Das Verbandsmagazin des VDV ist die redaktionelle Plattform für Unternehmen des Öffentlichen Personen- und Schienengüterverkehrs in Deutschland.
Konzept und Realisierung: AD HOC PR, Gütersloh.
Was uns bewegt. Wen wir bewegen. Ausgabe Dezember 2014
Schutzgebühr: 3,20 Euro
Mit der Tram im Trend
Das weltweite Comeback der städtischen Bahnen Seite 6
Lärmschutz: Studie warnt vor
Fahrverboten und Tempolimit
Seite 14
Marketing: Digitalisierung
fordert neue Konzepte
Seite 19
Fernbusse: Junger Markt
vor neuen Herausforderungen
Seite 22
Was uns bewegt. Wen wir bewegen. Ausgabe Dezember 2014
Lärmschutz: Studie warnt vor
Fahrverboten und Tempolimit
Seite 14
Marketing: Digitalisierung
fordert neue Konzepte
Seite 19
Fernbusse: Junger Markt
vor neuen Herausforderungen
Seite 22
Inhalt
19 VDV-Marketingkongress: Abschied
von alten Konzepten erforderlich
22 Fernbusmarkt: Erste Erfolge und
neue Herausforderungen
26 Modellbahn: Kleine Firma betreibt
Schauanlagen in Bahnhöfen.
10 Chemnitzer Modell: Umsteigefrei
vom Umland in die Großstadt
16 Länderkonferenz: Teilnehmer
fordern mehr Planungssicherheit.
Mit der Tram im Trend
Schutzgebühr: 3,20 Euro
Das weltweite Comeback der städtischen Bahnen Seite 6
Unser Titelbild
zeigt ein Fahrzeug
der Düsseldorfer
Rheinbahn.
3 Editorial
Städtische Bahnen sind
Vorbilder für Nachhaltigkeit.
4 VDV im Bild
Grenzverkehr vor 25 Jahren
6 Titelstory
Tram im Trend
Seite 8: Interview mit VDV-
Vizepräsident Herbert König
10 Titelstory
Tram-Train ins Herz von Chemnitz
Seite 12: Interview mit
City-Bahn-Chef Uwe Leonhardt
14 Aus dem Verband
Lärmschutz: Studie warnt vor
Nachtfahrverbot und Tempolimit.
2 VDV Das Magazin
Editorial
Bahnen
Städtische
sind Vorbilder
für
Nachhaltigkeit
Fast zehn Milliarden Fahrgäste nutzen jährlich den
Öffentlichen Personennahverkehr in Deutschland.
Und seit Jahren gewinnen wir immer mehr Fahrgäste
hinzu – vor allem dort, wo es ein attraktives
Angebot auf Schienen gibt. Allein die knapp 80
Mitgliedsunternehmen der VDV-Sparte „Tram“
beförderten im Jahr 2013 in ihren Straßen-, Stadtund
U-Bahnen 3,9 Milliarden Fahrgäste. Investitionen
in den Neu- und Ausbau dieses leistungsfähigen
Verkehrssystems sind daher die logische
Antwort auf die kontinuierlich steigende Nachfrage.
In ihrer wechselvollen Geschichte erlebt die Tram
momentan wieder eine Blütezeit. Nicht nur in
Deutschland, sondern weltweit entdecken die
Menschen in den Städten ihre Liebe zum ÖPNV
auf Schienen. Die elektrisch betriebenen Bahnen
stehen für weniger Lärm- und Schadstoffemissionen
sowie für mehr Klimaschutz und Verkehrssicherheit.
Sie bieten Mobilität für alle. Kurz
gesagt: Straßen-, Stadt- und U-Bahnen bringen
mehr Lebensqualität in unsere Metropolen.
Zudem sind sie – wie auch unsere Busse – durch
ihre lange Lebensdauer sehr wirtschaftlich. Üblicherweise
beträgt die Einsatzzeit eines Schienenfahrzeugs
30 Jahre; remotorisierte und modernisierte
Bahnen sind sogar 40 Jahre und länger
im Betrieb. Somit leisten sie einen zusätzlichen
wertvollen Beitrag, unsere begrenzten finanziellen
und natürlichen Ressourcen zu schonen.
Für den Klimaschutz und die Mobilität in
unseren Städten sind sie daher unverzichtbar.
Herzlichst Ihr
Jürgen Fenske
16 Aus dem Verband
Länderkonferenz befürchtet
Verkehrsinfarkt in Hessen.
19 Aus dem Verband
Traditionelle Marketingkonzepte
müssen umgeschrieben werden.
22 Hintergrund
Fernbusse stehen vor neuen
Herausforderungen.
25 Aktuell
Neues Buch erinnert an den
Berliner ÖPNV nach dem Mauerfall.
26 Hintergrund
Schauanlagen für Modellbahnen:
Mit einem Euro zehnmal Zug fahren
30 Abgefahren
Busse und Bahnen hängen
den Weihnachtsmann ab.
„VDV Das Magazin“ finden
Sie auch im Internet als
E-Paper unter:
www.vdv.de/das-magazin
VDV Das Magazin 3
VDV im Bild
4 VDV Das Magazin
Grenzverkehr vor 25 Jahren
Kurz nach der Grenzöffnung pendelten die Menschen in großer Zahl zwischen
beiden deutschen Staaten per Bus hin und her – wie hier an der
Falkenseer Chaussee in Spandau. In Berlin brachte der ÖPNV mit einer logistischen
Meisterleistung Ost und West zusammen. Tausende Mitarbeiter der
BVG im Westen und der BVB im Osten waren Tag und Nacht im Einsatz. Als
tatkräftige Hilfe schickten Verkehrsunternehmen aus der ganzen Bundesrepublik
Personal und rollendes Material in die seit dem 9. November 1989
nicht mehr geteilte Stadt. An die turbulente Wendezeit und die emotionalen
Momente bei den Berliner Verkehrsunternehmen erinnert ein Buch, das zum
25. Jahrestag des Mauerfalls erschienen ist.
Mehr dazu erfahren Sie auf Seite 25.
VDV Das Magazin 5
Titelstory
Tram im Trend
200
Kilometer
Stadtbahnstrecke sind seit
der Jahrtausendwende in
Deutschland neu entstanden,
so das Blaue Buch „Stadtbahnsysteme“
des VDV.
6 VDV Das Magazin
Titelstory
Lange Zeit war sie das rumpelnde, quietschende, bimmelnde Relikt aus lange vergangener
Zeit – die „gute alte“ Tram. Das ist vorbei: Sie hat sich gewandelt – hin zum leistungsstarken,
energieeffizienten, modernen Verkehrssystem. Die städtischen Bahnen stehen weltweit
vor wachsenden Aufgaben, Mobilitätsbedürfnisse kostengünstig und zugleich attraktiv
zu erfüllen.
Dresdens Lokalpresse fand die originelle Schlagzeile:
„Die klügste Bahn der DVB“. Seit fünf Jahren
fährt im Netz der Dresdner Verkehrsbetriebe eine
einzigartige Niederflurbahn aus der „Flexity“-Generation
des Herstellers Bombardier. Unterhalb des
Fahrgastraums ist sie vollgestopft mit Sensoren und
Messinstrumenten. In einem Großversuch, an dem
maßgeblich die TU Dresden und der Fahrzeug-Lieferant
beteiligt sind, wird jede Bewegung der Bahn,
jede Reaktion ihrer Technik registriert. Das Ziel:
Know-how sammeln für die innovative Tram von
morgen. „Es gibt viel Mehrwert für künftige Produkte
und Entwicklungen, nicht nur für neue Fahrzeuggenerationen.
Auch bei unseren Fahrwegen
können wir durch die Messungen Fehler entdecken
und Optimierungen schaffen, die wir bisher gar
nicht erkennen konnten“, sagt DVB-Vorstand Reiner
Zieschank.
Nicht nur in Dresden besteht großes Interesse an
dem mehr als hundert Jahre alten Verkehrsmittel.
In wenigen Jahren wuchs die Zahl der Netze von
Stadt- und Straßenbahnen laut Angaben des internationalen
Verbandes UITP weltweit von 300 auf
400; fast die Hälfte davon wird in Europa betrieben.
„Das ist fast nicht zu glauben“, staunt selbst der Essener
Straßenbahnexperte Prof. Hans Ahlbrecht.
In Deutschland habe die Wiedervereinigung die
Straßenbahn-Bilanz deutlich aufgebessert. Seit
der Jahrtausendwende, so das neue Standardwerk
„Stadtbahnsysteme“ des VDV (siehe Infokasten),
sind rund 200 Kilometer Strecke neu entstanden.
Weitere 90 sind im Bau, mehr als 170 geplant oder
zumindest angedacht. Vor allem in Ostdeutschland
wurde die überfällige Erneuerung nach der Wende
vorangetrieben. „Heute sind die Betriebe im Osten
alle sehr gut vorzeigbar“, zollt Ahlbrecht Anerkennung.
Doch auch im Westen bauen große Städte den
ÖPNV auf Schienen konsequent aus. Ein „absolutes
Highlight“, so der Tram-Experte, sei Stuttgart. Die
Stuttgarter Straßenbahnen haben seit 2000 fast
20 Kilometer neue Strecken in Betrieb genommen –
das ist Rekord in Deutschland.
Überall also „Tram im Trend“ – das war in Dresden
schon vor zwei Jahren das Motto, als dort 140 Jahre
Straßenbahn gefeiert wurden. Das zeigt sich auch
in den Statistiken des VDV: In knapp 30 deutschen
Städten werden rund 3.400 Kilometer Stadt- und
Straßenbahnstrecken betrieben. Rund drei Milliarden
Fahrgäste sind jährlich auf diesen Schienen
unterwegs, fast ein Drittel aller ÖPNV-Nutzer in
Deutschland. Neben den Netzausbauten beste-
Geballtes Stadtbahn-Wissen
Der Titel ist nicht gerade reißerisch, aber er sagt alles:
„Stadtbahnsysteme“. Das Buch hat fast 1.000 Seiten und
wiegt annähernd zweieinhalb Kilogramm. Auf Deutsch und
Englisch präsentieren der VDV und das VDV-Industrieforum
gemeinsam mit dem Bundesministerium für Verkehr und
digitale Infrastruktur (BMVI) ein informatives Kompendium,
das laut Untertitel „Grundlagen – Technik – Betrieb – Finanzierung“
des schienengebundenen ÖPNV beschreibt. Unter
der Gesamtbearbeitung der Studiengesellschaft für unterirdische
Verkehrsanlagen (Stuva) haben kompetente Autoren
geballtes Wissen zusammengetragen. Und das in schier
unerschöpflicher Vielfalt – von Nutzerkennzahlen bis zum
Rasengleis, vom Haltestellenbau bis zum Schallschutz, von
der Antriebstechnologie bis zur Finanzierung.
