Link zur Zeitschrift - Sacré Coeur Graz
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Eine naturwissenschaftliche SchülerInnen-Zeitung<br />
Februar 2012<br />
Nr.1 1.Jahrgang<br />
YoungScienceMagazine.indd 1 16.02.12 10:06
Inhalt<br />
ABENTEUER<br />
7 Geheimnisvolle Grotten<br />
<strong>Graz</strong>er SchülerInnen erkunden die kroatische Meereswelt.<br />
ZOOLOGIE<br />
5 Geckos als Vorbilder<br />
Geckos als Vorbild für die Technik. So gut wie jeder<br />
kennt Aufnahmen von Geckos, die die Wände oder gar<br />
Glasscheiben hochklettern. Aber wieso können die das?<br />
10 Eine Pflanze mit 2 Fühlern<br />
Wunder der Natur: eine Schnecke, die Photosynthese<br />
betreiben kann.<br />
13 Warum Frauen anders sind<br />
Über die Hintergründe des versteckten Eisprungs beim<br />
Menschen.<br />
14 Barschzucht<br />
Sollte man diese einzigartigen Lebewesen kennengelernt<br />
haben, werden sie einen ein Leben lang nicht mehr<br />
loslassen!<br />
17 Bärtierchen<br />
BOTANIK<br />
16 Yes we can move!<br />
Hast Du einmal einen Topf mit Tulpen verkehrt herum<br />
aufgehängt? Vermutlich nicht, deshalb wirst Du den<br />
unbändigen Willen der Pflanzen, nach oben zu wachsen,<br />
noch nicht mit eigenen Augen mitverfolgt haben.<br />
MEDIZIN<br />
18 Totgesagte leben länger<br />
Dr. Siegfried Hekimi und Dr. Wen Yang, Forscher des<br />
Department of Biology der McGill University in Montreal,<br />
stießen bei einem Experiment auf ein verblüffendes<br />
Ergebnis.<br />
MELDUNGEN AUS<br />
DER WISSENSCHFT<br />
9 Immunzellen im All<br />
9 Geschichte des Menschen<br />
MOLEKULARBIOLOGIE<br />
11 Den Code einer Kiwi knacken<br />
Faszinierend: sichtbare DNA<br />
Überdrüberlebenskünstler im Wassertropfen<br />
IMPRESSUM<br />
HERAUSGEBER UND CHEFREDAKTEUR: Dr. Uwe K. Simon<br />
REDAKTION: Mag. Margit Delefant, Prof. Dr. Helmut Guttenberger, Dr. Stephan Monschein, Dr. Astrid Wonisch<br />
KONTAKT: E-Mail uwe.simon@uni-graz.at<br />
Telefon: +43-(0)316-3805643<br />
Regionales Fachdidaktikzentrum für Biologie und Umweltkunde<br />
Institut für Pflanzenwissenschaften, Schubertstraße 51a/ 8010 <strong>Graz</strong>, Österreich<br />
Bankverbindung/Kontonummer: 50095500605, BLZ 12000, BANK AUSTRIA<br />
DRUCK: SERVICEBETRIEB ÖH-UNI GRAZ GMBH<br />
LAYOUT: SUSANNE LABENT UND SELINA KÖBERL mithilfe von Hannah Zora Buschek, Denise Danninger, Elisabeth Gritsch, Patricia Gschier, Lorenz Hinterleitner,<br />
Marlene Kastner, Veronika Köchl, Jakob Benjamin Krenn, Sonja Lach, Philipp Alois Lackner, Anja Legenstein, Pia Leitner, Laura Lintner,<br />
Gwendolyn Maierhofer, Katharina Maitz, Sarah Maurer, Maria Moschik, Katja Müllner, Martin Nabernik, Larissa Paar, Alicia Panholzer, Martin<br />
Pellischek, Morris Pock, Verena Riegler, Tina Sackl, Stefanie Sackl, Florian Saubach, Gisela Sauseng, Melanie Schnitzer, Elisabeth Steiner, Madlen<br />
Steiner, Manuela Strametz, Karoline Unger und Alexandra Zieger<br />
ALLE TEXTE UND ABBILDUNGEN SIND URHEBERRECHTLICH GESCHÜTZT. EINE VERWENDUNG EINZELNER ARTIKEL FÜR DEN<br />
UNTERRICHT IN SCHULEN ODER UNIVERSITÄTEN IST NACH RÜCKSPRACHE MIT DER REDAKTION GRUNDSÄTZLICH ERWÜNSCHT<br />
UND KOSTENFREI. DIE NUTZERINNEN VERPFLICHTEN SICH, AUTORINNEN UND QUELLE DER VERWENDETEN TEXTE UND DES<br />
BILDMATERIALS ANZUGEBEN. DER EINSATZ IN YOUNG SCIENCE VERÖFFENTLICHTER TEXTE, BILDER,<br />
GRAFIKEN ODER ZEICHNUNGEN AUSSERHALB DES UNTERRICHTS IST STRIKT UNTERSAGT.<br />
2<br />
YoungScienceMagazine.indd 2 16.02.12 10:06
Young Science<br />
Willkommen!<br />
Lieber Leser, liebe Leserin! In Deinen Händen liegt das Ergebnis eines einzigartigen<br />
Projekts. Junge Autorinnen und Autoren von fünf steirischen Schulen<br />
haben spannende und lehrreiche Artikel verfasst über Meeresschnecken<br />
und versteckte Eisprünge, Bärtierchen und Barsche, Pflanzenbewegungen<br />
und Zelltod und einiges mehr. Eben das, was man in der Biologie interessant<br />
finden kann.<br />
Mit viel Mühe haben sie recherchiert, ent- und verworfen und schließlich großartige<br />
Texte geschrieben. Es ist bewundernswert, dass sie diese Arbeit neben dem<br />
normalen Schulalltag so gut gemeistert haben. Das gilt auch für ihre Lehrerinnen<br />
und Lehrer, die sie dabei unterstützt haben. In der aktuellen Ausgabe waren dies Helga<br />
Kulac (BRG Kepler, <strong>Graz</strong>), Helga Rogl (Akademisches Gymnasium, <strong>Graz</strong>), Ulrike Bock (BG/<br />
BRG & MG Dreihackengasse, <strong>Graz</strong>), Werner Gaggl (BRG Leibnitz) und Annemarie Moser<br />
(Sacre <strong>Coeur</strong>, <strong>Graz</strong>). Ihnen allen herzlichen Dank!<br />
Besondere Anerkennung gebührt den SchülerInnen und Schülern der Klasse von Martin<br />
Hörl, die in einem Wettbewerb der <strong>Graz</strong>er Ortweinschule für<br />
Kunst und Design das Layout für diese Ausgabe gestaltet haben. Glückliche Gewinnerin:<br />
Dankbar sind wir auch all den FotografInnen, die uns kostenlos Helga Kulac, Biologielehrerin<br />
am BRG<br />
ihre Bilder <strong>zur</strong> Verfügung stellten, und der Firma 3B Scientific,<br />
deren Sachspende (ein Torsomodell) unter den teilnehmenden Kepler in <strong>Graz</strong>, mit dem<br />
LehrerInnen verlost wurde. Und schließlich: ein großes Dankeschön<br />
an „die 7. fakultät“ der Karl-Franzens-Universität <strong>Graz</strong> und chen Torsos der Firma<br />
Modell eines menschli-<br />
an unsere Werbekunden für ihre finanzielle Unterstützung, ohne 3B Scientific<br />
die dieses Projekt gar nicht möglich gewesen wäre.<br />
Nun wirst Du Dich vielleicht fragen: Warum hat denn keiner etwas<br />
über Grottenolme geschrieben? Weshalb diskutiert niemand, welche<br />
Auswirkungen der Klimawandel auf die Tier- und Pflanzenwelt unseres<br />
Planeten hat? Wie wird Energie in einer Solarzelle gewonnen? Und was<br />
hat es auf sich mit den berühmten Fußballmolekülen? Natürlich hast Du<br />
völlig recht: Es gibt noch viel zu tun! Wenn Du Lust hast, einen Artikel<br />
zu einem naturwissenschaftlichen Thema zu schreiben oder einen<br />
Science-Cartoon für uns zu zeichnen, so bist Du herzlich eingeladen, uns<br />
eine Email mit Deinem Themenvorschlag zu schreiben. Idealerweise sollte<br />
sich eine Lehrerin oder ein Lehrer bereit erklären, Dich bei diesem Projekt<br />
zu unterstützen. Es lohnt sich! Denn Dein Text wird in allen Gymnasien<br />
der Steiermark gelesen. Und bald vielleicht sogar in ganz Österreich. Wir<br />
freuen uns auf Deine Idee!<br />
Uwe Simon<br />
3<br />
YoungScienceMagazine.indd 3 16.02.12 10:06
Hans Hofer ≠ Forschender und kompetenzorientierter Unterricht<br />
Hans Hofer<br />
Forschender und<br />
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Unterricht<br />
in den naturwissenschaftlichen Fächern<br />
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naturwissenschaftlichen Unterricht<br />
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Ansätze, Ihren naturwissenschaftlichen Unterricht zu gestalten:<br />
• Die drei Unterrichtsformen – vermittelnder, selbsttätiger und<br />
forschender Unterricht – werden einander gegenübergestellt<br />
und die methodischen Merkmale herausgearbeitet.<br />
• Es wird beschrieben, was Schülerinnen und Schüler im<br />
forschenden Unterricht lernen, also welche Kompetenzen<br />
sie entwickeln.<br />
• Außerdem wird der Frage nachgegangen, wie in einem<br />
kompetenzorientierten naturwissenschaftlichen Unterricht<br />
die Leistung beurteilt werden kann.<br />
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YoungScienceMagazine.indd 4 16.02.12 10:06
ALLES ANDERE ALS<br />
REIBUNGSLOS<br />
Geckos als Vorbild für die Technik: So gut<br />
wie jeder kennt Aufnahmen von Geckos,<br />
