OTC-Analgetika Forum - pharmaSuisse
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Friedrich Möll,<br />
Marianne Beutler<br />
<strong>Forum</strong><br />
A K A<br />
PHARMAZIE UND MEDIZIN<br />
PHARMACIE ET MÉDECINE<br />
Schmerzbehandlung nach der Gruppenrevision <strong>Analgetika</strong><br />
<strong>OTC</strong>-<strong>Analgetika</strong><br />
Nach dem Abschluss der Gruppenrevision<br />
der <strong>OTC</strong>-<strong>Analgetika</strong> per<br />
Ende 2003 sind viele gewohnte<br />
Arzneimittel nicht mehr erhältlich.<br />
Zur kurzfristigen Behandlung<br />
von leichten bis mässig starken<br />
Schmerzen sind zur Zeit fünf<br />
verschiedene Wirkstoffe – mit ganz<br />
wenigen Ausnahmen – als Monopräparate<br />
zugelassen. Mit der<br />
profunden Kenntnis ihrer pharmakologischen,<br />
klinischen und pharmazeutischen<br />
Eigenschaften besteht<br />
für die Apotheker und Apothekerinnen<br />
die Gelegenheit, mit<br />
einer guten Beratung den verunsicherten<br />
Patientinnen und Patienten<br />
zu einer wirksamen und sicheren<br />
Schmerztherapie zu verhelfen.<br />
Die Kombinationsanalgetika wurden in<br />
der Mehrheit der Fälle abregistriert,<br />
weil der von Swissmedic geforderte<br />
Beweis eines positiven Nutzen-/Risikoverhältnisses<br />
und eines Vorteils über die<br />
Monopräparate nicht belegt werden<br />
Journal suisse de pharmacie, 7/2004<br />
konnte. Der Wissensstand für die noch<br />
zugelassenen <strong>Analgetika</strong> ist, wenn auch<br />
nicht überall befriedigend, doch deutlich<br />
besser. Die für die Beratung wichtigsten<br />
Fakten werden im Folgenden<br />
zusammengestellt für die <strong>OTC</strong>-Dosierungen<br />
und -indikationen von Paracetamol<br />
und den nichtsteroidalen Antirheumatika<br />
(NSAR) Acetylsalicylsäure<br />
(ASS), Ibuprofen, Naproxen und Diclofenac.<br />
Pharmakologie<br />
Die NSAR wirken antipyretisch, analgetisch<br />
und antiinflammatorisch, Paracetamol<br />
wirkt nur antipyretisch und analgetisch.<br />
Die hier zur Diskussion stehende<br />
antiinflammatorische und analgetische<br />
Wirkung kommt über eine<br />
Blockierung der Cyclooxygenase<br />
(COX) und der daraus resultierenden<br />
Synthesehemmung von Prostaglandinen,<br />
Prostacyclin und Thromboxan zustande.<br />
Die COX existiert in mindestens<br />
zwei Isoformen (COX-1 und COX-2)<br />
254<br />
mit unterschiedlicher Exprimierung<br />
in verschiedenen Geweben. Für die<br />
Schmerzempfindung sind beide Isoformen,<br />
für die Entzündungsprozesse<br />
eher COX-2 verantwortlich. Die verschiedenen<br />
NSAR hemmen die COX-<br />
Isoformen mit unterschiedlicher Selektivität,<br />
woraus ihr Wirkungs- und Nebenwirkungsspektrum<br />
resultiert. Neuere<br />
Hypothesen schreiben die Wirkung<br />
von Paracetamol der Hemmung einer<br />
weiteren Isoform, der COX 3 zu, die<br />
eine hohe Aktivität im Hirn aufweist.<br />
Die Analgesie dieser Wirkstoffe erreicht<br />
nach der Maximaldosis ein Plateau<br />
(«ceiling effect»), d.h. eine weitere<br />
Dosissteigerung erhöht nicht den<br />
