Ihr Kinderlein kommet⦠- VSETH - ETH Zürich
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8<br />
Polykum<br />
Fruchtbarkeit<br />
Chemie vs. Fortpflanzung<br />
5/05–06<br />
Bild: Brent Allison<br />
Tiere und Ökosystem leiden heute unter dem Einfluss zahlreicher handelsüblicher Chemikalien. Aber auch<br />
beim Menschen können diese sowohl die männliche wie die weibliche Fruchtbarkeit nachhaltig beeinträchtigen.<br />
Ein laufendes nationales Forschungsprogramm untersucht nun das Ausmass der Gefährdung<br />
von Mensch und Umwelt durch die sogenannten hormonaktiven Stoffe.<br />
Bastien Girod > girod@polykum.ethz.ch<br />
Weltweit sind heute rund 100 000 Chemikalien<br />
auf dem Markt, die in Pharmazie, Industrie<br />
oder Bauwesen zum Einsatz kommen.<br />
Viele dieser Stoffe sind hormonaktiv, das heisst<br />
sie können den Hormonhaushalt<br />
von Mensch oder Tier stören und so<br />
nachhaltige Schädigungen verursachen.<br />
Gemäss heutiger Kenntnis tun<br />
sie dies auf zwei Arten: Entweder<br />
indem sie sich an Hormonrezeptoren<br />
auf Körperzellen andocken und so<br />
die Wirkung eines Hormons imitieren<br />
oder blockieren. Oder sie stören<br />
den Transport oder den Auf- und<br />
Abbau von Hormonen im Körper.<br />
So machen beispielsweise Polychlorierte<br />
Biphenyle (PCB), die früher in<br />
Schier- und Imprägniermitteln oder<br />
Klebstoffen verwendet wurden und<br />
sich in der Nahrungskette angereichert<br />
haben, das Seeotterweibchen<br />
unfruchtbar. Dies hat vermutlich<br />
auch zum Aussterben des Fischotters<br />
ist in der Schweiz geführt.<br />
Auch bei weiteren Tierarten sind<br />
Fruchtbarkeitsstörungen wegen hormonaktiver<br />
Stoffe nachgewiesen.<br />
Doch wie sieht es beim Menschen<br />
aus<br />
Schwierige Beweislage<br />
Auch beim Menschen werden Entwicklungsstörungen<br />
im Mutterleib,<br />
sinkende Fruchtbarkeit sowie Brust-,<br />
Hoden und Prostatakrebs mit hormonaktiven<br />
Stoffen in Verbindung<br />
gebracht. Diese können in Lö-<br />
sungsmitteln, Insektiziden, Unkrautvernichtungsmitteln,<br />
Verbrennungsprodukten,<br />
gewissen Medikamenten, Kosmetika<br />
und sogar in pflanzlichen Produkten auftreten.<br />
In den letzten Jahren wurden immer<br />
mehr Spuren von Chemikalien in der Umwelt<br />
nachgewiesen. Dies ist auf die häufigeren<br />
und sensibleren Untersuchungen zurückzuführen.<br />
Es ist jedoch sehr schwierig, einen<br />
Nachweis für die Belastung der Gesundheit<br />
des Menschen durch diese Chemikalien zu<br />
erbringen.<br />
Viele Eigenschaften der Chemikalien,<br />
die sich heute auf dem Markt befinden, sind<br />
Chemie und Schwermetalle können<br />
die Fruchtbarkeit beeinträchtigen und<br />
den Wunschtraum Kind erschweren<br />
oder gar verunmöglichen.<br />
schlichtweg noch nicht bekannt. Zwar werden<br />
heute verschiedene Toxikologiestudien<br />
durchgeführt, doch gerade die langfristigen<br />
Auswirkungen der chronischen Belastung<br />
durch sehr geringe Konzentrationen, können<br />
bei diesen Tests schlecht ermittelt werden.<br />
Zudem verhalten sich diese Chemikalien<br />
in der Umwelt nicht gleich wie im Labor.<br />
Auch die Belastung der Lebewesen durch<br />
die Chemikalien ist in der Praxis viel komplexer,<br />
da zusätzlich verschiedene physikalische<br />
Faktoren wirken und oft mehrere Chemikalien<br />
gleichzeitig anwesend sind. So wird bei<br />
vielen Chemikalien die Schädlichkeit<br />
für Mensch und Umwelt erst nach<br />
deren Freisetzung bekannt.<br />
Erst kürzlich wurden auch die<br />
bromierten Flammschutzmittel Peta-<br />
BDE und Octa-BDE verboten, weil<br />
eine Gefährdung für die menschliche<br />
Gesundheit festgestellt wurde.<br />
Seither lagert sich in der Umwelt<br />
nur noch das alternative Flammschutzmittel<br />
Deca-BDE ab, welches<br />
als unbedenklicher eingestuft wird.<br />
Diese Veränderung auf dem Markt<br />
bildet sich auch in der Umwelt<br />
ab: Aus den jüngst durchgeführten<br />
Sedimentanalysen im Greifensee<br />
kann ein ungebremster Anstieg des<br />
Deca-BDE-Eintrags festgestellt werden,<br />
während die Flammschutzmittel<br />
mit tieferem Bromgehalt seit einigen<br />
Jahren wieder abnehmen. Doch wie<br />
bei anderen Chemikalien ist auch<br />
bei bromierten Flammschutzmitteln<br />
die Gefährdung von Mensch und<br />
Umwelt noch immer nicht auszuschliessen.<br />
Denn auch bei dem zugelassenen<br />
Deca-BDE besteht eine Gefahr<br />
der Umwandlung in hormonaktive<br />
Abbauprodukte. Die Suche<br />
nach den Chemikalien, die für die<br />
Reduktion der Fruchtbarkeit von<br />
Fischen und Säugetieren verantwortlich<br />
sind, geht somit weiter.<br />
Rekruten als<br />
Versuchskaninchen<br />
Einen anderen Weg zur Bestimmung der negativen<br />
Umwelteinflüsse geht der Lausanner<br />
Reproduktionsmediziner Professor Marc Germond.<br />
Er will nicht nur den Zusammenhang<br />
zwischen der Verschlechterung der männlichen<br />
Fruchtbarkeit und den hormonaktiven<br />
Substanzen in der Umwelt belegen – was