die die Wände oder gar Glasscheiben<br />
hochklettern. Doch wie ist es möglich,<br />
dass diese Tiere an einer scheinbar glatten<br />
Oberfläche problemlos nach oben laufen<br />
können, ohne ab<strong>zur</strong>utschen oder kleben<br />
zu bleiben? Handelt es sich beim Trick des<br />
Geckos um eine klebrige Substanz an den<br />
Füßen, oder um etwas ganz anderes?<br />
Zoologie<br />
Thomas Mülleder, Maximilian Trunk,<br />
Martin Hubmann, BRG Kepler, <strong>Graz</strong><br />
Die Antwort sind Haare, wenn auch etwas anders,<br />
als man glauben könnte. Die Fußsohlen eines<br />
Geckos sind mit vielen Reihen feiner Härchen<br />
besetzt, die sich an ihren Enden in noch viel<br />
feinere, winzigere Härchen aufspalten. Diese kommen den<br />
Molekülen der Oberfläche so nahe, dass zwischen beiden<br />
sogenannte Van-der-Waals-Kräfte auftreten.<br />
Das sind relativ schwache Wechselwirkungen zwischen<br />
Atomen oder Molekülen, die bewirken, dass die Härchen<br />
haften bleiben.<br />
Dies passiert allerdings nur, wenn die Härchen parallel <strong>zur</strong><br />
Oberfläche verschoben werden. Rechnet man alle vier<br />
Pfoten zusammen,<br />
könnte ein Gecko leicht<br />
ein Vielfaches seines<br />
eigenen Körpergewichts<br />
tragen, ohne „von<br />
der Decke zu fallen“.<br />
Dennoch bleibt ein<br />
Gecko nicht an der<br />
Wand „kleben“, sondern<br />
kann in rasantem Tempo<br />
senkrecht nach oben<br />
laufen.<br />
Das liegt daran, dass die Härchen ihre haftende Wirkung<br />
verlieren, wenn sich der Winkel ändert, und das geschieht<br />
dadurch, dass der Gecko seine Füße aufrollt.<br />
Somit ist er in der Lage, bis zu 20 Schritte pro Sekunde<br />
nach oben zu machen. Seit einigen Jahren arbeiten Bioniker<br />
daran, diesen Effekt auf die Technik zu übertragen.<br />
Das einzige Problem, mit dem man noch kämpft,<br />
ist der Verschleiß, da das verwendete Material<br />
nicht so wie beim Gecko nachwachsen kann.<br />
Verwendet werden keine Materialien, die von<br />
Natur aus klebrig sind, sondern harte Materialien, die wie<br />
die feinen Geckohärchen geformt sind und auf weicheren<br />
Oberflächen sitzen. Es ist mittlerweile schon möglich,<br />
Klebebänder herzustellen, mit denen Modellautos auf einer<br />
„Seit einigen Jahren arbeiten<br />
Bioniker daran, diesen Effekt auf die<br />
Technik zu übertragen.“<br />
Glaswand nach oben fahren können. Klebebänder nach<br />
Geckoart hätten den großen Vorteil, dass sie wiederverwendbar<br />
wären, auf so gut wie allen Oberflächen - egal<br />
ob nass oder trocken - hafteten, sich selbst reinigten<br />
und sich spurlos entfernen ließen. Doch ganz so weit ist<br />
die Forschung bis jetzt noch nicht gediehen.<br />
TECHNISCHE DETAILS<br />
Ein einzelnes Geckohaar, Seta genannt, spaltet sich in<br />
100 bis 1000 „Spaltulae“ auf, die je einen Durchmesser<br />
von etwa 100 Nanometer haben. Pro mm² hat ein<br />
Gecko etwa 14.000 Setae. Auf<br />
jedes Seta kommt eine Haftkraft<br />
von rund 40 Mikronewton, das<br />
heißt, wenn alle Setae auf einer<br />
Fläche von einem m² Kontakt<br />
zu einer anderen Oberfläche<br />
hätten, würde das einer Haftkraft<br />
von über 570.000 Newton<br />
entsprechen.Die künstlichen<br />
Nanohärchen erreichen jeweils<br />
eine Haftkraft von etwa 120<br />
Nanonewton, wobei hier bis zu 420.000 Härchen auf<br />
einem mm² untergebracht werden können. In der<br />
Realität berührt nur ein winziger Teil der Härchen die<br />
Oberfläche, was dennoch bei weitem ausreicht, damit<br />
ein Gecko an der Wand haften kann.<br />
Literatur:<br />
http://www.tu-ilmenau.de/fakmb/uploads/media/<br />
Kleben_ohne_Nebenwirkungen.pdf<br />
und<br />
http://polypedal.berkeley.edu/twiki/pub/PolyPEDAL/<br />
PolypedalPublications/63_evidofvanderwaals2.pdf<br />
Foto: Steve Jurvetson (verändert)<br />
5<br />
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Abenteuer<br />
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Spaß, Abenteuer und Herausforderung –eine Woche lang durfte unsere Klasse die<br />
Schulbänke gegen die Adria, die Schultaschen gegen Schnorchel tauschen. In der Meeresschule<br />
Pula erkundeten wir die faszinierende Unterwasserwelt der kroatischen Küste.<br />
Theresa Rumpl, Miriam Wascher, Mara Rosmann,<br />
Marie Hattinger, BG Dreihackengasse, <strong>Graz</strong><br />
Fotos: G. Gretschel<br />
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Abenteuer<br />
Pula ist eine kleine Stadt an der Küste der Adria.<br />
Dieser Teil des Mittelmeeres bietet eine große<br />
Artenvielfalt an Pflanzen und Tieren.<br />
Weitere Informationen <strong>zur</strong> Meeresschule in Pula: http://www.meeresschule.com<br />
8<br />
Pula ist eine kleine Stadt an der<br />
Küste der Adria. Dieser Teil des<br />
Mittelmeeres bietet eine große<br />
Artenvielfalt an Tieren und Pflanzen.<br />
Zudem ist die Nordadria flach, salzarm<br />
und im Winter sehr kalt. Der Temperaturwechsel<br />
zwischen den Jahreszeiten<br />
sorgt durch auf- und absteigende<br />
Wassermassen für eine starke Durchmischung<br />
des Meeres bis in größte<br />
Tiefen. Die dabei aufgewirbelten<br />
Nährstoffe gelangen auch in seichtere<br />
Meeresbereiche und erlauben dort das<br />
Wachsen ausgedehnter Algenwälder<br />
und Seegraswiesen. Deren Bewohner<br />
sind ganz an diese Umgebung<br />
angepasst und für den Laien nicht<br />
leicht zu entdecken. Denn die meisten<br />
Tiere sind lediglich einige Zentimeter<br />
oder gar nur Millimeter groß. An<br />
besonders tiefen Steilhängen erinnert<br />
die Adria an tropische Szenarien. Hier<br />
ist das Licht zu gering für starken<br />
Pflanzenbewuchs. Dafür findet man<br />
Gorgonien (biegsame Hornkorallen),<br />
Moostierchen und bunte Schwämme<br />
DAS LEBEN IN DEN GROTTEN<br />
Unsere Aufgabe war es, die Tier- und<br />
Pflanzenwelt in drei Grotten zu<br />
untersuchen.Dafür mussten wir diese<br />
zunächst vermessen. Das war gar nicht<br />
so einfach, denn trotz der Unterwasserlampen<br />
ist es dort ziemlich finster.<br />
Es kostete einige Überwindung, mit<br />
angehaltenem Atem in das Dämmerlicht<br />
abzutauchen. Auch die Strömungen<br />
und der Wellengang erschwerten<br />
das Verlegen der Maßleinen. Ständig<br />
mussten wir darauf achten, uns nicht<br />
an den schroffen Felsen zu verletzen.<br />
Und natürlich wollten wir die Lebenswelt<br />
in den Grotten so wenig wie<br />
möglich stören.<br />
Nun hieß es abzuschätzen,<br />
wie stark und durch welche<br />
sessilen Lebewesen die Grotten<br />
besiedelt waren. Dies dokumentierten<br />
wir auf Unterwasserschreibtafeln. An<br />
Tieren entdeckten wir den orange-farbenen<br />
Strahlenschwamm, den weißen<br />
und den braunen Nierenschwamm, die<br />
gelbe Krustenanemone und Bäumchenpolypen.<br />
Bei den Pflanzen fanden<br />
wir vor allem Rotalgen. Im düsteren<br />
Höhlenhintergrund findet man mehr<br />
festgewachsene Tiere. Sie ernähren<br />
sich als sogenannte Suspensionsfresser<br />
von kleinsten Schwebepartikeln.<br />
Dazu benutzen sie verschiedenste<br />
Techniken, um angeschwemmte<br />
Nahrungsteilchen aufzunehmen.<br />
Passive Suspensionsfresser, beispielsweise<br />
Hydroiden und Korallen, halten ihre<br />
Sammelapparate einfach in das Wasser.<br />
Sie leben vor allem im vorderen Bereich<br />
der Grotten, da hier die Wasserbewegung<br />
stärker ist.<br />
Aktive Suspensionsfresser wie Seepocken<br />
hingegen bewegen ihre Fangvorrichtungen<br />
selbst oder saugen Wasser an (Schwämme<br />
und Seescheiden). Sie sind eher im<br />
Höhlenhintergrund zu finden, wo die<br />
Wasserdurchmischung geringer ist. Drei<br />
besonders schöne Bewohner der Grotten<br />
sind die Bäumchenpolypen, die Nierenschwämme<br />