analgetischen Effekt, sondern lediglich<br />
das Risiko für Nebenwirkungen [1].<br />
<strong>Analgetika</strong> richtig dosieren<br />
(vgl. Tab. 1)<br />
Acetylsalicylsäure wird schon in der<br />
Darmschleimhaut relativ schnell zu der<br />
ebenfalls analgetisch aktiven Salicylsäure<br />
metabolisiert. Durch die redu-<br />
ASS Paracetamol Ibuprofen Naproxen Diclofenac<br />
Derivate (22) Lysinsalz Benorilat Natriumsalz Natriumsalz Natriumsalz<br />
Carbasalat Lysinsalz Kaliumsalz<br />
Argininsalz<br />
Anzahl zugelassene Präparate inkl. Arznei- 24 76 28 1 2<br />
formen und Kombinationen mit Coffein (22)<br />
Maximale Anwendungsdauer – – – 10 Tage 3 Tage<br />
Äquipotenz postoperative Schmerzen (23) 1000 mg 1000 mg 400 mg 220 mg 25 mg<br />
<strong>OTC</strong>: 1×-Dosierung leichte Schmerzen 500 mg 500 mg 200 mg 220 mg 12,5–25 mg<br />
<strong>OTC</strong>: Dosierung starke Schmerzen Initial 1000 mg, 1000 mg, 400 mg alle 3–6 h initial 440 mg, 25 mg alle 3–6 h,<br />
dann 0,5–1 g alle 3–6 h max. 4 g/24 h max. 1200 mg/24 h nach 12 h 220 mg, maximal 75 mg/24 h<br />
max. 3 g/24 h max. 660 mg/24 h<br />
Rx: Maximale Dosis/Tag 4 g 4 g 2400 mg 1250 mg 200 mg<br />
Zulassung für Kinder 0,5 g ab 12 J. (>40 kg) 0,5 g ab 12 J. ab 12 J. ab 16 J. ab 14 J.<br />
0,1 g ab 6 Monate 0,1 g ab 6 Monate (Rx: ab 6 J.)<br />
Tmax oral, nüchtern ASS: 0,5 h / SS: 1–2 h 0,5–1 h 1–2 h, Salze: 0,5–1 h 1–2 h 0,5 h<br />
Plasmahalbwertszeit ASS: 0,3 h / SS: 3 h 1,5–3 h 2–3 h 12–15 h 1–2 h<br />
Analgetische Wirkdauer 3–6 h 2–4 h 4–6 h 8–12 h 4–6 h<br />
Bioverfügbarkeit 50–80% 60–90% >95% >95% 50–60%<br />
Qo (extrarenaler Ausscheidungsanteil) (24) ASS: 1,0 / SS: 0,9 0,9 1,0 0,9 1,0<br />
Angaben, wo nicht anders vermerkt, aus dem Arzneimittelkompendium der Schweiz, 2004<br />
Tabelle 1: Dosierung und Pharmakokinetik
PHARMAZIE UND MEDIZIN<br />
PHARMACIE ET MÉDECINE<br />
Wirkstoff Form Puffer Präparate ∆ Tmax<br />
Minuten<br />
ASS ASS Ja Alka-Seltzer Brausetabl.<br />
Aspirin 500, -Instant, -Migräne, -Kautabl. Aspro Brausetabl. 0–15<br />
Lysinat Nein Alcacyl-Pulver, Aspégic 0–15<br />
Carbasalat Ja Alcayl Tabl. –<br />
Paracetamol Paracetamol Ja Dafalgan Odis, -BT, KAFA Flashtabs Panadol Brausetabl. 0–15<br />
Ibuprofen Lysinat Nein Algifor Gran., Algifor L; Nurofen L Tabl. Sonotryl nF Tabl. 15–30<br />
Arginat Nein Dolo-Spedifen 15–30<br />
Natriumsalz Nein Saridon N Tabl. 0–15<br />
Naproxen Natriumsalz Nein Aleve Tabl. –<br />
Diclofenac Kaliumsalz Nein Tonopan nF Tabl., Voltaren Dolo Tabl. 15–30<br />
∆ Tmax: verkürztes Tmax (=früherer Wirkungseintritt) mit schnell löslichem/r Salz/Arzneiform<br />
im Vergleich zur normalen Tablette bei Nüchterngabe (Angaben aus dem Arzneimittelkompendium der Schweiz, 2004)<br />
NF: neue Formel; BT: Brausetabletten<br />
Tabelle 2:<br />
Präparate mit<br />
schnell löslichen<br />
Salzen und<br />
Arzneiformen<br />
zierte und zugleich variable Bioverfügbarkeit<br />
ist ein ausreichender Plasmaspiegel<br />
nicht immer gewährleistet. [2]<br />
Paracetamol weist für Erwachsene<br />
