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Gregory und Rolf Knie: Das Zirkuszelt ist ihre Welt - Salto Natale

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<strong>Gregory</strong> <strong>und</strong> <strong>Rolf</strong> <strong>Knie</strong>:<br />

<strong>Das</strong> <strong>Zirkuszelt</strong> <strong>ist</strong> <strong>ihre</strong> <strong>Welt</strong><br />

ZIRKUS Manege frei für die Jubiläumsshow «Sternfänger» von <strong>Salto</strong> <strong>Natale</strong>. Der Winterzirkus von <strong>Gregory</strong> <strong>und</strong><br />

<strong>Rolf</strong> <strong>Knie</strong> wird zehn Jahre alt. 70 Art<strong>ist</strong>en, Tänzer, Magier <strong>und</strong> Musiker verzaubern das Publikum <strong>und</strong> lassen den<br />

Alltag für ein paar St<strong>und</strong>en vergessen. SEITEN 6 + 7 m<br />

Bild: <strong>Salto</strong> <strong>Natale</strong>


VON GINGER HEBEL<br />

Ein Duo<br />

der anderen Art<br />

ZIRKUS So viele Art<strong>ist</strong>en gabs bei <strong>Salto</strong> <strong>Natale</strong> noch nie: Nächsten Mittwoch feiern <strong>Rolf</strong> <strong>und</strong><br />

<strong>Gregory</strong> <strong>Knie</strong> Premiere <strong>ihre</strong>r Jubiläumsshow «Sternfänger».<br />

Die Proben laufen auf Hochtouren. Je<br />

näher die Premiere rückt, desto aufgeregter<br />

<strong>ist</strong> <strong>Gregory</strong> <strong>Knie</strong>. «Alle schauen<br />

auf einen. Da <strong>ist</strong> schon ein gewisser<br />

Druck, aber auch eine grosse Vorfreude.»<br />

<strong>Gregory</strong> <strong>und</strong> <strong>Rolf</strong> <strong>Knie</strong> feiern das<br />

10-Jahr-Jubiläum von <strong>Salto</strong> <strong>Natale</strong>,<br />

<strong>ihre</strong>m Zirkus der anderen Art, wie sie<br />

ihn nennen. Den Art<strong>ist</strong>en bleibt nicht<br />

viel Zeit, um <strong>ihre</strong> Kunststücke <strong>und</strong><br />

Nummern für die Show «Sternfänger»<br />

einzustudieren <strong>und</strong> auf die Musik abzustimmen.<br />

Jeder Schritt, jede Abfolge<br />

<strong>ist</strong> bis ins letzte Detail durchgeplant<br />

wie an einem Filmset. <strong>Rolf</strong> <strong>Knie</strong> <strong>ist</strong> ein<br />

exakter Mensch, ein Planer, «die Art<strong>ist</strong>en<br />

brauchen eine harte Hand, so ein<br />

Zirkus <strong>ist</strong> wie ein Sack voller Flöhe.<br />

Eine gute Vorbereitung geht über alles,<br />

denn nur so hat man Zeit für Änderungen.»<br />

Er verpasst keine einzige Probe,<br />

<strong>ist</strong> der Erste, der das Chapiteau betritt<br />

<strong>und</strong> der Letzte, der wieder hinausgeht.<br />

Dann zieht er sich in seinen Wohnwagen<br />

zurück. Er <strong>ist</strong> gemütlich eingerichtet<br />

mit einem flauschigen hellbeigen<br />

Teppich. <strong>Gregory</strong> <strong>und</strong> <strong>Rolf</strong> <strong>Knie</strong> erleben<br />

