Private Krankenversicherung - Sächsischer Richterverein
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2|2011<br />
Schwerpunktthemen:<br />
Standortkonzept der Staatsregierung<br />
Amtsangemessene Besoldung<br />
Neues Beamtengesetz 2011
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Reformen um der Reformen Willen?<br />
Liebe Leserinnen und Leser,<br />
Die Sächsische Staatsregierung arbeitet zurzeit an<br />
mehreren Reformvorhaben. Bei manchen lässt man<br />
sich Zeit, um an einer breit angelegten Lösung zu<br />
arbeiten. Bei anderen wird hinter verschlossenen<br />
Türen beraten und beschlossen und hinterher über<br />
das Ergebnis halbherzig eine offene Diskussion<br />
angekündigt. Die Reform der Justizstruktur ist ein<br />
hastiges Projekt, bei dem eine offene Diskussion<br />
unter Beteiligung der Praxis ratsam gewesen wäre.<br />
Nun hoffen wir, dass diese Diskussion sachlich und<br />
offen im Parlament geführt wird. Mit dem Bautzener<br />
Appell haben alle Unterzeichner den Abgeordneten<br />
ein Signal in diese Richtung gegeben. Die Abgeordneten sollten auf die Praktiker<br />
hören und sich eine seriöse Entscheidungsgrundlage verschaffen, indem sie eine fundierte<br />
Kosten-Nutzen-Analyse einfordern, anstatt ihre Entscheidungen auf bloße<br />
Behauptungen zu stützen. Auf unserer Homepage sind unsere Stellungnahmen zu<br />
dem Staatsmodernisierungskonzept und dem Standortegesetz zu finden. Auch in diesem<br />
Heft finden sie Artikel zu dem Thema.<br />
Die Dienstrechtsreform wird dagegen viel offener angegangen. Hier gibt es in unregelmäßigen<br />
Abständen Informationstreffen, in denen der Stand der derzeitigen Arbeit<br />
vorgestellt wird. Was derzeit geplant ist, schildert unser neues Redaktionsmitglied Dr.<br />
Hartwig Kasten in seinem Artikel.<br />
Gerechtigkeitslücken Schließen!<br />
Ebenso beharrlich wie an den Einzelheiten des Staatsmodernisierungskonzepts hält<br />
die Staatsregierung an ihrer Haltung zum Weihnachtsgeld fest. Sie weigert sich, die<br />
Gerechtigkeitslücke dort zu schließen. Wir sind nicht bereit, das widerspruchslos hinzunehmen<br />
und haben daher eine Aktion für amtsangemessene Besoldung gestartet.<br />
Die Informationen hierzu sind auch auf unserer Homepage zu finden. Andreas Zimmer<br />
informiert über die Aspekte der Aktion und des Verfahrens. Hanspeter Teetzmann<br />
zeigt auf, wie es um die Amtsangemessenheit der Besoldung der Richter und Staatsanwälte<br />
bestellt ist. Hoffnung gibt die mündliche Verhandlung vor dem Bundesverfassungsgericht,<br />
in der hinsichtlich der Bezüge von Professoren kritische Fragen<br />
gestellt worden sind. Es ist an der Zeit, das Richter und Staatsanwälte, die immer<br />
mehr zusätzliche Aufgaben und Mittelkürzungen auffangen sollen, besser bezahlt<br />
werden. Dafür treten wir mit unserer Aktion ein.<br />
Wir kümmern uns um die Belange der Richter und Staatsanwälte und engagieren uns<br />
für eine bürgernahe und gut funktionierende Justiz. Unterstützen sei uns dabei. Nur<br />
gemeinsam lässt sich etwas bewirken!<br />
Ihr<br />
Reinhard Schade<br />
Sie finden uns im Internet unter:<br />
www.richtervereinsachsen.de oder www.richterverein.info<br />
Inhalt:<br />
Vorwort<br />
Reformen um der<br />
Reformen Willen? . . . . . . . .3<br />
Gegenwind für die Änderung<br />
der Gerichtsstruktur . . . . . . .4<br />
Staatsmodernisierung um<br />
jeden Preis . . . . . . . . . . . . . .6<br />
Amtsangemessene<br />
Besoldung . . . . . . . . . . . . . . .7<br />
Aktion amtsangemessene<br />
Besoldung . . . . . . . . . . . . . . .9<br />
Überblick über die<br />
Regelungen des Entwurfs<br />
der Neufassung des<br />
Sächs. Beamtengesetzes . . .12<br />
Impressum:<br />
Das SRV-Info - Informationsblatt des Vereins<br />
der Richter und Staatsanwälte im Freistaat<br />
Sachsen - wird herausgegeben vom Sächsischen<br />
<strong>Richterverein</strong> e.V., Sitz Dresden.<br />
Ausgabe: 2|2011<br />
Auflage: 1.500 Stück<br />
Inhaltlich verantwortlich sind für<br />
Artikel: die angegebenen Autoren<br />
Fotos: i.Ü. Reinhard Schade<br />
S. 1/5 Landgericht Bautzen<br />
S. 4 Dr. Andreas Stadler<br />
S. 7 Frank Herzog<br />
S. 8 Szasz-Fabian-fotolia.com<br />
S. 9 Konstantin Hoffmann<br />
Verantwortlicher Redakteur:<br />
Dr. Andreas Stadler<br />
Bundesverfassungsgericht<br />
Schloßbezirk 3 | 76131 Karlsruhe<br />
astadler@bundesverfassungsgericht.de<br />
Redaktionsschluss für Heft 1|2012:<br />
15. Januar 2012<br />
Satz & Layout / Druck:<br />
Werbeservice Yvonne Geipel - Auerbach /<br />
3
4<br />
Gegenwind für die Änderung der Gerichtsstruktur<br />
Bundesweite Unterstützung für den Bautzener Appell des SRV<br />
und Kritik bei der Landtagsanhörung<br />
Die neuen Strukturen<br />
eröffnen Chancen für<br />
die örtliche Wirtschaft<br />
Das Standortkonzept der Staatsregierung<br />
Die Staatsregierung hatte Anfang des Jahres ein<br />
Strukturkonzept unter dem Titel Staatsmodernisierungskonzept<br />
vorgelegt. Nach dem entsprechenden<br />
Gesetzesentwurf sollen zahlreiche<br />
Gerichte zusammengelegt, ein Gericht und bisher<br />
bestehende Außenstellen geschlossen werden.<br />
Die Landgerichte Bautzen und Görlitz<br />
sollen zusammengelegt werden zu einem Landgericht<br />
Görlitz mit Außenkammern in Bautzen.<br />
Dies hat zur Folge, dass auch die Staatsanwaltschaften<br />
zusammengelegt werden. In Bautzen<br />
soll lediglich eine Zweigstelle verbleiben. Das<br />
Amtsgericht Annaberg soll geschlossen und die<br />
Amtsgerichte Hainichen, Löbau, Oschatz und<br />
Stollberg sollen zu Zweigstellen herabgestuft<br />
werden. Die Außenkammern des Landgerichts<br />
Zwickau in Plauen, die Außenstelle des Amtsgerichts<br />
Grimma in Wurzen sowie die Zweigstelle<br />
der Staatsanwaltschaft Görlitz in Zittau<br />
sollen geschlossen werden. Bereits geschlossen<br />
wurde die Zweigstelle der Staatsanwaltschaft<br />
Bautzen in Hoyerswerda.<br />
Die Sächsische Staatsregierung<br />
möchte nach eigenem<br />
Bekunden mit dieser<br />
Struktur Sachsen<br />
zukunftsfähig machen und<br />
damit den Herausforderungen<br />
durch rückläufige<br />
Einwohnerzahlen, rückläufige<br />
Steuereinnahmen<br />
und dem zunehmenden<br />
Wettbewerb um Unternehmensansiedlungen<br />
und um<br />
Fachkräfte Rechnung tragen.<br />
Diesem Ziel wird die<br />
Reform aber nicht gerecht.<br />
Das Standortkonzept der<br />
Staatsregierung ist nicht<br />
zu Ende gerechnet – es<br />
fehlt jede Gesamtbewertung<br />
von Kosten und Nutzen.<br />
Weder beziffert die Staatsregierung die<br />
von ihr erwarteten Einsparungen. Noch berücksichtigt<br />
sie die sicher zu erwartenden Mehrkosten.<br />
Wird das Standortegesetz umgesetzt, werden<br />
Mehrausgaben für Umbaumaßnahmen in<br />
den Justizgebäuden, zusätzliche Dienstreisen<br />
der Präsidenten und Direktoren sowie der Mitglieder<br />
der Gerichtspräsidien, Trennungsgelder<br />
und anzuschaffende Fahrzeuge und Sachausstattungen<br />
erforderlich.<br />
All dies muss bedacht und in die Entscheidung<br />
STANDORTKONZEPT<br />
einbezogen werden. Es darf keine Strukturreform<br />
ohne gesicherte Tatsachenbasis quasi<br />
am grünen Tisch geben. Bisher ist nicht Nachgewiesen,<br />
dass die Reform in der Justiz Sparund<br />
Synergieeffekte bringt. Die Abgeordneten<br />
sollten sich daher Kosten und Einsparungen<br />
konkret vorrechnen lassen, damit sie eine seriöse<br />
Grundlage für die Entscheidung über die<br />
Strukturreform haben. Die Sächsische Staatsregierung<br />
ist bislang jeden nachvollziehbaren<br />
Beleg zur Begründung ihres Konzepts schuldig<br />
geblieben.<br />
Zudem ist die Herabstufung der betroffenen<br />
Amtsgerichte zu Zweigstellen der Vorbote für<br />
den künftigen Rückzug der Justiz aus der Fläche.<br />
Das Sächsische Standortgesetz wird insoweit<br />
nur der erste Schritt sein – niemand vor<br />
Ort, nicht die Bürger und nicht ihre Abgeordneten,<br />
darf sich insoweit Illusionen hingeben.<br />
Denn auf Dauer werden auf mehrere Standorte<br />
verteilte Justizeinrichtungen nicht funktionsfähig<br />
sein. Gleichgültig ob Richter oder nichtrichterliches<br />
Personal nach der Reform längere<br />
Dienstwege in Kauf nehmen müssen. Hieraus<br />
wird mittelfristig ein unwiderstehlicher Druck<br />
zur Konzentration auf einen Standort entstehen.<br />
Bevor eine Entscheidung über die Veränderung<br />
der Struktur in der Justiz getroffen wird, ist eine<br />
wirklich ernsthafte Diskussion über den Wert<br />
und die Bedeutung einer ortsnahen Justiz für<br />
die Bürger und Unternehmen zwingend erforderlich.<br />
Bundesweite Unterstützung für den Bautzener<br />
Appell des SRV<br />
Anlässlich der Bundesvertreterversammlung<br />
des Deutschen Richterbundes in Görlitz vom<br />
29. und 30. September 2011 erläuterte Staatsminister<br />
Dr. Martens das Konzept. Er wiederholte<br />
die bisher bekannten Argumente, wie<br />
Effizenzsteigerung, Spezialisierungsmöglichkeiten<br />
in größeren Einheiten und die demographische<br />
Entwicklung. Auf die Argumente der<br />
Gegner des Konzepts ging er nicht weiter ein.<br />
Insbesondere stellte er klar, dass eine Kostenersparnis<br />
nicht im Vordergrund stehe. Welche<br />
Effizienzsteigerung zu erwarten ist, blieb nach<br />
wie vor unklar. Angeblich aus Zeitgründen<br />
stand der Minister für eine Diskussion dazu<br />
nicht zu Verfügung.<br />
Während der Bundesvertreterversammlung<br />
unterzeichneten die Delegierten der im Deutschen<br />
Richterbund organisierten Landes- und<br />
Fachverbände den Bautzener Appell des Säch-
STANDORTKONZEPT<br />
sischen <strong>Richterverein</strong>s für den Erhalt bewährter<br />
Gerichtsstrukturen in Sachsen. Sie erklärten<br />
ihre Solidarität mit den Kolleginnen und Kollegen,<br />
deren Gerichte von den im künftigen Sächsischen<br />
Standortegesetz vorgesehenen und von<br />
der Sächsischen Staatsregierung als „Staatsmodernisierung“<br />