bis zu einer Grenzdosis von ca. 4 g/Tag<br />
eine gute Verträglichkeit auf. Die Dosierung<br />
muss bei Leberinsuffizienz angepasst<br />
werden. Dank der guten Langzeiterfahrung<br />
und geeigneten Darreichungsformen<br />
kann es schon ab<br />
dem Säuglingsalter gegeben werden.<br />
Ibuprofen gewährt mit einer Bioverfügbarkeit<br />
von fast 100 Prozent, einer<br />
linearen Dosis-Wirkungsbeziehung bis<br />
800 mg und einer hohen analgetischen<br />
Potenz eine zuverlässige analgetische<br />
Wirkung. Die Kinetik ist auch bei älteren<br />
Patienten und bei Alkoholikern<br />
(Leberinsuffizienz) nicht verändert.<br />
Das hohe Sicherheitsprofil erlaubt die<br />
Anwendung bei Kindern ab 12 Jahren<br />
(Rx ab 6 Jahren) und die Gabe in Sirupform.<br />
Naproxen ist nur als S-Enantiomer<br />
im Handel, da das R-Enantiomer weitgehend<br />
inaktiv ist. Es unterscheidet<br />
sich von den anderen NSAR durch eine<br />
längere Plasmahalbwertszeit und die<br />
lange Wirkdauer von 8 bis 12 Std. Obwohl<br />
Naproxen als Natriumsalz vorliegt<br />
und somit besser im Magensaft löslich<br />
ist, wird das Tmax auf nüchternen<br />
Magen nicht schneller erreicht als mit<br />
Ibuprofen.<br />
Diclofenac unterliegt v.a. in niedriger<br />
Dosierung einem hohen First-pass-<br />
Effekt und führt daher in Dosierungen<br />
unter 25 mg nicht zuverlässig zu ausreichenden<br />
Plasmaspiegeln [3]. Als<br />
effektives Analgetikum muss es in einer<br />
Dosis von 0,5–1 mg/kg KG dosiert werden,<br />
d.h. mindestens zwei Tabletten zu<br />
12,5 mg für eine Person von 50 kg.<br />
[4]<br />
Rasche Schmerzlinderung<br />
(vgl. Tab. 2)<br />
Für eine schnelle Resorption und raschen<br />
Wirkungseintritt ist in erster Linie<br />
die Auflösungsgeschwindigkeit des<br />
Wirkstoffes und die Dauer der Magenpassage<br />
bedeutsam. Zur Resorptionsbeschleunigung<br />
werden schnell lösliche<br />
Arzneiformen und leicht lösliche<br />
Salzformen sowie die Kombination mit<br />
prokinetischen Arzneimitteln wie Domperidon<br />
oder Metoclopramid empfohlen.<br />
Erstaunlicherweise wird dagegen<br />
der Resorption verzögernde Einfluss<br />
einer gleichzeitigen Nahrungsaufnahme<br />
bei <strong>Analgetika</strong> wenig beachtet.<br />
Als schnell zerfallende Tablette eingenommen,<br />
ist auf nüchternen Magen<br />
(1 Std. vor und 2 Std. nach dem Essen)<br />
ein Wirkungseintritt nach 30 Minuten<br />
bis 2 Stunden zu erwarten. Setzt man<br />
bei ASS oder Ibuprofen besser lösliche<br />
Salze wie z.B. das Lysin- oder Argininsalz<br />
ein, lässt sich nüchtern genommen<br />
der Wirkungseintritt moderat beschleunigen<br />
(vgl. Tab. 2). Mit einer<br />
Brauseformulierung lässt sich interessanterweise<br />
nicht allgemein ein schnellerer<br />
Wirkungseintritt erzielen. In der<br />
Regel fällt nämlich der Wirkstoff im<br />
sauren Magen wieder aus [5]. Diesem<br />
Effekt versucht man durch Zugabe eines<br />
Puffers, der die Lösung im Magen aufrechterhalten<br />
soll, entgegenzuwirken.<br />
Bei Gabe mit oder nach der Nahrung<br />
