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Context Nr. 5 / Mai 2013 - Zeitmanagement (PDF ... - KV Schweiz

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13<br />

früheren Jahren, Geld von Südamerikanern<br />

im Ausland anzulegen. Man hatte<br />

sich wirtschaftlich in der Region erholt<br />

und die Inflation im Griff. Die Kunden investierten<br />

ihr Geld daher wieder vermehrt<br />

im eigenen Land. Dennoch war Robert R.<br />

zuversichtlich, weil er mit dem dortigen<br />

Markt vertraut war und über ein grosses<br />

Netz von Kontakten verfügte.<br />

Das Reiseverbot<br />

Wichtig in diesem Geschäft ist, dass man<br />

die Kunden vor Ort besuchen darf. «In<br />

diesem hochdotierten Business mit Portfolios<br />

von zum Teil mehreren Millionen<br />

Dollar verlangen die Anleger Präsenz. Sie<br />

wollen ihren Berater regelmässig sehen,<br />

damit sie ihre Anliegen auch persönlich<br />

besprechen können.» Aber genau das war<br />

plötzlich nicht mehr möglich. Kurz bevor<br />

Robert R. seine Stelle angetreten hatte,<br />

verhängte die Bank ein Reiseverbot. Die<br />

Mitarbeitenden durften das Land nicht<br />

besuchen, weil man befürchten musste,<br />

festgenommen zu werden. Für ihn eine<br />

Katastrophe: «Ich konnte nicht wirklich<br />

arbeiten.»<br />

Die Bank hob das Reiseverbot nach<br />

sieben Monaten auf und Robert R. konnte<br />

seine Kunden endlich aufsuchen. Doch<br />

als er in die <strong>Schweiz</strong> zurückkehrte, eröffnete<br />

man ihm, dass die Bank nicht mehr<br />

an die Realisierung des Business Plans<br />

glaube. Dies bedeutete für Robert R. die<br />

völlig überraschende Kündigung. Er bat<br />

seine Vorgesetzten noch um etwas Zeit,<br />

zumal er einige Kontoeröffnungen vorweisen<br />

konnte. Vergebens, der Entscheid<br />

war unumstösslich. «Das Problem war<br />

nicht, dass ich schlecht performte, sondern<br />

dass das Institut zur Jahreshälfte<br />

weit hinter seinen eigenen finanziellen<br />

Vorgaben lag und sich somit enormem<br />

Zahlendruck seitens des Mutterhauses<br />

ausgesetzt sah. Die Verantwortlichen<br />

mussten mit irgendwelchen Sparmassnahmen<br />

darauf reagieren.»<br />

Unter Erfahrung abhaken<br />

Die Entlassung war für Robert R. ein harter<br />

Schlag und belastete ihn stark. «Ich<br />

konnte nicht glauben, dass so mit einem<br />

umgesprungen wird.» Er überlegte, ob er<br />

sich gegen den Entscheid zur Wehr setzen<br />

sollte. Aber die von ihm konsultierten Anwälte<br />

sagten: «Nichts zu machen. Haken<br />

Sie es unter Erfahrung ab und konzentrieren<br />

Sie Ihre Energie auf die Neuorientierung.»<br />

Robert R. fand bereits wenige Monate<br />

später eine Stelle bei der grössten ausländischen<br />

Privatbank in Zürich. Ein Glücksfall<br />

für ihn. Er hatte eine herausfordernde<br />

Tätigkeit und traf auf ein tolles Team. «Ich<br />

fühlte mich richtig gut.» Nach 13 Monaten<br />

fiel er einer Restrukturierungsmassnahme<br />

zum Opfer.<br />

Das war nicht einmal überraschend.<br />

Stellenabbau im grossen Stil war in der<br />

Branche unterdessen an der Tagesordnung.<br />

Auch beim Arbeitgeber von Robert<br />

R. wurden ständig Mitarbeiter entlassen.<br />

Angst machte sich breit, die Angestellten<br />

waren zunehmend verunsichert, denn<br />

was sie sahen, war unschön: Jeden Monat<br />

verloren im Schnitt allein drei bis vier Kaderleute<br />

ihren Job. Robert R. traf es im<br />

März 2012.<br />

Kündigung und Wertschätzung<br />

Bemerkenswert war das Vorgehen seines<br />

Vorgesetzten. Sie trafen sich einige Tage<br />

vor der Kündigung, um eine bevorstehende<br />

Geschäftsreise von Robert R. nach<br />

Südamerika zu besprechen. Ihm fiel lediglich<br />

auf, dass sein Chef im Gegensatz<br />

zu früheren Besprechungen alles minutiös<br />

mitnotierte, zum Beispiel die Namen<br />

