militär AKTUELL
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
WELTGESCHEHEN<br />
Aktuelle Konflikte,<br />
Krisen und<br />
Analysen — S. 8<br />
EUROFIGHTER-NEWS<br />
Neues Radar, neue<br />
Bewaffnung & neue<br />
Absatzmärkte — S. 22<br />
<strong>militär</strong><br />
HEERES-REPORT<br />
Zu Besuch am<br />
Truppenübungsplatz<br />
Allentsteig — S. 36<br />
DAS NEUE<br />
ÖSTERREICHISCHE<br />
MILITÄRMAGAZIN<br />
AUSGABE 4|14<br />
EURO 3,80<br />
<strong>AKTUELL</strong><br />
GENERALSTABSCHEF OTHMAR COMMENDA:<br />
„Aus derzeitiger Sicht sind<br />
weitere Einsparungen nicht<br />
auszuschließen!“ — S. 28<br />
MILITÄR-MANÖVER WIE IM KALTEN KRIEG<br />
Im Konflikt mit dem Westen<br />
demonstriert Wladimir<br />
Putin global Stärke. Der<br />
russische Staatschef beordert<br />
Kriegsschiffe vor die Küste<br />
Australiens, schickt Bomber vor<br />
die US-Westküste und ordnet<br />
umfangreiche Raketentests an.<br />
Russland<br />
lässt seine<br />
Muskeln spielen
Foto: Bundesheer/Harald Minich<br />
Unser<br />
Heer<br />
schützt<br />
und hilft!<br />
Von der <strong>militär</strong>ischen Landesverteidigung und<br />
dem Schutz unserer Infrastruktur über die<br />
Hilfe bei Katastrophen bis zum humanitären<br />
Engagement im Ausland – unser Heer<br />
sorgt für Ihre Sicherheit.<br />
www.facebook.com/bundesheer
E D I T O R I A L<br />
0 0 3<br />
LIEBE LESERIN, LIEBER LESER<br />
S<br />
ie brauchen gar nichts zu sagen: Sie haben<br />
recht! Wir betreten herausforderndes Terrain.<br />
Es gehört in Österreich nicht gerade<br />
zu den einfachsten Dingen, als Fachmedium<br />
am Markt erfolgreich durchzustarten.<br />
Mehr noch, wenn man sich auf die – so<br />
ehrlich muss man sein – durchaus überschaubare Zielgruppe<br />
der <strong>militär</strong>isch Interessierten spezialisiert, auf<br />
Qualität statt Quantität setzt, objektiv und unabhängig<br />
berichtet und über ein kurzes Strohfeuer hinaus auch<br />
nachhaltig Erfolg haben möchte. Wir wollen es trotzdem<br />
versuchen und uns mit Militär Aktuell einen fixen Platz<br />
am heimischen Magazin-Parkett erarbeiten und Sie<br />
von unseren Qualitäten überzeugen.“<br />
Mit dieser ambitionierten Ansage haben wir im Juni<br />
2012 unsere Debütausgabe eröffnet. Zweieinhalb Jahre<br />
und neun Druckabgaben später dürfen wir mit unserer<br />
nunmehr vorliegenden zehnten Ausgabe – bei aller<br />
Bescheidenheit – eine durchaus erfreuliche Zwischenbilanz<br />
ziehen. Zwar haben wir uns gleich am Cover<br />
unserer ersten Ausgabe mit der Bezeichnung „Gruppenübungsplatz“<br />
statt „Truppenübungsplatz“ im Friendly<br />
Fire versucht, in der Folge ist aber nahezu alles, was wir<br />
uns vorgenommen hatten, aufgegangen. Es ist nicht nur<br />
gelungen, den gewünschten „fixen Platz am heimischen<br />
Magazin-Parkett zu erarbeiten“, sondern dort auch<br />
„über ein kurzes Strohfeuer hinaus nachhaltig Erfolg“<br />
zu haben. Heute dürfen wir uns über eine stetig steigende<br />
Zahl von treuen Abonnenten und gut laufende Einzelhandelsverkäufe<br />
freuen. Über viel motivierendes<br />
Feedback aus Bundesheer, Gesellschaft, In- und Ausland.<br />
Und über einen gut aufgestellten zweiten Eckpfeiler:<br />
Im Sommer haben wir einen eigenen Facebook-Kanal<br />
ins Leben gerufen, auf dem wir mittlerweile knapp<br />
5.500 Fans täglich mit spannenden Neuigkeiten, Hintergrundberichten,<br />
Videos und Fotos aus der Welt der<br />
Militärs versorgen.<br />
Dazu gehören natürlich auch Auszüge aus unserem<br />
aktuellen Heft, und so werden Sie auf Facebook in<br />
wenigen Tagen auch Links zu unserer Reportage vom<br />
Truppenübungsplatz (diesmal richtig geschrieben –<br />
Fehler sind dazu da, um daraus zu lernen!) Allentsteig<br />
(ab Seite 36) finden oder einen Bericht unseres Besuchs<br />
bei der Militärstreife & Militärpolizei (ab Seite 30).<br />
Auf den folgenden Seiten haben wir zudem die aktuelle<br />
Sicherheitslage in Afghanistan analysiert (ab Seite 10),<br />
Russlands geopolitisches Machtverständnis grafisch<br />
aufgearbeitet (ab Seite 16), eine Diskussion darüber<br />
angeregt, wie ethisch der Einsatz von Kampfdrohnen<br />
ist (ab Seite 20) und einen Blick auf das neue Radar und<br />
die neuen Bewaffnungsmöglichkeiten des Eurofighters<br />
(ab Seite 22) geworfen.<br />
Viel Spaß beim Lesen wünscht die Redaktion<br />
COV E R FOTO : G E T T Y I M AG E S , FOTO S : S E B AST I A N F R E I L E R , P E T R A R AU T E N ST R AU C H<br />
Ball der Offiziere<br />
Nachdem wir uns im vergangenen Jänner<br />
zum ersten Mal beim Ball der Offiziere auf das<br />
Tanzparkett gewagt haben, lassen wir uns natürlich<br />
auch beim Ball am 16. Jänner 2015 nicht<br />
zweimal bitten. Wir werden wieder mit einem<br />
eigenen Team Fotos und Videos produzieren<br />
und über www.facebook.com/ballderoffiziere<br />
und neu auch über unsere Facebook-Seite<br />
www.facebook.com/militaeraktuell direkt<br />
vom Ballabend berichten.<br />
Johannes Luxner & Sebastian Freiler<br />
Sie gehören seit der ersten Stunde zum Team<br />
von Militär Aktuell – so viel Action wie bei<br />
ihrem Besuch bei der Militärstreife & Militärpolizei<br />
(nachzulesen ab Seite 30) wurde ihnen<br />
aber noch nie geboten: Redakteur Johannes<br />
Luxner und Fotograf Sebastian Freiler durften<br />
an der Seite des Spezialverbands nicht nur<br />
CSI-Welt schnuppern, sondern auch hautnah<br />
einen Personenzugriff beobachten und aktiv<br />
an einer Personenschutz-Übung mitwirken.<br />
impreSSum<br />
medieninhaber und Herausgeber:<br />
QMM Quality Multi Media GmbH,<br />
Beatrixgasse 32, A-1030 Wien<br />
FN 349501 y, UID:ATU65891526,<br />
Chefredaktion: Jürgen Zacharias,<br />
j.zacharias@qmm.at<br />
Director Sales & marketing:<br />
Georg Geyer, g.geyer@qmm.at<br />
artdirektion: Gottfried Halmschlager<br />
textchef: Jakob Hübner<br />
Fotoredaktion: Nati Senegacnik<br />
redaktion, Beirat und textbeiträge:<br />
Stefan Drachsler, Walter Feichtinger,<br />
Peter Forster, Markus Gauster,<br />
Johannes Luxner, Georg Mader,<br />
Till Mayer, Thomas Rapatz, Thomas<br />
Roithner, Hans Schneeweiß<br />
Hersteller: PrintandSmile<br />
redaktionskontakt:<br />
Brigitte Janko, b.janko@qmm.at,<br />
Tel. 01/342 242-0, Mariahilfer Str. 51,<br />
5. Stiege, A-1060 Wien, Österreich<br />
Geschäftsführung: Günther Havranek,<br />
Andreas Dressler, a.dressler@qmm.at<br />
www.qmm.at<br />
m i L i t ä r a k t u e L L
0 0 4 I N H A L T<br />
INHALT<br />
030<br />
Sonderermittler,<br />
Personenschützer<br />
und Ordnungsdienst<br />
in einem:<br />
Die Aufgaben des<br />
Kommandos Militärstreife<br />
und Militärpolizei<br />
sind vielfältig.<br />
040<br />
Von<br />
Schwarz über Weiß bis zu Braun und Grün:<br />
Abhängig von den Bedingungen passen sich die<br />
Soldaten des Bundesheeres mit Schminkfarben<br />
und natürlichen Tarnmitteln ihrer Umgebung an.<br />
003 EDITORIAL, IMPRESSUM<br />
006 MOMENTUM<br />
Isrealische Soldatinnen bei<br />
der Panzer-Instandsetzung.<br />
008 WELTGESCHEHEN<br />
Aktuelle Kurzmeldungen<br />
aus aller Welt.<br />
010 NEUES VOM HINDUKUSCH<br />
Der neue Präsident Ashraf<br />
Ghani nährt die Hoffnungen<br />
auf dauerhaften Frieden in<br />
Afghanistan.<br />
014 RUSSISCHE LUFTMANÖVER<br />
Moskau stellt mit Kampfjets und<br />
Bombern die Reaktionszeit des<br />
Westens auf die Probe.<br />
016 AUF EINEN BLICK<br />
Russland demonstriert weltweit<br />
<strong>militär</strong>isches Selbstbewusstsein.<br />
018 PRO & CONTRA<br />
Soll der Westen mehr Härte<br />
gegenüber Wladimir Putins<br />
Russland zeigen?<br />
019 RÜSTUNGSNEWS<br />
Neuheiten aus der Welt der<br />
Rüstungs- und Sicherheitstechnik.<br />
020 KONTROVERSE<br />
Wir haben Experten gefragt: Ist<br />
der Einsatz von Kampfdrohnen<br />
ethisch vertretbar?<br />
022 FIT FÜR DIE ZUKUNFT<br />
Der Eurofighter bekommt ein<br />
neues Hightech-Radar und neue<br />
Bewaffnungsmöglichkeiten.<br />
026 NEUES AUS DEM HEER<br />
Aktuelle Kurzmeldungen aus<br />
dem Bundesheer.<br />
028 INTERVIEW<br />
Generalstabschef Othmar<br />
Commenda über die Budgetsituation<br />
des Bundesheeres<br />
und die Fortschritte bei der<br />
Wehrdienstreform.<br />
030 TRUPPENBESUCH<br />
Vielseitiger Spezialverband:<br />
das Kommando Militärstreife &<br />
Militärpolizei des Bundesheeres.<br />
034 BEIM HEERESPERSONALAMT<br />
Ein Tag mit Wehrdienstberater<br />
Hermann Dunkler von der<br />
Rekrutierungsgruppe Wien.<br />
FOTO S : S E B AST I A N F R E I L E R , N A D J A M E I ST E R , H B F/ H A R A L D M I N I C H , N ATO, I L LU ST R AT I O N : C L AU D I A M O L I TO R I S<br />
M I L I T Ä R A K T U E L L
036 ALLENTSTEIG IM FOKUS<br />
Ein Blick hinter die Kulissen<br />
von Österreichs größtem<br />
Truppenübungsplatz.<br />
040 GUT GETARNT<br />
Soldaten der Benedek-Kaserne<br />
zeigen uns unterschiedliche<br />
Tarnmöglichkeiten.<br />
044 INTERVIEW<br />
Alfons Haider moderiert den<br />
nächsten Ball der Offiziere. Wir<br />
haben mit dem Entertainer vorab<br />
über den Event und seinen Bezug<br />
zum Bundesheer gesprochen.<br />
046 VERGESSENES LAOS<br />
Von der Weltöffentlichkeit<br />
weitgehend unbemerkt überzog<br />
die US-Luftwaffe während des<br />
Vietnam-Krieges auch Laos mit<br />
Bomben. Viele Blindgänger sind<br />
immer noch nicht entschärft.<br />
050 SCHLUSSPUNKT<br />
Knapp ein Jahr nach Beginn des<br />
Ukraine-Konflikts ist die Zukunft<br />
des Landes weiter unklar.<br />
051 INFOGRAFIK<br />
Die Leistungsmerkmale der<br />
neuen COLPRO-Zeltsysteme<br />
des Bundesheeres.<br />
051<br />
I N D I E S E M H E F T<br />
Modernes Zeltsystem: Das neue COLPRO bietet ABC-Schutz, ist modular<br />
aufgebaut und bei Temperaturen von minus 32 bis plus 49 Grad einsetzbar.<br />
„Ich blicke der Zukunft des<br />
Bundesheeres mit großer<br />
Besorgnis entgegen!“<br />
Generalstabschef Othmar Commenda<br />
im Gespräch mit Militär Aktuell.<br />
028<br />
014<br />
Liebesgrüße<br />
aus Moskau: Wie zu Zeiten des Kalten Krieges<br />
tauchen immer öfter russische Kampfjets über Nordeuropa, über<br />
dem Schwarzen Meer und sogar vor der Westküste der USA auf.<br />
036<br />
Profi Arbeit: Gemeinsam mit Kameraden stellt<br />
Kampfmittelbeseitiger Dietmar Kargl die „störungsfreie<br />
Beübbarkeit“ des 157 Quadratkilometer<br />
großen Truppenübungsplatzes Allentsteig sicher.<br />
M I L I T ä R A K T U E L L
0 0 6 P A N O R A M A<br />
Frauen in Uniform<br />
Israel ist eines der wenigen<br />
Länder der Welt, in dem<br />
Frauen Wehrdienst leisten<br />
müssen und somit fixer Bestandteil<br />
des <strong>militär</strong>ischen<br />
Alltags sind. Der deutsche<br />
Fotograf Simon Akstinat hat<br />
dies zum Anlass genommen<br />
und porträtiert in seinem Bildband<br />
Jewish Girls in Uniform<br />
israelische Soldatinnen in<br />
Kasernen in der Negev-Wüste,<br />
auf dem Golan, in der Altstadt<br />
von Jerusalem oder wie hier<br />
bei der Panzer-Instandsetzung<br />
in Shizafon. Und dabei stößt er<br />
auch auf so manch interessante<br />
Geschichte wie die der US-<br />
Amerikanerin Sarah, die sich<br />
nach ihrem Studium freiwillig<br />
zur israelischen Armee meldete<br />
und dort heute Scharfschützen-Ausbildnerin<br />
ist.<br />
Jewish Girls in Uniform,<br />
Hentrich & Hentrich, 2014.<br />
M I L I T Ä R A K T U E L L
M O M E N T U M<br />
FOTO : S I M O N A KST I N AT/ H E N T R I C H & H E N T R I C H V E R L AG<br />
M I L I T Ä R A K T U E L L
0 0 8 W E L T & S T R A T E G I E<br />
UKRAINE:<br />
KEINE ANGST VOR<br />
KRIEG!<br />
„Wir haben uns auf das Szenario eines totalen<br />
Krieges vorbereitet.“ Der ukrainische Präsident<br />
Petro Poroschenko beteuerte zuletzt zwar, dass<br />
er sich unbedingt eine friedliche Lösung des<br />
Konflikts um die Ostukraine wünsche (im Bild ein<br />
freiwilliger Kämpfer des sogenannten „Rechten<br />
Sektors“ ), sollten die Gespräche scheitern, will<br />
der ukrainische Staatschef aber auch für den<br />
Ernstfall eines Krieges vorbereitet sein. „Es ist<br />
zwar eine der größten Armeen der Welt, die uns<br />
und ganz Europa bedroht“, sagte Poroschenko,<br />
„Angst vor einem Krieg haben wir aber nicht!<br />
Die Armee ist nun in einem besseren Zustand<br />
als noch vor fünf Monaten, außerdem hat die<br />
Ukraine Unterstützung aus der ganzen Welt.“<br />
IM FOKUS<br />
STREITKRÄFTE<br />
ESTLANDS<br />
IM ÜBERBLICK<br />
5.750<br />
Soldaten<br />
0<br />
Kampfpanzer<br />
0<br />
Kampfflugzeuge<br />
ESTLAND<br />
Vor Beginn des NATO-Gipfels im September stattete US-Präsident<br />
Barack Obama dem kleinen Estland einen Besuch ab.<br />
Damit wollte er einerseits dem mächtigen Nachbarn Russland<br />
signalisieren, dass die USA hinter dem baltischen Land stehen,<br />
andererseits aber auch die besondere Rolle Estlands hervorstreichen:<br />
Als eines von nur vier Ländern ingesamt erfüllt das<br />
NATO-Mitgliedsland nämlich das Ziel der Allianz, zumindest<br />
zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts fürs Militär auszugeben. Das ist in Anbetracht der Größe und Wirtschaftsleistung<br />
Estlands nicht viel, reicht aber, um den Streitkräften zuletzt einen kräftigen Modernisierungsschub<br />
zu verpassen. Frei nach dem Motto „klein, aber fein“ setzt das Land dabei mehr auf kompakte<br />
Flug- und Panzerabwehrgeräte anstelle teurer Kampfflieger (die Luftraumüberwachung wird im Rahmen<br />
eines Air Policing Abkommens von verschiedenen NATO-Ländern durchgeführt) und Kampfpanzer. Die<br />
neueste Anschaffung: 2015 werden von den Niederlanden 44 Schützenpanzer CV 9035NL übernommen.<br />
M I L I T Ä R A K T U E L L
W E LT G E S C H E H E N<br />
WILL PUTIN DIE EU SPALTEN?<br />
Im Konflitk um die ostukraine und davor schon um<br />
die Krim ist der russische Präsident Wladimir Putin<br />
zuletzt in die Defensive gekommen. Zu geschlossen<br />
scheint die Front des Westens gegenüber dem<br />
russischen staatschef und zu anfällig reagierte die<br />
Wirtschaft des Landes zuletzt auf die sanktionen<br />
des Westens. also geht Putin in die offensive, um<br />
verlorenes politisches terrain zurückzuerobern.<br />
abgesehen hat es der Präsident dabei vor allem<br />
auf die Balkanländer, die russland traditionell<br />
nahe stehen. so versucht moskau schon seit<br />
längerer Zeit, serbien durch enge <strong>militär</strong>ische<br />
Zusammenarbeit und erdgaslieferungen an sich<br />
zu binden, eine ähnliche strategie scheint auch<br />
in Bosnien langsam Früchte zu tragen. Vor allem<br />
deutsche Diplomaten haben sich deshalb jüngst<br />
besorgt darüber gezeigt, dass Putin mit seiner<br />
antiwestlichen Politik einen Keil zwischen die<br />
eU treiben und eU-Beschlüsse prorussisch<br />
beeinflussen könnte.<br />
TOP 3<br />
DIE GEFÄHRLICHSTEN<br />
TERRORGRUPPEN<br />
1 Dem aktuellen terrorismus-Index<br />
des in London ansässigen Instituts für<br />
Wirtschaft und Frieden zufolge wurden<br />
2013 weltweit 17.958 menschen bei<br />
terroranschlägen getötet – um 61 Prozent<br />
mehr als im Jahr davor. Die meisten<br />
todesopfer im Zeitraum von 2000<br />
bis 2013 gehen mit 8.763 auf das<br />
Konto der taliban, die insgesamt 2.757<br />
terroranschläge verübten.<br />
2 als ähnlich gefährlich erwies sich<br />
im Vorjahr die al-Kaida: Bei 1.089 anschlägen<br />
der terrororganisation kamen<br />
8.585 menschen ums Leben.<br />
3 Boko Haram verübte insgesamt 750<br />
anschläge mit 3.440 todesopfern.<br />
US-ATOMWAFFENARSENAL:<br />
MILLIARDEN-INVESTITIONEN NÖTIG<br />
Um Sprengköpfe an die 450 Raketen zu montieren, gibt es nur einen<br />
Schraubenschlüssel. Die Raketensilos weisen teils grobe Mängel an den<br />
Luken auf, und auch sonst dürfte die US-Atomwaffen-Infrastruktur einem<br />
Bericht der New York Times zufolge ordentlich in die Jahre gekommen<br />
sein. „Diese Schwierigkeiten sind schon so alt, dass sie niemand mehr<br />
berichtet hat“, zitiert die Zeitung einen Offiziellen. Mit einem milliardenschweren<br />
Investitionsprogramm<br />
möchten<br />
die USA die Situation<br />
nun entschärfen. Zuletzt<br />
mussten bereits<br />
mehrere Milliarden<br />
US-Dollar in die<br />
Modernisierung der<br />
marode gewordenen<br />
Sprengköpfe investiert<br />
werden.<br />
„Israel ist ein barbarisches,<br />
wölfisches und Kinder<br />
mordendes Regime!“<br />
Ajatollah Said Ali Khamenei<br />
Irans oberster Führer Ajatollah Ali Khamenei übt sich<br />
nicht erst seit gestern in deftiger Rhetorik gegen Israel. Mitten<br />
in die Verhandlungen um das iranische Atomprogramm<br />
hinein ließ der Ajatollah zuletzt aber mit einer in Schärfe und<br />
Umfang außergewöhnlichen Hetztirade gegen den Erzfeind aufhorchen<br />
und präsentierte bei der Gelegenheit auch gleich einen Neun-Punkte-Plan für<br />
die Auslöschung Israels. Darin forderte Khamenei unter anderem eine Aufrüstung des<br />
Westjordanlandes, um auch von dort israelische Städte mit Raketen angreifen zu können,<br />
stellt aber trotzdem klar: „Wir wollen die Juden nicht ins Meer werfen!“ Immerhin.<br />
Foto s : G e t t y I m aG e s , 1 2 3 r F<br />
M I L I T Ä R A K T U E L L
0 1 0 W E L T & S T R A T E G I E<br />
Der Abzug der meisten NATO-Truppen aus Afghanistan mit Ende des<br />
Jahres wird die Wirkung des internationalen Krisenmanagements<br />
aufzeigen – und die Frage beantworten, wie groß der Wille zur<br />
nationalen Aussöhnung tatsächlich ist. Text: MARKUS GAUSTER<br />
AFGHANISTAN<br />
ENDLICH HOFFNUNG<br />
AUF<br />
FRIEDEN?<br />
M I L I T Ä R A K T U E L L
A F G H A N I S TA N<br />
FOTO : G E T T Y I M AG E S<br />
D<br />
er afghanische Präsident<br />
Hamid Karzai<br />
ist nach über zwölfjähriger<br />
Amtszeit<br />
Geschichte. Am 29.<br />
September wurde<br />
der Paschtune Ashraf Ghani als neuer<br />
Präsident vereidigt. Bereits davor erreichten<br />
die USA eine Einbindung des<br />
tadschikischen Herausforderers Abdullah<br />
Abdullah in der Hoffnung, durch<br />
diese Doppelspitze die nationale Einheit<br />
stärken zu können. Ob diese Rechnung<br />
aufgeht, wird die Zukunft zeigen.<br />
Die Unterzeichnung des bilateralen<br />
Sicherheitsabkommens mit den USA<br />
kurz nach der Wahl darf jedenfalls als<br />
Weichenstellung für eine friedlichere<br />
Zukunft Afghanistans gedeutet werden.<br />
Der Weg dorthin dürfte trotzdem ein<br />
steiniger werden: 2014 zählte die UNO<br />
in Afghanistan im Durchschnitt bislang<br />
2.500 „sicherheitsrelevante Vorfälle“<br />
pro Monat – eine Zahl, die seit 2011<br />
konstant auf sehr hohem Niveau ist.<br />
Zum Vergleich: 2002 wurden nur 400<br />
Vorfälle gezählt, bis 2009 stieg die Zahl<br />
auf 1.600. Für Unruhe sorgten zuletzt<br />
vor allem die Taliban, die heuer einige<br />
Gebietsgewinne erzielen konnten und<br />
die Interessen der Paschtunen vertreten.<br />
In den von ihnen kontrollierten<br />
Regionen führen sie ihr Justizwesen<br />
ein, anders als früher bekämpfen sie<br />
nun aber nicht mehr nur hochrangige<br />
Entscheidungsträger. Militärisch im<br />
Vormarsch, haben sie sich rund um<br />
Kabul festgesetzt und sind in der Lage,<br />
die afghanische Armee in Kontingentsstärke<br />
zu bekämpfen. Als Folge davon<br />
geht das ethnisch dominierte Machtspiel<br />
2015 wohl in die nächste Runde,<br />
wobei sich die politischen Konstellationen<br />
unter Ghani sehr verändern dürften.<br />
