Workshop zur Fremdunterbringung von Anja Zehnpfund
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Geschlossene Unterbringung heute<br />
Immer noch werden strukturelle Missstände in Institutionen der sozialen Arbeit öffentlich.<br />
Geschlossene Heime sind Extrembeispiele der pädagogischen Hilfen und sehr umstritten.<br />
Die GU erfüllt auch Abschreckungsfunktion, wie damals in den 50-70er die<br />
Landesfürsorgeheime als „letzte Station“. So wurden gerade letztes Jahr<br />
menschenverachtende Zustände in einem geschlossenen Heim der Haasenburg eG<br />
bekannt. Dennoch dauerte es über 1/2 Jahr, bis das Heim geschlossen wurde und die<br />
"Insassen" umverteilt wurden. 1<br />
Kinder und Jugendliche erleben nach wie vor verschiedenste Formen <strong>von</strong> Gewalt. In der<br />
Familie, in ihrer Peer-Group, aber auch in Wohngruppen, wenn sie gegen ihren Willen<br />
verlegt werden, wenn sie mit Medikamenten beruhigt werden oder Gleichgültigkeit gegen<br />
ihre Lebensgeschichte erleben.<br />
Strukturelle Gewalt der Ausgrenzung wegen ihres Anders-seins, wegen des Stigmas<br />
"Heimkind", wegen Armut und einer Gesellschaft, die immer noch auf Arbeit und Sich-<br />
Anpassen setzt.<br />
Gerade Jugendliche mit stark herausforderndem Verhalten stellen nach wie vor eine<br />
Problemgruppe in der Heimerziehung dar – gestern wie heute fehlt häufig das Geld für<br />
eine angemessene therapeutische und pädagogische Begleitung <strong>von</strong> Kindern, die bereits<br />
Gewalt in ihren Herkunftsfamilien und/oder der peer-group erfahren haben und diese<br />
weitergeben.<br />
Erziehungsprogramme, die auf Strafe (moderner Konsequenzen) setzen statt auf<br />
Kooperation (Jesper Juul: "Jedes Kind will kooperieren") oder sich<br />
"Verstärkerprogrammen" (schönes Beispiel die RTL-Serie "Super Nanny") bedienen, sind<br />
nicht gewaltfrei.<br />
Kinder und Jugendliche Wegsperren erst recht nicht.<br />
Neue Konzepte BRD<br />
Die Student_innenbewegung der 60er und 70er Jahre im Westen hatte <strong>zur</strong> Folge, dass<br />
autoritäre und repressive Erziehungsstile sowohl im familiären als auch institutionellen<br />
Rahmen kritisch hinterfragt wurden.<br />
Es entstanden alternative Betreuungsformen wie Kleinstheime und Wohngruppen,<br />
Erziehungsberatung und sozialpädagogische Familienhilfe wurden ausgebaut. Diese<br />
Reformen fanden im Kinder- und Jugendhilfegesetz <strong>von</strong> 1991 ihre rechtliche Grundlage. Es<br />
folgte eine Entwicklung <strong>von</strong> der Erziehung durch Strafen, Belohnung und Reglementierung<br />
hin zu einem entwicklungsfördernden Umfeld und das Anbieten tragfähiger,<br />
wechselseitiger Beziehungen. Es sollte eine Orientierung an den Ressourcen und<br />
1<br />
GU–Geschichte mit schwankenden Zahlen:<br />
seit 1980: Abnahme der GU-Plätze<br />
1989: Im Westen: 372 Plätze in 24 Heimen<br />
da<strong>von</strong> 220 für Jungen, 152 für Mädchen (nicht alle belegt!)<br />
Ab 1990: Weiterer Rückgang der FEM (freiheitsentziehende Maßnahmen)-Plätze (1997: 122 Plätze, 74 Jungen, 48 Mädchen)<br />
Nach der Wende im Osten hieß es: „Nie wieder Torgau!“ (Jugendwerkshof siehe Kapitel DDR)<br />
Aber seit ca. 2000: Wiederanstieg der FEM-Plätze: 2004: 183 Plätze; August 2011: 368 Plätze) in sehr unterschiedlicher<br />
Verteilung auf die Bundesländer<br />
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