und Kontaktdaten von Kunden. «Das<br />

machte mich stutzig, aber ich dachte<br />

nicht an eine Kündigung.» Als er dann erneut<br />

vom Vorgesetzten zum Gespräch bestellt<br />

wurde und am Tisch auch eine Vertreterin<br />

der Personalabteilung sass, war<br />

für ihn klar: «Nun bin ich an der Reihe.»<br />

Normalerweise müssen Bankangestellte<br />

bei einer Entlassung unter Aufsicht<br />

sofort ihr Büro räumen und das Haus verlassen.<br />

Die Banken stellen so sicher, dass<br />

der gekündigte Angestellte keine sensiblen<br />

Daten mitnimmt. Robert R. hatte es<br />

da besser. «Mein Chef, zu dem ich ein gutes<br />

Verhältnis hatte, sagte: ‹Robert, du<br />

kannst nun hochgehen und in Ruhe deinen<br />

Arbeitsplatz räumen und wenn du<br />

willst, kannst du auch morgen noch einmal<br />

kommen.› Und er fügte an: ‹Das ist<br />

ein grosses Vertrauen, das wir dir entgegenbringen,<br />

ein Zeichen unserer Wertschätzung.›»<br />

Robert R. erzählt das ganz ruhig, ein<br />

wenig nachdenklich, aber nie verbittert.<br />

Manchmal lächelt er, wie einer über eine<br />

etwas unglaubliche Geschichte lächelt.<br />

«Ja», sagt er, «Das war tatsächlich ein Zeichen<br />

der Wertschätzung.» Seinem früheren<br />

Chef gegenüber hegt er keinen Groll.<br />

Er mochte ihn und er sah, dass dieser<br />

auch nichts gegen seine Entlassung tun<br />

konnte. «Er hat mir im Gespräch gesagt,<br />

dass er mir nicht gekündigt hätte, wenn<br />

es alleine nach ihm gegangen wäre. Er<br />

konnte nicht anders, das habe ich ihm abgenommen.<br />

Und der Funken Menschlichkeit<br />

in dieser schweren Stunde hat immerhin<br />

gut getan.» Was Robert R. erlebt hat, ist<br />

in der Branche üblich. Der Kostendruck ist<br />

enorm, durch Entlassungen im grossen<br />

Stil wird gespart. Die Banken ersetzen<br />

teure erfahrene Leute allenfalls durch kostengünstigere<br />

Junge. Interne Restrukturierung<br />

reicht als Begründung für eine<br />

Entlassung. «Die Order kommt von oben,<br />

und das wird dann ausgeführt. Die meisten<br />

Vorgesetzten haben keine Zivilcourage,<br />

sich für ihre Mitarbeitenden einzusetzen.»<br />

Der Banker blickt auf eine über 30-jährige<br />

Laufbahn zurück. Er ist in mehreren<br />

Bereichen bestens qualifiziert, hat Erfahrungen<br />

im Projektmanagement und beherrscht<br />

verschiedene Fremdsprachen.<br />

Und doch ist es für ihn schwierig, eine<br />

Stelle zu finden. Das Problem ist sein<br />

Alter. Firmen stellen offenbar ungern erfahrene<br />

Berufsleute ein.<br />

Last und Zuversicht<br />

Aber er lässt sich nicht entmutigen, steckt<br />

den Kopf nicht in den Sand, wie er sagt,<br />

sondern ist trotz der Absagen zuversichtlich.<br />

Auch weil er weiss, dass er viel zu<br />

bieten hat und flexibel ist. Und doch lastet<br />

die Arbeitslosigkeit schwer, psychisch<br />

und finanziell. Während der halbjährigen<br />

Kündigungsfrist hatte Robert R. den<br />

vollen Lohn, seit sechs Monaten muss er<br />

von dem deutlich tieferen Arbeitslosengeld<br />

leben, mit dem er unter anderem<br />

die Ausbildung seiner erwachsenen Kinder<br />

mitfinanziert. Am liebsten würde Robert<br />

R. einen Job in einem ganz anderen<br />

Arbeitsfeld finden, denn er glaubt nicht,<br />

dass sich die Situation bei den Banken in<br />

den nächsten Jahren verbessern wird.<br />

Und vor allem möchte er sich nicht noch<br />

einmal dem unwürdigen Umgang aussetzen,<br />

wie er es zweimal erlebt hat. Er sagt:<br />

«Man kommt sich vor wie ein Spielzeug,<br />

mit dem sich ein verwöhntes Kind eine<br />

Zeitlang beschäftigt, und es dann, wenn<br />

es das Interesse daran verliert, einfach<br />

weglegt.»<br />

* Name der Redaktion bekannt.<br />

Rolf Murbach ist <strong>Context</strong>-Redaktor.<br />

rolf.murbach@kvschweiz.ch<br />

context 5 – <strong>2013</strong>

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