Die von den SWU Verkehr betriebene Straßenbahn der Stadtwerke
Ulm/Neu-Ulm ist eine der kleinsten Deutschlands. Die
Länge ihrer bislang einzigen Strecke wurde 2009 auf 10,2 Kilometer
nahezu verdoppelt.
VDV Das Magazin 7
Titelstory
Drei Fragen an Herbert König, Vorsitzender der Geschäftsführung der
Münchner Verkehrsgesellschaft, Vizepräsident des VDV und Vorsitzender
des Verwaltungsrates Tram beim VDV
» Herr König, Sie selbst sprechen von
der Renaissance der Straßenbahn. Worin
liegen die Gründe?
Zunächst einmal: Bei vielen Menschen
hat die Tram einen Sympathiebonus.
Sie bietet im Stadtverkehr den Komfort
eines Schienenfahrzeugs, und wer mit
ihr fährt, sieht etwas vom Leben in der
Stadt – anders als in der U-Bahn.
» Damit überzeugen Sie aber kaum Politiker, in Stadtbahnsysteme
zu investieren ...
Natürlich nicht, aber es gibt genügend handfeste Gründe für den
oberirdischen ÖPNV auf Schienen, wo das Fahrgastaufkommen hoch
ist. Ein Buszug, wie wir ihn in München einsetzen, hat maximal 133
Plätze, eine Tram hat wenigstens 160 und kann ein Vielfaches an
Platzangebot durch entsprechende Zugbildung bieten. U-Bahnen mit
ihrem hohen Infrastrukturaufwand machen erst bei ungleich höherer
Nachfrage Sinn und haben dann meist wesentlich größere Züge,
in München zum Beispiel mit über 900 Plätzen. Zwischen Bus und
U-Bahn gibt es also viel Raum für interessante Straßenbahn-Projekte.
Gerade dort, wo Infrastrukturen schon vorhanden sind und die
Fixkosten durch zusätzliche Linien wirtschaftlicher verteilt werden.
» Gleichwohl scheitern viele Pläne am fehlenden Geld.
In der Tat brauchen wir für den Ausbau der Systeme gesicherte
Finanzierungen, insbesondere eine Nachfolgeregelung für das
Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz, das bekanntlich 2019 ausläuft.
Unabhängig davon ist auch die Finanznot vieler Kommunen
ein wachsendes Problem: Sie können kaum noch den notwendigen
eigenen Anteil zur Finanzierung etwa von Stadtbahn-Projekten
beisteuern. Wir müssen Lösungen finden, denn für den Klimaschutz
sind gerade in den Städten attraktive ÖPNV-Systeme
unverzichtbar.
hender Straßenbahnbetriebe gibt es auch Newcomer:
Saarbrücken und Oberhausen kehrten zur
Stadtbahn zurück, Heilbronn erfuhr den Anschluss
an das Tram-Train-Netz des Karlsruher Modells.
Allerdings scheitern auch Pläne: In Hamburg und
in Aachen etwa gab es keine politischen Mehrheiten
für die Tram. „Absoluter Neubau wird vor dem
Hintergrund der Investitionen und der wachsenden
Zahl kritischer Bürger immer schwieriger“, beobachtet
Maria Leenen, Chefin der Bahn-Beratungsfirma
SCI Verkehr. Die Straßen- oder Stadtbahn als
im Wesentlichen oberirdisches und in den Stadtverkehr
integrierbares, gegenüber U-Bahnen weitaus
kostengünstiger zu bauendes System habe, so Leenen,
vor allem dort Zukunft, wo heute schon Trams
fahren. In Deutschland kämen zwei Faktoren hinzu.
Einmal, dass viele ältere Menschen in die Städte
zurückkehren. Und zum anderen, dass junge Menschen
ohne eigenes Auto unterwegs sein wollen:
„Moderne Bahnangebote liefern adäquate Mobilität,
mit der man diese Menschen gut als Fahrgäste in das
System holen kann.“
„Absoluter Neubau wird vor dem Hintergrund
der Investitionen und der wachsenden Zahl
kritischer Bürger immer schwieriger.“
Maria Leenen, Geschäftsführerin SCI Verkehr
Im Netz der Dresdner
Verkehrsbetriebe (Foto o.)
werden wertvolle Erkenntnisse
für die Tram von
morgen gesammelt. Stadtbahnen
bieten Senioren,
die in Citys zurückkehren,
und jungen Menschen ohne
eigenes Auto Mobilität.
8 VDV Das Magazin
Titelstory
„Man kann wirklich von einer Renaissance der
Straßenbahn sprechen“, sagt Herbert König, Chef der
Münchner Verkehrsgesellschaft und als VDV-Vizepräsident
Vorsitzender des Verwaltungsrates Tram:
„Bis Anfang der 90er-Jahre wurden viele Straßenbahn-Netze
abgeschafft, dann folgte aber die große
Trendwende.“ Die Franzosen waren in Europa die
ersten, die in ihren im Autoblech erstickenden Städten
neue Schienen verlegten – für Stadtbahnen. Die
neuen Trams fahren möglichst unabhängig auf eigenen
Gleiskörpern, vom übrigen Verkehr getrennt.
Es sind Hightech-Bahnen im futuristisch-avantgardistischen
Design. Nantes, Straßburg, Marseille,
Lyon, Bordeaux und Paris: Mehr als 1.500
„Citadis“-Bahnen von Alstom sind heute allein in
Frankreich im Einsatz. In Deutschland hatten die
Stadtbahn-Projekte der 60er- und 70er-Jahre
schon moderne Bahnsysteme geschaffen. Es folgten
grundlegende Innovationen: energieeffiziente
Antriebstechnologien auf Drehstrom-Basis, Energierückgewinnung
beim Bremsen, Fahren ohne
Oberleitung, Niederflur-Fahrzeuge, Rasengleise
als Lärmschutz und Wasserspeicher – das sind die
Stichworte.
Globaler Boom
Moderne Trams rollen bis vor die Kathedrale
von Sevilla oder in Istanbul übers
Goldene Horn bis zur Hagia Sophia. Sie
sind unterwegs auf allen Erdteilen. Neben
Frankreich (Foto: Reims) waren es zunächst
die USA, die dem Dauerstau auf den Highways
ein neues, umweltfreundliches Verkehrsmittel
entgegensetzten. Heute werden
auch in den ausufernden Megastädten
Asiens oder Südamerikas Stadtbahnen als
Ergänzung zu leistungsfähigen Metrosystemen
gebaut. Eine Zahl aus dem
Magazin „Tramways & Urban Transit“
verdeutlicht die Dimensionen: Seit der Inbetriebnahme
der ersten Niederflur-Tram
vor 30 Jahren in Genf sind weltweit über
8.000 Niederflurbahnen gekauft worden.
Für die Bahnindustrie ist der ÖPNV auf Schienen
weltweit ein attraktiver Zukunftsmarkt. „Bislang teilen
sich Alstom, Bombardier und Siemens den Markt
weithin auf“, beobachtet Experte Ahlbrecht: „Das
wird sich erheblich ändern.“ So haben sich bereits
der spanische Hersteller CAF, die polnische Firma
Solaris sowie Stadler und Vossloh deutsche Aufträge
sichern können. Siemens-Bahntechnik-Chef Jochen
Eickholt sieht es wohl eher gelassen: „In diesem Geschäft
sind wir seit 130 Jahren aktiv, und jetzt haben
wir die Tram ein zweites Mal erfunden.“ Sein Stolz
ist seine neue Hundertprozent-Niederflurstraßenbahn
„Avenio“. „Es ist ein einzigartiges Konzept, das
Innovation und Bewährtes verbindet: Mit niedrigen
Achslasten fahren die Bahnen auch auf bestehenden
Strecken sanft und leise. Der Verschleiß an Fahrzeug
und Schiene wird minimiert, der Energieverbrauch
verringert. Die Folge: Städte sparen Infrastruktur-
Investitionen, Betreiber Wartungskosten. Fahrer und
Fahrgäste genießen hohen Fahrkomfort, während
die Umwelt von CO 2
-Emissionen entlastet wird.“
Herbert König fährt in München bereits die ersten
Avenios. Das Urteil des Betreibers ist nicht ganz so
überschwänglich wie das des Herstellers, aber nüchtern-positiv.
Neu-Erfindung? Na ja, die neue Tram
sei „eine gelungene Weiterentwicklung“.
Moderne Fahrzeuge – wie hier in München und Karlsruhe
(kl. Foto) – haben die Renaissance der städtischen Bahnen
voran getrieben.
VDV Das Magazin 9
Titelstory
Tram-Train bis ins
Herz von Chemnitz
Fernverkehrszüge fahren schon länger nicht mehr in den Hauptbahnhof von Chemnitz ein.
Seit einigen Monaten rollt aber die Straßenbahn in das gewaltige Hallenschiff und hält am
Bahnsteig 1 – ein ungewöhnlicher Anblick, der ein erster großer Schritt für das „Chemnitzer
Modell“ ist: Es schafft in Mittelsachsen neue, attraktive Schienenverbindungen zwischen
Stadt und Umland.
Das Projekt tief im Osten hat sein Vorbild
tief im Westen. „Das, was wir hier vorhaben,
lehnt sich stark an das erfolgreiche
Karlsruher Modell an“, erläutert Dr.-Ing.
