11.12.2014 Aufrufe

militär AKTUELL

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

WELTGESCHEHEN<br />

Aktuelle Konflikte,<br />

Krisen und<br />

Analysen — S. 8<br />

EUROFIGHTER-NEWS<br />

Neues Radar, neue<br />

Bewaffnung & neue<br />

Absatzmärkte — S. 22<br />

<strong>militär</strong><br />

HEERES-REPORT<br />

Zu Besuch am<br />

Truppenübungsplatz<br />

Allentsteig — S. 36<br />

DAS NEUE<br />

ÖSTERREICHISCHE<br />

MILITÄRMAGAZIN<br />

AUSGABE 4|14<br />

EURO 3,80<br />

<strong>AKTUELL</strong><br />

GENERALSTABSCHEF OTHMAR COMMENDA:<br />

„Aus derzeitiger Sicht sind<br />

weitere Einsparungen nicht<br />

auszuschließen!“ — S. 28<br />

MILITÄR-MANÖVER WIE IM KALTEN KRIEG<br />

Im Konflikt mit dem Westen<br />

demonstriert Wladimir<br />

Putin global Stärke. Der<br />

russische Staatschef beordert<br />

Kriegsschiffe vor die Küste<br />

Australiens, schickt Bomber vor<br />

die US-Westküste und ordnet<br />

umfangreiche Raketentests an.<br />

Russland<br />

lässt seine<br />

Muskeln spielen


Foto: Bundesheer/Harald Minich<br />

Unser<br />

Heer<br />

schützt<br />

und hilft!<br />

Von der <strong>militär</strong>ischen Landesverteidigung und<br />

dem Schutz unserer Infrastruktur über die<br />

Hilfe bei Katastrophen bis zum humanitären<br />

Engagement im Ausland – unser Heer<br />

sorgt für Ihre Sicherheit.<br />

www.facebook.com/bundesheer


E D I T O R I A L<br />

0 0 3<br />

LIEBE LESERIN, LIEBER LESER<br />

S<br />

ie brauchen gar nichts zu sagen: Sie haben<br />

recht! Wir betreten herausforderndes Terrain.<br />

Es gehört in Österreich nicht gerade<br />

zu den einfachsten Dingen, als Fachmedium<br />

am Markt erfolgreich durchzustarten.<br />

Mehr noch, wenn man sich auf die – so<br />

ehrlich muss man sein – durchaus überschaubare Zielgruppe<br />

der <strong>militär</strong>isch Interessierten spezialisiert, auf<br />

Qualität statt Quantität setzt, objektiv und unabhängig<br />

berichtet und über ein kurzes Strohfeuer hinaus auch<br />

nachhaltig Erfolg haben möchte. Wir wollen es trotzdem<br />

versuchen und uns mit Militär Aktuell einen fixen Platz<br />

am heimischen Magazin-Parkett erarbeiten und Sie<br />

von unseren Qualitäten überzeugen.“<br />

Mit dieser ambitionierten Ansage haben wir im Juni<br />

2012 unsere Debütausgabe eröffnet. Zweieinhalb Jahre<br />

und neun Druckabgaben später dürfen wir mit unserer<br />

nunmehr vorliegenden zehnten Ausgabe – bei aller<br />

Bescheidenheit – eine durchaus erfreuliche Zwischenbilanz<br />

ziehen. Zwar haben wir uns gleich am Cover<br />

unserer ersten Ausgabe mit der Bezeichnung „Gruppenübungsplatz“<br />

statt „Truppenübungsplatz“ im Friendly<br />

Fire versucht, in der Folge ist aber nahezu alles, was wir<br />

uns vorgenommen hatten, aufgegangen. Es ist nicht nur<br />

gelungen, den gewünschten „fixen Platz am heimischen<br />

Magazin-Parkett zu erarbeiten“, sondern dort auch<br />

„über ein kurzes Strohfeuer hinaus nachhaltig Erfolg“<br />

zu haben. Heute dürfen wir uns über eine stetig steigende<br />

Zahl von treuen Abonnenten und gut laufende Einzelhandelsverkäufe<br />

freuen. Über viel motivierendes<br />

Feedback aus Bundesheer, Gesellschaft, In- und Ausland.<br />

Und über einen gut aufgestellten zweiten Eckpfeiler:<br />

Im Sommer haben wir einen eigenen Facebook-Kanal<br />

ins Leben gerufen, auf dem wir mittlerweile knapp<br />

5.500 Fans täglich mit spannenden Neuigkeiten, Hintergrundberichten,<br />

Videos und Fotos aus der Welt der<br />

Militärs versorgen.<br />

Dazu gehören natürlich auch Auszüge aus unserem<br />

aktuellen Heft, und so werden Sie auf Facebook in<br />

wenigen Tagen auch Links zu unserer Reportage vom<br />

Truppenübungsplatz (diesmal richtig geschrieben –<br />

Fehler sind dazu da, um daraus zu lernen!) Allentsteig<br />

(ab Seite 36) finden oder einen Bericht unseres Besuchs<br />

bei der Militärstreife & Militärpolizei (ab Seite 30).<br />

Auf den folgenden Seiten haben wir zudem die aktuelle<br />

Sicherheitslage in Afghanistan analysiert (ab Seite 10),<br />

Russlands geopolitisches Machtverständnis grafisch<br />

aufgearbeitet (ab Seite 16), eine Diskussion darüber<br />

angeregt, wie ethisch der Einsatz von Kampfdrohnen<br />

ist (ab Seite 20) und einen Blick auf das neue Radar und<br />

die neuen Bewaffnungsmöglichkeiten des Eurofighters<br />

(ab Seite 22) geworfen.<br />

Viel Spaß beim Lesen wünscht die Redaktion<br />

COV E R FOTO : G E T T Y I M AG E S , FOTO S : S E B AST I A N F R E I L E R , P E T R A R AU T E N ST R AU C H<br />

Ball der Offiziere<br />

Nachdem wir uns im vergangenen Jänner<br />

zum ersten Mal beim Ball der Offiziere auf das<br />

Tanzparkett gewagt haben, lassen wir uns natürlich<br />

auch beim Ball am 16. Jänner 2015 nicht<br />

zweimal bitten. Wir werden wieder mit einem<br />

eigenen Team Fotos und Videos produzieren<br />

und über www.facebook.com/ballderoffiziere<br />

und neu auch über unsere Facebook-Seite<br />

www.facebook.com/militaeraktuell direkt<br />

vom Ballabend berichten.<br />

Johannes Luxner & Sebastian Freiler<br />

Sie gehören seit der ersten Stunde zum Team<br />

von Militär Aktuell – so viel Action wie bei<br />

ihrem Besuch bei der Militärstreife & Militärpolizei<br />

(nachzulesen ab Seite 30) wurde ihnen<br />

aber noch nie geboten: Redakteur Johannes<br />

Luxner und Fotograf Sebastian Freiler durften<br />

an der Seite des Spezialverbands nicht nur<br />

CSI-Welt schnuppern, sondern auch hautnah<br />

einen Personenzugriff beobachten und aktiv<br />

an einer Personenschutz-Übung mitwirken.<br />

impreSSum<br />

medieninhaber und Herausgeber:<br />

QMM Quality Multi Media GmbH,<br />

Beatrixgasse 32, A-1030 Wien<br />

FN 349501 y, UID:ATU65891526,<br />

Chefredaktion: Jürgen Zacharias,<br />

j.zacharias@qmm.at<br />

Director Sales & marketing:<br />

Georg Geyer, g.geyer@qmm.at<br />

artdirektion: Gottfried Halmschlager<br />

textchef: Jakob Hübner<br />

Fotoredaktion: Nati Senegacnik<br />

redaktion, Beirat und textbeiträge:<br />

Stefan Drachsler, Walter Feichtinger,<br />

Peter Forster, Markus Gauster,<br />

Johannes Luxner, Georg Mader,<br />

Till Mayer, Thomas Rapatz, Thomas<br />

Roithner, Hans Schneeweiß<br />

Hersteller: PrintandSmile<br />

redaktionskontakt:<br />

Brigitte Janko, b.janko@qmm.at,<br />

Tel. 01/342 242-0, Mariahilfer Str. 51,<br />

5. Stiege, A-1060 Wien, Österreich<br />

Geschäftsführung: Günther Havranek,<br />

Andreas Dressler, a.dressler@qmm.at<br />

www.qmm.at<br />

m i L i t ä r a k t u e L L


0 0 4 I N H A L T<br />

INHALT<br />

030<br />

Sonderermittler,<br />

Personenschützer<br />

und Ordnungsdienst<br />

in einem:<br />

Die Aufgaben des<br />

Kommandos Militärstreife<br />

und Militärpolizei<br />

sind vielfältig.<br />

040<br />

Von<br />

Schwarz über Weiß bis zu Braun und Grün:<br />

Abhängig von den Bedingungen passen sich die<br />

Soldaten des Bundesheeres mit Schminkfarben<br />

und natürlichen Tarnmitteln ihrer Umgebung an.<br />

003 EDITORIAL, IMPRESSUM<br />

006 MOMENTUM<br />

Isrealische Soldatinnen bei<br />

der Panzer-Instandsetzung.<br />

008 WELTGESCHEHEN<br />

Aktuelle Kurzmeldungen<br />

aus aller Welt.<br />

010 NEUES VOM HINDUKUSCH<br />

Der neue Präsident Ashraf<br />

Ghani nährt die Hoffnungen<br />

auf dauerhaften Frieden in<br />

Afghanistan.<br />

014 RUSSISCHE LUFTMANÖVER<br />

Moskau stellt mit Kampfjets und<br />

Bombern die Reaktionszeit des<br />

Westens auf die Probe.<br />

016 AUF EINEN BLICK<br />

Russland demonstriert weltweit<br />

<strong>militär</strong>isches Selbstbewusstsein.<br />

018 PRO & CONTRA<br />

Soll der Westen mehr Härte<br />

gegenüber Wladimir Putins<br />

Russland zeigen?<br />

019 RÜSTUNGSNEWS<br />

Neuheiten aus der Welt der<br />

Rüstungs- und Sicherheitstechnik.<br />

020 KONTROVERSE<br />

Wir haben Experten gefragt: Ist<br />

der Einsatz von Kampfdrohnen<br />

ethisch vertretbar?<br />

022 FIT FÜR DIE ZUKUNFT<br />

Der Eurofighter bekommt ein<br />

neues Hightech-Radar und neue<br />

Bewaffnungsmöglichkeiten.<br />

026 NEUES AUS DEM HEER<br />

Aktuelle Kurzmeldungen aus<br />

dem Bundesheer.<br />

028 INTERVIEW<br />

Generalstabschef Othmar<br />

Commenda über die Budgetsituation<br />

des Bundesheeres<br />

und die Fortschritte bei der<br />

Wehrdienstreform.<br />

030 TRUPPENBESUCH<br />

Vielseitiger Spezialverband:<br />

das Kommando Militärstreife &<br />

Militärpolizei des Bundesheeres.<br />

034 BEIM HEERESPERSONALAMT<br />

Ein Tag mit Wehrdienstberater<br />

Hermann Dunkler von der<br />

Rekrutierungsgruppe Wien.<br />

FOTO S : S E B AST I A N F R E I L E R , N A D J A M E I ST E R , H B F/ H A R A L D M I N I C H , N ATO, I L LU ST R AT I O N : C L AU D I A M O L I TO R I S<br />

M I L I T Ä R A K T U E L L


036 ALLENTSTEIG IM FOKUS<br />

Ein Blick hinter die Kulissen<br />

von Österreichs größtem<br />

Truppenübungsplatz.<br />

040 GUT GETARNT<br />

Soldaten der Benedek-Kaserne<br />

zeigen uns unterschiedliche<br />

Tarnmöglichkeiten.<br />

044 INTERVIEW<br />

Alfons Haider moderiert den<br />

nächsten Ball der Offiziere. Wir<br />

haben mit dem Entertainer vorab<br />

über den Event und seinen Bezug<br />

zum Bundesheer gesprochen.<br />

046 VERGESSENES LAOS<br />

Von der Weltöffentlichkeit<br />

weitgehend unbemerkt überzog<br />

die US-Luftwaffe während des<br />

Vietnam-Krieges auch Laos mit<br />

Bomben. Viele Blindgänger sind<br />

immer noch nicht entschärft.<br />

050 SCHLUSSPUNKT<br />

Knapp ein Jahr nach Beginn des<br />

Ukraine-Konflikts ist die Zukunft<br />

des Landes weiter unklar.<br />

051 INFOGRAFIK<br />

Die Leistungsmerkmale der<br />

neuen COLPRO-Zeltsysteme<br />

des Bundesheeres.<br />

051<br />

I N D I E S E M H E F T<br />

Modernes Zeltsystem: Das neue COLPRO bietet ABC-Schutz, ist modular<br />

aufgebaut und bei Temperaturen von minus 32 bis plus 49 Grad einsetzbar.<br />

„Ich blicke der Zukunft des<br />

Bundesheeres mit großer<br />

Besorgnis entgegen!“<br />

Generalstabschef Othmar Commenda<br />

im Gespräch mit Militär Aktuell.<br />

028<br />

014<br />

Liebesgrüße<br />

aus Moskau: Wie zu Zeiten des Kalten Krieges<br />

tauchen immer öfter russische Kampfjets über Nordeuropa, über<br />

dem Schwarzen Meer und sogar vor der Westküste der USA auf.<br />

036<br />

Profi Arbeit: Gemeinsam mit Kameraden stellt<br />

Kampfmittelbeseitiger Dietmar Kargl die „störungsfreie<br />

Beübbarkeit“ des 157 Quadratkilometer<br />

großen Truppenübungsplatzes Allentsteig sicher.<br />

M I L I T ä R A K T U E L L


0 0 6 P A N O R A M A<br />

Frauen in Uniform<br />

Israel ist eines der wenigen<br />

Länder der Welt, in dem<br />

Frauen Wehrdienst leisten<br />

müssen und somit fixer Bestandteil<br />

des <strong>militär</strong>ischen<br />

Alltags sind. Der deutsche<br />

Fotograf Simon Akstinat hat<br />

dies zum Anlass genommen<br />

und porträtiert in seinem Bildband<br />

Jewish Girls in Uniform<br />

israelische Soldatinnen in<br />

Kasernen in der Negev-Wüste,<br />

auf dem Golan, in der Altstadt<br />

von Jerusalem oder wie hier<br />

bei der Panzer-Instandsetzung<br />

in Shizafon. Und dabei stößt er<br />

auch auf so manch interessante<br />

Geschichte wie die der US-<br />

Amerikanerin Sarah, die sich<br />

nach ihrem Studium freiwillig<br />

zur israelischen Armee meldete<br />

und dort heute Scharfschützen-Ausbildnerin<br />

ist.<br />

Jewish Girls in Uniform,<br />

Hentrich & Hentrich, 2014.<br />

M I L I T Ä R A K T U E L L


M O M E N T U M<br />

FOTO : S I M O N A KST I N AT/ H E N T R I C H & H E N T R I C H V E R L AG<br />

M I L I T Ä R A K T U E L L


0 0 8 W E L T & S T R A T E G I E<br />

UKRAINE:<br />

KEINE ANGST VOR<br />

KRIEG!<br />

„Wir haben uns auf das Szenario eines totalen<br />

Krieges vorbereitet.“ Der ukrainische Präsident<br />

Petro Poroschenko beteuerte zuletzt zwar, dass<br />

er sich unbedingt eine friedliche Lösung des<br />

Konflikts um die Ostukraine wünsche (im Bild ein<br />

freiwilliger Kämpfer des sogenannten „Rechten<br />

Sektors“ ), sollten die Gespräche scheitern, will<br />

der ukrainische Staatschef aber auch für den<br />

Ernstfall eines Krieges vorbereitet sein. „Es ist<br />

zwar eine der größten Armeen der Welt, die uns<br />

und ganz Europa bedroht“, sagte Poroschenko,<br />

„Angst vor einem Krieg haben wir aber nicht!<br />

Die Armee ist nun in einem besseren Zustand<br />

als noch vor fünf Monaten, außerdem hat die<br />

Ukraine Unterstützung aus der ganzen Welt.“<br />

IM FOKUS<br />

STREITKRÄFTE<br />

ESTLANDS<br />

IM ÜBERBLICK<br />

5.750<br />

Soldaten<br />

0<br />

Kampfpanzer<br />

0<br />

Kampfflugzeuge<br />

ESTLAND<br />

Vor Beginn des NATO-Gipfels im September stattete US-Präsident<br />

Barack Obama dem kleinen Estland einen Besuch ab.<br />

Damit wollte er einerseits dem mächtigen Nachbarn Russland<br />

signalisieren, dass die USA hinter dem baltischen Land stehen,<br />

andererseits aber auch die besondere Rolle Estlands hervorstreichen:<br />

Als eines von nur vier Ländern ingesamt erfüllt das<br />

NATO-Mitgliedsland nämlich das Ziel der Allianz, zumindest<br />

zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts fürs Militär auszugeben. Das ist in Anbetracht der Größe und Wirtschaftsleistung<br />

Estlands nicht viel, reicht aber, um den Streitkräften zuletzt einen kräftigen Modernisierungsschub<br />

zu verpassen. Frei nach dem Motto „klein, aber fein“ setzt das Land dabei mehr auf kompakte<br />

Flug- und Panzerabwehrgeräte anstelle teurer Kampfflieger (die Luftraumüberwachung wird im Rahmen<br />

eines Air Policing Abkommens von verschiedenen NATO-Ländern durchgeführt) und Kampfpanzer. Die<br />

neueste Anschaffung: 2015 werden von den Niederlanden 44 Schützenpanzer CV 9035NL übernommen.<br />

M I L I T Ä R A K T U E L L


W E LT G E S C H E H E N<br />

WILL PUTIN DIE EU SPALTEN?<br />

Im Konflitk um die ostukraine und davor schon um<br />

die Krim ist der russische Präsident Wladimir Putin<br />

zuletzt in die Defensive gekommen. Zu geschlossen<br />

scheint die Front des Westens gegenüber dem<br />

russischen staatschef und zu anfällig reagierte die<br />

Wirtschaft des Landes zuletzt auf die sanktionen<br />

des Westens. also geht Putin in die offensive, um<br />

verlorenes politisches terrain zurückzuerobern.<br />

abgesehen hat es der Präsident dabei vor allem<br />

auf die Balkanländer, die russland traditionell<br />

nahe stehen. so versucht moskau schon seit<br />

längerer Zeit, serbien durch enge <strong>militär</strong>ische<br />

Zusammenarbeit und erdgaslieferungen an sich<br />

zu binden, eine ähnliche strategie scheint auch<br />

in Bosnien langsam Früchte zu tragen. Vor allem<br />

deutsche Diplomaten haben sich deshalb jüngst<br />

besorgt darüber gezeigt, dass Putin mit seiner<br />

antiwestlichen Politik einen Keil zwischen die<br />

eU treiben und eU-Beschlüsse prorussisch<br />

beeinflussen könnte.<br />

TOP 3<br />

DIE GEFÄHRLICHSTEN<br />

TERRORGRUPPEN<br />

1 Dem aktuellen terrorismus-Index<br />

des in London ansässigen Instituts für<br />

Wirtschaft und Frieden zufolge wurden<br />

2013 weltweit 17.958 menschen bei<br />

terroranschlägen getötet – um 61 Prozent<br />

mehr als im Jahr davor. Die meisten<br />

todesopfer im Zeitraum von 2000<br />

bis 2013 gehen mit 8.763 auf das<br />

Konto der taliban, die insgesamt 2.757<br />

terroranschläge verübten.<br />

2 als ähnlich gefährlich erwies sich<br />

im Vorjahr die al-Kaida: Bei 1.089 anschlägen<br />

der terrororganisation kamen<br />

8.585 menschen ums Leben.<br />

3 Boko Haram verübte insgesamt 750<br />

anschläge mit 3.440 todesopfern.<br />

US-ATOMWAFFENARSENAL:<br />

MILLIARDEN-INVESTITIONEN NÖTIG<br />

Um Sprengköpfe an die 450 Raketen zu montieren, gibt es nur einen<br />

Schraubenschlüssel. Die Raketensilos weisen teils grobe Mängel an den<br />

Luken auf, und auch sonst dürfte die US-Atomwaffen-Infrastruktur einem<br />

Bericht der New York Times zufolge ordentlich in die Jahre gekommen<br />

sein. „Diese Schwierigkeiten sind schon so alt, dass sie niemand mehr<br />

berichtet hat“, zitiert die Zeitung einen Offiziellen. Mit einem milliardenschweren<br />

Investitionsprogramm<br />

möchten<br />

die USA die Situation<br />

nun entschärfen. Zuletzt<br />

mussten bereits<br />

mehrere Milliarden<br />

US-Dollar in die<br />

Modernisierung der<br />

marode gewordenen<br />

Sprengköpfe investiert<br />

werden.<br />

„Israel ist ein barbarisches,<br />

wölfisches und Kinder<br />

mordendes Regime!“<br />

Ajatollah Said Ali Khamenei<br />

Irans oberster Führer Ajatollah Ali Khamenei übt sich<br />

nicht erst seit gestern in deftiger Rhetorik gegen Israel. Mitten<br />

in die Verhandlungen um das iranische Atomprogramm<br />

hinein ließ der Ajatollah zuletzt aber mit einer in Schärfe und<br />

Umfang außergewöhnlichen Hetztirade gegen den Erzfeind aufhorchen<br />

und präsentierte bei der Gelegenheit auch gleich einen Neun-Punkte-Plan für<br />

die Auslöschung Israels. Darin forderte Khamenei unter anderem eine Aufrüstung des<br />

Westjordanlandes, um auch von dort israelische Städte mit Raketen angreifen zu können,<br />

stellt aber trotzdem klar: „Wir wollen die Juden nicht ins Meer werfen!“ Immerhin.<br />