Paschtunen, Tadschiken, Usbeken<br />
und Hazara haben – in dieser Reihenfolge<br />
– den größten Machtanteil, wobei<br />
die Usbeken durch ihre Koalition mit<br />
den Paschtunen an politischer Stärke<br />
gewonnen haben. Durch das Erstarken<br />
bisher schwächer repräsentierter Ethnien<br />
scheint die Gefahr der Spaltung<br />
Afghanistans gering. Präsident Ghani<br />
wird zugetraut, durch seine guten Verbindungen<br />
zu vielen Konfliktparteien<br />
das Land mit weniger Klientelismus<br />
zu führen als Karzai. Dazu müsste er<br />
künftig aber wohl ein System akzeptieren,<br />
in dem sich er oder eine Zentralmacht<br />
in Kabul nicht zu viel in die Belange<br />
der Milizenführer einmischen.<br />
Für Sicherheit sollen eigentlich die<br />
durch die International Security Assistance<br />
Force (ISAF) aufgebauten Afghan<br />
National Security Forces (ANSF) sorgen.<br />
Allerdings ist das Vertrauen zwischen<br />
den internationalen Streitkräften<br />
und den ANSF durch eine Vielzahl von<br />
Insider-Attacken nachhaltig gestört.<br />
Zudem konnten die Taliban weder<br />
durch ISAF noch durch ANSF besiegt<br />
oder zerschlagen werden, da sie mit<br />
unterschiedlichen Intensitäten und<br />
Strategien operieren, nach wie vor<br />
Rückzugsräume in Pakistan nutzen<br />
und die Unterstützung des mächtigen<br />
Nachbarn genießen. Der Aufbau der<br />
ANSF konnte an dieser Situation kaum<br />
etwas ändern. Allerdings stiegen bei<br />
den afghanischen Truppen aufgrund<br />
der vermehrten Kampfeinsätze die<br />
Opferzahlen dramatisch. Um in diesem<br />
Spannungsfeld für etwas Stabilität zu<br />
sorgen, soll die 12.500 Soldaten umfassende<br />
ISAF-Folgemission „Resolute<br />
Support“ ab 2015 durch Training, Beratung<br />
und Unterstützung ein verbindendes<br />
Element in der Armee und<br />
in der Polizei schaffen. Fraglich, ob<br />
das vor dem Hintergrund des zuvor<br />
erwähnten, zerrütteten Vertrauensverhältnisses<br />
möglich ist.<br />
Fest steht in jedem Fall, dass die afghanische<br />
Armee über 2017 hinaus –<br />
wenn dann auch die letzten ausländischen<br />
Truppen aus dem Land abziehen<br />
– internationalen Beistand im Hintergrund<br />
brauchen wird. Daher scheint<br />
es nur logisch, dass sich die Unterstützung<br />
der Armee durch Drohnen,<br />
Spezialeinsatzkräfte und nachrichtendienstliche<br />
Aktivitäten seitens der USA<br />
schon 2015 verstärken dürfte.<br />
Viele Akteure & unterschiedliche Interessen<br />
ASHRAF GHANI<br />
•<br />
der Neo-Präsident vertritt kein „Klientelsystem“ und<br />
hat guten Draht zu den Taliban •<br />
ist ausgesprochen<br />
bevölkerungsnah und zum Ausgleich fähig •<br />
besitzt<br />
einen Vertrauensvorschuss nach der Ära Karzai •<br />
ist<br />
kooperativ gegenüber dem Westen und den USA<br />
und verfügt über Vision und Strategie<br />
TALIBAN<br />
•<br />
unterstützen den Erhalt der paschtunischen Macht<br />
und haben Zeit und Ressourcen •<br />
haben maßgeblichen<br />
Einfluss, besonders in paschtunischen Gebieten<br />
•<br />
verzeichneten unter Karzai einen beträchtlichen<br />
Raum- und Einflussgewinn •<br />
bekämpfen afghanische<br />
Sicherheitskräfte im Kontingentsrahmen und gefährden<br />
Fortschritte massiv<br />
INTERNATIONALES ENGAGEMENT<br />
•<br />
hat nicht-paschtunische Ethnien gestärkt, was sich<br />
positiv auf die nationale Einheit auswirkt •<br />
hat eine<br />
Basis für eine wirtschaftliche Dynamik geschaffen<br />
(Mobilfunk) •<br />
bewahrt durch nachhaltige <strong>militär</strong>ische<br />
und zivile Unterstützung die Regierung vor dem Kollaps<br />
•<br />
hat Kindersterblichkeit reduziert, die Stellung<br />
von Frauen und das Bildungssystem verbessert<br />
USA<br />
•<br />
werden Ghani zivil, <strong>militär</strong>isch und finanziell<br />
unterstützen •<br />
werden weiterhin mit Militär und<br />
Spezialkräften präsent sein •<br />
werden auf EU-Staaten<br />
Druck ausüben, sich zivil und <strong>militär</strong>isch zu beteiligen<br />
•<br />
haben aufgrund zahlreicher ziviler Opfer im Land<br />
ihre Reputation verloren<br />
UNO<br />
•<br />
wird als vermittelnder Akteur in Afghanistan an<br />
Relevanz gewinnen •<br />
könnte als Koordinator von<br />
Hilfsmaßnahmen nun besser zur Wirkung kommen<br />
•<br />
hat durch ihre Ableger Ressourcen und Erfahrung<br />
für zivilen Auf- und Wiederaufbau •<br />
kann zusammen<br />
mit NGOs die lokalen Zivilgesellschaften stärken<br />
M I L I T Ä R A K T U E L L
0 1 2 W E l T & S T R A T E G I E<br />
Derweil ist es schwierig, Errungenschaften<br />
in Afghanistan auf unterschiedliche<br />
Aktivitäten der ISAF zurückzuführen<br />
– auch wenn die Militärpräsenz<br />
kausal für massive Hilfsgelder,<br />
verwaltungstechnische und wirtschaftliche<br />
Investitionen verantwortlich war.<br />
So liegt etwa die Mobilfunkpenetration<br />
aktuell bei 89 Prozent, und nicht nur<br />
deshalb befürworten große Teile der<br />
afghanischen Bevölkerung die internationale<br />
Präsenz nach wie vor. Ein Beispiel<br />
für den positiven Effekt des ISAF-<br />
Engagements ist die Provinz Bamiyan,<br />
wo der Tourismus als Wirtschaftsfaktor<br />
Potenzial hat. Deutsche und<br />
Schweizer Organisationen haben es sogar<br />
möglich gemacht, eine kleine Ski-<br />
Szene aufzubauen und seit 2011 die<br />
„Afghanistan Ski Challenge“ zu organisieren.<br />
Negatives Beispiel sind die vielen<br />
zivilen Opfer, die auch der ISAF<br />
und den USA zugeschrieben werden<br />
und deren Reputation extrem verschlechtert<br />
haben.<br />
Der oft kritisierte Drohneneinsatz im<br />
Grenzgebiet zu Pakistan hat aus <strong>militär</strong>strategischer<br />
Sicht aber positive<br />
Effekte erzeugt, da größere Terror-<br />
Netzwerke in kleinere zerschlagen<br />
wurden. Das internationale Engagement<br />
kann daher trotz vieler Unzulänglichkeiten<br />
positiv gesehen werden.<br />
Die Versorgungsinfrastruktur, der<br />
Grad der Bildung und wirtschaftliche<br />
Indikatoren verbesserten sich. 2.000<br />
Quadratkilometer Wüstenfläche<br />
konnten fruchtbar gemacht werden,<br />
was allerdings auch dem Opiumanbau<br />
nutzt. Ohne Intervention gäbe es heute<br />
keinen allgemeinen Schulbesuch,<br />
insbesondere nicht von Mädchen, und<br />
mit dem neuen Präsidenten Ghani eröffnen<br />
sich auch andere Chancen. So<br />
hat er in seiner Amtszeit bis 2020 gute<br />
Aussichten, sich mit den Taliban zu<br />
arrangieren, wie das bereits während<br />
der Stichwahl 2014 der Fall war. Nicht<br />
nur deshalb genießt er einen gewissen<br />
Vertrauensvorschuss bei der Bevölkerung,<br />
auch wenn er an der allgemeinen<br />
Kriminalitätsrate und vielen Unsicherheitsfaktoren<br />
vorerst nicht viel<br />
verändern können wird. Es bleibt zu<br />
hoffen, dass NGOs auch ohne NATO-<br />
Truppen wichtige humanitäre Hilfe<br />
leisten können. Die Etablierung<br />
rechtsstaatlicher Strukturen steht jedoch<br />
nach wie vor afghanisch-islamischen<br />
Wertvorstellungen entgegen.<br />
Letztendlich ist es für den Westen<br />
wichtig, Afghanistan als „Partner“ politisch,<br />
<strong>militär</strong>isch und wirtschaftlich<br />
einzubinden. Dafür müssten jedoch die<br />
bisherigen Hilfszahlungen auf allen<br />
Ebenen fortgesetzt werden und auch<br />
EU-Staaten ein entsprechendes Engagement<br />
zeigen.<br />
Der Autor ist wissenschaftlicher<br />
Mitarbeiter am IFK mit mehreren<br />
Aufenthalten in Afghanistan<br />
(u. a. als EU-Wahlbeobachter).<br />
„Afghanistan - eine unvollendete Aufgabe“<br />
Brigadier Walter<br />
Feichtinger ist seit<br />
2002 Leiter des Instituts<br />
für Friedenssicherung und<br />
Konfliktmanagement (IFK)<br />
an der Landesverteidigungsakademie.<br />
Die mühsame Verständigung der beiden<br />
Präsidentschaftskandidaten nach den<br />
abermals heftig umstrittenen Wahlen<br />
auf die Machtverteilung ist wohl nur ein<br />
Hinweis auf zukünftige Machtkämpfe.<br />
Allerdings wird die westliche Staatengemeinschaft<br />
weniger mitzureden haben,<br />
da mit Ablauf des Mandats für die internationale<br />
Unterstützungstruppe ISAF<br />
auch deren Interesse, Verantwortungs -<br />
gefühl und Engagement – trotz aller<br />
gegenteiligen politischen Beteuerungen<br />
– nachlassen wird.<br />
Damit wird die Angst vieler Afghanen,<br />
wie nach dem endgültigen Abzug der<br />
Sowjettruppen 1989 vom Westen wieder<br />
alleingelassen zu werden, wohl Bestätigung<br />
finden. Zwar wird die NATO<br />
(Operation „Resolute Support“) im<br />
Zusammenwirken mit zahlreichen zivilen<br />
Programmen noch über einige Jahre den<br />
Staatsaufbau begleiten und unterstützen,<br />
die Verantwortung liegt aber voll in<br />
afghanischen Händen, auch im Sicherheitsbereich.<br />
Dabei wird sich rasch zeigen,<br />
wie stark die gefürchteten Taliban<br />
tatsächlich sind und wo sich welche politischen<br />
und <strong>militär</strong>ischen Gegenkräfte<br />
formieren können. Die Nachbarschaft<br />
mit Pakistan wird infolge der grenzüberschreitenden<br />
paschtunischen Siedlungsgebiete<br />
und der Rückzugsmöglichkeiten<br />
für die Taliban weiterhin problematisch<br />
bleiben. Indische Unterstützungsangebote<br />
wiederum zielen häufig eher auf<br />
den Rivalen Pakistan als auf die Entwicklung<br />
Afghanistans. Im Iran wiederum<br />
steigt die Angst vor einem ungehinderten<br />
Drogenfluss aus dem östlichen<br />
Nachbarland.<br />
Die geopolitische Bedeutung Afghanistans<br />
hat mit dem Abzug des Gros der US-<br />
Truppen an Bedeutung abgenommen,<br />
da sich der Kampf gegen islamische Extremisten<br />
nun nach Syrien und in den Irak<br />
verlagert hat. Der Drogenanbau stand<br />
nie im Zentrum der Gegenmaßnahmen,<br />
er stellt primär ein Problem für europäische<br />
Staaten und Russland dar. Ein Hoffnungsschimmer<br />
besteht darin, dass sich<br />
im Verlauf des ausländischen Engagements<br />
seit 2001 zivilgesellschaftliche<br />
Kräfte gebildet haben, die bereit sind,<br />
sich für ein moderneres Afghanistan zu<br />
engagieren und einzusetzen.<br />
FOTO : N A D J A M E I ST E R<br />
M I L I T Ä R A K T U E L L
Eurofighter: Garant für Sicherheit und Verteidigung<br />
www.eurofighter.com<br />
Das modernste Mehrrollenkampflugzeug der neuen Generation. Luftraumüberwachung auf höchstem Niveau.<br />
Einsatzfähig bei Tag und Nacht. Bewährt und zuverlässig bei jedem Wetter.<br />
Entwickelt und gebaut von Europas fuḧrenden Luft-, Raumfahrt- und Verteidigungsunternehmen.<br />
Industrielle Partnerschaft und internationale Kooperation: 100.000 Arbeitsplätze in mehr als 400 Unternehmen.<br />
Kunden: Deutschland, Großbritannien, Spanien, Italien, Österreich, Saudi-Arabien, Oman.<br />
Auslieferungen: Über 400 Flugzeuge. Flugstunden: Über 250.000.
0 1 4 W E L T & S T R A T E G I E<br />
RUS SL A N D<br />
GEHT AN SEINE LUFT-GRENZEN<br />
Die zunehmend angespannte Lage zwischen dem Westen und Moskau führt<br />
auch zu gesteigerten Luftaktivitäten. Und dabei tauchen russische Jets<br />
längst nicht mehr nur vor Europas Küsten auf. Text: GEORG MADER<br />
Michail Gorbatschow<br />
fand jüngst bei den<br />
Feierleichkeiten zum<br />
25. Jahrestages des<br />
Mauerfalls in Berlin klare<br />
Worte: Der Westen und Russland<br />
steuern nicht auf einen neuen kalten<br />
Krieg zu, sagte der frühere russische<br />
Staatschef. Nein, sie befinden sich<br />
bereits mittendrin! Egal, ob der Karren<br />
nun tatsächlich schon so verfahren ist,<br />
fest steht, dass seit Beginn der Ukraine-Krise<br />
die Langstreckenflüge russischer<br />
Militärflugzeuge deutlich zugenommen<br />
haben. Entlang Europas<br />
Küsten gehören Jets mit rot-blauem<br />
Stern heute beinahe wieder zum<br />
gewohnten Bild, aber auch vor der<br />
Westküste der USA und Kanadas<br />
(siehe auch Grafik auf der nächsten<br />
Doppelseite) sowie rund um Japan<br />
steigen die russischen Luftaktivitäten.<br />
Dabei geht es Russland wie zu Zeiten<br />
des Kalten Krieges nicht alleine darum,<br />
Flagge zu zeigen, Einsatzbereitschaft<br />
und Stärke zu demonstrieren und die<br />
gegnerische Reaktion(szeit) zu testen.<br />
Sondern natürlich auch darum, die<br />
elektronischen Emissionen diverser<br />
Gegnersysteme (ELINT) und deren<br />
Kommunikation (SIGINT) abzugreifen<br />
und Übungen sowie Marinemanöver<br />
zu beobachten. In Erinnerung sind<br />
dabei vor allem die bis zu 20-stündigen<br />
„Pendelmissionen“ russischer Tu-95<br />
Turboprop-Bomber von Kola rund<br />
ums Nordkap bis nach Kuba oder<br />
Angola. Tausende von Abfang-Identifizierungsfotos<br />
zierten damals die Messen<br />
und Briefing-Räume westlicher<br />
Luft-Streitkräfte und oft kannten<br />
sich die Crews anhand der taktischen<br />
Nummern auf den Flugzeugen. Man<br />
zeigte sich von Cockpit zu Cockpit<br />
Penthouse-Poster, Krimsektflaschen<br />
und eindeutige Gesten. Mit Ende der<br />
UdSSR hörten die russichen Langstreckenflüge<br />
dann auf, erst 2007 wurde<br />
unter Wladimir Putin wieder mit Flügen<br />
begonnen. Zuletzt stieg die Intensität<br />
deutlich an. Dies gilt insbesonders<br />
für das Baltikum und die Ostsee, wo<br />
sich die Russen vor allem für die Aktivitäten<br />
diverser wegen der Ukraine-<br />
Krise dorthin verlegter NATO-Staffeln<br />
interessieren. Das Auftauchen russischer<br />
Jets vor Alaska und Kalifornien<br />
oder vor der englischen Küste wird<br />
von Moskau hingegen meist als Lapsus<br />
abgetan, der nur „zufällig“ zeitgleich<br />
mit einem NATO-Gipfel oder der<br />
Rede des ukrainischen Präsidenten<br />
Petro Proschenko vor dem US-<br />
Kongress zusammengefallen sei.<br />
Neuerdings sind die Russen in Verbänden<br />
aus vier Tu-95MS-Bombern-und<br />
vier Il-78-Tankern oder bis zu acht taktischen<br />
Suchoj-Kampfflugzeugen unterwegs,<br />
die von Norwegen bis Portugal,<br />
von St. Petersburg bis in die Enklave<br />
Kaliningrad oder von Osten übers<br />
Schwarze Meer fliegen. Oder aber samt<br />
A-50 AWACS-Begleitung über die US-<br />
BEGLEITSCHUTZ<br />
Von westlichen Kampfflugzeugen<br />
(am oberen<br />
Bildrand die Lenkwaffe<br />
einer französischen<br />
Mirage F1) flankierte<br />
russische Jets (Su-27<br />
und dahinter Tu-22M3-<br />
Backfire-Bomber)<br />
gehören am Himmel<br />
über Europa (wieder)<br />
zum Alltag.<br />
Basis Guam oder zwölf Stunden lang<br />
rund um Japan. Alleine bis April zählte<br />
Tokio 235 Alarmstarts gegen derartige<br />
Flüge, in Europa haben sich die Aktivitäten<br />
der Russen gegenüber 2013 heuer<br />
verfünffacht. Für die britischen und in<br />
Estland stationierten deutschen Eurofighter,<br />
die F-16 der NATO in Litauen,<br />
Portugal und der Türkei, die finnischen<br />
F-18, schwedischen Gripen und japanischen<br />
F-15J herrscht dann Hochbetrieb.<br />
Einerseits gilt es die Russen von<br />
nationalen Lufträumen fernzuhalten,<br />
andererseits auch die Sicherheit der<br />
zivilen Luftfahrt zu gewährleisten. Da<br />
die russischen Formationen nur in<br />
Ausnahmefällen Flugpläne übermitteln,<br />
so gut wie nie Transponder-Signale<br />
senden und am Funk stumm bleiben,<br />
sind die Jets oder Bomber für die zivile<br />
Flugsicherung, die nur mit Transpondersignalen<br />
arbeitet, nicht zu sehen. Im<br />
März verfehlte infolgedessen vor Malmö<br />
ein „stummer“ russischer Il-20M<br />
SIGINT-Aufklärer den SAS-Flug<br />
SK681 um nur 90 Meter. Die NATO-<br />
Jets fliegen daher als sogenannte Transponder-Marker<br />
nebenher – und dürfen<br />
von dort die mit Lenkwaffen gefüllten<br />
Bäuche der russischen Su-27 bestaunen.<br />
FOTO : N ATO<br />
M I L I T Ä R A K T U E L L
GLOBALE MACHTD<br />
0 1 6 W E L T & S T R A T E G I E<br />
RUSSISCHE<br />
KAMPFFLUGZEUGE<br />
NORDEUROPA Nach Angaben<br />
Norwegens starten russische Maschinen von<br />
Stützpunkten in der Arktis zu Flügen über<br />
Nordeuropa. Einzelne Jets wagen sich dabei<br />
auch Richtung Süden vor, im April verletzten<br />
zwei Tu-95 den niederländischen Luftraum.<br />
OSTSEE Seit Beginn des Ukraine-Konflikts<br />
registrieren schwedische, finnische und polnische<br />
Behörden sowie die NATO-Luftraumüberwachung in<br />
Litauen und Estland vermehrte russische Aktivitäten.<br />
Dabei werden auch Angriffsübungen simuliert.<br />
ILYUSHIN IL-78M<br />
Lufttanker<br />
Reichweite: 7.300 km<br />
Stückzahl: 19<br />
SCHOTTLAND Ende des<br />
vergangenen Jahres näherte sich<br />
ein russisches Kriegsschiff der<br />
schottischen Küste – die Royal Navy<br />
brauchte 24 Stunden, um ein eigenes<br />
Schiff in die Region zu bringen.<br />
LETTLAND Ende Oktober beobachtete das<br />
NATO-Land vor seiner Küste ein russisches Kriegsschiff –<br />
möglicherweise ein Fingerzeig an die baltischen<br />
Länder, sich nicht zu sehr auf den Westen zu verlassen.<br />
TU-95 BEAR H<br />
Langstreckenbomber<br />
Reichweite: 15.000 km<br />
Stückzahl: mehr als 40<br />
WESTEUROPA<br />
Auch nahe Portugal wurden<br />
bereits russische Jets gesichtet.<br />
SCHWARZES MEER Immer<br />
wieder überfliegen russische Jets das Gebiet,<br />
dabei kam es auch zu direkten Kontakten mit<br />
amerikanischen Flugzeugen und Kriegsschiffen.<br />
Im September umkreiste ein russisches<br />
Flugzeug eine kanadische Fregatte.<br />
SU-34 FULLBACK<br />
Jagdbomber<br />
Reichweite: 1.100 km<br />
Stückzahl: 59<br />
MITTELMEER Seit Beginn des Bürgerkriegs<br />
in Syrien tauchen zunehmend auch im Mittelmeer<br />
russische Kriegsschiffe auf. Im syrischen Tartus unterhält die<br />
russische Marine nach wie vor eine kleine technische Basis.<br />
Seit dem Ende des Kalten Krieges waren weltweit nicht mehr so viele russische<br />
Jets und Kriegsschiffe anzutreffen. Im Luftraum über Nordeuropa operieren sie<br />
heute ebenso wie vor der Küste Australiens und bald auch im Golf von Mexiko.<br />
Unter den aktuellen Umständen<br />
müssen wir<br />
unsere Militärpräsenz<br />
im westlichen Atlantik<br />
und im östlichen Pazifik,<br />
den Gewässern der<br />
Karibik und im Golf von Mexiko sicherstellen.“<br />
Mit diesen Worten kündigte<br />
der russische Verteidigungsminister<br />
Sergej Schoigu vor wenigen Wochen<br />
bereits das nächste Kapitel der<br />
jüngsten weltweiten russischen Macht-<br />
demonstrationen (siehe auch Bericht<br />
auf Seite 14) an. Schon in den vergangenen<br />
Monaten hat Russland die Militärpräsenz<br />
seiner Truppen außerhalb<br />
der Landesgrenzen deutlich erhöht,<br />
russische Flugzeuge und Kriegsschiffe<br />
waren praktisch rund um den Globus<br />
anzutreffen. Und das immer wieder<br />
auch anlassbezogen: So kreuzten etwa<br />
ausgerechnet vor dem G20-Gipfel in<br />
der australischen Stadt Brisbane „zufällig“<br />
vier russische Kriegsschiffe vor der<br />
dortigen Küste auf, ebenso wurde während<br />
der Diskussionen um die Sicherheit<br />
der baltischen Kleinstaaten ein<br />
russisches Kriegsschiff in den Gewässern<br />
vor Lettland gesichtet.<br />
Geht es nach Schoigu, könnten bald<br />
auch schon neue russische Militärbasen<br />
in befreundeten Ländern eingerichtet<br />
werden. Der Verteidigungsminister<br />
dachte dabei laut an Venezuela, Nica -<br />
ragua, Singapur, Vietnam und die Seychellen.<br />
Aber auch an Kuba.<br />
FOTO S : 1 2 3 R F, B E I G E ST E L LT<br />
Q U E L L E N : I H S J A N E S , D E U TS C H E LU F T WA F F E , N ATO<br />