und die Kalkrotalgen.<br />
Bäumchenpolypen der Gattung Eudendrium<br />
sind sessile Nesseltiere.<br />
Sie bilden wenige Zentimeter hohe,<br />
buschartig verzweigte Stöckchen, an<br />
deren Enden circa zwei Millimeter kleinen<br />
Polypen sitzen. Diese haben einen Kranz<br />
von Tentakeln, an denen Nahrungspartikeln<br />
hängen bleiben, die dann über die Mundöffnung<br />
aufgenommen und im Hohlraum<br />
des Polypen verdaut werden. Diese<br />
Tiere sind darauf angewiesen, dass das<br />
Wasser die Nahrung bringt. Die dichtesten<br />
Ansammlungen fanden wir daher im<br />
Eingangsbereich der Höhlen, aber niemals<br />
am Boden, sondern nur an den Wänden.<br />
Wir nehmen an, dass diese Tiere sehr stark<br />
bewegtes Wasser benötigen, aber wegen<br />
ihres fragilen Aufbaus die Böden meiden.<br />
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CYANO-<br />
BAKTERIEN<br />
Photosynthese<br />
betreibende<br />
Bakterien<br />
ENDOSYMBIONT<br />
Lebewesen, das<br />
zum gegenseitigen<br />
Nutzen in einem<br />
anderen wohnt.<br />
SESSIL<br />
festgewachsen<br />
Denn dort könnten sie durch absinkendes Material<br />
beschädigt werden.<br />
Im Gegensatz zu den filigranen Bäumchenpolypen<br />
sind Nierenschwämme (Chondrosia reniformis)<br />
massig gebaut und recht robust. Sie kommen<br />
überall in den Höhlen vor und können sogar<br />
das Licht indirekt für sich nutzen. Denn sie<br />
lagern endosymbiontische Cyanobakterien in<br />
ihre äußeren Schichten ein. Belichtete Stellen<br />
von Nierenschwämmen sehen dadurch braun<br />
aus. Ihre schleimige Oberfläche verhindert den<br />
Bewuchs durch Pflanzen oder andere sessile Tiere.<br />
In den dunklen Bereichen der Höhle verlieren die<br />
Nierenschwämme ihre einzelligen Symbionten<br />
und werden dann ganz bleich. Durch die robuste<br />
Bauweise wachsen sie manchmal auch am Höhlenboden.<br />
Krustenförmige Kalkrotalgen (Corallinales)<br />
sind jene Meeresalgen, die am wenigsten Licht<br />
zum Wachstum benötigen. Deswegen sind das<br />
die letzten Pflanzen, die wir noch finden können,<br />
wenn wir uns in eine Grotte oder Höhle hinein<br />
begeben. Sie wachsen oft nur wenige Millimeter<br />
im Jahr. Um nicht <strong>zur</strong> leichten Beute von unterseeischen<br />
Weidegängern zu werden, lagern sie<br />
Kalk in ihre Zellwände ein und bilden so steinharte<br />
Krusten, die den felsigen Untergrund überziehen.<br />
All das erarbeiteten wir in wenigen Tagen bei<br />
großartigen Ausflügen, aufregenden Tauchgängen<br />
und aufschlussreichen Vorträgen. Ein Besuch der<br />
Meeresschule Pula lohnt sich! Und wenn man<br />
nicht schnorcheln kann? Keine Sorge, das lernt<br />
man schnell im glasklaren Wasser der Adria.<br />
Meldungen<br />
Immunzellen im All<br />
Sind Weltraumreisen ungesund? Astronauten<br />
leiden oft unter Störungen des Immunsystems und<br />
in der Folge an schweren Infekten.<br />
Nach vierjähriger Vorbereitungszeit ließ die Arbeitsgruppe<br />
um den Magdeburger Weltraumbiotechnologen Oliver<br />
Ullrich menschliche Immunzellen mit einer Rakete in den<br />
Weltraum schießen. Der Flug dauerte etwa zehn Minuten, von<br />
denen sich die Rakete fünf Minuten lang in der Schwerelosigkeit<br />
des Weltalls befand.<br />
In dieser Zeit wurden<br />
ferngesteuert Versuche<br />
durchgeführt. Der Behälter<br />
mit den Zellen landete<br />
schließlich im unbesiedelten<br />
nördlichsten Teil<br />
Schwedens und wurde<br />
von einem Hubschrauber<br />
geborgen. Die Versuche<br />
werden nun an der<br />
Universität Magdeburg<br />
ausgewertet und sollen<br />
klären, ob Schwerelosigkeit<br />
dem Immunsystem<br />
schadet. Denn wenn der<br />
Mensch einmal zum Mars<br />
fliegen will, wird die<br />
Besatzung hin und <strong>zur</strong>ück<br />
über 500 Tage unterwegs<br />
sein. Ullrich: „Vorher<br />
muss geklärt werden,<br />
warum das Immunsystem<br />
ausfällt und wie dem<br />
Schweden, 150 km nördlich des<br />
Polarkreises: Menschliche Immunzellen<br />
auf dem Weg ins All. Quelle:<br />
Adrian Mettauer, Swiss Propulsion<br />
Laboratory.<br />
medizinisch entgegengesteuert werden kann. Möglicherweise<br />
finden wir aber auch heraus, dass der Mensch sich gar nicht für<br />
längere Zeit vom Erdorbit entfernen kann, weil wir genetisch auf<br />
ein Leben auf der Erde programmiert sind.“<br />
Der Mensch verließ Afrika<br />
vor über 100.000 Jahren<br />
Die Wiege der Menschheit steht in Afrika. Es ist<br />
etwa 200.000 Jahre her, da entstand dort der<br />
anatomisch moderne Mensch.<br />
Bisher dachte man, dass unsere Vorfahren vor über 70.000<br />
Jahren von Afrika über Arabien nach Südasien eingewandert<br />
seien. Eine internationale Forschergruppe um Hans-Peter<br />
Uerpmann von der Universität Tübingen untersuchte nun Steinwerkzeuge<br />
aus der Grabungsstätte Jebel Faya in den Vereinigten<br />
Arabischen Emiraten. Dabei zeigte sich, dass diese etwa 125.000<br />
Jahre alt sind und Werkzeugen entsprechen, die man bei<br />
Siedlungsplätzen anatomisch moderner Menschen in Ostafrika<br />
entdeckt hatte. Offenbar wanderten unsere Vorfahren 50.000<br />
Jahre früher aus Afrika als angenommen. Wie aber konnten sie das<br />
Rote Meer, das Afrika von Arabien trennt, überqueren? Einer der<br />
Wissenschaftler, Adrian Parker aus Oxford, weist darauf hin, dass<br />
wegen der damaligen Eiszeit große Wassermassen im Inlandeis<br />
gebunden waren: „Vor 130.000 Jahren lag der Meeresspiegel<br />
noch rund 100 Meter tiefer als heute“ – die Überquerung des<br />
Roten Meeres war daher ungleich einfacher.<br />
9<br />
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Zoologie<br />
Julia von der Linden<br />
Akademisches Gymnasium <strong>Graz</strong><br />
Eine Pflanze<br />
mit zwei Fühlern<br />
Photosynthese. Diesen Begriff verbindet<br />
man doch mit Pflanzen? Doch dann<br />
gelang amerikanischen Forschern eine<br />
höchst interessante Entdeckung: Sie<br />
fanden eine grüne, im Meer lebende<br />
Schnecke, die sich mithilfe von Sonnenlicht<br />
ernähren kann: Elysia chlorotica.<br />
10<br />
Sie gehört zu den Sacoglossa,<br />
den Sackzünglern, und lebt<br />
hauptsächlich an der nördlichen<br />
Ostküste von Amerika.<br />
Die Schnecke kann bis zu<br />
vier Zentimeter groß werden. Man<br />
geht davon aus, dass sie sich mit<br />
chemischen Stoffen gegen Feinde<br />
schützt, da sich ihr Gehäuse vollständig<br />
<strong>zur</strong>ückgebildet hat. Stattdessen besitzt<br />
sie flügelförmige, gewellte Fußlappen,<br />
sogenannte Parapodien, deren Ränder<br />
in der Mitte verwachsen sind. Teile der<br />
Verdauungsdrüse und der Geschlechtsorgane<br />
reichen bis in die Parapodien hinein.<br />
Auf dem Kopf von Elysia befindet sich im<br />
Gegensatz zu anderen Schnecken nur ein<br />
einziges Paar Tentakel. Diese enthalten<br />
Chemorezeptoren zum Aufspüren von<br />
Signalstoffen.<br />
Elysia chlorotica ist ein Zwittertier und<br />
enthält daher sowohl weibliche als<br />
auch männliche Geschlechtsorgane. Die<br />
Begattung erfolgt überkreuzt, das heißt,<br />
dass sich zwei Tiere umschlingen und<br />
eigene Spermien an den Partner abgeben<br />
und die des anderen aufnehmen. Nach<br />
der Befruchtung werden die Eizellen in<br />
langen Fäden im Wasser abgelegt.<br />
EINE EINZIGARTIGE<br />
SCHNECKE<br />
Wie kommt es, dass<br />
diese Schnecke Photosynthese<br />
betreiben<br />
kann? Elysia ernährt<br />
sich überwiegend<br />
von der grüngelben<br />
Alge Vaucheria litorea, die sie ansticht<br />
und aussaugt. Größtenteils wird die<br />
Alge von der Schnecke verdaut, nur<br />
die Chloroplasten werden unversehrt<br />