ausgegebenen Zusammenlegungen<br />
oder Schließungen betroffen sind.<br />
Der Justizgewährungsanspruch der Bürgerinnen<br />
und Bürger darf nicht von der Geldbörse<br />
des Finanzministers abhängen. Wer an der Ortsnähe<br />
der Gerichte spart, erschwert den Menschen<br />
den Zugang zum Gericht.<br />
Das Anliegen des Bautzener Appells an die<br />
Abgeordneten des sächsischen Landtages ist<br />
auch nach dieser Rede des sächsischen Staatsministers<br />
der Justiz und für Europa aktuell. Die<br />
Unterzeichner des Appells an die Abgeordneten<br />
des Sächsischen Landtags unterstützen nachhaltig<br />
das Anliegen des Sächsischen <strong>Richterverein</strong>s,<br />
eine funktionierende und bürgernahe<br />
Justiz in Sachsen zu erhalten.<br />
Anhörung im Landtag zum Sächsischen<br />
Standortegesetz<br />
Den Bautzener Appell mit den bis dahin gesammelten<br />
Unterschriften haben wir am 26. September<br />
2011 nach der Anhörung im Verfassungs-<br />
und Rechtsausschuss des Sächsischen<br />
Landtages an den Ausschussvorsitzenden übergeben.<br />
Die für die Anhörung geladenen Sachverständigen<br />
sahen die Strukturreform in der Justiz sehr<br />
kritisch. Prof. Dr. von Mangoldt aus Tübingen,<br />
der an der an Schaffung der Sächsischen Verfassung<br />
beratend und gestaltend teilgenommen<br />
hatte, hielt die Zusammenlegung der Landgerichte<br />
Görlitz und Bautzen sogar für verfassungswidrig.<br />
Es fehle eine Abwägung der<br />
Staatsziele Schutz der sorbischen Sprache und<br />
des Kulturgutes einerseits mit anderen Staatszielen<br />
und Entscheidungsprämissen. Die Vertreterin<br />
der IHK Regionalkammer in Plauen<br />
sprach sich für den Erhalt einer ortsnahen Justiz<br />
und gegen die Schließung der Außenkammern<br />
des Landgerichts Zwickau in Plauen aus. Sie<br />
schilderte die Sicht der Wirtschaft hinsichtlich<br />
des Standortkonzepts. Dieses bedeute eine Vorentscheidung<br />
für einen Rückzug aus der Fläche<br />
im Vogtland. Dieser Rückzug werde der Bedeutung<br />
des Oberzentrums Plauen nicht gerecht.<br />
Die Schließung der Außenkammern würde zu<br />
einem unzumutbaren Zustand führen. Der Landesvorsitzende<br />
des DRB aus Nordrhein-Westfalen<br />
berichtete, dass zwei Zusammenlegungen<br />
von Gerichten und die damit verbundene Bildung<br />
von Filialen in Nordrhein-Westfalen wieder<br />
zurückgenommen werden, da der Landeshaushalt<br />
die Kosten nicht zu stemmen vermag.<br />
Eine Betreuerin aus Annaberg stellte die zu<br />
erwartenden Folgen für die Schließung des<br />
Amtsgerichts dar. In Annaberg gibt es eine<br />
psychiatrische Klinik. Aufgrund der kurzen<br />
Wege für Richter und Ärzte funktioniere die<br />
Zusammenarbeit in Betreuungsverfahren sehr<br />
gut. Frau Fiedler befürchtet, dass durch die<br />
Schließung des Amtsgerichts die Situation in<br />
Betreuungsverfahren deutlich erschwert werden<br />
wird und auch die Anzahl ehrenamtlicher<br />
Betreuungen der Kosten und der umständlicheren<br />
Erreichbarkeit des künftig zuständigen<br />
Gerichts in Marienberg wegen abnehmen<br />
werde. Der Präsident des Oberlandesgerichts<br />
Hagenloch räumte ein, dass die Schließung hier<br />
gewisse Schwierigkeiten für die Betroffenen<br />
zur Folge haben werde. Er verteidigte jedoch<br />
den Gesetzentwurf insgesamt, allerdings ohne<br />
dessen Vorteile an konkreten und realen Beispielen<br />
unter Vorlage von Zahlen benennen zu<br />
können. Der Präsident des Landgerichts Bautzen<br />
Gatz trat daher auch diesen Ausführungen<br />
entgegen. Er verdeutlichte, dass die Kosten<br />
steigen und die Abläufe in der Verwaltung<br />
erschwert würden. Für den Sächsischen <strong>Richterverein</strong><br />
stellte der Landesvorsitzende die<br />
Position des Verbandes dar und empfahl den<br />
Abgeordneten, sich eine konkrete Kosten-Nutzenanalyse<br />
vorlegen zu lassen, um sich eine<br />
seriöse Grundlage für die Entscheidung über<br />
die Standorte zu verschaffen. Die Sachverständigen<br />
von der Anwaltskammer Sachsen und<br />
dem Rechtspflegerverband sahen die beabsichtigte<br />
Reform ebenfalls sehr kritisch.<br />
Bleibt zu hoffen, dass die Parlamentarier des<br />
Sächsischen Landtags auf die Bedenken und<br />
Erfahrungen, die die Praktiker und Sachverständigen<br />
ihnen vorgebracht haben, hören<br />
und sich eine seriöse Entscheidungsgrundlage<br />
verschaffen.<br />
Reinhard Schade<br />
5<br />
Das Landgericht Bautzen<br />
bald eine Außenstelle?
6<br />
Staatsmodernisierung um jeden Preis<br />
Lebhafte Podiumsdiskussion zur Standortreform in Bautzen<br />
Am 8. September 2011 diskutierten in Bautzen<br />
– einem der von der beabsichtigten Strukturreform<br />
betroffenen Justizstandorte – unter dem<br />
Thema „Staatsmodernisierung um jeden<br />
Preis?“ Gilbert Häfner, Leiter der Personal- und<br />
Organisationsabteilung im Sächs. Staatsministerium<br />
der Justiz und für Europa, Marko<br />
Schiemann, MdL (CDU), Tino Günter, MdL<br />
(FDP), Christian Schramm, Oberbürgermeister<br />
der Stadt Bautzen, und Reinhard Schade, Landesvorsitzender<br />
des SRV. Unter der souveränen<br />
Moderation von Dr. Peter-Paul Straube, Rektor<br />
des Bischof-Benno-Hauses in Schmochtitz,<br />
erläuterten die Teilnehmer ihre Sichtweise und<br />
stellten sich anschließend der Diskussion mit<br />
den zahlreich erschienenen interessierten Bürgern,<br />
darunter auch Richter, Staatsanwälte,<br />
Rechtsanwälte, Rechtspfleger und weitere Mitarbeiter<br />
aus der Justiz.<br />
Gilbert Häfner eröffnete den Meinungsaustausch<br />
und erläuterte das Anliegen der Reform<br />
mit besonderem Blick auf die beabsichtigte<br />
Zusammenlegung der Landgerichte Bautzen<br />
und Görlitz. Die voraussichtliche Bevölkerungsentwicklung<br />
in Ostsachsen sei Anlass für<br />
die Zusammenlegung. Die Landgerichte Bautzen<br />
und Görlitz hätten nach den Modellrechnungen<br />
im Jahr 2020 mit noch jeweils ca. 10<br />
Richterstellen zu rechnen. Eine Zusammenlegung<br />
ermögliche effizienteres Arbeiten der<br />
Justiz. Mit wesentlichen Kosteneinsparungen<br />
sei dagegen nicht zu rechnen. Die „Funktionseinheiten”<br />
sollten im Wesentlichen unverändert<br />
bleiben. Es sei auch nicht beabsichtigt, die<br />
künftige „Außenstelle“ Bautzen des Landgerichts<br />
Görlitz in einem zweiten Schritt zu<br />
schließen. Niemand könne freilich den Bestand<br />
garantieren.<br />
Tino Günter stellte das grundsätzliche Anliegen<br />
der Verwaltungs- und Justizreform in Sachsen<br />
dar. Es sei ab 2019 mit einem erheblichen<br />
Rückgang der Staatseinnahmen zu rechnen. Es<br />
müsse daher die Verwaltung modernisiert und<br />
effizienter gestaltet werden. Marko Schiemann<br />
schloss hieran an. Er machte zunächst deutlich,<br />
dass es sich bei der Justiz nicht um „Verwaltung”<br />
handele, sondern um die „dritte Gewalt.”<br />
Er stellte anschließend heraus, dass man mit<br />
gutem Grund in den 90er Jahren die Landgerichte<br />
Bautzen und Görlitz als eigenständige<br />
Institutionen wieder errichtet habe. Damals sei<br />
es das Anliegen gewesen, den Rechtsstaat bürgernah<br />
zu gestalten. Auch die regionalen<br />
Besonderheiten seien beachtet worden. Diese<br />
STANDORTKONZEPT<br />
Erwägungen hätten nach wie vor Gültigkeit.<br />
Deshalb spreche er sich für den Erhalt zweier<br />
selbständiger Landgerichte in Bautzen und<br />
Görlitz aus. Christian Schramm stellte dazu<br />
noch fest, dass die Aussagen der Befürworter<br />
der Reform sich widersprächen: Wenn das<br />
Anliegen laute, Kosten einzusparen, aber keine<br />
Kosten eingespart würden, dann werde das Ziel<br />
der Reform verfehlt. Außerdem sei die Politik<br />
wortbrüchig geworden, da es eine Zusage gebe,<br />
dass es keinen Abbau von Gerichten in Bautzen<br />
geben werde, da bereits die Polizeidirektion<br />
nach Görlitz verlegt worden sei.<br />
In der sich anschließenden Diskussion mit den<br />
Besuchern der Veranstaltung wurde von verschiedenen<br />
Seiten Kritik an der beabsichtigten<br />
Reform geäußert: Von Seiten der Anwaltschaft<br />
wurde darauf hingewiesen, dass die Erreichbarkeit<br />
des Gerichts – gerade für ältere Bürger –<br />
ein wesentlicher Standortvorteil sei, der mit der<br />
Reform tendenziell geschwächt werde, so<br />
Rechtsanwalt Weidemann von der Sächsischen<br />
Anwaltskammer. Auch den Anwälten, die bei<br />
Beauftragung bei gewährter Prozesskostenhilfe<br />
und Pflichtverteidigung keine Reisekosten<br />
erstattet erhielten, würden Sonderopfer abverlangt,<br />
so Rechtsanwalt Dils aus Bautzen. Welchen<br />
Sinn die Zusammenlegung überhaupt<br />
habe, wenn weder Kosten eingespart, noch<br />
sonst greifbare Vorteile dargelegt seien, wollte<br />
Rechtsanwältin Mrosk-Fröde aus Bautzen wissen.<br />
Der Präsident des Landgerichts Bautzen<br />
Konrad Gatz verdeutlichte, was aus seiner Sicht<br />
die Zusammenlegung bewirken werde: Erhebliche<br />
Reibungsverluste in der Gerichtsverwaltung<br />
und damit mehr Kosten und weniger Effizienz,<br />
insbesondere auch bei der richterlichen<br />
Tätigkeit. Werner Stotz, Leiter der Staatsanwaltschaft<br />
Bautzen, plädierte dafür, die demographische<br />
Entwicklung der nächsten Jahre<br />
abzuwarten. Dann könne man auch wirklich<br />
angemessen und immer noch rechtzeitig die<br />
richtige Entscheidung treffen. „Man zieht die<br />
Winterreifen nicht im August auf, weil es im<br />
Dezember schneien könnte” so Stotz. Heiko<br />
Kosel, MdL (LINKE), wies auf die Souveränität<br />
der Volksvertretung hin und forderte eine<br />
ergebnisoffene und im Interesse der Sache<br />
geführte Diskussion im Landtag und seinen<br />
Ausschüssen. Der Vorsitzende der Bezirksgruppe<br />
Bautzen des SRV Reiner Schneider hob<br />
nochmals die grundsätzlichen Kritikpunkte an<br />
der geplanten Justizreform in seinem Kurzstatement<br />
hervor.