M I L I T Ä R A K T U E L L
A U F E I N E N B L I C K<br />
US-WESTKÜSTE Immer wieder nähern sich<br />
russische Jets auch der US-Westküste. Im September sollen<br />
sechs MiG-31 die dortige US-Luftverteidigungszone<br />
durchflogen haben und Tu-160-Schwenkflügelbomber<br />
flogen im April bis 50 Kilometer vor Nordkalifornien.<br />
RUSSISCHE<br />
KAMPFFLUGZEUGE<br />
JAPAN Fast täglich umrunden russische<br />
Flugzeuge Japan. Alleine von Jänner bis April<br />
2014 zählten die japanischen Behörden 235<br />
Alarmstarts gegen deratige Flüge – eine Verachtfachung<br />
gegenüber dem Vorjahr.<br />
KARIBIK & ATLANTIK<br />
Der russische Verteidigungsminister Sergej<br />
Schoigu kündigte jüngst auch Patrouillenflüge bis<br />
vor Florida und bis in den Golf von Mexiko an.<br />
MIG-31 FOXHOUND<br />
Abfangjäger<br />
Reichweite: 3.300 km<br />
Stückzahl: 122<br />
Kuba<br />
Vietnam<br />
Singapur<br />
PAZIFIK Bei ihren Flügen im Pazifik wurden<br />
russische Flugzeuge auch über Guam gesichtet, wo<br />
sich der US-Luftwaffenstützpunkt Andersen befindet.<br />
Venezuela<br />
SU-24M2 FENCER<br />
Jagdbomber<br />
Reichweite: ca. 1.000 km<br />
Stückzahl: ca. 1.400<br />
Nicaragua<br />
AUSTRALIEN<br />
Vor dem G20-Gipfel in Brisbane tauchten im<br />
November vier russische Kriegsschiffe vor<br />
der australischen Küste auf.<br />
Mögliche neue russische Militärbäsis<br />
SU-27SM FLANKER<br />
Abfangjäger<br />
Reichweite: 3.680 km<br />
stückzahl: 809<br />
DEMONSTRATION<br />
Verdächtiges<br />
Flugzeug<br />
Grenze<br />
WENN EIN FLUGZEUG IN DEN NATO-LUFTRAUM EINDRINGT …<br />
Abfangjäger 2<br />
Folgt und sichert.<br />
Verdächtiges<br />
Flugzeug<br />
Abfangjäger 1<br />
Versucht Sichtkontakt<br />
herzustellen.<br />
SCHRITT 1<br />
Der Luftraumüberwachung im Control and<br />
Reporting Centre (CRC) fällt ein verdächtiges<br />
Flugzeug auf. Handelt es sich dabei um eine<br />
<strong>militär</strong>ische Bedrohung, geht die Verantwortung<br />
an die NATO über.<br />
SCHRITT 2<br />
Von in der Nähe befindlichen Luftstützpunkten<br />
steigen Abfangjäger auf, um das Flugobjekt zu<br />
identifizieren. Bleibt die Lage unklar, wird das<br />
jeweilige Verteidigungsministerium informiert<br />
und der Ernstfall vorbereitet.<br />
SCHRITT 3<br />
Ein Abfangjäger positioniert sich vor dem eindringenden<br />
Flugobjekt, um Sichtkontakt herzustellen,<br />
ein Jet folgt und sichert. Reagiert das<br />
Flugzeug positiv, wird es umgeleitet, ansonsten<br />
werden Gegenmaßnahmen eingeleitet.<br />
M I L I T Ä R A K T U E L L
0 1 8 W e l t & s t R A t e g i e<br />
Soll der Westen gegen Russland<br />
MEHR HÄRTE ZEIGEN?<br />
Standen westliche Staatschefs dem russischen Vorgehen in der Ostukraine anfangs<br />
ohnmächtig gegenüber, werden nun die Stimmen immer lauter, die eine<br />
härtere Gangart gegenüber Wladimir Putin fordern. Zu Recht?<br />
PRO<br />
OBERST<br />
DR. PETER FORSTER<br />
ist Chefredaktor des<br />
SCHWEIZER SOLDAT,<br />
der führenden<br />
Militärzeitschrift<br />
der Schweiz.<br />
DR. THOMAS ROITHNER<br />
ist Friedensforscher und<br />
Privatdozent am Institut<br />
für Politikwissenschaft<br />
der Universität Wien,<br />
www.thomasroithner.at<br />
CONTRA<br />
Ja, die NAto soll gegenüber Russland Härte zeigen.<br />
Präsident Putin brach Völkerrecht, als er die Krim besetzte;<br />
und Russland spielt mit dem Feuer, wenn seine<br />
suchoj- und Mig-Jets die balten und skandinavier<br />
provozieren. Nur: Härte zeigen? Mit leeren taschen? Mit<br />
ausgedünnten truppen? so kurz nach Präsident obamas<br />
entschluss, das schwergewicht seiner Kräfte in den Westpazifik<br />
zu verlegen? Nein, Härte kann nur zeigen, wer<br />
einem Machtmenschen wie Putin Muskeln, nicht Parolen<br />
entgegensetzt. Zwei Prozent des biP soll jeder NAtostaat<br />
für seine streitkräfte aufwenden. gerade mal vier<br />
tun das: die UsA, großbritannien, estland und griechenland.<br />
16 staaten umfasste das bündnis lange. Heute<br />
lautet die Formel: 16 + 12 = 28. Das große Wort führen<br />
die zwölf neuen. Je weiter man nach osten rückt, desto<br />
lauter ertönt der Ruf, die NAto müsse zum ursprünglichen<br />
Auftrag zurückfinden: zur kollektiven Verteidigung.<br />
so weit, so gut. in der tat ist es die „raison d’être“ des<br />
Paktes, jedem Mitglied <strong>militär</strong>isch beizustehen, das angegriffen<br />
wird. Der Artikel 5 der NAto-Charta fordert das.<br />
Als al-Kaida 2001 die UsA angriff, rief Präsident bush den<br />
Artikel 5 an: Das war der Anfang des Afghanistan-Abenteuers,<br />
das jetzt scheitert. Unter dem Misserfolg der gigantischen<br />
expedition ächzt das bündnis. Man ist vorsichtig<br />
geworden in Mons – derart riskante operationen<br />
wie am Hindukusch geht keiner mehr ein. Zugutezuhalten<br />
ist der NAto: Wenn Putin den bogen überspannt,<br />
fährt sie ihm in die Parade. Russland schickte Tu-95-<br />
Fernbomber samt tanker bis hinunter nach Portugal. Die<br />
briten fingen die tanker ab, die spanier blockierten die<br />
Kampfmaschinen, denen sie dann gnädig das landerecht<br />
gewährten. Das ist die sprache, die Wladimir Putin versteht.<br />
gar nichts halten die offiziere in Mons von der <strong>militär</strong>ischen<br />
schlagkraft der eU. Wieder müssten es die UsA<br />
richten; so sie denn wollen, können und bezahlen.<br />
irgendwann zwischen dem beginn des Afghanistanund<br />
des irak-Krieges konnte ich im Kreis russischer<br />
experten ein gespräch über den Friedensnobelpreisträger<br />
Michail gorbatschow anregen. Unterkühlte<br />
stimmung machte sich breit. einen Moment gewann<br />
die Deutlichkeit vor der Vorsichtigkeit. „er hat die sowjetunion<br />
zerstört.“ Deren Auflösung war für Präsident<br />
Putin die „größte geopolitische Katastrophe“ des 20.<br />
Jahrhunderts. eine härtere gangart der UsA und der eU<br />
gegenüber Russland macht das wahrscheinlicher, was<br />
sich quer über den globus niemand wünschen kann:<br />
ein neuer Kalter Krieg. Vor diesem schreckgespenst<br />
wurde schon bei den NAto-osterweiterungen, zuletzt<br />
dem Regimechange in libyen bis hin zum Raketenabwehrprogramm<br />
gewarnt. Diplomatischer Protest Moskaus<br />
hat den Westen nicht zu einer empathischeren Politik<br />
veranlasst. Dies soll weder das russische Vorgehen<br />
in der Ukraine, im Kaukasus oder die lage der Menschen-<br />
und Freiheitsrechte relativieren oder verharmlosen.<br />
Die Verantwortung liegt aber nicht nur auf einer<br />
seite. in den letzten Dekaden kann zudem bemerkt<br />
werden, dass geoökonomische Macht gegenüber geopolitischen<br />
Überlegungen massiv an bedeutung gewonnen<br />
hat. Dieser Machtübergang drückt sich in der<br />
Zusammenarbeit Russlands mit brasilien, China, indien<br />
und südafrika (bRiCs-staaten) oder im Rahmen der<br />
schanghaier organisation für Zusammenarbeit (soZ)<br />
aus. Die gründung einer entwicklungsbank der bRiCsstaaten<br />
ist mehr als ein symbolischer Akt zur Hinterfragung<br />
des von UsA und eU geprägten Weltwirtschaftssystems.<br />
Das neutrale Österreich kann vorausschauend<br />
als „kluge Macht“ auftreten. einerseits in der eU als<br />
sperrriegel gegen eine unbesonnene sanktionspolitik<br />
und anderseits, um Modelle internationaler Kooperationen<br />
im sinne globaler Konfliktprävention vorzudenken.<br />
Foto s : b e i g e st e l lt<br />
M I L I T Ä R A K T U E L L
ü s t u n g s n e w s<br />
DER MARKT GEHT IN DIE LU F T<br />
Während sich die<br />
westliche Rüstungsindustrie<br />
zunehmend<br />
mit Sparplänen vieler<br />
Streitkräfte konfrontiert<br />
sieht, verspricht der<br />
Markt für bewaffnete<br />
und unbewaffnete<br />
Drohnen immer noch<br />
hohe Zuwachsraten.<br />
FOTO S : 2 0 1 4 B A E SYST E M S . A L L R I G H TS R E S E RV E D. , B E I G E ST E L LT<br />
er Krieg gegen den<br />
DIslamischen Staat (IS)<br />
erweist sich für die<br />
US-Waffenindustrie<br />
als Goldgrube. Zwar<br />
machen die daraus resultierenden<br />
Milliardenumsätze noch<br />
lange nicht die Absatzeinbrüche<br />
durch den seit Jahren eingeschlagenen<br />
Sparkurs vieler westlicher Streitkräfte<br />
gut, einen erfreulichen Schub<br />
bedeuten die Zusatzeinnahmen für<br />
die Rüstungsunternehmen aber allemal.<br />
Gefragt sind neben Bomben,<br />
Raketen oder Ersatzteilen für Kampfflugzeuge<br />
einmal mehr auch Drohnen,<br />
die bewaffnet wie unbewaffnet<br />
weltweit immer häufiger in Armeen<br />
Verwendung finden. Experten des<br />
<strong>militär</strong>ischen Informationsunternehmens<br />
IHS prophezeien dem Markt<br />
für unbemannte Flugsysteme daher<br />
in den kommenden zehn Jahren auch<br />
ein durchschnittliches Wachstum<br />
von fünf Prozent – und das quer<br />
durch alle Drohnenklassen. Vom<br />
Boom profitieren neben den Herstellern<br />
großer Systeme wie der Predator<br />
oder der Heron TP also auch Produzenten<br />
von Mikrodrohnen wie der<br />
PD-100 Black Hornet des norwegischen<br />
Unternehmens Prox Dynamics<br />
(siehe Militär Aktuell 02/2013).<br />
USA<br />
Ende September hat Saab in<br />
seinem Erprobungszentrum<br />
die neue Generation M4 seiner<br />
Panzerbüchse Carl Gustaf<br />
vorgestellt, nun gibt es den<br />
ersten Großauftrag. Das Kommando<br />
für die US-Spezialkräfte<br />
hat mit den Schweden einen<br />
Rahmenvertrag für Geräte und<br />
Zubehör geschlossen. Kostenpunkt:<br />
142 Millionen Euro.<br />
www.saabgroup.com<br />
Da der Markt weitgehend von USamerikanischen<br />
und israelischen<br />
Konzernen dominiert wird, fordern<br />
europäische Strategen seit Langem<br />
auch die Entwicklungen eigener, unabhängiger<br />
Systeme. Im November<br />
des Vorjahres vereinbarten Deutschland,<br />
Frankreich, Spanien, Griechenland,<br />
Italien, die Niederlande und<br />
Polen dahingend in einem ersten<br />
Schritt die gemeinsame Entwicklung<br />
von Aufklärungsdrohnen. Am Rande<br />
der Farnborough Airshow haben<br />
Frankreich und Großbritannien dann<br />
kürzlich ein weiteres Projekt auf<br />
Schiene gebracht: Die beiden Länder<br />
beauftragten die Rüstungskonzerne<br />
BAE Systems und Dassault Aviation<br />
mit einer Machbarkeitsstudie (siehe<br />
Bild oben), in deren Rahmen geklärt<br />
werden soll, wie die beteiligten Industriepartner<br />
gemeinsam ein UCAS<br />
(Unmanned Combat Air System)<br />
entwickeln und betreiben können.<br />
Parallel zum boomenden Drohnenmarkt<br />
steigt auch die Nachfrage nach<br />
entsprechenden Abwehrsystemen.<br />
So stellte China jüngst ein Lasersystem<br />
vor, mit dem Kleinst-Flugobjekte<br />
in Bodennähe innerhalb weniger Sekunden<br />
abgeschossen werden können.<br />
Ein System mit mehr Leistung<br />
und größerer Reichweite soll bereits<br />
in Entwicklung sein.<br />
IM FOKUS<br />
Militärische Beschaffungen weltweit<br />
RUSSLAND<br />
Während die russische Marinerüstung<br />
durch die EU-Sanktionen<br />
(Auslieferungsstopp für<br />
den Hubschrauberträger Wladiwostok)<br />
ins Stocken geriet,<br />
werden neue Transportfahrzeuge<br />
des Typs GAZ-3344<br />
beschafft. Die Jahresproduktion<br />
bei der Zavolzhsky Crawler<br />
Vehicle Plant (gehört zu RM<br />
Terex) liegt bei 600 Stück.<br />
www.rm-terex.com<br />
DEUTSCHLAND<br />
Die Bundeswehr hat zwei<br />
neue Waffen in ihr Arsenal aufgenommen:<br />
Dabei handelt es<br />
sich einerseits um das nun als<br />
G38 bezeichnete Sturmgewehr<br />
HK416A5 von Heckler &<br />
Koch und andererseits um die<br />
Glock 17 Gen 4 mit maritimem<br />
Federteller und leichterer<br />
Steuerfeder für das Kommando<br />
Spezialkräfte der Marine.<br />
www.glock.com<br />
M I L I T Ä R A K T U E L L
0 2 0 S I C H E R H E I T & W I R T S C H A F T<br />
Kampfdrohnen?<br />
Wie ethisch ist der Einsatz<br />
von<br />
Verändern Drohnen die Grundlagen der fairen<br />
Kriegsführung und enthemmen sie die <strong>militär</strong>ische<br />
Gewaltanwendung? Oder sind sie nichts mehr als<br />
moderne Waffensysteme? Interview: HANS SCHNEEWEISS<br />
W<br />
ieso kommen Drohnen<br />
in immer mehr<br />
Streitkräften in immer<br />
größeren Stückzahlen<br />
zum Einsatz?<br />
Weil ihr Einsatz – egal ob es sich<br />
um eine Aufklärungs- oder eine<br />
Kampfdrohne handelt – in jedem<br />
Fall bedeutet, dass Soldaten der<br />
Luftwaffe nicht eingesetzt und<br />
damit nicht gefährdet werden.<br />
Darüber hinaus mag es gewisse<br />
technische Vorteile geben; ferner<br />
lässt sich mit Drohnen eine Kriegsbeteiligung<br />
auf niedrigem Niveau<br />
einfacher erreichen oder vertuschen<br />
als mit Kampfjets.<br />
GASTKOMMENTAR<br />
WOLFGANG<br />
SCHREIBER<br />
ist Koordinator<br />
der AKUF<br />
(Arbeitsgemeinschaft<br />
Kriegsursachenforschung)<br />
und Mitglied der<br />
Forschungsstelle<br />
Kriege und Rüstung<br />
der Universität<br />
Hamburg.<br />
NIEDRIGE HEMMSCHWELLE<br />
Ergänzen Drohnen damit nur den<br />
Einsatz von Bodentruppen oder<br />
können sie diesen sogar ersetzen?<br />
Nein, Drohnen können den Einsatz<br />
von Bodentruppen genauso wenig<br />
FELIX BOOR ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Öffentliches<br />
Wirtschaftsrecht an der Universität Hamburg.<br />
Der Drohneneinsatz während eines bewaffneten<br />
Konflikts hat aus Sicht des humanitären Völkerrechts<br />
unbestreitbare Vorteile. Die größere<br />
Genauigkeit der Waffensysteme und die Möglichkeit,<br />
mehrere Stunden über dem Ziel zu kreisen, sorgen im<br />
Vergleich zum herkömmlichen Kampfjeteinsatz zu einer<br />
Reduzierung der Opferzahlen in der Zivilbevölkerung.<br />
Andererseits kann die Hemmschwelle bei der politischen<br />
Entscheidung, ob ein solcher Konflikt geführt<br />
werden soll, aufgrund des geringeren Risikos für die<br />
eigenen Streitkräfte herabgesetzt sein. Zudem wird den Piloten oftmals<br />
vorgeworfen, dass sie aufgrund der Entfernung vom Einsatzort<br />
eine „Playstation-Mentalität“ entwickeln und Situationen nicht richtig<br />
einschätzen können. Der politische Schaden scheint beim Einsatz in<br />
nicht-internationalen Konflikten beträchtlich zu sein. Da die Motorengeräusche<br />
oft über Stunden hörbar sind, setzt der Drohneneinsatz<br />
die Zivilbevölkerung einem ständigen Bedrohungsszenario aus,<br />
wodurch der Gegner Vorteile erlangen kann.<br />
ersetzen wie reine Luftangriffe. Lediglich<br />
bei der Überwachungsfunktion<br />
mag ein teilweiser Ersatz von Bodentruppen<br />
möglich sein. Solche Überwachungstruppen<br />
dienen aber auch der<br />
Vertrauensbildung, führen sie doch<br />
auch Gespräche mit den Parteien etwa<br />
eines Waffenstillstands. Diese Funktion<br />
ist durch Drohnen nicht ersetzbar.<br />
In der Öffentlichkeit wird die Problematik<br />
stark diskutiert, dass bei<br />
Drohneneinsätzen immer wieder<br />
Unschuldige ums Leben kommen …<br />
Im Prinzip gibt es bei Drohneneinsätzen<br />
die selben Kollateralschäden wie<br />
bei Einsätzen der Luftwaffe. Dies geschieht<br />
vor allem, wenn sich Soldaten<br />
und Zivilisten auf einem engen Raum<br />
befinden oder Zivilisten mit Kämpfern<br />
verwechselt werden. Und genau<br />
daher wird sich an dieser Problematik<br />
auch kaum etwas ändern. Derartige<br />
Kollateralschäden werden sich auch in<br />
Zukunft nicht vermeiden lassen, aber<br />
sicherlich lässt sich ihre Zahl minimieren.<br />
Für den Soldaten, der die Drohnen<br />
mit Display und Joystick steuert,<br />
ist das Ausschalten der Ziele zu einer<br />
Art Computerspiel geworden.<br />
Wie sehen Sie diese Entwicklung?<br />
Auch der Pilot eines Kampflugzeuges<br />
hat keinen direkten Blickkontakt<br />
zu den Opfern. Piloten stehen aber<br />
auch unter einem enormen physischen<br />
Stress, dem der Bediener einer<br />
Drohne nicht ausgesetzt ist. Letzteres<br />
könnte sogar dazu führen, dass der<br />
Bediener einer Drohne mehr Zeit<br />
zum Überdenken einer Situation hat<br />
und sich deswegen mehr Gedanken<br />
über das Töten von Menschen machen<br />
kann. Umgekehrt bestehen für<br />
FOTO S : BEIGESTELLT<br />
M I L I T Ä R A K T U E L L
K O N T R O V E R S E<br />
GASTKOMMENTAR<br />
GEGEN GENFER KONVENTION<br />
PROF. DR. ALBERT A. STAHEL ist Dozent für<br />
Strategische Studien an der Universität Zürich und<br />
Leiter des Institutes für Strategische Studien Wädenswil.<br />
Seit Beginn der ersten Amtszeit der Obama-Administration<br />
haben die Einsätze von Kampfdrohnen<br />
durch die USA gegen vermutete oder<br />
erfasste Terroristen in den pakistanischen Stammesgebieten,<br />
in Somalia und in Jemen beinahe exponentiell<br />
zugenommen. Diese durch Piloten in sicheren Containern<br />
in den USA gesteuerten Drohneneinsätze sind<br />
unter Obama zum bevorzugten Mittel für solche Einsätze<br />
mutiert. Bei der Nachbearbeitung hebt die<br />
Obama-Administration immer wieder hervor, dass<br />
durch Einsätze zielgenau Taliban- und Terroristen-Kommandanten ausgeschaltet<br />
werden. Dass die zielgenaue Ausschaltung dieser Kommandanten<br />
eine Funktion der Genauigkeit der Nachrichtenbeschaffung durch<br />
hochfliegende Drohnen wie die Global Hawks ist, wird verschwiegen.<br />
Wegen der nicht zu vermeidenden Ungenauigkeit der Daten ist es nicht<br />
verwunderlich, dass neben der anvisierten Zielperson auch Häuser von<br />
Unbeteiligten getroffen werden. Vielfach werden durch einen Drohneneinsatz<br />
ganze Familien ausgelöscht. Dass die Tötung von Unbeteiligten<br />
sehr häufig vorkommen dürfte, kann daran ermessen werden, dass in<br />
Jemen die Behörden über einen Fonds verfügen, der durch die USA laufend<br />
angehäuft wird und für die Entschädigung der Familienangehörigen<br />
von getöteten Unbeteiligten dient. Ein Toter wird offenbar mit<br />
10.000 Dollar abbezahlt. Die Tötung von unbeteiligten Zivilisten in einem<br />
Krieg widerspricht aber den Genfer Konventionen des Kriegsvölkerrechts.<br />
Jede kriegführende Partei hat das Leben von unbeteiligten Zivilisten<br />
– dazu gehören insbesondere Frauen und Kinder – zu schonen.<br />
Dieser Auftrag zur Schonung wird durch die Obama-Administration mit<br />
ihren Kampfdrohneneinsätzen verletzt.<br />
Kampfpiloten hohe Anforderungen<br />
hinsichtlich ihrer physischen Leistungsfähigkeit,<br />
die für die Bediener<br />
von Drohnen nicht existieren. Die<br />
Zahl der Personen, die eine Drohne<br />
bedienen können, ist somit potenziell<br />
größer als die von Kampfpiloten. Das<br />
könnte wiederum dazu führen, dass<br />
sich besonders Menschen für die Bedienung<br />
einer Drohne bewerben, die<br />
wenig Skrupel gegenüber dem Töten<br />
empfinden.<br />
Forscher arbeiten daher seit Jahren<br />
an einer „Ethik-Programmierung“.<br />
Damit sollen Drohnen in<br />
Zukunft selbstständig entscheiden<br />
können, welche Ziele angegriffen<br />
werden und welche nicht …<br />
… was die Frage aufwirft, welche Ziele<br />
als „ethisch legitim“ definiert werden.<br />
Denn letztlich überlässt man dadurch<br />
nicht dem Computer die Entscheidung,<br />
sondern verlagert sie vom<br />
Bediener der Drohne auf die Computer-Programmierer.<br />
Daraus ergibt sich<br />
ein zweites, eher technisches Problem:<br />
Wie kann der Computer aufgrund<br />
seiner Programmierung bei<br />
komplexen Situationen entscheiden?<br />
Meines Wissens sind solche Systeme<br />
noch nicht einsatzfähig.