Foto s : G e t t y I m aG e s , 1 2 3 r F<br />

M I L I T Ä R A K T U E L L


0 1 0 W E L T & S T R A T E G I E<br />

Der Abzug der meisten NATO-Truppen aus Afghanistan mit Ende des<br />

Jahres wird die Wirkung des internationalen Krisenmanagements<br />

aufzeigen – und die Frage beantworten, wie groß der Wille zur<br />

nationalen Aussöhnung tatsächlich ist. Text: MARKUS GAUSTER<br />

AFGHANISTAN<br />

ENDLICH HOFFNUNG<br />

AUF<br />

FRIEDEN?<br />

M I L I T Ä R A K T U E L L


A F G H A N I S TA N<br />

FOTO : G E T T Y I M AG E S<br />

D<br />

er afghanische Präsident<br />

Hamid Karzai<br />

ist nach über zwölfjähriger<br />

Amtszeit<br />

Geschichte. Am 29.<br />

September wurde<br />

der Paschtune Ashraf Ghani als neuer<br />

Präsident vereidigt. Bereits davor erreichten<br />

die USA eine Einbindung des<br />

tadschikischen Herausforderers Abdullah<br />

Abdullah in der Hoffnung, durch<br />

diese Doppelspitze die nationale Einheit<br />

stärken zu können. Ob diese Rechnung<br />

aufgeht, wird die Zukunft zeigen.<br />

Die Unterzeichnung des bilateralen<br />

Sicherheitsabkommens mit den USA<br />

kurz nach der Wahl darf jedenfalls als<br />

Weichenstellung für eine friedlichere<br />

Zukunft Afghanistans gedeutet werden.<br />

Der Weg dorthin dürfte trotzdem ein<br />

steiniger werden: 2014 zählte die UNO<br />

in Afghanistan im Durchschnitt bislang<br />

2.500 „sicherheitsrelevante Vorfälle“<br />

pro Monat – eine Zahl, die seit 2011<br />

konstant auf sehr hohem Niveau ist.<br />

Zum Vergleich: 2002 wurden nur 400<br />

Vorfälle gezählt, bis 2009 stieg die Zahl<br />

auf 1.600. Für Unruhe sorgten zuletzt<br />

vor allem die Taliban, die heuer einige<br />

Gebietsgewinne erzielen konnten und<br />

die Interessen der Paschtunen vertreten.<br />

In den von ihnen kontrollierten<br />

Regionen führen sie ihr Justizwesen<br />

ein, anders als früher bekämpfen sie<br />

nun aber nicht mehr nur hochrangige<br />

Entscheidungsträger. Militärisch im<br />

Vormarsch, haben sie sich rund um<br />

Kabul festgesetzt und sind in der Lage,<br />

die afghanische Armee in Kontingentsstärke<br />

zu bekämpfen. Als Folge davon<br />

geht das ethnisch dominierte Machtspiel<br />

2015 wohl in die nächste Runde,<br />

wobei sich die politischen Konstellationen<br />

unter Ghani sehr verändern dürften.<br />

Paschtunen, Tadschiken, Usbeken<br />

und Hazara haben – in dieser Reihenfolge<br />

– den größten Machtanteil, wobei<br />

die Usbeken durch ihre Koalition mit<br />

den Paschtunen an politischer Stärke<br />

gewonnen haben. Durch das Erstarken<br />

bisher schwächer repräsentierter Ethnien<br />

scheint die Gefahr der Spaltung<br />

Afghanistans gering. Präsident Ghani<br />

wird zugetraut, durch seine guten Verbindungen<br />

zu vielen Konfliktparteien<br />

das Land mit weniger Klientelismus<br />

zu führen als Karzai. Dazu müsste er<br />

künftig aber wohl ein System akzeptieren,<br />

in dem sich er oder eine Zentralmacht<br />

in Kabul nicht zu viel in die Belange<br />

der Milizenführer einmischen.<br />

Für Sicherheit sollen eigentlich die<br />

durch die International Security Assistance<br />

Force (ISAF) aufgebauten Afghan<br />

National Security Forces (ANSF) sorgen.<br />

Allerdings ist das Vertrauen zwischen<br />

den internationalen Streitkräften<br />

und den ANSF durch eine Vielzahl von<br />

Insider-Attacken nachhaltig gestört.<br />

Zudem konnten die Taliban weder<br />

durch ISAF noch durch ANSF besiegt<br />

oder zerschlagen werden, da sie mit<br />

unterschiedlichen Intensitäten und<br />

Strategien operieren, nach wie vor<br />

Rückzugsräume in Pakistan nutzen<br />

und die Unterstützung des mächtigen<br />

Nachbarn genießen. Der Aufbau der<br />

ANSF konnte an dieser Situation kaum<br />

etwas ändern. Allerdings stiegen bei<br />

den afghanischen Truppen aufgrund<br />

der vermehrten Kampfeinsätze die<br />

Opferzahlen dramatisch. Um in diesem<br />

Spannungsfeld für etwas Stabilität zu<br />

sorgen, soll die 12.500 Soldaten umfassende<br />

ISAF-Folgemission „Resolute<br />

Support“ ab 2015 durch Training, Beratung<br />

und Unterstützung ein verbindendes<br />

Element in der Armee und<br />

in der Polizei schaffen. Fraglich, ob<br />

das vor dem Hintergrund des zuvor<br />

erwähnten, zerrütteten Vertrauensverhältnisses<br />

möglich ist.<br />

Fest steht in jedem Fall, dass die afghanische<br />

Armee über 2017 hinaus –<br />

wenn dann auch die letzten ausländischen<br />

Truppen aus dem Land abziehen<br />

– internationalen Beistand im Hintergrund<br />

brauchen wird. Daher scheint<br />

es nur logisch, dass sich die Unterstützung<br />

der Armee durch Drohnen,<br />

Spezialeinsatzkräfte und nachrichtendienstliche<br />

Aktivitäten seitens der USA<br />

schon 2015 verstärken dürfte.<br />

Viele Akteure & unterschiedliche Interessen<br />

ASHRAF GHANI<br />

•<br />

der Neo-Präsident vertritt kein „Klientelsystem“ und<br />

hat guten Draht zu den Taliban •<br />

ist ausgesprochen<br />

bevölkerungsnah und zum Ausgleich fähig •<br />

besitzt<br />

einen Vertrauensvorschuss nach der Ära Karzai •<br />

ist<br />

kooperativ gegenüber dem Westen und den USA<br />

und verfügt über Vision und Strategie<br />

TALIBAN<br />

•<br />

unterstützen den Erhalt der paschtunischen Macht<br />

und haben Zeit und Ressourcen •<br />

haben maßgeblichen<br />

Einfluss, besonders in paschtunischen Gebieten<br />

•<br />

verzeichneten unter Karzai einen beträchtlichen<br />

Raum- und Einflussgewinn •<br />

bekämpfen afghanische<br />

Sicherheitskräfte im Kontingentsrahmen und gefährden<br />

Fortschritte massiv<br />

INTERNATIONALES ENGAGEMENT<br />

•<br />

hat nicht-paschtunische Ethnien gestärkt, was sich<br />

positiv auf die nationale Einheit auswirkt •<br />

hat eine<br />

Basis für eine wirtschaftliche Dynamik geschaffen<br />

(Mobilfunk) •<br />

bewahrt durch nachhaltige <strong>militär</strong>ische<br />

und zivile Unterstützung die Regierung vor dem Kollaps<br />

•<br />

hat Kindersterblichkeit reduziert, die Stellung<br />

von Frauen und das Bildungssystem verbessert<br />

USA<br />

•<br />

werden Ghani zivil, <strong>militär</strong>isch und finanziell<br />

unterstützen •<br />

werden weiterhin mit Militär und<br />

Spezialkräften präsent sein •<br />

werden auf EU-Staaten<br />

Druck ausüben, sich zivil und <strong>militär</strong>isch zu beteiligen<br />

•<br />

haben aufgrund zahlreicher ziviler Opfer im Land<br />

ihre Reputation verloren<br />

UNO<br />

•<br />

wird als vermittelnder Akteur in Afghanistan an<br />

Relevanz gewinnen •<br />

könnte als Koordinator von<br />

Hilfsmaßnahmen nun besser zur Wirkung kommen<br />

•<br />

hat durch ihre Ableger Ressourcen und Erfahrung<br />

für zivilen Auf- und Wiederaufbau •<br />

kann zusammen<br />

mit NGOs die lokalen Zivilgesellschaften stärken<br />

M I L I T Ä R A K T U E L L


0 1 2 W E l T & S T R A T E G I E<br />

Derweil ist es schwierig, Errungenschaften<br />

in Afghanistan auf unterschiedliche<br />

Aktivitäten der ISAF zurückzuführen<br />

– auch wenn die Militärpräsenz<br />

kausal für massive Hilfsgelder,<br />

verwaltungstechnische und wirtschaftliche<br />

Investitionen verantwortlich war.<br />

So liegt etwa die Mobilfunkpenetration<br />

aktuell bei 89 Prozent, und nicht nur<br />

deshalb befürworten große Teile der<br />

afghanischen Bevölkerung die internationale<br />

Präsenz nach wie vor. Ein Beispiel<br />

für den positiven Effekt des ISAF-<br />

Engagements ist die Provinz Bamiyan,<br />

wo der Tourismus als Wirtschaftsfaktor<br />

Potenzial hat. Deutsche und<br />

Schweizer Organisationen haben es sogar<br />

möglich gemacht, eine kleine Ski-<br />

Szene aufzubauen und seit 2011 die<br />

„Afghanistan Ski Challenge“ zu organisieren.<br />

Negatives Beispiel sind die vielen<br />

zivilen Opfer, die auch der ISAF<br />

und den USA zugeschrieben werden<br />

und deren Reputation extrem verschlechtert<br />

haben.<br />

Der oft kritisierte Drohneneinsatz im<br />

Grenzgebiet zu Pakistan hat aus <strong>militär</strong>strategischer<br />

Sicht aber positive<br />

Effekte erzeugt, da größere Terror-<br />

Netzwerke in kleinere zerschlagen<br />

wurden. Das internationale Engagement<br />

kann daher trotz vieler Unzulänglichkeiten<br />

positiv gesehen werden.<br />

Die Versorgungsinfrastruktur, der<br />

Grad der Bildung und wirtschaftliche<br />

Indikatoren verbesserten sich. 2.000<br />

Quadratkilometer Wüstenfläche<br />

konnten fruchtbar gemacht werden,<br />

was allerdings auch dem Opiumanbau<br />

nutzt. Ohne Intervention gäbe es heute<br />

keinen allgemeinen Schulbesuch,<br />

insbesondere nicht von Mädchen, und<br />

mit dem neuen Präsidenten Ghani eröffnen<br />

sich auch andere Chancen. So<br />

hat er in seiner Amtszeit bis 2020 gute<br />

Aussichten, sich mit den Taliban zu<br />

arrangieren, wie das bereits während<br />

der Stichwahl 2014 der Fall war. Nicht<br />

nur deshalb genießt er einen gewissen<br />

Vertrauensvorschuss bei der Bevölkerung,<br />

auch wenn er an der allgemeinen<br />

Kriminalitätsrate und vielen Unsicherheitsfaktoren<br />

vorerst nicht viel<br />

verändern können wird. Es bleibt zu<br />

hoffen, dass NGOs auch ohne NATO-<br />

Truppen wichtige humanitäre Hilfe<br />

leisten können. Die Etablierung<br />

rechtsstaatlicher Strukturen steht jedoch<br />

nach wie vor afghanisch-islamischen<br />

Wertvorstellungen entgegen.<br />

Letztendlich ist es für den Westen<br />

wichtig, Afghanistan als „Partner“ politisch,<br />

<strong>militär</strong>isch und wirtschaftlich<br />

einzubinden. Dafür müssten jedoch die<br />

bisherigen Hilfszahlungen auf allen<br />

Ebenen fortgesetzt werden und auch<br />

EU-Staaten ein entsprechendes Engagement<br />

zeigen.<br />

Der Autor ist wissenschaftlicher<br />

Mitarbeiter am IFK mit mehreren<br />

Aufenthalten in Afghanistan<br />

(u. a. als EU-Wahlbeobachter).<br />

„Afghanistan - eine unvollendete Aufgabe“<br />

Brigadier Walter<br />

Feichtinger ist seit<br />

2002 Leiter des Instituts<br />

für Friedenssicherung und<br />

Konfliktmanagement (IFK)<br />

an der Landesverteidigungsakademie.<br />

Die mühsame Verständigung der beiden<br />

Präsidentschaftskandidaten nach den<br />

abermals heftig umstrittenen Wahlen<br />

auf die Machtverteilung ist wohl nur ein<br />

Hinweis auf zukünftige Machtkämpfe.<br />

Allerdings wird die westliche Staatengemeinschaft<br />

weniger mitzureden haben,<br />

da mit Ablauf des Mandats für die internationale<br />

Unterstützungstruppe ISAF<br />

auch deren Interesse, Verantwortungs -<br />

gefühl und Engagement – trotz aller<br />

gegenteiligen politischen Beteuerungen<br />

– nachlassen wird.<br />

Damit wird die Angst vieler Afghanen,<br />

wie nach dem endgültigen Abzug der<br />

Sowjettruppen 1989 vom Westen wieder<br />

alleingelassen zu werden, wohl Bestätigung<br />

finden. Zwar wird die NATO<br />

(Operation „Resolute Support“) im<br />

Zusammenwirken mit zahlreichen zivilen<br />

Programmen noch über einige Jahre den<br />

Staatsaufbau begleiten und unterstützen,<br />

die Verantwortung liegt aber voll in<br />

afghanischen Händen, auch im Sicherheitsbereich.<br />

Dabei wird sich rasch zeigen,<br />

wie stark die gefürchteten Taliban<br />

tatsächlich sind und wo sich welche politischen<br />

und <strong>militär</strong>ischen Gegenkräfte<br />

formieren können. Die Nachbarschaft<br />

mit Pakistan wird infolge der grenzüberschreitenden<br />

paschtunischen Siedlungsgebiete<br />

und der Rückzugsmöglichkeiten<br />

für die Taliban weiterhin problematisch<br />

bleiben. Indische Unterstützungsangebote<br />

wiederum zielen häufig eher auf<br />

den Rivalen Pakistan als auf die Entwicklung<br />

Afghanistans. Im Iran wiederum<br />

steigt die Angst vor einem ungehinderten<br />

Drogenfluss aus dem östlichen<br />

Nachbarland.<br />

Die geopolitische Bedeutung Afghanistans<br />

hat mit dem Abzug des Gros der US-<br />

Truppen an Bedeutung abgenommen,<br />

da sich der Kampf gegen islamische Extremisten<br />

nun nach Syrien und in den Irak<br />

verlagert hat. Der Drogenanbau stand<br />

nie im Zentrum der Gegenmaßnahmen,<br />

er stellt primär ein Problem für europäische<br />

Staaten und Russland dar. Ein Hoffnungsschimmer<br />

besteht darin, dass sich<br />

im Verlauf des ausländischen Engagements<br />

seit 2001 zivilgesellschaftliche<br />

Kräfte gebildet haben, die bereit sind,<br />

sich für ein moderneres Afghanistan zu<br />

engagieren und einzusetzen.<br />

FOTO : N A D J A M E I ST E R<br />

M I L I T Ä R A K T U E L L


Eurofighter: Garant für Sicherheit und Verteidigung<br />

www.eurofighter.com<br />

Das modernste Mehrrollenkampflugzeug der neuen Generation. Luftraumüberwachung auf höchstem Niveau.<br />

Einsatzfähig bei Tag und Nacht. Bewährt und zuverlässig bei jedem Wetter.<br />

Entwickelt und gebaut von Europas fuḧrenden Luft-, Raumfahrt- und Verteidigungsunternehmen.<br />

Industrielle Partnerschaft und internationale Kooperation: 100.000 Arbeitsplätze in mehr als 400 Unternehmen.<br />

Kunden: Deutschland, Großbritannien, Spanien, Italien, Österreich, Saudi-Arabien, Oman.<br />

Auslieferungen: Über 400 Flugzeuge. Flugstunden: Über 250.000.


0 1 4 W E L T & S T R A T E G I E<br />

RUS SL A N D<br />

GEHT AN SEINE LUFT-GRENZEN<br />

Die zunehmend angespannte Lage zwischen dem Westen und Moskau führt<br />

auch zu gesteigerten Luftaktivitäten. Und dabei tauchen russische Jets<br />

längst nicht mehr nur vor Europas Küsten auf. Text: GEORG MADER<br />

Michail Gorbatschow<br />

fand jüngst bei den<br />

Feierleichkeiten zum<br />

25. Jahrestages des<br />

Mauerfalls in Berlin klare<br />

Worte: Der Westen und Russland<br />

steuern nicht auf einen neuen kalten<br />

Krieg zu, sagte der frühere russische<br />

Staatschef. Nein, sie befinden sich<br />

bereits mittendrin! Egal, ob der Karren<br />

nun tatsächlich schon so verfahren ist,<br />

fest steht, dass seit Beginn der Ukraine-Krise<br />

die Langstreckenflüge russischer<br />

Militärflugzeuge deutlich zugenommen<br />

haben. Entlang Europas<br />

Küsten gehören Jets mit rot-blauem<br />

Stern heute beinahe wieder zum<br />

gewohnten Bild, aber auch vor der<br />

Westküste der USA und Kanadas<br />

(siehe auch Grafik auf der nächsten<br />

Doppelseite) sowie rund um Japan<br />

steigen die russischen Luftaktivitäten.<br />

Dabei geht es Russland wie zu Zeiten<br />

des Kalten Krieges nicht alleine darum,<br />

Flagge zu zeigen, Einsatzbereitschaft<br />

und Stärke zu demonstrieren und die<br />

gegnerische Reaktion(szeit) zu testen.<br />

Sondern natürlich auch darum, die<br />

elektronischen Emissionen diverser<br />

Gegnersysteme (ELINT) und deren<br />

Kommunikation (SIGINT) abzugreifen<br />

und Übungen sowie Marinemanöver<br />

zu beobachten. In Erinnerung sind<br />

dabei vor allem die bis zu 20-stündigen<br />

„Pendelmissionen“ russischer Tu-95<br />

Turboprop-Bomber von Kola rund<br />

ums Nordkap bis nach Kuba oder<br />

Angola. Tausende von Abfang-Identifizierungsfotos<br />

zierten damals die Messen<br />

und Briefing-Räume westlicher<br />

Luft-Streitkräfte und oft kannten<br />

sich die Crews anhand der taktischen<br />

Nummern auf den Flugzeugen. Man<br />

zeigte sich von Cockpit zu Cockpit<br />

Penthouse-Poster, Krimsektflaschen<br />

und eindeutige Gesten. Mit Ende der<br />

UdSSR hörten die russichen Langstreckenflüge<br />

dann auf, erst 2007 wurde<br />

unter Wladimir Putin wieder mit Flügen<br />

begonnen. Zuletzt stieg die Intensität<br />

deutlich an. Dies gilt insbesonders<br />

für das Baltikum und die Ostsee, wo<br />

sich die Russen vor allem für die Aktivitäten<br />

diverser wegen der Ukraine-<br />

Krise dorthin verlegter NATO-Staffeln<br />

interessieren. Das Auftauchen russischer<br />

Jets vor Alaska und Kalifornien<br />

oder vor der englischen Küste wird<br />

von Moskau hingegen meist als Lapsus<br />

abgetan, der nur „zufällig“ zeitgleich<br />

mit einem NATO-Gipfel oder der<br />

Rede des ukrainischen Präsidenten<br />

Petro Proschenko vor dem US-<br />

Kongress zusammengefallen sei.<br />

Neuerdings sind die Russen in Verbänden<br />

aus vier Tu-95MS-Bombern-und<br />

vier Il-78-Tankern oder bis zu acht taktischen<br />

Suchoj-Kampfflugzeugen unterwegs,<br />

die von Norwegen bis Portugal,<br />

von St. Petersburg bis in die Enklave<br />

Kaliningrad oder von Osten übers<br />

Schwarze Meer fliegen. Oder aber samt<br />

A-50 AWACS-Begleitung über die US-<br />

BEGLEITSCHUTZ<br />

Von westlichen Kampfflugzeugen<br />

(am oberen<br />

Bildrand die Lenkwaffe<br />

einer französischen<br />

Mirage F1) flankierte<br />

russische Jets (Su-27<br />

und dahinter Tu-22M3-<br />

Backfire-Bomber)<br />

gehören am Himmel<br />

über Europa (wieder)<br />

zum Alltag.<br />

Basis Guam oder zwölf Stunden lang<br />

rund um Japan. Alleine bis April zählte<br />

Tokio 235 Alarmstarts gegen derartige<br />

Flüge, in Europa haben sich die Aktivitäten<br />

der Russen gegenüber 2013 heuer<br />

verfünffacht. Für die britischen und in<br />

Estland stationierten deutschen Eurofighter,<br />

die F-16 der NATO in Litauen,<br />

Portugal und der Türkei, die finnischen<br />

F-18, schwedischen Gripen und japanischen<br />

F-15J herrscht dann Hochbetrieb.<br />

Einerseits gilt es die Russen von<br />

nationalen Lufträumen fernzuhalten,<br />

andererseits auch die Sicherheit der<br />

zivilen Luftfahrt zu gewährleisten. Da<br />

die russischen Formationen nur in<br />

Ausnahmefällen Flugpläne übermitteln,<br />

so gut wie nie Transponder-Signale<br />

senden und am Funk stumm bleiben,<br />

sind die Jets oder Bomber für die zivile<br />

Flugsicherung, die nur mit Transpondersignalen<br />

arbeitet, nicht zu sehen. Im<br />

März verfehlte infolgedessen vor Malmö<br />

ein „stummer“ russischer Il-20M<br />

SIGINT-Aufklärer den SAS-Flug<br />

SK681 um nur 90 Meter. Die NATO-<br />

Jets fliegen daher als sogenannte Transponder-Marker<br />

nebenher – und dürfen<br />

von dort die mit Lenkwaffen gefüllten<br />

Bäuche der russischen Su-27 bestaunen.<br />

FOTO : N ATO<br />

M I L I T Ä R A K T U E L L


GLOBALE MACHTD<br />

0 1 6 W E L T & S T R A T E G I E<br />

RUSSISCHE<br />

KAMPFFLUGZEUGE<br />

NORDEUROPA Nach Angaben<br />

Norwegens starten russische Maschinen von<br />

Stützpunkten in der Arktis zu Flügen über<br />

Nordeuropa. Einzelne Jets wagen sich dabei<br />

auch Richtung Süden vor, im April verletzten<br />

zwei Tu-95 den niederländischen Luftraum.<br />

OSTSEE Seit Beginn des Ukraine-Konflikts<br />

registrieren schwedische, finnische und polnische<br />

Behörden sowie die NATO-Luftraumüberwachung in<br />

Litauen und Estland vermehrte russische Aktivitäten.<br />

Dabei werden auch Angriffsübungen simuliert.<br />

ILYUSHIN IL-78M<br />

Lufttanker<br />

Reichweite: 7.300 km<br />

Stückzahl: 19<br />

SCHOTTLAND Ende des<br />

vergangenen Jahres näherte sich<br />

ein russisches Kriegsschiff der<br />

schottischen Küste – die Royal Navy<br />

brauchte 24 Stunden, um ein eigenes<br />

Schiff in die Region zu bringen.<br />

LETTLAND Ende Oktober beobachtete das<br />

NATO-Land vor seiner Küste ein russisches Kriegsschiff –<br />

möglicherweise ein Fingerzeig an die baltischen<br />

Länder, sich nicht zu sehr auf den Westen zu verlassen.<br />

TU-95 BEAR H<br />

Langstreckenbomber<br />

Reichweite: 15.000 km<br />

Stückzahl: mehr als 40<br />

WESTEUROPA<br />

Auch nahe Portugal wurden<br />

bereits russische Jets gesichtet.<br />

SCHWARZES MEER Immer<br />

wieder überfliegen russische Jets das Gebiet,<br />

dabei kam es auch zu direkten Kontakten mit<br />

amerikanischen Flugzeugen und Kriegsschiffen.<br />

Im September umkreiste ein russisches<br />

Flugzeug eine kanadische Fregatte.<br />

SU-34 FULLBACK<br />

Jagdbomber<br />

Reichweite: 1.100 km<br />

Stückzahl: 59<br />

MITTELMEER Seit Beginn des Bürgerkriegs<br />

in Syrien tauchen zunehmend auch im Mittelmeer<br />

russische Kriegsschiffe auf. Im syrischen Tartus unterhält die<br />

russische Marine nach wie vor eine kleine technische Basis.<br />

Seit dem Ende des Kalten Krieges waren weltweit nicht mehr so viele russische<br />