Harald Neuhaus, Geschäftsführer des
Verkehrsverbundes Mittelsachsen
(VMS). Wie in der badischen Metropole
will die sächsische Industriestadt, die
Zentrum einer Region mit 1,3 Millionen
Einwohnern ist, Schienenstrecken in
der Umgebung mit dem Straßenbahnnetz
in der Stadt verknüpfen. „Und dann
fahren wir mit modernen, komfortablen
Stadt-Umland-Bahnen durchgehend
vom Stadtzentrum in die Region und bieten
umgekehrt direkte Verbindungen aus
dem Umland bis hinein in die City.“
In der Endausbaustufe sollen einmal über
200 Kilometer Schienenstrecken über
den Hauptbahnhof direkt verbunden
sein mit der Chemnitzer „Zentralhaltestelle“
in den Einkaufsstraßen nahe dem
altehrwürdigen Rathaus. Ganze sechs
Kilometer Bahn müssen dafür neu gebaut
werden. „Stufe 1“ sieht zunächst vor, Regionalzüge
aus den Nachbargemeinden
Burgstädt, Hainichen und Mittweida bis
in das Stadtzentrum, das vier Straßenbahn-Haltestellen
vom Hauptbahnhof
entfernt liegt, zu fahren. Die Infrastruktur
dafür ist da, seit die Straßenbahn in
die Bahnhofshalle einfährt. Während
die Tram hinter dem Hauptbahnhof in
einer großen Schleife in die Stadt zurückkehrt,
hat Bahnsteig 3 und 4 mit
seinen beiden Gleisen direkt Anschluss
ins Netz der Deutschen Bahn in Richtung
Burgstädt, Hainichen und Mittweida.
Was noch fehlt, ist das geeignete Rollmaterial.
Acht Züge hat der Zweckverband
Verkehrsverbund Mittelsachsen,
der als Besteller des Schienenpersonennahverkehrs
die Rolle des Projektträgers
übernommen hat, beim Bahntechnik-
Hersteller Vossloh geordert. Dieser baut
sie zurzeit in seinem spanischen Werk
in Valencia. Die Auslieferung und Inbetriebnahme
ist sukzessive im nächsten
Jahr geplant, und zum Fahrplanwechsel
im Dezember 2015 will VMS-Geschäftsführer
Harald Neuhaus den Stadt-Umland-Betrieb
aufnehmen.
Die neuen Bahnen werden in den Fahrzeugpool
des Zweckverbandes eingestellt.
Der überlässt sie dann der City-Bahn
Chemnitz GmbH: Die Tochtergesellschaft
des kommunalen Verkehrsunternehmens
Chemnitzer Verkehrs AG (CVAG) und der
Regionalverkehr Erzgebirge GmbH (RVE)
ist noch bis 2020 – bis zur nächsten
Vergabe – Betreiber des Schienenpersonennahverkehrs
auf den Umlandstrecken
und setzt dort sechs Dieseltriebwagen
ein. Ab Ende 2015 sollen dann die neuen
elektrischen Züge „durchfahren“, also
über den Hauptbahnhof bis in die Chemnitzer
Innenstadt. Auf den ersten Blick
sehen die Neuen aus wie gewöhnliche
Straßen- oder Stadtbahnen. Doch ihr
technisches Innenleben ist komplexer.
„Es handelt sich um dieselelektrische
Zweisystem-Fahrzeuge. Die fahren im
Straßenbahnnetz ganz normal unter der
Oberleitung, aber im DB-Netz auch auf
nicht elektrifzierten Strecken. Da liefert
ein Dieselgenerator die elektrische
Antriebsenergie“, erläutert Mathias
Korda, beim VMS für die Infrastruktur
verantwortlich. Das ist ein wesentlicher
Unterschied zum Karlsruher Modell.
Dort wurden vor gut zwei Jahrzehnten
Bahnstrecken in der Region für den
10 VDV Das Magazin
Eine Region vernetzt sich
1. Ausbaustufe
2. Ausbaustufe
3. Ausbaustufe
4. Ausbaustufe
5. Ausbaustufe
Das Chemnitzer Modell verknüpft Straßenbahn- und Eisenbahngleise
und schafft so umsteigefreie Verbindungen zwischen
dem sächsischen Oberzentrum und seinem Umland. Angebunden
werden auch die Busse mit dem Ziel, Verkehrsströme auf der leistungsfähigen
Bahntrasse zu bündeln. Da die Züge nicht überall
halten können, bieten Bushaltestellen in unmittelbarer Nähe der
Bahnstationen kurze Umsteigewege zu den regionalen Buslinien.
Auf der Strecke Chemnitz – Stollberg, dem Pilotprojekt des
Modells, sind Fahrgäste bereits seit 2002 schnell und bequem
zwischen Sachsens drittgrößter Stadt und dem Umland unterwegs.
Ziel des Chemnitzer Modells ist es, ein nachhaltiges Verkehrskonzept
im gesamten Raum Chemnitz zu gestalten. Das sogenannte
Zielnetz 2020 werden 226 Kilometer Eisenbahn- und Straßenbahngleise
bilden.
www.chemnitzer-modell.de
Einsatz von elektrischen Zweisystem-Stadtbahnen
eigens elektrifiziert.
Diesen Aufwand kann sich Chemnitz
dank moderner Hybrid-Technologie
sparen. Die dreiteiligen, 37 Meter langen,
für 100 km/h ausgelegten Züge sind für
das DB-Netz von den Crashnormen bis
zur Leit- und Sicherungstechnik nach
den Standards der Eisenbahn-Betriebsordnung
(EBO) konzipiert; sie sind damit
tauglich für einen Mischbetrieb mit
Vollbahn-Fahrzeugen. Innerstädtisch
verkehren sie als Straßenbahnen nach
der „BOStrab“, den Normen für den Stra-
Seit dem Sommer durchfahren die Trams
auch den Chemnitzer Hauptbahnhof.
VDV Das Magazin 11
Titelstory
„Ländliche Strukturen aufwerten“
Drei Fragen an Uwe Leonhardt, Geschäftsführer
der City-Bahn Chemnitz
Mathias Korda (l.) und Geschäftsführer Dr.-Ing. Harald
Neuhaus vom Verkehrsverbund Mittelsachsen (VMS)
ßenbahnbetrieb, und können so auch
im Straßenverkehr auf Sicht gefahren
werden.
Die Zukunft des attraktiven Schienennahverkehrs
in der Region Chemnitz begann
2002 mit einer 23 Kilometer langen
Pilotstrecke. Die City-Bahn startete mit
ihren „Variobahnen“ nicht im, sondern
vor dem Hauptbahnhof zur Fahrt durch
die Stadt nach Altchemnitz und wechselte
dann an einer Verknüpfungsstelle auf
die Bahnstrecke nach Stollberg. Für den
Stadtbahnbetrieb war dieser Streckenabschnitt
mit Straßenbahn-Technik elektrifiziert
worden. Seit Anfang November
dieses Jahres fährt die City-Bahn, wie die
Straßenbahnen der CVAG, die neue Haltestelle
in der Bahnhofshalle an.
» Herr Leonhardt, Straßenbahn, City-Bahn und Regionalzüge
im Hauptbahnhof unter einem Dach: Wie entwickelt
sich das Verkehrsaufkommen?
Es gibt noch keine Zahlen, denn den vollen Betrieb auf
der Stadt-Seite haben wir wegen Bauarbeiten im Stadtbahnnetz
erst Anfang November aufnehmen können. Aber
unsere Fahrgäste signalisieren uns jeden Tag: Sie schätzen
die kurzen, trockenen Wege zum Umsteigen – eine schöne
komfortable Lösung.
» Wird sich der Erfolg Ihrer Pilotstrecke mit einer Vervielfachung der Kundenzahlen
nach der Realisierung des Chemnitzer Modells fortsetzen?
Momentan sind Fahrgastzahlen aus Kosten-Nutzen-Rechnungen Basis der Projekte.
Ich bin überzeugt davon, dass das System mit der Durchbindung von Stadt- und Eisenbahn
deutlich attraktiver ist als die heutige, herkömmliche Lösung mit weniger Potenzial
für Fahrgäste im ländlichen Raum. Und mit einer umsteigefreien Fahrt in die City
des Oberzentrums sollte es uns gelingen, an die Erfolge der Pilotstrecke anzuknüpfen.
» Auf der Pilotstrecke fahren Sie derzeit Express-Züge, die weniger Halte bedienen.
Mit welchem Erfolg?
Kürzere Reisezeiten sind immer interessant. Wir sehen solche Versuche auch als
Angebot an kleinere Unternehmen, sich außerhalb der Stadt entlang unserer Achse
anzusiedeln und so die ländlichen Strukturen aufzuwerten.
Längsschnitt Reichenhainer Straße
9,00 9,00 6,00 3,00 9,00 8,50 3,50
Fahrleitungs-/Beleuchtungsmast
Fahrleitungsmast
F ahrleitung ≥ 5,50m
Chemnitz
Chemnitz
Der VMS hat beim Konsortium Vossloh acht Zweisystem-Fahrzeuge für den kombinierten Einsatz im Chemnitzer Straßenbahnnetz und auf
regionalen Eisenbahnstrecken bestellt. Wenn Ende 2015 die Stufe 1 des Chemnitzer Modells in Betrieb genommen wird, sollen sie auf den
Eisenbahnstrecken von Burgstädt, Mittweida und Hainichen bis ins Straßenbahnnetz der sächsischen Metropole verkehren.
12 VDV Das Magazin
Titelstory
Eine Variobahn der City-Bahn fährt Richtung Stollberg.
Später wechselt sie auf das Gleis der DB.
Mit der Stadtbahn in die Region
„Ein Erfolgsmodell“, kann Neuhaus rückblickend
sagen: „Mit der Variobahn stieg die
Zahl der Fahrgäste von vorher täglich 600
bis 800 auf heute 4.000 bis 5.000.“ Und er
denkt gleich an morgen und übermorgen:
„So bin ich mir auch bei unseren weiteren
Projekten ganz sicher, dass wir eine nachhaltige
Investition tätigen.“ Das werde auch
in der Politik so gesehen. Es gebe einen
breiten Konsens für das Projekt. Zustimmung
auch bei Sachsens seinerzeitigem
Wirtschafts- und Verkehrsminister Sven
Morlok, als im Sommer der Hauptbahnhofsumbau
für die Durchführung der Straßenbahn
und der Stadt-Umland-Verbindungen
abgeschlossen war: „Der Freistaat unterstützt
das Chemnitzer Modell als hervorragendes
Beispiel für einen modernen und
kundenfreundlichen Öffentlichen Nahverkehr.
