Buchtipps für den Herbst - Kleine Zeitung
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KLEINE ZEITUNG<br />
SONNTAG, 2. OKTOBER 2011<br />
DIE ANGELSACHSEN |5<br />
Auto-Paradies. Seit 25<br />
Jahren baut Michael<br />
Paul Smith an seiner<br />
„idealen amerikanischen<br />
Stadt“. Elgin<br />
Park ist ihr Name, sie<br />
besteht aus Modellen<br />
und hat Kultstatus.<br />
Nicht nur bei<br />
Liebhabern klassischer<br />
Ami-Schlitten.<br />
visitelginpark.com,<br />
die Website des Projekts,istbestbesucht,<br />
die Fotos dieses<br />
Buchs vermittelt <strong>den</strong><br />
nostalgischen Zauber<br />
im Detail. WT<br />
Michael Paul Smith.<br />
Elgin Park.<br />
Prestel. 25,70 Euro.<br />
Die Begehung<br />
eines düsteren<br />
Textmassivs<br />
E r ist der große Außenseiter<br />
der US-Literatur, der gerne<br />
zu Experimenten neigt, oder,<br />
wie in diesem Fall, ein gigantisches,<br />
dämonisches Textmassiv<br />
auftürmt. Fast 30 Jahre lang arbeitete<br />
William H. Gass an seinem<br />
Hauptwerk „Der Tunnel“.<br />
In <strong>den</strong> Staaten erschien der Roman<br />
über einen Historiker, der<br />
sich intensiv mit der NS-Zeit<br />
beschäftigt, ehe er <strong>den</strong> Faschisten<br />
in sich selbst entdeckt, 1995.<br />
Er wurde mit mehreren Auszeichnungen<br />
bedacht, geriet<br />
aber, völlig unberechtigt, auch<br />
unter heftigen<br />
Kritiker-<br />
Beschuss.<br />
Vor allem,<br />
weil absolute<br />
Oberflächen-<br />
Leser <strong>den</strong><br />
Sohn deutscherEinwanderer<br />
weit ins<br />
rechte Eck<br />
drängen wollten.<br />
Völliger Schwachsinn. William<br />
H. Gass erlaubte sich nur,<br />
seinen Landsleuten drastisch<br />
vor Augen zu führen, dass die<br />
braune Gesinnung keineswegs<br />
nur ein germanisches Gräuel<br />
gewesen ist, sondern sich latenter<br />
Präsenz in <strong>den</strong> USA erfreut.<br />
Bei Gass wird der Protagonist<br />
Mitglied der „Partei der Enttäuschten“,<br />
die beklemmende<br />
Ähnlichkeiten mit der obskuren,<br />
höchst umtriebigen „Tea<br />
Party“ aufweist. Gass wollte,<br />
dass sein 1100-Seiten-Opus in<br />
losen Blättern erscheint, verpackt<br />
in einen festen Karton,<br />
versehen mit Kaffeespuren,<br />
Fettflecken und Eselsohren.<br />
Dieser Wunsch wurde ihm<br />
nicht erfüllt, was bleibt, ist der<br />
dringende Wunsch, sich auf dieses<br />
große Leseabenteuer einzulassen.<br />
WERNER KRAUSE<br />
William H. Gass. Der Tunnel. Rowohlt.<br />
38 Euro.