aufgenommen und in den Darmzellen<br />
gespeichert. Deswegen werden die<br />
Schnecken mit zunehmendem Alter<br />
intensiv grün. Jungtiere haben dagegen<br />
noch eine braune Färbung mit dunkelroten<br />
Tupfen. Die Meeresschnecke<br />
Elysia chlorotica ist also keine Pflanze,<br />
kann aber trotzdem Photosynthese<br />
betreiben.<br />
Plastiden können allerdings ohne<br />
zusätzliche, in ihren Wirtszellen hergestellte<br />
Proteine nicht funktionieren. Bei<br />
Pflanzen befindet sich die genetische<br />
Information dafür in den Zellkernen.<br />
Vor kurzem erst entdeckte Mary<br />
Rumpho-Kennedy von der Universität<br />
Maine, dass mindestens eines der<br />
notwendigen Algengene auch im<br />
Genom der Schnecke zu finden ist. Wie<br />
die Gene dort hingelangten, ist noch<br />
nicht klar. Wissenschaftler vermuten<br />
aber, dass Viren diese Erbmerkmale<br />
übertragen haben. Möglicherweise<br />
gibt es weitere auf ähnliche<br />
Weise in die Schnecken-DNS<br />
eingebaute Algengene, die<br />
verhindern, dass die aufgenommenen<br />
Chloroplasten abgebaut<br />
werden.<br />
WIE BIN ICH AUF ELYSIA<br />
CHLOROTICA GESTOSSEN?<br />
Meine Biologielehrerin erzählte<br />
während eines Kurses von dieser<br />
faszinierenden Schnecke. Mich<br />
interessierte dieses Tier sofort, und<br />
ich wollte mehr darüber erfahren.<br />
Schließlich fand ich heraus, dass es<br />
in Amerika an der Universität Maine<br />
eine Arbeitsgruppe gibt, die seit<br />
Jahren an Elysia chlorotica forscht.<br />
Es gelang mir, telefonisch mit der<br />
Leiterin der Forschungsgruppe, Frau<br />
Mary Rumpho-Kennedy, zu sprechen.<br />
Ich war sehr beeindruckt davon,<br />
wie bereitwillig sie mir zu ihren<br />
Arbeiten Auskunft gab. Gerne hätte<br />
ich die Meeresschnecke in einem<br />
eigenen Aquarium studiert. Doch<br />
zu meinem Bedauern kann man sie<br />
nicht erwerben, weil sie in der Wildnis<br />
rar und möglicherweise sogar vom<br />
Aussterben bedroht ist. Allerdings<br />
versuchen Frau Rumpho-Kennedy<br />
und ihre Kollegen, Elysia chlorotica im<br />
Labor zu züchten.<br />
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DEN CODE EINER<br />
KIWI KNACKEN<br />
Sonja Rentz, Sacré <strong>Coeur</strong> Schule <strong>Graz</strong><br />
Molekularbiologie<br />
Radioaktivität-Krankheiten-Gene-Information … Wörter, die in Verbindung stehen<br />
mit langen, dünnen Fäden, die in jeder Zelle eines Lebewesens enthalten sind und<br />
bis zu zwei Meter lang werden können. Generationen vor uns sind in ihnen gespeichert.<br />
Durch radioaktive Strahlung können sie trotz ihrer geringen Größe verändert<br />
werden, was fatale Auswirkungen haben kann. Gemeint ist unser Erbmaterial, die<br />
Desoxyribonukleinsäure (DNS).<br />
Fotos: Ein<br />
Blatt, das<br />
kriecht:<br />
die grüne<br />
Schnecke Elysia<br />
chlorotica (bei<br />
der Eiablage).<br />
http://biology.<br />
umaine.edu/<br />
symbio/index.<br />
html<br />
Bei der DNS handelt es sich um<br />
das Erbmaterial eines Lebewesens,<br />
z.B. eines Tieres, einer<br />
Pflanze oder eines Menschen.<br />
In der DNS sind unsere Erbanlagen<br />
gespeichert, die Grundlagen für viele<br />
unserer körperlichen und charakterlichen<br />
Merkmale. Gespeichert in der<br />
DNS sind aber auch Erbkrankheiten,<br />
die durch Vererbung innerhalb einer<br />
Familie häufiger auftreten können als<br />
in anderen. Krankheiten können aber<br />
auch entstehen, wenn das Genmaterial<br />
durch radioaktive Strahlung oder auch<br />
spontane Mutationen verändert<br />
wurde. Hast Du schon einmal die<br />
Fäden einer DNS in den Händen<br />
gehalten? Oder versucht, ein Gen<br />
durchzuschneiden? Für die Schüler<br />
des <strong>Graz</strong>er Sacré <strong>Coeur</strong> Gymnasiums<br />
wurde das möglich gemacht bei einem<br />
unvergesslichen Lehrausgang zum<br />
Institut für Molekulare Biowissenschaften<br />
der Karl- Franzens-Universität<br />
<strong>Graz</strong> im Rahmen des Projekts „UBS<br />
2.0“. Um die DNS sichtbar zu machen,<br />
untersuchten wir zunächst Kiwis. Dafür<br />
muss zuerst die Frucht klein geschnitten<br />
und dann vorsichtig püriert werden. Mit<br />
Salz und Spülmittel werden die Zellen<br />
aufgebrochen und die DNS freigesetzt,<br />
mit Alkohol wird sie „ausgefällt“.<br />
Danach wird die DNS aus dem Püree<br />
herausgefiltert. Erkennbar ist sie nun<br />
als Ansammlung dünner Fäden, die<br />
durch die durchsichtige Flüssigkeit<br />
treiben. Durch Schütteln formen sich<br />
die Fäden zu einem gut sichtbaren<br />
Klümpchen. Das funktioniert auch<br />
mit einer Mandarine oder einer<br />
Tomate oder - noch spannender<br />
- mit unserem Speichel, also unserer<br />
eigenen DNS. Die DNS ist aus vielen<br />
Genen aufgebaut und kann mit Hilfe<br />
von Restriktionsenzymen („molekularen<br />
Scheren“) zerschnitten werden.<br />
Die entstehenden DNS-Bruchstücke<br />
können unterschiedlich groß sein.<br />
Um diese verschiedenen Stücke<br />
sichtbar zu machen, müssen sie auf<br />
ein Agarosegel aufgetragen werden.<br />
Durch Anlegen eines elektrischen<br />
Feldes wandert die negativ geladene<br />
DNS in dem Gel vom Minuspol zum<br />
Pluspol. Das Gel wirkt wie ein Sieb,<br />
durch dessen Poren größere DNS-<br />
Stücke schwerer hindurch kommen<br />
als kleinere und somit eher hängen<br />
bleiben. Eine Probe unterschiedlich<br />
großer DNS-Bruchstücke spaltet sich<br />
daher in dem Gel in unterschiedliche<br />
Banden auf, die durch einen<br />
speziellen Farbstoff sichtbar gemacht<br />
werden können. An der Anzahl der<br />
Banden lässt sich erkennen,<br />
in wie viele Teile die DNS<br />
zerschnitten wurde. Dadurch<br />
können verschiedene Proben<br />
miteinander verglichen werden.<br />
Diese Methode wendet zum<br />
Beispiel die Polizei bei der<br />
Aufklärung von Verbrechen an,<br />
wenn am Tatort der „genetische<br />
Fingerabdruck“ des Täters<br />
untersucht wird. Dabei wird<br />
DNS aus Haaren, Hautschuppen<br />
oder Blut gewonnen. Das<br />
Schneiden mit Restriktionsenzymen<br />
ergibt für jede DNS – und<br />
damit für jeden Menschen – ein<br />
individuelles Bandenmuster.<br />
Vergleicht man dieses mit der<br />
DNS von Verdächtigen, können<br />
die Täter überführt werden:<br />
Die Bandenmuster sind dann<br />
identisch.<br />
Im Rahmen des Projekts<br />
„UBS 2.0“ wurde uns jungen<br />
ForscherInnen ein kleiner<br />
Einblick in die Wissenschaft der<br />
Molekularbiologie gewährt,<br />
der sehr beeindruckend und<br />
lehrreich für uns war. Ich hätte<br />
nie gedacht, dass Zellen, Gene<br />
und unsere DNS so interessant<br />
sein können!<br />
Abbildungen: links: Christina und Sonja (die Autorin<br />
des Artikels) mitte: Wir haben die DNA sichtbar<br />
gemacht! rechts: Martin und Alexander beim Filtrieren<br />
Nähere Infos zum Projekt „UBS 2.0“ unter www.offeneslaborgraz.at/projekte/UBS 2.0<br />
11<br />
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„Manche glauben, der versteckte Eisprung<br />
sei ein Nebeneffekt des aufrechten Ganges“<br />
12<br />
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Zoologie<br />
Florian Alexander Wenzl<br />
Akademisches Gymnasium <strong>Graz</strong><br />
WARUM FRAUEN<br />
ANDERS SIND<br />
Verhaltensforschung. Über die Hintergründe des versteckten Eisprungs.<br />
Viele Tierweibchen zeigen während<br />
ihrer empfängnisbereiten Zeit auffällige<br />
Veränderungen. Beispielsweise sondern<br />
sie oft deutliche Gerüche ab, die dem anderen<br />
Geschlecht ihre Paarungsbereitschaft signalisieren.<br />
Das hat bei verschiedenen Tierarten<br />
unterschiedliche Bezeichnungen: eine Hündin<br />
ist läufig, eine Katze rollig, eine Stute rossig.<br />