Das ist innovativ, umweltfreundlich
und entlastet den Chemnitzer Stadtbereich.“
Finanziert wird das Projekt, das bis zu
seinem Endausbau über viele Jahre verteilt
Investitionen von 300 Millionen
Euro vorsieht, überwiegend aus dem
Die Idee einer Verknüpfung innerstädtischer Straßen- und Stadtbahnlinien mit den
Eisenbahnstrecken in der Region – das „Karlsruher Modell“ – wurde in den 80er-Jahren
in der baden-württembergischen Metropole entwickelt, unter Führung von Verkehrsbetriebe-Chef
Dieter Ludwig, dem langjährigen Präsidenten des VDV. Mit Zwei-
System-Elektrotriebzügen bedient die Albtal-Verkehrs-Gesellschaft (AVG) ein über
600 Kilometer langes Streckennetz, teils auf den Hauptstrecken der Deutschen Bahn,
teils auf Gleisen nicht-bundeseigener Betreiber, der NE-Bahnen. Auch in anderen Städten,
zum Beispiel in Kassel und Saarbrücken, wurden in kleinerem Umfang vergleichbare
Projekte entwickelt. Bahnen, die mal als Straßenbahn, mal als Vollbahn fahren, gibt
es zudem in einer Reihe weiterer Netze. Als „Tram-Train“ ist die Idee auch in Frankreich
sehr populär, wo sie mit der Renaissance der Straßenbahn vielfach realisiert wird.
Gemeindeverkehrs finanzierungsgesetz
(GVFG) sowie mit Mitteln des Freistaats
Sachsen und aus dem Europäischen
Fonds für regionale Entwicklung (EFRE).
Die Investitionen für die Stufe 1 sind mit
32 Millionen Euro veranschlagt; die erforderlichen
Eigenmittel in Höhe von 10
bis 25 Prozent, sagt Neuhaus nicht ohne
Stolz, kommen nicht von der Kommune:
„Die stemmt der Aufgabenträger.“ In der
Bürgerschaft werden die Pläne für das
Chemnitzer Modell zwar kontrovers diskutiert,
aber ganz überwiegend begrüßt
und zum Teil auch ungeduldig erwartet.
Gegrummelt hat die Internet-Gemeinde
allerdings über das Design der neuen
Stadt-Umland- Züge in den Farben Rot
und Grün. Besser wäre doch Himmelblau.
Das ist nicht nur die Farbe vieler CVAG-
Busse und -Bahnen, sondern auch der
lokalen Fußball-Mata dore des Chemnitzer
FC. Sie nennen sich die Himmelblauen.
VDV Das Magazin 13
Aus dem Verband
In zahlreichen Messungen wurde der
Schienenlärm analysiert. Lärmschutzwände
und Flüsterbremsen können ihn
erheblich reduzieren.
Lärmschutz: Studie warnt
vor Nachtfahrverbot und Tempolimit
Der Schienengüterverkehr (SGV) soll leiser werden. Bis 2020 will die Branche alle Bestandswagen
in Deutschland mit Flüsterbremsen ausstatten. Doch der Politik geht das zu langsam.
Sie will bis 2016 eine Umrüstungsquote von 50 Prozent erreichen. Andernfalls drohen
ordnungspolitische Maßnahmen. Eine Studie von VDV und weiteren Partnern warnt jedoch
vor fatalen Folgen für die Wirtschaft.
374 Millionen Tonnen Güter erreichten 2013 in
Deutschland über die Schiene ihren Bestimmungsort
– der Großteil davon wird nachts transportiert.
Für Anwohner der Strecken bedeutet das oft unruhigen
Schlaf. Abhilfe soll eine Flüsterbremse schaffen:
die LL-Sohle (siehe Infokasten). Mit ihr wollen
die SGV-Unternehmen alle 180.000 Bestandswagen
sukzessive nachrüsten. „Der Lärmpegel lässt sich so
um 50 Prozent reduzieren, und diese Minderung ist
dringend nötig“, urteilt VDV-Geschäftsführer Martin
Henke: „Das steht für die Branche außer Frage.“
Doch wie so oft gelte es, das richtige Maß zu finden.
Die Branche will die Umrüstung bis 2020 abschließen,
die Politik ihr Etappenziel für 2016 durchsetzen.
Sollte das der Wirtschaft nicht gelingen, hält
Die LL-Sohle
Sie ist doppelt so leise wie herkömmliche Bremssohlen aus
Grauguss: die LL-Sohle, zugelassen seit Mitte 2013. Die
Abkürzung steht für „low noise, low friction“ („wenig Lärm,
wenig Abrieb“). Das Besondere: Die Bremsen aus Verbundstoff
rauen die Laufflächen der Räder während des Bremsvorgangs
deutlich weniger auf als Grauguss. Und je glatter
die Räder, desto leiser die Rollgeräusche des Zugs. Alte
Grauguss-Bremsen können 1:1 durch die LL-Sohle ersetzt
werden – ein Vorteil gegenüber der bei Neuwagen gängigen
K-Sohle. Diese würde bei Bestandswagen einen Umbau der
Bremsanlage erfordern, was die Umrüstkosten auf mehr als
5.000 Euro pro Wagen verdreifachen würde.
14 VDV Das Magazin
Aus dem Verband
„Man kann nicht alles auf Lkw verladen. Und
was ist mit Gefahrgut? Wollen wir wirklich,
dass das in Zukunft über unsere Straßen
transportiert wird?“
Dieter Schweer, Mitglied der BDI-Hauptgeschäftsführung
sich die Bundesregierung ordnungspolitische Maßnahmen
offen. Konkret geht es um ein Tempolimit
von 70 Stundenkilometern für nächtliche Schienentransporte
– in der Regel fahren diese mit 100 Stundenkilometern.
Auch ein Nachtfahrverbot für laute
Züge steht zur Debatte.
1
Was aus Anwohnersicht begrüßenswert ist, stellt
für Unternehmen eine kaum zu stemmende Herausforderung
dar, warnt die Studie, die der VDV, der
Verband der Güterwagenhalter in Deutschland (VPI)
sowie der Bundesverband der Deutschen Industrie
(BDI) in Auftrag gegeben haben. Das Tempolimit
führt demnach zu zehn Prozent höheren Transportkosten
und reduziert das Transportaufkommen
wegen geringerer Netzkapazitäten um satte 30 Prozent.
Die Beförderungszeiten würden sich um rund
ein Viertel verlängern. Noch drastischere Folgen
hätte das komplette Nachtfahrverbot, warnen die
Verfasser der Studie vom privaten Beratungsunternehmen
Via Consulting & Development. Denn eine
Verschiebung in den Tag sei wegen der 90-prozentigen
Auslastung vieler Trassen nicht möglich.
Zudem seien viele Logistikketten und Produktionsprozesse
auf eine Anlieferung der Güter am Morgen
ausgelegt – Transporte am Tag sind für die Kunden
folglich keine Alternative.
All das heizt die Verlagerung von der Schiene auf
die Straße an: Vier Millionen zusätzliche Lkw-
Ladungen seien pro Jahr nötig, um die Transportengpässe
abzufedern, die sich allein schon aus der
Geschwindigkeitsreduktion ergäben, heißt es in der
Studie. Dieter Schweer, Mitglied der BDI-Hauptgeschäftsführung,
sieht das kritisch. „Man kann nicht
alles auf Lkw verladen“, betonte er kürzlich gegenüber
der Süddeutschen Zeitung: „Erze und Kohle beispielsweise
können nicht per Lkw transportiert werden.
Und was ist mit Gefahrgut? Wollen wir wirklich, dass
das über unsere Straßen transportiert wird?“
Die Umrüstung angesichts dieses Szenarios zu beschleunigen,
ist indes keine Lösung. Denn um
2
3
Lärmschutz macht sich bemerkbar: Diese Grafik zeigt die Schallausbreitung bei
einem Güterzug ganz ohne Schutz (Bild 1), mit Lärmschutzwand (Bild 2) sowie mit
Lärmschutzwand und Flüsterbremse (Bild 3).
die Hälfte der Güterwagenflotte bis 2016 mit der
LL-Sohle auszustatten, benötigen die Unternehmen
zwei Millionen Flüsterbremsen – produziert
werden jedoch nur 300.000 Stück pro Jahr. Realistisch
aus Sicht von VPI-Geschäftsführer Jürgen
Tuscher ist deswegen eher eine Umrüstungsquote
von 30 bis 35 Prozent bis 2016. „Die Vorgabe von
50 Prozent lässt sich vielleicht bis 2017 erfüllen“,
sagte er bei der Vorstellung der Studie in Berlin,
„falls die Bundesregierung einen Betriebskostenzuschuss
von 0,4 Cent pro Achskilometer
gewährt.“
Quelle: Deutsche Bahn
VDV Das Magazin 15
Länderkonferenz warnt vor
Verkehrsinfarkt in Hessen
Hessen und insbesondere das Rhein-Main-Gebiet sind wichtige Drehscheiben für
den nationalen und internationalen Verkehr. Doch auch hier stößt die Infrastruktur
inzwischen an Kapazitätsgrenzen, bilanzierten die Teilnehmer der jüngsten Länderkonferenz.
Aktuelles Beispiel: Während des Streiks der
Lokführer-Gewerkschaft GDL stieg die Stauzeit
auf den Straßen im Rhein-Main-Gebiet
um über 60 Prozent, in Berlin dagegen nur um
vier Prozent. Für Tarek Al-Wasir (Bündnis 90/
Die Grünen), Verkehrsminister und stellvertretender
Ministerpräsident Hessens, liegen
die Gründe auf der Hand: „Die Instandhaltung
der Verkehrsadern ist insbesondere in den
alten Flächen-Bundesländern in den letzten
Jahren vernachlässigt worden. Daher müssen
wir deutlich mehr in die Infrastruktur investieren
als bisher.“ In seinem Statement auf
der Länderkonferenz Hessen setzte er daher
klare Prioritäten: „Wir haben uns im Koalitionsvertrag
darauf verständigt, den Bestand
zu erhalten. Das hat zur Konsequenz, dass wir
bestimmte Neubauprojekte nicht machen können.
Das muss man dann aber auch aushalten.“
Sechs Länderkonferenzen in neun Monaten
Mit den im Frühjahr 2014 gestarteten Länderkonferenzen sucht die Initiative „Damit
Deutschland vorne bleibt“ gezielt den Dialog mit den Bürgerinnen und Bürgern, der
regionalen Wirtschaft sowie der Kommunal- und Landespolitik. Den Auftakt machte
im März Bremen, es folgten Baden-Württemberg, Nordrhein-Westfalen, Hamburg,
Bayern und Hessen. Über 500 Vorschläge für eine bessere Infrastruktur wurden aus
der Bevölkerung eingesammelt und teilweise in den Konferenzen öffentlich diskutiert.
Für 2015 sind weitere Länderkonferenzen geplant.