Jets und Kriegsschiffe anzutreffen. Im Luftraum über Nordeuropa operieren sie<br />

heute ebenso wie vor der Küste Australiens und bald auch im Golf von Mexiko.<br />

Unter den aktuellen Umständen<br />

müssen wir<br />

unsere Militärpräsenz<br />

im westlichen Atlantik<br />

und im östlichen Pazifik,<br />

den Gewässern der<br />

Karibik und im Golf von Mexiko sicherstellen.“<br />

Mit diesen Worten kündigte<br />

der russische Verteidigungsminister<br />

Sergej Schoigu vor wenigen Wochen<br />

bereits das nächste Kapitel der<br />

jüngsten weltweiten russischen Macht-<br />

demonstrationen (siehe auch Bericht<br />

auf Seite 14) an. Schon in den vergangenen<br />

Monaten hat Russland die Militärpräsenz<br />

seiner Truppen außerhalb<br />

der Landesgrenzen deutlich erhöht,<br />

russische Flugzeuge und Kriegsschiffe<br />

waren praktisch rund um den Globus<br />

anzutreffen. Und das immer wieder<br />

auch anlassbezogen: So kreuzten etwa<br />

ausgerechnet vor dem G20-Gipfel in<br />

der australischen Stadt Brisbane „zufällig“<br />

vier russische Kriegsschiffe vor der<br />

dortigen Küste auf, ebenso wurde während<br />

der Diskussionen um die Sicherheit<br />

der baltischen Kleinstaaten ein<br />

russisches Kriegsschiff in den Gewässern<br />

vor Lettland gesichtet.<br />

Geht es nach Schoigu, könnten bald<br />

auch schon neue russische Militärbasen<br />

in befreundeten Ländern eingerichtet<br />

werden. Der Verteidigungsminister<br />

dachte dabei laut an Venezuela, Nica -<br />

ragua, Singapur, Vietnam und die Seychellen.<br />

Aber auch an Kuba.<br />

FOTO S : 1 2 3 R F, B E I G E ST E L LT<br />

Q U E L L E N : I H S J A N E S , D E U TS C H E LU F T WA F F E , N ATO<br />

M I L I T Ä R A K T U E L L


A U F E I N E N B L I C K<br />

US-WESTKÜSTE Immer wieder nähern sich<br />

russische Jets auch der US-Westküste. Im September sollen<br />

sechs MiG-31 die dortige US-Luftverteidigungszone<br />

durchflogen haben und Tu-160-Schwenkflügelbomber<br />

flogen im April bis 50 Kilometer vor Nordkalifornien.<br />

RUSSISCHE<br />

KAMPFFLUGZEUGE<br />

JAPAN Fast täglich umrunden russische<br />

Flugzeuge Japan. Alleine von Jänner bis April<br />

2014 zählten die japanischen Behörden 235<br />

Alarmstarts gegen deratige Flüge – eine Verachtfachung<br />

gegenüber dem Vorjahr.<br />

KARIBIK & ATLANTIK<br />

Der russische Verteidigungsminister Sergej<br />

Schoigu kündigte jüngst auch Patrouillenflüge bis<br />

vor Florida und bis in den Golf von Mexiko an.<br />

MIG-31 FOXHOUND<br />

Abfangjäger<br />

Reichweite: 3.300 km<br />

Stückzahl: 122<br />

Kuba<br />

Vietnam<br />

Singapur<br />

PAZIFIK Bei ihren Flügen im Pazifik wurden<br />

russische Flugzeuge auch über Guam gesichtet, wo<br />

sich der US-Luftwaffenstützpunkt Andersen befindet.<br />

Venezuela<br />

SU-24M2 FENCER<br />

Jagdbomber<br />

Reichweite: ca. 1.000 km<br />

Stückzahl: ca. 1.400<br />

Nicaragua<br />

AUSTRALIEN<br />

Vor dem G20-Gipfel in Brisbane tauchten im<br />

November vier russische Kriegsschiffe vor<br />

der australischen Küste auf.<br />

Mögliche neue russische Militärbäsis<br />

SU-27SM FLANKER<br />

Abfangjäger<br />

Reichweite: 3.680 km<br />

stückzahl: 809<br />

DEMONSTRATION<br />

Verdächtiges<br />

Flugzeug<br />

Grenze<br />

WENN EIN FLUGZEUG IN DEN NATO-LUFTRAUM EINDRINGT …<br />

Abfangjäger 2<br />

Folgt und sichert.<br />

Verdächtiges<br />

Flugzeug<br />

Abfangjäger 1<br />

Versucht Sichtkontakt<br />

herzustellen.<br />

SCHRITT 1<br />

Der Luftraumüberwachung im Control and<br />

Reporting Centre (CRC) fällt ein verdächtiges<br />

Flugzeug auf. Handelt es sich dabei um eine<br />

<strong>militär</strong>ische Bedrohung, geht die Verantwortung<br />

an die NATO über.<br />

SCHRITT 2<br />

Von in der Nähe befindlichen Luftstützpunkten<br />

steigen Abfangjäger auf, um das Flugobjekt zu<br />

identifizieren. Bleibt die Lage unklar, wird das<br />

jeweilige Verteidigungsministerium informiert<br />

und der Ernstfall vorbereitet.<br />

SCHRITT 3<br />

Ein Abfangjäger positioniert sich vor dem eindringenden<br />

Flugobjekt, um Sichtkontakt herzustellen,<br />

ein Jet folgt und sichert. Reagiert das<br />

Flugzeug positiv, wird es umgeleitet, ansonsten<br />

werden Gegenmaßnahmen eingeleitet.<br />

M I L I T Ä R A K T U E L L


0 1 8 W e l t & s t R A t e g i e<br />

Soll der Westen gegen Russland<br />

MEHR HÄRTE ZEIGEN?<br />

Standen westliche Staatschefs dem russischen Vorgehen in der Ostukraine anfangs<br />

ohnmächtig gegenüber, werden nun die Stimmen immer lauter, die eine<br />

härtere Gangart gegenüber Wladimir Putin fordern. Zu Recht?<br />

PRO<br />

OBERST<br />

DR. PETER FORSTER<br />

ist Chefredaktor des<br />

SCHWEIZER SOLDAT,<br />

der führenden<br />

Militärzeitschrift<br />

der Schweiz.<br />

DR. THOMAS ROITHNER<br />

ist Friedensforscher und<br />

Privatdozent am Institut<br />

für Politikwissenschaft<br />

der Universität Wien,<br />

www.thomasroithner.at<br />

CONTRA<br />

Ja, die NAto soll gegenüber Russland Härte zeigen.<br />

Präsident Putin brach Völkerrecht, als er die Krim besetzte;<br />

und Russland spielt mit dem Feuer, wenn seine<br />

suchoj- und Mig-Jets die balten und skandinavier<br />

provozieren. Nur: Härte zeigen? Mit leeren taschen? Mit<br />

ausgedünnten truppen? so kurz nach Präsident obamas<br />

entschluss, das schwergewicht seiner Kräfte in den Westpazifik<br />

zu verlegen? Nein, Härte kann nur zeigen, wer<br />

einem Machtmenschen wie Putin Muskeln, nicht Parolen<br />

entgegensetzt. Zwei Prozent des biP soll jeder NAtostaat<br />

für seine streitkräfte aufwenden. gerade mal vier<br />

tun das: die UsA, großbritannien, estland und griechenland.<br />

16 staaten umfasste das bündnis lange. Heute<br />

lautet die Formel: 16 + 12 = 28. Das große Wort führen<br />

die zwölf neuen. Je weiter man nach osten rückt, desto<br />

lauter ertönt der Ruf, die NAto müsse zum ursprünglichen<br />

Auftrag zurückfinden: zur kollektiven Verteidigung.<br />

so weit, so gut. in der tat ist es die „raison d’être“ des<br />

Paktes, jedem Mitglied <strong>militär</strong>isch beizustehen, das angegriffen<br />

wird. Der Artikel 5 der NAto-Charta fordert das.<br />

Als al-Kaida 2001 die UsA angriff, rief Präsident bush den<br />

Artikel 5 an: Das war der Anfang des Afghanistan-Abenteuers,<br />

das jetzt scheitert. Unter dem Misserfolg der gigantischen<br />

expedition ächzt das bündnis. Man ist vorsichtig<br />

geworden in Mons – derart riskante operationen<br />

wie am Hindukusch geht keiner mehr ein. Zugutezuhalten<br />

ist der NAto: Wenn Putin den bogen überspannt,<br />

fährt sie ihm in die Parade. Russland schickte Tu-95-<br />

Fernbomber samt tanker bis hinunter nach Portugal. Die<br />

briten fingen die tanker ab, die spanier blockierten die<br />

Kampfmaschinen, denen sie dann gnädig das landerecht<br />

gewährten. Das ist die sprache, die Wladimir Putin versteht.<br />

gar nichts halten die offiziere in Mons von der <strong>militär</strong>ischen<br />

schlagkraft der eU. Wieder müssten es die UsA<br />

richten; so sie denn wollen, können und bezahlen.<br />

irgendwann zwischen dem beginn des Afghanistanund<br />

des irak-Krieges konnte ich im Kreis russischer<br />

experten ein gespräch über den Friedensnobelpreisträger<br />

Michail gorbatschow anregen. Unterkühlte<br />

stimmung machte sich breit. einen Moment gewann<br />

die Deutlichkeit vor der Vorsichtigkeit. „er hat die sowjetunion<br />

zerstört.“ Deren Auflösung war für Präsident<br />

Putin die „größte geopolitische Katastrophe“ des 20.<br />

Jahrhunderts. eine härtere gangart der UsA und der eU<br />

gegenüber Russland macht das wahrscheinlicher, was<br />

sich quer über den globus niemand wünschen kann:<br />

ein neuer Kalter Krieg. Vor diesem schreckgespenst<br />

wurde schon bei den NAto-osterweiterungen, zuletzt<br />

dem Regimechange in libyen bis hin zum Raketenabwehrprogramm<br />

gewarnt. Diplomatischer Protest Moskaus<br />

hat den Westen nicht zu einer empathischeren Politik<br />

veranlasst. Dies soll weder das russische Vorgehen<br />

in der Ukraine, im Kaukasus oder die lage der Menschen-<br />

und Freiheitsrechte relativieren oder verharmlosen.<br />

Die Verantwortung liegt aber nicht nur auf einer<br />

seite. in den letzten Dekaden kann zudem bemerkt<br />

werden, dass geoökonomische Macht gegenüber geopolitischen<br />

Überlegungen massiv an bedeutung gewonnen<br />

hat. Dieser Machtübergang drückt sich in der<br />

Zusammenarbeit Russlands mit brasilien, China, indien<br />

und südafrika (bRiCs-staaten) oder im Rahmen der<br />

schanghaier organisation für Zusammenarbeit (soZ)<br />

aus. Die gründung einer entwicklungsbank der bRiCsstaaten<br />

ist mehr als ein symbolischer Akt zur Hinterfragung<br />

des von UsA und eU geprägten Weltwirtschaftssystems.<br />

Das neutrale Österreich kann vorausschauend<br />

als „kluge Macht“ auftreten. einerseits in der eU als<br />

sperrriegel gegen eine unbesonnene sanktionspolitik<br />

und anderseits, um Modelle internationaler Kooperationen<br />

im sinne globaler Konfliktprävention vorzudenken.<br />

Foto s : b e i g e st e l lt<br />

M I L I T Ä R A K T U E L L


ü s t u n g s n e w s<br />

DER MARKT GEHT IN DIE LU F T<br />

Während sich die<br />

westliche Rüstungsindustrie<br />

zunehmend<br />

mit Sparplänen vieler<br />

Streitkräfte konfrontiert<br />

sieht, verspricht der<br />

Markt für bewaffnete<br />

und unbewaffnete<br />

Drohnen immer noch<br />

hohe Zuwachsraten.<br />

FOTO S : 2 0 1 4 B A E SYST E M S . A L L R I G H TS R E S E RV E D. , B E I G E ST E L LT<br />

er Krieg gegen den<br />

DIslamischen Staat (IS)<br />

erweist sich für die<br />

US-Waffenindustrie<br />

als Goldgrube. Zwar<br />

machen die daraus resultierenden<br />

Milliardenumsätze noch<br />

lange nicht die Absatzeinbrüche<br />

durch den seit Jahren eingeschlagenen<br />

Sparkurs vieler westlicher Streitkräfte<br />

gut, einen erfreulichen Schub<br />

bedeuten die Zusatzeinnahmen für<br />

die Rüstungsunternehmen aber allemal.<br />

Gefragt sind neben Bomben,<br />

Raketen oder Ersatzteilen für Kampfflugzeuge<br />

einmal mehr auch Drohnen,<br />

die bewaffnet wie unbewaffnet<br />

weltweit immer häufiger in Armeen<br />

Verwendung finden. Experten des<br />

<strong>militär</strong>ischen Informationsunternehmens<br />

IHS prophezeien dem Markt<br />

für unbemannte Flugsysteme daher<br />

in den kommenden zehn Jahren auch<br />

ein durchschnittliches Wachstum<br />

von fünf Prozent – und das quer<br />

durch alle Drohnenklassen. Vom<br />

Boom profitieren neben den Herstellern<br />

großer Systeme wie der Predator<br />

oder der Heron TP also auch Produzenten<br />

von Mikrodrohnen wie der<br />

PD-100 Black Hornet des norwegischen<br />

Unternehmens Prox Dynamics<br />

(siehe Militär Aktuell 02/2013).<br />

USA<br />

Ende September hat Saab in<br />

seinem Erprobungszentrum<br />

die neue Generation M4 seiner<br />

Panzerbüchse Carl Gustaf<br />

vorgestellt, nun gibt es den<br />

ersten Großauftrag. Das Kommando<br />

für die US-Spezialkräfte<br />

hat mit den Schweden einen<br />

Rahmenvertrag für Geräte und<br />

Zubehör geschlossen. Kostenpunkt:<br />

142 Millionen Euro.<br />

www.saabgroup.com<br />

Da der Markt weitgehend von USamerikanischen<br />

und israelischen<br />

Konzernen dominiert wird, fordern<br />

europäische Strategen seit Langem<br />

auch die Entwicklungen eigener, unabhängiger<br />

Systeme. Im November<br />

des Vorjahres vereinbarten Deutschland,<br />

Frankreich, Spanien, Griechenland,<br />

Italien, die Niederlande und<br />

Polen dahingend in einem ersten<br />

Schritt die gemeinsame Entwicklung<br />

von Aufklärungsdrohnen. Am Rande<br />

der Farnborough Airshow haben<br />

Frankreich und Großbritannien dann<br />

kürzlich ein weiteres Projekt auf<br />

Schiene gebracht: Die beiden Länder<br />

beauftragten die Rüstungskonzerne<br />

BAE Systems und Dassault Aviation<br />

mit einer Machbarkeitsstudie (siehe<br />

Bild oben), in deren Rahmen geklärt<br />

werden soll, wie die beteiligten Industriepartner<br />

gemeinsam ein UCAS<br />

(Unmanned Combat Air System)<br />

entwickeln und betreiben können.<br />

Parallel zum boomenden Drohnenmarkt<br />

steigt auch die Nachfrage nach<br />

entsprechenden Abwehrsystemen.<br />

So stellte China jüngst ein Lasersystem<br />

vor, mit dem Kleinst-Flugobjekte<br />

in Bodennähe innerhalb weniger Sekunden<br />

abgeschossen werden können.<br />

Ein System mit mehr Leistung<br />

und größerer Reichweite soll bereits<br />

in Entwicklung sein.<br />

IM FOKUS<br />

Militärische Beschaffungen weltweit<br />

RUSSLAND<br />

Während die russische Marinerüstung<br />

durch die EU-Sanktionen<br />

(Auslieferungsstopp für<br />

den Hubschrauberträger Wladiwostok)<br />

ins Stocken geriet,<br />

werden neue Transportfahrzeuge<br />

des Typs GAZ-3344<br />

beschafft. Die Jahresproduktion<br />

bei der Zavolzhsky Crawler<br />

Vehicle Plant (gehört zu RM<br />

Terex) liegt bei 600 Stück.<br />

www.rm-terex.com<br />

DEUTSCHLAND<br />

Die Bundeswehr hat zwei<br />

neue Waffen in ihr Arsenal aufgenommen:<br />

Dabei handelt es<br />

sich einerseits um das nun als<br />

G38 bezeichnete Sturmgewehr<br />

HK416A5 von Heckler &<br />

Koch und andererseits um die<br />

Glock 17 Gen 4 mit maritimem<br />

Federteller und leichterer<br />

Steuerfeder für das Kommando<br />

Spezialkräfte der Marine.<br />

www.glock.com<br />

M I L I T Ä R A K T U E L L


0 2 0 S I C H E R H E I T & W I R T S C H A F T<br />

Kampfdrohnen?<br />

Wie ethisch ist der Einsatz<br />

von<br />

Verändern Drohnen die Grundlagen der fairen<br />

Kriegsführung und enthemmen sie die <strong>militär</strong>ische<br />

Gewaltanwendung? Oder sind sie nichts mehr als<br />

moderne Waffensysteme? Interview: HANS SCHNEEWEISS<br />

W<br />

ieso kommen Drohnen<br />

in immer mehr<br />

Streitkräften in immer<br />

größeren Stückzahlen<br />

zum Einsatz?<br />

Weil ihr Einsatz – egal ob es sich<br />

um eine Aufklärungs- oder eine<br />

Kampfdrohne handelt – in jedem<br />

Fall bedeutet, dass Soldaten der<br />

Luftwaffe nicht eingesetzt und<br />

damit nicht gefährdet werden.<br />

Darüber hinaus mag es gewisse<br />

technische Vorteile geben; ferner<br />

lässt sich mit Drohnen eine Kriegsbeteiligung<br />

auf niedrigem Niveau<br />

einfacher erreichen oder vertuschen<br />

als mit Kampfjets.<br />

GASTKOMMENTAR<br />

WOLFGANG<br />

SCHREIBER<br />

ist Koordinator<br />

der AKUF<br />

(Arbeitsgemeinschaft<br />

Kriegsursachenforschung)<br />

und Mitglied der<br />

Forschungsstelle<br />

Kriege und Rüstung<br />

der Universität<br />

Hamburg.<br />

NIEDRIGE HEMMSCHWELLE<br />

Ergänzen Drohnen damit nur den<br />

Einsatz von Bodentruppen oder<br />

können sie diesen sogar ersetzen?<br />

Nein, Drohnen können den Einsatz<br />

von Bodentruppen genauso wenig<br />

FELIX BOOR ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Öffentliches<br />

Wirtschaftsrecht an der Universität Hamburg.<br />

Der Drohneneinsatz während eines bewaffneten<br />

Konflikts hat aus Sicht des humanitären Völkerrechts<br />

unbestreitbare Vorteile. Die größere<br />

Genauigkeit der Waffensysteme und die Möglichkeit,<br />

mehrere Stunden über dem Ziel zu kreisen, sorgen im<br />

Vergleich zum herkömmlichen Kampfjeteinsatz zu einer<br />

Reduzierung der Opferzahlen in der Zivilbevölkerung.<br />

Andererseits kann die Hemmschwelle bei der politischen<br />

Entscheidung, ob ein solcher Konflikt geführt<br />

werden soll, aufgrund des geringeren Risikos für die<br />

eigenen Streitkräfte herabgesetzt sein. Zudem wird den Piloten oftmals<br />

vorgeworfen, dass sie aufgrund der Entfernung vom Einsatzort<br />

eine „Playstation-Mentalität“ entwickeln und Situationen nicht richtig<br />

einschätzen können. Der politische Schaden scheint beim Einsatz in<br />

nicht-internationalen Konflikten beträchtlich zu sein. Da die Motorengeräusche<br />

oft über Stunden hörbar sind, setzt der Drohneneinsatz<br />

die Zivilbevölkerung einem ständigen Bedrohungsszenario aus,<br />

wodurch der Gegner Vorteile erlangen kann.<br />

ersetzen wie reine Luftangriffe. Lediglich<br />

bei der Überwachungsfunktion<br />

mag ein teilweiser Ersatz von Bodentruppen<br />

möglich sein. Solche Überwachungstruppen<br />

dienen aber auch der<br />

Vertrauensbildung, führen sie doch<br />

auch Gespräche mit den Parteien etwa<br />

eines Waffenstillstands. Diese Funktion<br />

ist durch Drohnen nicht ersetzbar.<br />

In der Öffentlichkeit wird die Problematik<br />

stark diskutiert, dass bei<br />

Drohneneinsätzen immer wieder<br />

Unschuldige ums Leben kommen …<br />

Im Prinzip gibt es bei Drohneneinsätzen<br />

die selben Kollateralschäden wie<br />

bei Einsätzen der Luftwaffe. Dies geschieht<br />

vor allem, wenn sich Soldaten<br />

und Zivilisten auf einem engen Raum<br />

befinden oder Zivilisten mit Kämpfern<br />

verwechselt werden. Und genau<br />

daher wird sich an dieser Problematik<br />

auch kaum etwas ändern. Derartige<br />

Kollateralschäden werden sich auch in<br />

Zukunft nicht vermeiden lassen, aber<br />

sicherlich lässt sich ihre Zahl minimieren.<br />

Für den Soldaten, der die Drohnen<br />

mit Display und Joystick steuert,<br />

ist das Ausschalten der Ziele zu einer<br />

Art Computerspiel geworden.<br />

Wie sehen Sie diese Entwicklung?<br />

Auch der Pilot eines Kampflugzeuges<br />

hat keinen direkten Blickkontakt<br />

zu den Opfern. Piloten stehen aber<br />

auch unter einem enormen physischen<br />

Stress, dem der Bediener einer<br />

Drohne nicht ausgesetzt ist. Letzteres<br />

könnte sogar dazu führen, dass der<br />

Bediener einer Drohne mehr Zeit<br />

zum Überdenken einer Situation hat<br />

und sich deswegen mehr Gedanken<br />

über das Töten von Menschen machen<br />

kann. Umgekehrt bestehen für<br />

FOTO S : BEIGESTELLT<br />

M I L I T Ä R A K T U E L L


K O N T R O V E R S E<br />

GASTKOMMENTAR<br />

GEGEN GENFER KONVENTION<br />

PROF. DR. ALBERT A. STAHEL ist Dozent für<br />

Strategische Studien an der Universität Zürich und<br />

Leiter des Institutes für Strategische Studien Wädenswil.<br />

Seit Beginn der ersten Amtszeit der Obama-Administration<br />

haben die Einsätze von Kampfdrohnen<br />

durch die USA gegen vermutete oder<br />

erfasste Terroristen in den pakistanischen Stammesgebieten,<br />

in Somalia und in Jemen beinahe exponentiell<br />

zugenommen. Diese durch Piloten in sicheren Containern<br />

in den USA gesteuerten Drohneneinsätze sind<br />

unter Obama zum bevorzugten Mittel für solche Einsätze<br />

mutiert. Bei der Nachbearbeitung hebt die<br />

Obama-Administration immer wieder hervor, dass<br />

durch Einsätze zielgenau Taliban- und Terroristen-Kommandanten ausgeschaltet<br />

werden. Dass die zielgenaue Ausschaltung dieser Kommandanten<br />

eine Funktion der Genauigkeit der Nachrichtenbeschaffung durch<br />

hochfliegende Drohnen wie die Global Hawks ist, wird verschwiegen.<br />

Wegen der nicht zu vermeidenden Ungenauigkeit der Daten ist es nicht<br />

verwunderlich, dass neben der anvisierten Zielperson auch Häuser von<br />

Unbeteiligten getroffen werden. Vielfach werden durch einen Drohneneinsatz<br />

ganze Familien ausgelöscht. Dass die Tötung von Unbeteiligten<br />

sehr häufig vorkommen dürfte, kann daran ermessen werden, dass in<br />

Jemen die Behörden über einen Fonds verfügen, der durch die USA laufend<br />

angehäuft wird und für die Entschädigung der Familienangehörigen<br />

von getöteten Unbeteiligten dient. Ein Toter wird offenbar mit<br />

10.000 Dollar abbezahlt. Die Tötung von unbeteiligten Zivilisten in einem<br />

Krieg widerspricht aber den Genfer Konventionen des Kriegsvölkerrechts.<br />

Jede kriegführende Partei hat das Leben von unbeteiligten Zivilisten<br />

– dazu gehören insbesondere Frauen und Kinder – zu schonen.<br />

Dieser Auftrag zur Schonung wird durch die Obama-Administration mit<br />

ihren Kampfdrohneneinsätzen verletzt.<br />

Kampfpiloten hohe Anforderungen<br />

hinsichtlich ihrer physischen Leistungsfähigkeit,<br />

die für die Bediener<br />

von Drohnen nicht existieren. Die<br />

Zahl der Personen, die eine Drohne<br />

bedienen können, ist somit potenziell<br />

größer als die von Kampfpiloten. Das<br />

könnte wiederum dazu führen, dass<br />

sich besonders Menschen für die Bedienung<br />

einer Drohne bewerben, die<br />

wenig Skrupel gegenüber dem Töten<br />

empfinden.<br />

Forscher arbeiten daher seit Jahren<br />

an einer „Ethik-Programmierung“.<br />

Damit sollen Drohnen in<br />

Zukunft selbstständig entscheiden<br />

können, welche Ziele angegriffen<br />

werden und welche nicht …<br />

… was die Frage aufwirft, welche Ziele<br />

als „ethisch legitim“ definiert werden.<br />

Denn letztlich überlässt man dadurch<br />

nicht dem Computer die Entscheidung,<br />

sondern verlagert sie vom<br />

Bediener der Drohne auf die Computer-Programmierer.<br />

Daraus ergibt sich<br />

ein zweites, eher technisches Problem:<br />

Wie kann der Computer aufgrund<br />

seiner Programmierung bei<br />

komplexen Situationen entscheiden?<br />

Meines Wissens sind solche Systeme<br />

noch nicht einsatzfähig.