Aus dem Blickwinkel der Evolution erhöht dies<br />
die Chance, möglichst viele Nachkommen zu<br />
zeugen. Warum ist dies nicht bei allen Tierarten<br />
derart ausgeprägt? Bei Menschenfrauen spricht<br />
man gar von einem „versteckten“ – also für den<br />
Mann nicht merkbaren – Eisprung. Der Nachteil<br />
liegt auf der Hand: Die Wahrscheinlichkeit einer<br />
Befruchtung pro Geschlechtsakt sinkt. Es gibt<br />
mehrere Theorien, die zu erklären versuchen,<br />
welche Vorteile der versteckte Eisprung haben<br />
könnte: Die Investitionshypothese geht<br />
davon aus, dass es auf Grund der Unkenntnis<br />
der fruchtbaren Phasen der Weibchen zu<br />
einer Änderung in der Paarungsstrategie der<br />
Männchen kam. Weil das Männchen nicht weiß,<br />
wann ein Weibchen fruchtbar ist, bleibt es über<br />
längere Zeit bei einer bestimmten Partnerin. Die<br />
beiden haben so immer wieder Geschlechtsverkehr,<br />
was zu einem emotionalen Bund zwischen<br />
ihnen führt. Für die Aufzucht des gemeinsamen<br />
Nachwuchses ist dies von Vorteil, da es ein auf<br />
sich allein gestelltes Weibchen viel schwerer<br />
hat, ihr Kind ins fortpflanzungsfähige Alter zu<br />
bringen.<br />
Die Männchen sind gezwungen, sich mehr in<br />
die Aufzucht des Nachwuchses einzubringen.<br />
Evolutionsbiologisch ausgedrückt heißt das: Sie<br />
müssen mehr in den Nachwuchs „investieren.“<br />
Eine weitere Hypothese ist die des verringerten<br />
Kindsmordes. Das Prinzip dahinter<br />
ist das Verschleiern der Vaterschaft. Verkehrt<br />
ein Weibchen mit mehreren Männern, ist es<br />
durchaus vorteilhaft, diese über ihre Vaterschaft<br />
im Unklaren zu lassen.<br />
Denn Männchen, die es nicht geschafft haben,<br />
das Weibchen zu befruchten und damit ihre<br />
Gene weiterzugeben, könnten die Kinder ihrer<br />
Konkurrenten umbringen wollen, um das Weibchen<br />
wieder fortpflanzungswillig zu machen.<br />
Das ist beispielsweise bei Gorillas keineswegs<br />
unüblich. Bei Tieren mit verstecktem Eisprungs<br />
weiß aber niemand genau, wer der Vater ist.<br />
Das hat <strong>zur</strong> Folge, dass die Geschlechtspartner<br />
des Weibchens das Kind nicht umbringen, da<br />
es ihr eigenes sein könnte. Die Hypothese der<br />
sozialen Bunde besagt, dass sich der versteck-<br />
te Eisprung bei Menschenfrauen entwickelt hat,<br />
um die Aggressionen zwischen konkurrierenden<br />
Männern während der Paarungszeit zu hemmen.<br />
Das fördert das Zusammenleben innerhalb<br />
einer Gruppe und bringt auch Vorteile für das<br />
Weibchen und ihren Nachwuchs mit sich. Eine<br />
zunächst überraschende Erklärung liefert die<br />
Hypothese des betrogenen Ehemanns. Die<br />
Idee dahinter ist, dass Weibchen mit verstecktem<br />
Eisprung im Laufe der Evolution folgenden Vorteil<br />
hatten: Sie konnten sich während ihrer fruchtbaren<br />
Zeit mit Partnern mit vorteilhaften Genen<br />
paaren und während ihrer viel längeren unfruchtbaren<br />
Phase mit Partnern, die evolutiv nachteilige<br />
Gene trugen. Der Nachwuchs bekommt auf diese<br />
Weise die vorteilhafteren Gene vererbt, die aus<br />
dem Seitensprung resultieren. Trotzdem kümmert<br />
sich der betrogene Partner um ihn, da er davon<br />
ausgeht, selbst der Vater zu sein. Schließlich war<br />
er es, der die meiste Zeit mit der Mutter verkehrt<br />
hat. Manche glauben, der versteckte Eisprung sei<br />
ein Nebeneffekt des aufrechten Ganges. Laut<br />
dieser Theorie rückten durch die Entwicklung des<br />
aufrechten Ganges die weiblichen Genitalien aus<br />
dem Blickfeld der Männchen. Das Anschwellen<br />
der Genitalien während der fruchtbaren<br />
Phase verlor damit an Bedeutung und unterblieb<br />
letztlich ganz. Eine plausibler erscheinende<br />
Hypothese ist die der verbesserten weiblichen<br />
Partnerwahl. Ihr zufolge liegt der Vorteil des<br />
versteckten Eisprungs darin, dass es in der Regel<br />
erst nach wiederholtem Geschlechtsverkehr <strong>zur</strong><br />
Befruchtung kommt. Somit hat ein Weibchen<br />
mehr Möglichkeiten, ihren Partner zu wählen,<br />
da sie mit Männchen verkehren kann, ohne<br />
davon zwangsläufig schwanger zu werden.<br />
Welche dieser Mechanismen, ob einzeln oder<br />
in Kombination, letztlich <strong>zur</strong> Entwicklung<br />
des versteckten Eisprungs geführt haben, ist<br />
unbekannt. Zudem können manche Männer laut<br />
Ergebnissen einer finnischen Arbeitsgruppe am<br />
Körpergeruch einer Frau zumindest erahnen,<br />
ob sie sich in ihren fruchtbaren Tagen befindet.<br />
Dann riecht sie für männliche Nasen besonders<br />
attraktiv. Möglicherweise stellt dies die Theorie<br />
des versteckten Eisprungs in Frage. Hier sind<br />
weitere Untersuchungen notwendig, da die<br />
Versuchsgruppe der finnischen Studie recht<br />
klein war. Doch auch wenn die Theorie bestätigt<br />
wird: Die ursprünglichen Effekte des versteckten<br />
Eisprungs wurden von der modernen Medizin<br />
durch Maßnahmen wie Empfängnisverhütung,<br />
künstliche Befruchtung und Vaterschaftstests<br />
teilweise außer Kraft gesetzt.<br />
Foto: D. Kandasamy<br />
13<br />
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Zoologie<br />
BARSCHZUCHT<br />
Hobby oder<br />
Sucht?<br />
„Sollte man diese einzigartigen Lebewesen kennengelernt<br />
haben, werden sie einen ein Leben lang nicht mehr<br />
loslassen.“<br />
Mario Poglitsch, BRG Leibnitz<br />
Fotos: Autor<br />
14<br />
Buntbarsche. Ein Schlagwort<br />
für jeden Amateuraquarianer.<br />
Viele Aquarianer träumen<br />
von einem eigenen, großen<br />
Buntbarschbecken in ihrem<br />
Wohnzimmer. Doch die Haltung<br />
und Zucht von diesen<br />
Fischen, die die Wissenschaft<br />
Cichliden nennt, stellt eine<br />
Herausforderung dar.<br />
Vor der Anschaffung<br />
dieser Fische ist zu klären,<br />
welchen materiellen und<br />
zeitlichen Aufwand man<br />
zu leisten bereit ist, und ob diese<br />
anspruchsvollen Fische dem Niveau<br />
des Aquarianers entsprechen.<br />
Sollte man aber diese einzigartigen<br />
Lebewesen kennengelernt haben,<br />
werden sie einen ein Leben lang nicht<br />
mehr loslassen.<br />
WELCHE ARTEN GIBT ES?<br />
Grundsätzlich unterscheidet der<br />
Aquarianer zwischen afrikanischen<br />
und südamerikanischen Barschen.<br />
Die Südamerikaner stammen aus<br />
dem Amazonas und benötigen daher<br />
weiches Wasser, während die afrikanischen<br />
Barsche sehr hartes Wasser<br />
brauchen.<br />
Denn der Untergrund ihres Lebensumfelds,<br />
die zentralafrikanischen<br />
Seen, besteht aus Kalkgestein. Bei den<br />
afrikanischen Cichliden unterscheidet<br />
man Barsche aus dem Tanganjika- und<br />
aus dem Malawisee, wobei die<br />
meisten Arten endemisch sind, also<br />
nur in einem eng umgrenzten Gebiet<br />
vorkommen.<br />
WELCHES UMFELD WIRD VON<br />
IHNEN BENÖTIGT?<br />
Südamerikanische Barsche brauchen<br />
eine gut strukturierte Umgebung mit<br />
Altholz und reichlich Pflanzenbewuchs.<br />
Afrikanische Barsche hingegen bevorzugen<br />
ein kahles und raues Umfeld,<br />
das kaum Pflanzen, sondern meistens<br />
nur Kalkgesteine und Sand beinhaltet.<br />
Doch die Fische sind bestens daran<br />
angepasst.<br />
So herrscht im Malawisee ein<br />
bewundernswertes ökologisches<br />
Gleichgewicht: Die Barsche ernähren<br />
sich ausschließlich von Algen, die<br />
auf den Kalkgesteinen wachsen.<br />
Die Nährstoffe für diese Algen<br />
liefern Möwen. So skurril dies klingen<br />
mag: Der Möwenkot bietet für die<br />
Algen die ideale Nährstoffgrundlage.<br />
Diese Pflanzen haben sich mit<br />
ihrer besonderen Wuchsform in<br />
diesen Gewässern durchgesetzt, denn<br />