90 Millionen Euro sollen 2015 allein für den
Erhalt von Infrastruktur in Hessen investiert
werden. Ein Großteil dieser Mittel ist bereits
für die Sanierung der 45 Autobahnbrücken
Hessens verplant. Laut Al-Wasir sind diese
nicht auf das erhöhte Verkehrsaufkommen
mit inzwischen durchschnittlich über 60.000
Fahrzeugen täglich ausgelegt. „Sowohl bei
der Straße als auch der Schiene stehen wir
in Hessen in den nächsten Jahren vor einer
Herkulesaufgabe. Umso wichtiger ist daher
die rasche Regelung der Finanzierung und die
damit verbundene Herstellung einer Planungssicherheit.“
In diesem Zusammenhang
erteilte der Verkehrsminister den derzeit
diskutierten Lösungen über öffentlichprivate
Partnerschaften eine klare Absage:
„Hier ist in erster Linie der Staat gefragt,
seiner Verantwortung nachzukommen.“
Verkehrsschlagader Hessen. Über 200 Teilnehmer
waren am 12. November nach Frankfurt
gekommen, um gemeinsam die Probleme
der regionalen Verkehrsinfrastruktur zu diskutieren.
Mittlerweile nutzen fast eine halbe
Million Fahrgäste täglich den Frankfurter
Hauptbahnhof, 350.000 Fahrzeuge passieren
innerhalb von 24 Stunden das Frankfurter
Kreuz und auf dem Wasserweg werden zehn
Millionen Tonnen Güter pro Jahr transportiert.
Gleichzeitig verfügt Frankfurt über den
drittgrößten Flughafen Europas. Gute Argumente
für Investitionen in die Infrastruktur,
fand Oliver Wolff, Hauptgeschäftsführer des
VDV: „Hessen ist die Aorta des Verkehrs in
Deutschland. Wenn sie verstopft, steht auch
im Rest des Landes der Verkehr still.“ Projekte
wie die Gleiserweiterung zwischen Frank-
16 VDV Das Magazin
Aus dem Verband
Ulrich Casper (CDU), Angela Dorn (Bündnis 90/Die Grünen), Uwe Frankenberger (SPD), Ulrike Nissen (SPD), Willi van
Ooyen (Die Linke) und Dieter Posch (FDP) (v.l.) erörterten gemeinsam mit Kommunalpolitikern und Bürgern Wege aus
der Krise. Die Podiumsdiskussion wurde moderiert von Manfred Köhler (Frankfurter Allgemeine Zeitung).
furt und Bad Vilbel, die Nordmainische S-Bahn,
die Regionaltangente West oder die Anbindung
des neuen Stadtteils Gateway Gardens sollen die
Lage im Schienenverkehr entspannen. „Allerdings
werden die Projekte ihre Wirkung erst entfalten
können, wenn sie komplett umgesetzt sind. Der
Handlungsbedarf besteht allerdings jetzt“, so Wolff.
Eine Situation, die es regionalen Verkehrsanbietern
immer schwerer macht, ein wirtschaftliches
ÖPNV-Angebot bereitzustellen. Unterdessen
steigt die Nachfrage stetig. „Wir hatten
über die letzten Jahre in Hessen einen
Zuwachs von 30 Prozent im Öffentlichen
Personennahverkehr. Wir könnten
sogar noch zwölf Prozent mehr Fahrgäste
befördern, wenn wir die entsprechenden
Kapazitäten zur Verfügung
stellen würden. Aber dafür
fehlt leider das Geld“, warb
Prof. Knut Ringat,
„Wir müssen deutlich mehr
in die Infrastruktur investieren
als bisher.“
Tarek Al-Wasir,
Verkehrsminister von Hessen
Aus dem Verband
Geschäftsführer des Rhein-Main-Verkehrsverbundes
und VDV-Vizepräsident, um Verständnis.
Planungszeiträume straffen. Warum es zurzeit
derartige Engpässe gibt und wie eine solide
Grundlage zur Finanzierung der Verkehrsinfrastruktur
geschaffen werden kann, erörterten
Politiker aus verschiedenen Parteien mit Kommunalvertretern
und Bürgern. Bei der Diskussion
der Beispiele, die Bürger und Bürgerinnen im
Rahmen einer Umfrage der Frankfurter Allgemeinen
Zeitung im Vorfeld der Konferenz eingesandt
hatten, wurde eines schnell deutlich: Es mangelt
nicht nur an Geld, sondern auch an transparenten
und beschleunigten Planungs- und Feststellungsverfahren.
Die Darstellung von Bauvorhaben,
die zum Teil bereits vor über 40 Jahren geplant,
aber bis heute nicht umgesetzt wurden, rief nicht
nur im Plenum Stirnrunzeln hervor. „Im Häuserkampf
der Planung verstreichen tatsächlich
zum Teil Jahrzehnte, bevor der erste Spatenstich
in Angriff genommen wird“, stellte Dr. Klaus
Vornhusen, Konzernbevollmächtigter der Deutschen
Bahn für Hessen, fest. Für den Frankfurter
VDV-Hauptgeschäftsführer Oliver Wolff (l.) stellte
sich den Fragen von Moderator Manfred Köhler.
Stadtrat Stefan Majer (Bündnis 90/Die Grünen)
eine Entwicklung, die schleunigst gestoppt werden
muss: „Tatsächlich verbrauchen wir schon
in der Planungsphase zu viel Zeit und Mittel.
Hier müssen wir einfach schneller werden.“
Deutscher Mobilitätskongress 2014
Die Länderkonferenz Hessen war Bestandteil des 2. Deutschen Mobilitätskongresses. Unter
dem Motto „Mobility 4.0 – Datenfluss und Mobilität“ trafen sich in Frankfurt rund 400
Teilnehmer aus Politik, Wirtschaft und Wissenschaft, um sich über die Perspektiven der
Digitalisierung und deren Bedeutung für die Mobilität auszutauschen. Die Botschaft der
zweitägigen Veranstaltung war eindeutig: Neue Konzepte wie Big Data und Share Economy
bieten enorme Potenziale für die Verkehrsbranche – wenn es gelingt, die Daten zügig aufzubereiten
und als Smart Data gebrauchsfähig zu machen. „Dann ist digitale Kompetenz der
neue Kraftstoff für wirtschaftliches Wachstum“, war sich Stefan Rammler sicher, seines
Zeichens Professor für Transportation Design & Social Sciences an der Hochschule für
Bildende Künste Braunschweig.
Um die beiden Themenfelder Digitalisierung und Mobilität weiter zu verzahnen und die
daraus resultierenden positiven Effekte noch besser nutzen zu können, ist allerdings eine
entsprechende Verkehrsinfrastruktur nötig. „Keine Software ohne die passende Hardware“,
so Rammler. Eine Botschaft, die auch VDV-Vizepräsident Knut Ringat (Foto) als Präsident
der veranstaltenden Deutschen Verkehrswissenschaftlichen Gesellschaft (DVWG) den
Teilnehmern mit auf den Weg gab: „Ohne den Ausbau der physischen Infrastruktur müssen
wir uns über das Thema Digitalisierung nicht weiter unterhalten.“
www.deutscher-mobilitaetskongress.de
18 VDV Das Magazin
Aus dem Verband
Traditionelle
Marketingkonzepte
müssen
umgeschrieben werden
Eine Studie von ARD und ZDF beweist: 2014 wurde
erstmals mehrheitlich mobil im Web kommuniziert.
Smartphone und App haben das stationäre Internet
als führenden Online-Vertriebskanal abgelöst. Eine
Entwicklung mit weitreichenden Folgen auch für
Verkehrsunternehmen. Wie können sie in der digitalisierten
Welt ihre Kunden noch erreichen?
Diese Frage stand im Mittelpunkt des diesjährigen
VDV-Marketingkongresses in Hamburg. Rund 180
Teilnehmer waren in die Elbmetropole gekommen. Sie
wollten nicht nur über das Thema reden, sondern vor
allem auch Lösungsansätze entwickeln. Für sie fand
Günter Elste, Vorstandsvorsitzender der ausrichtenden
Hamburger Hochbahn und VDV-Ehrenpräsident, gleich
„Der ‚iKonsument’ ist inzwischen überall.“ Holger Lietz forderte die
Teilnehmer des Kongresses zum Umdenken auf.
zu Beginn ernüchternde Worte: „Im Vergleich zu dem
Tempo, mit dem in den letzten Jahren digitale Services
entwickelt wurden, sind wir im VDV viel zu langsam.“
Dabei biete gerade die Digitalisierung große Potenziale
für die Branche – wenn es gelinge, zielgruppenspezifische
Angebote zu entwickeln. Herausforderungen,
die endlich in Angriff genommen werden müssten:
„Es ist fünf vor zwölf bei diesem Thema. Wir dürfen
hier keine Minute mehr verlieren“, so Elste.
Eine Aufforderung, für die es nach Ansicht von Holger
Lietz, Keynote-Speaker und Marketingexperte, allerhöchste
Zeit ist. „Die Jahre, in denen Marketing ein
Schönwetterflug mit freier Sicht auf den Konsumenten
und seine Bedürfnisse war, sind vorbei. Der Kampf um die
Kunden hat längst begonnen.“ Im Zuge der gesellschaftlichen
Transformation hin zur digitalen Gesellschaft
habe sich der Kunde in wenigen Jahren zum modernen
„iKonsumenten“ gewandelt. Der lebe inzwischen in seiner
eigenen Marketingwelt, in der er Angebote vergleicht,
bewertet und Kaufentscheidungen trifft sowie selber
beeinflusst. So glauben inzwischen 88 Prozent der
Konsumenten eher Informationen anderer Kunden als
den Marketingbotschaften der Unternehmen (28 Prozent).
Rund 80 Prozent der Nutzer treffen ihre Kaufentscheidung
aufgrund von Internetbewertungen und
-berichten. Für Lietz eine besorgniserregende Entwicklung:
„Damit werden wir als Markenbotschafter unserer
Unternehmen überflüssig – wenn wir nicht bereit sind,
unsere traditionellen Marketingkonzepte umzuschreiben
und stärker digitale Instrumente einzusetzen.“
Zahlreiche Verkehrsunternehmen haben die Zeichen der
Zeit erkannt und setzen im Marketing bereits stärker auf
Online- und Mobilangebote. Was fehlt, sind häufig
VDV Das Magazin 19
Aus dem Verband
Bernd Schulz, Jörn Meier-Berberich und Dirk Bestmann (v.l.) zeigten sich in der Podiumsdiskussion davon überzeugt, dass
sich das Mobilitätsverhalten der Kunden zukünftig dramatisch verändern wird.
durchgängige, verkehrsträgerübergreifende
Lösungen. Die bieten inzwischen
zahlreiche Mobilitätsplattformen, die
mit Macht auf den Markt drängen.