BESOLDUNG<br />
In den Abschluss-Statements der Podiumsteilnehmer<br />
machte sich Marko Schiemann für eine<br />
ausführliche und ergebnisoffene Diskussion im<br />
Rechtsausschuss des Landtages stark und<br />
sprach sich nochmals für den Erhalt der Landgerichte<br />
Bautzen und Görlitz als eigenständige<br />
Gerichte aus. Christian Schramm betonte, der<br />
Gesetzgeber müsse die Effizienz und das Geld<br />
im Blick haben, brauche aber vor allem eines:<br />
Vernunft bei seinen Entscheidungen. Auf einen<br />
davon getragenen Entscheidungsprozess hoffe<br />
er.<br />
Gregor Lucas<br />
Kaum ein Thema beschäftigt den Deutschen<br />
Richterbund in den letzten Jahren so häufig und<br />
nachhaltig wie die Frage einer amtsangemessenen<br />
Besoldung der Richterinnen und Richter im<br />
Bund und in den Bundesländern.<br />
Ausgangspunkt von der tatsächlichen Betrachtung<br />
her ist die Tatsache, dass nach der ersten<br />
Öffnung der Besoldungsregelung hin zu landeseigenen<br />
Besoldungen im Jahre 2003 die Bundesländer<br />
umgehend damit begannen, die Sonderzahlungen<br />
für die Beamten und Richter zu<br />
kürzen. Denn das Bundesbesoldungs- und -versorgungsanpassungsgesetz<br />
2003/2004 erlaubte<br />
erstmals – noch vor der Föderalismusreform –<br />
unterschiedliche Sonderzahlungen in den einzelnen<br />
Bundesländern. Die Kürzungen betrafen<br />
sofort das Urlaubsgeld, was praktisch überall<br />
gestrichen wurde; ebenso das Weihnachtsgeld.<br />
Die Kürzungen waren (und sind) sehr uneinheitlich.<br />
Während etwa Niedersachsen diese<br />
umgehend ganz strich, hatten andere Länder<br />
(z. B. Bayern und Nordrhein-Westfalen) diese<br />
lediglich in unterschiedlichem Maße gekürzt<br />
bzw. in den letzten Jahren teilweise als festen<br />
Bestandteil der Besoldung umgestaltet (so etwa<br />
der Bund für Bundesbeamte und -richter).<br />
In der Folgezeit haben sich die Richterinnen<br />
und Richter in vielen Bundesländern, unterstützt<br />
durch den jeweiligen Landesverband des<br />
Deutschen Richterbundes, gegen diese Kürzungen<br />
vor den Verwaltungsgerichten gewehrt.<br />
Regelmäßig ist dies so geschehen, dass die<br />
Landesverbände alle aufforderten, eine amtsangemessene<br />
Besoldung zu fordern und gegen<br />
ablehnende Bescheide Widerspruch einzulegen<br />
(die Verfahrensweise ist dabei, auch wegen der<br />
unterschiedlichen landesgesetzlichen Regelungen,<br />
nicht immer ganz einheitlich gewesen). Im<br />
nächsten Schritt wurde mit Musterverfahren<br />
vor einzelnen Verwaltungsgerichten begonnen.<br />
Amtsangemessene Besoldung<br />
Dabei waren – und sind – die Nordrhein-Westfalen<br />
besonders aktiv.<br />
Dies führte dazu, dass verschiedene Verwaltungsgerichte<br />
entschieden, dem Bundesverfassungsgericht<br />
die Frage vorzulegen, ob die<br />
Besoldung noch amtsangemessen ist. Nachdem<br />
das Bundesverfassungsgericht wiederholt diese<br />
Vorlagen für unzulässig hielt, beschäftigt es<br />
sich jetzt mit insgesamt vier Beschlüssen des<br />
Oberverwaltungsgerichtes des Landes Nordrhein-Westfalen<br />
vom 9. Juli 2009, welches in<br />
den Beschlüssen sehr ausführlich und umfassend<br />
seine Auffassung darlegt, dass durch die<br />
Neuregelung des Sonderzahlungsgesetzes in<br />
Nordrhein-Westfalen vom 20. November 2003<br />
die aus Art. 33 Abs. 5 GG folgende Alimentationspflicht<br />
des Dienstherrn verletzt sei. In diesem<br />
Gesetz waren die Sonderzahlungen im<br />
Grundbetrag auf 50% der im Dezember zu zahlenden<br />
Bezüge reduziert worden, während sie<br />
davor noch 84,29% betrugen. Unter den vorgelegten<br />
Verfahren befinden sich auch zwei, die<br />
Richter betreffen (1 A 373/08 und 1 A 1416/08<br />
OVG Münster). Das Bundesverfassungsgericht<br />
hat in diesem Sommer zu den Vorlagebeschlüssen<br />
Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben.<br />
Dies hat der Deutsche Richterbund mit seinen<br />
Stellungnahmen vom 24. Mai 2011 getan.<br />
Wann das Bundesverfassungsgericht entscheidet,<br />
ist noch offen.<br />
Worum geht es bei der amtsangemessenen<br />
Besoldung in der Sache? Nach der ständigen<br />
Rechtsprechung besteht eine Pflicht des Dienstherren<br />
zu einer amtsangemessenen Alimentation.<br />
Wenn diese Pflicht verletzt wird, liegt darin<br />
ein Verstoß gegen Art. 33 Abs. 5 GG. Die<br />
Schwierigkeit in der Sache ist es nun, festzustellen,<br />
wann ein solcher Verstoß vorliegt. Was<br />
dem Amt eines Richters angemessen ist, lässt<br />
sich nicht ohne weiteres feststellen, denn starre<br />
Lebhafte Diskussion auf dem Podium und im Saal<br />
Vorreiterverfahren<br />
beim<br />
BVerfG<br />
7
8<br />
Genauer<br />
Vergleich<br />
Zahlen oder etwa Prozentzahlen im Abstand zu<br />
Leistungen nach dem Arbeitslosengesetz II<br />
können dafür keine Grenze bilden. Auch ist es<br />
nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts<br />
wie des Bundesverwaltungsgerichts<br />
mittlerweile klar, dass, jedenfalls in<br />
Bezug auf die isoliert verfassungsgerichtlich<br />
nicht geschützten Sonderzahlungen, die Verletzung<br />
des Alimentationsprinzips des Art. 33<br />
Abs. 5 GG nicht nur an Hand der einzelnen<br />
Neureglung zu prüfen ist. Vielmehr sind dazu<br />
die Veränderungen im Besoldungs- und Versorgungsrecht<br />
der zurückliegenden Jahre insgesamt<br />
zu betrachten (so auch BVerfG, Beschluss<br />
vom 28.09.2007 – 2 BvL 5/05 u. a.).<br />
Der vorlegende Senat des Oberverwaltungsgerichtes<br />
Nordrhein-Westfalen hat dazu die Entwicklung<br />
des Einkommens der Richter und<br />
Staatsanwälte in diesem Land mit zahlreichen<br />
nachteiligen Veränderungen vollständig,<br />
umfassend und zutreffend dargestellt. Er konnte<br />
sich dazu unter anderem auf eine ausführliche,<br />
mit vielen Einzelheiten versehene Ausarbeitung<br />
des Vorsitzenden Richters am<br />
Finanzgericht Düsseldorf Hahn stützen, die dieser<br />
für den Richterbund in Nordrhein-Westfalen<br />
erstellt hatte. Es würde den Rahmen dieses Aufsatzes<br />
sprengen, wenn man nur die wesentlichen<br />
Entwicklungen umfassend hier ausbreiten<br />
würde, die in vielerlei Hinsicht auch Ähnlichkeiten<br />
mit den Entwicklungen in Sachsen aufweisen,<br />
allerdings zum Teil auch Abweichungen<br />
bieten, die vor allem darauf beruhen, dass<br />
die besondere Situation der neuen Bundesländer<br />
mit der Anpassung der Ost-Besoldung an<br />
die West-Besoldung zu anderen Zahlen führen.<br />
Die Entwicklung der Besoldung als solcher ist<br />
nur der eine Gesichtspunkt, der für die Prüfung<br />
näher zu betrachten ist. Daneben ist es genauso<br />
wichtig, den Vergleichsmaßstab zu suchen. Es<br />
gilt also zu fragen, wie außerhalb der Beamtenund<br />
Richterbesoldung für eine Vergleichsgruppe<br />
die Entwicklung war und ist.<br />
Die Rechtsprechung stellt bei den Vergleichsgruppen<br />
unter anderem auf die Entwicklung im<br />
Tarifbereich des öffentlichen Dienstes ab, die<br />
zumindest zeitweise deutlich günstiger für die<br />
Tarifbeschäftigten im öffentlichen Dienst als<br />
diejenige der Beamten und Richter war. Diese<br />
Vergleichsgruppe ist insofern auch für Richter<br />
nur mit Einschränkungen heranzuziehen, weil<br />
die Tarifanpassungen in aller Regel mit einer<br />
sozialen Komponente versehen sind. Diese<br />
führte in Laufe der letzten Jahrzehnte dazu,<br />
dass in den unteren Tarifgruppen die Bezahlung<br />
im Vergleich mit den oberen Tarifgruppen sich<br />
deutlich mehr steigerte.<br />
Aus diesen Gründen bedarf es des Vergleiches<br />
hinsichtlich der Bezahlung entsprechender<br />
Positionen in der Privatwirtschaft. Dies entspricht<br />
dem von der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes<br />
geforderten Vergleich<br />
mit der allgemeinen Einkommensentwicklung.<br />
Um dem einzelnen Richter für die von ihm<br />
kaum zu ermittelnden Daten Anhaltspunkte zu<br />
geben, hat der Deutsche Richterbund vor einigen<br />
Jahren eine Studie der Kienbaum Management<br />
Consultants GmbH eingeholt (als Datei<br />
unter www.richterbesoldung.de zu finden). Es<br />