andere Wasserpflanzen fallen oft dem<br />
Grabtrieb der Barsche zum Opfer.<br />
Barsche sind unermüdliche Bauarbeiter,<br />
was das Ausheben von Gruben betrifft.<br />
Der Untergrund wird in das Maul<br />
genommen und an einem anderen Ort<br />
wieder abgesetzt. Diese Verhaltensweise<br />
ist vor allem bei männlichen Tieren<br />
typisch, da sie sich eine Art „Residenz“<br />
einrichten. Dies kann auch in den<br />
Aquarien leicht beobachtet werden.<br />
Daher müssen alle Einrichtungsgegenstände<br />
im Becken direkt auf den<br />
Gefäßboden gestellt werden, um ein<br />
Umkippen zu vermeiden.<br />
WIE ZÜCHTE ICH ERFOLGREICH<br />
BARSCHE?<br />
Afrikanische und südamerikanische<br />
Barsche kann man nicht zusammen<br />
halten. Denn die afrikanischen<br />
Barsche zeigen ein weitaus stärkeres<br />
Territorialverhalten als ihre amerikanischen<br />
Verwandten, was zu deren<br />
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Verdrängung führt. Auch spielt die<br />
Wasserhärte eine große Rolle.<br />
Die Eier der Barsche besitzen eine<br />
semi-permeable Membran, daher<br />
würden sie bei zu hartem oder zu<br />
weichem Wasser entweder aufquellen<br />
und platzen oder schrumpfen und<br />
verpilzen.<br />
Die meisten südamerikanischen<br />
Cichliden betreiben paternale Brutfürsorge.<br />
Das heißt, dass vor allem<br />
das Männchen den Laich bewacht.<br />
Bei den afrikanischen Barschen ist<br />
es genau umgekehrt. Anders als bei<br />
ihren südamerikanischen Verwandten<br />
werden die befruchteten Eier solange<br />
im Maul vor Fressfeinden geschützt,<br />
bis der Dottersack aufgebraucht ist<br />
und sie schlüpfen.<br />
Dann muss die Brut beginnen,<br />
selbst Nahrung zu suchen. Für eine<br />
erfolgreiche Zucht brauchen die<br />
Weibchen, nachdem sie die Eier<br />
in das Maul genommen haben,<br />
ein separates Becken, weil sie vom<br />
Männchen aus dem Territorium<br />
verwiesen werden. Denn nun sind<br />
sie für zirka drei Wochen nicht mehr<br />
fortpflanzungsbereit.<br />
Die Männchen sind übrigens<br />
polygam, eine enge Bindung<br />
zwischen weiblichen und männlichen<br />
Tieren gibt es folglich nicht.<br />
Sobald die jungen Barsche aus dem<br />
Maul entlassen sind, muss man<br />
das Weibchen aus dem Becken<br />
fangen und die jungen Fischlein mit<br />
feinem Futter aufpeppeln. Je größer<br />
die Fische werden, desto mehr<br />
Wasservolumen ist gefragt. Wenn<br />
alles gut läuft, sind die Fische nach<br />
rund sechs Monaten ausgewachsen.<br />
Nun setzt der Züchter zwei oder drei<br />
Weibchen zu einem Männchen – und<br />
kann die anderen Fische verkaufen.<br />
Bei optimalen Bedingungen kann<br />
es durchaus sein, dass innerhalb<br />
von zwei Monaten bis zu sechzig<br />
Jungbarsche das Licht der Welt<br />
erblicken.<br />
WARUM BIN ICH AQUARIANER<br />
UND GARTENTEICHBESITZER<br />
GEWORDEN?<br />
Schon in frühen Jahren hat mich der<br />
Gartenteich meines Vaters magisch<br />
angezogen. Es dauerte daher nicht<br />
lange, bis der Bub auch seinen<br />
eigenen Teich bekam. Die Sucht hatte<br />
begonnen, und so wurde jedes Jahr<br />
eine kleine Veränderung vorgenommen<br />
- bis heute. Nun kümmere ich<br />
mich um sieben Gartenteiche und drei<br />
Aquarien. In den Aquarien schwimmen<br />
vorwiegend Buntbarsche, in den<br />
Gartenteichen tummeln sich unzählige Koi<br />
zwischen Goldfischen, Karpfen, Amuren,<br />
Schleien und anderen Fischen. Schon mein<br />
Großvater war ein begeisterter Fischer.<br />
Leider konnte ich ihn nie kennenlernen,<br />
aber seine Fischerausrüstung zog mich<br />
immer magisch an. Eines Tages fuhr ich mit<br />
meinem Onkel, einem leidenschaftlichen<br />
Angler, ans Wasser. Als der erste Fisch<br />
gefangen war, wollte ich unbedingt einen<br />
eigenen Teich. Meine Fisch-Faszination hat<br />
mir im Freundeskreis allerdings eine Reihe<br />
einprägsamer Namen eingebracht, darunter<br />
„Fischkopf“, „Fischi“ und „Poglfisch.“<br />
15<br />
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Botanik<br />
Hast Du einmal einen Topf mit Tulpen verkehrt herum aufgehängt? Vermutlich nicht,<br />
deshalb wirst Du den unbändigen Willen der Pflanzen, nach oben zu wachsen, noch nicht<br />
mit eigenen Augen mitverfolgt haben.<br />
Quelle:<br />
ARZT Volker:<br />
Kluge<br />
Pflanzen:<br />
Wie sie<br />
locken<br />
und lügen,<br />
sich warnen<br />
und wehren<br />
und Hilfe<br />
holen bei<br />
Gefahr,<br />
München:<br />
Bertelsmann<br />
Verlag,<br />
2.Auflage<br />
2009<br />
Doch was veranlasst<br />
Pflanzen, eine Kurve<br />
in ihrem Wachstum<br />
einzuschlagen und<br />
sich nach oben<br />
zu krümmen?<br />
Wieso wachsen Wurzeln immer nur in<br />
den Boden hinein und nicht hinaus?<br />
(Abgesehen von der Tatsache, dass sie<br />
hässlich sind und sie keiner sehen will!)<br />
Woher wissen Pflanzen überhaupt,<br />
wohin sie wachsen sollen? Die Antwort<br />
liefert der sogenannte Gravi- oder<br />
Geotropismus. Dabei handelt es sich um<br />
Bewegungen entweder zum Erdmittelpunkt<br />
(Gravitationszentrum)<br />
hin oder von ihm weg. Doch<br />
woher weiß die Pflanze, wo<br />
der Erdmittelpunkt liegt. Die<br />
Natur hat sich so genannte<br />
Statolithen einfallen lassen,<br />
die als Orientierungshilfe für<br />
die ‚blinden‘ Pflanzen dienen.<br />
Statolithen sind mikroskopisch<br />
kleine Stärkekörner, die durch<br />
ihre Gewichtskraft der Pflanze<br />
die Gravitationsrichtung<br />
zeigen. Den Wurzeln zeigen sie den<br />
Weg hinunter ins Erdreich, ein positiver<br />
Gravitropismus liegt vor (zum Reiz hin).<br />
Blüten wachsen meistens in die Höhe,<br />
weisen also einen negativen Gravitropismus<br />
auf (vom Erdmittelpunkt weg).<br />
Dreht man die Pflanzen um 90°, so dass<br />
die Wurzeln waagerecht weiterwachsen<br />
müssten, so wandern die Statolithen in<br />
den Wurzelzellen nach unten, was dazu<br />
führt, dass sich die Wurzel krümmt. Am<br />
besten kann man diesen Vorgang bei<br />
Armleuchteralgen (Chara) beobachten.<br />
Sie haben Rhizoide, schnell wachsende<br />
Zellen mit Wurzelfunktion, in denen die<br />
Statolithen mikroskopisch gut sichtbar<br />
sind. Ein besonderes Exemplar, um den<br />
Gravitropismus zu verdeutlichen, ist der<br />
Mohn (Papaver) mit seinen leuchtend<br />
roten Blüten.<br />
Die Knospen des Mohnes sind vor der<br />
Öffnung positiv gravitrop, d.h. sie hängen<br />
nach unten. Sobald sie sich jedoch<br />
öffnen, ändern die Statolithen ihre<br />
„Botschaft“ (deren Übermittlung<br />
noch nicht ganz geklärt ist), und<br />
die aufgehende Knospe krümmt<br />
sich nach oben, wird also negativ<br />
gravitrop. Pflanzenbewegungen<br />
entstehen nicht willkürlich, sondern<br />
sind meistens an verschiedene Reize<br />
gebunden, wie Temperaturveränderungen,<br />
Lichtverhältnisse, Windböen<br />
und Berührung. Bei Nastien, einem<br />
besonderen Bewegungstyp, spielt<br />
die Richtung, aus der der Reiz<br />
kommt, keine Rolle, sondern die<br />
betreffende Organstruktur. Die<br />
YES WE<br />
CAN MOVE<br />
Tieber David, BRG Kepler, <strong>Graz</strong><br />
meisten Nastien sind Folge von<br />
Turgorveränderungen. Turgor ist<br />
der botanische Fachausdruck für<br />
den Druck, den die Zellsäfte auf<br />
die Zellwand ausüben. Wird dieser<br />
Druck verändert, zum Beispiel durch<br />
eine Berührung, kann Erstaunliches<br />
passieren.Die einen nutzen diese<br />
Druckänderung, um ihre Samen mit<br />
möglichst hoher Geschwindigkeit<br />
von sich zu schleudern. Ein Beispiel<br />
dafür ist der Kanadische Hartriegel<br />
(Cornus canadensis), der sein Pollenaufbewahrungslager<br />
aufplatzen<br />
lässt, sobald ein Lebewesen oder ein<br />