0 2 2 S I C H E R H E I T & W I R T S C H A F T<br />

EUROFIGHTER?<br />

Zuletzt war in heimischen Medien von groben Mängeln<br />

am Eurofighter die Rede. Tatsächlich handelt es sich bei<br />

den nicht sauber entgrateten Nietungen im Rumpfwerk<br />

um einen wohl unschönen Fertigungsfehler, der aber<br />

rasch behoben sein dürfte. Text: GEORG MADER<br />

er Aufschrei war groß.<br />

D<br />

„Produktionsmängel<br />

beim Eurofighter entdeckt!“,<br />

titelte der Boulevard.<br />

Andernorts<br />

war gar von groben<br />

Konstruktionsfehlern oder einer<br />

schwerwiegenden Panne die Rede.<br />

Wer die Berichterstattung undifferenziert<br />

verfolgte, musste den Eindruck<br />

gewinnen, die österreichischen Jets<br />

würden jeden Moment entzweibrechen<br />

und eine Stilllegung sollte besser<br />

gestern als heute erfolgen. Tatsächlich<br />

handelt es sich bei den nicht vollständig<br />

entgrateten Nietungen im Rumpfwerk,<br />

die für all den Trubel verantwortlich<br />

waren, aber nicht um Konstruktions-<br />

oder Entwicklungsfehler,<br />

sondern um einen vergleichsweise<br />

harmlosen Lapsus, der sich – wenn<br />

überhaupt – erst in vielen Jahren auf<br />

unsere Jets auswirkt. In Deutschland<br />

wurde die Lebensdauer der Eurofighter<br />

nach Bekanntwerden der Mikro-Strukturschwächen<br />

zwar vorsorglich<br />

auf 1.500 Stunden halbiert (zum<br />

Vergleich: die 15 österreichischen<br />

Flugzeuge bringen es seit ihrem Operationsbeginn<br />

2008 zusammen auf<br />

etwas mehr als 5.000 Flugstunden, der<br />

älteste rot-weiß-rote Eurofighter zählt<br />

gerade einmal 500 Stunden) und die<br />

weitere Abnahme von Jets gestoppt, in<br />

Großbritannien ist all das nicht einmal<br />

eine Meldung wert. Dort laufen die<br />

Auslieferungen der sogenannten<br />

Tranche-3-Jets wie geplant (zuletzt<br />

etwa zur 6th Sqdn. ins schottische<br />

Lossiemouth) weiter. Auch die Auslieferungen<br />

an Saudi-Arabien und die<br />

Produktion der vom Oman bestellten<br />

Flugzeuge ist durch den Fertigungsmangel<br />

nicht beeinträchtigt. Außerdem<br />

ist wohl in Kürze auch mit einem<br />

Bulletin des Herstellers zu rechnen,<br />

dass die Gratungen beseitigt sind –<br />

was die Lebensdauer wieder anhebt.<br />

Parallel dazu tut sich beim Eurofighter<br />

derzeit aber auch technisch und operational<br />

einiges. Und das gilt für alle<br />

drei Tranchen, wovon sich Militär<br />

Aktuell im Sommer bei Besichtigung<br />

eines Tranche-1-Flugzeugs im Rahmen<br />

der Farnborough Airshow überzeugen<br />

konnte. In dem Jet war etwa<br />

das neue elektronisch strahl- und mechanisch<br />

schwenkende AESA-Radar<br />

Captor-E verbaut, dessen Antenne mit<br />

zwei Taumelscheiben kombiniert wurde,<br />

um den beschränkten Sichtwinkel<br />

fester AESA-Radarantennen zu umgehen.<br />

Durch den Kippwinkel von 40<br />

Grad und die Drehbarkeit in alle Richtungen<br />

kann zusammen mit dem elektronischen<br />

Schwenkwinkel von 60<br />

Grad ein Suchbereich von ± 100 Grad<br />

in Elevation und Azimut realisiert<br />

werden. Die Serienversion soll rund<br />

1.500 Sende- und Empfangsmodule<br />

auf Galliumnitrit-Basis erhalten, mit<br />

je rund 20 Watt praktikabler Leistung.<br />

Prinzipiell wären auch 50 bis 80 Watt<br />

möglich, die Abwärme würde dann<br />

allerdings zu stark steigen. Während<br />

der – auch von Militär Aktuell<br />

besuchten – IQPC-Fachkonferenz<br />

„Fighter 2014“ in London wurde am<br />

19. November bekannt gegeben, dass<br />

die vier Eurofighter-Herstellerländer<br />

nun mit der NATO-Agentur NETMA<br />

den Vertrag über die Serienreife-Entwicklung<br />

und Integration des neuen<br />

Radars unterzeichnet haben. Zwar<br />

müssen Deutschland, Großbritannien,<br />

Italien und Spanien noch entscheiden,<br />

wie viele Flugzeuge in ihren Staffeln<br />

damit tatsächlich ausgerüstet werden,<br />

aber potenzielle Exportkunden müssen<br />

nun zumindest nicht mehr befürchten,<br />

dass sie das Gerät mitentwickeln<br />

und dafür Versuchskaninchen<br />

spielen müssen.<br />

Auch bei der Bewaffnung gibt es<br />

Neuigkeiten: Ebenso auf demselben<br />

Tranche-1-Flugzeug zu sehen war die<br />

Langstrecken-Lenkwaffe MBDA Meteor,<br />

die dank Ramjet-Boostern mit<br />

zumindest vierfacher Schallgeschwindigkeit<br />

(Mach 4) bis zu 100 Kilometer<br />

weit über den Horizont wirken soll.<br />

Außerdem haben BAE und die britische<br />

Royal Air Force (RAF) im Rahmen<br />

des sogenannten Aufwertungslevels<br />

P1Eb für 17 Tranche-2-Flugzeuge<br />

simultan zwei GPS/INS/lasergesteuer-<br />

FOTO S : G E O R G M A D E R , G E O F F L E E<br />

M I L I T Ä R A K T U E L L


E U R O F I G H T E R<br />

te 250 Kilogramm-Lenkbomben Paveway-IV<br />

abgeworfen. Deren nur IR-gelenkter<br />

Vorgänger hatte in der Mehrzweckrolle<br />

auf Tranche 1 bereits 2011<br />

über Libyen sein Debüt. Mit Tranche<br />

2 beziehungsweise P2Ea kommen weitere<br />

Aufwertungen wie ein neuer Datenhelm,<br />

die Einrüstung des Captor-E<br />

und als Anpassung an die sogenannte<br />

EloKa-Inflation neue Versionen des<br />

DASS-Selbstschutzes und des MIDS-<br />

LVT-Datalinks. Endversion wird P3E<br />

in den Typhoons der (Export)-Tranche<br />

3. Um den Betrieb der Jets zu gewährleisten,<br />

werden übrigens 48 britische<br />

Tranche-1-Modelle laut Auskunft<br />

aus Lossiemouth derzeit verstärkt<br />

„abgeflogen“.<br />

Konträr zur österreichischen Wahrnehmung<br />

steht der Eurofighter technisch<br />

ganz vorne in der Top-Liga der<br />

verfügbaren Flugzeuge der vierten<br />

Kampfflugzeug-Generation. Die fünfte,<br />

sogenannte Stealth-Generation, ist<br />

gut doppelt so teuer, aber auch inhärent<br />

bauartbedingten Limits (Waffen<br />

und Treibstoff innen) unterworfen.<br />

Trotz des Radars wird der Typhoon<br />

auch weiterhin den Support der vier<br />

Eurofighter „Core Nations“ kritisch<br />

brauchen, will Airbus Defence & Space<br />

damit in dem engen Markt noch punkten.<br />

Eurofighter-Direktor Alberto<br />

Gutierrez zeigte sich zwar gegenüber<br />

Militär Aktuell überzeugt, dass der Fall<br />

nicht eintreten werde, aber es besteht<br />

die Möglichkeit, dass nach Auslieferung<br />

an den Oman (12 Stück T3) die<br />

Produktion – klarerweise nicht der<br />

Systemerhalt – ausläuft. Deshalb war<br />

2013 die Absage der Emirate, die zuvor<br />

Interesse an mehr als 60 Jets angemeldet<br />

hatten, schmerzhaft, und man ist<br />

umso stärker in Indonesien, Malaysia<br />

oder Dänemark aktiv, wo überall Flugzeugentscheidungen<br />

anstehen. Zudem<br />

könnte es eine zweite Charge von 72<br />

Jets für Saudi-Arabien geben. Auch<br />

das Rennen in Indien, wo es um die<br />

Beschaffung von 126 Flugzeugen geht,<br />

scheint nun wieder offener. Dort war<br />

2011 zwar prinzipiell eine Entscheidung<br />

für die Dassault Rafále gefallen,<br />

da es nach drei Jahren aber immer<br />

noch keinen Vertrag gibt und der französische<br />

Jet in der Zwischenzeit doppelt<br />

so teuer kommt, scheint eine Entscheidung<br />

für den damals knapp zweitgereihten<br />

Eurofighter nun wieder möglich.<br />

Erst recht, seit der deutsche Außenminister<br />

Frank-Walter Steinmeier<br />

gegenüber dem neuen indischen Premier<br />

Narendra Modi zuletzt einen<br />

möglichen Preisnachlass von 2,5 Milliarden<br />

Euro erwähnte. Sollte das Geschäft<br />

tatsächlich noch realisiert werden,<br />

würde das die Eurofighter-Bilanz<br />

natürlich ordentlich aufhübschen.<br />

Aber auch so<br />

wurden mit<br />

Stand Ende 2014<br />

bereits 420<br />

Eurofighter aller<br />

drei Tranchen<br />

ausgeliefert.<br />

STARKE BEWAFFNUNG<br />

Die Meteor-Lenkwaffen<br />

sollen Ziele mit vierfacher<br />

Schallgeschwindigkeit<br />

auch in 100 Kilometer Entfernung<br />

treffen. Oben im<br />

Bild: Eurofighter-Direktor<br />

Alberto Gutierrez.<br />

M I L I T Ä R A K T U E L L


0 2 4 A D V E R T O R I A L<br />

INFRASTRUKTUR<br />

SCHÜTZEN!<br />

SCHUTZ KRITISCHER<br />

INFRASTRUKTUR<br />

Bei der „Netzwerk 2014“<br />

übten sich die Soldaten im<br />

sicherheitspolizeilichen<br />

Assistenzeinsatz. Ziviler<br />

Übungsteilnehmer war auch<br />

das DDSG-Flaggschiff<br />

MS Admiral Tegetthoff.<br />

Die Miliz erhält im Zuge der Neuausrichtung<br />

des Bundesheeres einen stärkeren regionalen<br />

Bezug. Erstmals sichtbar wurde das bei der<br />

Großübung „Netzwerk 2014“ in Wien.<br />

itte November<br />

M<br />

fand in Wien die<br />

groß angelegte<br />

Gefechtsübung<br />

„Netzwerk 2014“<br />

statt. Unter der<br />

Leitung des Militärkommandos Wien<br />

trainierten dabei insgesamt 800 Soldatinnen<br />

und Soldaten, darunter 600<br />

Milizsoldaten, fünf Tage lang gemeinsam<br />

mit Polizei und zivilen Organisationen<br />

wie den ÖBB, der Donaudampfschifffahrtsgesellschaft<br />

und dem Wiener<br />

Hafen den Schutz kritischer Infrastruktur<br />

im sicherheitspolizeilichen Assistenzeinsatz,<br />

etwa bei Terroranschlägen.<br />

Im Einsatz waren dabei das Miliz-<br />

Jägerbataillon Wien 1 „Hoch- und<br />

Deutschmeister“, die Garde sowie die<br />

Militärpolizei mit Militärstreifenhundetrupps.<br />

Außerdem das Pionierbatail-<br />

lon 3 aus Melk mit vier Arbeits- und<br />

Transportbooten und das Pionierbataillon<br />

1 mit Kampfmittelbeseitiger und<br />

dem Entschärfungsroboter Theodor.<br />

Als Schutzobjekte und Übungsraum<br />

wurden neben dem Erdöl-Tanklager<br />

Lobau und den Kraftwerken Donaustadt<br />

und Freudenau der Wiener Hafen,<br />

der Hafen Lobau sowie das Siemensgebäude<br />

in der Siemensstraße<br />

gewählt. „Die Miliz hat bei der Übung<br />

mit sehr viel Engagement und Kom -<br />

petenz aufzeigen können und hatte –<br />

ganz im Sinne der Neuausrichtung der<br />

Miliz – einen klaren regionsbezogenen<br />

Auftrag und wurde dort eingesetzt, wo<br />

sie auch herkommt“, zog Bataillonskommandant<br />

Oberstleutnant Michael<br />

Blaha eine zufriedenstellende Bilanz<br />

der Übung und ergänzte: „Ich habe das<br />

als irrsinnig identitätsstiftend wahrge-<br />

„SCHRITT IN DIE RICHTIGE RICHTUNG“ Bataillonskommandant Oberstleutnant<br />

Michael Blaha (in der Bildmitte sitzend) zeigte sich mit dem Ablauf der Großübung zufrieden.<br />

nommen. Eine Wiener Milizeinheit<br />

kam im Raum Wien zum Einsatz und<br />

arbeitete dort mit Wiener Firmen und<br />

der Wiener Polizei zusammen. Dadurch<br />

ergibt sich eine viel stärkere Bindung<br />

und eine intensivere Verschränkung,<br />

als das bei früheren Übungen und Einsätzen<br />

der Fall war, und es konnte in<br />

beide Richtungen Verständnis dafür<br />

geschaffen werden, was wir da tun.“<br />

Dazu komme laut Oberstleutnant Blaha,<br />

dass es sich beim Übungsziel – dem<br />

Schutz kritischer Infrastruktur – um<br />

„einen sinnvollen Übungsansatz“ handle,<br />

der den Milizsoldaten zudem erfüllbar<br />

erscheint. „Das entspricht einem<br />

realistischen Aufgabenspektrum und<br />

ist in jedem Fall ein Schritt in die richtige<br />

Richtung, durch den wir uns langfristig<br />

auch eine stärkere Verankerung<br />

der Miliz in unserer Gesellschaft erwarten.“<br />

Und nicht zuletzt auch einen<br />

stärkeren Zulauf zu den Milizeinheiten,<br />

in den kommenden drei Jahren sollen<br />

schließlich zwölf zusätzliche Milizkompanien<br />

aufgestellt werden.<br />

FOTO S : B U N D E S H E E R / C H R I ST I A N J O H A N N E S , B U N D E S H E E R / G U N T E R P U S C H , B U N D E S -<br />

H E E R / C L AU S T R I E B E N B AC H E R<br />

M I L I T Ä R A K T U E L L


E N T G E L T L I C H E E I N S C H A L T U N G<br />

AUFWERTUNG<br />

DER MILIZ<br />

Aufgrund der Budgetlage ist das Bundesheer<br />

gezwungen, seine Strukturen in den kommenden<br />

Jahren anzupassen – entsprechende<br />

Pläne wurden bereits Anfang Oktober<br />

präsentiert. Ziel ist es, sich in Zukunft vermehrt<br />

auf die Erfüllung der <strong>militär</strong>isch einsatzwahrscheinlichsten<br />

Aufgaben zu konzentrieren.<br />

Die Wehrdienstreform, Auslandseinsätze,<br />

Cyber Defence und die Katastrophenhilfe<br />

bleiben von den Einsparungen weitgehend<br />

ausgenommen und werden weiterhin<br />

sichergestellt, das Milizsystem wird sogar<br />

aufgewertet. Bis 2018 sollen insgesamt zwölf<br />

zusätzliche Kompanien aufgestellt und vermehrt<br />

Milizübungen abgehalten werden.<br />

Außerdem erhält die Miliz einen klaren<br />

<strong>militär</strong>ischen Auftrag und eine klare regionale<br />

Zuordnung, wie das zuletzt auch bereits bei<br />

der Großübung „Netzwerk 2014“ augenscheinlich<br />

wurde.<br />

www.bundesheer.at/miliz/milizservice.shtml<br />

M I L I T Ä R A K T U E L L


0 2 6 H E E r & M E H r<br />

SICHERHEIT IM<br />

NETZ<br />

ICE CHEST 2014:<br />

ERFOLGREICHE PIONIERARBEIT<br />

Der effiziente Aufbau einer mobilen Führungszentrale für<br />

Auslandseinsätze war das Ziel der Übung „ICE Chest 2014“.<br />

Gemeinsam mit 120 Kameraden der Bundeswehr errichteten<br />

60 österreichische Soldaten am Truppenübungsplatz Heuberg<br />

das multinationale Hauptquartier „Initial Command Element“<br />

(ICE). Dabei mussten die Pioniere der Bataillone aus Mautern<br />

und Salzburg in 18 Tagen 8.000 Kubikmeter Erde abtragen, 770<br />

Meter Drainagerohre verlegen und 11.300 Quadratmeter Geotextilplanen<br />

verlegen. Außerdem besiegelten das deutsche<br />

Multinationale Kommando Operative Führung aus Ulm und das<br />

österreichische Panzerstabsbataillon 3 eine Partnerschaft.<br />

M I L I T Ä R A K T U E L L


N E W S A U S D E N S T R E I T K R Ä F T E N<br />

FoTo S : B u N D E S h E E R / C A R i N A KA R Lov i TS , B u N D E S h E E R / KA R L<br />