0 2 2 S I C H E R H E I T & W I R T S C H A F T<br />
EUROFIGHTER?<br />
Zuletzt war in heimischen Medien von groben Mängeln<br />
am Eurofighter die Rede. Tatsächlich handelt es sich bei<br />
den nicht sauber entgrateten Nietungen im Rumpfwerk<br />
um einen wohl unschönen Fertigungsfehler, der aber<br />
rasch behoben sein dürfte. Text: GEORG MADER<br />
er Aufschrei war groß.<br />
D<br />
„Produktionsmängel<br />
beim Eurofighter entdeckt!“,<br />
titelte der Boulevard.<br />
Andernorts<br />
war gar von groben<br />
Konstruktionsfehlern oder einer<br />
schwerwiegenden Panne die Rede.<br />
Wer die Berichterstattung undifferenziert<br />
verfolgte, musste den Eindruck<br />
gewinnen, die österreichischen Jets<br />
würden jeden Moment entzweibrechen<br />
und eine Stilllegung sollte besser<br />
gestern als heute erfolgen. Tatsächlich<br />
handelt es sich bei den nicht vollständig<br />
entgrateten Nietungen im Rumpfwerk,<br />
die für all den Trubel verantwortlich<br />
waren, aber nicht um Konstruktions-<br />
oder Entwicklungsfehler,<br />
sondern um einen vergleichsweise<br />
harmlosen Lapsus, der sich – wenn<br />
überhaupt – erst in vielen Jahren auf<br />
unsere Jets auswirkt. In Deutschland<br />
wurde die Lebensdauer der Eurofighter<br />
nach Bekanntwerden der Mikro-Strukturschwächen<br />
zwar vorsorglich<br />
auf 1.500 Stunden halbiert (zum<br />
Vergleich: die 15 österreichischen<br />
Flugzeuge bringen es seit ihrem Operationsbeginn<br />
2008 zusammen auf<br />
etwas mehr als 5.000 Flugstunden, der<br />
älteste rot-weiß-rote Eurofighter zählt<br />
gerade einmal 500 Stunden) und die<br />
weitere Abnahme von Jets gestoppt, in<br />
Großbritannien ist all das nicht einmal<br />
eine Meldung wert. Dort laufen die<br />
Auslieferungen der sogenannten<br />
Tranche-3-Jets wie geplant (zuletzt<br />
etwa zur 6th Sqdn. ins schottische<br />
Lossiemouth) weiter. Auch die Auslieferungen<br />
an Saudi-Arabien und die<br />
Produktion der vom Oman bestellten<br />
Flugzeuge ist durch den Fertigungsmangel<br />
nicht beeinträchtigt. Außerdem<br />
ist wohl in Kürze auch mit einem<br />
Bulletin des Herstellers zu rechnen,<br />
dass die Gratungen beseitigt sind –<br />
was die Lebensdauer wieder anhebt.<br />
Parallel dazu tut sich beim Eurofighter<br />
derzeit aber auch technisch und operational<br />
einiges. Und das gilt für alle<br />
drei Tranchen, wovon sich Militär<br />
Aktuell im Sommer bei Besichtigung<br />
eines Tranche-1-Flugzeugs im Rahmen<br />
der Farnborough Airshow überzeugen<br />
konnte. In dem Jet war etwa<br />
das neue elektronisch strahl- und mechanisch<br />
schwenkende AESA-Radar<br />
Captor-E verbaut, dessen Antenne mit<br />
zwei Taumelscheiben kombiniert wurde,<br />
um den beschränkten Sichtwinkel<br />
fester AESA-Radarantennen zu umgehen.<br />
Durch den Kippwinkel von 40<br />
Grad und die Drehbarkeit in alle Richtungen<br />
kann zusammen mit dem elektronischen<br />
Schwenkwinkel von 60<br />
Grad ein Suchbereich von ± 100 Grad<br />
in Elevation und Azimut realisiert<br />
werden. Die Serienversion soll rund<br />
1.500 Sende- und Empfangsmodule<br />
auf Galliumnitrit-Basis erhalten, mit<br />
je rund 20 Watt praktikabler Leistung.<br />
Prinzipiell wären auch 50 bis 80 Watt<br />
möglich, die Abwärme würde dann<br />
allerdings zu stark steigen. Während<br />
der – auch von Militär Aktuell<br />
besuchten – IQPC-Fachkonferenz<br />
„Fighter 2014“ in London wurde am<br />
19. November bekannt gegeben, dass<br />
die vier Eurofighter-Herstellerländer<br />
nun mit der NATO-Agentur NETMA<br />
den Vertrag über die Serienreife-Entwicklung<br />
und Integration des neuen<br />
Radars unterzeichnet haben. Zwar<br />
müssen Deutschland, Großbritannien,<br />
Italien und Spanien noch entscheiden,<br />
wie viele Flugzeuge in ihren Staffeln<br />
damit tatsächlich ausgerüstet werden,<br />
aber potenzielle Exportkunden müssen<br />
nun zumindest nicht mehr befürchten,<br />
dass sie das Gerät mitentwickeln<br />
und dafür Versuchskaninchen<br />
spielen müssen.<br />
Auch bei der Bewaffnung gibt es<br />
Neuigkeiten: Ebenso auf demselben<br />
Tranche-1-Flugzeug zu sehen war die<br />
Langstrecken-Lenkwaffe MBDA Meteor,<br />
die dank Ramjet-Boostern mit<br />
zumindest vierfacher Schallgeschwindigkeit<br />
(Mach 4) bis zu 100 Kilometer<br />
weit über den Horizont wirken soll.<br />
Außerdem haben BAE und die britische<br />
Royal Air Force (RAF) im Rahmen<br />
des sogenannten Aufwertungslevels<br />
P1Eb für 17 Tranche-2-Flugzeuge<br />
simultan zwei GPS/INS/lasergesteuer-<br />
FOTO S : G E O R G M A D E R , G E O F F L E E<br />
M I L I T Ä R A K T U E L L
E U R O F I G H T E R<br />
te 250 Kilogramm-Lenkbomben Paveway-IV<br />
abgeworfen. Deren nur IR-gelenkter<br />
Vorgänger hatte in der Mehrzweckrolle<br />
auf Tranche 1 bereits 2011<br />
über Libyen sein Debüt. Mit Tranche<br />
2 beziehungsweise P2Ea kommen weitere<br />
Aufwertungen wie ein neuer Datenhelm,<br />
die Einrüstung des Captor-E<br />
und als Anpassung an die sogenannte<br />
EloKa-Inflation neue Versionen des<br />
DASS-Selbstschutzes und des MIDS-<br />
LVT-Datalinks. Endversion wird P3E<br />
in den Typhoons der (Export)-Tranche<br />
3. Um den Betrieb der Jets zu gewährleisten,<br />
werden übrigens 48 britische<br />
Tranche-1-Modelle laut Auskunft<br />
aus Lossiemouth derzeit verstärkt<br />
„abgeflogen“.<br />
Konträr zur österreichischen Wahrnehmung<br />
steht der Eurofighter technisch<br />
ganz vorne in der Top-Liga der<br />
verfügbaren Flugzeuge der vierten<br />
Kampfflugzeug-Generation. Die fünfte,<br />
sogenannte Stealth-Generation, ist<br />
gut doppelt so teuer, aber auch inhärent<br />
bauartbedingten Limits (Waffen<br />
und Treibstoff innen) unterworfen.<br />
Trotz des Radars wird der Typhoon<br />
auch weiterhin den Support der vier<br />
Eurofighter „Core Nations“ kritisch<br />
brauchen, will Airbus Defence & Space<br />
damit in dem engen Markt noch punkten.<br />
Eurofighter-Direktor Alberto<br />
Gutierrez zeigte sich zwar gegenüber<br />
Militär Aktuell überzeugt, dass der Fall<br />
nicht eintreten werde, aber es besteht<br />
die Möglichkeit, dass nach Auslieferung<br />
an den Oman (12 Stück T3) die<br />
Produktion – klarerweise nicht der<br />
Systemerhalt – ausläuft. Deshalb war<br />
2013 die Absage der Emirate, die zuvor<br />
Interesse an mehr als 60 Jets angemeldet<br />
hatten, schmerzhaft, und man ist<br />
umso stärker in Indonesien, Malaysia<br />
oder Dänemark aktiv, wo überall Flugzeugentscheidungen<br />
anstehen. Zudem<br />
könnte es eine zweite Charge von 72<br />
Jets für Saudi-Arabien geben. Auch<br />
das Rennen in Indien, wo es um die<br />
Beschaffung von 126 Flugzeugen geht,<br />
scheint nun wieder offener. Dort war<br />
2011 zwar prinzipiell eine Entscheidung<br />
für die Dassault Rafále gefallen,<br />
da es nach drei Jahren aber immer<br />
noch keinen Vertrag gibt und der französische<br />
Jet in der Zwischenzeit doppelt<br />
so teuer kommt, scheint eine Entscheidung<br />
für den damals knapp zweitgereihten<br />
Eurofighter nun wieder möglich.<br />
Erst recht, seit der deutsche Außenminister<br />
Frank-Walter Steinmeier<br />
gegenüber dem neuen indischen Premier<br />
Narendra Modi zuletzt einen<br />
möglichen Preisnachlass von 2,5 Milliarden<br />
Euro erwähnte. Sollte das Geschäft<br />
tatsächlich noch realisiert werden,<br />
würde das die Eurofighter-Bilanz<br />
natürlich ordentlich aufhübschen.<br />
Aber auch so<br />
wurden mit<br />
Stand Ende 2014<br />
bereits 420<br />
Eurofighter aller<br />
drei Tranchen<br />
ausgeliefert.<br />
STARKE BEWAFFNUNG<br />
Die Meteor-Lenkwaffen<br />
sollen Ziele mit vierfacher<br />
Schallgeschwindigkeit<br />
auch in 100 Kilometer Entfernung<br />
treffen. Oben im<br />
Bild: Eurofighter-Direktor<br />
Alberto Gutierrez.<br />
M I L I T Ä R A K T U E L L
0 2 4 A D V E R T O R I A L<br />
INFRASTRUKTUR<br />
SCHÜTZEN!<br />
SCHUTZ KRITISCHER<br />
INFRASTRUKTUR<br />
Bei der „Netzwerk 2014“<br />
übten sich die Soldaten im<br />
sicherheitspolizeilichen<br />
Assistenzeinsatz. Ziviler<br />
Übungsteilnehmer war auch<br />
das DDSG-Flaggschiff<br />
MS Admiral Tegetthoff.<br />
Die Miliz erhält im Zuge der Neuausrichtung<br />
des Bundesheeres einen stärkeren regionalen<br />
Bezug. Erstmals sichtbar wurde das bei der<br />
Großübung „Netzwerk 2014“ in Wien.<br />
itte November<br />
M<br />
fand in Wien die<br />
groß angelegte<br />
Gefechtsübung<br />
„Netzwerk 2014“<br />
statt. Unter der<br />
Leitung des Militärkommandos Wien<br />
trainierten dabei insgesamt 800 Soldatinnen<br />
und Soldaten, darunter 600<br />
Milizsoldaten, fünf Tage lang gemeinsam<br />
mit Polizei und zivilen Organisationen<br />
wie den ÖBB, der Donaudampfschifffahrtsgesellschaft<br />
und dem Wiener<br />
Hafen den Schutz kritischer Infrastruktur<br />
im sicherheitspolizeilichen Assistenzeinsatz,<br />
etwa bei Terroranschlägen.<br />
Im Einsatz waren dabei das Miliz-<br />
Jägerbataillon Wien 1 „Hoch- und<br />
Deutschmeister“, die Garde sowie die<br />
Militärpolizei mit Militärstreifenhundetrupps.<br />
Außerdem das Pionierbatail-<br />
lon 3 aus Melk mit vier Arbeits- und<br />
Transportbooten und das Pionierbataillon<br />
1 mit Kampfmittelbeseitiger und<br />
dem Entschärfungsroboter Theodor.<br />
Als Schutzobjekte und Übungsraum<br />
wurden neben dem Erdöl-Tanklager<br />
Lobau und den Kraftwerken Donaustadt<br />
und Freudenau der Wiener Hafen,<br />
der Hafen Lobau sowie das Siemensgebäude<br />
in der Siemensstraße<br />
gewählt. „Die Miliz hat bei der Übung<br />
mit sehr viel Engagement und Kom -<br />
petenz aufzeigen können und hatte –<br />
ganz im Sinne der Neuausrichtung der<br />
Miliz – einen klaren regionsbezogenen<br />
Auftrag und wurde dort eingesetzt, wo<br />
sie auch herkommt“, zog Bataillonskommandant<br />
Oberstleutnant Michael<br />
Blaha eine zufriedenstellende Bilanz<br />
der Übung und ergänzte: „Ich habe das<br />
als irrsinnig identitätsstiftend wahrge-<br />
„SCHRITT IN DIE RICHTIGE RICHTUNG“ Bataillonskommandant Oberstleutnant<br />
Michael Blaha (in der Bildmitte sitzend) zeigte sich mit dem Ablauf der Großübung zufrieden.<br />
nommen. Eine Wiener Milizeinheit<br />
kam im Raum Wien zum Einsatz und<br />
arbeitete dort mit Wiener Firmen und<br />
der Wiener Polizei zusammen. Dadurch<br />
ergibt sich eine viel stärkere Bindung<br />
und eine intensivere Verschränkung,<br />
als das bei früheren Übungen und Einsätzen<br />
der Fall war, und es konnte in<br />
beide Richtungen Verständnis dafür<br />
geschaffen werden, was wir da tun.“<br />
Dazu komme laut Oberstleutnant Blaha,<br />
dass es sich beim Übungsziel – dem<br />
Schutz kritischer Infrastruktur – um<br />
„einen sinnvollen Übungsansatz“ handle,<br />
der den Milizsoldaten zudem erfüllbar<br />
erscheint. „Das entspricht einem<br />
realistischen Aufgabenspektrum und<br />
ist in jedem Fall ein Schritt in die richtige<br />
Richtung, durch den wir uns langfristig<br />
auch eine stärkere Verankerung<br />
der Miliz in unserer Gesellschaft erwarten.“<br />
Und nicht zuletzt auch einen<br />
stärkeren Zulauf zu den Milizeinheiten,<br />
in den kommenden drei Jahren sollen<br />
schließlich zwölf zusätzliche Milizkompanien<br />
aufgestellt werden.<br />
FOTO S : B U N D E S H E E R / C H R I ST I A N J O H A N N E S , B U N D E S H E E R / G U N T E R P U S C H , B U N D E S -<br />
H E E R / C L AU S T R I E B E N B AC H E R<br />
M I L I T Ä R A K T U E L L
E N T G E L T L I C H E E I N S C H A L T U N G<br />
AUFWERTUNG<br />
DER MILIZ<br />
Aufgrund der Budgetlage ist das Bundesheer<br />
gezwungen, seine Strukturen in den kommenden<br />
Jahren anzupassen – entsprechende<br />
Pläne wurden bereits Anfang Oktober<br />
präsentiert. Ziel ist es, sich in Zukunft vermehrt<br />
auf die Erfüllung der <strong>militär</strong>isch einsatzwahrscheinlichsten<br />
Aufgaben zu konzentrieren.<br />
Die Wehrdienstreform, Auslandseinsätze,<br />
Cyber Defence und die Katastrophenhilfe<br />
bleiben von den Einsparungen weitgehend<br />
ausgenommen und werden weiterhin<br />
sichergestellt, das Milizsystem wird sogar<br />
aufgewertet. Bis 2018 sollen insgesamt zwölf<br />
zusätzliche Kompanien aufgestellt und vermehrt<br />
Milizübungen abgehalten werden.<br />
Außerdem erhält die Miliz einen klaren<br />
<strong>militär</strong>ischen Auftrag und eine klare regionale<br />
Zuordnung, wie das zuletzt auch bereits bei<br />
der Großübung „Netzwerk 2014“ augenscheinlich<br />
wurde.<br />
www.bundesheer.at/miliz/milizservice.shtml<br />
M I L I T Ä R A K T U E L L
0 2 6 H E E r & M E H r<br />
SICHERHEIT IM<br />
NETZ<br />
ICE CHEST 2014:<br />
ERFOLGREICHE PIONIERARBEIT<br />
Der effiziente Aufbau einer mobilen Führungszentrale für<br />
Auslandseinsätze war das Ziel der Übung „ICE Chest 2014“.<br />
Gemeinsam mit 120 Kameraden der Bundeswehr errichteten<br />
60 österreichische Soldaten am Truppenübungsplatz Heuberg<br />
das multinationale Hauptquartier „Initial Command Element“<br />
(ICE). Dabei mussten die Pioniere der Bataillone aus Mautern<br />
und Salzburg in 18 Tagen 8.000 Kubikmeter Erde abtragen, 770<br />
Meter Drainagerohre verlegen und 11.300 Quadratmeter Geotextilplanen<br />
verlegen. Außerdem besiegelten das deutsche<br />
Multinationale Kommando Operative Führung aus Ulm und das<br />
österreichische Panzerstabsbataillon 3 eine Partnerschaft.<br />
M I L I T Ä R A K T U E L L
N E W S A U S D E N S T R E I T K R Ä F T E N<br />
FoTo S : B u N D E S h E E R / C A R i N A KA R Lov i TS , B u N D E S h E E R / KA R L<br />
S C h ö N , B u N D E S h E E R / h E L M u T K R E i M E L , B u N D E S h E E R / W.<br />
h A i N Z L , B E i G E ST E L LT<br />
Mit einem Sieg des Teams Österreich<br />
endete die „Cyber Security Challenge“,<br />
die im Rahmen der Informations-, Kommunikations-<br />
und Technologie-Sicherheitskonferenz<br />
(IKTS) im November in<br />
Fürstenfeld stattfand. Die rot-weiß-rote<br />
Equipe konnte sich bei dem Vergleichskampf<br />
der besten Nachwuchstalente im<br />
Computer-Hacking gegen Mannschaften<br />
aus der Schweiz und Deutschland<br />
durchsetzen. Bei der bereits zum dritten<br />
Mal vom Abwehramt des Bundesheeres<br />
organisierten Veranstaltung selbst<br />
erörterten 1.400 Tagungsteilnehmer,<br />
60 Vortragende (im Bild Oberst Walter<br />
Unger, Leiter der Cyber Defence des<br />
Bundesheeres) und 40 Aussteller aus<br />
sieben Nationen zwei Tage lang Bedrohungen<br />
im Cyberraum und diskutierten<br />
mögliche Abwehr- und Sicherheitsmaßnahmen.<br />
ERDBEBEN IN<br />
NIEDERÖSTERREICH!<br />
Ein Erdbeben der Stärke 6,0 nach Richter<br />
brachte im südlichen Niederösterreich<br />
Wohnhäuser und Brücken zum Einsturz.<br />
Straßen-, Bahn- und Stromverbindungen<br />
wurden unterbrochen, Menschen verletzt<br />
und verschüttet. Dieses Szenario<br />
stellte das Bundesheer und 30 Blaulichtorganisationen<br />
bei der niederösterreichischen<br />
Landeskatastrophenschutzübung,<br />
die im November im Raum Wiener<br />
Neustadt stattfand, vor eine große<br />
Aufgabe. 800 Einsatzkräfte, darunter<br />
250 Soldaten der Pioniere, der ABC-<br />
Abwehrtruppe und des Jägerbataillons<br />
12 zeigten dabei ihr Können an 20<br />
Einsatzorten. Zentrum des Geschehens<br />
bildete der Übungsplatz „Tritolwerk“<br />
des Bundesheeres in Theresienfeld.<br />
„WIR SIND SEIT 2012<br />
PARTNER DES BUNDESHEERES“<br />
Die Hypo Niederösterreich ist einer der wichtigsten zivilen Partner des<br />
Bundesheeres. Wir haben mit Franz Siegl, Partnerschaftsbeauftragter<br />
der niederösterreichischen Landesbank, über die Hintergründe<br />
dieser Zusammenarbeit gesprochen.<br />
Wie lange besteht die Zusammenarbeit<br />
zwischen der Hypo Niederösterreich<br />
und dem Bundesheer bereits?<br />
Als Regionalbank und Bank des Landes<br />
möchte die Hypo Niederösterreich auch<br />
abseits des Bankgeschäftes ein Partner für<br />
die Region Niederösterreich sein. Dazu zählt<br />
es für uns auch, Organisationen und Vereine,<br />
die einen integrativen Bestandteil des Bundeslandes<br />
darstellen, zu fördern und zu unterstützen.<br />
Die Hypo Niederösterreich hat daher<br />
bereits im Laufe des Jahres 2011 Gespräche<br />
mit dem Bundesheer aufgenommen und<br />
am 15. Februar 2012 ihre erste Partnerschaft<br />
mit der Flieger- und Fliegerabwehrtruppenschule<br />
in Langenlebarn öffentlich begründet.<br />
FRANZ SIEGL ist Partnerschaftverantwortlicher<br />
der Hypo NÖ für das<br />
Bundesheer.<br />
Eine konkrete Partnerschaft der Hypo Niederösterreich besteht<br />
auch mit dem Truppenübungsplatz Allentsteig. Wie gestaltet sich<br />
hier die Kooperation?<br />
