Neue Szene Augsburg 2014-12
Das Stadtmagazin für Augsburg
Das Stadtmagazin für Augsburg
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
32 Zoom<br />
dessen mit dem Posten der Fraktionsvorsitzenden betraut<br />
(man könnte auch bösartig sagen: abgefunden).<br />
Dirk Wurm<br />
(Ordnungsreferent)<br />
Ihn hatte niemand<br />
auf der Liste, selbst<br />
die Partei war überrascht,<br />
dass Wurm<br />
Ordnungsreferent<br />
wurde. Nachdem er<br />
erfolglos Linus<br />
Förster das Landtagsmandat streitig machen wollte,<br />
zog ihn Stefan Kiefer bei den Koalitionsverhandlungen<br />
dann aber wie ein Kaninchen aus dem Hut. Sein Vorteil:<br />
Er ist jung, sieht gut aus und kann reden. Das<br />
macht ihn zum OB-Kandidaten im Wartestand.<br />
Bündnis 90/Die Grünen<br />
Die Grünen haben die Wahl gewonnen, in gewisser<br />
Weise. Sie haben mehr Stadtratsmandate, Reiner<br />
Erben wurde Umweltreferent, sie sind lose an der Koalition<br />
beteiligt. Der Haken daran könnte sein, dass<br />
Gribls Kalkül aufgeht und er die Grünen so sehr<br />
umarmt, dass sie harmlos werden. Diese Gefahr ist<br />
bei ihnen allerdings kleiner als bei der SPD. Die Grünen<br />
sind einfach rebellischer, wenn auch in bürgerlichen<br />
Grenzen. Ein weiterer Pluspunkt ist ihre<br />
Stadtratsfraktion, bestehend aus jungen Kräften und<br />
markanten Urgrünen. Auf wen es ankommt:<br />
Reiner Erben (Referent<br />
für Umwelt,<br />
Nachhaltigkeit und<br />
Integration)<br />
Erben ist in gewisser<br />
Weise ein Paradegrüner.<br />
Er wohnt<br />
in einem typisch<br />
grünen Stadtviertel<br />
in einer WG mit Claudia Roth, fährt Fahrrad, arbeitet<br />
im interkulturellen Bereich und mit Sicherheit trennt<br />
er seinen Müll gewissenhaft. Was man nicht von ihm<br />
sagen kann, ist, dass er ein spannender Politikertyp<br />
ist. Er ist eher der engagierte Fachmann als der mitreißende<br />
Rhetoriker. Ein Mann für den Maschinenraum<br />
der Politik. Bisher konnte er keine<br />
entscheidenden Themen setzen, aber welcher Referent<br />
konnte das bisher schon?<br />
CSM<br />
Bei der Wahl verlor die CSM deutlich, hätte ihr Chef,<br />
Hermann Weber, keinen so guten Draht zu Kurt Gribl<br />
– die CSU-Abspaltung wäre in der Bedeutungslosigkeit<br />
versunken. Eigentlich wollte Gribl die verlorenen<br />
Schäfchen mit in die Koalition holen, dagegen rebellierte<br />
die CSU unter Kränzle, der den Ehemaligen weiterhin<br />
in herzlicher Abneigung verbunden ist.<br />
Stattdessen machte der OB Weber zum Stadtdirektor<br />
und band die CSM somit indirekt an die Koalition. Auf<br />
längere Sicht wird sich die Gruppe also entweder wieder<br />
mit den Christsozialen vereinen, oder sie wird von<br />
der Bildfläche verschwinden.<br />
Pro <strong>Augsburg</strong><br />
Der größte Verlierer ist Pro <strong>Augsburg</strong>. Die Hälfte der<br />
Stadtratssitze weg, Regierungsbeteiligung futsch und<br />
jetzt auch noch einen Spitzenmann, der sich nach<br />
einer Anzeige wegen sexuellen Missbrauchs in Turbulenzen<br />
befindet. Das wirkt sich natürlich auch auf die<br />
Politik aus. Einstweilen steht Pro <strong>Augsburg</strong> hinter<br />
Grab, aber selbst wenn er juristisch entlastet werden<br />
sollte, ist er politisch und menschlich schwer angeschlagen.<br />
Auf absehbare Zeit wird sein Name mit<br />
einem Skandal verbunden bleiben, dessen unschöne<br />
Details in aller Öffentlichkeit ausgebreitet wurden.<br />
Eine grausame Ironie. Denn kein Politiker der Stadt<br />
hat sein Privatleben so inszeniert und ausgestellt wie<br />
Peter Grab, der auch schon mal Fotos auf Facebook<br />
postete, die ihn auf dem Zahnarztstuhl liegend zeigen.<br />
Es gibt den Spruch, dass Grab nur eine Aussicht<br />
mehr Angst macht als schlechte Presse: Die Aussicht,<br />
gar keine Presse mehr zu haben. Das stimmt so nicht<br />
mehr. Für Pro <strong>Augsburg</strong> könnte die schwere Beschädigung<br />
Grabs das politische Todesurteil sein, das wissen<br />
auch die führenden Kräfte der Partei. Die brutale,<br />
aber logische Frage wird deswegen lauten: Wie werden<br />
wir Grab los?<br />
Freie Wähler<br />
Die Opposition ist Volker Schafitel und Volker Schafitel<br />
ist die Opposition. Diese Gleichung ist einfach und zutreffend.<br />
Ob sie am Ende aufgehen wird, muss sich<br />
zeigen. Nachdem der grantige Monaco Franze bei der<br />
Wahl eher bescheiden abschnitt, hat er sich unbeirrt<br />
