Masterthesis - Gerda Tobler
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Ich wusste, dass meine Freundin M. ihren Reichtum, der mit dem Erbe ihres Vaters<br />
zu einem Vermögen angewachsen war, lange Zeit als Last empfand. Sie wagte damals<br />
nicht, aus ihrer materiellen Fülle auch für sich selbst und ohne Schuldgefühle<br />
zu schöpfen (im Geben war sie seit jeher grosszügig). Das hat sich nach einem<br />
Geldseminar mit Peter Koenig geändert. „Reichtum verpflichtet“, sagte sie mir im Rex-<br />
Interview, für das sie eigens aus Zürich angereist war. Und: „Reich ist, wer nicht mehr<br />
braucht als er oder sie hat. Viele Reiche sind so gesehen arm. Und viele Arme reich. Mich<br />
persönlich machen meine vielseitigen Begabungen reich, die mir wiederum geschenkt, mit ins<br />
Leben mitgegeben wurden.“<br />
Mit unserem Essen feierten wir auch die Vision eines bedingungslosen Grundeinkommens<br />
für alle, dessen Grundidee sie erst kürzlich in ihrer ganzen Radikalität erfasst<br />
hatte. Nun war sie sehr begeistert. Nicht, weil sie es bräuchte. Sondern weil<br />
es einerseits mehr soziale Gerechtigkeit herstellen würde. Und weil es sie andererseits<br />
mit ‚dem Rest’ der Gesellschaft mehr verbindete, also eine Art Gleichstellung<br />
bewirkte. - Auch für Menschen am ‚oberen Ende’ der sozialen Skala ist Integration<br />
offenbar ein Thema. Auch darum werde ich am Thema der ‚ReichenGespräche’ bleiben.<br />
Mein Rollenspiel als reiche Dame war dank der Begleitung meiner Freundin eine vergnügliche<br />
‚Performance’. Aber einmal genügt; diese Art von Reichsein interessiert<br />
mich persönlich zu wenig, und diese Rolle liegt mir auch nicht wirklich. Der Erkenntnisgewinn<br />
hält sich denn auch in Grenzen. Er geht in Richtung: ‚Auch die Reichen<br />
kochen mit Wasser, nur teurer’. Das ‚wusste’ ich eigentlich schon vorher.<br />
5.3. Von der Gabe<br />
Gebenkönnen (egal ob Arbeit/Hilfeleistungen, Hinwendung/Zeit oder Dinge/Geld) ist<br />
ein Ausdruck von Reichtum und Reichsein. Es stand bei vielen Befragungen im Vordergrund,<br />
am Dringendsten bei den materiell Wenig-bis-Nichts-Habenden. Was sich<br />
vielleicht aus der oft sehr einschneidenden Erfahrung von materiellem Mangel und<br />
dem damit verbundenen sozialen Abstieg erklärt. „Was bleibt von mir übrig, wenn<br />
ich nichts mehr habe, nichts mehr tun kann, sozial und beruflich ein nobody bin“<br />
Diese Frage ist existenziell, denn nicht nur das Ego ist verletzt. Das Selbst ist in<br />
seiner Bestimmung, sich zu entfalten, grundlegend verhindert. Ohne (Gott)-Vertrauen<br />
oder die Erfahrung, dass unsere eigentliche Identität viel tiefer geht, ist das<br />
wie Sterben.<br />
Gabe – Begabung. Wir alle haben viele Begabungen. Die heilende, integrierende, alle<br />
bereichernde Wirkung des Gabenteilens und Gebenkönnens wird darum in meinen<br />
nächsten Aktionen mehr an Bedeutung gewinnen. Unabhängig davon, ob die Begegnung<br />
am oberen oder am unteren Ende der sozialen Skala stattfindet. Zumal das Geben<br />
(statt Verkaufen) seiner Arbeitskraft und die Begabung auch in der Idee des<br />
Grundeinkommens sowie der Neudefinition von Arbeit zentral sind.<br />
Mit der eingangs erwähnten, von blosser Hand geformten Kleinskulptur entsteht die<br />
GABE, das heisst eine ‚Gegen’gabe für Sofie Honig. Die GABE ist ein spielerisches<br />
und einfaches Sinnbild für die Erschaffung von Fülle. Durch Begabungen, die jeder<br />
Mensch in sich trägt.<br />
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