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Editorial<br />
Liebe Leserinnen, liebe Leser,<br />
„Herz, mein Herz nicht in der Weite,<br />
In der Nähe liegt das Glück!<br />
Glaube, liebe, hoffe, leide<br />
Und kehre in dich selbst zurück.“<br />
Das Herz ist nicht nur unser zentrales,<br />
lebenswichtiges Organ. Wir verbinden<br />
mit ihm starke Emotionen. Das Herz hat<br />
auch eine große geistliche Bedeutung. Julius<br />
Sturm (1816–1896) spricht im Gedicht<br />
von Glaube, Liebe und Hoffnung. Er sieht<br />
die drei Grundtugenden eines christlichen<br />
Lebens im Herzen verankert. So formuliert<br />
auch das jüdische Glaubensbekenntnis:<br />
„Höre, Israel! Jahwe, unser Gott, Jahwe ist<br />
einzig. Darum sollst du den Herrn, deinen<br />
Gott, lieben mit ganzem Herzen, mit ganzer<br />
Seele und mit ganzer Kraft. Diese Worte,<br />
auf die ich dich heute verpflichte, sollen<br />
auf deinem Herzen geschrieben stehen.“<br />
(Dtn 6,4-6)<br />
Der Dichter fügt ein viertes Wort dazu:<br />
„leide“! Er verweist auf die Verwundbarkeit<br />
des Herzens und auf die Passion – auf<br />
Leidenschaft und Leiden. Die Herz-Jesu-<br />
Verehrung hat genau dies hervorgehoben,<br />
indem sie Jesu Herz von Lanzen durchbohrt,<br />
mit Dornen umkränzt, blutend und<br />
brennend dargestellt hat. <strong>Jesuiten</strong> haben<br />
diese Frömmigkeit stark gefördert. Claude<br />
de la Colombière SJ war der Beichtvater<br />
von Marguerite-Marie Alacoque, mit deren<br />
Visionen sich im 17. Jh. die weltweite Herz-<br />
Jesu-Verehrung durchsetzte. Weihen an<br />
das Herz Jesu wurden durchaus auch politisch<br />
eingesetzt: in Tirol gegen den Josephinismus<br />
und während des Kulturkampfs<br />
in Deutschland. Durch Volksmissionen,<br />
Gebetsapostolat und religiöse Schriften hat<br />
der <strong>Jesuiten</strong>orden die Verehrung im Volk<br />
weit verbreitet.<br />
Heute sind die meisten dieser Bilder aus<br />
unseren Kirchen verschwunden. Doch<br />
nicht die Bedeutungstiefe des Herzens ist<br />
uns heute unverständlich geworden, es ist<br />
wohl eher die Bildwelt einer vergangenen<br />
Frömmigkeit. Die <strong>Jesuiten</strong> Pierre Teilhard<br />
de Chardin, Karl Rahner und der Generalobere<br />
Pedro Arrupe versuchten im 20. Jh.<br />
den Gehalt neu zu übersetzen. So kann die<br />
Gebetsbitte an Jesus „Bilde unser Herz nach<br />
deinem Herzen“ auch heute ansprechen.<br />
Der unmittelbare, persönliche Umgang mit<br />
Jesus führt heraus aus der Selbstbezogenheit<br />
und gibt ein Herz für andere, für die Welt. Es<br />
nimmt Maß an seinem Herz, das größer ist<br />
als die Welt. In der Christusbeziehung steht<br />
das Herz nicht so sehr für das verborgenste<br />
Innerste, in dem allein das Glück zu finden<br />
ist, wie das spätromantische Gedicht andeutet.<br />
Christen geht es vielmehr darum, das<br />
Herz zu öffnen und andere einzuladen.<br />
Nicht eine bestimmte Form der Herz-Jesu-<br />
Verehrung zu wiederholen, sondern auszuloten,<br />
was dieses Motiv des Herzens Jesu<br />
heute bedeuten kann – darum geht es den<br />
Autoren dieser Ausgabe. Wir wünschen<br />
Ihnen eine zu Herzen gehende Lektüre!<br />
Holger Adler SJ<br />
Marco Hubrig SJ<br />
Bernhard Knorn SJ<br />
<strong>Jesuiten</strong> n September 2013 n Ein Herz grösser als die Welt<br />
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