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Für eine Zukunft nach Maß - Nord-Handwerk

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THEMA DES MONATS<br />

Projekt für sozial be<strong>nach</strong>teiligte Jugendliche<br />

Die letzte Chance genutzt<br />

Die Lage schien aussichtslos für Martin<br />

Fehrmann. Mittlerweile war er<br />

schon 23. Eine Ausbildung hatte er abgeschlossen.<br />

Doch die fi nanzielle Situation<br />

trieb ihn fast in den Ruin. Die Eltern interessierte<br />

die <strong>Zukunft</strong> ihres Jungen nicht. Mit<br />

17 zog er aus und irrte <strong>nach</strong> bestandender<br />

Realschulprüfung von Betrieb zu Betrieb.<br />

Doch niemand wollte ihn haben. Einer<br />

Fortbildungsmaßnahme folgte die nächste<br />

und dann der Abstieg in Hartz IV.<br />

Als er 2006 jedoch vom Projekt „Mitarbeit“<br />

hörte, erkannte er s<strong>eine</strong> Chance<br />

und griff zu. Mitinitiator Dieter Eggers<br />

nahm den Jungen an die Hand und vermittelte<br />

ihm ein zweiwöchiges Praktikum<br />

beim nordfriesischen Heizungsbaumeister<br />

Rainer Jensen in Risum-Lindholm. Der<br />

Vor allem im <strong>Handwerk</strong>:<br />

Ausbildung lohnt sich immer: Das ist so<br />

leicht dahingesprochen wie wahr. Die<br />

Volkswirtschaft gewinnt, die Betriebe<br />

gewinnen und die Jugendlichen sowieso.<br />

Dass betriebliche Berufsausbildung aber<br />

für die Unternehmen in der Regel k<strong>eine</strong><br />

Nettokosten verursachen muss, ja sogar<br />

unmittelbar rentabel sein kann, ist <strong>eine</strong><br />

neue Erkenntnis. Der Berufsbildungsforscher<br />

Prof. Dr. Felix Rauner von der Uni<br />

Bremen ist vor einigen Wochen mit dieser<br />

provokanten These hervorgetreten. Sie<br />

stützt sich auf <strong>eine</strong> aktuelle Untersuchung,<br />

die Rauner Ende 2007 für Bremen und<br />

Bremerhafen durchgeführt hat.<br />

Qualität und Rentabilität<br />

Die duale Berufsausbildung ist die kostengünstigste<br />

Form der Ausbildung, lautet der<br />

Befund. Während der vom Bundesbildungsministerium<br />

herausgegebene Berufsbildungsbericht<br />

die Kosten pro Azubi und Aus-<br />

12 <strong>Nord</strong><strong>Handwerk</strong> April 2008<br />

kannte Martins Lebensgeschichte nicht.<br />

Die Auftragslage war gut und <strong>eine</strong> kostenfreie<br />

Arbeitskraft sehr willkommen. Dass es<br />

sich bei Martin um <strong>eine</strong>n sozial schwachen<br />

Jungen handelte, erkannte Rainer Jensen<br />

erst später.<br />

Der Jugendliche zeigte großes Engagement.<br />

Es war s<strong>eine</strong> letzte Chance, auf dem<br />

Arbeitsmarkt mit 23 Jahren noch Fuß zu<br />

fassen. Jeden Morgen kam er pünktlich mit<br />

dem Rad und scheute auf den Baustellen<br />

k<strong>eine</strong> Arbeit. Als Dieter Eggers ein Einstiegsqualifi<br />

zierungsjahr (EQJ) vorschlug,<br />

stimmte Rainer Jensen zu. Gleichzeitig<br />

sah der Chef dies auch als Verpfl ichtung.<br />

<strong>Für</strong> ihn stand fest, dass er den fl eißigen<br />

Helfer anschließend als Auszubildenden<br />

beschäftigen möchte. „Diese Chance hat<br />

Ausbildung rentiert sich für die Betrie Betriebe<br />

be<br />

bildungsjahr<br />

auf 8.600 €<br />

taxiert, hat die<br />

Bremer „QEK-<br />

Studie“ <strong>eine</strong>n<br />

durchschnittlichen<br />

Ertrag von 600 €<br />

für die beteiligten Betriebe<br />

ermittelt. Kosten –<br />

2.200 € pro Schüler – verursa- verursa-<br />

che allein der schulische Teil.<br />

Die Werte für die einzelnen Unternehmen<br />

lagen in der Untersuchung weit<br />

auseinander. Sie ließen sich nicht auf Branchen,<br />

Betriebsgrößen oder Ausbildungsberufe<br />

zurückführen. <strong>Für</strong> Rauner heißt das,<br />

die Betriebe haben es zum großen Teil<br />

selbst in der Hand, ob Kosten entstehen:<br />

alles <strong>eine</strong> Frage der Ausbildungsqualität.<br />

Eine gute Ausbildung zeichne sich dadurch<br />

aus, dass die Azubis schon zu Beginn<br />

der Lehre mit anspruchsvollen Aufgaben<br />

er sich ganz all<strong>eine</strong> verdient“, so Rainer<br />

Jensen rückblickend. In vielen Gesprächen<br />

nahm er Martins Versagensängste. Immer<br />

mehr beschäftigte sich Rainer Jensen mit<br />

den Bedürfnissen von Jugendlichen wie<br />

Martin und erkannte Handlungsbedarf.<br />

Gemeinsam mit elf weiteren Betrieben<br />

der Region beteiligte er sich an <strong>eine</strong>r gemeinnützigen<br />

GmbH (siehe Kasten). 500<br />

Euro investierte er, um künftig weiteren<br />

sozial schwachen Jugendlichen wie Martin<br />

helfen zu können - ihnen <strong>eine</strong> Chance zu<br />

geben. Regelmäßig tauschen sich die Firmeninhaber<br />

über ihre Auszubildenden aus<br />

und versuchen Jugendliche über Praktika<br />

an ihre Berufe heranzuführen.<br />

Heute ist Martin im zweiten Lehrjahr.<br />

Rainer Jensen hatte mit ihm nicht mehr<br />

Die Debatte ist eröffnet. Prof. Felix Rauner während<br />

<strong>eine</strong>s Vortrags in der <strong>Handwerk</strong>skammer Hamburg.<br />

gefordert werden. Die Kosten des ersten<br />

Lehrjahres würden dadurch minimiert<br />

und im dritten mehr als wettgemacht. Das<br />

<strong>Handwerk</strong> habe von allen Branchen die<br />

besten Voraussetzungen, rentabel auszubilden,<br />

da die Ausbildung in produktiven<br />

Arbeitsprozessen stattfi ndet.

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