Diese Partnerschaft besteht seit 30. Juni 2012, wobei Schwerpunkte<br />
seitens der Bank in der Unterstützung im kulturellen, sportlichen und<br />
gesellschaftlichen Bereich gesetzt wurden. Abgerundet werden die<br />
gegenseitigen Kontakte durch die Abhaltung von Fachvorträgen und<br />
die Teilnahme an offiziellen Veranstaltungen.<br />
Wie sieht die zukünftige Zusammenarbeit aus? Sind weitere<br />
Partnerschaften mit dem Bundesheer geplant?<br />
Zwischenzeitlich haben wir unser Ziel, in jedem Landesviertel einen<br />
Partner des Bundesheeres zu unterstützen, erreicht. Die Hypo Niederösterreich<br />
freut sich über die partnerschaftliche Zusammenarbeit mit<br />
der Einsatzbasis Jagdkommando in Wiener Neustadt, der 3. Panzergrenadierbrigade<br />
in Mautern und dem Jägerbataillon 12 in Amstetten<br />
sowie mit der Flieger- und Fliegerabwehrschule Langenlebarn (siehe<br />
Bild ganz oben) und dem Truppenübungsplatz Allentsteig. Zusätzlich<br />
sind wir eine Partnerschaft mit dem Jägerbataillon Wien 1 „Hoch- und<br />
Deutschmeister“ eingegangen. Auch bankorganisatorisch zeigt sich<br />
der Stellenwert der Zusammenarbeit innerhalb des Konzerns: Im<br />
Vorstandssekretariat wurde beispielsweise eine eigene Stelle für<br />
den sogenannten Partnerschaftsverantwortlichen eingerichtet.<br />
M I L I T Ä R A K T U E L L
0 2 8 H E E R & M E H R<br />
„DAS BUNDESHEER<br />
STEHT VOR EINEM<br />
SCHWIERIGEN WEG!“<br />
Die finanzielle Situation des Bundesheeres ist aktuell alles andere als rosig.<br />
Im Interview mit Militär Aktuell hegt Generalstabschef Othmar Commenda<br />
aber nur bedingt Hoffnung auf Besserung. Interview: JÜRGEN ZACHARIAS<br />
Herr General, vor einem<br />
Jahr haben wir in einem<br />
Interview in erster<br />
Linie über die Wehrdienstreform<br />
gesprochen.<br />
Ob diese bei der<br />
Truppe greift, konnte damals noch<br />
nicht klar gesagt werden. Haben Sie<br />
dazu nun bereits Rückmeldungen?<br />
Mit der Umsetzung der Reform des<br />
Wehrdienstes wurde und wird diese einer<br />
ständigen Evaluierung unterzogen.<br />
Neben der ressortinternen Prüfung des<br />
Umsetzungsfortschritts der festgelegten<br />
Maßnahmen durch die verantwortlichen<br />
Kommandanten und Dienststellen,<br />
dient auch die strukturierte Befragung<br />
der Grundwehrdiener als Instrument<br />
zur Feststellung des Ist-Standes,<br />
aber auch zur positiven Weiterentwicklung<br />
des Wehrdienstes. Die Evaluierung<br />
zeigt, dass die Reform und die bis dato<br />
eingeleiteten Maßnahmen zur Attraktivierung<br />
des Grundwehrdienstes auf<br />
Resonanz bei der Truppe und den<br />
Grundwehrdienern stoßen.<br />
Können Sie das konkretisieren?<br />
Welche Maßnahmen kommen etwa<br />
besonders gut an?<br />
Hervorzuheben sind signifikante Verbesserungen<br />
der Sportausbildung und positive<br />
Weiterentwicklungen im Bereich<br />
der <strong>militär</strong>ischen Ausbildung durch die<br />
Einführung von Wahlpflichtmodulen.<br />
Und wo gibt es Nachholbedarf?<br />
Vor allem der Bereich der Infrastruktur<br />
gilt nach wie vor als verbesserungswürdig.<br />
Zwar wurden 2014 Investitionen<br />
zur Verbesserung der Unterbringung<br />
der jungen Soldaten getätigt, jedoch<br />
sind diese budgetär bedingt nicht ausreichend,<br />
um eine Verbesserung der<br />
Gesamtsituation herbeizuführen.<br />
Sehen Sie die Wehrdienstreform<br />
damit erfolgreich umgesetzt?<br />
Infolge der eingeleiteten Reformierung<br />
des Wehrdienstes wurden viele Einzelmaßnahmen<br />
umgesetzt, sodass erste<br />
Effekte innerhalb der Truppe positiv<br />
wahrgenommen wurden. Teilbereiche<br />
der Reform sind allerdings aufgrund<br />
der dramatischen Ressourcenlage noch<br />
nicht realisiert. Die Reform soll überdies<br />
nicht auf eine einmalige Wirkung beschränkt<br />
bleiben, sondern vielmehr als<br />
Anstoß eines fortlaufenden Prozesses<br />
der Verbesserung angesehen werden.<br />
Die prekäre Finanzlage des Bundesheeres<br />
war zuletzt auch in der Öffentlichkeit<br />
ein großes Thema. Wie<br />
schlimm ist die Situation wirklich?<br />
Das Bundesheer steht gegenwärtig vor<br />
einem sehr schwierigen Weg in die Zukunft.<br />
Mit dem Bericht zur ressourcenbedingten<br />
Mittelfristplanung bis 2018<br />
an den Herrn Bundesminister wurde<br />
durch den Generalstab ein Schritt gesetzt,<br />
um auf die sich neuerlich geänderte<br />
Finanzsituation zu reagieren. Zur Erreichung<br />
der budgetären Ziele war es<br />
notwendig, neben den bereits angeordneten<br />
Einschränkungen drastische Einschnitte<br />
und Veränderungen in den<br />
Strukturen und Abläufen einzuplanen.<br />
Wenn das Bundesheer weiterhin komplexe<br />
Aufgabenstellungen im In- und<br />
Ausland bewältigen und Systeme wie<br />
Hubschrauber und Flugzeuge betreiben<br />
soll, benötigt es dafür auch Geld. Ohne<br />
zusätzliche finanzielle Mittel wird es<br />
nicht möglich sein, einen Fähigkeitserhalt<br />
zu garantieren und notwendige<br />
Fähigkeiten auszubauen.<br />
Ist das Gröbste dabei bereits überstanden<br />
oder ist mit weiteren, harten<br />
Einschnitten zu rechnen?<br />
Der im Oktober an den Herrn Bundesminister<br />
vorgelegte Bericht beinhaltet<br />
alle zu treffenden Maßnahmen zur Einhaltung<br />
der budgetären Sparvorgaben<br />
bis 2018. Diese umfassen rund 200 Millionen<br />
Euro jährlich. Weitere Einschnitte<br />
schließe ich aus derzeitiger Sicht<br />
nicht aus, da die politischen Entscheidungen<br />
über den Umfang der geforder-<br />
ZUR PERSON<br />
Geboren 1954 in Wels, absolvierte<br />
Othmar Commenda nach seinem Präsenzdienst<br />
die Offiziersausbildung an<br />
der Militärakademie und war danach<br />
als Zugs- und Kompaniekommandant<br />
beim Panzerbataillon 14 in Wels eingesetzt.<br />
Nach zahlreichen Beförderungen<br />
und Fortbildungen (u. a. Generalstabsausbildung<br />
an der Landesverteidigungsakademie<br />
und Ausbildung<br />
am US Army War College) wurde Generalleutnant<br />
Commenda 2008 zum<br />
Stellvertreter des Generalstabschefs<br />
ernannt, von 24. Jänner bis 8. November<br />
2011 war er interimistischer Chef<br />
des Generalstabes.<br />
M I L I T Ä R A K T U E L L
I N T E R V I E W<br />
FOTO : H B F/ H A R A L D M I N I C H<br />
ten finanziellen Mittel für Sonderausgaben<br />
bis zum gegenwärtigen Zeitpunkt<br />
nicht getroffen wurden. Ich persönlich<br />
blicke der Zukunft des Bundesheeres<br />
mit großer Besorgnis entgegen.<br />
Ist die Strukturreform die einzige<br />
Möglichkeit, um dem Bundesheer<br />
das Überleben zu sichern?<br />
Ich möchte mich zunächst vom Begriff<br />
Strukturreform distanzieren. Reformen<br />
leiten eine größere, aber vor allem<br />
planvolle Umgestaltung bestehender<br />
Systeme ein und stehen somit für Fortschritt<br />
und Weiterentwicklung. Reformen<br />
aus Geldmangel funktionieren<br />
nicht und lösen in der Regel auch keine<br />
Probleme. Alle bisher getroffenen<br />
und noch zu treffenden Maßnahmen<br />
sind dem Sparzwang geschuldet und<br />
stehen nicht für Fähigkeitszuwachs,<br />
sondern führen dazu, dass Aufgaben,<br />
welche in der Sicherheitsstrategie festgelegt<br />
sind, nicht mehr erfüllt werden<br />
können. Um die durch die Politik vorgegebene<br />
budgetäre Zielsetzung zu erreichen,<br />
ist die Anpassung der Binnenstruktur<br />
des Bundesheeres alleine<br />
nicht ausreichend. Das vorgelegte<br />
Maßnahmenpakt umfasst folglich<br />
auch drastische Kürzungen im Bereich<br />
des Personals, der Führungs- und Unterstützungsorganisation,<br />
die Neuausrichtung<br />
der Ausbildungsorganisation,<br />
Änderungen in der Materialbewirtschaftung<br />
oder die Reduzierung der<br />
gepanzerten Kampf- und Gefechtsfahrzeuge,<br />
um nur einige zu nennen.<br />
Orten Sie aktuell genug politischen<br />
Willen dafür, dass es in Zukunft<br />
mehr Geld für das Bundesheer gibt?<br />
Das Bundesheer hat in den vergangenen<br />
zehn Jahren zahlreiche innovative<br />
und zukunftsweisende Konzepte vorgelegt.<br />
Die Umsetzung von derartigen<br />
Konzepten war und ist allerdings immer<br />
vom Budget abhängig. Das dafür<br />
notwendige Geld wurde aber von der<br />
Politik nie zur Verfügung gestellt. Dieses<br />
Faktum ist aus meiner Sicht auch<br />
für die nahe und ferne Zukunft des<br />
Bundesheeres besorgniserregend. Inwieweit<br />
der benötigte zusätzliche Finanzbedarf<br />
bis 2018 Berücksichtigung<br />
finden wird, ist letztlich Gegenstand<br />
des aktuellen politischen Diskurses.<br />
Diesbezüglich erwarte ich bis Ende des<br />
Jahres konkrete politische Vorgaben.<br />
Angenommen, es gibt mehr Geld,<br />
was soll damit konkret passieren?<br />
Zusätzliche finanzielle Mittel werden<br />
insbesondere dazu eingesetzt, den<br />
Fähigkeitserhalt und den unbedingt<br />
notwendigen Fähigkeitszuwachs sicherzustellen.<br />
Dazu zählt unter anderem die<br />
zwingend notwendige Modernisierung<br />
der Luftstreitkräfte, insbesondere die<br />
Ersatzbeschaffung der Mehrzweckhubschrauber<br />
des Typs Alouette 3 und<br />
OH58, sowie ein Avionik-Update für<br />
den Hubschrauber S-70 Black Hawk.<br />
Ebenfalls ist es notwendig, den Ersatz<br />
für das Ergänzungsflugzeug Saab-105Ö<br />
einzuleiten. Im Bereich der Land- und<br />
Spezialeinsatzkräfte gilt es verstärkt in<br />
den Schutz und in die Mobilität unserer<br />
Soldaten zu investieren, um die an uns<br />
gestellten Anforderungen im In- und<br />
Ausland zu erfüllen. Des Weiteren sind<br />
durch zusätzliche Finanzmittel der Aufwuchs<br />
der Miliz und die Sanierung der<br />
<strong>militär</strong>ischen Infrastruktur zu forcieren<br />
und die Reform des Wehrdienstes weiter<br />
umzusetzen.<br />
Mit welchem Mehrbedarf ist dabei<br />
zu rechnen?<br />
Konkrete Zahlen wurden dem Herrn<br />
Bundesminister für Landesverteidigung<br />
vorgelegt und sind Teil der laufenden<br />
politischen Gespräche. Sie<br />
verstehen, dass ich dem Herrn<br />
Bundesminister diesbezüglich nicht<br />
vorgreifen möchte.<br />
M I L I T Ä R A K T U E L L
0 3 0 H E E R &<br />
M<br />
E H R<br />
NICHTS DEM ZUFALL ÜBERLASSEN<br />
Der Personenzugriff ist eine der hochspezialisierten<br />
Aufgaben der Militärstreife<br />
& Militärpolizei. Zur Sache geht<br />
es dabei vor allem bei Auslandseinsätzen<br />
oder auf Anforderung des BMI.<br />
FAHNDEN<br />
Der Militärstreife & Militärpolizei des Bundesheeres<br />
kommen Aufgaben von Personenschutz über <strong>militär</strong>ischen<br />
Eigenschutz bis hin zu Sonderermittlungstätigkeiten zu.<br />
Militär Aktuell besuchte den Spezialverband in der Wiener<br />
Maria-Theresien-Kaserne. Text: JOHANNES LUXNER Fotos: SEBASTIAN FREILER<br />
Der Blick in den Kasernenraum<br />
lässt nichts<br />
Gutes ahnen. Ein Soldat<br />
liegt regungslos<br />
auf dem Bett und<br />
direkt daneben am<br />
Boden eine Pistole. Die Hand des<br />
Mannes ist blutig, und dort, wo sein<br />
steifer Oberarm über den Bettrand<br />
ragt, bildete sich am Parkettboden<br />
eine kleine Blutlacke. Noch viel<br />
mehr Blut ist auf der Matratze neben<br />
dem Kopf des Soldaten zu sehen.<br />
Dieses Szenario ist nichts für<br />
schwache Nerven und könnte einer<br />
Fernsehserie entstammen. Da passen<br />
auch die beiden Sonderermittler<br />
der Militärstreife & Militärpolizei<br />
des Bundesheeres gut ins Bild. Sie<br />
tragen weiße Overalls, Mundschutz<br />
und Gummihandschuhe. Ihre Aufmerksamkeit<br />
gilt zunächst den Gegenständen<br />
im Raum, um die Spuren<br />
mittels kleiner durchnummerierter<br />
Täfelchen zu markieren. Sie<br />
werden noch Stunden hier verbringen,<br />
DNA-Spuren sichern, Fingerabdrücke<br />
nehmen, das Handy des Toten<br />
überprüfen und alle anderen<br />
Maßnahmen tätigen, um den Tatort<br />
gerichtsverwertbar aufzuarbeiten.<br />
Zum Glück handelt es sich bei alledem<br />
nur um ein Übungsszenario,<br />
das aber anschaulich zeigt, dass die<br />
Sonderermittler der Militärstreife &<br />
Militärpolizei im Grunde dieselben<br />
Abläufe und Tätigkeiten wie ihre<br />
Kollegen von der Polizei ausüben.<br />
Ausgebildet wurden sie von der<br />
Sicherheitsakademie des Bundesministeriums<br />
für Inneres, für das sie<br />
im Falle eines sicherheitspolizeilichen<br />
Assistenzeinsatzes theoretisch<br />
auch tätig werden könnten. Wobei<br />
polizeiliche Befugnisse nur im<br />
Ausland ausgeübt werden dürfen,<br />
wie einer der Sonderermittler, der<br />
M I L I T Ä R A K T U E L L
T R U P P E N B E S U C H<br />
CSI MILITÄRPOLIZEI<br />
Tatorte werden von den<br />
Mitarbeitern gerichtsverwertbar<br />
aufgenommen.<br />
Im Kosovo musste auf<br />
diese Art der Suizid eines<br />
italienischen Soldaten<br />
geklärt werden.<br />
ERMITTELN<br />
anonym bleiben muss, erzählt: „Als<br />
ich im Kosovo eingesetzt war, ging<br />
es etwa darum, den Suizid eines italienischen<br />
Soldatenkollegen zu klären.<br />
Wir mussten den Fall so aufnehmen,<br />
dass er für italienische Gerichte<br />
verwertbar war.“ Keine leichte<br />
Aufgabe, die allerdings nur einen<br />
kleinen Teil im breiten Spektrum der<br />
350 Personen umfassenden Militärstreife<br />
& Militärpolizei ausmacht<br />
(siehe auch Kasten rechts).<br />
„Im Grunde bezieht sich unsere Tätigkeit<br />
auf beinahe alle Aspekte der<br />
polizeilichen Arbeit“, umreißt Oberleutntant<br />
Dieter Unterassinger das<br />
Aufgabenfeld. Deshalb gehören<br />
Hundeführer ebenso zur Einheit<br />
wie die Militärstreife. Finden große<br />
Veranstaltungen in der Dimension<br />
der Airpower oder der jährlichen<br />
Leistungsschau am Heldenplatz<br />
statt, sind die Leistungen der Militärstreife<br />
& Militärpolizei ebenso gefragt<br />
wie im Bereich des Personen-<br />
schutzes, wo ebenfalls eine hochgradige<br />
Spezialisierung notwendig ist.<br />
In Summe erfüllen die Einsatzeinheiten<br />
der Militärpolizei, die sich<br />
auf die Standorte Salzburg, Graz<br />
und Wien aufteilen, jedes Jahr<br />
um die 4.500 Streifenaufträge im<br />
Dienste der Sicherheit.<br />
Sind hochrangige Militärvertreter auf<br />
offiziellem Österreichbesuch, sind<br />
Mitarbeiter der Militärstreife & Militärpolizei<br />
für die Sicherheit der Gäste<br />
zuständig, bis diese das Land wieder<br />
verlassen haben. Statt Uniformen<br />
tragen sie dunkle Anzüge und ihre<br />
Fahrzeuge zeigen keinen <strong>militär</strong>ischen<br />
Zusammenhang. Auch diese<br />
Mitarbeiter müssen anonym bleiben.<br />
„In unsere Tätigkeit fallen aber<br />
auch Sicherheitsanalysen, sichere<br />
Routenplanungen und das<br />
Festlegen von ,Alpharouten‘<br />
und alternativen ,Bravorouten‘<br />
falls unerwartete Hindernisse<br />
auftauchen. Unsere Arbeit<br />
MILITÄRSTREIFE &<br />
MILITÄRPOLIZEI<br />
War die Militärstreife<br />
einst den jeweiligen<br />
Landeskommandos<br />
unterstellt, so gibt sie<br />
sich seit dem Jahr<br />
2007 vollkommen<br />
neu strukturiert. Seitdem<br />
stellt die Militärstreife & Militärpolizei<br />
als Spezialverband des Bundesheeres<br />
eine eigene Einheit dar,<br />
deren Kommando ihren Sitz in der<br />
Wiener Maria-Theresien-Kaserne hat.<br />
Zudem ist in Wien die Abteilung für<br />
Lehre und Grundlagenarbeit sowie<br />
das Personenschutzelement beheimatet.<br />
Mit den Standorten Wien, Graz<br />
und Salzburg existieren in Österreich<br />
drei Einsatzeinheiten der Militärstreife<br />
& Militärpolizei. Ihre Grundaufgabe<br />
ist der Schutz der Truppe und aller<br />
<strong>militär</strong>ischer Einrichtungen. Neben<br />
den klassischen Aufgaben der Militärstreife<br />
ist im Kommando auch der<br />
Personenschutz integriert, und ein<br />
ganz wesentlicher Tätigkeitsbereich<br />
sind die Auslandseinsätze der Militärstreife<br />
& Militärpolizei. Von ungefähr<br />
350 Mitarbeitern befinden sich ständig<br />
um die 40 Personen im Ausland,<br />
um als Militärpolizisten für die<br />
Sicherheit und Ordnung innerhalb<br />
der Bundesheerkontingente zu sorgen.<br />
Generell gibt sich das Aufgabenspektrum<br />
sehr weitreichend: Es<br />
besteht aus der Überwachung des<br />
<strong>militär</strong>ischen Eigenschutzes, dem<br />
Ordnungsdienst, dem Schutzdienst,<br />
dem Ermittlungsdienst, dem Verkehrsdienst,<br />
der Informationsgewinnung,<br />
dem Einsatz von Diensthunden<br />
und auch dem Gefangenen- und Internierungswesen,<br />
das vor allem für<br />
die Auslandseinsätze in Kooperation<br />
mit dem Justizministerium ausgebildet<br />
wird. Im Jahr 2011 wurde die<br />
Militärstreife & Militärpolizei zur<br />
„Unit of the Year“ gewählt.<br />
Oberösterreich<br />
Salzburg<br />
Kärnten<br />
Niederösterreich<br />
Steiermark<br />
M I L I T Ä R A K T U E L L