daran gemacht, die Opposition zu formen. Mit der<br />
Fraktion aus Freie Wähler, Linke, Polit-WG und ÖDP<br />
klappte es zwar rechtlich nicht so richtig, aber was<br />
Paragraphen nicht hergeben, können Politiker dennoch<br />
formen. Die Freien Wähler sind in der Person<br />
Schafitels die Speerspitze der Opposition. Die aktuellen<br />
Entwicklungen, Bahnhofstunnel, Ungereimtheiten<br />
bei der Altenpflege etc., sind für ihn ein<br />
politisches Aphrodisiakum. Für den Oberbürgermeister<br />
bleibt er ein stetiges Ärgernis. So lange dessen Kritik<br />
von der Brisanz her in überschaubaren Grenzen blieb,<br />
konnte ihn Gribl als ewigen Nörgler abtun. Das könnte<br />
sich ändern und aus dem Quälgeist könnte, wenn es<br />
für Gribl schlecht läuft, der Politprophet werden, auf<br />
den man nicht hören wollte, der aber am Ende eben<br />
doch richtig lag. Damit direkt verbunden ist Schafitels<br />
politischer Erfolg und der seiner Partei.<br />
Die Linke<br />
Der neue starke Mann bei den Linken ist Otto Hutter.<br />
Er zeichnet sich als zweiter Oppositionsführer ab.<br />
Neben Schafitel könnte er sich als rebellisches soziales<br />
Gewissen profilieren und damit der Partei neue<br />
Wähler bringen. Beim Thema Sozialticket konnten sich<br />
die Linken bereits als Anwalt der sozial Schwachen in<br />
<strong>Szene</strong> setzen. Gefahr von ähnlichen Gruppierungen<br />
droht ihnen dabei nicht. Die Piraten konnten mangels<br />
Unterstützerschriften nicht zur Wahl antreten und die<br />
Polit-WG befindet sich seit dem Wahlabend im politischen<br />
Stealth-Modus.<br />
ÖDP<br />
Über die ÖDP kann man ehrlicherweise noch gar nicht<br />
soviel sagen, Stadtrat Pettinger ist ein gewissenhafter,<br />
fachlich kundiger Mann, der die große Bühne weniger<br />
sucht als beispielsweise Schafitel, wozu freilich wenig<br />
gehört. Allerdings hat sich das schon vor der Wahl abgezeichnet.<br />
Pettinger ist ein bisschen wie Reiner<br />
Erben. Ein Mann der stillen Facharbeit. Sein Vorteil<br />
könnte sein, dass man von ihm und seiner Partei<br />
nichts anderes erwartet.<br />
AFD<br />
Ganz anders geht es da der AFD und ihrem Spitzenmann<br />
Thomas Lis. Man tut ihm sicher nicht Unrecht,<br />
wenn man feststellt, dass er und seine Partei auf der<br />
deutschlandweiten Welle der Protestwahl in den<br />
Stadtrat gesegelt sind. Das soll nicht heißen, dass die<br />
<strong>Augsburg</strong>er AFD ein populistischer Haufen wäre,<br />
woran es aber ganz offenkundig mangelt, sind im politischen<br />
Alltagsgeschäft erfahrene Mandatsträger. Lis<br />
und die Seinen tun sich noch schwer, eine Position im<br />
Parteiengefüge zu finden, dass sie von den anderen<br />
als ganz rechts eingeordnet werden, hilft ihnen erst<br />
mal wenig. Es scheint jedoch so, als könnte sich die<br />
AFD als ein Mix aus rechter CSU und notorisch knauseriger<br />
FDP etablieren.<br />
FDP<br />
Die FDP und ihr Stadtrat Markus Arnold hatten ein<br />
großes Ziel, dem alles untergeordnet wurde, für das<br />
man alles tat: einen Sitz im Stadtrat. Dass Arnold diesen<br />
für politische Kernerarbeit nutzen will, zeichnet<br />
sich bislang nicht ab. Ihm dürfte die „Hospitanz“ bei<br />
der CSU - so nennt man es tatsächlich, wenn ein<br />
Stadtrat sich einer anderen Fraktion anschließt, um<br />
offiziell zu lernen, wie das alles als Stadtrat überhaupt<br />
so geht - völlig genügen. Dazwischen schimpft er ab<br />
und zu, wenn die Stadt in seinen Augen zu viel Geld<br />
(vorrangig für Soziales) ausgibt. Nachhaltigere Aktionen<br />
sind nicht zu erwarten.<br />
Polit-WG<br />
Von der Polit-WG haben alle mehr Außenwirkung erwartet,<br />
wahrscheinlich die Wählervereinigung selbst<br />
auch. Der Coup mit der Sonderausgabe einer Zeitung,<br />
die <strong>Augsburg</strong> im Jahr 2020 unter einer Polit-WG-Regierung<br />
darstellte und der <strong>Augsburg</strong>er Allgemeinen<br />
nachempfunden war, blieb der einzige. Seitdem<br />
herrscht Bedächtigkeit statt Mut. Der Stadtrat der<br />
Gruppierung, Oliver Nowak, kann einem fast Leid tun.<br />
Er dringt einfach nicht durch, setzt keine Themen,<br />
wird nicht als markanter Politiker wahrgenommen. Da<br />
hilft es wenig, wenn man darauf pocht, Sachpolitik<br />
statt kurzatmigen Populismus praktizieren zu wollen.<br />
Wenn die Sachpolitik weiter unter Ausschluss der Öffentlichkeit<br />
stattfindet, wird die Polit-WG bei der<br />
nächsten Wahl schlicht untergehen