Für eine Zukunft nach Maß - Nord-Handwerk
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EIN UNBÄNDIGER WILLE<br />
Lübeck. Mujtaba Nabizada (23),<br />
Schneidergeselle aus Lübeck, hat es<br />
schon in sehr jungen Jahren gelernt, sich<br />
im Leben durchzukämpfen. Aufgeben<br />
kennt er nicht. Selbst in <strong>eine</strong>m Land,<br />
dass er bis zu s<strong>eine</strong>m 17. Geburtstag<br />
nur aus dem Fernsehen kannte, dessen<br />
Sprache er nicht sprach, fasste er Fuß.<br />
Ganz beeindruckend sogar. Obwohl er<br />
eigentlich persisch spricht und von rechts<br />
<strong>nach</strong> links schreibt, geht er erfolgreich<br />
s<strong>eine</strong>n Weg.<br />
Im vergangenen Jahr schloss der gebürtige<br />
Afghane s<strong>eine</strong> Ausbildung zum<br />
Herren-<strong>Maß</strong>schneider als bester GeselleSchleswig-Holsteins<br />
ab.“Er ist ein<br />
Naturtalent, es ist<br />
ihm wohl in die<br />
Wiege gelegt“, so<br />
s<strong>eine</strong> Lehrmeisterin<br />
Carmen Lüttich.<br />
Als Kind wächst<br />
Mujtaba Nabizada<br />
im vom Bürgerkriegerschütterten<br />
Kabul auf. Die<br />
Stadt ist schon zwei<br />
Jahrzehnte im Ausnahmezustand.<br />
Vier<br />
große Parteien teilten<br />
sie sich auf. Familie<br />
Nabizada hat<br />
<strong>eine</strong> kl<strong>eine</strong> <strong>Maß</strong>schneiderei und wohnt<br />
im <strong>Nord</strong>en der Stadt. Die Angst ist ein<br />
täglicher Begleiter.Vater Nabizada ist der<br />
ethnischen Verfolgung bereits zum Opfer<br />
gefallen. Der älteste Bruder betreibt die<br />
kl<strong>eine</strong> Herrenschneiderei für die Familie<br />
weiter.<br />
Der junge Mujtaba besucht die achte<br />
Schulklasse. Dann kommen die Taliban.<br />
Sie übernehmen die Macht. Die Gewalt<br />
nimmt zu. Ethnische Gruppen werden<br />
verfolgt. Fernsehprogramme gibt es nicht<br />
mehr. Im Jahr 2001 sind bereits 95 % Afghanistans<br />
besetzt. Die Nabizadas wollen<br />
flüchten. Viel Zeit bleibt nicht. Mujtaba<br />
muss fast alles zurück lassen, um aus der<br />
Stadt zu kommen. Fortan trennen sich<br />
die Wege der Familie.<br />
Unbeirrt flüchtet der 17-Jährige <strong>nach</strong><br />
Deutschland. Ostholstein ist s<strong>eine</strong> erste<br />
Anlaufstation. Lange möchte er jedoch<br />
nicht im Wohnheim sitzen. Obwohl er<br />
nur wenig deutsch spricht, macht er sich<br />
mit <strong>eine</strong>m Stellenangebot von der Bundesagentur<br />
für Arbeit auf den Weg in die<br />
werkstatt der Lübecker Schneidermeisterin<br />
Carmen Lüttich. S<strong>eine</strong> sprachlichen<br />
Defizite gleicht er mit s<strong>eine</strong>m freundlichen<br />
Wesen und s<strong>eine</strong>r Einsatzbereitschaft<br />
aus. Nach überzeugender Probearbeit<br />
bekommt er zunächst <strong>eine</strong> Aushilfsstelle<br />
und wird später Lehrling. Vieles in der<br />
Werkstatt geht ihm sogleich leicht von der<br />
Hand. Die Abläufe und Verarbeitungstechniken<br />
eignet er sich mühelos an. Viereinhalb<br />
Jahre bildeten die beiden ein Team,<br />
ergänzt durch <strong>eine</strong> weitere Auszubildende.<br />
Carmen Lüttich hilft dem jungen Mann,<br />
wo sie nur kann. Wohnung und Sprachunterricht<br />
sind schnell geregelt. Nur bei der<br />
Suche <strong>nach</strong> der Familie kommen beide<br />
nicht weiter. K<strong>eine</strong> Hilfsorganisation kann<br />
bis heute dem Flüchtling Hinweise auf<br />
den Verbleib s<strong>eine</strong>r Familie geben.<br />
Mujtaba Nabizada geht trotzdem zielstrebig<br />
s<strong>eine</strong>n Weg. Lübeck musste er<br />
wegen der schlechten Auftragslage verlassen.<br />
Carmen Lüttich vermittelte ihren<br />
Schützling in <strong>eine</strong> Theaterschneiderei <strong>nach</strong><br />
Baden-Würthemberg. „Dort lerne ich für<br />
m<strong>eine</strong>n Beruf vieles neue dazu und <strong>eine</strong><br />
weitere Fremdsprache – Schwäbisch“, so<br />
Mujtaba, der gerne noch s<strong>eine</strong>n Meister<br />
als Herrenschneider machen möchte. Um<br />
dieses ziel zu erereichen wird er das Geld<br />
der Begabtenförderung nutzen, das er als<br />
bester Geselle bekommen hat.