heftiger Windstoß eine empfindliche<br />
Borste berührt, die sich auf einem<br />
Blütenhüllblatt befindet. Durch<br />
diesen Vorgang werden die Pollen,<br />
die mit unglaublichen drei Metern<br />
pro Sekunde herausgeschleudert<br />
werden (Geschwindigkeitsweltrekord<br />
im Pflanzenreich!), entweder auf<br />
den Reizauslöser (das Insekt) gespuckt<br />
oder durch den Wind verteilt. So etwas<br />
nennt man Seismonastien. Ein anderer,<br />
berühmterer Vertreter der Seismonastien<br />
ist die Venus-Fliegenfalle (Dionaea<br />
muscipula). Jeder kennt das Schauspiel:<br />
Ein Insekt lässt sich von den verführerischen<br />
Farben der Fangblätter anlocken,<br />
landet auf dem Blatt, macht ein oder<br />
zwei Schritte, und schon schlägt die<br />
Falle zu (in bis zu 100 Millisekunden)<br />
– ein Todesurteil für das Tier, welches<br />
nun die Bekanntschaft mit allerlei<br />
eiweißzersetzenden Substanzen macht<br />
und schließlich als Nährstofflieferant<br />
dient. Die Reizrezeptoren sind hier<br />
abermals kleine auf dem Blatt<br />
verteilte Auslöserborsten, die ein<br />
elektrisches Potenzial auslösen,<br />
das sich mit einer Geschwindigkeit<br />
von sechs bis 20 cm auf der<br />
Blattoberfläche ausbreitet und<br />
den Schließmechanismus auslöst.<br />
Eine letzte Pflanze soll hier noch<br />
genannt werden: die Mimose,<br />
ein Synonym für Empfindlichkeit.<br />
Sie klappt ihre Blätter bei<br />
der kleinsten Annäherung oder<br />
Erschütterung mit einer Reaktionsgeschwindigkeit<br />
von 0,08 Sekunden ein.<br />
Die Blätter bleiben für die nächsten<br />
20 bis 30 Minuten eingefaltet. Diese<br />
besondere Form der Seismonastie ist<br />
eine so genannte Alles-oder-Nichts-<br />
Reaktion. Das bedeutet, dass die<br />
Reaktion in voller Stärke einsetzt,<br />
sobald eine gewisse Reizschwelle<br />
überschritten wird. Diesmal liegen<br />
die Reizrezeptoren (Borsten) an der<br />
Unterseite der Blattgelenke. Pflanzen<br />
sind also nicht nur die starren, leblosen<br />
Erdbewohner, für die viele von uns sie<br />
halten, sondern äußerst raffinierte und<br />
hoch entwickelte Lebewesen. Obwohl<br />
wir wohl niemals einem Ent wie in<br />
„Herr der Ringe“ begegnen werden,<br />
können wir dennoch sicher sein, dass<br />
die Welt der Pflanzen uns noch längst<br />
nicht all ihre Geheimnisse offenbart<br />
hat.. Fotos: W. Heine<br />
• http://www.focus.de/finanzen/news/<br />
perspektiven-weltrekord-die-schnellstepflanzenbewegung_aid_212337.html<br />
• http://www.bioboard.de/topic,3106,-<br />
carnivore-pflanzen!--undgt%3B-bewegung.html<br />
• http://www.biologie.uni-hamburg.de /b-online /<br />
d32/32c.htm<br />
• http://www.wissenschaft-online.de/abo/lexikon/<br />
biok/11209<br />
•http://de.wikipedia.org/wiki/<br />
Pflanzenbewegung<br />
•http://de.academic.ru/dic.nsf/mey<br />
ers/106322/Pflanzenbewegungen<br />
•http://www.oxalis-acetosella.com/turgor<br />
bewegungen.html<br />
•http://www.spacebio.uni-bonn.de/ahp/<br />
Gravitropismus/Gravi3.htm<br />
•http://www.pflanzenfundgrube.net<br />
16<br />
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Zoologie<br />
BÄRTIERCHEN<br />
Anna Hubmann, Akademisches Gymnasium, <strong>Graz</strong><br />
Foto: Bärtierchen im Lichtmikroskop. Fundort: Siegensdorf (St.<br />
Marein bei <strong>Graz</strong>), Oktober 2010 (Autorin)<br />
Sie scheinen von einer anderen Welt zu stammen, denn sie können mit Umweltbedingungen<br />
<strong>zur</strong>echtkommen, die es auf der Erde gar nicht gibt. Hinter dem putzigen deutschen Trivialnamen<br />
„Bärtierchen“ verstecken sich wahre „Überdrüberlebenskünstler“!<br />
Das Bärtierchen wird zunehmend<br />
prominenter. Seit einigen Jahren<br />
schreiben immer mehr Zeitungen<br />
über diese nur millimetergroßen<br />
Tiere. Vielleicht liegt das daran,<br />
dass es derzeit beständig heißer<br />
auf der Erde wird und Bärtierchen extrem hohe<br />
Temperaturen aushalten können. Zudem kann man sie<br />
in jeder Wasserlache unserer Gärten antreffen.<br />
Dennoch waren diese bemerkenswerten Tiere noch<br />
vor kurzer Zeit nur wenigen bekannt! Dabei scheinen<br />
diese kleinen Bären alle Superkräfte der Science-fiction-<br />
Helden zu haben, die uns während unserer Kindheitstage<br />
faszinierten: Sie überleben bei tiefsten Minusgraden<br />
jahrelang und trotzen nicht nur UV-Strahlen, sondern<br />
würden auch den atomaren Super-Gau überstehen.<br />
Da ist es nicht verwunderlich, dass Bärtierchen<br />
schon seit etwa einer halben Milliarde Jahren auf<br />
der Erde vorkommen, wie das Fossilfunde belegen.<br />
Tardigrada (also „Langsamschreiter“) wurden jedoch<br />
erst im 18.Jahrhundert von einem Quedlinburger Pastor<br />
entdeckt.<br />
Im Jahr 2007 wollte ein Stuttgarter Wissenschaftlerteam<br />
die Belastbarkeit dieser kleinen Tiere genauer<br />
kennen lernen. Um die Mechanismen zu entschlüsseln,<br />
die hinter den beachtlichen Fähigkeiten dieser<br />
kleinen Tiere stecken, schickten Wissenschaftler vier<br />
Bärtierchenarten mit einer Rakete in das Weltall. Diese<br />
umkreiste mit ihren Insassen, die neben den tiefen<br />
Temperaturen hohe Strahlung und Vakuum aushalten<br />
mussten, 189 Mal die Erde und kehrte nach zwölf Tagen<br />
im All <strong>zur</strong> Erde <strong>zur</strong>ück. Um die harschen Bedingungen zu<br />
überstehen, hatten sich die kleinen Forschungssubjekte in<br />
einen tönnchenförmigen Ruhezustand begeben. Aber hatten<br />
sie überlebt? Die Forscher legten sie ins Wasser, und siehe<br />
da: Die Bärtierchen wurden wieder quicklebendig und mobil.<br />
MEINE EIGENEN ERFAHRUNGEN MIT BÄRTIERCHEN<br />
Da ich in der 3. Klasse keinen Biologieunterricht hatte,<br />
mich für das Fach aber sehr interessierte, besuchte ich einen<br />
Projektunterricht. Ich wählte das Thema „Die Mikrowelt im<br />
Süßwasser“.<br />
Mit einem Planktonnetz fischte ich Kleinstlebewesen<br />
aus Teichen und Bächen und untersuchte sie mit meinem<br />
Mikroskop. Mit einem speziellen Fotoapparat-Aufsatz<br />
konnte ich das Leben im Wassertropfen fotografieren. Das<br />
machte das Bestimmen leichter und die Präsentation der<br />
Arbeit spannender. Im darauffolgenden Jahr drehte ich<br />
einen kleinen Planktonfilm. Dadurch konnte ich nicht nur die<br />
verschiedenen Formen und Gestalten der Tierchen zeigen,<br />
sondern auch, wie sie sich fortbewegen.<br />
In den Wintermonaten verlangsamte sich meine Arbeit<br />
natürlich, weil ich weniger oder gar kein Plankton fand.<br />
Da gab mir meine Biologielehrerin einen Artikel über<br />
Bärtierchen. Und ich las begeistert: Bärtierchen sind<br />
achtbeinige, meist kleiner als ein Millimeter große Tiere, die<br />
man meistens zu den Gliederfüßern (Arthropoden) zählt. Sie<br />
haben zum Beispiel an jedem „Stummelfuß“ zwei Krallen,<br />
die zum Festhalten und Fortbewegen dienen.<br />
Sie sind fast auf der ganzen Welt zuhause und leben<br />
in den Porenhohlräumen der Sandstrände, aber auch in<br />
17<br />
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Zoologie<br />
Moospölsterchen, Dachrinnen, Wasserlachen<br />
und Teichen. Unter dem Mikroskop<br />
sehen sie aus wie ein kleiner Bär (eigentlich<br />
eher wie ein Gummibärli!).<br />
Doch noch faszinierender als ihr<br />
Aussehen ist ihre Kunstfertigkeit, sich ihrer<br />
Umwelt anzupassen. Wird es ihnen zu<br />
kalt, zu trocken oder zu heiß, lassen sie<br />
ihren Stoffwechsel eine Pause einlegen.<br />
Dann „kapseln“ sie sich in sogenannte<br />
Tönnchen ein.<br />
Dadurch können<br />
sie jahrelang<br />
ohne einen<br />
Tropfen Wasser<br />
ausharren. In<br />
diesem Zustand<br />
trotzen sie<br />
unvorstellbaren<br />
Temperaturen<br />
von 125 Grad<br />