gerade die strengste Zeit des Jahres.<br />

Der Aufwand, der bei <strong>Salto</strong> <strong>Natale</strong><br />

betrieben wird, <strong>ist</strong> riesig. «Wir produzieren<br />

alle Kostüme neu, schreiben die<br />

Musik, <strong>und</strong> das alles für eine Spielzeit<br />

von gerade einmal drei Wochen.» So<br />

viele Art<strong>ist</strong>en wie in diesem Jahr hat<br />

man bei <strong>Salto</strong> <strong>Natale</strong> noch nie gesehen.<br />

«Je länger man Zirkus macht, desto<br />

mehr Angst hat man vor einem Misserfolg.<br />

Und je älter man wird, desto<br />

mehr weiss man, was alles schiefgehen<br />

kann», sagt <strong>Rolf</strong> <strong>Knie</strong>.<br />

<strong>Das</strong> erfolgreiche Vater-Sohn-Gespann<br />

produziert seit zwei Jahren auch<br />

den Liebeszirkus Ohlala. Es hagelt<br />

Mails im Akkord, bitterböse <strong>und</strong> lobende,<br />

wie sie sagen. Ihr Zirkus polarisiert.<br />

Jedes Detail wird von den Zuschauern<br />

kommentiert, jeder will mitreden,<br />

wenn es darum geht, wie man Erotik<br />

zu präsentieren hat. «Erotik <strong>ist</strong> die Fantasie<br />

jedes Einzelnen, deshalb gehen<br />

die Meinungen da auch so sehr auseinander.»<br />

Als sie sich entschieden haben,<br />

einen Liebeszirkus zu produzieren,<br />

hatten sie nicht vor, den Zirkus<br />

neu zu erfinden. «<strong>Das</strong> wäre selbstherrlich.<br />

Heute kann man kaum etwas neu<br />

erfinden, aber anders präsentieren, das<br />

geht», sagt <strong>Rolf</strong> <strong>Knie</strong>. Er hat sich immer<br />

gew<strong>und</strong>ert, dass in Europa nicht<br />

früher jemand auf die<br />

Idee gekommen <strong>ist</strong>. In<br />

seinen Augen hat der<br />

Zirkus in den vergangenen<br />

Jahren nämlich an<br />

Erotik <strong>und</strong> Emotionen<br />

verloren. «Er <strong>ist</strong> ein bisschen<br />

in- spirationslos geworden.<br />

Man meint immer, er sei etwas<br />

für Kinder, das <strong>ist</strong> falsch.» Bereits in<br />

den 20er- <strong>und</strong> 30er-Jahren rekelten sich<br />

Kontorsion<strong>ist</strong>innen im hautengen Glitzerkostüm<br />

in der Manege. «Schon damals<br />

hat Erotik im Zirkus eine Rolle<br />

gespielt. Man sah in den knapp bekleideten<br />

Schlangenfrauen etwas Pornografisches»,<br />

erzählt <strong>Rolf</strong> <strong>Knie</strong> <strong>und</strong> erinnert<br />

sich, wie ihm sein Grossvater eine<br />

Anekdote von einem Pfarrer erzählte,<br />

der von der Kanzel predigte: «Geht ja<br />

nicht in den Schweizer Nationalzirkus,<br />

da sieht man halb nackte Frauen.»<br />

Und der Zirkus war voll.<br />

Malen auf Mallorca<br />

<strong>Rolf</strong> <strong>Knie</strong> wurde in die bekannteste Zirkusdynastie<br />