wird in erster Linie die Magenentleerung<br />
und somit ein Übertritt in den<br />
Dünndarm – dem Ort der Resorption<br />
– verlangsamt. Je nach Zusammensetzung<br />
der Nahrung, der Art der Arzneiform<br />
(Brausetablette, Salzform, Magensaftresistenz<br />
u.a.), der Krankheitssymptome<br />
(Migräne, Parkinson, Diabetes<br />
u.a.) und der Komedikation (Opiate,<br />
Antidepressiva, Anticholinergika, Calciumblocker<br />
u.a.) muss dabei eine deut-<br />
255 Schweizer Apothekerzeitung, 7/2004<br />
liche Verzögerung des Wirkungseintrittes<br />
von Stunden – bei nicht zerfallenden<br />
Arzneiformen sogar bis 10 Stunden<br />
- berücksichtigt werden. [6] Mit<br />
der gut gemeinten Empfehlung, das<br />
Analgetikum mit oder nach dem Essen<br />
einzunehmen, wird der Zeitvorteil<br />
einer Salzform wieder aufgehoben und<br />
auch bei schnell zerfallenden Tabletten<br />
kann der Wirkungseintritt um Stunden<br />
verzögert sein.<br />
Die rektale Applikation ist in der<br />
Regel gekennzeichnet durch einen<br />
langsameren Wirkungseintritt im Vergleich<br />
zu einer nicht retardierten oralen<br />
Arzneiform. Für rektales Paracetamol<br />
z.B. beträgt Tmax 3 h, zusätzlich ist die<br />
Bioverfügbarkeit reduziert. [5,7]<br />
<strong>Analgetika</strong> vor oder nach dem Essen?<br />
– Wird ein Analgetikum zur schnellen<br />
Schmerzbekämpfung gewünscht,<br />
ist die Einnahme auf nüchternen<br />
Magen mit viel Flüssigkeit zu empfehlen.<br />
– Dass <strong>Analgetika</strong> mit dem Essen eingenommen<br />
besser verträglich seien<br />
als auf den leeren Magen, wird von<br />
Fachleuten nicht bestätigt.<br />
– Für die Entwicklung von gastrointestinalen<br />
Blutungen ist vor allem<br />
die systemische Prostaglandinhemmung<br />
verantwortlich. [6].<br />
– Patienten, die über Magenprobleme<br />
klagen oder solche befürchten,<br />
sollen ASS vermeiden und einen<br />
gastrointestinal gut verträglichen<br />
Arzneistoff, z.B. Paracetamol oder<br />
Ibuprofen, wählen.<br />
Sichere Schmerzbehandlung<br />
(vgl. Tab. 3)<br />
Für den sicheren Einsatz sind individuell<br />
nach Alter und Gesundheitszustand<br />
die unerwünschten Wirkungen, Vorsichtsmassnahmen<br />
und Interaktionen<br />
der Arzneistoffe zu berücksichtigen.<br />
Die allgemeine Verträglichkeit ist für<br />
Paracetamol und Ibuprofen vergleichbar<br />
gut und signifikant besser als für<br />
ASS. Dies zeigte die Pain Study, worin<br />
8233 Patienten zur Behandlung von<br />
leichten bis mässigen Schmerzen<br />
während 7 Tagen mit den genannten<br />
<strong>Analgetika</strong> in <strong>OTC</strong>-Dosierung behandelt<br />
wurden. [8]<br />
Paracetamol<br />
Paracetamol verursacht nur selten<br />
gastrointestinale Beschwerden. Der
PHARMAZIE UND MEDIZIN<br />
PHARMACIE ET MÉDECINE<br />
Paracetamol ASS, Diclofenac, Ibuprofen, Naproxen<br />
Unerwünschte • Hepatotoxizität in hohen Dosen • Übelkeit, Erbrechen, Durchfall:<br />
Wirkungen • Nephropathie bei chronischer Asprin/Naproxen > Diclofenac >Ibuprofen<br />
Anwendung (?) • PUB: Perforationen, Ulkus, Blutungen<br />