Celsius und<br />
minus 272 Grad.<br />
Dabei sinkt der<br />
Wassergehalt<br />
im Körper des<br />
Bärtierchens bis auf wenige Prozent.<br />
Der Stoffwechsel des Bären ist somit<br />
lahmgelegt.<br />
Doch auch nach extremen Drucken<br />
von 6000 bar, Vakuum, Röntgen-, und<br />
UV-Strahlen brauchen die Bärtierchen-<br />
Tönnchen nicht mehr als einen Wassertropfen,<br />
um unter dem Mikroskop wieder<br />
tapsig nach Nahrungssuche zu gehen!<br />
All diese Eigenschaften haben mich<br />
zutiefst beeindruckt und mein Ehrgeiz<br />
wurde geweckt, einen solch kleinen<br />
Überlebenskünstler unter meinem Mikroskop<br />
zu filmen. Oft wird das Auffinden<br />
von Bärtierchen als sehr leicht dargestellt.<br />
Dem ist nicht so! Ich musste lange<br />
suchen, Moose ausquetschen, Dachrinnen<br />
durchstöbern.<br />
Doch erst kurz nach Weihnachten hatte<br />
ich Erfolg! Ich machte Fotos, Filme und<br />
Zeichnungen.<br />
Nach meinem ersten Bärtierchenfund<br />
folgten ständig weitere. Die meisten<br />
dieser Tiere fand ich in einem kleinen,<br />
am Waldrand gelegenen Teich. Ich stellte<br />
immer mehr Kurzfilme her und schnitt sie<br />
dann zu einem eigenen Film zusammen,<br />
der nur den Bärtierchen gewidmet ist. Ja,<br />
es sind wirklich beeindruckende Tiere!<br />
TOTGESAGTE<br />
LEBEN<br />
LÄNGER<br />
Marton Liziczai, BRG Kepler, <strong>Graz</strong><br />
Dr. Siegfried Hekimi und Dr. Wen Yang,<br />
Forscher des Department of Biology der<br />
McGill University in Montreal, stießen bei<br />
einem Experiment auf ein verblüffendes<br />
Ergebnis. Die Wissenschaftler behandelten<br />
Fadenwürmer mit Paraquat, einem Herbizid,<br />
das die Anzahl der freien Radikale im<br />
Organismus erhöht und dadurch ein Lebewesen<br />
tötet. Die Würmer überlebten die<br />
Behandlung aber nicht nur. Sie lebten sogar<br />
länger als gewöhnlich.<br />
Infobox<br />
PARAQUAT<br />
Paraquat ist ein starkes Herbizid. Bei der<br />
Photosynthese werden Elektronen auf<br />
das Paraquatkation übertragen, wodurch<br />
das Paraquat zu einem Radikal wird.<br />
Das Paraquat gibt seine überschüssigen<br />
Elektronen an ein Sauerstoffmolekül<br />
ab, wodurch Hyperoxide entstehen.<br />
Hyperoxide sind Verbindungen von<br />
Alkalimetallen, Metallen, und Dioxiden.<br />
Sie sind sehr reaktiv und zerstören<br />
ungesättigte Fettsäuren der Zellmembran.<br />
Durch Teilreaktionen in der Photosynthese<br />
wird das Paraquat immer wieder<br />
zu einem Radikal. Es richtet so lange<br />
Schaden an, bis die Photosynthese zum<br />
Erliegen kommt. Die Zelle verliert sehr<br />
viel Wasser, und innerhalb von wenigen<br />
Stunden trocknet die Pflanze aus.<br />
Dieses Herbizid ist für Menschen und<br />
Tiere so giftig, dass es von der EU<br />
verboten wurde. Gelangt Paraquat<br />
in den Organismus, bildet es durch<br />
Oxidation Wasserstoffperoxidradikale.<br />
Diese schädigen in erste Linie die Lunge,<br />
die Leber und die Nieren. Auf zellulärer<br />
Ebene bildet das Paraquat durch die<br />
Zellatmung Wasserstoffperoxide. Sie<br />
reagieren schnell und heftig mit anderen<br />
Molekülen. Die Zellstruktur wird schnell<br />
zerstört. Der Grenzwert liegt bei 0,004<br />
mg/kg Körpergewicht pro Tag.<br />
HERBIZID<br />
Herbizide sind<br />
Chemikalien, die<br />
Unkräuter abtöten<br />
sollen.<br />
ANTIGEN<br />
Antigene sind<br />
körperfremde<br />
Moleküle.<br />
T-HELFERZELLEN<br />
T-Helferzellen<br />
sind Zellen des<br />
Immunsystems. Sie<br />
senden Zytokine<br />
aus und alarmieren<br />
das Immunsystem.<br />
ZYTOKINE<br />
Zytokine sind Botenstoffe.<br />
Sie regen<br />
das Immunsystem<br />
an, Antikörper zu<br />
produzieren<br />
18<br />
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Medizin<br />
Ein Fadenwurmweibchen<br />
Foto: Nadine Timmermeyer,<br />
Universität Tübingen<br />
Bereits bei der Entstehung der<br />
ersten Zellen beginnt deren<br />
Alterung. Wie wir leben,<br />
was wir tun, alles beeinflusst das<br />
Fortschreiten des Alterns. Zellen<br />
werden repariert, neue entstehen<br />
durch Teilung, aber sie sind nie<br />
so frisch wie die allerersten. Jede<br />
Zelle ist vorprogrammiert, nach einer<br />
bestimmten Zeit zu sterben. Diesen<br />
vorprogrammierten Tod nennt man<br />
Apoptose.<br />
Beschädigte Zellen opfern sich,<br />
um dem Organismus zu helfen<br />
Stellt eine Zelle ein Problem fest,<br />
das sie nicht beseitigen kann,<br />
startet sie einen streng kontrollierten<br />
Selbstmord, um größere Systemfehler<br />
zu vermeiden. Als Erstes werden<br />
alle Kontakte zu anderen Zellen<br />
abgeschnitten. Danach wird das<br />
Cytoskelett, das der Zelle Form und<br />
Stabilität verleiht, abgebaut, wodurch<br />
die Zelle zu schrumpfen beginnt.<br />
Die Zelle schnürt kleinere Vesikel aus<br />
ihrer Zellmembran ab, in denen sich<br />
zerlegte Zellorganellen befinden.<br />
Proteine an der Zelloberfläche<br />
signalisieren den Makrophagen,<br />
Zellen des Immunsystems, dass<br />
sie gefressen werden können. Die<br />
entstandene Gewebslücke wird<br />
durch die Teilung der Nachbarzellen<br />
aufgefüllt. Krebszellen begehen<br />
übrigens keinen Selbstmord, ihr<br />
Selbstzerstörungsmechanismus ist<br />
ausgeschaltet.<br />
Dem kontrollierten Zelltod kommt<br />
auch Bedeutung im Immunsystem zu.<br />
Wenn ein Fremdkörperchen, etwa<br />
ein Virus, in den Organismus gelangt<br />
und als solcher erkannt wird, wird es<br />
von einem Makrophagen gefressen.<br />
Einige Proteine des Fremdkörpers<br />
werden auf der Oberfläche des<br />
Makrophagen „ausgestellt“. Diese<br />
Proteine werden von T-Helferzellen<br />
registriert, welche Zytokine als Botenstoffe<br />
abgeben und das Immunsystem<br />
in höchste Alarmbereitschaft versetzen.<br />
Das Immunsystem beginnt dann<br />
mit dem Angriff auf infizierte Zellen,<br />
was mit deren Apoptose endet.<br />
Der kontrollierte Zelltod spielt aber<br />
nicht nur bei der Krankheitsbekämpfung,<br />
sondern auch bei unserer vorgeburtlichen<br />
Entwicklung eine wichtige<br />
Rolle. Ohne ihn hätten wir keine Finger<br />
oder Zehen. Der Embryo besitzt<br />
nämlich flossenartige Hände und Füße.<br />
Erst durch den kontrollierten Zelltod<br />
des Gewebes zwischen den Knochen<br />
entstehen einzelne Finger und Zehen.<br />
Ohne vorzeitige Apoptose könnten wir<br />
allerdings länger leben. Dazu gibt es<br />
bereits zahlreiche Versuche. So läuft<br />
das Altern bei geringerer Produktion<br />
des Wachstumshormons (Somatotropin)<br />
und der Geschlechtshormone<br />
(Östrogen und Testosteron) schneller<br />
ab. Es wurden Hormontherapien<br />
entwickelt, die möglicherweise das<br />
Altern hinauszögern können.<br />
Stephen R. Spindler und sein Team der<br />
University of California haben zudem<br />
bewiesen, dass Mäuse, die eine kalorienarme<br />
Diät bekommen, länger leben<br />
als gewöhnlich. Andere Versuchsorganismen<br />
wurden mit Antioxidantien,<br />
wie Vitamin C, behandelt. Sie lebten<br />
ebenfalls länger als gewöhnlich. Bei<br />
den mit Paraquat behandelten Würmer<br />
wird angenommen, dass die durch<br />
Radikale angeregten Zellen eher als<br />
andere dazu neigen, die Zellreparatur<br />
zu maximieren, wodurch das Altern<br />
verlangsamt wird. Dieses scheinbar<br />
paradoxe Phänomen wird gerade mit<br />
Hilfe von Mutanten des Fadenwurms<br />
Caenorhabditis elegans genauer<br />
untersucht. Derartige Forschungen<br />
ermöglichen eine bessere Kenntnis<br />
über den Zelltod und eröffnen<br />
möglicherweise einen neuen Weg für<br />
eine Methode, die das menschliche<br />
Leben verlängert.<br />
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