0 3 2 H E E R & M E H R<br />
& SCHÜTZEN<br />
Militärstreife & Militärpolizei als personenschützer Sie sorgen beispielsweise für<br />
die Sicherheit hochrangiger Militärs, wenn diese zu Besuch in Österreich sind.<br />
beinhaltet aber auch, vorab Fluchtwege<br />
zu definieren, falls tatsächlich<br />
etwas passiert“, erzählt einer der<br />
Personenschützer.<br />
Keine andere Einheit des Bundesheeres<br />
hat – gemessen an ihrem<br />
Grundpersonalstock – so viele Mitarbeiter<br />
im ständigen Auslandseinsatz<br />
wie die Militärstreife & Militärpolizei.<br />
Von den 350 Beschäftigten<br />
befinden sich etwa 40 bei internationalen<br />
Einsätzen – aktuell beispielsweise<br />
beim EUFOR-Einsatz in<br />
Bosnien oder eben beim KFOR-<br />
Einsatz im Kosovo, wo es eine enge<br />
Zusammenarbeit mit den italienischen<br />
Carabinieri gibt. Aber nicht<br />
nur bei solchen Einsätzen stehen<br />
sich die rot-weiß-rote Militärpolizei<br />
und die Carabinieri nahe. Im Zuge<br />
einer Ausbildungskooperation der<br />
Bundesheer-Einheit mit der WEGA<br />
sind die Carabinieri bei diesen hoch<br />
spezialisierten Kursen ebenso zu<br />
Gast wie etwa deutsche Feldjäger<br />
der Bundeswehr.<br />
„Unsere Einsätze sind nicht von langer Hand planbar“<br />
oberleutnant Dieter<br />
Unterassinger<br />
„Unser Auftrag im Kosovo war die<br />
Aufrechterhaltung der öffentlichen<br />
Ordnung und Sicherheit.“<br />
sie sind derzeit als logistikoffizier der<br />
Militärstreife & Militärpolizei tätig – ein<br />
aufgabenbereich welcher art?<br />
Als Logistikoffizier bin ich dafür zuständig,<br />
das richtige Personal mit der richtigen<br />
Ausstattung zum richtigen Zeitpunkt<br />
auszurüsten. Die Tätigkeit dreht sich<br />
vorwiegend um die Koordinierung aller<br />
Ausrüstungskomponenten, damit wir<br />
unsere Unterstützungsleistung für die<br />
Truppe entsprechend entsenden können.<br />
Ich bin aber auch dafür verantwortlich<br />
die richtigen Leute zu den jeweiligen<br />
Auslandseinsätzen zu entsenden.<br />
sie waren im Jahr 2011 als zugskommandant<br />
selbst im Kosovo. Wie darf<br />
man sich die dortigen aufgaben der<br />
Militärpolizei vorstellen?<br />
Unser Auftrag war die Aufrechterhaltung<br />
der öffentlichen Ordnung und Sicherheit.<br />
Strukturell waren wir in ein italienisches<br />
Bataillon eingebettet – dabei waren wir das<br />
kleinste Element und für Aufgabenbereiche<br />
wie Informationsgewinnung ebenso zuständig<br />
wie für die Kontakte zu lokalen<br />
Behörden, zur lokalen Polizei und auch zur<br />
Bevölkerung. Aber etwa auch Aufklärungstätigkeiten<br />
entlang der Marschrouten gehörten<br />
hier dazu. Wir haben aber auch in<br />
Kooperation mit der kosovarischen Polizei<br />
Checkpoints errichtet und waren in ständiger<br />
Bereitschaft für Ordnungseinsätze,<br />
falls es zu Demonstrationen kommt. Wir<br />
bekamen dort die generelle Ablehnung<br />
gegenüber der KFOR deutlich zu spüren.<br />
Farbbeutel und Steine wurden auf unsere<br />
Leute geworfen und es kam auch zu<br />
Beschüssen und Überschüssen. Es ist Gott<br />
sei Dank nichts passiert. Alles in allem eine<br />
sehr fordernde aber interessante Aufgabe.<br />
Was fordert in Österreich am meisten?<br />
Die Kurzfristigkeit der Einsätze, weil wir<br />
in erster Linie Service- und Unterstützungsleister<br />
sind – sogenannte Force-Provider.<br />
Unsere Einsätze sind nicht von langer Hand<br />
planbar. Es kann sein, dass ich innerhalb<br />
einer Woche Sonderermittler für einen Auslandseinsatz<br />
koordinieren muss – dass alles<br />
an Geräten vorhanden ist und alle Mitarbeiter<br />
verfügbar sind.<br />
M i l i t ä r a K t U e l l
Ball der Offiziere<br />
16. Jänner 2015<br />
www.ballderoffiziere.at
0 3 4 H E E R & M E H R<br />
„Jeder, der einen<br />
Tag länger als die<br />
verpflichtenden<br />
sechs Monate beim<br />
Bundesheer bleiben<br />
möchte, wandert<br />
über unseren<br />
Schreibtisch.“<br />
Vizeleutnant Hermann Dunkler<br />
DER<br />
BERATER<br />
Das Heerespersonalamt beschäftigt österreichweit 32 Wehrdienstberater. Wir haben<br />
mit Vizeleutnant Hermann Dunkler von der Rekrutierungsgruppe Wien einen von ihnen<br />
einen Tag lang bei seiner Arbeit begleitet.<br />
Text: JÜRGEN ZACHARIAS Fotos: SEBASTIAN FREILER<br />
M I L I T Ä R A K T U E L L
T R U P P E N B E S U C H<br />
INTERVIEW<br />
„Unser größter Pluspunkt ist<br />
die berufliche Absicherung!“<br />
Das Bundesheer verfügt über insgesamt<br />
fünf Rekrutierungsgruppen, die in Linz,<br />
Graz, Innsbruck, Klagenfurt und Wien<br />
angesiedelt sind. Vizeleutnant Hermann<br />
Dunkler ist Teil von letzterer und schätzt<br />
an seiner Arbeit vor allem die Tatsache,<br />
ständig neue Leute kennenzulernen.<br />
Herr Vizeleutnant, wie beginnt ein<br />
typisches Beratungsgespräch?<br />
Mit der Frage, was sich mein Gegenüber<br />
vorstellt. Bevor ich beraten kann, muss ich<br />
wissen, was er oder sie sich wünscht und<br />
welchen Karriereweg er oder sie einschlagen<br />
möchte. Ist dabei der Standort der Kaserne<br />
wichtig oder eher die Waffengattung?<br />
Will er oder sie nur kurze Zeit beim Bundesheer<br />
verbringen und vielleicht einen<br />
Auslandseinsatz absolvieren oder ist auch<br />
eine langerfristige Karriere erstrebenswert?<br />
Abhängig davon unterscheidet sich dann<br />
auch der Inhalt des Beratungsgesprächs?<br />
Natürlich, wobei prinzipiell jeder von uns<br />
Wehrdienstberatern über dasselbe Informationsangebot<br />
verfügt. Nur weil jemand<br />
zu mir in Wien zum Informationsgespräch<br />
kommt, heißt das nicht, dass er automatisch<br />
hier in Wien Dienst versehen muss.<br />
Wir vermitteln immer österreichweit.<br />
MAL HIER, MAL DA Der Personalrecruiter<br />
muss auch telefonisch<br />
Fragen beantworten. Zudem gilt es<br />
eine ganze Reihe an Terminen außer<br />
Haus wahrzunehmen, Mentoringgespräche<br />
bei Lehrlingen etwa oder<br />
Vorträge in AMS-Servicestellen.<br />
INDIVIDUELL ODER IN DER GRUPPE? Hermann<br />
Dunkler informiert Stellungspflichtige in einem kurzen<br />
Vortrag über Karrieremöglichkeiten beim Bundesheer.<br />
Danach steht er für Einzelgespräche zur Verfügung. Einer<br />
der Jugendlichen will wissen, wie er zum Jagdkommando<br />
kommt, ein anderer würde gerne Eurofighter-Pilot werden.<br />
Welche Informationen werden in den<br />
Gesprächen am meisten nachgefragt?<br />
In einem ersten Schritt geht es meist um<br />
prinzipielle Verwendungsmöglichkeiten,<br />
welche Voraussetzungen dafür zu erfüllen<br />
sind und mit welchem Verdienst zu rechnen<br />
ist. Wenn es dann etwas mehr ins Detail<br />
geht, informieren wir auch über mögliche<br />
Karrierewege, gehen wir gemeinsam<br />
die Bewerbungsunterlagen durch und erklären,<br />
was bei der erweiterten Verlässlichkeitserklärung<br />
zu beachten ist.<br />
Und mit welchen Argumenten für das<br />
Bundesheer punkten Sie bei potenziellen<br />
Interessenten am meisten?<br />
Vor allem mit der beruflichen Absicherung<br />
– wir können noch sichere Arbeitsplätze<br />
anbieten. Ein Pluspunkt sind aber auch die<br />
Verdienstmöglichkeiten, die gerade bei<br />
Auslandseinsätzen durchaus attraktiv sind.<br />
NEUER ARBEITSPLATZ<br />
In wenigen Tagen wird die Rekrutierungsgruppe<br />
Wien des Heerespersonalamts<br />
in das neue Jobcenter in<br />
Wien Stammersdorf übersiedeln.<br />
M I L I T Ä R A K T U E L L
0 3 6 H E E R &<br />
M<br />
E H R<br />
Andreas Lauter, 46<br />
Offizierstellvertreter, Kommandant<br />
der Urbanen Trainingsanlage<br />
Zu meinem Aufgabengebiet gehört<br />
nicht nur die Betreuung der Urbanen<br />
Trainingsanlage selbst, sondern auch<br />
die Verwaltung des in der Nähe befindlichen<br />
Checkpoints, des Auslandscamps<br />
Mannshalm, des Schieß- und<br />
Sprengplatzes sowie zweier Retteund<br />
Bergeanlagen. Damit ist konkret<br />
gemeint, dass wir neue Übungsszenarien<br />
planen und die Trainingsanlage<br />
ausbauen und verbessern. Aktuell<br />
haben wir etwa gerade neue Annäherungsmöglichkeiten<br />
an die Ortschaft<br />
geschaffen und versetzen wir mit<br />
einem Kran Betonelemente so, dass<br />
diese schlussendlich eine enge Gasse<br />
simulieren. Die Zusammenarbeit mit<br />
den übenden Einheiten ist klar geregelt:<br />
Vor Übungsbeginn übergebe ich die<br />
Anlage an den Kommandanten der<br />
Einheit und gehe mit ihm alles durch.<br />
Während der Übung stehen wir dann<br />
als Ansprechpartner zur Verfügung,<br />
falls etwas nicht funktioniert oder zusätzliche<br />
Gerätschaften wie Simulatoren<br />
benötigt werden. Hinterher<br />
übernehme ich vom Kommandanten<br />
die Trainingsanlage wieder retour, und<br />
natürlich bessern wir dann auch allfällige<br />
Beschädigungen aus.<br />
DIE PROFIS<br />
VON ALLENTSTEIG<br />
Der Truppenübungsplatz allentsteig ist flächenmäßig das mit Abstand<br />
größte Übungsgelände des Bundesheeres. Um bei mehr als 200 Schießtagen im<br />
Jahr einen reibungslosen Ablauf zu gewährleisten, ist auch hinter den Kulissen ein<br />
professionelles Team von Spezialisten am Werk. Text: JÜrGeN ZaCHariaS Fotos: NaDJa meiSTer<br />
m i l i T ä r a K T U e l l
T R U P P E N Ü B U N G S P L A T Z A L L E N T S T E I G<br />
Dietmar Kreiml, 37<br />
Referatsleiter, Revierleiter & Förster<br />
Genau wie anderswo müssen natürlich<br />
auch bei uns die Waldflächen gepflegt<br />
werden. Pro Jahr produzieren<br />
wir so mit unseren zwölf Mitarbeitern<br />
rund 30.000 Festmeter Holz, die an<br />
umliegende Betriebe verkauft werden.<br />
Normalerweise wäre die Produktion<br />
noch höher, aber da wir nach<br />
dem Orkan Kyrill im Jahr 2007 – der<br />
uns leider voll erwischt hat – auf bis zu<br />
130.000 Festmeter gekommen sind,<br />
müssen wir im Sinne der Nachhaltigkeit<br />
unsere Produktionsmengen nun<br />
ein wenig reduzieren. Zudem ist<br />
unsere organisatorische Zielsetzung,<br />
die störungsfreie Beübbarkeit des<br />
Truppenübungsplatzes unter Berücksichtigung<br />
der Rentabilität zu gewährleisten.<br />
In der Arbeit selbst sind wir<br />
natürlich mit einigen Besonderheiten<br />
konfrontiert. So müssen wir unsere Arbeitsgebiete<br />
vorab melden, und dann<br />
werden diese auf Blindgänger abgesucht.<br />
Wir müssen uns zudem immer<br />
flexibel auf die Schusspläne einstellen.<br />
Im Unterschied zu herkömmlichen<br />
Forstbetrieben haben wir daher mehrere<br />
Einsatzorte parallel in Arbeit,<br />
außerdem müssen die Stämme mit<br />
Metalldetektoren abgesucht werden.<br />
M I L I T Ä R A K T U E L L
0 3 8 H E E R & M E H R<br />
s gibt in anderen Ländern<br />
Egrößere, aber kaum bessere<br />
Truppenübungsplätze.“<br />
Oberst Josef Fritz,<br />
Kommandant des Truppenübungsplatzes<br />
Allentsteig<br />
ist sichtlich stolz auf das 157<br />
Quadratkilometer große Übungsgelände,<br />
das sich hinter dem Fenster<br />
seines Büros im Kommandogebäude<br />
Schloss Allentsteig über den Horizont<br />
erstreckt. „Wir können hier mit praktisch<br />
allen Waffen des Bundesheeres<br />
(Anm.: mit Ausnahme der Fliegerabwehrlenkwaffe<br />
Mistral) im scharfen<br />
Schuss üben und zahlreiche unterschiedliche<br />
Einsatzszenarien durchspielen.“<br />
Das Gelände verfügt neben<br />
großen Freiflächen über eine Urbane<br />
Trainingsanlage ebenso wie über mehrere<br />
Checkpoints für Verkehrskontrollen,<br />
unterschiedliche Schießbahnen,<br />
Spreng-, Rette- und Bergestellen<br />
sowie einen Brandübungsplatz und<br />
mit Wurmbach auch über einen<br />
Anschlussbahnhof.<br />
Dietmar Kargl, 42<br />
Oberstabswachtmeister, Kampfmittelbeseitiger<br />
Da seit 75 Jahren auf dem Gelände mit verschiedensten Waffen geschossen wird<br />
(auch durch die deutsche Wehrmacht und die Rote Armee), liegen darauf natürlich<br />
auch diverse Blindgänger. Bei deren Entschärfung kommen wir ins Spiel. In<br />
einem ersten Schritt markieren wir den Blindgänger mit einer roten Fahne und<br />
vermessen den Fundort. Diese Information tragen wir dann in die Blindgänger -<br />
evidenzliste ein, die uns einen Überblick darüber gibt, welche Blindgänger wo<br />
liegen und um welchen Munitionstyp es sich dabei handelt. Um einen Blindgänger<br />
zu vernichten, müssen wir beim Sicherheitsoffizier zuerst eine Absperrung<br />
des Gebiets beantragen. Sobald diese steht, melde ich mich vor Ort. Der Sicherheitsoffizier<br />
gibt mir daraufhin „Feuer frei!“, ich kann mit meiner Arbeit beginnen<br />
und gebe das erste Sprengsignal. Es folgt die Brennprobe, dann richte ich mir<br />
den Besatz und gebe das zweite Sprengsignal. Danach bringe ich den Besatz<br />
an und führe die Sprengung durch. Hinterher kontrolliere ich, ob die Sprengung<br />
erfolgreich war, gebe mit dem dritten Sprengsignal Entwarnung, entferne mich<br />
aus dem Absperrbereich und melde bei der Sicherheit den Vollzug. Pro Jahr<br />
beseitigen wir auf diese Weise 200 bis 300 Blindgänger.<br />
„Wir haben uns früh bemüht, über althergebrachte<br />
Einsatzszenarien hinauszudenken<br />
und stets neue Übungsmöglichkeiten<br />
zu schaffen“, sagt Oberst<br />
Fritz. Bestes Beispiel dafür ist die Urbane<br />
Trainingsanlage Steinbach, die<br />
kürzlich um ein Bahnhofs-Trainingslände<br />
erweitert wurde und von der<br />
sich bei internationalen Übungen<br />
selbst US-Militärs begeistert zeigten.<br />
„Unsere Soldaten können dort das<br />
Vorgehen mechanisierter Truppen<br />
in bebautem Gebiet, aber auch die<br />
Bergung von verschütteten Personen<br />
üben.“ Letzteres machen sich immer<br />
wieder auch die Blaulichtorganisationen<br />
der Umgebung zunutze, die hier<br />
ebenfalls ideale Übungsmöglichkeiten<br />
vorfinden, im kommenden Mai findet<br />
in Allentsteig auch eine große Rotes-<br />
Kreuz-Übung mit rund 2.000 Teilnehmern<br />
statt. Ebenfalls auf dem Terminplan<br />
steht im kommenden November<br />
auch wieder die unter internationaler<br />
Beteiligung ablaufende Großübung<br />
„EURAD 2015“ des Bundesheeres. In<br />
solchen Ausnahmefällen werden dann<br />
nicht nur die Unterkunftskapazitäten<br />
des Truppenübungsplatzes (in den<br />
Mannschafts- und Kaderunterkunftsgbäuden<br />
sowie in Biwaks und<br />
auf den Zeltplätzen finden knapp<br />
2.300 Soldaten Platz) voll ausge-<br />
M I L I T Ä R A K T U E L L
T R U P P E N Ü B U N G S P L A T Z A L L E N T S T E I G<br />
Alois Kainz, 50<br />
Fachinspektor, Kommandant der<br />
Schießbahn Großpoppen<br />
Meine Aufgabe ist es, die Anlage in Betriebszustand<br />
zu halten, um einen effizienten Schießablauf der übenden<br />
Truppe zu ermöglichen. Der Schießbetrieb startet<br />
um 9.00 Uhr früh, zuvor muss sich die Einheit aber<br />
beim Sicherheitsoffizier anmelden, der sie dann an<br />
mich weiterleitet. Bei mir ist dann der Schießbefehl<br />
zu hinterlegen, und ich kläre mit dem Leitenden im<br />
Detail, welche Möglichkeiten unsere Anlage bietet,<br />
zudem weise ich ihn in die Benützungsordnung ein.<br />
Der Leitende bestätigt mir dann die Kenntnisnahme<br />
und anschließend kann nach „Feuer frei!“ die Übung<br />
starten. Ich stehe dann als Ansprechpartner zur Verfügung,<br />
falls etwas unklar sein sollte oder nicht funktioniert.<br />
Dadurch habe ich es ständig mit anderen<br />
Herausforderungen und Aufgaben zu tun, und das ist<br />
es auch, was mir an meinem Job so gut gefällt. Durch<br />
die abwechslungsreiche Tätigkeit ist diese Arbeit wie<br />
maßgeschneidert für mich. Und am Ende des Tages<br />
gibt es nichts Schöneres und keine bessere Bestätigung,<br />
als dass der Leitende zufrieden zu mir kommt<br />
und sich dafür bedankt, dass alles so gut gelaufen ist.<br />
schöpft, sondern auch die in der Nähe<br />
liegenden Kasernen – etwa in Horn<br />
und Weitra – miteinbezogen. Unabhängig<br />
davon, ob derartige Großveranstaltungen<br />
stattfinden, bringt es der<br />
Truppenübungsplatz auf mehr als 200<br />
Schießtage pro Jahr. In Kombination<br />
mit den fast 120.000 Nächtigungen vor<br />
Ort bedeutet das eine gewaltige logistische<br />
Herausforderung, für deren<br />
Bewerkstelligung hinter den Kulissen<br />
rund 260 Beschäftigte wie der Kampfmittelbeseitiger<br />
Oberstabswachtmeister<br />
Dietmar Kargl oder Schießbahn-<br />
Kommandant Alois Kainz sorgen.<br />
„Wir sehen uns als Dienstleistungsund<br />
Servicebetrieb, der nicht nur einen<br />
möglichst reibungslosen Ablauf<br />
der Übungen gewährleisten, sondern<br />
auch die Wünsche der Einheiten möglichst<br />
gut berücksichtigen soll“, sagt<br />
Oberst Fritz. Für das kommende Jahr<br />
ist daher auch die Schaffung neuer<br />
Ausbildungs- und Schießanlagen für<br />
Spezialeinsätze in Planung. Details<br />
dazu ließ sich der Oberst freilich<br />
noch nicht entlocken.
