Börsen-Courier. 4.8.1929. Bibliotheksar<strong>ch</strong>iv des<br />

Kunsthauses Züri<strong>ch</strong>. Pressespiegel Ausstellungen ZKG,<br />

I/19, S. 79<br />

24 Giedion-Welcker, Carola (1955). « Die Welt klingt. Sie ist<br />

Kosmos der geistig wirkenden Wesen. So ist die tote Materie<br />

ewiger Geist ». Essay von 1955, in: Hohl, Reinhold (Hg.)<br />

(1973). Carola Giedion-Welcker. S<strong>ch</strong>riften 1926–1971. Köln,<br />

S. 318<br />

25 Arp, Hans (1955). Unsern tägli<strong>ch</strong>en Traum […] Erinnerungen,<br />

Di<strong>ch</strong>tungen und Betra<strong>ch</strong>tungen aus den Jahren 1914–<br />

1954. Züri<strong>ch</strong>, S. 12<br />

26 Stoff ler, Johannes (2008). Gustav Ammann. Lands<strong>ch</strong>aften<br />

der Moderne in der S<strong>ch</strong>weiz, S. 95–96<br />

27 Ebd., S. 103.<br />

28 Ammann, Gustav (1933). « Die <strong>Garten</strong>anlagen », in: S<strong>ch</strong>weizeris<strong>ch</strong>e<br />

Bauzeitung. 51. Jg., Nr. 10, S. 123<br />

29 Im September 2010 verstarb Peter Ammann <strong>im</strong> Alter von 91<br />

Jahren. Das gartengestalteris<strong>ch</strong>e Erbe seines Vaters Gustav<br />

hat er stets ho<strong>ch</strong>gehalten. Der Verfasser verdankt ihm vielfältige<br />

Eindrücke in die <strong>Garten</strong>kultur der Moderne in der<br />

S<strong>ch</strong>weiz.<br />

Abb. 1 Finsler, Hans. Stiftung Moritzburg. Halle<br />

Abb. 2 Olbri<strong>ch</strong>, Joseph Maria (1905). Neue Gärten. Berlin, S. 24<br />

Abb. 3 Foerster, Karl (1922). Vom Blütengarten der Zukunft.<br />

Berlin, S. 57<br />

Abb. 4 Auto<strong>ch</strong>rom Auguste Léon, Musée Albert-Kahn, Paris<br />

Abb. 5 Rudberg, Eva (1930). The Stockholm Exhibition.<br />

Modernism’s Breaktrough in Swedish Ar<strong>ch</strong>itecture. Stockholm,<br />

S. 53<br />

Abb. 6 Kunsthaus Züri<strong>ch</strong> (1929). Abstrakte u. Surrealistis<strong>ch</strong>e<br />

Malerei und Plastik. Illustrierter Katalog, Züri<strong>ch</strong>, S. 67<br />

Abb. 7 Auto<strong>ch</strong>rom Na<strong>ch</strong>lass Gustav Ammann; gta Ar<strong>ch</strong>iv<br />

(NSL Ar<strong>ch</strong>iv) ETH Züri<strong>ch</strong><br />

Résumé<br />

En 1933, à Züri<strong>ch</strong>, lors de l’exposition d’horticulture « Züga »,<br />

le jardin de couleurs est une manifestation <strong>im</strong>portante du modernisme<br />

dans l’art des jardins en Suisse. L’œuvre de l’ar<strong>ch</strong>itecte<br />

paysager züri<strong>ch</strong>ois, Gustav Ammann, est au niveau international<br />

l’un des rares exemples qui expér<strong>im</strong>ente la combinaison de formes<br />

avant-gardistes avec l’horticulture traditionnelle. L’article<br />

décrit et analyse la naissance du jardin de couleurs dans la perspective<br />

de son époque. Il la situe dans la formation des jardins<br />

de couleurs. Il explique le rayonnement des effets de couleurs et<br />

du <strong>ch</strong>oix des plantations dans les jardins suisses et allemands<br />

du début du XXe siècle. Enfin, l’auteur propose des éléments de<br />

comparaison avec les jardins Avantgarde français et suédois.<br />

38 Der <strong>Farbe</strong>ngarten der ZÜGA. Ein Exper<strong>im</strong>ent der Moderne am Züri<strong>ch</strong>see • Johannes Stoffler

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