S C h ö N , B u N D E S h E E R / h E L M u T K R E i M E L , B u N D E S h E E R / W.<br />

h A i N Z L , B E i G E ST E L LT<br />

Mit einem Sieg des Teams Österreich<br />

endete die „Cyber Security Challenge“,<br />

die im Rahmen der Informations-, Kommunikations-<br />

und Technologie-Sicherheitskonferenz<br />

(IKTS) im November in<br />

Fürstenfeld stattfand. Die rot-weiß-rote<br />

Equipe konnte sich bei dem Vergleichskampf<br />

der besten Nachwuchstalente im<br />

Computer-Hacking gegen Mannschaften<br />

aus der Schweiz und Deutschland<br />

durchsetzen. Bei der bereits zum dritten<br />

Mal vom Abwehramt des Bundesheeres<br />

organisierten Veranstaltung selbst<br />

erörterten 1.400 Tagungsteilnehmer,<br />

60 Vortragende (im Bild Oberst Walter<br />

Unger, Leiter der Cyber Defence des<br />

Bundesheeres) und 40 Aussteller aus<br />

sieben Nationen zwei Tage lang Bedrohungen<br />

im Cyberraum und diskutierten<br />

mögliche Abwehr- und Sicherheitsmaßnahmen.<br />

ERDBEBEN IN<br />

NIEDERÖSTERREICH!<br />

Ein Erdbeben der Stärke 6,0 nach Richter<br />

brachte im südlichen Niederösterreich<br />

Wohnhäuser und Brücken zum Einsturz.<br />

Straßen-, Bahn- und Stromverbindungen<br />

wurden unterbrochen, Menschen verletzt<br />

und verschüttet. Dieses Szenario<br />

stellte das Bundesheer und 30 Blaulichtorganisationen<br />

bei der niederösterreichischen<br />

Landeskatastrophenschutzübung,<br />

die im November im Raum Wiener<br />

Neustadt stattfand, vor eine große<br />

Aufgabe. 800 Einsatzkräfte, darunter<br />

250 Soldaten der Pioniere, der ABC-<br />

Abwehrtruppe und des Jägerbataillons<br />

12 zeigten dabei ihr Können an 20<br />

Einsatzorten. Zentrum des Geschehens<br />

bildete der Übungsplatz „Tritolwerk“<br />

des Bundesheeres in Theresienfeld.<br />

„WIR SIND SEIT 2012<br />

PARTNER DES BUNDESHEERES“<br />

Die Hypo Niederösterreich ist einer der wichtigsten zivilen Partner des<br />

Bundesheeres. Wir haben mit Franz Siegl, Partnerschaftsbeauftragter<br />

der niederösterreichischen Landesbank, über die Hintergründe<br />

dieser Zusammenarbeit gesprochen.<br />

Wie lange besteht die Zusammenarbeit<br />

zwischen der Hypo Niederösterreich<br />

und dem Bundesheer bereits?<br />

Als Regionalbank und Bank des Landes<br />

möchte die Hypo Niederösterreich auch<br />

abseits des Bankgeschäftes ein Partner für<br />

die Region Niederösterreich sein. Dazu zählt<br />

es für uns auch, Organisationen und Vereine,<br />

die einen integrativen Bestandteil des Bundeslandes<br />

darstellen, zu fördern und zu unterstützen.<br />

Die Hypo Niederösterreich hat daher<br />

bereits im Laufe des Jahres 2011 Gespräche<br />

mit dem Bundesheer aufgenommen und<br />

am 15. Februar 2012 ihre erste Partnerschaft<br />

mit der Flieger- und Fliegerabwehrtruppenschule<br />

in Langenlebarn öffentlich begründet.<br />

FRANZ SIEGL ist Partnerschaftverantwortlicher<br />

der Hypo NÖ für das<br />

Bundesheer.<br />

Eine konkrete Partnerschaft der Hypo Niederösterreich besteht<br />

auch mit dem Truppenübungsplatz Allentsteig. Wie gestaltet sich<br />

hier die Kooperation?<br />

Diese Partnerschaft besteht seit 30. Juni 2012, wobei Schwerpunkte<br />

seitens der Bank in der Unterstützung im kulturellen, sportlichen und<br />

gesellschaftlichen Bereich gesetzt wurden. Abgerundet werden die<br />

gegenseitigen Kontakte durch die Abhaltung von Fachvorträgen und<br />

die Teilnahme an offiziellen Veranstaltungen.<br />

Wie sieht die zukünftige Zusammenarbeit aus? Sind weitere<br />

Partnerschaften mit dem Bundesheer geplant?<br />

Zwischenzeitlich haben wir unser Ziel, in jedem Landesviertel einen<br />

Partner des Bundesheeres zu unterstützen, erreicht. Die Hypo Niederösterreich<br />

freut sich über die partnerschaftliche Zusammenarbeit mit<br />

der Einsatzbasis Jagdkommando in Wiener Neustadt, der 3. Panzergrenadierbrigade<br />

in Mautern und dem Jägerbataillon 12 in Amstetten<br />

sowie mit der Flieger- und Fliegerabwehrschule Langenlebarn (siehe<br />

Bild ganz oben) und dem Truppenübungsplatz Allentsteig. Zusätzlich<br />

sind wir eine Partnerschaft mit dem Jägerbataillon Wien 1 „Hoch- und<br />

Deutschmeister“ eingegangen. Auch bankorganisatorisch zeigt sich<br />

der Stellenwert der Zusammenarbeit innerhalb des Konzerns: Im<br />

Vorstandssekretariat wurde beispielsweise eine eigene Stelle für<br />

den sogenannten Partnerschaftsverantwortlichen eingerichtet.<br />

M I L I T Ä R A K T U E L L


0 2 8 H E E R & M E H R<br />

„DAS BUNDESHEER<br />

STEHT VOR EINEM<br />

SCHWIERIGEN WEG!“<br />

Die finanzielle Situation des Bundesheeres ist aktuell alles andere als rosig.<br />

Im Interview mit Militär Aktuell hegt Generalstabschef Othmar Commenda<br />

aber nur bedingt Hoffnung auf Besserung. Interview: JÜRGEN ZACHARIAS<br />

Herr General, vor einem<br />

Jahr haben wir in einem<br />

Interview in erster<br />

Linie über die Wehrdienstreform<br />

gesprochen.<br />

Ob diese bei der<br />

Truppe greift, konnte damals noch<br />

nicht klar gesagt werden. Haben Sie<br />

dazu nun bereits Rückmeldungen?<br />

Mit der Umsetzung der Reform des<br />

Wehrdienstes wurde und wird diese einer<br />

ständigen Evaluierung unterzogen.<br />

Neben der ressortinternen Prüfung des<br />

Umsetzungsfortschritts der festgelegten<br />

Maßnahmen durch die verantwortlichen<br />

Kommandanten und Dienststellen,<br />

dient auch die strukturierte Befragung<br />

der Grundwehrdiener als Instrument<br />

zur Feststellung des Ist-Standes,<br />

aber auch zur positiven Weiterentwicklung<br />

des Wehrdienstes. Die Evaluierung<br />

zeigt, dass die Reform und die bis dato<br />

eingeleiteten Maßnahmen zur Attraktivierung<br />

des Grundwehrdienstes auf<br />

Resonanz bei der Truppe und den<br />

Grundwehrdienern stoßen.<br />

Können Sie das konkretisieren?<br />

Welche Maßnahmen kommen etwa<br />

besonders gut an?<br />

Hervorzuheben sind signifikante Verbesserungen<br />

der Sportausbildung und positive<br />

Weiterentwicklungen im Bereich<br />

der <strong>militär</strong>ischen Ausbildung durch die<br />

Einführung von Wahlpflichtmodulen.<br />

Und wo gibt es Nachholbedarf?<br />

Vor allem der Bereich der Infrastruktur<br />

gilt nach wie vor als verbesserungswürdig.<br />

Zwar wurden 2014 Investitionen<br />

zur Verbesserung der Unterbringung<br />

der jungen Soldaten getätigt, jedoch<br />

sind diese budgetär bedingt nicht ausreichend,<br />

um eine Verbesserung der<br />

Gesamtsituation herbeizuführen.<br />

Sehen Sie die Wehrdienstreform<br />

damit erfolgreich umgesetzt?<br />

Infolge der eingeleiteten Reformierung<br />

des Wehrdienstes wurden viele Einzelmaßnahmen<br />

umgesetzt, sodass erste<br />

Effekte innerhalb der Truppe positiv<br />

wahrgenommen wurden. Teilbereiche<br />

der Reform sind allerdings aufgrund<br />

der dramatischen Ressourcenlage noch<br />

nicht realisiert. Die Reform soll überdies<br />

nicht auf eine einmalige Wirkung beschränkt<br />

bleiben, sondern vielmehr als<br />

Anstoß eines fortlaufenden Prozesses<br />

der Verbesserung angesehen werden.<br />

Die prekäre Finanzlage des Bundesheeres<br />

war zuletzt auch in der Öffentlichkeit<br />

ein großes Thema. Wie<br />

schlimm ist die Situation wirklich?<br />

Das Bundesheer steht gegenwärtig vor<br />

einem sehr schwierigen Weg in die Zukunft.<br />

Mit dem Bericht zur ressourcenbedingten<br />

Mittelfristplanung bis 2018<br />

an den Herrn Bundesminister wurde<br />

durch den Generalstab ein Schritt gesetzt,<br />

um auf die sich neuerlich geänderte<br />

Finanzsituation zu reagieren. Zur Erreichung<br />

der budgetären Ziele war es<br />

notwendig, neben den bereits angeordneten<br />

Einschränkungen drastische Einschnitte<br />

und Veränderungen in den<br />

Strukturen und Abläufen einzuplanen.<br />

Wenn das Bundesheer weiterhin komplexe<br />

Aufgabenstellungen im In- und<br />

Ausland bewältigen und Systeme wie<br />

Hubschrauber und Flugzeuge betreiben<br />

soll, benötigt es dafür auch Geld. Ohne<br />

zusätzliche finanzielle Mittel wird es<br />

nicht möglich sein, einen Fähigkeitserhalt<br />

zu garantieren und notwendige<br />

Fähigkeiten auszubauen.<br />

Ist das Gröbste dabei bereits überstanden<br />

oder ist mit weiteren, harten<br />

Einschnitten zu rechnen?<br />

Der im Oktober an den Herrn Bundesminister<br />

vorgelegte Bericht beinhaltet<br />

alle zu treffenden Maßnahmen zur Einhaltung<br />

der budgetären Sparvorgaben<br />

bis 2018. Diese umfassen rund 200 Millionen<br />

Euro jährlich. Weitere Einschnitte<br />

schließe ich aus derzeitiger Sicht<br />

nicht aus, da die politischen Entscheidungen<br />

über den Umfang der geforder-<br />

ZUR PERSON<br />

Geboren 1954 in Wels, absolvierte<br />

Othmar Commenda nach seinem Präsenzdienst<br />

die Offiziersausbildung an<br />

der Militärakademie und war danach<br />

als Zugs- und Kompaniekommandant<br />

beim Panzerbataillon 14 in Wels eingesetzt.<br />

Nach zahlreichen Beförderungen<br />

und Fortbildungen (u. a. Generalstabsausbildung<br />

an der Landesverteidigungsakademie<br />

und Ausbildung<br />

am US Army War College) wurde Generalleutnant<br />

Commenda 2008 zum<br />

Stellvertreter des Generalstabschefs<br />

ernannt, von 24. Jänner bis 8. November<br />

2011 war er interimistischer Chef<br />

des Generalstabes.<br />

M I L I T Ä R A K T U E L L


I N T E R V I E W<br />

FOTO : H B F/ H A R A L D M I N I C H<br />

ten finanziellen Mittel für Sonderausgaben<br />

bis zum gegenwärtigen Zeitpunkt<br />

nicht getroffen wurden. Ich persönlich<br />

blicke der Zukunft des Bundesheeres<br />

mit großer Besorgnis entgegen.<br />

Ist die Strukturreform die einzige<br />

Möglichkeit, um dem Bundesheer<br />

das Überleben zu sichern?<br />

Ich möchte mich zunächst vom Begriff<br />

Strukturreform distanzieren. Reformen<br />

leiten eine größere, aber vor allem<br />

planvolle Umgestaltung bestehender<br />

Systeme ein und stehen somit für Fortschritt<br />

und Weiterentwicklung. Reformen<br />

aus Geldmangel funktionieren<br />

nicht und lösen in der Regel auch keine<br />

Probleme. Alle bisher getroffenen<br />

und noch zu treffenden Maßnahmen<br />

sind dem Sparzwang geschuldet und<br />

stehen nicht für Fähigkeitszuwachs,<br />

sondern führen dazu, dass Aufgaben,<br />

welche in der Sicherheitsstrategie festgelegt<br />

sind, nicht mehr erfüllt werden<br />

können. Um die durch die Politik vorgegebene<br />

budgetäre Zielsetzung zu erreichen,<br />

ist die Anpassung der Binnenstruktur<br />

des Bundesheeres alleine<br />

nicht ausreichend. Das vorgelegte<br />

Maßnahmenpakt umfasst folglich<br />

auch drastische Kürzungen im Bereich<br />

des Personals, der Führungs- und Unterstützungsorganisation,<br />

die Neuausrichtung<br />

der Ausbildungsorganisation,<br />

Änderungen in der Materialbewirtschaftung<br />

oder die Reduzierung der<br />

gepanzerten Kampf- und Gefechtsfahrzeuge,<br />

um nur einige zu nennen.<br />

Orten Sie aktuell genug politischen<br />

Willen dafür, dass es in Zukunft<br />

mehr Geld für das Bundesheer gibt?<br />

Das Bundesheer hat in den vergangenen<br />

zehn Jahren zahlreiche innovative<br />

und zukunftsweisende Konzepte vorgelegt.<br />

Die Umsetzung von derartigen<br />

Konzepten war und ist allerdings immer<br />

vom Budget abhängig. Das dafür<br />

notwendige Geld wurde aber von der<br />

Politik nie zur Verfügung gestellt. Dieses<br />

Faktum ist aus meiner Sicht auch<br />

für die nahe und ferne Zukunft des<br />

Bundesheeres besorgniserregend. Inwieweit<br />

der benötigte zusätzliche Finanzbedarf<br />

bis 2018 Berücksichtigung<br />

finden wird, ist letztlich Gegenstand<br />

des aktuellen politischen Diskurses.<br />

Diesbezüglich erwarte ich bis Ende des<br />

Jahres konkrete politische Vorgaben.<br />

Angenommen, es gibt mehr Geld,<br />

was soll damit konkret passieren?<br />

Zusätzliche finanzielle Mittel werden<br />

insbesondere dazu eingesetzt, den<br />

Fähigkeitserhalt und den unbedingt<br />

notwendigen Fähigkeitszuwachs sicherzustellen.<br />

Dazu zählt unter anderem die<br />

zwingend notwendige Modernisierung<br />

der Luftstreitkräfte, insbesondere die<br />

Ersatzbeschaffung der Mehrzweckhubschrauber<br />

des Typs Alouette 3 und<br />

OH58, sowie ein Avionik-Update für<br />

den Hubschrauber S-70 Black Hawk.<br />

Ebenfalls ist es notwendig, den Ersatz<br />

für das Ergänzungsflugzeug Saab-105Ö<br />

einzuleiten. Im Bereich der Land- und<br />

Spezialeinsatzkräfte gilt es verstärkt in<br />

den Schutz und in die Mobilität unserer<br />

Soldaten zu investieren, um die an uns<br />

gestellten Anforderungen im In- und<br />

Ausland zu erfüllen. Des Weiteren sind<br />

durch zusätzliche Finanzmittel der Aufwuchs<br />

der Miliz und die Sanierung der<br />

<strong>militär</strong>ischen Infrastruktur zu forcieren<br />

und die Reform des Wehrdienstes weiter<br />

umzusetzen.<br />

Mit welchem Mehrbedarf ist dabei<br />

zu rechnen?<br />

Konkrete Zahlen wurden dem Herrn<br />

Bundesminister für Landesverteidigung<br />

vorgelegt und sind Teil der laufenden<br />

politischen Gespräche. Sie<br />

verstehen, dass ich dem Herrn<br />

Bundesminister diesbezüglich nicht<br />

vorgreifen möchte.<br />

M I L I T Ä R A K T U E L L


0 3 0 H E E R &<br />

M<br />

E H R<br />

NICHTS DEM ZUFALL ÜBERLASSEN<br />

Der Personenzugriff ist eine der hochspezialisierten<br />

Aufgaben der Militärstreife<br />

& Militärpolizei. Zur Sache geht<br />

es dabei vor allem bei Auslandseinsätzen<br />

oder auf Anforderung des BMI.<br />

FAHNDEN<br />

Der Militärstreife & Militärpolizei des Bundesheeres<br />

kommen Aufgaben von Personenschutz über <strong>militär</strong>ischen<br />

Eigenschutz bis hin zu Sonderermittlungstätigkeiten zu.<br />

Militär Aktuell besuchte den Spezialverband in der Wiener<br />

Maria-Theresien-Kaserne. Text: JOHANNES LUXNER Fotos: SEBASTIAN FREILER<br />

Der Blick in den Kasernenraum<br />

lässt nichts<br />

Gutes ahnen. Ein Soldat<br />

liegt regungslos<br />

auf dem Bett und<br />

direkt daneben am<br />

Boden eine Pistole. Die Hand des<br />

Mannes ist blutig, und dort, wo sein<br />

steifer Oberarm über den Bettrand<br />

ragt, bildete sich am Parkettboden<br />

eine kleine Blutlacke. Noch viel<br />

mehr Blut ist auf der Matratze neben<br />

dem Kopf des Soldaten zu sehen.<br />

Dieses Szenario ist nichts für<br />

schwache Nerven und könnte einer<br />

Fernsehserie entstammen. Da passen<br />

auch die beiden Sonderermittler<br />

der Militärstreife & Militärpolizei<br />

des Bundesheeres gut ins Bild. Sie<br />

tragen weiße Overalls, Mundschutz<br />

und Gummihandschuhe. Ihre Aufmerksamkeit<br />

gilt zunächst den Gegenständen<br />

im Raum, um die Spuren<br />

mittels kleiner durchnummerierter<br />

Täfelchen zu markieren. Sie<br />

werden noch Stunden hier verbringen,<br />

DNA-Spuren sichern, Fingerabdrücke<br />

nehmen, das Handy des Toten<br />

überprüfen und alle anderen<br />

Maßnahmen tätigen, um den Tatort<br />

gerichtsverwertbar aufzuarbeiten.<br />

Zum Glück handelt es sich bei alledem<br />

nur um ein Übungsszenario,<br />

das aber anschaulich zeigt, dass die<br />

Sonderermittler der Militärstreife &<br />

Militärpolizei im Grunde dieselben<br />

Abläufe und Tätigkeiten wie ihre<br />

Kollegen von der Polizei ausüben.<br />

Ausgebildet wurden sie von der<br />

Sicherheitsakademie des Bundesministeriums<br />

für Inneres, für das sie<br />

im Falle eines sicherheitspolizeilichen<br />

Assistenzeinsatzes theoretisch<br />

auch tätig werden könnten. Wobei<br />

polizeiliche Befugnisse nur im<br />

Ausland ausgeübt werden dürfen,<br />

wie einer der Sonderermittler, der<br />

M I L I T Ä R A K T U E L L


T R U P P E N B E S U C H<br />

CSI MILITÄRPOLIZEI<br />

Tatorte werden von den<br />

Mitarbeitern gerichtsverwertbar<br />

aufgenommen.<br />

Im Kosovo musste auf<br />

diese Art der Suizid eines<br />

italienischen Soldaten<br />

geklärt werden.<br />

ERMITTELN<br />

anonym bleiben muss, erzählt: „Als<br />

ich im Kosovo eingesetzt war, ging<br />

es etwa darum, den Suizid eines italienischen<br />

Soldatenkollegen zu klären.<br />

Wir mussten den Fall so aufnehmen,<br />

dass er für italienische Gerichte<br />

verwertbar war.“ Keine leichte<br />

Aufgabe, die allerdings nur einen<br />

kleinen Teil im breiten Spektrum der<br />

350 Personen umfassenden Militärstreife<br />

& Militärpolizei ausmacht<br />

(siehe auch Kasten rechts).<br />

„Im Grunde bezieht sich unsere Tätigkeit<br />

auf beinahe alle Aspekte der<br />

polizeilichen Arbeit“, umreißt Oberleutntant<br />

Dieter Unterassinger das<br />

Aufgabenfeld. Deshalb gehören<br />

Hundeführer ebenso zur Einheit<br />

wie die Militärstreife. Finden große<br />

Veranstaltungen in der Dimension<br />

der Airpower oder der jährlichen<br />

Leistungsschau am Heldenplatz<br />

statt, sind die Leistungen der Militärstreife<br />

& Militärpolizei ebenso gefragt<br />

wie im Bereich des Personen-<br />

schutzes, wo ebenfalls eine hochgradige<br />

Spezialisierung notwendig ist.<br />

In Summe erfüllen die Einsatzeinheiten<br />

der Militärpolizei, die sich<br />

auf die Standorte Salzburg, Graz<br />

und Wien aufteilen, jedes Jahr<br />

um die 4.500 Streifenaufträge im<br />

Dienste der Sicherheit.<br />

Sind hochrangige Militärvertreter auf<br />

offiziellem Österreichbesuch, sind<br />

Mitarbeiter der Militärstreife & Militärpolizei<br />

für die Sicherheit der Gäste<br />

zuständig, bis diese das Land wieder<br />

verlassen haben. Statt Uniformen<br />

tragen sie dunkle Anzüge und ihre<br />

Fahrzeuge zeigen keinen <strong>militär</strong>ischen<br />

Zusammenhang. Auch diese<br />

Mitarbeiter müssen anonym bleiben.<br />

„In unsere Tätigkeit fallen aber<br />

auch Sicherheitsanalysen, sichere<br />

Routenplanungen und das<br />

Festlegen von ,Alpharouten‘<br />

und alternativen ,Bravorouten‘<br />

falls unerwartete Hindernisse<br />

auftauchen. Unsere Arbeit<br />

MILITÄRSTREIFE &<br />

MILITÄRPOLIZEI<br />

War die Militärstreife<br />

einst den jeweiligen<br />

Landeskommandos<br />

unterstellt, so gibt sie<br />

sich seit dem Jahr<br />

2007 vollkommen<br />

neu strukturiert. Seitdem<br />

stellt die Militärstreife & Militärpolizei<br />

als Spezialverband des Bundesheeres<br />

eine eigene Einheit dar,<br />

deren Kommando ihren Sitz in der<br />

Wiener Maria-Theresien-Kaserne hat.<br />

Zudem ist in Wien die Abteilung für<br />

Lehre und Grundlagenarbeit sowie<br />

das Personenschutzelement beheimatet.<br />

Mit den Standorten Wien, Graz<br />

und Salzburg existieren in Österreich<br />

drei Einsatzeinheiten der Militärstreife<br />

& Militärpolizei. Ihre Grundaufgabe<br />

ist der Schutz der Truppe und aller<br />

<strong>militär</strong>ischer Einrichtungen. Neben<br />

den klassischen Aufgaben der Militärstreife<br />

ist im Kommando auch der<br />

Personenschutz integriert, und ein<br />

ganz wesentlicher Tätigkeitsbereich<br />

sind die Auslandseinsätze der Militärstreife<br />

& Militärpolizei. Von ungefähr<br />

350 Mitarbeitern befinden sich ständig<br />

um die 40 Personen im Ausland,<br />

um als Militärpolizisten für die<br />

Sicherheit und Ordnung innerhalb<br />

der Bundesheerkontingente zu sorgen.<br />

Generell gibt sich das Aufgabenspektrum<br />

sehr weitreichend: Es<br />

besteht aus der Überwachung des<br />

<strong>militär</strong>ischen Eigenschutzes, dem<br />

Ordnungsdienst, dem Schutzdienst,<br />

dem Ermittlungsdienst, dem Verkehrsdienst,<br />

der Informationsgewinnung,<br />

dem Einsatz von Diensthunden<br />

und auch dem Gefangenen- und Internierungswesen,<br />

das vor allem für<br />

die Auslandseinsätze in Kooperation<br />

mit dem Justizministerium ausgebildet<br />

wird. Im Jahr 2011 wurde die<br />

Militärstreife & Militärpolizei zur<br />

„Unit of the Year“ gewählt.<br />

Oberösterreich<br />

Salzburg<br />

Kärnten<br />

Niederösterreich<br />

Steiermark<br />

M I L I T Ä R A K T U E L L


0 3 2 H E E R & M E H R<br />

& SCHÜTZEN<br />

Militärstreife & Militärpolizei als personenschützer Sie sorgen beispielsweise für<br />

die Sicherheit hochrangiger Militärs, wenn diese zu Besuch in Österreich sind.<br />

