Teil 1: Masern Von den Morbilli, den ... - GlaxoSmithKline
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„Die <strong>Masern</strong> sind gemeiniglich eine so gelinde Krankheit,<br />
dass nur wenig Kinder daran sterben, wofern sie nur einer<br />
guten Pflege geniessen, und vorher keinen Fehler in der<br />
Brust haben“, schreibt der Kinderarzt Nils Rosen von Rosen-<br />
stein in seiner 1781 veröffentlichten Anweisung zur Kennt-<br />
niß und Cur der Kinderkrankheiten. In dieser Einschätzung<br />
trifft sich der schwedische Medikus mit dem britischen<br />
Humoristen Jerome Klapka Jerome, auf <strong>den</strong> das Bonmot<br />
zurückgeht „<strong>Masern</strong> sind wie die Liebe, da müssen wir durch“.<br />
Dass die <strong>Masern</strong> freilich mehr sind als eine „gelinde Krank-<br />
heit“, ist auch von Rosenstein schon bewusst, wenn er weiter<br />
schreibt: „Doch gibt es Beyspiele, daß sie bisweilen so ge-<br />
wütet haben, daß fast alle, die von ihnen angegriffen wor<strong>den</strong><br />
sind, ihr Leben haben einbüssen müssen. Und daher kommt<br />
es, daß sie von <strong>den</strong> Alten im Lateinischen <strong>den</strong> Namen Mor-<br />
billi, oder die kleine Pest, erhalten haben.“ In der Folge schil-<br />
dert er <strong>Masern</strong>ausbrüche wie <strong>den</strong> in London anno 1672, bei<br />
dem Woche für Woche rund dreihundert Menschen starben.<br />
Heute, am Beginn des 21. Jahrhunderts, wür<strong>den</strong> sich in <strong>den</strong><br />
industrialisierten Ländern wohl die meisten Menschen der<br />
Einschätzung von Rosensteins anschließen und die <strong>Masern</strong><br />
als eher triviale Kinderkrankheit definieren. Ärzten freilich<br />
sind die Risiken der Infektion bewusst, und das Robert Koch<br />
Institut stellt lapidar fest: „<strong>Masern</strong> sind aufgrund möglicher<br />
Komplikationen keine harmlose Erkrankung“. Zu diesen<br />
Komplikationen gehören nicht nur Superinfektionen wie<br />
Pneumonien, sondern auch akute postinfektiöse Enzepha-<br />
liti<strong>den</strong> und die sehr seltenen subakuten sklerosieren<strong>den</strong><br />
Panenzephaliti<strong>den</strong>.<br />
Sind es im Nor<strong>den</strong> die Komplikationen, die unsere<br />
Einschätzung zu <strong>den</strong> <strong>Masern</strong> bestimmen, so gehören die<br />
<strong>Masern</strong> in <strong>den</strong> Entwicklungsländern des Sü<strong>den</strong>s unverändert<br />
zu <strong>den</strong> häufigsten Todesursachen im Kindesalter. A. Cliff,<br />
P. Hagget und P. Smallman-Raynor beziffern in ihrem<br />
außeror<strong>den</strong>tlich faktenreichen Atlas Measles – An Historical<br />
Geography of a Major Human Viral Disease die Zahl der<br />
weltweiten <strong>Masern</strong>opfer 1990 auf rund zwei Millionen<br />
Menschen pro Jahr.<br />
<strong>Masern</strong>exanthem aus: T. Bateman,<br />
Delineations of Cutaneous Diseases, 1840<br />
<strong>Masern</strong><br />
<strong>Von</strong> <strong>den</strong> <strong>Morbilli</strong>, <strong>den</strong> Mortalitätsstatistiken und der Einpfropfung<br />
<strong>Morbilli</strong> – die kleine Pest<br />
Unser heutiger Begriff der <strong>Masern</strong> wurde erstmals von<br />
Johannes Colerus, einem Berliner Magister, verwendet.<br />
Im zweiten Buch seiner 1594 erschienenen Oeconomia<br />
ruralis et domestica schreibt er zum Thema Hauss<br />
Artzney u. a.: „Es gibt auch breite Exantheme, die von<br />
Plinius <strong>Morbilli</strong> vari genannt wer<strong>den</strong>, auf deutsch die<br />
Mahsern … Es sind oberflächliche Hautflecken, zerstreut,<br />
rötlich und uneben, die die Haut verschie<strong>den</strong> färben.“<br />
Die Bezeichnung <strong>Masern</strong> hatte Colerus aus dem althoch-<br />
deutschen Begriff masar, mit dem ein knorriger Auswuchs<br />
an Bäumen bezeichnet wurde, abgeleitet.<br />
Bis dahin waren die <strong>Masern</strong> lediglich unter dem Über-<br />
begriff der <strong>Morbilli</strong> diskutiert wor<strong>den</strong>. Insbesondere der<br />
arabisch-persische Arzt Rhazes verstand darunter eine<br />
leichtere Abart der Pocken, sodass die Morbillen auf<br />
deutsch als „die Kinds blettern“ und auf französisch als<br />
„les petites véroles“ bezeichnet wor<strong>den</strong> waren.<br />
Mit dem neuen Begriff waren freilich die „alten“ <strong>Morbilli</strong><br />
noch nicht aus der Mode gekommen! In dem Teutsch-<br />
lateinischen Wörterbuch von Johann Frisch aus dem Jahr<br />
1741 wer<strong>den</strong> unter <strong>Morbilli</strong> noch immer eine ganze Reihe<br />
unterschiedlicher Erscheinungen subsumiert: die Röteln,<br />
rothe Flecken, <strong>Masern</strong>, Kinderblattern und Pocken. Auch<br />
das 19. Jahrhundert mag noch nicht völlig auf die tradierten<br />
Sichtweisen verzichten: Vereinzelt wer<strong>den</strong> noch immer<br />
Pocken und <strong>Masern</strong> unter der Benennung febris variolosa<br />
et morbillosa zusammengefasst. Und selbst bei klarer<br />
Trennung der Krankheitsentitäten taucht zur Beschreibung<br />
Der Baum der Dermatosen aus: J. L. Alibert,<br />
Descriptions des maladies de la peau, 1806