0 4 0 H E E R &<br />
M<br />
E H R<br />
1 2<br />
3<br />
FARBENL<br />
Früher färbten sich Soldaten und Krieger<br />
ihre Gesichter oftmals auffällig rot,<br />
um den Gegner einzuschüchtern und<br />
zu schockieren, und zogen möglichst<br />
bunt und auffällig zu Felde. Heute bemühen<br />
sich Soldaten darum, mithilfe<br />
vielfältigster Hilfsmittel optisch möglichst<br />
der Umgebung zu entsprechen<br />
und markante Gesichtszüge und Konturen,<br />
wie Nase oder Ohren, mit Farbcremen<br />
für den Gegner unsichtbar zu<br />
machen.<br />
Dazu verwenden die Soldaten des<br />
Bundesheeres die Heerestarncreme.<br />
Das kleine Schminketui (1) enthält<br />
die Farben Grün, Braun und Schwarz<br />
und einen Spiegel, damit jeder Soldat<br />
auch seine Gesichtstarnung überprüfen<br />
kann. Für den Winter ist außerdem<br />
die Farbe Weiß vorgesehen.<br />
Die Farben werden einfach mit den<br />
Fingern (2) im Gesicht, am Hals, an<br />
den Ohren und Händen aufgetragen.<br />
Statt Farbe an den Händen können<br />
auch graue Handschuhe getragen werden<br />
– diese haben auch den Vorteil,<br />
dass dadurch das Verletzungsrisiko<br />
(kleine Schnitte, …) im Einsatz sinkt.<br />
Über die Farbkombination entscheiden<br />
Gelände und Vegetation: Grün-<br />
Braun-Schwarz, Grün-Braun, Grün-<br />
Schwarz oder Braun-Schwarz (3) .<br />
Bei Nachteinsätzen reicht die Farbe<br />
Schwarz (4), im Winter bei Schnee -<br />
lage die Farbe Weiß (5). Die Tarncremes<br />
für den Sommer besitzen übrigens<br />
einen Gelsenschutz, im Winter<br />
kann vor der Tarnfarbe auch eine Kältecreme<br />
aufgetragen werden.<br />
Das Bemalen der Gesichter ist in<br />
Kombination mit den olivgrünen Uniformen<br />
des Bundesheeres allein aber<br />
noch nicht Tarnung genug. Um optisch<br />
noch mehr mit der Umgebung<br />
zu verschmelzen, werden zum einen<br />
natürliche Hilfsmittel wie Äste, Blätter<br />
oder Gras (6), verwendet. Als künstliche<br />
Tarnmittel kommen zum anderen<br />
aber auch Tarnnetze zum Einsatz,<br />
die etwa auf dem Helm und dem<br />
Rucksack befestigt werden.<br />
Dabei dürfen die Tarnmittel den Soldaten<br />
natürlich weder stören noch in<br />
seiner Bewegungsfreiheit einschränken.<br />
Ein weißer Winteranzug (7) gehört<br />
übrigens auch zu den künstlichen<br />
Tarnmitteln.<br />
Eine perfekte Tarnung schließt neben<br />
Soldat und Uniform zudem die Bewaffnung<br />
mit ein, und so werden auch<br />
die Sturmgewehre getarnt. Dies kann<br />
etwa mit Stoffstreifen aus Erdäpfelsäcken<br />
(8) und alten Handtüchern oder<br />
im Winter mit weißem Isolierklebeband<br />
geschehen.<br />
Wichtig neben der optischen Tarnung<br />
ist natürlich auch, dass sich die Soldaten<br />
geräuschlos bewegen. Dazu wird<br />
die Munition in Stofftaschen gepackt,<br />
Feldflaschen oder Essbesteck (9)<br />
werden in Socken gesteckt, um ein<br />
Klappern zu vermeiden.<br />
M I L I T Ä R A K T U E L L
S E R V I C E<br />
ABO<br />
zum Spezial-Preis<br />
von nur € 12,90<br />
Im Einzelhandel<br />
um € 15,20<br />
4<br />
5<br />
EHRE<br />
Im Einsatz versuchen sich Soldaten der gegnerischen<br />
Beobachtung und Aufklärung weitgehend zu entziehen.<br />
Dazu tarnen sie sich mit Schminkfarben und Netzen, aber auch<br />
mit Erdäpfelsäcken. Militär Aktuell hat sich bei einem Besuch in<br />
der Benedek-Kaserne Einblicke in die Kunst des Verschwindens<br />
geben lassen.<br />
Text: HANS SCHNEEWEISS Fotos: SEBASTIAN FREILER<br />
8<br />
Spannende<br />
Berichte<br />
4 x jährlich<br />
frei Haus!<br />
6 7<br />
9<br />
Bestellen Sie Ihr Abo<br />
noch heute bequem<br />
und einfach über<br />
abo@qmm.at
0 4 2 A D V E R T O R I A L<br />
IM EINSATZ FÜR<br />
DEN FRIEDEN<br />
Ob Friedenssicherung, humanitäre<br />
Hilfe oder Katastrophenhilfe: Hunderte Soldatinnen<br />
und Soldaten des Bundesheeres tragen Tag für Tag<br />
weltweit zum Gelingen internationaler Missionen<br />
und Einsätze bei.<br />
it einem Sanitätskontingent<br />
nahm<br />
M<br />
das Bundesheer<br />
1960 erstmals an<br />
einer Auslandsmission<br />
teil. 54<br />
Jahre später haben sich bereits rund<br />
100.000 österreichische Soldaten an<br />
mehr als 50 internationalen friedensunterstützenden<br />
und humanitären<br />
Missionen beteiligt. Aktuell versehen<br />
rund 1.100 rot-weiß-rote Soldatinnen<br />
und Soldaten unter anderem in Bosnien,<br />
im Kosovo, auf Zypern, in Mali,<br />
in der Zentralafrikanischen Republik<br />
und so wie Zugsführer Robert Hartl<br />
und Oberstabswachtmeister Herbert<br />
Egger im Libanon Dienst.<br />
„Ich bin dort als Wirtschaftsgehilfe<br />
im Logistik-Hauptlager tätig“, sagt<br />
Zugsführer Robert Hartl. „Von dort<br />
aus versorgen wir 12.000 Soldatinnen<br />
und Soldaten aus 37 Ländern, was<br />
nicht nur sprachlich eine große He-<br />
„Ich bin als Wirtschaftsgehilfe<br />
im Logistik-Hauptlager tätig.<br />
Damit versorgen wir 12.000<br />
Soldaten aus 37 Ländern, was<br />
nicht nur sprachlich eine große<br />
Herausforderung darstellt.“<br />
Oberstabswachtmeister Herbert Egger<br />
FOTO S : B U N D E S H E E R / G U N T E R P U S C H<br />
M I L I T Ä R A K T U E L L
E N T G E L T L I C H E E I N S C H A L T U N G<br />
„1987 war ich zum ersten Mal<br />
im Auslandseinsatz. 2010 und<br />
2011 war ich dann mit meinem<br />
Sohn gemeinsam auf den<br />
Golanhöhen, und jetzt bin ich<br />
bei UNIFIL im Libanon.“<br />
Zugsführer Robert Hartl<br />
rausforderung darstellt. Vor allem<br />
mit Soldaten anderer Länder, die wenig<br />
bis kein Englisch sprechen, ergeben<br />
sich in der Zusammenarbeit immer<br />
wieder ganz amüsante Situationen,<br />
aber am Ende des Tages sind<br />
immer alle zufrieden, wenn sie ihre<br />
benötigten Materialien erhalten.“<br />
Österreich ist im Rahmen des UNIFIL-<br />
Einsatzes im Libanon für die Logistik<br />
und die Versorgung sämtlicher anderer<br />
Kontingente mit Betriebsmitteln<br />
verantwortlich.<br />
Seinen Teil zum Gelingen der Mission<br />
trägt auch Oberstabswachtmeister<br />
Herbert Egger als Kommandant der<br />
Baupioniergruppe bei. Er ist in dieser<br />
Funktion für die Materialkommissionierung<br />
im Management- und Material-Warehouse<br />
zuständig. Dazu gehört<br />
etwa die Ausgabe der Waren an<br />
UN-Soldaten und UN-Zivilisten, aber<br />
auch die Materialannahme und der<br />
Wareneingang. „Das ist ein sehr interessantes<br />
Aufgabengebiet, an dem<br />
mich vor allem die Zusammenarbeit<br />
mit den Soldaten der anderen Nationen<br />
und den Zivilisten interessiert“,<br />
sagt Herbert Egger. Der 49-Jährige<br />
war nach seinem Grundwehrdienst<br />
zehn Jahre als Zeitsoldat tätig und ist<br />
dann als „Milizionär beim Bundesheer<br />
hängen geblieben“, wie er sagt.<br />
„Aber im positiven Sinne!“<br />
Positiv sind auch für Zugsführer Robert<br />
Hartl die Erinnerungen, die er<br />
mit Auslandseinsätzen verbindet. Im<br />
Jahr 1987 war er am Golan erstmals<br />
Teil einer solchen Mission, 2010 und<br />
2011 war er dann wieder am Golan<br />
im Einsatz. „Gemeinsam mit meinem<br />
Sohn aus erster Ehe“, wie Robert<br />
Hartl anmerkt. Stolz ist der Berufskraftfahrer<br />
auch auf den Erhalt der<br />
UN-Friedensnadel Erinnerungsmedaille<br />
2012 und darauf, dass er bei<br />
UNIFIL Teil der internationalen Ehrenformation<br />
beim Besuch des libanesischen<br />
Präsidenten war.<br />
Damit sich die Soldaten im Ausland<br />
voll auf ihren Einsatz konzentrieren<br />
können, werden Familien und Angehörige<br />
während des Einsatzes vom<br />
Bundesheer betreut. So finden in den<br />
Bundesländern regelmäßig Familientage<br />
statt, und für dringende Fragen<br />
hat das Familienreferat eine eigene<br />
Service Line eingerichtet.<br />
INTERNATIONAL UNTERWEGS<br />
Aktuell befinden sich rund 1.100 österreichische<br />
Soldatinnen und Soldaten im Auslandseinsatz.<br />
Etwa im Libanon (Bild).<br />
ABLAUF, VORAUSSETZUNGEN & BEZAHLUNG<br />
Zu einem Auslandseinsatz können sich alle Frauen und Männer melden, die<br />
sich aktuell im Ausbildungsdienst oder Präsenz-, Miliz- oder Reservestand<br />
befinden sowie Zivilpersonen, die bei Bedarf in bestimmten Bereichen tätig<br />
sind (z. B. Gesundheitswesen, Technik). Um in den Freiwilligen-Pool aufgenommen<br />
zu werden, ist die Abgabe einer Freiwilligen Meldung KIOP-FORMEIN<br />
erforderlich. Bei Bedarf kommt es anschließend zu einem persönlichen Kontakt<br />
mit einem Mitarbeiter des Heerespersonalamts (Service Line 0810/810 161),<br />
bei dem die mögliche Verwendung besprochen und ein Termin für die zwei -<br />
tägige Eignungsüberprüfung festgelegt werden.<br />
Nachdem diese positiv absolviert wurde, ist vor der Entsendung nur mehr die<br />
sogenannte Einsatzvorbereitung zu absolvieren. Diese dauert mehrere Wochen<br />
und soll <strong>militär</strong>isches Wissen vermitteln, auffrischen und festigen und damit<br />
gezielt auf den bevorstehenden Einsatz vorbereiten. Als Gegenleistung werden<br />
die Soldaten im Einsatz mit zumindest 3.305,29 Euro netto (Rekrut) entlohnt,<br />
abhängig von der Mission und der Verwendung können diese Beträge auch<br />
deutlich höher bis hin zu 6.779 Euro netto (Oberst, Libanon) ausfallen.<br />
www.auslandseinsatz.bundesheer.at<br />
M I L I T Ä R A K T U E L L
0 4 4 H E E R &<br />
M<br />
E H R<br />
DAS BUNDESHEER IST DA,<br />
WENN ES BRENNT<br />
err Haider, welchen<br />
HBezug haben Sie zum<br />
Bundesheer?<br />
In der Öffentlichkeit<br />
kommt das Heer zwar<br />
oft nicht besonders gut<br />
weg, wenn es dann aber irgendwo<br />
brennt, eine Brücke einstürzt, eine<br />
Lawine zu Tal rollt oder es Hochwasser<br />
gibt, schreien trotzdem alle automatisch<br />
nach dem Bundesheer. Keiner<br />
fragt dann, wo die vielen helfenden<br />
Soldaten herkommen, welche enorme<br />
Logistik hinter so einem Einsatz steckt,<br />
wie das alles im Detail abläuft und was<br />
das kostet, Hauptsache es funktioniert<br />
und das tut es im Regelfall auch immer.<br />
Daher stehe ich auch auf das Bundesheer,<br />
obwohl ich Pazifist bin ...<br />
Sie sehen im Bundesheer also in erster<br />
Linie den Katastrophenhelfer?<br />
Auch, aber nicht nur. Wenn ich etwa<br />
an die Entwicklungen in der Ukraine<br />
denke, bin ich schon froh, dass wir eine<br />
Alfons Haider wird den Ball der Offiziere 2015<br />
moderieren. Wir haben mit dem Entertainer vorab<br />
über seinen Bezug zum Bundesheer, die Besonderheiten<br />
des Balls und den Wiener Kongress gesprochen.<br />
Interview: JÜRGEN ZACHARIAS<br />
Armee haben, die diese Bezeichnung<br />
auch verdient. Es ist unglaublich beruhigend<br />
zu wissen, dass da jemand ist,<br />
der die Grenzen sichert und jemandem,<br />
der komisch wird, im Ernstfall auf die<br />
Finger klopfen kann. Um aber auf die<br />
Eingangsfrage zurückzukommen:<br />
Einen konkreten Berühungspunkt mit<br />
dem Bundesheer hatte ich etwa im<br />
Frühjahr, als ich das Frühlingskonzert<br />
der Garde moderiert habe und dabei<br />
mehr als positiv überrascht wurde.<br />
Inwiefern?<br />
Das war eine tolle Veranstaltung mit<br />
einem sehr guten Orchester und zwei<br />
Dirigenten, die sich ordentlich hineingetigert<br />
haben. Zum Schluss war das<br />
schon ein Swingkonzert auf Stadthallen-Niveau<br />
und hatte mit klassischer<br />
Militärmusik nur noch entfernt zu<br />
tun. Zudem herrschte dort eine sensationelle<br />
Stimmung und es saßen dort<br />
– trotz aller Ränge und Abzeichen –<br />
am Ende nur noch gleichberechtigte<br />
Menschen, die sich an der Musik erfreuten.<br />
Wenn man das sieht, darf es<br />
dem Bundesheer gegenüber keine Berührungsängste<br />
geben, und das strahlt<br />
das Bundesheer für mich auch aus,<br />
das wird verstärkt kommuniziert und<br />
wird sich sicher auch am Ball zeigen.<br />
FOTO S : H B F, P E T R A R AU T E N ST R AU C H<br />
M I L I T Ä R A K T U E L L
Wie meinen Sie das konkret?<br />
Es herrscht meiner Wahrnehmung<br />
nach ein neuer Befehlston. Ohne geht<br />
es nicht, das ist im Theater nicht anders,<br />
da muss auch einer das Sagen<br />
haben. Aber beim Theater stehen keine<br />
Menschenleben auf dem Spiel, wie das<br />
im Ernstfall bei Streitkräften der Fall<br />
ist. Der Befehlston ist also noch da und<br />
scharf, aber um ein Eckhaus menschlicher,<br />
als man das von früher gewohnt<br />
ist oder wie es dem Bundesheer vielfach<br />
noch negativ ausgelegt wird.<br />
Kommen wir zum Ball der Offiziere.<br />
Was erwarten Sie sich dort?<br />
Ich war im Vorjahr schon als Gast<br />
dabei und muss sagen, das ist eine tolle<br />
Veranstaltung, mit einer ungeheuren<br />
Tradition. Denn Ball gibt es schon seit<br />
Kaiserzeiten, und 2015 fällt er auch<br />
noch mit 60 Jahren Bundesheer und<br />
200 Jahren Wiener Kongress zusammen.<br />
Und von dieser Tradition lebt der<br />
Ball auch. Durch die vielen verschiedenen<br />
Uniformen und die vielen Vertreter<br />
verschiedener Streitkräfte wirkt es<br />
dort fast so, als würde man sich in<br />
längst vergangenen Zeiten bewegen.<br />
Außerdem ist er für mich ein Zeichen<br />
I N T E R V I E W<br />
der Verbundenheit von Militärs<br />
verschiedener Länder und Kulturen.<br />
Wie wichtig ist dieser verbindende<br />
Charakter in Zeiten wie diesen?<br />
Östereich ist seit Jahrzehnten ein Ort,<br />
wo miteinander geredet wird, Leute<br />
sich auch zu brisanteren Themen treffen<br />
und sich austauschen. Das kann<br />
auch bei einer Veranstaltung wie dem<br />
Ball der Fall sein, wenn man miteinander<br />
redet, ins Gespräch kommt, einander<br />
in die Augen schaut und gewisse<br />
Dinge ausmachen kann. Es ist aus meiner<br />
Sicht sehr wichtig, dass auch Militärs<br />
solche Kontakte pflegen, denn diese<br />
persönlichen Verbindungen sind es<br />
meist, die Handschlagqualität genießen<br />
und dann auch halten. Wir leben auf<br />
einem Kontinent, auf dem es – mit<br />
Ausnahme des Jugoslawien-Krieges –<br />
seit Jahrzehnten keinen Krieg mehr gegeben<br />
hat, und so soll es auch bleiben.<br />
Auf was freuen Sie sich beim Ball<br />
am meisten?<br />
Ich habe mich im Vorjahr nicht<br />
getraut, die Frau Brigadier zum Tanz<br />
aufzufordern. Das möchte ich heuer<br />
gerne nachholen.<br />
JETZT AUCH<br />
AUF<br />
FACEBOOK<br />
DER BALL DER OFFIZIERE 2015<br />
Am 16. Jänner 2015 ist es wieder so weit: Die Vereinigung Alt-Neustadt als<br />
Absolventenvereinigung der Theresianischen Militärakademie lädt zum<br />
traditionellen Ball der Offiziere in die Wiener Hofburg. Karten können schon<br />
jetzt über die Homepage www.ballderoffiziere.at bestellt werden und auch<br />
Anmeldungen für das Eröffnungskomitee sind noch möglich: Interessierte<br />
(neben Fähnrichen der Theresianischen Militärakademie und Schülern<br />
des Militärrealgymnasiums in Wiener Neustadt dürfen auch Milizangehörige<br />
teilnehmen) können sich noch bis 15. Dezember unter der Telefonnummer<br />
01/715 05 70 oder via E-Mail an info@ballderoffiziere.at melden.<br />
Spannende<br />
Diskussionen<br />
rund um<br />
die Uhr!<br />
Gehen Sie noch heute<br />
online und drücken Sie<br />
auf Gefällt mir!<br />
www.facebook.com/<br />
militaeraktuell
EWIGE NARB<br />
0 4 6<br />
P<br />
A N O R A M A<br />
TRICHTER, BLINDGÄNGER<br />
UND<br />
Die US-Luftwaffe flog von 1964 bis 1973 mehr als eine halbe<br />
Million Angriffe auf Laos. 80 Millionen Sprengsätze sind bis heute<br />
nicht entschärft – die Blindgänger töten und verstümmeln<br />
noch immer Menschen. Zwei Überlebende berichten.<br />
Text & Fotos: TILL MAYER<br />
ie Grube wird Phet<br />
DLaktasabout nie vergessen.<br />
Mit Schaufeln<br />
haben die Dorfbewohner<br />
sie hastig ausgehoben.<br />
Knapp 25 Quadratmeter<br />
misst sie, keine zwei Meter<br />
tief. Darüber legen sie Baustämme,<br />
Bambus und Laub. Mehr können sie<br />
nicht tun. Das ist der größtmögliche<br />
Schutz, den sie haben. Vor dem Tod<br />
bewahrt hat die Grube trotzdem alle,<br />
die darin Zuflucht suchen. 20 Menschen,<br />
die sich bei jedem Angriff aneinanderkauern,<br />
wenn über das Dorf<br />
Oudomxay, die umliegenden Reisfelder<br />
und den Dschungel der Bombenregen<br />
niedergeht. Dann zischen Splitter, Steine<br />
und Erdklumpen wie Geschosse<br />
durch die Luft. „Manchmal mussten wir<br />
den ganzen Tag in die Grube. Bomben<br />
und Granaten schlugen fast ununterbrochen<br />
ein“, berichtet die 60-Jährige.<br />
In kurzen Sätzen erzählt sie vom Krieg.<br />
Wie sich die Kinder im Erdloch heiser<br />
weinen, draußen das Vieh schreit. Wie<br />
die Erde zittert und eine beklemmende<br />
Angst jedem die Kehle zuschnürt. Von<br />
den bangen Blicken Richtung Himmel,<br />
ob dort wieder Kondensstreifen von<br />
Bombern zu sehen sind. Die nächsten<br />
Angriffswellen kommen schnell, und<br />
mit ihnen die nächsten Explosionen, die<br />
nächsten Toten. Jahr für Jahr geht das<br />
so. Von 1964 bis 1973 fliegt die US Air<br />
Force mehr als eine halbe Million Angriffe<br />
auf Laos. Mehr als zwei Millionen<br />
Tonnen abgeworfener Bomben pflügen<br />
ganze Landstriche buchstäblich um.<br />
Laos ist, pro Kopf gemessen, das am<br />
stärksten von Bomben getroffene Land<br />
der Welt. Ihr Ziel, den Nachschub des<br />
Vietcongs von Nord nach Süd zu unterbinden,<br />
erreichten die Amerikaner<br />
dennoch nicht.<br />
FOTO (G R O SS ) : G E T T Y I M AG E S<br />
M I L I T Ä R A K T U E L L
R E P O R TA G E<br />
BEN<br />
Hätte damals eine der Bomben die Grube<br />
getroffen, wäre sie zum Massengrab<br />
geworden. „Was für ein Glück wir hatten“,<br />
sagt die alte Dame heute. Es sind<br />
tapfere Worte. Sie selbst ist nicht verschont<br />
geblieben. Mit drei Freundinnen<br />
bringt sie als 16-Jährige Essen zu einem<br />
nahen Stützpunkt der laotischen Armee.<br />
Phet Laktasabout sieht den Blindgänger<br />
nicht, der im Boden steckt. Die<br />
Explosion reißt ihr das linke Bein ab.<br />
Splitter verletzen zwei der Freundinnen<br />
schwer und zerfetzen den Körper der<br />
dritten. Phet Laktasabout hat ein warmes<br />
und gütiges Lächeln. „Das ist alles<br />
lange her. Aber der Krieg hat gefährliche<br />
Spuren hinterlassen“, seufzt sie.<br />
Die Narben, die der Krieg hinterlassen<br />
hat, sind überall zu sehen. Bomben -<br />
trichter um das Dorf erzählen von den<br />
Luftangriffen. In den Wäldern liegt eine<br />
tödliche Gefahr – geschätzte 80 Millionen<br />
Sprengsätze von Streubomben stecken<br />
noch in laotischem Boden. Die<br />
Menschen im Dorf nennen sie „Bombies“,<br />
eine bizarre Verniedlichung.<br />
„Bis zu hundert Opfer sind es immer<br />
noch jährlich, die Arme, Beine, Augenlicht<br />
oder ihr Leben verlieren“, sagt die<br />
alte Dame. Sie kennt die Zahlen gut.<br />
Denn aus dem einfachen Bauernmädchen,<br />
dem ein Blindgänger ein Bein<br />
wegriss, ist eine Kämpferin gegen Streubomben<br />
geworden. In Schulen warnt sie<br />
die Kinder davor, mit Blindgängern zu<br />
spielen. Versucht die Dorfbewohner<br />
davon abzuhalten, nach Bomben zu suchen,<br />
um den Kriegsschrott als Altmetall<br />
zu verkaufen. „Doch die Bauern sind<br />
oft bitterarm. Deswegen riskieren sie so<br />
viel“, erklärt sie. Selbst nach Europa reist<br />
sie im Auftrag der Organisation Handicap<br />
International. Als „Ban Advocate“,<br />
Vertreterin für ein Verbot also, diskutiert<br />
sie dort über die tödlichen Waffen.<br />
Endlich erhält sie dann für sich selbst<br />
eine richtige Prothese: im Jahr 2010. Zuvor<br />
musste ein Provisorium helfen. Ausgerechnet<br />
aus einem Aluminiumrohr<br />
eines Streubombenbehälters hatte man<br />
ihr einen Behelf zusammengebastelt.<br />
„Als ich nach der Explosion erwachte<br />
und sah, dass mir ein Bein fehlte, wollte<br />
ich sterben“, sagt sie. „Meine Familie<br />
und mein späterer Mann haben mir die<br />
Kraft zum Leben gegeben. Ich habe gelernt,<br />
keine Angst mehr zu haben, wenn<br />