beinhaltet aber auch, vorab Fluchtwege<br />

zu definieren, falls tatsächlich<br />

etwas passiert“, erzählt einer der<br />

Personenschützer.<br />

Keine andere Einheit des Bundesheeres<br />

hat – gemessen an ihrem<br />

Grundpersonalstock – so viele Mitarbeiter<br />

im ständigen Auslandseinsatz<br />

wie die Militärstreife & Militärpolizei.<br />

Von den 350 Beschäftigten<br />

befinden sich etwa 40 bei internationalen<br />

Einsätzen – aktuell beispielsweise<br />

beim EUFOR-Einsatz in<br />

Bosnien oder eben beim KFOR-<br />

Einsatz im Kosovo, wo es eine enge<br />

Zusammenarbeit mit den italienischen<br />

Carabinieri gibt. Aber nicht<br />

nur bei solchen Einsätzen stehen<br />

sich die rot-weiß-rote Militärpolizei<br />

und die Carabinieri nahe. Im Zuge<br />

einer Ausbildungskooperation der<br />

Bundesheer-Einheit mit der WEGA<br />

sind die Carabinieri bei diesen hoch<br />

spezialisierten Kursen ebenso zu<br />

Gast wie etwa deutsche Feldjäger<br />

der Bundeswehr.<br />

„Unsere Einsätze sind nicht von langer Hand planbar“<br />

oberleutnant Dieter<br />

Unterassinger<br />

„Unser Auftrag im Kosovo war die<br />

Aufrechterhaltung der öffentlichen<br />

Ordnung und Sicherheit.“<br />

sie sind derzeit als logistikoffizier der<br />

Militärstreife & Militärpolizei tätig – ein<br />

aufgabenbereich welcher art?<br />

Als Logistikoffizier bin ich dafür zuständig,<br />

das richtige Personal mit der richtigen<br />

Ausstattung zum richtigen Zeitpunkt<br />

auszurüsten. Die Tätigkeit dreht sich<br />

vorwiegend um die Koordinierung aller<br />

Ausrüstungskomponenten, damit wir<br />

unsere Unterstützungsleistung für die<br />

Truppe entsprechend entsenden können.<br />

Ich bin aber auch dafür verantwortlich<br />

die richtigen Leute zu den jeweiligen<br />

Auslandseinsätzen zu entsenden.<br />

sie waren im Jahr 2011 als zugskommandant<br />

selbst im Kosovo. Wie darf<br />

man sich die dortigen aufgaben der<br />

Militärpolizei vorstellen?<br />

Unser Auftrag war die Aufrechterhaltung<br />

der öffentlichen Ordnung und Sicherheit.<br />

Strukturell waren wir in ein italienisches<br />

Bataillon eingebettet – dabei waren wir das<br />

kleinste Element und für Aufgabenbereiche<br />

wie Informationsgewinnung ebenso zuständig<br />

wie für die Kontakte zu lokalen<br />

Behörden, zur lokalen Polizei und auch zur<br />

Bevölkerung. Aber etwa auch Aufklärungstätigkeiten<br />

entlang der Marschrouten gehörten<br />

hier dazu. Wir haben aber auch in<br />

Kooperation mit der kosovarischen Polizei<br />

Checkpoints errichtet und waren in ständiger<br />

Bereitschaft für Ordnungseinsätze,<br />

falls es zu Demonstrationen kommt. Wir<br />

bekamen dort die generelle Ablehnung<br />

gegenüber der KFOR deutlich zu spüren.<br />

Farbbeutel und Steine wurden auf unsere<br />

Leute geworfen und es kam auch zu<br />

Beschüssen und Überschüssen. Es ist Gott<br />

sei Dank nichts passiert. Alles in allem eine<br />

sehr fordernde aber interessante Aufgabe.<br />

Was fordert in Österreich am meisten?<br />

Die Kurzfristigkeit der Einsätze, weil wir<br />

in erster Linie Service- und Unterstützungsleister<br />

sind – sogenannte Force-Provider.<br />

Unsere Einsätze sind nicht von langer Hand<br />

planbar. Es kann sein, dass ich innerhalb<br />

einer Woche Sonderermittler für einen Auslandseinsatz<br />

koordinieren muss – dass alles<br />

an Geräten vorhanden ist und alle Mitarbeiter<br />

verfügbar sind.<br />

M i l i t ä r a K t U e l l


Ball der Offiziere<br />

16. Jänner 2015<br />

www.ballderoffiziere.at


0 3 4 H E E R & M E H R<br />

„Jeder, der einen<br />

Tag länger als die<br />

verpflichtenden<br />

sechs Monate beim<br />

Bundesheer bleiben<br />

möchte, wandert<br />

über unseren<br />

Schreibtisch.“<br />

Vizeleutnant Hermann Dunkler<br />

DER<br />

BERATER<br />

Das Heerespersonalamt beschäftigt österreichweit 32 Wehrdienstberater. Wir haben<br />

mit Vizeleutnant Hermann Dunkler von der Rekrutierungsgruppe Wien einen von ihnen<br />

einen Tag lang bei seiner Arbeit begleitet.<br />

Text: JÜRGEN ZACHARIAS Fotos: SEBASTIAN FREILER<br />

M I L I T Ä R A K T U E L L


T R U P P E N B E S U C H<br />

INTERVIEW<br />

„Unser größter Pluspunkt ist<br />

die berufliche Absicherung!“<br />

Das Bundesheer verfügt über insgesamt<br />

fünf Rekrutierungsgruppen, die in Linz,<br />

Graz, Innsbruck, Klagenfurt und Wien<br />

angesiedelt sind. Vizeleutnant Hermann<br />

Dunkler ist Teil von letzterer und schätzt<br />

an seiner Arbeit vor allem die Tatsache,<br />

ständig neue Leute kennenzulernen.<br />

Herr Vizeleutnant, wie beginnt ein<br />

typisches Beratungsgespräch?<br />

Mit der Frage, was sich mein Gegenüber<br />

vorstellt. Bevor ich beraten kann, muss ich<br />

wissen, was er oder sie sich wünscht und<br />

welchen Karriereweg er oder sie einschlagen<br />

möchte. Ist dabei der Standort der Kaserne<br />

wichtig oder eher die Waffengattung?<br />

Will er oder sie nur kurze Zeit beim Bundesheer<br />

verbringen und vielleicht einen<br />

Auslandseinsatz absolvieren oder ist auch<br />

eine langerfristige Karriere erstrebenswert?<br />

Abhängig davon unterscheidet sich dann<br />

auch der Inhalt des Beratungsgesprächs?<br />

Natürlich, wobei prinzipiell jeder von uns<br />

Wehrdienstberatern über dasselbe Informationsangebot<br />

verfügt. Nur weil jemand<br />

zu mir in Wien zum Informationsgespräch<br />

kommt, heißt das nicht, dass er automatisch<br />

hier in Wien Dienst versehen muss.<br />

Wir vermitteln immer österreichweit.<br />

MAL HIER, MAL DA Der Personalrecruiter<br />

muss auch telefonisch<br />

Fragen beantworten. Zudem gilt es<br />

eine ganze Reihe an Terminen außer<br />

Haus wahrzunehmen, Mentoringgespräche<br />

bei Lehrlingen etwa oder<br />

Vorträge in AMS-Servicestellen.<br />

INDIVIDUELL ODER IN DER GRUPPE? Hermann<br />

Dunkler informiert Stellungspflichtige in einem kurzen<br />

Vortrag über Karrieremöglichkeiten beim Bundesheer.<br />

Danach steht er für Einzelgespräche zur Verfügung. Einer<br />

der Jugendlichen will wissen, wie er zum Jagdkommando<br />

kommt, ein anderer würde gerne Eurofighter-Pilot werden.<br />

Welche Informationen werden in den<br />

Gesprächen am meisten nachgefragt?<br />

In einem ersten Schritt geht es meist um<br />

prinzipielle Verwendungsmöglichkeiten,<br />

welche Voraussetzungen dafür zu erfüllen<br />

sind und mit welchem Verdienst zu rechnen<br />

ist. Wenn es dann etwas mehr ins Detail<br />

geht, informieren wir auch über mögliche<br />

Karrierewege, gehen wir gemeinsam<br />

die Bewerbungsunterlagen durch und erklären,<br />

was bei der erweiterten Verlässlichkeitserklärung<br />

zu beachten ist.<br />

Und mit welchen Argumenten für das<br />

Bundesheer punkten Sie bei potenziellen<br />

Interessenten am meisten?<br />

Vor allem mit der beruflichen Absicherung<br />

– wir können noch sichere Arbeitsplätze<br />

anbieten. Ein Pluspunkt sind aber auch die<br />

Verdienstmöglichkeiten, die gerade bei<br />

Auslandseinsätzen durchaus attraktiv sind.<br />

NEUER ARBEITSPLATZ<br />

In wenigen Tagen wird die Rekrutierungsgruppe<br />

Wien des Heerespersonalamts<br />

in das neue Jobcenter in<br />

Wien Stammersdorf übersiedeln.<br />

M I L I T Ä R A K T U E L L


0 3 6 H E E R &<br />

M<br />

E H R<br />

Andreas Lauter, 46<br />

Offizierstellvertreter, Kommandant<br />

der Urbanen Trainingsanlage<br />

Zu meinem Aufgabengebiet gehört<br />

nicht nur die Betreuung der Urbanen<br />

Trainingsanlage selbst, sondern auch<br />

die Verwaltung des in der Nähe befindlichen<br />

Checkpoints, des Auslandscamps<br />

Mannshalm, des Schieß- und<br />

Sprengplatzes sowie zweier Retteund<br />

Bergeanlagen. Damit ist konkret<br />

gemeint, dass wir neue Übungsszenarien<br />

planen und die Trainingsanlage<br />

ausbauen und verbessern. Aktuell<br />

haben wir etwa gerade neue Annäherungsmöglichkeiten<br />

an die Ortschaft<br />

geschaffen und versetzen wir mit<br />

einem Kran Betonelemente so, dass<br />

diese schlussendlich eine enge Gasse<br />

simulieren. Die Zusammenarbeit mit<br />

den übenden Einheiten ist klar geregelt:<br />

Vor Übungsbeginn übergebe ich die<br />

Anlage an den Kommandanten der<br />

Einheit und gehe mit ihm alles durch.<br />

Während der Übung stehen wir dann<br />

als Ansprechpartner zur Verfügung,<br />

falls etwas nicht funktioniert oder zusätzliche<br />

Gerätschaften wie Simulatoren<br />

benötigt werden. Hinterher<br />

übernehme ich vom Kommandanten<br />

die Trainingsanlage wieder retour, und<br />

natürlich bessern wir dann auch allfällige<br />

Beschädigungen aus.<br />

DIE PROFIS<br />

VON ALLENTSTEIG<br />

Der Truppenübungsplatz allentsteig ist flächenmäßig das mit Abstand<br />

größte Übungsgelände des Bundesheeres. Um bei mehr als 200 Schießtagen im<br />

Jahr einen reibungslosen Ablauf zu gewährleisten, ist auch hinter den Kulissen ein<br />

professionelles Team von Spezialisten am Werk. Text: JÜrGeN ZaCHariaS Fotos: NaDJa meiSTer<br />

m i l i T ä r a K T U e l l


T R U P P E N Ü B U N G S P L A T Z A L L E N T S T E I G<br />

Dietmar Kreiml, 37<br />

Referatsleiter, Revierleiter & Förster<br />

Genau wie anderswo müssen natürlich<br />

auch bei uns die Waldflächen gepflegt<br />

werden. Pro Jahr produzieren<br />

wir so mit unseren zwölf Mitarbeitern<br />

rund 30.000 Festmeter Holz, die an<br />

umliegende Betriebe verkauft werden.<br />

Normalerweise wäre die Produktion<br />

noch höher, aber da wir nach<br />

dem Orkan Kyrill im Jahr 2007 – der<br />

uns leider voll erwischt hat – auf bis zu<br />

130.000 Festmeter gekommen sind,<br />

müssen wir im Sinne der Nachhaltigkeit<br />

unsere Produktionsmengen nun<br />

ein wenig reduzieren. Zudem ist<br />

unsere organisatorische Zielsetzung,<br />

die störungsfreie Beübbarkeit des<br />

Truppenübungsplatzes unter Berücksichtigung<br />

der Rentabilität zu gewährleisten.<br />

In der Arbeit selbst sind wir<br />

natürlich mit einigen Besonderheiten<br />

konfrontiert. So müssen wir unsere Arbeitsgebiete<br />

vorab melden, und dann<br />

werden diese auf Blindgänger abgesucht.<br />

Wir müssen uns zudem immer<br />

flexibel auf die Schusspläne einstellen.<br />

Im Unterschied zu herkömmlichen<br />

Forstbetrieben haben wir daher mehrere<br />

Einsatzorte parallel in Arbeit,<br />

außerdem müssen die Stämme mit<br />

Metalldetektoren abgesucht werden.<br />

M I L I T Ä R A K T U E L L


0 3 8 H E E R & M E H R<br />

s gibt in anderen Ländern<br />

Egrößere, aber kaum bessere<br />

Truppenübungsplätze.“<br />

Oberst Josef Fritz,<br />

Kommandant des Truppenübungsplatzes<br />

Allentsteig<br />

ist sichtlich stolz auf das 157<br />

Quadratkilometer große Übungsgelände,<br />

das sich hinter dem Fenster<br />

seines Büros im Kommandogebäude<br />

Schloss Allentsteig über den Horizont<br />

erstreckt. „Wir können hier mit praktisch<br />

allen Waffen des Bundesheeres<br />

(Anm.: mit Ausnahme der Fliegerabwehrlenkwaffe<br />

Mistral) im scharfen<br />

Schuss üben und zahlreiche unterschiedliche<br />

Einsatzszenarien durchspielen.“<br />

Das Gelände verfügt neben<br />

großen Freiflächen über eine Urbane<br />

Trainingsanlage ebenso wie über mehrere<br />

Checkpoints für Verkehrskontrollen,<br />

unterschiedliche Schießbahnen,<br />

Spreng-, Rette- und Bergestellen<br />

sowie einen Brandübungsplatz und<br />

mit Wurmbach auch über einen<br />

Anschlussbahnhof.<br />

Dietmar Kargl, 42<br />

Oberstabswachtmeister, Kampfmittelbeseitiger<br />

Da seit 75 Jahren auf dem Gelände mit verschiedensten Waffen geschossen wird<br />

(auch durch die deutsche Wehrmacht und die Rote Armee), liegen darauf natürlich<br />

auch diverse Blindgänger. Bei deren Entschärfung kommen wir ins Spiel. In<br />

einem ersten Schritt markieren wir den Blindgänger mit einer roten Fahne und<br />

vermessen den Fundort. Diese Information tragen wir dann in die Blindgänger -<br />

evidenzliste ein, die uns einen Überblick darüber gibt, welche Blindgänger wo<br />

liegen und um welchen Munitionstyp es sich dabei handelt. Um einen Blindgänger<br />

zu vernichten, müssen wir beim Sicherheitsoffizier zuerst eine Absperrung<br />

des Gebiets beantragen. Sobald diese steht, melde ich mich vor Ort. Der Sicherheitsoffizier<br />

gibt mir daraufhin „Feuer frei!“, ich kann mit meiner Arbeit beginnen<br />

und gebe das erste Sprengsignal. Es folgt die Brennprobe, dann richte ich mir<br />

den Besatz und gebe das zweite Sprengsignal. Danach bringe ich den Besatz<br />

an und führe die Sprengung durch. Hinterher kontrolliere ich, ob die Sprengung<br />

erfolgreich war, gebe mit dem dritten Sprengsignal Entwarnung, entferne mich<br />

aus dem Absperrbereich und melde bei der Sicherheit den Vollzug. Pro Jahr<br />

beseitigen wir auf diese Weise 200 bis 300 Blindgänger.<br />

„Wir haben uns früh bemüht, über althergebrachte<br />

Einsatzszenarien hinauszudenken<br />

und stets neue Übungsmöglichkeiten<br />

zu schaffen“, sagt Oberst<br />

Fritz. Bestes Beispiel dafür ist die Urbane<br />

Trainingsanlage Steinbach, die<br />

kürzlich um ein Bahnhofs-Trainingslände<br />

erweitert wurde und von der<br />

sich bei internationalen Übungen<br />

selbst US-Militärs begeistert zeigten.<br />

„Unsere Soldaten können dort das<br />

Vorgehen mechanisierter Truppen<br />

in bebautem Gebiet, aber auch die<br />

Bergung von verschütteten Personen<br />

üben.“ Letzteres machen sich immer<br />

wieder auch die Blaulichtorganisationen<br />

der Umgebung zunutze, die hier<br />

ebenfalls ideale Übungsmöglichkeiten<br />

vorfinden, im kommenden Mai findet<br />

in Allentsteig auch eine große Rotes-<br />

Kreuz-Übung mit rund 2.000 Teilnehmern<br />

statt. Ebenfalls auf dem Terminplan<br />

steht im kommenden November<br />

auch wieder die unter internationaler<br />

Beteiligung ablaufende Großübung<br />

„EURAD 2015“ des Bundesheeres. In<br />

solchen Ausnahmefällen werden dann<br />

nicht nur die Unterkunftskapazitäten<br />

des Truppenübungsplatzes (in den<br />

Mannschafts- und Kaderunterkunftsgbäuden<br />

sowie in Biwaks und<br />

auf den Zeltplätzen finden knapp<br />

2.300 Soldaten Platz) voll ausge-<br />

M I L I T Ä R A K T U E L L


T R U P P E N Ü B U N G S P L A T Z A L L E N T S T E I G<br />

Alois Kainz, 50<br />

Fachinspektor, Kommandant der<br />

Schießbahn Großpoppen<br />

Meine Aufgabe ist es, die Anlage in Betriebszustand<br />

zu halten, um einen effizienten Schießablauf der übenden<br />

Truppe zu ermöglichen. Der Schießbetrieb startet<br />

um 9.00 Uhr früh, zuvor muss sich die Einheit aber<br />

beim Sicherheitsoffizier anmelden, der sie dann an<br />

mich weiterleitet. Bei mir ist dann der Schießbefehl<br />

zu hinterlegen, und ich kläre mit dem Leitenden im<br />

Detail, welche Möglichkeiten unsere Anlage bietet,<br />

zudem weise ich ihn in die Benützungsordnung ein.<br />

Der Leitende bestätigt mir dann die Kenntnisnahme<br />

und anschließend kann nach „Feuer frei!“ die Übung<br />

starten. Ich stehe dann als Ansprechpartner zur Verfügung,<br />

falls etwas unklar sein sollte oder nicht funktioniert.<br />

Dadurch habe ich es ständig mit anderen<br />

Herausforderungen und Aufgaben zu tun, und das ist<br />

es auch, was mir an meinem Job so gut gefällt. Durch<br />

die abwechslungsreiche Tätigkeit ist diese Arbeit wie<br />

maßgeschneidert für mich. Und am Ende des Tages<br />

gibt es nichts Schöneres und keine bessere Bestätigung,<br />

als dass der Leitende zufrieden zu mir kommt<br />

und sich dafür bedankt, dass alles so gut gelaufen ist.<br />

schöpft, sondern auch die in der Nähe<br />

liegenden Kasernen – etwa in Horn<br />

und Weitra – miteinbezogen. Unabhängig<br />

davon, ob derartige Großveranstaltungen<br />

stattfinden, bringt es der<br />

Truppenübungsplatz auf mehr als 200<br />

Schießtage pro Jahr. In Kombination<br />

mit den fast 120.000 Nächtigungen vor<br />

Ort bedeutet das eine gewaltige logistische<br />

Herausforderung, für deren<br />

Bewerkstelligung hinter den Kulissen<br />

rund 260 Beschäftigte wie der Kampfmittelbeseitiger<br />

Oberstabswachtmeister<br />

Dietmar Kargl oder Schießbahn-<br />

Kommandant Alois Kainz sorgen.<br />

„Wir sehen uns als Dienstleistungsund<br />

Servicebetrieb, der nicht nur einen<br />

möglichst reibungslosen Ablauf<br />

der Übungen gewährleisten, sondern<br />

auch die Wünsche der Einheiten möglichst<br />

gut berücksichtigen soll“, sagt<br />

Oberst Fritz. Für das kommende Jahr<br />

ist daher auch die Schaffung neuer<br />

Ausbildungs- und Schießanlagen für<br />

Spezialeinsätze in Planung. Details<br />

dazu ließ sich der Oberst freilich<br />

noch nicht entlocken.


