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Predigt über 1.Johannes 4, 16b ff - St. Jacobi

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zu jung, schräg zu gerade, gleich zu gleich: Liebe ist eine Macht, die macht, dass du lebst –<br />

lustvoll und energisch anderen zugewandt.<br />

Kein Wunder, dass die Liebe dauernd das Wort ergreift. 14x mal allein hören wir das Wort im<br />

<strong>Predigt</strong>text. Auf sie kommt es an im Leben. Sie ist der Lebenspuls. All you need is love, sangen<br />

schon die Beatles. Alles, was du brauchst, ist Liebe. Sie schwingt in deinen Gedanken und tanzt<br />

in deinen Beinen. Sie befreit zu Sinn und Sinnlichkeit und umarmt, was in uns zittert. Der<br />

Mensch vergeht ohne dieses zärtliche Gefühl. Ohne die Berührung von Fingerspitzen. Ohne den<br />

Blick der Anerkennung. Ohne das Augenzwinkern der anderen, das einen so ungeahnt glücklich<br />

macht. Der Mensch vergeht, wenn er nicht lieben darf. Und so meldet sich die Liebe dauernd zu<br />

Wort. Kaum ein Lied im Radio, kaum ein Film, ein Buch, ein Gedicht, das nicht sie zum Thema<br />

hätte. Weil sie da ist. Oder weil sie leider gerade nicht da ist.<br />

Hier nun setzt unser <strong>Predigt</strong>text ein mit großem Akkord. „Gott ist die Liebe und wer in der Lie-<br />

be bleibt, der bleibt in Gott und Gott in ihm.“ Gott ist da. Als große Liebe in der Welt. Sie<br />

bleibt, unerschütterlich. Höher als alle Vernunft. Nicht wegzudenken, nur hinein zu fühlen.<br />

Doch – 14 mal gesagt, tausendmal gehört, immer wieder besungen – erleben wir sie auch? Wie<br />

erfahren wir diese Liebe? Wenn man sich im Grunde nur allein fühlt. Wenn das zerreißende<br />

Sehnen schmerzt, wenn das Herz durch lauter Alltäglichkeit verzagt und die Ho<strong>ff</strong>nung auf sie<br />

so furchtbar leise geworden ist?<br />

Ich möchte Ihnen dazu eine kleine Szene aus einem der schönsten Liebesfilme beschreiben: Der<br />

englische Patient. Da sieht man 1943 eine Krankenschwester gemeinsam mit einem Soldaten,<br />

der sie heimlich liebt, in einer verfallenen, dunklen Kirche stehen. Das Licht ihrer Fackel lässt<br />

erahnen, dass die Wände von oben bis unten voller wunderschöner Freskenmalerei sind. Liebes-<br />

bilder von Gott inmitten des tobenden Krieges und der Verfallenheit. So gern möchte sie all<br />

diese Bilder sehen, sie trinken. Ihr Sehnen rührt ihn. Kurzerhand knüpft er eine Schlinge in ein<br />

Seil, das wie eine Art Flaschenzug mitten im Raum hängt. So entsteht eine Schaukel, in die er<br />

sie behutsam setzt – und dann beginnt er mit aller Kraft, das Seil hochzuziehen, so dass sie be-<br />

ginnt durch den Raum zu schwingen. Immer nah heran an die gemalten Wände. Bei jedem<br />

Schwingen erscheint ein neues Bild von Gottes Erbarmen. Sie schaut es an, schwingt zurück,<br />

entdeckt ein neues. Sie fängt an sich zu freuen, jauchzt vor lauter Ausgelassenheit. Und plötz-<br />

lich ist der dunkle Raum gefüllt mit bunten Bildern von Gott und den Menschen, mit Lachen,<br />

mit Liebe, mit Begehren.<br />

- 2 -<br />

Diese Szene erzählt unseren <strong>Predigt</strong>text. Denn es sind Menschen, die uns etwas gelehrt haben<br />

von der Liebe. Eltern, Großeltern, die beste Freundin. Der Partner. Das Enkelkind. Der verliebte<br />

Soldat. Sie haben uns etwas gelehrt von der Kostbarkeit der Gemeinschaft und deshalb auch<br />

von der Liebe Gottes. Sie haben uns Vertrauen gelehrt, indem sie uns sanft in eine Schaukel<br />

gesetzt haben, die uns durch die Dunkelheit trägt. Damit in uns die Vielfalt aufscheint, mit der<br />

Gott uns gescha<strong>ff</strong>en hat. Sie haben in uns zum Schwingen gebracht, dass es eine Kraft gibt, die

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