„Menschen werden in Zukunft mehr
kombinierte Lösungen nutzen als bisher
– wenn es Angebote gibt, die einfach zu
handhaben, bequem und günstig sind“,
sagte Dirk Bestmann, Bereichsleiter
Vertrieb und Verkehrswirtschaft der Hamburger Hochbahn,
die mit „Switchh“ inzwischen eine eigene Plattform
geschaffen hat. Auch für Thomas Hengstermann, Leiter
Carsharing beim Anbieter Moovel, lag die Antwort auf
die Frage der Podiumsdiskussion „Integrierte Mobilitätsplattformen
– Freund oder Feind des Vertriebs?“ auf der
Hand: „Am Ende muss es doch darum gehen, dem Kunden
den besten Weg von A nach B zu zeigen. Und der ist in der
Regel die Kombination verschiedener Dienstleistungen.“
Die Share Economy hält in der Verkehrsbranche zunehmend
Einzug. Aber können solche Kooperationen
im täglichen Wettbewerb um den Kunden überhaupt
funktionieren? Für Mathias Hüske von Qixxit, der
Online-Plattform von DB Vertrieb, ist dies kein Problem:
„Wir können kundenorientierte Lösungen nur
durch die intelligente Verknüpfung der verschiedenen
Bausteine erstellen. Dafür brauchen wir Partner,
die das gleiche Ziel verfolgen wie wir.“ 18 Unternehmen
sind bereits an Bord, weitere sollen folgen.
„Mobilitätsangebote müssen
nicht extrem vielfältig,
sondern vor allem relevant
für den Kunden sein.“
Dirk Bestmann,
Hamburger Hochbahn
Tatsächlich bieten Mobilitätsplattformen zahlreiche Vorteile,
aber auch Risiken. „Wenn aufgrund der hohen Komplexität
die Eintrittsbarrieren zu hoch werden, springt
der Nutzer wieder ab. Wir brauchen daher einfache und
transparente Angebote“, sagte Bernd Schulz, Geschäftsführer
der Online-Plattform Amadeus. Jörn Meier-Berberich,
Vorstand der Stuttgarter Straßenbahnen,
ging in seiner Einschätzung
noch einen Schritt weiter: „Wir dürfen
uns nicht nur mit den Kunden beschäftigen,
die wir schon haben, sondern vor
allem mit denen, die wir gewinnen wollen.
Hier steckt das größte Potenzial.“
Wie sieht das Verkehrsmarketing
der Zukunft also aus? Eine Frage, auf die die Veranstaltung
in Hamburg trotz vieler angeregter Diskussionen
in Foren und Workshops keine Antwort geben konnte.
In einem Punkt waren sich die Teilnehmer jedoch einig:
Auf absehbare Zeit wird es weiterhin ein Neben- und
Miteinander von Mobil-, Online- und Offline-Anwendungen
geben. Eine Einschätzung, die sich sowohl in den
Ergebnissen der Publikumsbefragung widerspiegelte,
die am ersten Veranstaltungstag durchgeführt wurde, als
auch in den späteren Gesprächsbeiträgen zum Ausdruck
kam. So dürfte insbesondere der ländliche Raum noch
länger auf klassische Marketing- und Vertriebsangebote
angewiesen sein als die urbanen Ballungszentren.
„Wann sich daran etwas ändert, und wenn ja, welches
Instrument sich dann durchsetzen wird, entscheidet
letztlich ohnehin nur der Kunde“, prognostizierte
VDV-Vizepräsident Ingo
Wortmann in seiner Abschlussrede.
Per TED-Abstimmung wurden
die Teilnehmer nach ihrer
Meinung gefragt.
20 VDV Das Magazin
Aus dem Verband
VDV-Umfrage zu Social Media
Welche Rolle spielt Social Media derzeit in den Mitgliedsunternehmen? Dieser Frage ging eine VDV-Umfrage im Frühjahr 2014 nach,
deren Ergebnisse auf dem Marketingkongress vorgestellt wurden. Demnach setzen rund 70 Prozent der teilnehmenden Unternehmen
bereits Social Media für ihre Kommunikation ein. Dabei steht die Nutzung als Informationskanal im Vordergrund, gefolgt von Image
sowie direktem Kundendialog und Kommunikation von Störungen. Werbung und Vertrieb spielen dagegen nur eine untergeordnete
Rolle. Der Social-Media-Kanal schlechthin für Verkehrsunternehmen ist Facebook mit 97,14 Prozent vor Twitter (60%) und YouTube
(45,71%). Lediglich 42,86 Prozent der Unternehmen setzen für Social Media externe Partner ein. Der Großteil (57,14%) nutzt eigene Ressourcen
(im Durchschnitt 1,2 Mitarbeiter). Verbesserungsbedarf gibt es vor allem bei den Servicezeiten: Die Mehrheit der Unternehmen
deckt nur die klassischen Bürozeiten von 8 bis 16 Uhr ab. Lediglich drei Unternehmen bieten ihren Kunden einen 24-Stunden-Service.
Die Ergebnisse der Umfrage können angefordert werden unter: algan@vdv.de
Wozu werden Social-Media-Maßnahmen eingesetzt?
100
80
Informationskanal
Image
94,29%
82,86%
direkter
Kundendialog
Kommunikation
von Störungen
60
74,29%
74,29%
Verbesserung
der internen
Kommunikation
Sonstiges
40
20
0
Werbung
22,86%
5,71%
neuer
Vertriebskanal
2,86%
17,14%
Wo in Ihrem Unternehmen sind Social Media angesiedelt?
100
80
60
Marketing
60%
Presse/PR
40
51,43%
Kundenservice
Eigene Social-Media-
Abteilung
20
0
Vertrieb
8,57%
8,57%
GL/Vorstand
2,86%
0%
Sonstiges
2,86%
VDV Das Magazin 21
Hintergrund
stehen vor neuen
Fernbusse
Herausforderungen
Unerbittlicher Preiskampf und enormer Wettbewerbsdruck:
Der deutsche Fernbusmarkt ist
hart. Zwei Jahre nach der Liberalisierung geht
ersten Unternehmen die Luft aus. Auf die verbleibenden
Anbieter warten Herausforderungen
wie die Barrierefreiheit. Aber die Branche
eröffnet viele Chancen – auch dem ÖPNV.
Mit der Liberalisierung des Fernbusmarkts zum
1. Januar 2013 hatte ein regelrechter Boom eingesetzt.
Zahlreiche Anbieter drängten auf den Markt,
die Zahl der Linien schnellte nach oben: von 86
im Dezember 2012 auf 255 im Herbst 2014. Die
Unternehmen liefern sich einen unerbittlichen
Preiskampf. Fahrgäste zahlen teils unter vier Cent
pro Kilometer. Um rentabel zu sein, müssten Betreiber
Branchenexperten zufolge jedoch mindestens
sechs Cent pro Kilometer verlangen. Das hält auf
Dauer nicht jeder durch. Anfang November meldete
Deinbus.de Insolvenz an. Damit hat es ausgerechnet
die Pioniere erwischt, die die Liberalisierung
vor Gericht erstritten hatten. Und auch City2City
– eine Tochter der britischen National Express
– zieht sich aus Deutschland zurück. „Es ist eine
Konsolidierung wie aus dem Lehrbuch“, urteilt Marc
Fleischhauer, Geschäftsführer des ADAC Postbus:
„Der Fernbusmarkt bleibt eine Wachstumsbranche.
Aber er muss sich von dieser extremen Preisorientierung
verabschieden.“ Der ADAC Postbus, ein
Gemeinschaftsunternehmen von Automobilclub und
Deutscher Post, ist mit einem Anteil am Marktumsatz
von etwa zehn Prozent der derzeit viertgrößte
Anbieter. Im November kündigte der ADAC jedoch
den Rückzug aus dem Projekt an: Er wolle sich
wieder stärker auf sein Kerngeschäft fokussieren.
Nichtsdestotrotz: Aus Betreibersicht ist der Fernbus
ein Erfolgsmodell, heißt es auch bei dem mehrheitlich
zur Deutschen Bahn gehörenden Unternehmen
Berlin Linien Bus GmbH (BLB) sowie dem
Marktführer MeinFernbus (MFB). „Der Bus hat
eine enorme Aufwertung erhalten“, so BLB-Geschäftsführer
Jörg Schaube: „Für Kunden ist er eine
22 VDV Das Magazin
Hintergrund
Besonders beliebt
sind Fernbusse bei
Jüngeren. 43 Prozent
der Fahrgäste sind
unter 35 Jahre alt. Das
hat eine Erhebung
des Anbieters ADAC
Postbus ergeben.
günstige Alternative.“ Eine Anpassung der Preise
erwartet er dennoch. Andernfalls sei ein auf Dauer
qualitativ hochwertiger Fernbusverkehr nicht
möglich. Als eine „beeindruckende Entwicklung“
beschreibt MFB-Sprecher Florian Rabe die vergangenen
zwei Jahre. „Das war ein mehr als dynamisches
Wachstum.“ Dass die Preise langfristig
steigen werden, will auch er nicht ausschließen.
„Gleichzeitig haben wir aber noch nie die Fahrpreise
Rekordwochenende für MeinFernbus: Als Anfang November die
Lokführer streikten, stiegen viele Menschen auf den Bus um.
erhöht – und werden dennoch dieses Jahr zum ersten
Mal voraussichtlich schwarze Zahlen schreiben.“
Aus Sicht der Betreiber hat sich das neue Verkehrsmittel
etabliert – bei den Kunden sowie als
Teil der gesamten Reisekette. Laut einer MFB-Umfrage
kommen fast drei Viertel der Fahrgäste über
den Öffentlichen Nahverkehr zu den Haltepunkten.
„Eine Zusammenarbeit mit dem ÖPNV ist also
wichtig“, urteilt BLB-Chef Schaube. Denkbar seien
beispielsweise gemeinsame Ticketangebote – ähnlich
wie das City-Ticket der Deutschen Bahn. Hier
befänden sich die Fernbus-Anbieter
bereits in Gesprächen
mit Verkehrsbetrieben. Wichtig
dafür: eine Verknüpfung der
Haltestellen. „Wir wünschen
uns natürlich zentrumsnahe
Haltestellen“, sagt etwa Florian
Rabe: „Wir wollen die Menschen
von ihrem Wohn- zum Zielort
bringen – und das ist nur als Teil
der Intermodalkette möglich.“
Von einer Konkurrenzsituation
an den Haltestellen will keiner
der Anbieter sprechen. Nur in wenigen großen
und gefragten Städten werde es manchmal eng.