0 4 0 H E E R &<br />

M<br />

E H R<br />

1 2<br />

3<br />

FARBENL<br />

Früher färbten sich Soldaten und Krieger<br />

ihre Gesichter oftmals auffällig rot,<br />

um den Gegner einzuschüchtern und<br />

zu schockieren, und zogen möglichst<br />

bunt und auffällig zu Felde. Heute bemühen<br />

sich Soldaten darum, mithilfe<br />

vielfältigster Hilfsmittel optisch möglichst<br />

der Umgebung zu entsprechen<br />

und markante Gesichtszüge und Konturen,<br />

wie Nase oder Ohren, mit Farbcremen<br />

für den Gegner unsichtbar zu<br />

machen.<br />

Dazu verwenden die Soldaten des<br />

Bundesheeres die Heerestarncreme.<br />

Das kleine Schminketui (1) enthält<br />

die Farben Grün, Braun und Schwarz<br />

und einen Spiegel, damit jeder Soldat<br />

auch seine Gesichtstarnung überprüfen<br />

kann. Für den Winter ist außerdem<br />

die Farbe Weiß vorgesehen.<br />

Die Farben werden einfach mit den<br />

Fingern (2) im Gesicht, am Hals, an<br />

den Ohren und Händen aufgetragen.<br />

Statt Farbe an den Händen können<br />

auch graue Handschuhe getragen werden<br />

– diese haben auch den Vorteil,<br />

dass dadurch das Verletzungsrisiko<br />

(kleine Schnitte, …) im Einsatz sinkt.<br />

Über die Farbkombination entscheiden<br />

Gelände und Vegetation: Grün-<br />

Braun-Schwarz, Grün-Braun, Grün-<br />

Schwarz oder Braun-Schwarz (3) .<br />

Bei Nachteinsätzen reicht die Farbe<br />

Schwarz (4), im Winter bei Schnee -<br />

lage die Farbe Weiß (5). Die Tarncremes<br />

für den Sommer besitzen übrigens<br />

einen Gelsenschutz, im Winter<br />

kann vor der Tarnfarbe auch eine Kältecreme<br />

aufgetragen werden.<br />

Das Bemalen der Gesichter ist in<br />

Kombination mit den olivgrünen Uniformen<br />

des Bundesheeres allein aber<br />

noch nicht Tarnung genug. Um optisch<br />

noch mehr mit der Umgebung<br />

zu verschmelzen, werden zum einen<br />

natürliche Hilfsmittel wie Äste, Blätter<br />

oder Gras (6), verwendet. Als künstliche<br />

Tarnmittel kommen zum anderen<br />

aber auch Tarnnetze zum Einsatz,<br />

die etwa auf dem Helm und dem<br />

Rucksack befestigt werden.<br />

Dabei dürfen die Tarnmittel den Soldaten<br />

natürlich weder stören noch in<br />

seiner Bewegungsfreiheit einschränken.<br />

Ein weißer Winteranzug (7) gehört<br />

übrigens auch zu den künstlichen<br />

Tarnmitteln.<br />

Eine perfekte Tarnung schließt neben<br />

Soldat und Uniform zudem die Bewaffnung<br />

mit ein, und so werden auch<br />

die Sturmgewehre getarnt. Dies kann<br />

etwa mit Stoffstreifen aus Erdäpfelsäcken<br />

(8) und alten Handtüchern oder<br />

im Winter mit weißem Isolierklebeband<br />

geschehen.<br />

Wichtig neben der optischen Tarnung<br />

ist natürlich auch, dass sich die Soldaten<br />

geräuschlos bewegen. Dazu wird<br />

die Munition in Stofftaschen gepackt,<br />

Feldflaschen oder Essbesteck (9)<br />

werden in Socken gesteckt, um ein<br />

Klappern zu vermeiden.<br />

M I L I T Ä R A K T U E L L


S E R V I C E<br />

ABO<br />

zum Spezial-Preis<br />

von nur € 12,90<br />

Im Einzelhandel<br />

um € 15,20<br />

4<br />

5<br />

EHRE<br />

Im Einsatz versuchen sich Soldaten der gegnerischen<br />

Beobachtung und Aufklärung weitgehend zu entziehen.<br />

Dazu tarnen sie sich mit Schminkfarben und Netzen, aber auch<br />

mit Erdäpfelsäcken. Militär Aktuell hat sich bei einem Besuch in<br />

der Benedek-Kaserne Einblicke in die Kunst des Verschwindens<br />

geben lassen.<br />

Text: HANS SCHNEEWEISS Fotos: SEBASTIAN FREILER<br />

8<br />

Spannende<br />

Berichte<br />

4 x jährlich<br />

frei Haus!<br />

6 7<br />

9<br />

Bestellen Sie Ihr Abo<br />

noch heute bequem<br />

und einfach über<br />

abo@qmm.at


0 4 2 A D V E R T O R I A L<br />

IM EINSATZ FÜR<br />

DEN FRIEDEN<br />

Ob Friedenssicherung, humanitäre<br />

Hilfe oder Katastrophenhilfe: Hunderte Soldatinnen<br />

und Soldaten des Bundesheeres tragen Tag für Tag<br />

weltweit zum Gelingen internationaler Missionen<br />

und Einsätze bei.<br />

it einem Sanitätskontingent<br />

nahm<br />

M<br />

das Bundesheer<br />

1960 erstmals an<br />

einer Auslandsmission<br />

teil. 54<br />

Jahre später haben sich bereits rund<br />

100.000 österreichische Soldaten an<br />

mehr als 50 internationalen friedensunterstützenden<br />

und humanitären<br />

Missionen beteiligt. Aktuell versehen<br />

rund 1.100 rot-weiß-rote Soldatinnen<br />

und Soldaten unter anderem in Bosnien,<br />

im Kosovo, auf Zypern, in Mali,<br />

in der Zentralafrikanischen Republik<br />

und so wie Zugsführer Robert Hartl<br />

und Oberstabswachtmeister Herbert<br />

Egger im Libanon Dienst.<br />

„Ich bin dort als Wirtschaftsgehilfe<br />

im Logistik-Hauptlager tätig“, sagt<br />

Zugsführer Robert Hartl. „Von dort<br />

aus versorgen wir 12.000 Soldatinnen<br />

und Soldaten aus 37 Ländern, was<br />

nicht nur sprachlich eine große He-<br />

„Ich bin als Wirtschaftsgehilfe<br />

im Logistik-Hauptlager tätig.<br />

Damit versorgen wir 12.000<br />

Soldaten aus 37 Ländern, was<br />

nicht nur sprachlich eine große<br />

Herausforderung darstellt.“<br />

Oberstabswachtmeister Herbert Egger<br />

FOTO S : B U N D E S H E E R / G U N T E R P U S C H<br />

M I L I T Ä R A K T U E L L


E N T G E L T L I C H E E I N S C H A L T U N G<br />

„1987 war ich zum ersten Mal<br />

im Auslandseinsatz. 2010 und<br />

2011 war ich dann mit meinem<br />

Sohn gemeinsam auf den<br />

Golanhöhen, und jetzt bin ich<br />

bei UNIFIL im Libanon.“<br />

Zugsführer Robert Hartl<br />

rausforderung darstellt. Vor allem<br />

mit Soldaten anderer Länder, die wenig<br />

bis kein Englisch sprechen, ergeben<br />

sich in der Zusammenarbeit immer<br />

wieder ganz amüsante Situationen,<br />

aber am Ende des Tages sind<br />

immer alle zufrieden, wenn sie ihre<br />

benötigten Materialien erhalten.“<br />

Österreich ist im Rahmen des UNIFIL-<br />

Einsatzes im Libanon für die Logistik<br />

und die Versorgung sämtlicher anderer<br />

Kontingente mit Betriebsmitteln<br />

verantwortlich.<br />

Seinen Teil zum Gelingen der Mission<br />

trägt auch Oberstabswachtmeister<br />

Herbert Egger als Kommandant der<br />

Baupioniergruppe bei. Er ist in dieser<br />

Funktion für die Materialkommissionierung<br />

im Management- und Material-Warehouse<br />

zuständig. Dazu gehört<br />

etwa die Ausgabe der Waren an<br />

UN-Soldaten und UN-Zivilisten, aber<br />

auch die Materialannahme und der<br />

Wareneingang. „Das ist ein sehr interessantes<br />

Aufgabengebiet, an dem<br />

mich vor allem die Zusammenarbeit<br />

mit den Soldaten der anderen Nationen<br />

und den Zivilisten interessiert“,<br />

sagt Herbert Egger. Der 49-Jährige<br />

war nach seinem Grundwehrdienst<br />

zehn Jahre als Zeitsoldat tätig und ist<br />

dann als „Milizionär beim Bundesheer<br />

hängen geblieben“, wie er sagt.<br />

„Aber im positiven Sinne!“<br />

Positiv sind auch für Zugsführer Robert<br />

Hartl die Erinnerungen, die er<br />

mit Auslandseinsätzen verbindet. Im<br />

Jahr 1987 war er am Golan erstmals<br />

Teil einer solchen Mission, 2010 und<br />

2011 war er dann wieder am Golan<br />

im Einsatz. „Gemeinsam mit meinem<br />

Sohn aus erster Ehe“, wie Robert<br />

Hartl anmerkt. Stolz ist der Berufskraftfahrer<br />

auch auf den Erhalt der<br />

UN-Friedensnadel Erinnerungsmedaille<br />

2012 und darauf, dass er bei<br />

UNIFIL Teil der internationalen Ehrenformation<br />

beim Besuch des libanesischen<br />

Präsidenten war.<br />

Damit sich die Soldaten im Ausland<br />

voll auf ihren Einsatz konzentrieren<br />

können, werden Familien und Angehörige<br />

während des Einsatzes vom<br />

Bundesheer betreut. So finden in den<br />

Bundesländern regelmäßig Familientage<br />

statt, und für dringende Fragen<br />

hat das Familienreferat eine eigene<br />

Service Line eingerichtet.<br />

INTERNATIONAL UNTERWEGS<br />

Aktuell befinden sich rund 1.100 österreichische<br />

Soldatinnen und Soldaten im Auslandseinsatz.<br />

Etwa im Libanon (Bild).<br />

ABLAUF, VORAUSSETZUNGEN & BEZAHLUNG<br />

Zu einem Auslandseinsatz können sich alle Frauen und Männer melden, die<br />

sich aktuell im Ausbildungsdienst oder Präsenz-, Miliz- oder Reservestand<br />

befinden sowie Zivilpersonen, die bei Bedarf in bestimmten Bereichen tätig<br />

sind (z. B. Gesundheitswesen, Technik). Um in den Freiwilligen-Pool aufgenommen<br />

zu werden, ist die Abgabe einer Freiwilligen Meldung KIOP-FORMEIN<br />

erforderlich. Bei Bedarf kommt es anschließend zu einem persönlichen Kontakt<br />

mit einem Mitarbeiter des Heerespersonalamts (Service Line 0810/810 161),<br />

bei dem die mögliche Verwendung besprochen und ein Termin für die zwei -<br />

tägige Eignungsüberprüfung festgelegt werden.<br />

Nachdem diese positiv absolviert wurde, ist vor der Entsendung nur mehr die<br />

sogenannte Einsatzvorbereitung zu absolvieren. Diese dauert mehrere Wochen<br />

und soll <strong>militär</strong>isches Wissen vermitteln, auffrischen und festigen und damit<br />

gezielt auf den bevorstehenden Einsatz vorbereiten. Als Gegenleistung werden<br />

die Soldaten im Einsatz mit zumindest 3.305,29 Euro netto (Rekrut) entlohnt,<br />

abhängig von der Mission und der Verwendung können diese Beträge auch<br />

deutlich höher bis hin zu 6.779 Euro netto (Oberst, Libanon) ausfallen.<br />

www.auslandseinsatz.bundesheer.at<br />

M I L I T Ä R A K T U E L L


0 4 4 H E E R &<br />

M<br />

E H R<br />

DAS BUNDESHEER IST DA,<br />

WENN ES BRENNT<br />

err Haider, welchen<br />

HBezug haben Sie zum<br />

Bundesheer?<br />

In der Öffentlichkeit<br />

kommt das Heer zwar<br />

oft nicht besonders gut<br />

weg, wenn es dann aber irgendwo<br />

brennt, eine Brücke einstürzt, eine<br />

Lawine zu Tal rollt oder es Hochwasser<br />

gibt, schreien trotzdem alle automatisch<br />

nach dem Bundesheer. Keiner<br />

fragt dann, wo die vielen helfenden<br />

Soldaten herkommen, welche enorme<br />

Logistik hinter so einem Einsatz steckt,<br />

wie das alles im Detail abläuft und was<br />

das kostet, Hauptsache es funktioniert<br />

und das tut es im Regelfall auch immer.<br />

Daher stehe ich auch auf das Bundesheer,<br />

obwohl ich Pazifist bin ...<br />

Sie sehen im Bundesheer also in erster<br />

Linie den Katastrophenhelfer?<br />

Auch, aber nicht nur. Wenn ich etwa<br />

an die Entwicklungen in der Ukraine<br />

denke, bin ich schon froh, dass wir eine<br />

Alfons Haider wird den Ball der Offiziere 2015<br />

moderieren. Wir haben mit dem Entertainer vorab<br />

über seinen Bezug zum Bundesheer, die Besonderheiten<br />

des Balls und den Wiener Kongress gesprochen.<br />

Interview: JÜRGEN ZACHARIAS<br />

Armee haben, die diese Bezeichnung<br />

auch verdient. Es ist unglaublich beruhigend<br />

zu wissen, dass da jemand ist,<br />

der die Grenzen sichert und jemandem,<br />

der komisch wird, im Ernstfall auf die<br />

Finger klopfen kann. Um aber auf die<br />

Eingangsfrage zurückzukommen:<br />

Einen konkreten Berühungspunkt mit<br />

dem Bundesheer hatte ich etwa im<br />

Frühjahr, als ich das Frühlingskonzert<br />

der Garde moderiert habe und dabei<br />

mehr als positiv überrascht wurde.<br />

Inwiefern?<br />

Das war eine tolle Veranstaltung mit<br />

einem sehr guten Orchester und zwei<br />

Dirigenten, die sich ordentlich hineingetigert<br />

haben. Zum Schluss war das<br />

schon ein Swingkonzert auf Stadthallen-Niveau<br />

und hatte mit klassischer<br />

Militärmusik nur noch entfernt zu<br />

tun. Zudem herrschte dort eine sensationelle<br />

Stimmung und es saßen dort<br />

– trotz aller Ränge und Abzeichen –<br />

am Ende nur noch gleichberechtigte<br />

Menschen, die sich an der Musik erfreuten.<br />

Wenn man das sieht, darf es<br />

dem Bundesheer gegenüber keine Berührungsängste<br />

geben, und das strahlt<br />

das Bundesheer für mich auch aus,<br />

das wird verstärkt kommuniziert und<br />

wird sich sicher auch am Ball zeigen.<br />

FOTO S : H B F, P E T R A R AU T E N ST R AU C H<br />

M I L I T Ä R A K T U E L L


Wie meinen Sie das konkret?<br />

Es herrscht meiner Wahrnehmung<br />

nach ein neuer Befehlston. Ohne geht<br />

es nicht, das ist im Theater nicht anders,<br />

da muss auch einer das Sagen<br />

haben. Aber beim Theater stehen keine<br />

Menschenleben auf dem Spiel, wie das<br />

im Ernstfall bei Streitkräften der Fall<br />

ist. Der Befehlston ist also noch da und<br />

scharf, aber um ein Eckhaus menschlicher,<br />

als man das von früher gewohnt<br />

ist oder wie es dem Bundesheer vielfach<br />

noch negativ ausgelegt wird.<br />

Kommen wir zum Ball der Offiziere.<br />

Was erwarten Sie sich dort?<br />

Ich war im Vorjahr schon als Gast<br />

dabei und muss sagen, das ist eine tolle<br />

Veranstaltung, mit einer ungeheuren<br />

Tradition. Denn Ball gibt es schon seit<br />

Kaiserzeiten, und 2015 fällt er auch<br />

noch mit 60 Jahren Bundesheer und<br />

200 Jahren Wiener Kongress zusammen.<br />

Und von dieser Tradition lebt der<br />

Ball auch. Durch die vielen verschiedenen<br />

Uniformen und die vielen Vertreter<br />

verschiedener Streitkräfte wirkt es<br />

dort fast so, als würde man sich in<br />

längst vergangenen Zeiten bewegen.<br />

Außerdem ist er für mich ein Zeichen<br />

I N T E R V I E W<br />

der Verbundenheit von Militärs<br />

verschiedener Länder und Kulturen.<br />

Wie wichtig ist dieser verbindende<br />

Charakter in Zeiten wie diesen?<br />

Östereich ist seit Jahrzehnten ein Ort,<br />

wo miteinander geredet wird, Leute<br />

sich auch zu brisanteren Themen treffen<br />

und sich austauschen. Das kann<br />

auch bei einer Veranstaltung wie dem<br />

Ball der Fall sein, wenn man miteinander<br />

redet, ins Gespräch kommt, einander<br />

in die Augen schaut und gewisse<br />

Dinge ausmachen kann. Es ist aus meiner<br />

Sicht sehr wichtig, dass auch Militärs<br />

solche Kontakte pflegen, denn diese<br />

persönlichen Verbindungen sind es<br />

meist, die Handschlagqualität genießen<br />

und dann auch halten. Wir leben auf<br />

einem Kontinent, auf dem es – mit<br />

Ausnahme des Jugoslawien-Krieges –<br />

seit Jahrzehnten keinen Krieg mehr gegeben<br />

hat, und so soll es auch bleiben.<br />

Auf was freuen Sie sich beim Ball<br />

am meisten?<br />

Ich habe mich im Vorjahr nicht<br />

getraut, die Frau Brigadier zum Tanz<br />

aufzufordern. Das möchte ich heuer<br />

gerne nachholen.<br />

JETZT AUCH<br />

AUF<br />

FACEBOOK<br />

DER BALL DER OFFIZIERE 2015<br />

Am 16. Jänner 2015 ist es wieder so weit: Die Vereinigung Alt-Neustadt als<br />

Absolventenvereinigung der Theresianischen Militärakademie lädt zum<br />

traditionellen Ball der Offiziere in die Wiener Hofburg. Karten können schon<br />

jetzt über die Homepage www.ballderoffiziere.at bestellt werden und auch<br />

Anmeldungen für das Eröffnungskomitee sind noch möglich: Interessierte<br />

(neben Fähnrichen der Theresianischen Militärakademie und Schülern<br />

des Militärrealgymnasiums in Wiener Neustadt dürfen auch Milizangehörige<br />

teilnehmen) können sich noch bis 15. Dezember unter der Telefonnummer<br />

01/715 05 70 oder via E-Mail an info@ballderoffiziere.at melden.<br />

Spannende<br />

Diskussionen<br />

rund um<br />

die Uhr!<br />

Gehen Sie noch heute<br />

online und drücken Sie<br />

auf Gefällt mir!<br />

www.facebook.com/<br />

militaeraktuell


EWIGE NARB<br />

0 4 6<br />

P<br />

A N O R A M A<br />

TRICHTER, BLINDGÄNGER<br />

UND<br />

Die US-Luftwaffe flog von 1964 bis 1973 mehr als eine halbe<br />

Million Angriffe auf Laos. 80 Millionen Sprengsätze sind bis heute<br />

nicht entschärft – die Blindgänger töten und verstümmeln<br />

noch immer Menschen. Zwei Überlebende berichten.<br />

Text & Fotos: TILL MAYER<br />

ie Grube wird Phet<br />

DLaktasabout nie vergessen.<br />

Mit Schaufeln<br />

haben die Dorfbewohner<br />

sie hastig ausgehoben.<br />

Knapp 25 Quadratmeter<br />

misst sie, keine zwei Meter<br />

tief. Darüber legen sie Baustämme,<br />

Bambus und Laub. Mehr können sie<br />

nicht tun. Das ist der größtmögliche<br />

Schutz, den sie haben. Vor dem Tod<br />

bewahrt hat die Grube trotzdem alle,<br />

die darin Zuflucht suchen. 20 Menschen,<br />

die sich bei jedem Angriff aneinanderkauern,<br />

wenn über das Dorf<br />

Oudomxay, die umliegenden Reisfelder<br />

und den Dschungel der Bombenregen<br />

niedergeht. Dann zischen Splitter, Steine<br />

und Erdklumpen wie Geschosse<br />

durch die Luft. „Manchmal mussten wir<br />

den ganzen Tag in die Grube. Bomben<br />

und Granaten schlugen fast ununterbrochen<br />

ein“, berichtet die 60-Jährige.<br />

In kurzen Sätzen erzählt sie vom Krieg.<br />

Wie sich die Kinder im Erdloch heiser<br />

weinen, draußen das Vieh schreit. Wie<br />

die Erde zittert und eine beklemmende<br />

Angst jedem die Kehle zuschnürt. Von<br />

den bangen Blicken Richtung Himmel,<br />

ob dort wieder Kondensstreifen von<br />

Bombern zu sehen sind. Die nächsten<br />

Angriffswellen kommen schnell, und<br />

mit ihnen die nächsten Explosionen, die<br />

nächsten Toten. Jahr für Jahr geht das<br />

so. Von 1964 bis 1973 fliegt die US Air<br />

Force mehr als eine halbe Million Angriffe<br />

auf Laos. Mehr als zwei Millionen<br />

Tonnen abgeworfener Bomben pflügen<br />

ganze Landstriche buchstäblich um.<br />

Laos ist, pro Kopf gemessen, das am<br />

stärksten von Bomben getroffene Land<br />

der Welt. Ihr Ziel, den Nachschub des<br />

Vietcongs von Nord nach Süd zu unterbinden,<br />

erreichten die Amerikaner<br />

dennoch nicht.<br />

FOTO (G R O SS ) : G E T T Y I M AG E S<br />

M I L I T Ä R A K T U E L L


R E P O R TA G E<br />

BEN<br />

Hätte damals eine der Bomben die Grube<br />

getroffen, wäre sie zum Massengrab<br />

geworden. „Was für ein Glück wir hatten“,<br />

sagt die alte Dame heute. Es sind<br />

tapfere Worte. Sie selbst ist nicht verschont<br />

geblieben. Mit drei Freundinnen<br />

bringt sie als 16-Jährige Essen zu einem<br />

nahen Stützpunkt der laotischen Armee.<br />

Phet Laktasabout sieht den Blindgänger<br />

nicht, der im Boden steckt. Die<br />

Explosion reißt ihr das linke Bein ab.<br />

Splitter verletzen zwei der Freundinnen<br />

schwer und zerfetzen den Körper der<br />

dritten. Phet Laktasabout hat ein warmes<br />

und gütiges Lächeln. „Das ist alles<br />

lange her. Aber der Krieg hat gefährliche<br />

Spuren hinterlassen“, seufzt sie.<br />

Die Narben, die der Krieg hinterlassen<br />

hat, sind überall zu sehen. Bomben -<br />

trichter um das Dorf erzählen von den<br />

Luftangriffen. In den Wäldern liegt eine<br />

tödliche Gefahr – geschätzte 80 Millionen<br />

Sprengsätze von Streubomben stecken<br />

noch in laotischem Boden. Die<br />

Menschen im Dorf nennen sie „Bombies“,<br />

eine bizarre Verniedlichung.<br />

„Bis zu hundert Opfer sind es immer<br />

noch jährlich, die Arme, Beine, Augenlicht<br />

oder ihr Leben verlieren“, sagt die<br />

alte Dame. Sie kennt die Zahlen gut.<br />

Denn aus dem einfachen Bauernmädchen,<br />

dem ein Blindgänger ein Bein<br />

wegriss, ist eine Kämpferin gegen Streubomben<br />

geworden. In Schulen warnt sie<br />

die Kinder davor, mit Blindgängern zu<br />

spielen. Versucht die Dorfbewohner<br />

davon abzuhalten, nach Bomben zu suchen,<br />

um den Kriegsschrott als Altmetall<br />

zu verkaufen. „Doch die Bauern sind<br />

oft bitterarm. Deswegen riskieren sie so<br />

viel“, erklärt sie. Selbst nach Europa reist<br />

sie im Auftrag der Organisation Handicap<br />

International. Als „Ban Advocate“,<br />

Vertreterin für ein Verbot also, diskutiert<br />

sie dort über die tödlichen Waffen.<br />

Endlich erhält sie dann für sich selbst<br />

eine richtige Prothese: im Jahr 2010. Zuvor<br />

musste ein Provisorium helfen. Ausgerechnet<br />

aus einem Aluminiumrohr<br />

eines Streubombenbehälters hatte man<br />

ihr einen Behelf zusammengebastelt.<br />

„Als ich nach der Explosion erwachte<br />

und sah, dass mir ein Bein fehlte, wollte<br />

ich sterben“, sagt sie. „Meine Familie<br />

und mein späterer Mann haben mir die<br />

Kraft zum Leben gegeben. Ich habe gelernt,<br />

keine Angst mehr zu haben, wenn<br />

ich ein Flugzeug am Himmel sehe. Ich<br />

habe ein erfülltes Leben. Aber die Wut<br />

wird bleiben. Wie kann man nur ein<br />

Land und seine Menschen so heimsuchen.<br />

Bis heute weigern sich die USA,<br />

Streubomben zu ächten.“<br />

Auch Phongsavath Manithong zählt zu<br />

den „Ban Advocates“ von Handicap International.<br />

Vor sechs Jahren reißt ihm<br />

die Explosion beide Hände ab und raubt<br />

ihm das Augenlicht. Der Teenager ist in<br />

seinem Heimatdorf auf dem Weg zur<br />

Schule, als ein Freund die merkwürdige<br />

Eisenkugel findet. Weil Phongsavath<br />

Manithong Geburtstag hat, drückt er sie<br />

OPFER DES KRIEGES Phet Laktasabout<br />

(oben rechts) riss eine Explosion<br />

während des Kriegs ein Bein ab.<br />

Heute kämpft die 60-Jährige für eine<br />

Ächtung von Streubomben. Phongsavath<br />

Manithong (unten) hat eine<br />

Streubomben-Explosion beide<br />

Hände und das Augenlicht gekostet.<br />

Der junge Mann ist ein passionierter<br />

Hip-Hop-Tänzer und Sänger.<br />

Überlebt! Somphet Sakounyor, 14,<br />

wurde durch die Explosion eines<br />

Blindgängers schwer verletzt. Mit<br />

zwei Freunden schnitt er Bambus<br />

nahe seines Dorfs Vanousone.<br />

Somphet überlebte als Einziger.<br />

M I L I T Ä R A K T U E L L


0 4 8 P A N O<br />

R<br />

A M A<br />

IM EINSATZ Im Bild oben bereiten zwei Bombenentschärfer die Sprengung eines Blindgängers<br />

vor. Unten ist einer ihrer Kollegen von Handicap International mit Gerät zu sehen:<br />