gilt die Gehaltsentwicklung mit entsprechend<br />
gut qualifizierten und in ähnlicher Arbeitssituation<br />
tätigen Volljuristen zu vergleichen. Dafür<br />
ist die Studie in ihrem Ansatz gut geeignet. Sie<br />
wird allerdings in absehbarer Zeit fortzuschreiben<br />
sein, wenn man den Vergleich für die Einkommensentwicklung<br />
etwa in 2010 ziehen will.<br />
Heranziehen kann man auch die Entwicklung in<br />
anderen Branchen auf Grund der vorhandenen<br />
statistischen Daten.<br />
Suche nach dem Vergleichsmaßstab<br />
Doch welchen Vergleichsmaßstab das Bundesverfassungsgericht<br />
heranziehen wird, ist bislang<br />
noch offen.<br />
Entscheidend dürfte abschließend sein, ob das<br />
Bundesverfassungsgericht davon ausgeht, dass<br />
die Richter die Besoldungsentwicklung im Vergleich<br />
gegenüber relevanten Gruppen von der<br />
allgemeinen Entwicklung in einer Weise ausgenommen<br />
und abgekoppelt wurden, dass von<br />
einem unzulässigen und nicht zu rechtfertigenden<br />
Sonderopfer gesprochen werden muss. Was<br />
dazu das Bundesverfassungsgericht letztendlich<br />
sagen wird, bleibt abzuwarten.<br />
Hanspeter Teetzmann<br />
BESOLDUNG
BESOLDUNG<br />
Der Sächsische <strong>Richterverein</strong> wird Rechtsmittelverfahren<br />
seiner Mitglieder wegen einer Verletzung<br />
des Anspruchs auf amtsangemessene<br />
Alimentation unterstützen.<br />
Hierzu hat der Sächsische <strong>Richterverein</strong> auf<br />
seiner Homepage einen Musterantrag eingestellt,<br />
der an die Bezügestelle des Landesamtes<br />
für Steuern und Finanzen in Abhängigkeit vom<br />
Dienstort zu richten ist. Die zutreffende Adresse<br />
kann den jeweiligen Bezügemitteilungen<br />
entnommen werden. Die Adressen der drei<br />
Standorte des Landesamtes für Steuern und<br />
Finanzen lauten:<br />
Landesamt für Steuern und Finanzen<br />
- Bezügestelle -<br />
Stauffenbergallee 2, 01099 Dresden<br />
Brückenstraße 10, 09111 Chemnitz bzw.<br />
Angerstraße 40-42, 04177 Leipzig<br />
Zur Anspruchswahrung für Ansprüche im<br />
Haushaltsjahr 2011 wird empfohlen, spätestens<br />
bis Dezember 2011 einen Antrag bzw.<br />
anspruchswahrenden Widerspruch (s.u.) zu<br />
stellen bzw. einzulegen.<br />
Dienstherr und SRV nicht immer einer Meinung<br />
Denn nach ständiger Rechtsprechung des<br />
BVerwG stehen Beamten Ansprüche auf höhere<br />
Besoldung bei Obsiegen in einem Rechtsstreit<br />
erst ab dem Jahr zu, in dem sie das Alimentationsdefizit<br />
erstmals geltend gemacht<br />
haben (vgl. Urteil des BVerwG vom 13.<br />
November 2008 - 2 C 16.07 -). Dem Richter<br />
obliegt insoweit eine Rügepflicht, untätig<br />
Aktion amtsangemessene Besoldung<br />
Informationen zur weiteren Vorgehensweise für Musterverfahren<br />
gebliebene Kolleginnen und Kollegen profitieren<br />
nicht rückwirkend von einer Entscheidung<br />
über eine zu geringe Besoldungshöhe (BVerfG,<br />
Beschluss vom 22. März 1990 - 2 BvL 1/86 -,<br />
m.w.N.). Wer sich Besoldungsansprüche<br />
sichern will, muss sich daher noch im Jahr 2011<br />
wehren. Wer später Widerspruch erhebt, verzichtet<br />
auf die mögliche Besoldungsdifferenz<br />
bis zur erstmaligen Besoldungsrüge.<br />
Im Hinblick auf noch anhängige Verfahren vor<br />
dem Bundesverfassungsgericht wird sich der<br />
Sächsische <strong>Richterverein</strong> bemühen, mit dem<br />
Finanzministerium eine Vereinbarung zu finden,<br />
wonach mit Ausnahme von ausgesuchten<br />
Musterverfahren die übrigen Widersprüche und<br />
Rechtsbehelfe ruhend gestellt werden können.<br />
Hierzu ist allerdings zunächst erforderlich, dass<br />
dem geschäftsführenden Vorstand des Sächsischen<br />
<strong>Richterverein</strong>s über die jeweiligen<br />
Bezirksgruppen mitgeteilt wird, ob von den<br />
Mitgliedern ein Rechtsbehelf eingelegt worden<br />
ist und ob ggfs. Bereitschaft besteht, als<br />
Musterverfahren zu dienen. Um entscheiden zu<br />
können, welche Verfahren als Musterverfahren<br />
vom Sächsischen <strong>Richterverein</strong> unterstützt<br />
werden können, ist es ferner zweckdienlich,<br />
wenn kurze Angaben zum Familienstand (Verheiratet?<br />
Ehegatte auch im öffentlichen Dienst<br />
tätig? Anzahl der Kinder?) gemacht werden<br />
könnten.<br />
Da der Sächsische <strong>Richterverein</strong> die Verfahren<br />
rechtlich nur bedingt begleiten kann, wird empfohlen,<br />
spätestens im Klageverfahren mit<br />
Besoldungsfragen vertraute Rechtsanwaltskanzleien<br />
mit der Wahrnehmung der Interessen<br />
zu betrauen.<br />
Zum Verfahrensgang<br />
(es wird dabei davon ausgegangen, dass das<br />
Verwaltungsverfahren erfolglos bleibt; es dürfte<br />
leider kaum davon auszugehen sein, dass die<br />
Bezügestelle dem Antrag auf amtsangemessene<br />
Besoldung stattgeben wird.)<br />
Grundsätzlich ist gemäß § 54 Abs. 1 des Gesetzes<br />
zur Regelung des Statusrechts der Beamtinnen<br />
und Beamten in den Ländern - BStG - für<br />
alle Klagen der Beamtinnen, Beamten, Ruhestandsbeamtinnen,<br />
Ruhestandsbeamten, früheren<br />
Beamtinnen, früheren Beamten und der<br />
Hinterbliebenen aus dem Beamtenverhältnis<br />
sowie für Klagen des Dienstherrn der Verwaltungsrechtsweg<br />
gegeben. Nach Abs. 2 der Vorschrift<br />
ist vor allen Klagen ein Vorverfahren<br />
nach den Vorschriften des 8. Abschnitts der<br />
9
10<br />
Verwaltungsgerichtsordnung durchzuführen<br />
(vgl. auch § 126 Abs. 3 des Rahmengesetzes<br />
zur Vereinheitlichung des Beamtenrechts -<br />
BRRG -, der zwar noch in Kraft ist, durch die<br />
obigen vorgehenden Neuregelungen des BStG<br />
für die Beamten und Richter der Länder jedoch<br />
weitgehend bedeutungslos geworden ist).<br />
Dies würde bedeuten, dass der Antrag auf amtsangemessene<br />
Besoldung zunächst mit<br />
Bescheid abgelehnt werden müsste, hiergegen<br />
– sinnvollerweise unter Bezugnahme auf die<br />
Ausführungen im Antrag – Widerspruch eingelegt<br />
werden müsste und sodann ein ablehnender<br />
Widerspruchsbescheid erlassen würde und<br />
danach Klage zum Verwaltungsgericht erhoben<br />
werden könnte.<br />
Allerdings hat das Bundesverwaltungsgericht<br />
in seiner Entscheidung vom 28. Juni 2001 - 2 C<br />
48/00 - ausgeführt, dass vor Erhebung einer allgemeinen<br />
Leistungsklage oder einer Feststellungsklage<br />
der Beamte die begehrte Leistung<br />
nicht zuvor bei seinem Dienstherrn zu beantragen<br />
braucht und der nach § 126 Abs. 3 BRRG –<br />
was sinngemäß auch für § 54 Abs.1 und 2 BStG<br />
gelten wird – vorgeschriebene Widerspruch<br />
auch unmittelbar gegen Handlungen des<br />
Dienstherrn erhoben werden kann, die keine<br />
Verwaltungsakte sind.<br />
Das Bundesverwaltungsgericht hat in diesem<br />
Zusammenhang insoweit ausgeführt:<br />
„Danach ist auch bei allgemeinen Leistungsklagen und bei<br />
Feststellungsklagen aus dem Beamtenverhältnis ein sonst<br />
nicht erforderliches Vorverfahren durchzuführen. Dieses<br />
beginnt gemäß § 69 VwGO mit der Erhebung des Widerspruchs.<br />
Das Bundesverfassungsgericht, dem der Gesetzgeber<br />
mit Art. 9 § 1 Abs. 1 Satz 2 und 3 BBVAnpG 99 uneingeschränkt<br />
gefolgt ist, hat in Übereinstimmung mit der<br />
Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts angenommen,<br />
dass der Beamte den verfassungsrechtlichen Anspruch<br />
auf amtsangemessene Alimentation unmittelbar mit dem<br />
Widerspruch verfolgen kann. Wenn es diejenigen Beamten<br />
für schutzwürdig erachtet, die ihren Anspruch gegenüber<br />
dem Dienstherrn zeitnah durch Widerspruch geltend<br />
gemacht haben, und die Dauer des notwendigen Vorverfahrens<br />
als unschädlich für die Höhe des Nachzahlungsanspruchs<br />
bezeichnet (BVerfG, Beschlüsse vom 22. März<br />
1990, a.a.O. S. 385 und vom 24. November 1998, a.a.O. S.<br />
330), setzt es damit voraus, dass ein anspruchswahrender<br />
Widerspruch ohne einen vorherigen Antrag und dessen<br />
Ablehnung durch Verwaltungsakt eingelegt werden kann.<br />
Denn ein dem Widerspruch notwendig vorgeschaltetes<br />
zusätzliches Verwaltungsverfahren könnte wegen dessen<br />
Dauer zu einer erheblichen Verkürzung des Anspruchs führen,<br />