• Hautausschläge, Pruritus<br />
• Benommenheit, Schwindel (v.a. Naproxen)<br />
• Aspirinintoleranz<br />
• Reye-Syndrom<br />
Interaktionen • Keine relevanten Interaktionen • Blutungsgefahr erhöht: orale Antikoagulantien, niedermolekulare<br />
Heparine, orale Kortikosteroide<br />
• Abgeschwächte Blutdrucksenkung: Antihypertensiva<br />
• Risiko für Nierenversagen erhöht: Diuretika besonders<br />
in Kombination mit ACE-Hemmern oder Sartanen<br />
• Lithiumspiegel erhöht (gilt nicht für ASS)<br />
• Methotrexat-Toxizität erhöht<br />
Schwangerschaft • Ja 1. + 2. Trimenon: ja, 3. Trimenon: nein<br />
Stillzeit • Ja Ja, in niedrigen Dosen<br />
Tabelle 3:<br />
Unerwünschte<br />
Wirkungen,<br />
Interaktionen,<br />
Schwangerschaft<br />
Verdacht eines Nephropathie-Risikos<br />
ist nicht gesichert aber auch nicht restlos<br />
beseitigt. Vor chronischer Einnahme<br />
hoher Dosen wird vorsichtshalber<br />
abgeraten. Das Hauptproblem ist die<br />
Hepatotoxizität bei Überdosierung. Bei<br />
der Metabolisierung in der Leber entsteht<br />
in geringer Menge ein stark reaktiver<br />
Metabolit, der normalerweise<br />
durch Glutathion sofort inaktiviert wird.<br />
Überdosierung führt zu Glutathionmangel;<br />
der reaktive Metabolit kann<br />
dann eventuell eine Leberzellnekrose<br />
und ein akutes Leberversagen verursachen.<br />
Toxische Auswirkungen wurden<br />
bei Erwachsenen bei Dosen über 6 bis<br />
10 g beobachtet. Bei vorbestehender<br />
Leberschädigung (z.B. bei Alkoholikern)<br />
kann Paracetamol jedoch schon in<br />
niedrigeren Dosen hepatotoxisch wirken.<br />
Personen, die regelmässig mittlere<br />
bis grössere Alkoholmengen trinken,<br />
sollen Paracetamol vorsichtig dosieren.<br />
NSAR sind als Alternative für diese<br />
Patienten nicht besser geeignet, da Alkohol<br />
die Gefahr von Magen- und Varizenblutungen<br />
erhöht. Für Paracetamol<br />
sind während der Schwangerschaft<br />
und in der Stillzeit in therapeutischen<br />
Dosen keine Risiken bekannt.<br />
NSAR<br />
Am häufigsten sind gastrointestinale<br />
Nebenwirkungen wie Übelkeit, Erbrechen,<br />
Bauchschmerzen, Duchfall und<br />
Verstopfung. ASS verursacht diese unerwünschten<br />
Wirkungen am häufigsten,<br />
danach folgen mit absteigender<br />
Häufigkeit Naproxen, Diclofenac und<br />
Ibuprofen. [9, 10,11]<br />
Die schwerwiegendsten unerwünschten<br />
Wirkungen der NSAR sind<br />
die PUBs (Perforationen, Ulzera, Blutungen).<br />
Als Hauptursache gilt die systemische<br />
Hemmung der COX-1, das<br />
Journal suisse de pharmacie, 7/2004<br />
bedeutet, dass auch bei rektaler und<br />
parenteraler Applikation PUBs entstehen<br />
können. [12] Das Risiko ist umso<br />
grösser, je höher die Dosierung und je<br />
länger die Anwendungsdauer ist. Eine<br />
regelmässige, chronische Einnahme ist<br />
deshalb kritischer zu werten als eine<br />
Kurzzeitanwendung. Weitere Risikofaktoren<br />
für PUBs sind:<br />
– Alter >60 Jahre<br />
– gleichzeitige Einnahme von Kortikosteroiden,<br />
Antikoagulanzien, weiteren<br />