Teile vom dichten Urwald müssen abgeholzt und niedergebrannt werden, damit der Boden<br />

nach Blindgängern abgesucht werden kann. Hier soll später eine Schule gebaut werden.<br />

VIETNAMKRIEG TRIFFT AUCH LAOS<br />

Die Augen der Weltöffentlichkeit waren in den 1960er- und 1970er-Jahren<br />

auf Vietnam gerichtet. Die USA wollten in dem südostasiatischen Land den<br />

Kommunismus mit aller Härte in die Schranken weisen und verrannten<br />

sich dabei in einen uferlosen Kampf mit mehr als drei Millionen Toten, in<br />

den auch das Nachbarland Laos hineingezogen wurde. Grund dafür war<br />

nicht nur die geostrategisch wichtige Lage des Landes mit seiner langen<br />

Grenze zum kommunistischen China, sondern auch die Tatsache, dass<br />

mit dem Ho-Chi-Minh-Pfad die zentrale Versorgungsroute der Nordvietnamesen<br />

zum Teil durch laotisches Gebiet führte. Um den Nachschub des<br />

Feindes einzuschränken, setzte Washington auf zwei Karten: die von der<br />

CIA aufgebaute und finanzierte Hmong-Armee und massive Luftangriffe.<br />

Zwischen 1965 und 1973 wurden bei den Flächenbombardements rund<br />

2,1 Millionen Tonnen Bomben abgeworfen – mehr als während des<br />

Zweiten Weltkriegs auf Deutschland und Japan zusammen.<br />

ihm als Geschenk in die Hand. Die Wut<br />

von Phet Laktasabout hat er trotzdem<br />

nicht. Vielleicht liegt es daran, dass er<br />

den Krieg nicht miterlebt hat. Vielleicht<br />

einfach nur, dass er ein junger Mann ist,<br />

der von der großen Liebe träumt. Von<br />

einer Zukunft, die diesen Namen verdient.<br />

„Ich will die Menschen fröhlich<br />

machen“, sagt der 22-Jährige und erzählt<br />

von seinen Erfolgen als Hip-Hop-<br />

Tänzer, von einem Auftritt vor tausend<br />

Menschen, als er seine eigene Geschichte<br />

tanzt. „Ich konnte es am Applaus<br />

hören. Ich hatte das Publikum wirklich<br />

bewegt. Es war ein gutes Gefühl“, sagt<br />

er. Zurzeit arbeitet er an einer eigenen<br />

CD. „Please tell Me“ lautet sein persönlicher<br />

Hit. Kein Lied über die Schrecken<br />

von Bombenexplosionen, sondern ein<br />

Liebeslied. „Vielleicht hört ja eines Tages<br />

das richtige Mädchen zu“, meint der 22-<br />

Jährige. Doch vom Tanzen und Singen<br />

wird er nicht leben können. Da macht er<br />

sich keine Illusionen. „Am liebsten würde<br />

ich Wirtschaft studieren. Mein eigenes<br />

kleines Geschäft aufmachen“, sagt<br />

er. Es klingt nach einem fernen Traum.<br />

Jeder Quadratzentimeter wird abgesucht.<br />

Tamluang ist dem Heimatdorf<br />

von Phongsavath Manithong ähnlich.<br />

Hütten auf Stelzen reihen sich aneinander,<br />

eine staubige Straße zieht sich quer<br />

durch den Ort. Etwas abseits steht<br />

Khankham Senglasy, ihr läuft der<br />

Schweiß übers Gesicht. Sie gehört zu<br />

den Bombenentschärfern von Handicap<br />

International, die penibel Quadratzentimeter<br />

für Quadratzentimeter mit<br />

Detektoren absuchen. Eine Schule soll<br />

hier gebaut werden, und das Handicap-<br />

International-Team muss das Gelände<br />

sichern. Vom Himmel brennt unbarmherzig<br />

die Sonne. Nicht leicht, die volle<br />

Konzentration zu behalten. Es wird<br />

noch Wochen dauern, bis der Grund<br />

freigegeben werden kann. „Bis jetzt<br />

haben wir rund ein Drittel der Fläche<br />

untersucht, eine Granate gefunden und<br />

entschärft“, erklärt Einsatzleiter Keng<br />

Keo. Das mag auf den ersten Blick nach<br />

nicht viel klingen. Doch Phet Laktasabout<br />

und Phongsavath Manithong<br />

werden da sicherlich widersprechen.<br />

Weitere Informationen unter<br />

www.handicap-international.de<br />

M I L I T Ä R A K T U E L L


Kriege<br />

Museum<br />

gehören ins<br />

ab 29.06.2014<br />

Neueröffnung<br />

Der Erste Weltkrieg<br />

www.hgm.or.at<br />

www.bundesheer.at<br />

Schutz<br />

& Hilfe


0 5 0 s c h l u s s p u n k t<br />

UKRAINE-KRISE: DROHT<br />

EINE WEITERE ESKALATION?<br />

Trotz eines Waffenstillstandes kommt es in der Ostukraine immer wieder zu Gefechten<br />

und Artilleriebeschuss. Für Oberst Thomas Rapatz, Leiter der Führungsabteilung der Landesverteidigungsakademie<br />

und von 2005 bis 2010 österreichischer Militärattaché in der<br />

Ukraine, ist eine weitere Eskalation vor dem Winter aber trotzdem unwahrscheinlich. „Langfristig<br />

wird eine Befriedung ohne internationale Überwachung aber nicht machbar sein!“<br />

Die nach dem Zerfall der sowjetunion<br />

erlangte eigenstaatlichkeit<br />

und die seit der nato-osterweiterung<br />

und mit der Revolution in orange<br />

bis zum Volksaufstand in kiew fortgeführte<br />

transformation Richtung eu-europa<br />

hat die ukraine massiv gespalten. Dadurch<br />

entfaltete sich in den vergangenen<br />

Jahren eine eigendynamik, die durch partikulare<br />

interessen einiger mitteleuropäischer<br />

staaten noch befeuert wurde. Diese<br />

verfolgten das anliegen, sich mit einem<br />

Vorfeld an freundlichen, kooperationswilligen<br />

staaten im osten zu umgeben,<br />

sich quasi ein glacis gegen Russland<br />

zu schaffen. Bei diesem Vorgehen,<br />

das erstaunlicherweise die mögliche gegenwehr<br />

moskaus nicht miteinbezog<br />

oder diese als überwindbar ansah, fehlte<br />

aber die politische Folgenabschätzung.<br />

„Die partielle<br />

Schwächung eines<br />

Nachbarstaates<br />

nimmt Russland<br />

bewusst in Kauf.“<br />

Begonnen hat die, selbst von experten<br />

kaum für möglich gehaltene, eskalation<br />

in der ukraine vor einem Jahr in der<br />

hauptstadt kiew mit einem aufruf zur<br />

Demonstration, nachdem die ukrainische<br />

Regierung unter Viktor Janukowitsch den<br />

annäherungsprozess an die eu gestoppt<br />

und einen russlandfreundlichen kurs eingeschlagen<br />

hatte. Rasch eskalierte der<br />

protest und mit dem putschartigen sturz<br />

von Janukowitsch kam es ende Februar in<br />

kiew zum machtwechsel. Der eu-freundliche<br />

petro poroschenko kam ans Ruder.<br />

in der Folge wurde die halbinsel krim<br />

von Russland annektiert und im osten<br />

der ukraine wurden grenzen mit Waffengewalt<br />

neu gezogen. nach gesprächen<br />

zwischen den konfliktparteien anfang<br />

september in minsk gilt nun offiziell ein<br />

Waffenstillstand, den die osZe – auch<br />

mit Beteiligung Österreichs – derzeit mit<br />

zwei missionen überwachen soll. trotzdem<br />

finden aber in der ostukraine nach<br />

wie vor örtlich begrenzte gefechte statt,<br />

immer wieder kommt es auch zu artilleriebeschuss.<br />

schätzungen zufolge sind<br />

seit inkrafttreten der Waffenruhe mehr als<br />

300 menschen bei kampfhandlungen<br />

getötet worden – ein ende ist nicht absehbar:<br />

Bei den separationskräften erfolgt<br />

eine laufende Zuführung von Waffen,<br />

munition und <strong>militär</strong>ischem gerät<br />

über die grenze aus Russland und auch<br />

die ukrainischen kräfte der „anti terror<br />

operation“ werden derzeit verstärkt,<br />

umgruppiert und die stützpunktartigen<br />

stellungen an den kontrollpunkten werden<br />

massiv zur Verteidigung ausgebaut.<br />

obwohl starke truppenkonzentrationen<br />

auf russischer seite durch die nato<br />

gemeldet werden, kann angenommen<br />

werden, dass die lage vor dem Winter<br />

nicht weiter eskalieren wird. subversive<br />

anschläge auch außerhalb der von den<br />

separatisten besetzten gebiete werden<br />

aber vermutlich zunehmen, um die ukraine<br />

weiter zu destabilisieren. so ergeben<br />

jüngste <strong>militär</strong>ische aktivitäten Russlands<br />

ein Bild, dass trotz verhängter Wirtschaftssanktionen<br />

und Reisebeschränkungen<br />

durch den Westen die kremlführung<br />

eher unbeeindruckt bleibt und gewillt<br />

ist, weiter am eingeschlagenen kurs<br />

festzuhalten. Die partielle schwächung<br />

eines nachbarstaates wird dabei<br />

bewusst in kauf genommen.<br />

in der ostukraine ist daher die einhaltung<br />

der Waffenstillstandsvereinbarungen verbunden<br />

mit der einstellung aller kampfhandlungen<br />

unerlässlich, um Verhandlungslösungen<br />

unter einbeziehung aller<br />

konfliktparteien möglich zu machen.<br />

ohne internationale Überwachung durch<br />

die osZe und diplomatisches krisenmanagement<br />

sowie internationale unterstützung<br />

der ukraine, wird langfristig<br />

eine Befriedung nicht machbar sein.<br />

Denn neben der Zukunft der ukraine<br />

geht es auch um die tauglichkeit internationaler<br />

Verträge. aber auch um das Verhältnis<br />

zwischen moskau und der eu,<br />

um die internationale position und Bedeutung<br />

Russlands, um die europäische<br />

integrations- und energiepolitik und<br />

nicht zuletzt um die strategische<br />

ausrichtung der nato.<br />

Foto s : g e t t y i m ag e s<br />

M I L I T Ä R A K T U E L L


0 5 1 P A n O r A M A<br />

DASHIGHT<br />

Mit dem COLPRO-Zeltsystem<br />

hat das Bundesheer<br />

ein modernes, mobiles<br />

Unterkunftssystem angeschafft,<br />

das den Soldaten<br />

sogar ABC-Schutz bietet.<br />

Text: HANS SCHNEEWEISS<br />

Die alten Drash-Zelte des Bundesheeres<br />

sind in die Jahre gekommen.<br />

Da sie den darin untergebrachten<br />

Soldaten auch nur bedingt<br />

Schutz bieten, hat das Bundesheer<br />

heuer mit dem COLPRO<br />

(collective protection)-Zeltsystem<br />

des deutschen Herstellers Schall<br />

ein neues System angeschafft.<br />

Diese modernen, hochmobilen<br />

und luftgestützten Zelte sind unter<br />

allen Klimabedingungen<br />

I L LU St r At I O n E n : C L AU D I A M O L I tO r I S<br />

TRANSPORT<br />

Das Modul besteht<br />

aus mehr als 2.600<br />

Einzelteilen, die in<br />

zwei Containern<br />

(20-Fuß-ISO-Container)<br />

Platz finden.<br />

Diese können einfach<br />

mit Lkw transportiert<br />

werden.<br />

VERSIONEN<br />

Das COLPRO-Zeltsystem kann in mehreren Varianten<br />

aufgebaut werden: Als Kreuzzeltmodul dient es<br />

etwa als Unterkunft für bis zu 32 Soldaten. Wird<br />

das Zelt als Gefechtsstand genutzt, wird es in<br />

Kreuzform errichtet und die Mitte bildet ein<br />

Container mit Stromaggregat (siehe Bild rechts).<br />

HÜLLE<br />

Unterschiedlichste Materialschichten<br />

(unter anderem ein<br />

imprägnierter Baumwollstoff<br />

und spezielle Kunststofffolien)<br />

wirken im Hüllenverbund.<br />

Dieser ist gegen alle bekannten<br />

<strong>militär</strong>ischen und zivilen Gase<br />

sowie Flüssigkeiten beständig.<br />

FILTRATIONSANLAGE<br />

Kontaminierte Luft wird durch die<br />

ABC-Filtrationsanlagen angesaugt,<br />

gefiltert, dekontaminiert und unter<br />

Druck in die Zelte geleitet. Im Zeltinneren<br />

entsteht dadurch ein Überdruck<br />

von 200 Pascal (= 0,002 Bar).<br />

Der Überdruck verhindert, dass<br />

kontaminierte Luft in den Innenraum<br />

gelangen kann. Zu diesem Zweck ist<br />

jedes einzelne Zelt auch mit einer gasdichten<br />

Innenhülle ausgestattet. Das<br />

Betreten des Zeltes erfolgt durch eine<br />

Luftschleuse (Airlock).<br />

PODEST<br />

Das Zeltsystem wird auf einem 50 Zentimeter<br />

hohen Podest aufgebaut. Dies ermöglicht<br />

die Errichtung unabhängig von<br />

Bodenbeschaffenheit und Witterung.<br />

M I L I T Ä R A K T U E L L


I N F O G R A F I K<br />

TECH-ZELT<br />

(Temperaturbereich von minus 32<br />

bis plus 49 Grad) einsetzbar, besitzen<br />

ABC-Schutz, Klima- und<br />

Heizanlage und bieten bis zu 32<br />

Soldaten Platz. Bereits Ende Fe -<br />

bruar dieses Jahres begann der<br />

Probebetrieb des Systems, in dessen<br />

Rahmen erste Erfahrungswerte<br />

– beispielsweise zur Dauer des<br />

Aufbaus – gesammelt werden<br />

konnten. In weiterer Folge werden<br />

die Zelte sowohl bei Auslandseinsätzen<br />

als auch bei Hilfseinsätzen<br />

im Inland Verwendung finden.<br />

Insgesamt ist die Anschaffung<br />

von 25 Unterkunfts- und sechs<br />

Gefechtsstandmodulen geplant.<br />

MOMENTAUFNAHME<br />

Die Illustration zeigt das Zeltsystem<br />

im Aufbau. Die Luftschleuse vorne<br />

links fehlt noch, die Rampe ist in<br />

dem Fall nur behelfsmäßig montiert.<br />

INTERVIEW<br />

„Airlock-Luftschleusen<br />

hatte kein vorher<br />

verwendetes System“<br />

Hauptmann Armin Wagner, Pionierbataillon 2<br />

Welche Vorteile bringt<br />

das neue System?<br />

Zum Ersten einmal den<br />

ABC-Schutz. Das COLPRO<br />

besitzt Airlock-Luft-<br />

Schleusen, die hatte kein<br />

vorher verwendetes System. Mit dem<br />

Podest als Unterbau ist das Zelt vom Boden<br />

weg. Dadurch ist es vor Hochwasser<br />

geschützt, Kleingetier kann keines mehr<br />

hinein und Unebenheiten des Bodens<br />

können somit ausgeglichen werden.<br />

Außerdem ist es komplett klimatisierbar.<br />

FOTO : B u n D e S H e e R<br />

AUFBAU<br />

Für den Aufbau sind 10 Mann und 10 Stunden<br />

Arbeitszeit notwendig. Zuerst wird<br />

das Podest errichtet. Darauf wird dann die<br />

Zeltplane ausgerollt, diese mittels Gebläseeinheit<br />

aufgerichtet und mit Alustreben<br />

eingerüstet. Danach werden die ABC-<br />

Schutz-, die Klima- oder Heizanlagen<br />

in Betrieb genommen.<br />

LUFTWÜLSTE<br />

Das für die Aufrichtung verwendete<br />

sogenannte Luftwülste-Gerüst verleiht<br />

dem Zeltsystem in Kombination mit<br />

Alustreben Stabilität. Zieht sich die<br />

Luft darin bei kälteren Temperaturen<br />

zusammen, wird automatisch nachgepumpt.<br />

Dehnt sich die Luft bei Sonneneinstrahlung<br />

aus, wird der Überschuss<br />

automatisch über Ventile abgelassen.<br />

FACTBOX<br />

ABC-Zeltsystem COLPRO<br />

Hersteller M. Schall GmbH & Co. KG (D)<br />

Kosten etwa 750.000 Euro pro Gesamtpaket<br />

(beinhaltet u. a. Zelte, Filtrationsanlagen,<br />

Transportcontainer & Klimaanlagen)<br />

Aufbaufläche ca. 27 x 35 Meter<br />

Temperaturbereich -32 °C bis zu +49 °C<br />

Aufbauzeit 10 Stunden (10 Mann)<br />

Unterkunft bis zu 32 Personen<br />

Stationierung Pionierbataillone in Melk,<br />

Salzburg und Villach<br />

Wo kamen die neuen Zelte zuletzt<br />

zum Einsatz?<br />

Die Beschaffung ist gerade einmal abgeschlossen.<br />

Zum Einsatz kam es bisher<br />

nur bei Aufbauten im Rahmen der<br />

Ausbildung, um Erfahrungen zu sammeln.<br />

Künftig wird es bei Elementar -<br />

ereignissen im Inland und Ausland<br />

Verwendung finden, wie bei der European<br />

Battlegroup 2016/2. Dort wird<br />

Österreich wieder die logistische Führungsrolle<br />

übernehmen.<br />

Wie funktioniert die Aufstellung?<br />

Bisherige Aufbauten haben gezeigt,<br />

dass dafür zehn Mann, also neun Pioniere<br />

und ein Kommandant, optimal<br />

sind. Ist das Podest errichtet und die<br />

Zeltplanen ausgelegt, dauert das Aufblasen<br />

mit dem Gebläse nur acht Minuten.<br />

Dann bekommt das Zelt außen<br />

ein Alugerüst, das hält dann Windgeschwindigkeiten<br />

bis zu 120 km/h und<br />

Schneelasten von 80 kg/m 2 aus.<br />

M I L I T Ä R A K T U E L L


I N F O G R A F I K<br />

TECH-ZELT<br />

(Temperaturbereich von minus 32<br />

bis plus 49 Grad) einsetzbar, besitzen<br />

ABC-Schutz, Klima- und<br />

Heizanlage und bieten bis zu 32<br />

Soldaten Platz. Bereits Ende Fe -<br />

bruar dieses Jahres begann der<br />

Probebetrieb des Systems, in dessen<br />

Rahmen erste Erfahrungswerte<br />

– beispielsweise zur Dauer des<br />

Aufbaus – gesammelt werden<br />

konnten. In weiterer Folge werden<br />

die Zelte sowohl bei Auslandseinsätzen<br />

als auch bei Hilfseinsätzen<br />

im Inland Verwendung finden.<br />

Insgesamt ist die Anschaffung<br />

von 25 Unterkunfts- und sechs<br />

Gefechtsstandmodulen geplant.<br />

MOMENTAUFNAHME<br />

Die Illustration zeigt das Zeltsystem<br />

im Aufbau. Die Luftschleuse vorne<br />

links fehlt noch, die Rampe ist in<br />

dem Fall nur behelfsmäßig montiert.<br />

INTERVIEW<br />

„Airlock-Luftschleusen<br />

hatte kein vorher<br />

verwendetes System“<br />

Hauptmann Armin Wagner, Pionierbataillon 2<br />

Welche Vorteile bringt<br />

das neue System?<br />

Zum Ersten einmal den<br />

ABC-Schutz. Das COLPRO<br />

besitzt Airlock-Luft-<br />

Schleusen, die hatte kein<br />

vorher verwendetes System. Mit dem<br />

Podest als Unterbau ist das Zelt vom Boden<br />

weg. Dadurch ist es vor Hochwasser<br />

geschützt, Kleingetier kann keines mehr<br />

hinein und Unebenheiten des Bodens<br />

können somit ausgeglichen werden.<br />

Außerdem ist es komplett klimatisierbar.<br />

FOTO : B u n D e S H e e R<br />

AUFBAU<br />

Für den Aufbau sind 10 Mann und 10 Stunden<br />

Arbeitszeit notwendig. Zuerst wird<br />

das Podest errichtet. Darauf wird dann die<br />

Zeltplane ausgerollt, diese mittels Gebläseeinheit<br />

aufgerichtet und mit Alustreben<br />

eingerüstet. Danach werden die ABC-<br />

Schutz-, die Klima- oder Heizanlagen<br />

in Betrieb genommen.<br />

LUFTWÜLSTE<br />

Das für die Aufrichtung verwendete<br />

sogenannte Luftwülste-Gerüst verleiht<br />

dem Zeltsystem in Kombination mit<br />

Alustreben Stabilität. Zieht sich die<br />

Luft darin bei kälteren Temperaturen<br />

zusammen, wird automatisch nachgepumpt.<br />

Dehnt sich die Luft bei Sonneneinstrahlung<br />

aus, wird der Überschuss<br />

automatisch über Ventile abgelassen.<br />

FACTBOX<br />

ABC-Zeltsystem COLPRO<br />

Hersteller M. Schall GmbH & Co. KG (D)<br />

Kosten etwa 750.000 Euro pro Gesamtpaket<br />

(beinhaltet u. a. Zelte, Filtrationsanlagen,<br />

Transportcontainer & Klimaanlagen)<br />

Aufbaufläche ca. 27 x 35 Meter<br />

Temperaturbereich -32 °C bis zu +49 °C<br />

Aufbauzeit 10 Stunden (10 Mann)<br />

Unterkunft bis zu 32 Personen<br />

Stationierung Pionierbataillone in Melk,<br />

Salzburg und Villach<br />

Wo kamen die neuen Zelte zuletzt<br />

zum Einsatz?<br />

Die Beschaffung ist gerade einmal abgeschlossen.<br />

Zum Einsatz kam es bisher<br />

nur bei Aufbauten im Rahmen der<br />

Ausbildung, um Erfahrungen zu sammeln.<br />

Künftig wird es bei Elementar -<br />

ereignissen im Inland und Ausland<br />

Verwendung finden, wie bei der European<br />

Battlegroup 2016/2. Dort wird<br />

Österreich wieder die logistische Führungsrolle<br />

übernehmen.<br />

Wie funktioniert die Aufstellung?<br />

Bisherige Aufbauten haben gezeigt,<br />

dass dafür zehn Mann, also neun Pioniere<br />

und ein Kommandant, optimal<br />

sind. Ist das Podest errichtet und die<br />

Zeltplanen ausgelegt, dauert das Aufblasen<br />

mit dem Gebläse nur acht Minuten.<br />

Dann bekommt das Zelt außen<br />

ein Alugerüst, das hält dann Windgeschwindigkeiten<br />

bis zu 120 km/h und<br />

Schneelasten von 80 kg/m 2 aus.<br />

M I L I T Ä R A K T U E L L


SAFE. SIMPLE. FAST.<br />

GLOCK 17 Gen4 Pistols<br />

www.glock.com

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!