obwohl der Beamte diesen zeitnah gegenüber dem<br />
Dienstherrn geltend gemacht und damit das zur Wahrung<br />
seines Anspruchs nach Maßgabe des Bundesverfassungsgerichts<br />
wegen der “Pflicht zu gegenseitiger Rücksichtnahme”<br />
Erforderliche getan hat. Die Möglichkeit der Untätigkeitsklage<br />
(§ 75 VwGO) ändert daran nichts. Diese Klage<br />
kann grundsätzlich nicht vor Ablauf von drei Monaten seit<br />
dem Antrag erhoben werden (§ 75 Satz 2 VwGO). Liefe die<br />
Dreimonatsfrist erst nach dem Ende des Haushaltsjahres ab,<br />
entfiele der Anspruch auf Nachzahlung für das gesamte<br />
verstrichene Jahr. Das Bundesverfassungsgericht hat dem-<br />
BESOLDUNG<br />
entsprechend in seinem Beschluss vom 11. Juli 1996 - 2<br />
BvR 571/96 - (ZBR 1997, 90 f.) unter Hinweis auf den<br />
Beschluss vom 22. März 1990 (a.a.O. S. 369 f.) auch ausdrücklich<br />
ausgeführt, der Beamte könne gegen die unzureichende<br />
Besoldung unmittelbar Widerspruch einlegen (§<br />
126 Abs. 3 BRRG) und nach erfolglosem Vorverfahren<br />
Klage erheben mit dem Antrag festzustellen, dass die<br />
Besoldungsfestsetzung verfassungswidrig sei.<br />
Die aus § 126 Abs. 3 BRRG folgende Notwendigkeit eines<br />
Vorverfahrens bedeutet nur, dass der Beamte unabhängig<br />
von der Klageart und dem Vorliegen eines Verwaltungsakts<br />
vor Klageerhebung in jedem Falle Widerspruch einlegen<br />
muss. Für den Widerspruch, der einer allgemeinen Leistungs-<br />
oder einer Feststellungsklage aus dem Beamtenverhältnis<br />
vorauszugehen hat, bedarf es keines vorherigen<br />
Erlasses eines Verwaltungsakts durch den Dienstherrn. Ein<br />
Leistungs- oder Feststellungswiderspruch kann vielmehr<br />
unmittelbar gegen eine Amtshandlung ohne Verwaltungsaktscharakter<br />
oder auch gegen ein behördliches Unterlassen<br />
gerichtet werden. Davon ist das Bundesverwaltungsgericht<br />
seit jeher ausgegangen. Nach seiner ständigen Rechtsprechung<br />
kann ein Beamter die Dienstpostenbewertung, die<br />
Umsetzung, die Änderung seines Aufgabenbereichs durch<br />
Organisationsverfügung (vgl. Urteile vom 28. Oktober<br />
1970 - BVerwG 6 C 48.68 - BVerwGE 36, 192 und<br />
- BVerwG 6 C 55.68 - BVerwGE 36, 218 , vom 8.<br />
Dezember 1972 - BVerwG 6 C 8.70 - BVerwGE 41, 253<br />
, vom 22. Mai 1980 - BVerwG 2 C 30.78 -<br />
BVerwGE 60, 144 , vom 28. November 1991 -<br />
BVerwG 2 C 7.89 - Buchholz 237.7 § 28 NWLBG Nr. 9 S.<br />
9 f. und vom 1. Juni 1995 - BVerwG 2 C 20.94 - Buchholz<br />
237.1 Art. 4 BayLBG Nr. 1 S. 2 f.), den Entzug des Tarnkennzeichens<br />
für Kraftfahrzeuge (vgl. Urteil vom 13.<br />
November 1997 - BVerwG 2 A 6.96 - DokBer B 1998,<br />
107), die Anordnung der dienstärztlichen Untersuchung<br />
(vgl. Urteil vom 23. Oktober 1980 - BVerwG 2 A 4.78 -<br />
Buchholz 232 § 42 BBG Nr. 14 S. 3) und die dienstliche<br />
Beurteilung (vgl. Urteile vom 13. November 1975 -<br />
BVerwG 2 C 16.72 - BVerwGE 49, 351 , vom 26.<br />
Juni 1980 - BVerwG 2 C 8.78 - BVerwGE 60, 245 <br />
und vom 10. Februar 2000 - BVerwG 2 A 10.98 - Buchholz<br />
232.1 § 11 BLV Nr. 1 S. 1 f.) ohne vorherigen Antrag auf<br />
Änderung oder Beseitigung dieser Maßnahmen ohne Verwaltungsaktscharakter<br />
unmittelbar mit dem Widerspruch<br />
“anfechten”, um dem Erfordernis des Vorverfahrens (§ 126<br />
Abs. 3 BRRG) zu genügen. Daran ist festzuhalten. Für die<br />
Besoldung, die Beamten, Richtern und Soldaten von Amts<br />
wegen zu gewähren ist, gilt nichts anderes.“<br />
Die Besoldungsmitteilung selbst stellt keinen<br />
Verwaltungsakt dar. Nach der dargestellten<br />
Rechtsprechung des BVerwG bedarf es keines<br />
gesonderten Antrags auf einen Ablehnungsbescheid<br />
als Grundlage eines Widerspruchs. Der<br />
nach § 54 Abs. 2 BStG vorgeschriebene Widerspruch<br />
kann unmittelbar auch gegen Handlungen<br />
des Dienstherrn erhoben werden, die keine<br />
Verwaltungsakte sind. Wegen der sog. Treuepflicht<br />
gegenüber dem Dienstherrn wird allerdings<br />
auch vertreten, dass vor einem unmittelbaren<br />
Widerspruch ein Antrag zu stellen ist.<br />
Wer prozessuale Risiken vermeiden will, kann<br />
seinem Widerspruch einen Antrag voranstellen.<br />
Im Musterantrag des Sächsischen <strong>Richterverein</strong>s<br />
ist daher im letzten Absatz der Hinweis<br />
enthalten, den Antrag als anspruchswahrenden
BESOLDUNG<br />
Widerspruch im vorgenannten Sinn zu behandeln.<br />
Folgt die Bezügestelle diesen Vorgaben,<br />
wird auf den Antrag direkt ein Widerspruchsbescheid<br />
erlassen, der mit der Klage angefochten<br />
werden kann; sollte die Bezügestelle hingegen<br />
zunächst einen Ablehnungsbescheid erlassen,<br />
verbleibt es dabei, dass dann Widerspruch eingelegt<br />
werden müsste und vor Klageerhebung<br />
ein ablehnender Widerspruchsbescheid abzuwarten<br />
ist. Welchen Weg die Bezügestelle<br />
wählt, kann hier nicht gesagt werden, es sollte<br />
in jedem Fall der Rechtsbehelfsbelehrung in<br />
den zu erlassenden Bescheiden gefolgt werden.<br />
Nach dem Erlass des Widerspruchsbescheides<br />
ist die Klagefrist von einem Monat zu beachten,<br />
vgl. § 74 Abs. 1 VwGO.<br />
Das erfolglose beamtenrechtliche Vorverfahren<br />
ist kostenfrei, § 80 Abs. 1 Satz 3, 2. HS VwVfG.<br />
Für die Kosten des Klageverfahrens gilt Folgendes:<br />
Für das Verfahren vor dem jeweils<br />
zuständigen Verwaltungsgericht fallen<br />
Gerichtskosten an. Die Gerichtskosten bestimmen<br />
sich nach §§ 52 Abs. 1, 34, 3 GKG i. V. m.<br />
Ziffer 5110 GKG-KV. Es fallen für den ersten<br />
Rechtszug drei volle Gebühren an. Maßstab für<br />
den Streitwert ist insoweit § 52 Gerichtskostengesetz<br />
(GKG). Danach ist in Verfahren vor den<br />
Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit,<br />
soweit nichts anderes<br />
bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus<br />
dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden<br />
Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen<br />
(Abs. 1). Bietet der Sach- und Streitstand<br />
für die Bestimmung des Streitwerts keine genügenden<br />
Anhaltspunkte, ist ein Streitwert von<br />
5.000 Euro anzunehmen (Abs. 2). Betrifft der<br />
Antrag eine bezifferte Geldleistung oder einen<br />
hierauf gerichteten Verwaltungsakt, ist deren<br />
Höhe maßgebend.<br />
In Rechtsstreitigkeiten, die den Status der<br />
Beamten oder Richter betreffen, bestimmen die<br />
Absätze 5 und 6 den Streitwert allerdings spezialgesetzlich:<br />
Im Verfahren, das die Begründung,<br />
die Umwandlung, das Bestehen, das<br />
Nichtbestehen oder die Beendigung eines<br />
besoldeten öffentlich-rechtlichen Dienst- oder<br />
Amtsverhältnisses betrifft, ist Streitwert der<br />
13fache Betrag des Endgrundgehalts zuzüglich<br />
ruhegehaltfähiger Zulagen, wenn Gegenstand<br />
des Verfahrens ein Dienst- oder Amtsverhältnis<br />
auf Lebenszeit ist; in sonstigen Fällen die Hälfte<br />
des sich nach Nummer 1 ergebenden Betrags,<br />
die Hälfte des 13fachen Anwärtergrundbetrags<br />
zuzüglich eines Anwärtersonderzuschlags oder<br />
die Hälfte des vertraglich für die Dauer eines<br />
Jahres vereinbarten Gehalts. Betrifft das Verfahren<br />
die Verleihung eines anderen Amts oder<br />
den Zeitpunkt einer Versetzung in den Ruhestand,<br />
ist Streitwert die Hälfte des sich nach<br />
Satz 1 ergebenden Betrags. Ist mit einem in<br />
Verfahren nach Absatz 5 verfolgten Klagebegehren<br />
ein aus ihm hergeleiteter vermögensrechtlicher<br />
Anspruch verbunden, ist nur ein<br />
Klagebegehren, und zwar das wertmäßig höhere,<br />
maßgebend.<br />
Derartige Verfahren betreffen allerdings den<br />
Gesamtstatus („Begründung, Umwandlung<br />
etc“), was für die isolierte Frage der amtsangemessenen<br />
Alimentation aber nicht zutreffen<br />
dürfte. (vgl. auch Dörndorfer in: Binz/Dörndorfer/Petzold/Zimmermann,<br />
GKG, 2. Auflage<br />
2009, § 52 Rz. 9, 10; Anh zu § 52 Punkt 10.4)<br />
Nicht erfasst von § 52 Abs. 5 und 6 GKG dürften<br />
daher Streitigkeiten sein, die nur einen<br />
sogenannten Teilstatus betreffen, z.B. Ansprüche<br />
auf erhöhte Versorgung oder Besoldung<br />
(vgl. BVerwG NVwZ-RR 2000, 188). In diesen<br />