Der Fernbus brächte ÖPNV und Kommunen zudem
auch wirtschaftliche Vorteile, urteilt Marc Fleischhauer.
„Wir erzeugen viele neuinduzierte Verkehre
– werden also von Menschen genutzt, die die Reise
ohne uns gar nicht erst angetreten hätten. Das bringt
Wirtschaftskraft in die Regionen.“ Mit dieser Annahme
steht der Postbus-Geschäftsführer nicht
8,2
Millionen Fahrgäste
haben laut Statistischem Bundesamt
2013 das Angebot der
Linienfernbusse genutzt.
VDV Das Magazin 23
Hintergrund
Liberalisierung mit Einschränkungen
Mit der Liberalisierung des Fernbusmarktes fiel in Deutschland ein über
70 Jahre altes Monopol. Das Personenbeförderungsgesetz (PBefG) hatte
bis dato festgelegt, dass keine Fernbuslinien genehmigt werden durften,
die in Konkurrenz zur Bahn standen. Von dieser Regelung gab es
nur wenige Ausnahmen – etwa Linien ins geteilte Berlin. Heute regelt
Paragraf 42a des PBefG den Personenfernverkehr mit Kraftfahrzeugen.
Ihm zufolge ist eine Fernbuslinie immer noch dann unzulässig, wenn der
Abstand zwischen den anzufahrenden Haltestellen nicht mehr als 50
Kilometer beträgt oder wenn zwischen diesen Stopps Schienenpersonennahverkehr
mit einer Reisezeit von bis zu einer Stunde betrieben wird.
Es gibt allerdings Ausnahmen: wenn auf diesen Strecken kein ausreichendes
Nahverkehrsangebot besteht oder die vorhandenen Angebote
durch die neue Konkurrenz nur unerheblich beeinträchtigt werden.
alleine da: Eine Studie des Beratungsunternehmens
KCW hat sich unter anderem mit den Wertschöpfungsebenen
des Fernbusverkehrs beschäftigt und
bestätigt die Aussage. ÖPNV, Einzelhandel, Gastronomie
oder Hotellerie profitieren demnach direkt
durch höhere Einnahmen von den zusätzlichen
Städtetouristen. Kommunen hätten über die dadurch
höheren Steuereinnahmen indirekte Vorteile.
Eine große Herausforderung kommt jedoch auf
Fernbus- wie auf ÖPNV-Unternehmen gleichermaßen
zu: die Umsetzung der Barrierefreiheit. Ab 2016
müssen alle neuen Fahrzeuge der Fernbusbetreiber
mit zwei Rollstuhlplätzen ausgestattet sein. Für die
hohen Eindeckerbusse ist zudem ein Lift erforderlich.
Für Doppeldeckerbusse mit niedriggelegenem
Unterdeck reicht eine Klapprampe. Bestandsfahrzeuge
müssen bis 2020 umgerüstet werden – die
BLB etwa rechnet pro Eindeckerbus mit Zusatzkosten
von bis zu 30.000 Euro. „Eine wirtschaftliche
Herausforderung“, urteilen die Anbieter unisono,
denn abgesehen von den Umrüstkosten verringere
sich durch den Umbau auch die Fahrgastkapazität
um bis zu zehn Sitzplätze. Vieles sei zudem noch
ungeklärt. „Es gibt keine Standardisierung, sondern
viele verschiedene Rollstuhltypen“, berichtet
Marc Fleischhauer. Das erschwere die korrekte
Sicherung eines Rollstuhls, weiß er aus der Praxis:
Der ADAC Postbus ist auf der Linie Bremen-Hamburg-Berlin
bereits komplett barrierefrei unterwegs.
Hinzu komme, dass die Fernbus-Anbieter
zwar die Sicherung des Rollstuhls gewährleisten
könnten, viele Modelle aber keine Vorrichtung
zur Sicherung ihres Nutzers hätten. „Hier hat die
Marktanteile der Fernbus-Anbieter *
50
45
40
35
33
38
36
43
41
40
39 39
35
38
47
45
MeinFernbus
30
30
28 28
Quelle: IGES Institut, November 2014
25
20
15
10
5
0
14
13
11
09
07
04
09
06
04
10
09
04
25
23
22
20 19
17
18 18
15
15 18
14
17
12
13
12
10
07 07 07
08
07
08 08 08
07 06 05 05 05
04 04
03 03
01
04 04 04 04
03
07
08
05
03 03
02 02
04/13 05/13 06/13 07/13 08/13 09/13 10/13 11/13 12/13 01/14 02/14 03/14 04/14 05/14 06/14 07/14 08/14 09/14
20
24
12 12
10/14
Flixbus
Deutsche Bahn
ADAC Postbus
Sonstige
City2City
Deinbus.de
*
in Prozent, nach angebotenen Fahrplan-Kilometern
24 VDV Das Magazin
Aktuell
Politik eine Forderung gestellt, die noch nicht von
den Rollstuhlherstellern umgesetzt worden ist.“
Auch die Frage der Fahrerhaftung sei nicht geklärt,
kritisieren die Unternehmen, oder wie mit
Lenk- und Ruhezeiten verfahren wird: Ist ein
Passagier im Rollstuhl an Bord, fallen Rastplätze
ohne behindertengerechte Toiletten aus dem
Fahr- und Pausenplan. Um hier besser planen zu
können, wünschen sich die Betreiber eine Vorausbuchungspflicht
– ähnlich wie bei Flugzeugen. Sei
zudem im Voraus klar, dass die Stellplätze nicht
benötigt werden, könnten zudem reguläre Sitze
zurückgebaut und die Kapazitäten wieder erhöht
werden. BLB-Chef Jörg Schaube, dessen Unternehmen
bereits seit 2013 nur noch barrierefreie Busse
anschafft, ist optimistisch, dass eine solche Pflicht
kommt. „Bei unseren Gesprächen mit Interessensverbänden
hat jeder diesen Wunsch verstanden.“
Wenig Verständnis haben die Unternehmen indes für
die unterschiedlichen Fristen, die für Fernbusse und
öffentlichen Verkehr gelten: Der ÖPNV muss erst 2022
vollständig barrierefrei sein. „Eine Gleichbehandlung
mit den anderen Verkehrsträgern wäre schon wünschenswert“,
so Florian Rabe. Schließlich müssen Rollstuhlfahrer
nicht nur in den Bus, sondern auch dorthin
kommen können. Das betonen alle drei Anbieter.
Ein Fernbus für alle: Teilweise sind die Anbieter bereits mit barrierefreien
Fahrzeugen unterwegs – wie mit diesem IC Bus der Deutschen Bahn.
Menschen aus Ost und West zueinander gebracht
Pure Freude, Menschenmassen, sympathisches Chaos – der
Fall der Mauer hatte viele Facetten. Wie stellten sich die BVG
in West-Berlin und die BVB im Osten diesen Herausforderungen
angesichts von Millionen Menschen, die zwischen beiden
Stadtteilen hin und her strömten? Einen Einblick in diese spannende
Zeit liefert das Buch „Mit Bus und Bahn durch die Mauer“
von Thomas Rietig, das zum 25. Jahrestag des 9. November
1989 erschienen ist. Dabei kommen Zeitzeugen zu Wort – und
fast hat der Leser den Eindruck, selbst dabei gewesen zu sein.
Acht Millionen Fahrgäste wurden am Wochenende nach dem
Mauerfall befördert – ungefähr sechs Mal so viel wie sonst.
Mehr als 200 sogenannte Solidaritätsbusse aus Westdeutschland
unterstützten dabei. Die S-Bahn konnte damals keine
große Hilfe sein – nach dem Mauerbau war sie im Westen erst
boykottiert und dann von der Deutschen Reichsbahn heruntergewirtschaftet
worden. Deswegen galt es, möglichst schnell
die zugemauerten „Geisterbahnhöfe“ der U-Bahn wieder zu
öffnen. Bis sich schließlich BVG und BVB am 1. Januar 1992 zu
einem neuen Unternehmen vereinten, war es ein langer Weg. In
diesem Buch sorgfältig recherchiert und verpackt in eine kurzweilige
Lektüre.
Wir verlosen fünf Exemplare
„Mit Bus und Bahn durch die Mauer“
Senden Sie einfach eine Postkarte mit dem Stichwort „25 Jahre
Mauerfall“ an: Redaktion „VDV Das Magazin“, Ad Hoc PR, Berliner
Str. 107, 33330 Gütersloh. Der Rechtsweg und die Teilnahme
über gewerbliche Gewinngemeinschaften sind ausgeschlossen.
Einsendeschluss: 31. Januar 2015
VDV Das Magazin 25
Hintergrund
Euro
Für einen
zehnmalZug fahren
„Ja, wenn die Loks einen Kilometerzähler hätten ... Eine 01“, sagt Dieter Borowski, „hält schon
mal vier Jahre durch. Vielleicht sind es 100.000 Kilometer.“ Die Modellbahn-Dampflok dreht
vor Schnellzügen auf Schauanlagen in den Stationen der „richtigen“ Bahn ihre Runden, wenn
Besucher Geld einwerfen. Zehn Zugfahrten kosten einen Euro. Die Glaskästen mit den Anlagen
im Stil der 80er-Jahre setzen ein nostalgisches Highlight in vielen großen Bahnhöfen, das nicht
nur Väter und Opas, sondern auch Kinder immer noch fasziniert.
Für hartgesottene Modellbahner wäre es ein Problem, für Kinder und Nostalgiker ist es eine Freude:
Der moderne ICE in der Schauanlage verkehrt neben dem D-Zug aus den 1950er-Jahren.
26 VDV Das Magazin
Hintergrund
Unterstützt von nebenamtlichen Betreuern, sorgen
der 62-jährige Borowski und sein 56-jähriger
Kollege Michael Hansen von der Werner
Ehret & Co. KG dafür, dass die insgesamt 27
Schauanlagen von Zwickau bis Oldenburg, von
Karlsruhe bis Berlin möglichst ununterbrochen
reibungslos funktionieren. Düsseldorf, der Standort
ihrer Hinterhof-Werkstatt, ist die Heimat
des Geschäftsmodells, das Werner Ehret und
Hans-Dieter Hoernig vor gut vier Jahrzehnten
aufzogen. Hansen und Borowski führen es fort.