ich ein Flugzeug am Himmel sehe. Ich<br />
habe ein erfülltes Leben. Aber die Wut<br />
wird bleiben. Wie kann man nur ein<br />
Land und seine Menschen so heimsuchen.<br />
Bis heute weigern sich die USA,<br />
Streubomben zu ächten.“<br />
Auch Phongsavath Manithong zählt zu<br />
den „Ban Advocates“ von Handicap International.<br />
Vor sechs Jahren reißt ihm<br />
die Explosion beide Hände ab und raubt<br />
ihm das Augenlicht. Der Teenager ist in<br />
seinem Heimatdorf auf dem Weg zur<br />
Schule, als ein Freund die merkwürdige<br />
Eisenkugel findet. Weil Phongsavath<br />
Manithong Geburtstag hat, drückt er sie<br />
OPFER DES KRIEGES Phet Laktasabout<br />
(oben rechts) riss eine Explosion<br />
während des Kriegs ein Bein ab.<br />
Heute kämpft die 60-Jährige für eine<br />
Ächtung von Streubomben. Phongsavath<br />
Manithong (unten) hat eine<br />
Streubomben-Explosion beide<br />
Hände und das Augenlicht gekostet.<br />
Der junge Mann ist ein passionierter<br />
Hip-Hop-Tänzer und Sänger.<br />
Überlebt! Somphet Sakounyor, 14,<br />
wurde durch die Explosion eines<br />
Blindgängers schwer verletzt. Mit<br />
zwei Freunden schnitt er Bambus<br />
nahe seines Dorfs Vanousone.<br />
Somphet überlebte als Einziger.<br />
M I L I T Ä R A K T U E L L
0 4 8 P A N O<br />
R<br />
A M A<br />
IM EINSATZ Im Bild oben bereiten zwei Bombenentschärfer die Sprengung eines Blindgängers<br />
vor. Unten ist einer ihrer Kollegen von Handicap International mit Gerät zu sehen:<br />
Teile vom dichten Urwald müssen abgeholzt und niedergebrannt werden, damit der Boden<br />
nach Blindgängern abgesucht werden kann. Hier soll später eine Schule gebaut werden.<br />
VIETNAMKRIEG TRIFFT AUCH LAOS<br />
Die Augen der Weltöffentlichkeit waren in den 1960er- und 1970er-Jahren<br />
auf Vietnam gerichtet. Die USA wollten in dem südostasiatischen Land den<br />
Kommunismus mit aller Härte in die Schranken weisen und verrannten<br />
sich dabei in einen uferlosen Kampf mit mehr als drei Millionen Toten, in<br />
den auch das Nachbarland Laos hineingezogen wurde. Grund dafür war<br />
nicht nur die geostrategisch wichtige Lage des Landes mit seiner langen<br />
Grenze zum kommunistischen China, sondern auch die Tatsache, dass<br />
mit dem Ho-Chi-Minh-Pfad die zentrale Versorgungsroute der Nordvietnamesen<br />
zum Teil durch laotisches Gebiet führte. Um den Nachschub des<br />
Feindes einzuschränken, setzte Washington auf zwei Karten: die von der<br />
CIA aufgebaute und finanzierte Hmong-Armee und massive Luftangriffe.<br />
Zwischen 1965 und 1973 wurden bei den Flächenbombardements rund<br />
2,1 Millionen Tonnen Bomben abgeworfen – mehr als während des<br />
Zweiten Weltkriegs auf Deutschland und Japan zusammen.<br />
ihm als Geschenk in die Hand. Die Wut<br />
von Phet Laktasabout hat er trotzdem<br />
nicht. Vielleicht liegt es daran, dass er<br />
den Krieg nicht miterlebt hat. Vielleicht<br />
einfach nur, dass er ein junger Mann ist,<br />
der von der großen Liebe träumt. Von<br />
einer Zukunft, die diesen Namen verdient.<br />
„Ich will die Menschen fröhlich<br />
machen“, sagt der 22-Jährige und erzählt<br />
von seinen Erfolgen als Hip-Hop-<br />
Tänzer, von einem Auftritt vor tausend<br />
Menschen, als er seine eigene Geschichte<br />
tanzt. „Ich konnte es am Applaus<br />
hören. Ich hatte das Publikum wirklich<br />
bewegt. Es war ein gutes Gefühl“, sagt<br />
er. Zurzeit arbeitet er an einer eigenen<br />
CD. „Please tell Me“ lautet sein persönlicher<br />
Hit. Kein Lied über die Schrecken<br />
von Bombenexplosionen, sondern ein<br />
Liebeslied. „Vielleicht hört ja eines Tages<br />
das richtige Mädchen zu“, meint der 22-<br />
Jährige. Doch vom Tanzen und Singen<br />
wird er nicht leben können. Da macht er<br />
sich keine Illusionen. „Am liebsten würde<br />
ich Wirtschaft studieren. Mein eigenes<br />
kleines Geschäft aufmachen“, sagt<br />
er. Es klingt nach einem fernen Traum.<br />
Jeder Quadratzentimeter wird abgesucht.<br />
Tamluang ist dem Heimatdorf<br />
von Phongsavath Manithong ähnlich.<br />
Hütten auf Stelzen reihen sich aneinander,<br />
eine staubige Straße zieht sich quer<br />
durch den Ort. Etwas abseits steht<br />
Khankham Senglasy, ihr läuft der<br />
Schweiß übers Gesicht. Sie gehört zu<br />
den Bombenentschärfern von Handicap<br />
International, die penibel Quadratzentimeter<br />
für Quadratzentimeter mit<br />
Detektoren absuchen. Eine Schule soll<br />
hier gebaut werden, und das Handicap-<br />
International-Team muss das Gelände<br />
sichern. Vom Himmel brennt unbarmherzig<br />
die Sonne. Nicht leicht, die volle<br />
Konzentration zu behalten. Es wird<br />
noch Wochen dauern, bis der Grund<br />
freigegeben werden kann. „Bis jetzt<br />
haben wir rund ein Drittel der Fläche<br />
untersucht, eine Granate gefunden und<br />
entschärft“, erklärt Einsatzleiter Keng<br />
Keo. Das mag auf den ersten Blick nach<br />
nicht viel klingen. Doch Phet Laktasabout<br />
und Phongsavath Manithong<br />
werden da sicherlich widersprechen.<br />
Weitere Informationen unter<br />
www.handicap-international.de<br />
M I L I T Ä R A K T U E L L
Kriege<br />
Museum<br />
gehören ins<br />
ab 29.06.2014<br />
Neueröffnung<br />
Der Erste Weltkrieg<br />
www.hgm.or.at<br />
www.bundesheer.at<br />
Schutz<br />
& Hilfe
0 5 0 s c h l u s s p u n k t<br />
UKRAINE-KRISE: DROHT<br />
EINE WEITERE ESKALATION?<br />
Trotz eines Waffenstillstandes kommt es in der Ostukraine immer wieder zu Gefechten<br />
und Artilleriebeschuss. Für Oberst Thomas Rapatz, Leiter der Führungsabteilung der Landesverteidigungsakademie<br />
und von 2005 bis 2010 österreichischer Militärattaché in der<br />
Ukraine, ist eine weitere Eskalation vor dem Winter aber trotzdem unwahrscheinlich. „Langfristig<br />
wird eine Befriedung ohne internationale Überwachung aber nicht machbar sein!“<br />
Die nach dem Zerfall der sowjetunion<br />
erlangte eigenstaatlichkeit<br />
und die seit der nato-osterweiterung<br />
und mit der Revolution in orange<br />
bis zum Volksaufstand in kiew fortgeführte<br />
transformation Richtung eu-europa<br />
hat die ukraine massiv gespalten. Dadurch<br />
entfaltete sich in den vergangenen<br />
Jahren eine eigendynamik, die durch partikulare<br />
interessen einiger mitteleuropäischer<br />
staaten noch befeuert wurde. Diese<br />
verfolgten das anliegen, sich mit einem<br />
Vorfeld an freundlichen, kooperationswilligen<br />
staaten im osten zu umgeben,<br />
sich quasi ein glacis gegen Russland<br />
zu schaffen. Bei diesem Vorgehen,<br />
das erstaunlicherweise die mögliche gegenwehr<br />
moskaus nicht miteinbezog<br />
oder diese als überwindbar ansah, fehlte<br />
aber die politische Folgenabschätzung.<br />
„Die partielle<br />
Schwächung eines<br />
Nachbarstaates<br />
nimmt Russland<br />
bewusst in Kauf.“<br />
Begonnen hat die, selbst von experten<br />
kaum für möglich gehaltene, eskalation<br />
in der ukraine vor einem Jahr in der<br />
hauptstadt kiew mit einem aufruf zur<br />
Demonstration, nachdem die ukrainische<br />
Regierung unter Viktor Janukowitsch den<br />
annäherungsprozess an die eu gestoppt<br />
und einen russlandfreundlichen kurs eingeschlagen<br />
hatte. Rasch eskalierte der<br />
protest und mit dem putschartigen sturz<br />
von Janukowitsch kam es ende Februar in<br />
kiew zum machtwechsel. Der eu-freundliche<br />
petro poroschenko kam ans Ruder.<br />
in der Folge wurde die halbinsel krim<br />
von Russland annektiert und im osten<br />
der ukraine wurden grenzen mit Waffengewalt<br />
neu gezogen. nach gesprächen<br />
zwischen den konfliktparteien anfang<br />
september in minsk gilt nun offiziell ein<br />
Waffenstillstand, den die osZe – auch<br />
mit Beteiligung Österreichs – derzeit mit<br />
zwei missionen überwachen soll. trotzdem<br />
finden aber in der ostukraine nach<br />
wie vor örtlich begrenzte gefechte statt,<br />
immer wieder kommt es auch zu artilleriebeschuss.<br />
schätzungen zufolge sind<br />
seit inkrafttreten der Waffenruhe mehr als<br />
300 menschen bei kampfhandlungen<br />
getötet worden – ein ende ist nicht absehbar:<br />
Bei den separationskräften erfolgt<br />
eine laufende Zuführung von Waffen,<br />
munition und <strong>militär</strong>ischem gerät<br />
über die grenze aus Russland und auch<br />
die ukrainischen kräfte der „anti terror<br />
operation“ werden derzeit verstärkt,<br />
umgruppiert und die stützpunktartigen<br />
stellungen an den kontrollpunkten werden<br />
massiv zur Verteidigung ausgebaut.<br />
obwohl starke truppenkonzentrationen<br />
auf russischer seite durch die nato<br />
gemeldet werden, kann angenommen<br />
werden, dass die lage vor dem Winter<br />
nicht weiter eskalieren wird. subversive<br />
anschläge auch außerhalb der von den<br />
separatisten besetzten gebiete werden<br />
aber vermutlich zunehmen, um die ukraine<br />
weiter zu destabilisieren. so ergeben<br />
jüngste <strong>militär</strong>ische aktivitäten Russlands<br />
ein Bild, dass trotz verhängter Wirtschaftssanktionen<br />
und Reisebeschränkungen<br />
durch den Westen die kremlführung<br />
eher unbeeindruckt bleibt und gewillt<br />
ist, weiter am eingeschlagenen kurs<br />
festzuhalten. Die partielle schwächung<br />
eines nachbarstaates wird dabei<br />
bewusst in kauf genommen.<br />
in der ostukraine ist daher die einhaltung<br />
der Waffenstillstandsvereinbarungen verbunden<br />
mit der einstellung aller kampfhandlungen<br />
unerlässlich, um Verhandlungslösungen<br />
unter einbeziehung aller<br />
konfliktparteien möglich zu machen.<br />
ohne internationale Überwachung durch<br />
die osZe und diplomatisches krisenmanagement<br />
sowie internationale unterstützung<br />
der ukraine, wird langfristig<br />
eine Befriedung nicht machbar sein.<br />
Denn neben der Zukunft der ukraine<br />
geht es auch um die tauglichkeit internationaler<br />
Verträge. aber auch um das Verhältnis<br />
zwischen moskau und der eu,<br />
um die internationale position und Bedeutung<br />
Russlands, um die europäische<br />
integrations- und energiepolitik und<br />
nicht zuletzt um die strategische<br />
ausrichtung der nato.<br />
Foto s : g e t t y i m ag e s<br />
M I L I T Ä R A K T U E L L
0 5 1 P A n O r A M A<br />
DASHIGHT<br />
Mit dem COLPRO-Zeltsystem<br />
hat das Bundesheer<br />
ein modernes, mobiles<br />
Unterkunftssystem angeschafft,<br />
das den Soldaten<br />
sogar ABC-Schutz bietet.<br />
Text: HANS SCHNEEWEISS<br />
Die alten Drash-Zelte des Bundesheeres<br />
sind in die Jahre gekommen.<br />
Da sie den darin untergebrachten<br />
Soldaten auch nur bedingt<br />
Schutz bieten, hat das Bundesheer<br />
heuer mit dem COLPRO<br />
(collective protection)-Zeltsystem<br />
des deutschen Herstellers Schall<br />
ein neues System angeschafft.<br />
Diese modernen, hochmobilen<br />
und luftgestützten Zelte sind unter<br />
allen Klimabedingungen<br />
I L LU St r At I O n E n : C L AU D I A M O L I tO r I S<br />
TRANSPORT<br />
Das Modul besteht<br />
aus mehr als 2.600<br />
Einzelteilen, die in<br />
zwei Containern<br />
(20-Fuß-ISO-Container)<br />
Platz finden.<br />
Diese können einfach<br />
mit Lkw transportiert<br />
werden.<br />
VERSIONEN<br />
Das COLPRO-Zeltsystem kann in mehreren Varianten<br />
aufgebaut werden: Als Kreuzzeltmodul dient es<br />
etwa als Unterkunft für bis zu 32 Soldaten. Wird<br />
das Zelt als Gefechtsstand genutzt, wird es in<br />
Kreuzform errichtet und die Mitte bildet ein<br />
Container mit Stromaggregat (siehe Bild rechts).<br />
HÜLLE<br />
Unterschiedlichste Materialschichten<br />
(unter anderem ein<br />
imprägnierter Baumwollstoff<br />
und spezielle Kunststofffolien)<br />
wirken im Hüllenverbund.<br />
Dieser ist gegen alle bekannten<br />
<strong>militär</strong>ischen und zivilen Gase<br />
sowie Flüssigkeiten beständig.<br />
FILTRATIONSANLAGE<br />
Kontaminierte Luft wird durch die<br />
ABC-Filtrationsanlagen angesaugt,<br />
gefiltert, dekontaminiert und unter<br />
Druck in die Zelte geleitet. Im Zeltinneren<br />
entsteht dadurch ein Überdruck<br />
von 200 Pascal (= 0,002 Bar).<br />
Der Überdruck verhindert, dass<br />
kontaminierte Luft in den Innenraum<br />
gelangen kann. Zu diesem Zweck ist<br />
jedes einzelne Zelt auch mit einer gasdichten<br />
Innenhülle ausgestattet. Das<br />
Betreten des Zeltes erfolgt durch eine<br />
Luftschleuse (Airlock).<br />
PODEST<br />
Das Zeltsystem wird auf einem 50 Zentimeter<br />
hohen Podest aufgebaut. Dies ermöglicht<br />
die Errichtung unabhängig von<br />
Bodenbeschaffenheit und Witterung.<br />
M I L I T Ä R A K T U E L L
I N F O G R A F I K<br />
TECH-ZELT<br />
(Temperaturbereich von minus 32<br />
bis plus 49 Grad) einsetzbar, besitzen<br />
ABC-Schutz, Klima- und<br />
Heizanlage und bieten bis zu 32<br />
Soldaten Platz. Bereits Ende Fe -<br />
bruar dieses Jahres begann der<br />
Probebetrieb des Systems, in dessen<br />
Rahmen erste Erfahrungswerte<br />
– beispielsweise zur Dauer des<br />
Aufbaus – gesammelt werden<br />
konnten. In weiterer Folge werden<br />
die Zelte sowohl bei Auslandseinsätzen<br />
als auch bei Hilfseinsätzen<br />
im Inland Verwendung finden.<br />
Insgesamt ist die Anschaffung<br />
von 25 Unterkunfts- und sechs<br />
Gefechtsstandmodulen geplant.<br />
MOMENTAUFNAHME<br />
Die Illustration zeigt das Zeltsystem<br />
im Aufbau. Die Luftschleuse vorne<br />
links fehlt noch, die Rampe ist in<br />
dem Fall nur behelfsmäßig montiert.<br />
INTERVIEW<br />
„Airlock-Luftschleusen<br />
hatte kein vorher<br />
verwendetes System“<br />
Hauptmann Armin Wagner, Pionierbataillon 2<br />
Welche Vorteile bringt<br />
das neue System?<br />
Zum Ersten einmal den<br />
ABC-Schutz. Das COLPRO<br />
besitzt Airlock-Luft-<br />
Schleusen, die hatte kein<br />
vorher verwendetes System. Mit dem<br />
Podest als Unterbau ist das Zelt vom Boden<br />
weg. Dadurch ist es vor Hochwasser<br />
geschützt, Kleingetier kann keines mehr<br />
hinein und Unebenheiten des Bodens<br />
können somit ausgeglichen werden.<br />
Außerdem ist es komplett klimatisierbar.<br />
FOTO : B u n D e S H e e R<br />
AUFBAU<br />
Für den Aufbau sind 10 Mann und 10 Stunden<br />
Arbeitszeit notwendig. Zuerst wird<br />
das Podest errichtet. Darauf wird dann die<br />
Zeltplane ausgerollt, diese mittels Gebläseeinheit<br />
aufgerichtet und mit Alustreben<br />
eingerüstet. Danach werden die ABC-<br />
Schutz-, die Klima- oder Heizanlagen<br />
in Betrieb genommen.<br />
LUFTWÜLSTE<br />
Das für die Aufrichtung verwendete<br />
sogenannte Luftwülste-Gerüst verleiht<br />
dem Zeltsystem in Kombination mit<br />
Alustreben Stabilität. Zieht sich die<br />
Luft darin bei kälteren Temperaturen<br />
zusammen, wird automatisch nachgepumpt.<br />
Dehnt sich die Luft bei Sonneneinstrahlung<br />
aus, wird der Überschuss<br />
automatisch über Ventile abgelassen.<br />
FACTBOX<br />
ABC-Zeltsystem COLPRO<br />
Hersteller M. Schall GmbH & Co. KG (D)<br />
Kosten etwa 750.000 Euro pro Gesamtpaket<br />
(beinhaltet u. a. Zelte, Filtrationsanlagen,<br />
Transportcontainer & Klimaanlagen)<br />
Aufbaufläche ca. 27 x 35 Meter<br />
Temperaturbereich -32 °C bis zu +49 °C<br />
Aufbauzeit 10 Stunden (10 Mann)<br />
Unterkunft bis zu 32 Personen<br />
Stationierung Pionierbataillone in Melk,<br />
Salzburg und Villach<br />
Wo kamen die neuen Zelte zuletzt<br />
zum Einsatz?<br />
Die Beschaffung ist gerade einmal abgeschlossen.<br />
Zum Einsatz kam es bisher<br />
nur bei Aufbauten im Rahmen der<br />
Ausbildung, um Erfahrungen zu sammeln.<br />
Künftig wird es bei Elementar -<br />
ereignissen im Inland und Ausland<br />
Verwendung finden, wie bei der European<br />
Battlegroup 2016/2. Dort wird<br />
Österreich wieder die logistische Führungsrolle<br />
übernehmen.<br />
Wie funktioniert die Aufstellung?<br />
Bisherige Aufbauten haben gezeigt,<br />
dass dafür zehn Mann, also neun Pioniere<br />
und ein Kommandant, optimal<br />
sind. Ist das Podest errichtet und die<br />
Zeltplanen ausgelegt, dauert das Aufblasen<br />
mit dem Gebläse nur acht Minuten.<br />
Dann bekommt das Zelt außen<br />
ein Alugerüst, das hält dann Windgeschwindigkeiten<br />
bis zu 120 km/h und<br />
Schneelasten von 80 kg/m 2 aus.<br />
M I L I T Ä R A K T U E L L
I N F O G R A F I K<br />
TECH-ZELT<br />
(Temperaturbereich von minus 32<br />
bis plus 49 Grad) einsetzbar, besitzen<br />
ABC-Schutz, Klima- und<br />
Heizanlage und bieten bis zu 32<br />
Soldaten Platz. Bereits Ende Fe -<br />
bruar dieses Jahres begann der<br />
Probebetrieb des Systems, in dessen<br />
Rahmen erste Erfahrungswerte<br />
– beispielsweise zur Dauer des<br />
Aufbaus – gesammelt werden<br />
konnten. In weiterer Folge werden<br />
die Zelte sowohl bei Auslandseinsätzen<br />
als auch bei Hilfseinsätzen<br />
im Inland Verwendung finden.<br />
Insgesamt ist die Anschaffung<br />
von 25 Unterkunfts- und sechs<br />
Gefechtsstandmodulen geplant.<br />
MOMENTAUFNAHME<br />
Die Illustration zeigt das Zeltsystem<br />
im Aufbau. Die Luftschleuse vorne<br />
links fehlt noch, die Rampe ist in<br />
dem Fall nur behelfsmäßig montiert.<br />
INTERVIEW<br />
„Airlock-Luftschleusen<br />
hatte kein vorher<br />
verwendetes System“<br />
Hauptmann Armin Wagner, Pionierbataillon 2<br />
Welche Vorteile bringt<br />
das neue System?<br />
Zum Ersten einmal den<br />
ABC-Schutz. Das COLPRO<br />
besitzt Airlock-Luft-<br />
Schleusen, die hatte kein<br />
vorher verwendetes System. Mit dem<br />
Podest als Unterbau ist das Zelt vom Boden<br />
weg. Dadurch ist es vor Hochwasser<br />
geschützt, Kleingetier kann keines mehr<br />
hinein und Unebenheiten des Bodens<br />
können somit ausgeglichen werden.<br />
Außerdem ist es komplett klimatisierbar.<br />
FOTO : B u n D e S H e e R<br />
AUFBAU<br />
Für den Aufbau sind 10 Mann und 10 Stunden<br />
Arbeitszeit notwendig. Zuerst wird<br />
das Podest errichtet. Darauf wird dann die<br />
Zeltplane ausgerollt, diese mittels Gebläseeinheit<br />
aufgerichtet und mit Alustreben<br />
eingerüstet. Danach werden die ABC-<br />
Schutz-, die Klima- oder Heizanlagen<br />
in Betrieb genommen.<br />
LUFTWÜLSTE<br />
Das für die Aufrichtung verwendete<br />
sogenannte Luftwülste-Gerüst verleiht<br />
dem Zeltsystem in Kombination mit<br />
Alustreben Stabilität. Zieht sich die<br />
Luft darin bei kälteren Temperaturen<br />
zusammen, wird automatisch nachgepumpt.<br />
Dehnt sich die Luft bei Sonneneinstrahlung<br />
aus, wird der Überschuss<br />
automatisch über Ventile abgelassen.<br />
FACTBOX<br />
ABC-Zeltsystem COLPRO<br />
Hersteller M. Schall GmbH & Co. KG (D)<br />
Kosten etwa 750.000 Euro pro Gesamtpaket<br />
(beinhaltet u. a. Zelte, Filtrationsanlagen,<br />
Transportcontainer & Klimaanlagen)<br />
Aufbaufläche ca. 27 x 35 Meter<br />
Temperaturbereich -32 °C bis zu +49 °C<br />
Aufbauzeit 10 Stunden (10 Mann)<br />
Unterkunft bis zu 32 Personen<br />
Stationierung Pionierbataillone in Melk,<br />
Salzburg und Villach<br />
Wo kamen die neuen Zelte zuletzt<br />
zum Einsatz?<br />
Die Beschaffung ist gerade einmal abgeschlossen.<br />
Zum Einsatz kam es bisher<br />
nur bei Aufbauten im Rahmen der<br />
Ausbildung, um Erfahrungen zu sammeln.<br />
Künftig wird es bei Elementar -<br />
ereignissen im Inland und Ausland<br />
Verwendung finden, wie bei der European<br />
Battlegroup 2016/2. Dort wird<br />
Österreich wieder die logistische Führungsrolle<br />
übernehmen.<br />
Wie funktioniert die Aufstellung?<br />
Bisherige Aufbauten haben gezeigt,<br />
dass dafür zehn Mann, also neun Pioniere<br />
und ein Kommandant, optimal<br />
sind. Ist das Podest errichtet und die<br />
Zeltplanen ausgelegt, dauert das Aufblasen<br />
mit dem Gebläse nur acht Minuten.<br />
Dann bekommt das Zelt außen<br />
ein Alugerüst, das hält dann Windgeschwindigkeiten<br />
bis zu 120 km/h und<br />
Schneelasten von 80 kg/m 2 aus.<br />
M I L I T Ä R A K T U E L L
SAFE. SIMPLE. FAST.<br />
GLOCK 17 Gen4 Pistols<br />
www.glock.com