Fällen dürfte daher § 52 Abs. 1 GKG zur<br />
Anwendung kommen mit der Folge, dass<br />
grundsätzlich nach der Rechtsprechung des<br />
BVerwG (a.a.O.) der Streitwert auf den zweifachen<br />
Jahresbetrag der Differenz festzulegen ist<br />
(vgl. Dörndorfer, a.a.O.). Da im Musterantrag<br />
aber kein konkreter bezifferter Betrag benannt<br />
wird, der einer amtsangemessenen Alimentation<br />
entspricht (und aus diesem Grund auch § 52<br />
Abs. 3 GKG nicht zur Anwendung kommen<br />
kann), und daher auch kein Differenzbetrag<br />
ermittelt werden kann, könnte es u.U. auch bei<br />
dem Auffangstreitwert des § 52 Abs. 2 GKG<br />
verbleiben. Dies wird Ihnen im Ergebnis aber<br />
ein zu mandatierender Rechtsanwalt erläutern;<br />
ggfs. kann der Streitwert im Klageverfahren<br />
auch erst vorläufig angegeben werden.<br />
Nach ständiger Rechtsprechung ist die Feststellungsklage<br />
nach § 43 Abs. 1 VwGO die richtige<br />
Klageart (vgl. BVerwG, Urteil vom 19.<br />
Dezember 2002 - 2 C 34.01 -; BVerfG,<br />
Beschluss vom 14. Oktober 2009 - 2 BvL 3/08<br />
bis 6/08.). Denn Ziel der Klage ist es, eine<br />
höhere als die jeweils gesetzlich vorgesehene<br />
Besoldung zu erstreiten, was mit einem Leistungs-<br />
oder Verpflichtungsantrag nicht erreicht<br />
werden kann. Es muss neben der Verfassungswidrigkeit<br />
der Überleitungsregelungen geltend<br />
gemacht werden, dass das Nettoeinkommen bei<br />
der Gesamtbetrachtung aller besoldungsrelevanten<br />
Regelungen zu niedrig bemessen ist.<br />
Da die Besoldung gesetzlich festgelegt ist, d.h.<br />
auch eine höhere Besoldung nur durch Gesetz<br />
bestimmt werden kann, kann das Verwaltungsgericht<br />
– oder eine höhere Instanz – nicht selbst<br />
eine höhere Besoldung zusprechen, sondern<br />
muss das Verfahren – sofern das Gericht eine<br />
Verfassungswidrigkeit feststellt – dem Bundesverfassungsgericht<br />
zur Entscheidung vorlegen.<br />
Andreas Zimmer<br />
11
12<br />
Überblick über die Regelungen des Entwurfs der Neufassung des<br />
Sächsischen Beamtengesetzes (SächsBG 2011)<br />
Neue<br />
Laufbahnen<br />
Quereinsteiger<br />
NEUES BEAMTENGESETZ 2011<br />
Gegenwärtig arbeitet die Landespolitik an der Neuregelung des Beamtenrechts. Es beeinflusst<br />
auch das Dienstrecht der Richter und Staatsanwälte. Es ist noch zu früh, die künftigen Regelungen<br />
zu bewerten, der Beitrag stellt jedoch bereits die wesentlichen Neuerungen dar, soweit sie für die<br />
Angehörigen des höheren Justizdienstes – ggfs. im Zuge einer zeitweisen Beschäftigung im Ministerium<br />
– von Interesse sind.<br />
1. Neue Kompetenzen für die Länder durch<br />
die Föderalismusreform<br />
Im Zuge der Föderalismusreform 2006 sind die<br />
Gesetzgebungszuständigkeiten zwischen dem<br />
Bund und den Ländern im Beamten-, Besoldungs-<br />
und Versorgungsrecht grundlegend<br />
geändert worden. Der Bund hat nun nicht mehr<br />
die Rahmengesetzgebungskompetenz zur Regelung<br />
des gesamten Beamtenrechts inne, sondern<br />
stattdessen die konkurrierende Gesetzgebungskompetenz<br />
zur Regelung des Statusrechts<br />
der Beamten in den Ländern und Kommunen.<br />
Das Gesetz zur Regelung des Statusrechts der<br />
Beamtinnen und Beamten in den Ländern<br />
(BeamtStG) vom 17.06.2008 (BGBl I S. 1010)<br />
ist am 01.04.2009 in Kraft getreten. Zeitgleich<br />
ist das Sächsische Beamtengesetz (SächsBG)<br />
an das Beamtenstatusgesetz angepasst worden<br />
durch Gesetz vom 12.03.2009 (SächsGVBl<br />
S.102). Mit der nun vorgesehen grundlegenden<br />
Neufassung des Sächsischen Beamtengesetzes<br />
soll von den durch die Föderalismusreform<br />
gewonnenen Gesetzgebungskompetenzen im<br />
Laufbahn-, Besoldungs- und Versorgungsrecht<br />
umfassend Gebrauch gemacht werden. Die Entwurfsverfasser<br />
im Staatsministerium des Innern<br />
verbinden mit der Neufassung die Hoffnung,<br />
die Qualität und Attraktivität des öffentlichen<br />
Dienstes im Freistaat Sachsen zu sichern und<br />
das Beamtengesetz an die Bedürfnisse einer<br />
modernen Verwaltung anzupassen. Für Staatsanwälte<br />
ist das Sächsische Beamtengesetz<br />
unmittelbar, für Richter gemäß § 3 Sächsisches<br />
Richtergesetz (SächsRiG) entsprechend<br />
anwendbar, soweit das Deutsche Richtergesetz<br />
(DRiG) und das Sächsische Richtergesetz<br />
nichts anderes bestimmen.<br />
2. Struktur des vorgesehenen SächsBG 2011<br />
Der Entwurf des neuen Beamtengesetzes enthält<br />
Regelungen, die bereits mit dem erwähnten<br />
Gesetz vom 12.03.2009 erlassen worden sind<br />
und das Beamtenstatusgesetz ergänzen. Ferner<br />
sollen eigenständige Regelungen eingefügt<br />
werden in Bereichen, in denen der Bund keine<br />
eigenen vorgesehen hat (z.B. Arbeitszeit,<br />
Urlaub, Nebentätigkeit) oder ihm keine Gesetzgebungszuständigkeit<br />
zusteht (wie im Lauf-<br />
bahnrecht). Die Altersgrenzen für den Eintritt<br />
in den Ruhestand sind bereits in einem vorgezogenen<br />
Gesetzgebungsverfahren in der Regel<br />
um zwei Jahre erhöht worden, um eine zeitgleiche<br />
Anpassung an das Tarifrecht zu erreichen.<br />
Diese Regelungen sollen in das Sächsische<br />
Beamtengesetz übernommen werden. Das<br />
Gesetz ist in zwölf Abschnitte gegliedert. Abschnitt<br />
1 und 2 regeln die allgemein geltenden<br />
Grundsätze, soweit sie nicht abschließend im<br />
Beamtenstatusgesetz geregelt sind, darunter die<br />
Übertragung eines Amtes in leitender Funktion<br />
auf Zeit (§ 9 SächsBG 2011).<br />
Abschnitt 3 enthält ein völlig neu gestaltetes<br />
Laufbahnrecht. Nach der Begründung des Entwurfs<br />
soll dadurch die Wettbewerbsfähigkeit<br />
des öffentlichen Dienstes auf dem Arbeitsmarkt<br />
erhalten und das Laufbahnsystem „transparenter,<br />
schlanker und flexibler“ gestaltet werden.<br />
Die Anzahl der Laufbahngruppen wird auf zwei<br />
reduziert und nach absolvierter Hochschulausbildung<br />
unterschieden. Vorgesehen ist, den<br />
Regelzugang zu den Laufbahnen auch Berufsgruppen<br />
zu öffnen, die die Laufbahnbefähigung<br />
nicht in einem klassischen Vorbereitungsdienst<br />
erwerben („Quereinsteiger“). Dies sei notwendig,<br />
da die öffentliche Verwaltung auf Wissen<br />
und Erfahrung angewiesen sei, welches regelmäßig<br />
außerhalb des öffentlichen Dienstes<br />
erworben werde. Der Entwurf nennt hier beispielhaft<br />
die „Internet-Technologie“ und Bereiche<br />
der Gesundheitsvorsorge. Der öffentliche<br />
Dienst müsse Quereinsteiger rekrutieren, um<br />
Leistungsträger zu gewinnen. Um den Umworbenen<br />
den erwünschten Einstieg zu erleichtern,<br />
soll Bewerbern mit langjähriger geeigneter<br />
Berufserfahrung außerhalb des öffentlichen<br />
Dienstes die Einstellung in einem höheren als<br />
dem Eingangsamt der betreffenden Laufbahn<br />
ermöglicht werden. Der bisher notwendige<br />
Aufstieg in die nächsthöhere Laufbahngruppe<br />
wird ersetzt durch ein Qualifizierungssystem<br />
innerhalb der Laufbahngruppe. Durch Beförderungschancen<br />
bietet sich qualifizierten Beamten<br />
nach Ansicht der Entwurfsverfasser ein<br />
Anreiz für lebenslanges Lernen. Gesteuert werden<br />
soll der Prozess durch Personalentwicklungskonzepte,<br />
welche jedes Ressort für seinen
NEUES BEAMTENGESETZ 2011<br />
Geschäftsbereich zu erstellen hat (§ 23 Abs. 1<br />
SächsBG 2011).<br />
Abschnitt 4 enthält die bisherigen Vorschriften<br />
zu Abordnung, Versetzung sowie die Umbildung<br />
von Körperschaften. Abschnitt 5 erfasst<br />
die Tatbestände für die Beendigung eines<br />
Beamtenverhältnisses und übernimmt die bereits<br />
im erwähnten vorgezogenen Gesetzgebungsverfahren<br />
erfolgte Erhöhung der Altersgrenzen<br />
für den Eintritt in den Ruhestand.<br />
Abschnitt 6 regelt die allgemeinen Rechte und<br />
Pflichten der Beamten, ferner Teilzeit- und<br />
Beurlaubungstatbestände sowie das Nebentätigkeits-<br />
und Personalaktenrecht. Nach der<br />
Begründung des Entwurfs wird in der Neufassung<br />
des Sächsischen Beamtengesetzes der<br />
Stellenwert der Fortbildung besonders hervorgehoben;<br />
zumal diese demnach von den Ressorts<br />