der Schweiz hineingeboren<br />

<strong>und</strong> trat schon mit fünf Jahren als Clown<br />

auf. 1984 verliess er den Zirkus, startete<br />

mit einem eigenen Bühnenprogramm<br />

<strong>und</strong> arbeitete als Schauspieler. Er hat<br />

<strong>Das</strong> Porträt:<br />

<strong>Gregory</strong> <strong>und</strong><br />

<strong>Rolf</strong> <strong>Knie</strong><br />

die Zeit genossen, als man ihm nach<br />

einer geglückten Zirkusnummer auf die<br />

Schulter klopfte <strong>und</strong> das Publikum applaudierte.<br />

Noch heute würde er einspringen<br />

<strong>und</strong> den Clown spielen, «aber<br />

jeden Tag auf der Bühne stehen, das<br />

würde mir nicht mehr genügen», sagt<br />

der 63-Jährige. Lieber stellt er eine tolle<br />

Show auf die Beine, sucht die Musik<br />

aus, designt Kostüme, instruiert Lichtdesigner.<br />

Es <strong>ist</strong> die kreative Herausforderung,<br />

die ihn reizt. Seine grösste Passion<br />

aber <strong>ist</strong> die Malerei. Wenn <strong>Salto</strong><br />

<strong>Natale</strong> vorbei <strong>ist</strong>, zieht es ihn in sein<br />

Haus auf Mallorca, wo er die Hälfte des<br />

Jahres mit seiner zweiten<br />

Frau lebt. «In meinem<br />

Atelier darf mich<br />

niemand stören.» Aktuell<br />

bereitet er sich auf<br />

eine grosse Ausstellung<br />

in Peking im Herbst<br />

2013 vor. Früher haben<br />

ihn die Kritiker auf seine Tiermotive reduziert,<br />

heute stört ihn das nicht mehr.<br />

Er <strong>ist</strong> stolz, dass er in Peking ausstellen<br />

darf. «China boomt, was Malerei betrifft.<br />

Die Künstler gehen ins Figurative<br />

zurück <strong>und</strong> zeigen, dass Kunst durchaus<br />

schön sein kann.» Zudem plant er<br />

eine Retrospektive für 2014. <strong>Das</strong> <strong>ist</strong><br />

auch der Gr<strong>und</strong>, warum er seine Bilder<br />

zurückkauft. «Ich bin mein grösster<br />

Sammler.» Auch <strong>Gregory</strong> verbringt seine<br />

Sommer me<strong>ist</strong> auf Mallorca. Und das<br />

Kernteam von <strong>Salto</strong> <strong>Natale</strong> fliegt ihnen<br />

hinterher, <strong>und</strong> dann sitzen sie alle im<br />

Pool <strong>und</strong> gestalten das neue Zirkusprogramm.<br />

<strong>Gregory</strong> lebte nach der Scheidung<br />

der Eltern in der Schweiz <strong>und</strong> in<br />

Spanien <strong>und</strong> studierte in den USA Wirtschaft.<br />

Mit Zirkus hatte er lange nichts<br />

am Hut. Vor elf Jahren fragte ihn sein<br />

Vater, ob er mit ihm ein Zirkusunternehmen<br />

gründen wolle. Nach anfänglichem<br />

Zögern sagte er zu <strong>und</strong> <strong>ist</strong> heute Geschäftsführer.<br />

«Mir wird schnell langweilig.<br />

Doch einen Zirkus zu produzieren,<br />

<strong>ist</strong> abwechslungsreich. Die<br />

Momente, die man mit den Zuschauern<br />

<strong>und</strong> Art<strong>ist</strong>en erleben kann, sind unvergesslich.»<br />

Im Oktober feierte er seinen<br />

35. Geburtstag. Die Crew überraschte<br />

ihn mit einer Party. Eine gute Stimmung<br />

im Team bedeutet ihm viel. <strong>Rolf</strong> <strong>Knie</strong><br />

will sich künftig immer mehr aus der<br />

Zirkuswelt zurückziehen, «die Leute<br />

müssen sich langsam an ein neues Gesicht<br />

gewöhnen», sagt er <strong>und</strong> zwinkert<br />

<strong>Gregory</strong> zu, den er seit seiner Geburt<br />

Muppet nennt. «Er hatte damals die<br />

Gelbsucht, das war kein schöner Anblick.<br />

Er habe ausgesehen wie der<br />

Frosch Kermet aus der Muppet-Show»,<br />

erzählt <strong>Rolf</strong> <strong>Knie</strong>, <strong>und</strong> beide lachen.<br />

Angst vor der Leere<br />

Weil die guten Art<strong>ist</strong>en schnell ausgebucht<br />

sind, stecken sie bereits in den<br />

Vorbereitungen für 2013 <strong>und</strong> 2014.<br />

<strong>Gregory</strong> besucht Zirkusse auf der ganzen<br />

<strong>Welt</strong> <strong>und</strong> knüpft Kontakte. Die<br />

besten der guten Art<strong>ist</strong>en kommen immer<br />

noch aus Russland, der Ukraine,<br />

aus China. Anders als in der Schweiz<br />

kann ein Art<strong>ist</strong> in China von seinem<br />

Beruf leben <strong>und</strong> sich bei einer Verletzung<br />

auf Staatskosten neu ausbilden<br />

lassen. Gute Clowns jedoch stammen<br />

fast immer aus Europa. «Ihre Mimik<br />

<strong>ist</strong> viel ausdrucksstarker. Ich habe einmal<br />

einen chinesischen Komiker gesehen<br />

– das war traurig.»<br />

<strong>Salto</strong> <strong>Natale</strong> läuft bis zum 2. Januar.<br />

Weihnachten <strong>und</strong> Silvester werden<br />

<strong>Gregory</strong> <strong>und</strong> <strong>Rolf</strong> <strong>Knie</strong> im <strong>Zirkuszelt</strong><br />

feiern. «Ich bin ohne Weihnachtsfeiern<br />

aufgewachsen, mir bedeutet diese<br />

Zeit nichts», gesteht <strong>Rolf</strong> <strong>Knie</strong>. Doch<br />

weil beide eine emotionale Ader haben,<br />

fürchten sie sich schon jetzt vor<br />

der letzten Aufführung, vor der Leere,<br />

die über sie hereinbricht, sobald das<br />

Licht in der Manege ausgeht <strong>und</strong> die<br />

Musik verstummt. Und spätestens<br />

dann, wenn die Clowns, Trapezkünstler<br />

<strong>und</strong> Jongleure in der Garderobe<br />

schluchzen <strong>und</strong> sich alle in einem Anflug<br />

von Sentimentalität in den Armen<br />

liegen, steigen auch <strong>Rolf</strong> <strong>und</strong> <strong>Gregory</strong><br />

<strong>Knie</strong> die Tränen in die Augen, <strong>und</strong> die<br />

Stimme scheint zu versagen, wenn sie<br />

dem Publikum Danke sagen. m<br />

<strong>Salto</strong> <strong>Natale</strong>, Parkplatz Holberg,<br />

Kloten, www.saltonatale.ch


«Den Zirkus kann man nicht<br />

neu erfinden,<br />

aber anders präsentieren,<br />

das geht.»<br />

Bild Nandor Nagy

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