NSAR und Alkohol<br />
– Ulzera und Magenblutungen in der<br />
Anamnese<br />
NSAR können zu Nierenversagen<br />
führen. Ursache ist eine verminderte<br />
Nierendurchblutung wegen der Hemmung<br />
von Prostaglandinen mit Gefäss<br />
erweiternder Wirkung. Das Risiko ist<br />
besonders vorhanden bei älteren Personen,<br />
Herzinsuffizienz, Hypertonie,<br />
Diabetes, Diuretikabehandlung. Als<br />
speziell gefährdend gilt die Kombination<br />
von NSAR mit Diuretika und ACE-<br />
Hemmern oder Sartanen. [13] Verschiede<br />
NSAR reduzieren in unterschiedlichem<br />
Ausmass die Wirkung<br />
von Antihypertensiva. Eine Überwachung<br />
der Nierenfunktion und des<br />
Blutdruckes ist für NSAR in <strong>OTC</strong>-Dosierung<br />
in der Regel bei einer Einnahmedauer<br />
von mehr als 1 bis 2 Wochen<br />
notwendig (14).<br />
NSAR hemmen die Thrombozytenaggregation<br />
und verlängern dadurch<br />
die Blutungszeit. Die Aggregationshemmung<br />
dauert mit ASS ca. eine<br />
Woche (kovalente Bindung an die<br />
Cyclooxygenase), bei Naproxen, Ibuprofen<br />
und Diclofenac ca. 1–2 Tage<br />
(reversible Bindung an die Cyclooxygenase).<br />
[3, 15, 16] Vor Operationen<br />
wird empfohlen, die NSAR 7–10 Tage<br />
vor dem Eingriff abzusetzen. [17]<br />
256<br />
Ibuprofen kann ASS an den Bindungsstellen<br />
der COX konkurrenzieren<br />
und dadurch die länger anhaltende antithrombotische<br />
Wirkung von ASS antagonisieren.<br />
[12] Wird ASS zur Thromboseprophylaxe<br />
eingesetzt, sollte es<br />
nach dem heutigen Stand des Wissens<br />
mindestens 2 Std. vor Ibuprofen geschluckt<br />
werden. [18]<br />
Patienten, die NSAR und gleichzeitig<br />
Lithium, Methotrexat, orale Antikoagulanzien,<br />
Heparine oder Kortikosteroide<br />
anwenden, müssen überwacht werden.<br />
Diesen Patienten sollen NSAR nicht aktiv<br />
empfohlen werden.<br />
Die Aspirin-Intoleranz mit evtl. lebensbedrohlichen<br />
Bronchospasmen<br />
kommt bei Personen mit Asthma, Nasenpolypen<br />
und Urtikaria gehäuft vor.<br />
Alle NSAR sind kontraindiziert bei jenen<br />
Patienten, bei denen Aspirin oder<br />
andere nichtsteroidale Antirheumatika<br />
Asthmaanfälle, Urtikaria oder akute<br />
Rhinitis auslösen.<br />
Der Zusammenhang von ASS mit<br />
dem Reye Syndrom (evtl. tödliche<br />
Enzephalopathie und Hepatopathie) ist<br />
nicht eindeutig gesichert. Trotzdem<br />
wird empfohlen, bei Kindern unter<br />
12 Jahren mit Virusinfektionen ASS zu<br />
vermeiden.<br />
NSAR können im 1. und 2. Trimenon<br />
der Schwangerschaft eingesetzt<br />
werden. In den letzten drei Schwangerschaftsmonaten<br />
sollen wegen erhöhtem<br />
Blutungsrisiko während der Geburt<br />
und der Gefahr des vorzeitigen Verschlusses<br />
des Ductus Botalli keine<br />
NSAR eingesetzt werden. Niedrige Dosen<br />
sind für stillende Mütter erlaubt.<br />
Wahl des Analgetikums<br />
Die von der Behörde zugelassenen Indikationen<br />
sind für alle <strong>Analgetika</strong> dieselben.<br />
Es sind dies Menstruationsschmerzen,<br />
Kopf- und Rückenschmerzen,<br />