verbindlich in den Personalentwicklungskonzepten<br />
vorzusehen ist. Fortbildung soll nun<br />
verbindliche Voraussetzung für die Übertragung<br />
höherwertiger Dienstposten sein. Die<br />
Abschnitte 7 (Beteiligung der Spitzenorganisationen<br />
und Spitzenverbände) und 8 (Landespersonalausschuss)<br />
bleiben weitgehend unverändert.<br />
Vor der Erhebung der Klage aus dem<br />
Dienstverhältnis soll es grundsätzlich keiner<br />
Nachprüfung in einem Vorverfahren mehr<br />
bedürfen (§ 133 Abs. 1 SächsBG 2011). Dies<br />
gilt jedoch nicht für Maßnahmen, denen die<br />
Bewertung einer Leistung im Rahmen einer<br />
berufsbezogenen Prüfung zugrunde liegt, für<br />
dienstliche Beurteilungen, in Angelegenheiten<br />
der Besoldung, Versorgung, Beihilfe, Heilfürsorge,<br />
Reisekosten, Trennungsgeld sowie Umzugskosten.<br />
Rechtsbehelfe gegen eine Abordnung<br />
oder Versetzung, ein Verbot der<br />
Nebentätigkeit oder ein Verbot der Führung der<br />
Dienstgeschäfte haben keine aufschiebende<br />
Wirkung (§ 133 Abs. 2 SächsBG 2011).<br />
3. Übertragung eines Amtes mit leitender<br />
Funktion im Beamtenverhältnis auf Probe<br />
§ 8 Abs. 1 SächsBG 2011 sieht vor, dass die<br />
Ämter der Besoldungsordnung B in Staatsbehörden<br />
und alle Ämter der Besoldungsgruppe A<br />
16, soweit sie mit der Leitung von Staatsbehörden<br />
oder Teilen von Staatsbehörden verbunden<br />
sind, zunächst im Beamtenverhältnis auf Probe<br />
übertragen werden. Dasselbe gilt für alle Schulleiter<br />
ab der Besoldungsgruppe A 14 und alle<br />
Ämter ab Besoldungsgruppe A 12 in Gemeinden,<br />
Landkreisen und sonstigen der Aufsicht<br />
des Freistaates Sachsen unterstehenden Körperschaften,<br />
Anstalten und Stiftungen des öffentlichen<br />
Rechts, soweit diese Ämter mit bestimmten<br />
Funktionen verbunden sind (Sachgebietsleiter,<br />
Amtsleiter, Dezernatsleiter und Leiter<br />
vergleichbarer Organisationseinheiten), sofern<br />
dies allgemein durch Satzung oder Beschluss<br />
bestimmt wurde. In unserem Geschäftsbereich<br />
sind davon die Stellen der Abteilungs- und<br />
Referatsleiter im Staatsministerium der Justiz<br />
betroffen. Diese Vorschrift gilt gemäß § 8 Abs.<br />
2 SächsBG 2011 nicht für Ämter, die die richterliche<br />
Unabhängigkeit besitzen (<strong>Sächsischer</strong><br />
Rechnungshof). Auf Richter und Staatsanwälte<br />
ist sie nicht anzuwenden, da sie nach der Besoldungsordnung<br />
R besoldet werden.<br />
Die regelmäßige Probezeit beträgt zwei Jahre;<br />
sie darf nicht verlängert werden (§ 8 Abs. 3 Satz<br />
1 u. 4 SächsBG 2011). Eine Verkürzung der<br />
Probezeit bis zur Mindestdauer von einem Jahr<br />
bzw. die Anrechnung absolvierter Dienstzeiten<br />
in vergleichbarer Funktion ist möglich, wobei<br />
die Zeit einer Freistellung wegen Elternzeit<br />
oder Beurlaubung ohne Dienstbezüge nicht als<br />
Probezeit gilt (§ 8 Abs. 3 Satz 2 u. 4 SächsBG<br />
2011). Nach erfolgreichem Abschluss der Probezeit<br />
hat der Beamte Anspruch auf Übertragung<br />
des Amtes im Beamtenverhältnis auf<br />
Lebenszeit (§ 8 Abs. 7 Satz 1 SächsBG 2011).<br />
4. Übertragung eines Amtes mit leitender<br />
Funktion im Beamtenverhältnis auf Zeit<br />
Alle Ämter mit leitender Funktion, die mindestens<br />
der Besoldungsgruppe B 4 der Bundesbesoldungsordnung<br />
oder der Sächsischen Besoldungsordnung<br />
angehören, werden zunächst im<br />
Beamtenverhältnis auf Zeit übertragen. Für<br />
Gemeinden oder Landkreise gilt dies, sofern<br />
eine Satzung oder ein Beschluss dies allgemein<br />
bestimmt (§ 9 Abs. 1 SächsBG 2011). Die<br />
Amtszeit beträgt fünf Jahre. Mit Ablauf der<br />
Amtszeit ist dem Beamten das Amt mit leitender<br />
Funktion auf Lebenszeit zu übertragen,<br />
wenn er sich den Anforderungen des Amtes in<br />
vollem Umfang gewachsen zeigt. Die weitere<br />
Übertragung des Amtes auf Zeit ist nicht zulässig<br />
(§ 9 Abs. 4 SächsBG 2011). Ausweislich der<br />
Begründung des Entwurfs soll diese Regelung<br />
die Anforderungen des Bundesverfassungsgerichts<br />
im Beschluss vom 28.05.2008 (Az.: 2<br />
BvL 11/07) umsetzen. Danach sind zwei Amtszeiten<br />
mit einer Dauer von zehn Jahren mit Art.<br />
33 Abs. 5 Grundgesetz nicht vereinbar. Ferner<br />
sind nach dieser Entscheidung Ausnahmen vom<br />
Lebenszeitprinzip nur in Bereichen zulässig, in<br />
denen die besondere Sachgesetzlichkeit und die<br />
Natur der wahrgenommenen Aufgaben eine<br />
Begründung von Beamtenverhältnissen auf<br />
Zeit erfordert (z.B. kommunale Wahlbeamte<br />
und politische Beamte). Nach Ansicht der Entwurfsverfasser<br />
stellt die Vergabe von Ämtern<br />
auf Zeit einen faktischen Anreiz für eine erhöhte<br />
Leistungsbereitschaft der Führungskräfte dar.<br />
Das Amt wird jedoch sogleich auf Lebenszeit<br />
übertragen, sofern der Beamte innerhalb von<br />
13
14<br />
Stärkung<br />
des Hauptamts<br />
fünf Jahren nach der Übertragung des Amtes<br />
die gesetzliche Altersgrenze erreicht (§ 9 Abs. 5<br />
SächsBG 2011). Während seiner Amtszeit führt<br />
der Beamte nur die Amtsbezeichnung des ihm<br />
auf Zeit übertragenen Amtes; er darf nur sie<br />
auch außerhalb des Dienstes führen (§ 9 Abs. 8<br />
SächsBG 2011). Für Beamte, denen bereits ein<br />
Amt mit leitender Funktion im Beamtenverhältnis<br />
auf Zeit gemäß § 19 b SächsBG übertragen<br />
worden ist, sieht § 158 SächsBG 2011<br />
Übergangsregelungen vor.<br />
5. Nebentätigkeitsrecht<br />
Es ist vorgesehen, das Nebentätigkeitsrecht<br />
umzugestalten von der bisherigen Genehmigungspflicht<br />
hin zu einem Anzeigeverfahren<br />
mit Verbotsvorbehalt (vgl. § 104 SächsBG<br />
2011). Dadurch sollen die Personal verwaltenden<br />
Stellen erheblich entlastet werden, da die<br />
Prüfung der Genehmigungspflicht sowie die<br />
abschließende Erteilung eines Bescheides entfällt.<br />
Unter einer Nebentätigkeit ist die Ausübung<br />
eines Nebenamtes oder einer Nebenbeschäftigung<br />
zu verstehen. Nebenamt ist eine<br />
nicht zu einem Hauptamt gehörender Kreis von<br />
Aufgaben, der auf Grund eines öffentlich-rechtlichen<br />
Dienst- oder Amtsverhältnisses wahrzunehmen<br />
ist. Nebenbeschäftigung ist jede sonstige<br />
Tätigkeit inner- oder außerhalb des öffentlichen<br />
Dienstes, die nicht in einem Haupt- oder<br />
Nebenamt ausgeübt wird (§ 102 Abs. 1<br />
SächsBG 2011). Bisher sind diese Begriffsbestimmungen<br />
in der Sächs. Nebentätigkeitsverordnung<br />
(vgl. § 2 SächsNTVO) geregelt.<br />
Gestärkt werden soll mit der Reform das<br />
Hauptamt. So sieht § 102 Abs. 2 SächsBG 2011<br />
vor, dass Aufgaben, die für den Freistaat Sachsen,<br />
die Gemeinden, Landkreise und sonstigen<br />
der Aufsicht des Freistaates Sachsen unterstehenden<br />
Körperschaften, Anstalten und Stiftungen<br />
des öffentlichen Rechts wahrgenommen<br />
werden, grundsätzlich in ein Hauptamt einzuordnen<br />
sind. Diese Aufgaben sollen nicht als<br />
Nebentätigkeit eingeordnet oder als Nebenbeschäftigung<br />
ausgeübt werden, wenn sie mit<br />
dem Hauptamt im Zusammenhang stehen.<br />
Nicht als Nebentätigkeit gelten die Wahrnehmung<br />
öffentlicher Ehrenämter, einer Vormundschaft,<br />
Betreuung oder Pflegschaft eines Angehörigen<br />
sowie andere Tätigkeiten, die nach<br />
allgemeiner Lebensanschauung zur persönlichen<br />
Lebensgestaltung gehören (§ 102 Abs. 3<br />
SächsBG 2011). Zu den zuletzt genannten<br />
Tätigkeiten zählen Aufgaben, die in der Freizeit<br />
wahrgenommen werden. Auf Verlangen seiner<br />
obersten Dienstbehörde ist der Beamte – wie<br />
bisher – jedoch verpflichtet, eine Nebentätigkeit<br />
im öffentlichen Dienst zu übernehmen und<br />
fortzuführen, sofern diese Tätigkeit seiner Vor-<br />
NEUES BEAMTENGESETZ 2011<br />
bildung entspricht und ihn nicht über Gebühr in<br />
Anspruch nimmt (§ 103 SächsBG 2011). Derartige<br />
Nebentätigkeiten sind nicht anzuzeigen, da<br />
dem Dienstherrn die wesentlichen Informationen<br />
bereits vorliegen.<br />
Eine Nebentätigkeit ist ganz oder teilweise zu<br />
untersagen, soweit sie geeignet ist, dienstliche<br />
Interessen zu beeinträchtigen (§ 105 Abs. 1<br />