Die Werkstatt ist mindestens so interessant wie
die Anlagen selbst. Seit Gründung der Firma, deren
zweites Standbein Spielautomaten sind, haben die
Techniker Ersatz- und Verschleißteile en masse
gehortet. Schrauben, Bleche, Kohlen, Schleifer und
Haftreifen füllen Regale, ebenso wie servicebedürftige
Lokomotiven und die Steuerelemente. Mit ihnen
wählen die Kunden auf den Bahnhöfen, welchen
Zug sie auf die Strecke schicken. Im Schrank im
Nebenzimmer stapeln sich in Originalverpackungen
reparierte, zum Austausch bereite Maschinen.
Um die extreme Zuverlässigkeit zu gewährleisten,
ist Improvisation gefragt: Bei den Loks musste die
Kontaktaufnahme mit Andruckfedern optimiert
werden. Die vier Lichtsignale pro Anlage –
für jeden Zug eines – stecken in DIN-Buchsen.
LEDs ersetzen die Birnchen. „Die halten viel länger“,
freut sich Borowski. Es fahren Trix-Express-
Loks, mit Ausnahme des von Wechsel- auf
Gleichstrom umgebauten ICE. Der ist von Märklin.
Unter dem jeweils ersten Waggon sitzt ein
Magnet, der beim Überfahren per Kontakt im Gleis
signalisiert, dass eine Runde gefahren wurde.
Die Anlagen sind 2,60 mal 1,60 Meter groß. Der Plan
für die etwa 30 Meter Gleise ist bei allen gleich, aber
die Bestückung mit Gebäuden variiert ebenso wie
das rollende Material. „Wir stellen auch mal alte
27
Schauanlagen
in ganz Deutschland werden von
Dieter Borowski und Michael
Hansen in Schuss gehalten.
Firmenstandort ist ihre
Werkstatt in Düsseldorf.
VDV Das Magazin 27
Hintergrund
Der Gleisplan ist auf allen Anlagen ähnlich, die Gebäudeausstattung variiert allerdings. Oft krönt ein Windrad die Anlage mit den
mehr als 40 Jahre alten Häuschen-Modellen.
Häuser auf, damit Väter und Opas Déjà-vu-Erlebnisse
haben“, sagt Hansen. Tatsächlich steht auf der
Düsseldorfer Anlage die als Stil-Ikone der 60er-Jahre
geltende Post des Häuschen-Herstellers Faller.
Die vielen Modellbahnern wichtige „Epochenreinheit“,
also die Darstellung einer bestimmten
Zeitspanne auf einer Anlage, spielt hier keine Rolle:
Manchmal fährt da eine bayerische Länderbahnlok
Die mit Edelstahl verkleidete Anlage in der Werkstatt der
Werner Ehret & Co. KG „wartet darauf, in Berlin aufgestellt zu
werden“. Insgesamt halten sich die Expansionspläne von Dieter
Borowski (l.) und Michael Hansen aber in Grenzen.
aus der Anfangszeit des 20. Jahrhunderts einträchtig
neben dem ICE. Und auf dem Berg dreht sich
der Rotor einer modernen Windkraftanlage. Bis
vor wenigen Jahren kreiste über einigen Anlagen
auch ein Schienenzeppelin. Jetzt nicht mehr, nun
liegen reichlich Schienenzeppeline im Lokschrank.
Im Düsseldorfer Hauptbahnhof hat Hansen die
Glasplatte weggeklappt, um eine frisch gewartete
01 einzusetzen. „Wenn hier jetzt ein Kindergarten
auf Ausflug vorbeikommt, mache ich ganz
schnell die Klappe zu, sonst sind da in Nullkommanix
tausend Finger drin, die die Züge anfassen
wollen“, beschreibt er lachend die Begeisterung
der Kleinen für die elektrische Eisenbahn.
Die „neue“ 01 fährt reibungslos, wenn auch mit
deutlich hörbaren Getriebegeräuschen. „Macht
nichts“, sagt Hansen, Metallgetriebe hört man eben.
Die Lok ist Jahrzehnte alt, Trix Express Nummer
2204, klassischer Gleichstrommotor, Betrieb auf
Dreileitergleis, also völlig alte Schule. Das Wort
„digital“ kommt den beiden Technikern Hansen
und Borowski nur mit hochgezogenen Augenbrauen
über die Lippen. „Viel zu anfällig für unsere
Anforderungen“, sagt Borowski. Auch für die neuen
gekapselten, „wartungsfreien“ Motoren haben die
beiden nicht viel übrig. Bald werden sie damit aber
leben müssen. „Wenn Sie so einen einmal aufmachen,
können Sie ihn in die Tonne treten“, meint
Hansen. Fällt ein solcher Motor aus, wird er komplett
getauscht.
28 VDV Das Magazin
Hintergrund
In regelmäßigen Abständen möbeln die beiden die
Landschaft der Anlagen auf. Farben bleichen aus,
Staub liegt überall, und mancher Figur am Bahnsteig
bricht schon mal das Bein weg vom langen
Stehen. Dann wird die Anlage gegen eine frisch
renovierte ausgetauscht. Als Transportmittel dient
ein Sprinter für die Anlagenplatte und ein Anhänger
für den etwa 2,20 Meter hohen Rahmen.
Borowski berichtet, er habe vor 20 Jahren die letzte
Anlage komplett aufgebaut. „Das war nach dem
Mauerfall, als wir in den neuen Ländern Anlagen
aufgestellt haben.“ Bei gut 30 Anlagen bundesweit
liegt bisher der Rekord. Von den derzeit betriebenen
27 stehen 25 in Bahnhöfen und die beiden anderen
in Düsseldorf: in der (Auto-) Oldtimer-Show
Classic Remise und im Kinderland Bobbolino. Die
Expansionspläne der beiden Techniker halten
sich in Grenzen: „In Münster, wo wir dem Umbau
weichen mussten, und in Hamburg-Altona wären
wir gerne wieder präsent. Die Nachfrage ist
da“, sinniert Borowski. „Und am Alexanderplatz
in Berlin.“ Hansen ergänzt: „Eigentlich wartet die
Edelstahlanlage hier in der Werkstatt auf Berlin.“
Bei der Deutschen Bahn sind die Anlagen wohlgelitten.
Ihre Stellungnahme zum Thema „Zukunft der
Schauanlagen“ lässt jedoch auch
Skepsis anklingen: Zunehmende
Digitalisierung führe „dazu, dass „In Münster und in
althergebrachte Vergnügungen
zunehmend an Strahlkraft wir gerne wieder präsent.
Hamburg-Altona wären
einbüßen“. Solange Reisende und Die Nachfrage ist da.“
Besucher aber Spaß an den Anlagen
hätten und „keine baulichen
Dieter Borowski
Maßnahmen entgegen stehen, ...
kann diese Reminiszenz an die Historie fortgeführt
werden“, erklärt ein Sprecher.
Die Umsätze sind indes stabil, wie Hansen sagt.
Minimum: ein paar tausend Euro pro Jahr, manchmal
aber auch ein Mehrfaches davon. „In Leipzig
stehen zwei Stück, die laufen richtig gut. Da
sind aber auch die Mieten entsprechend hoch.“
Vom Aufgeben reden beide jedoch nicht, obwohl „die
Ersatzteile zur Neige gehen“, wie Hansen zugibt.
„Dann müssen wir wohl auf Märklin umsteigen.“
Aber das hat noch Zeit. Jetzt im Dezember sind die
beiden Techniker oft auf Achse: Sie touren durchs
Land, rechnen mit den Betreuern vor Ort ab, tauschen
defekte Loks aus und bringen alle Anlagen
technisch auf Vordermann. Damit zu den Feiertagen,
wenn viel gereist wird, auch alles ordentlich läuft.
Der Blick hinter die
Verkleidung offenbart
viel analoge Technik.
Michael Hansen
bedauert, dass die
Ersatzteile langsam zur
Neige gehen.
VDV Das Magazin 29
Abgefahren
Busse und Bahnen hängen
den Weihnachtsmann ab
Der Weihnachtsmann und sein rotnasiges Rentier
Rudolph sind in Sachen Transport absolute Effizienz-Weltmeister:
Nur einen Tag benötigen sie, um
einmal im Jahr ihre Beförderungsleistung rund um
die Welt zu erbringen. Nicht weniger effizient sind
Deutschlands Linienbusse und Bahnen, wenngleich
sie deutlich mehr Erdumrundungen vorweisen
können. Jeden Tag im Jahr 250 Touren um den Globus
oder 10 Millionen Kilometer: Diese Leistung hat das
Statistische Bundesamt für das Jahr 2013 ermittelt.
Unvorstellbare 3,65 Milliarden Kilometer und
11,2 Milliarden Fahrten waren es insgesamt. Die
Arbeitstiere im ÖPNV waren die Linienbusse im
Nahverkehr mit einem Anteil von 68 Prozent, gefolgt
von den Eisenbahnen im Nahverkehr mit 17
und den Straßenbahnen mit acht Prozent. Trotz
wachsender Nachfrage kamen die Fernbusse
im Linienverkehr auf einen Anteil von lediglich
drei Prozent der gesamten Fahrzeugkilometer.
Die Redaktion von „VDV Das Magazin“
wünscht Ihnen besinnliche Weihnachten.
Termin
20. und 21. Januar 2015
8. BME/VDV-Forum
Schienengüterverkehr in Bonn
Das Forum dient dem Dialog zwischen
Verladern, Speditionen und Eisenbahnen.
Der Fokus liegt auf den Kundenanforderungen
sowie den Möglichkeiten zur Verkehrsverlagerung
auf die Schiene.
www.vdv.de/termine.aspx
Termin
24. und 25. Februar 2015
Trend-Scout-Days
2015 in Köln
Die Zukunft des ÖPNV
ist Thema dieser Veranstaltung. Die Teilnehmer
diskutieren über künftige Herausforderungen,
etwa bei der Finanzierung der Angebote,
sowie über Trends und Innovationen.
www.vdv.de/termine.aspx
Die nächste
Ausgabe von
„VDV Das Magazin“
erscheint Ende
Februar 2015.
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30 VDV Das Magazin
FORUM AUTOMOBILLOGISTIK 2015
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3. /4. Februar 2015
Messe Leipzig, Congress Center
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