Schmerzen im Bereich von Gelenken<br />
und Bändern, Schmerzen nach<br />
Verletzungen und Zahnschmerzen.<br />
Paracetamol gilt jedoch bei Schmerzen<br />
mit Beteiligung von Entzündungsprozessen<br />
als weniger wirksam als die<br />
NSAR. Inwiefern sich die einzelnen<br />
NSAR bei den verschiedenen Indikationen<br />
in ihrer Wirksamkeit unterscheiden,<br />
kann auf Grund der vorhandenen<br />
Studien nicht beurteilt werden. Als Kriterien<br />
für die Wahl des Analgetikums<br />
sind deshalb vor allem die Verträglichkeit<br />
und Sicherheit, sowie der Wir-
PHARMAZIE UND MEDIZIN<br />
PHARMACIE ET MÉDECINE<br />
kungseintritt und die Wirkungsdauer<br />
massgebend.<br />
Paracetamol ist am besten verträglich<br />
und führt zu keinen klinisch relevanten<br />
Interaktionen. Es ist das Mittel<br />
der Wahl bei Erkältungen, für Säuglinge<br />
und Kinder, in der Schwangerschaft<br />
und Stillzeit sowie bei Kontraindikationen<br />
der NSAR. Es kann als einziges<br />
Analgetikum mit Antikoagulanzien<br />
kombiniert sowie vor und nach Operationen<br />
und an Hämophilie-Patienten<br />
gegeben werden.<br />
Von den NSAR weist Ibuprofen das<br />
beste Nutzen-Risikoverhältnis auf [3]<br />
mit der geringsten Rate für gastrointestinale<br />
Probleme. Es eignet sich dank<br />
der schnell löslichen Salzformen zur<br />
schnellen Schmerzlinderung. [9,19]<br />
Dank der langen Halbwertszeit ist<br />
Naproxen bei länger anhaltenden<br />
Schmerzen von Vorteil. Wegen der vergleichsweise<br />
schlechteren Verträglichkeit<br />
ist ASS trotz der guten analgetischen<br />
Wirkung nicht ein NSAR der ersten Wahl.<br />
Kopfschmerzpatienten<br />
Der Verlust der gewohnten Medikamente<br />
hat vor allem bei Kopfschmerzpatienten<br />
grosse Verunsicherung und<br />
Klagen über ungenügende Wirksamkeit<br />
der Monopräparate ausgelöst. Mit Informationen<br />
zur richtigen Dosierung<br />
und Anwendung der Monopräparate<br />
durch die Apothekenmitarbeiter kann<br />
das Kopfschmerzmanagement dieser<br />
Patienten optimiert werden.<br />
Die «Swiss Migraine Trust Foundation»<br />
(www.migraine-action.ch) [20]<br />
empfiehlt in der Apotheke folgende<br />
Therapie für akute Kopfschmerzen:<br />
– Migräne: 20 mg Domperidon (Motilium<br />
®), nach 15 Minuten Ibuprofen,<br />
ASS, Naproxen oder Paracetamol, an<br />
maximal 14 Tagen pro Monat. (Dosierung:<br />
vgl. <strong>OTC</strong>-Dosierungen bei<br />
starken Schmerzen in Tab. 1).<br />
– Spannungkopfschmerzen: alle rezeptfreien<br />
analgetischen Wirkstoffe,<br />
an maximal 4 Tagen pro Monat.<br />
Für Patienten, die nach einer Versuchphase<br />
von adäquater Dauer mit der<br />
Monotherapie keinen Erfolg haben, ist<br />
ein Versuch mit einer Kombination mit<br />
Coffein möglich. (Contraschmerz ® plus<br />
ASS + Coffein, Kafa ® plus, Sanalgin ® N:<br />
Paracetamol + Coffein). Der Coffeinzusatz<br />
scheint durch die analeptische und<br />
gefässtonisierende Wirkung einen Zusatznutzen<br />
bei Kopfschmerzen zu ha-<br />
ben. [21] Allerdings enthält eine Tablette<br />