Satz 1 SächsBG 2011). Der Entwurf sieht folgende<br />
Regelbeispiele vor:<br />
- wenn die Nebentätigkeit nach Art und<br />
Umfang die Arbeitskraft des Beamten so stark<br />
in Anspruch nimmt, dass die ordnungsgemäße<br />
Erfüllung seiner dienstlichen Pflichten behindert<br />
werden kann,<br />
- die Nebentätigkeit den Beamten in einen<br />
Widerstreit mit seinen dienstlichen Pflichten<br />
bringen kann (der Gesetzentwurf sieht höchstens<br />
ein Fünftel der wöchentlichen Arbeitszeit<br />
vor, § 105 Abs. 1 Satz 3 SächsBG 2011),<br />
- die Nebentätigkeit in einer Angelegenheit ausgeübt<br />
wird, in der die Behörde, der der Beamte<br />
angehört, tätig wird oder tätig werden kann,<br />
- die Nebentätigkeit die Unparteilichkeit oder<br />
Unbefangenheit des Beamten beeinflussen<br />
kann,<br />
- die Nebentätigkeit zu einer wesentlichen Einschränkung<br />
der künftigen dienstlichen Verwendbarkeit<br />
des Beamten führen oder<br />
- dem Ansehen der öffentlichen Verwaltung<br />
abträglich sein kann (§ 105 Abs. 1 Satz 2<br />
SächsBG 2011).<br />
Die Nebentätigkeit darf grundsätzlich nur<br />
außerhalb der Arbeitszeit ausgeübt werden, sofern<br />
diese nicht auf Verlangen, Vorschlag oder<br />
Veranlassung des Dienstvorgesetzten übernommen<br />
worden ist (§ 106 Abs. 1 SächsBG 2011).<br />
Einrichtungen, Personal oder Material des<br />
Dienstherrn darf der Beamte dazu nur bei Vorliegen<br />
eines öffentlichen oder wissenschaftlichen<br />
Interesses mit dessen Genehmigung und<br />
gegen Entrichtung eines angemessenen Entgelts<br />
in Anspruch nehmen (§ 106 Abs. 2<br />
SächsBG 2011).<br />
6. Teilzeitbeschäftigung<br />
Die Möglichkeit der Teilzeitbeschäftigung soll<br />
gegenüber dem bisherigen Rechtszustand um<br />
eine Teilzeit für lebensältere Beamte sowie um<br />
eine gesetzliche Regelung von Blockteilzeiten<br />
(„Sabbatjahren“) ergänzt werden.<br />
Im Ermessen des Dienstherrn („kann”) steht die<br />
Entscheidung über den Antrag eines Beamten<br />
mit Dienstbezügen, seine Arbeitszeit bis auf die<br />
Hälfte der regelmäßigen Arbeitszeit für einen<br />
bestimmten Zeitraum zu reduzieren, sofern<br />
dienstliche Belange nicht entgegenstehen (§ 97<br />
Abs. 1 SächsBG 2011). Auf Antrag des Beamten<br />
ist die Arbeitszeit für den jeweils beantrag-
NEUES BEAMTENGESETZ 2011<br />
ten Zeitraum bis auf die Hälfte der regelmäßigen<br />
Arbeitszeit zu ermäßigen, wenn der Beamte<br />
das 58. Lebensjahr vollendet hat und zwingende<br />
dienstliche Belange nicht entgegenstehen.<br />
Das Innehaben einer Führungsfunktion<br />
soll als solches keinen zwingenden dienstlichen<br />
Belang in diesem Sinne darstellen. Die Staatsministerien<br />
können jedoch durch Rechtsverordnung<br />
Gruppen von Beamten, bei denen grundsätzlich<br />
zwingende dienstliche Belange entgegenstehen,<br />
vom Anwendungsbereich dieser<br />
Vorschrift ausnehmen (§ 97 Abs. 2 SächsBG<br />
2011).<br />
Mit dieser Teilzeitregelung soll dem Umstand<br />
Rechnung getragen werden, dass der Anteil<br />
lebensälterer Mitarbeiter in der öffentlichen<br />
Verwaltung nach der Verlängerung der Lebensarbeitszeit<br />
durch Anhebung der Altersgrenzen<br />
für den Eintritt in den Ruhestand erheblich<br />
ansteigen wird. Durch Ermöglichung des gleitenden<br />
Übergangs in den Ruhestand soll die<br />
Arbeitskraft bis zum Erreichen der Altersgrenze<br />
erhalten und die Motivation der Beamten<br />
gestärkt werden. Zugleich sehen die Entwurfsverfasser<br />
die Chance, dadurch langen Krankheitsphasen<br />
und dem Anstieg der Dienstunfähigkeitsquote<br />
entgegenzuwirken.<br />
Das Blockmodell nach § 143a SächsBG wird<br />
abgeschafft; Zuschläge zur Besoldung werden<br />
nicht mehr entrichtet. Für die Versorgung werden<br />
die ruhegehaltsfähigen Dienstzeiten anteilig<br />
wie bei den anderen Möglichkeiten zur Teilzeitbeschäftigung<br />
ermittelt. Das Blockmodell<br />
gilt gemeinhin als zu teuer. Nachteilig erscheint<br />
zudem, dass die lebensälteren Beamten mit<br />
ihrem Wissen und ihrer Berufserfahrung ausscheiden,<br />
während sie nach der nun vorgesehenen<br />
Teilzeitregelung ab dem 58. Lebensjahr<br />
zumindest mit der Hälfte ihrer regelmäßigen<br />
Arbeitszeit weiter zur Verfügung stehen.<br />
Wenn dienstliche Gründe nicht entgegenstehen,<br />
kann Teilzeitbeschäftigung nach § 97 Abs. 1<br />
SächsBG 2011 auch in der Weise bewilligt werden,<br />
dass der Teil, um den die regelmäßige<br />
Arbeitszeit im Einzelfall ermäßigt ist, zu einem<br />
zusammenhängenden Zeitraum vollständiger<br />
Freistellung vom Dienst von bis zu einem Jahr<br />
zusammengefasst wird (sog. „Sabbatjahr“). Der<br />
Zeitraum vollständiger Freistellung darf frühestens<br />
in der Mitte des Bewilligungszeitraums<br />
beginnen. Dabei darf der gesamte Bewilligungszeitraum<br />
höchstens zehn Jahre betragen<br />
(§ 97 Abs. 5 SächsBG 2011). Die Regelung des<br />
„Sabbatjahres” ist bisher in der Sächsischen<br />
Arbeitszeitverordnung geregelt und erhält mit<br />
der Reform eine gesetzliche Grundlage im<br />
SächsBG 2011.<br />
Die Möglichkeiten der Teilzeitbeschäftigung<br />
aus familiären Gründen sollen verbessert wer-<br />
den. Einem Beamten mit Dienstbezügen ist auf<br />
Antrag, wenn zwingende dienstliche Gründe<br />
nicht entgegenstehen, die Arbeitszeit bis auf die<br />
Hälfte der regelmäßigen Arbeitszeit zu ermäßigen<br />
oder Urlaub ohne Dienstbezüge bis zur<br />
Dauer von 15 Jahren zu gewähren, wenn er<br />
mindestens ein Kind unter 18 Jahren oder einen<br />
nach ärztlichem Gutachten pflegebedürftigen<br />
sonstigen nahen Angehörigen tatsächlich<br />
betreut oder pflegt (§ 98 Abs. 1 SächsBG<br />
2011). Im Ermessen des Dienstherrn steht die<br />
Entscheidung über einen Antrag des Beamten<br />
mit Dienstbezügen, in solchen Fällen eine Teilzeitbeschäftigung<br />
mit mindestens 30 Prozent<br />
der regelmäßigen Arbeitszeit bis zur Dauer von<br />
insgesamt 15 Jahren zu bewilligen. Auch hier<br />
dürfen zwingende dienstliche Gründe nicht entgegenstehen<br />
(vgl. § 98 Abs. 4 SächsBG 2011).<br />
Nach Ansicht der Entwurfsverfasser schaffen<br />
attraktive Teilzeit- und Beurlaubungsmöglichkeiten<br />
zur Betreuung minderjähriger Kinder<br />
und pflegebedürftiger Angehöriger dem öffentlichen<br />
Dienst einen Wettbewerbsvorteil gegenüber<br />
der Privatwirtschaft in Zeiten des Fachkräftemangels.<br />
Die Beurlaubung bei außergewöhnlichem Bewerberüberhang<br />
(§ 143 SächsBG) soll entfallen,<br />
da diese Regelung praktisch kaum genutzt<br />
worden ist und aufgrund des eingetretenen<br />
Fachkräftemangels bedeutungslos bleiben<br />
wird. Nach dem stattdessen vorgesehenen § 99<br />
Abs. 1 SächsBG 2011 kann einem Beamten mit<br />
Dienstbezügen auf Antrag bei Vorliegen wichtiger<br />
dienstlicher oder öffentlicher Interessen,<br />
insbesondere zur Schaffung einer verbesserten<br />
Altersstruktur der Bediensteten und zur Nutzung<br />
von Einstellungskorridoren, Urlaub ohne<br />
Dienstbezüge nach Vollendung seines 58.<br />
Lebensjahres bewilligt werden. Dabei muss<br />
sich der Urlaub bis zum Beginn des Ruhestandes<br />
erstrecken. Neben der Altersstruktur der<br />
Bediensteten und der Nutzung von Einstellungskorridoren<br />
könnte nach Vorstellung der<br />
Entwurfsverfasser auch ein Personallabbau ein<br />
geeigneter Grund für einen solchen Urlaub<br />
sein. Allerdings dürfte gerade der von der<br />
Staatsregierung auf absehbare Zeit offenbar beabsichtigte<br />
weitere stetige Personalabbau auch<br />
eine Gefahr für die Beanspruchung von Teilzeitarbeit<br />
in größerem Umfang sein: Denn<br />
zwingende dienstliche Gründe dürften der Bewilligung<br />
bereits entgegenstehen, wenn dadurch<br />
Organisationseinheiten einer Behörde<br />
nicht mehr arbeitsfähig wären. Die mit dem<br />
anhaltenden Personalabbau einhergehende zunehmende<br />
Verdichtung der Arbeit könnte auch<br />
hier zu unerwünschten Ergebnissen führen.<br />
Dr. Hartwig Kasten<br />
Teilzeit<br />
familienfreundlich<br />
Altersteilzeit<br />
nicht<br />
im Blockmodell<br />
15
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