mit 50 mg Coffein weniger als eine<br />
Tasse Kaffee. Benorilat, ein Prodrug<br />
aus ASS und Paracetamol, hat die gleichen<br />
Eigenschaften und Einsatzgebiete<br />
wie die Metaboliten. Ein spezifischer<br />
Vorteil für dieses Prodrug bzw. für die<br />
Kombination von Paracetamol mit<br />
NSAR konnte nicht identifiziert werden.<br />
Rezeptiert ein Arzt eine der abregistrierten<br />
Kombinationen, z.B. Propyphenazon<br />
und Coffein, ist es erlaubt,<br />
diese in der Apotheke herzustellen,<br />
wenn die entsprechenden Arzneistoffe<br />
in der Pharmacopoe beschrieben sind<br />
und nicht aus der Stoffliste gestrichen<br />
wurden.<br />
<strong>Analgetika</strong>-Kombinationen werden<br />
jedoch von den Fachgesellschaften<br />
schon seit langem als Gefahrenquelle<br />
für Abhängigkeit und chronische Kopfschmerzen<br />
identifiziert, besonders bei<br />
regelmässiger und überhöhter Einnahme<br />
mit Ergotamin. Das Problem wird<br />
durch Kombination mit zentral wirksamen<br />
Substanzen verstärkt, wobei auch<br />
Coffein nicht unumstritten ist.<br />
<strong>OTC</strong>-<strong>Analgetika</strong> –<br />
alle Gefahren gebannt?<br />
5 analgetische Arzneistoffe in 131 Spezialitäten<br />
(ASS 24, Paracetamol 75,<br />
Ibuprofen 28) zur rezeptfreien Behandlung<br />
von Schmerzen. Dazu dieselben<br />
Arzneistoffe in diversen Grippemitteln<br />
und rezeptpflichtigen Antirheumatika<br />
und <strong>Analgetika</strong>. Damit besteht die<br />
grosse Gefahr, dass die Patienten mehr<br />
als ein Markenpräprarat mit dem gleichen<br />
Wirkstoff verwenden. Das kann<br />
dazu führen, dass sie unwissentlich<br />
höhere als die empfohlenen Dosen einnehmen<br />
und das Risiko für unerwünschte<br />
Wirkungen und Interaktionen,<br />
das bei <strong>OTC</strong>-Dosierungen in der<br />
Regel klein ist, zunimmt. Um die Patienten<br />
vor Problemen zu schützen, ist<br />
die Aufklärungsarbeit des Apothekenteams<br />
wichtig. Bei <strong>Analgetika</strong>verkäufen<br />
sollten den Patienten einige wichtige<br />
Informationen vermittelt werden:<br />
1. <strong>Analgetika</strong>, Grippemittel und rezeptpflichtige<br />
Antirheumatika können<br />
die gleichen Wirkstoffe enthalten.<br />
2. Die Wirkstoffe können auf der<br />
Packung oder im Beipackzettel<br />
identifiziert werden.<br />
3. Arzneimittel mit gleichen Wirkstoffen<br />
nicht gleichzeitig einnehmen, ohne<br />
vorher eine Fachperson zu fragen.<br />
257 Schweizer Apothekerzeitung, 7/2004<br />
Das Thema – gleicher Wirkstoff verschiedene<br />
Markennamen – ist für die<br />
Arzneimittelsicherheit von grosser Bedeutung,<br />
besonders auch im Hinblick<br />
auf den zunehmenden Gebrauch von<br />
Generika – und könnte in einer<br />
schweizerischen Kampagne durch die<br />
Apotheker aufgegriffen werden. ■<br />
Korrespondenzadresse<br />
Arzneimittelkommission der<br />
Schweizer Apotheker AKA<br />
Postfach 5247<br />
3001 Bern<br />
Tel. 01 994 75 63<br />
Fax 01 994 75 64<br />
E-Mail: mail@aka.ch<br />
Literaturverzeichnis auf Anfrage<br />
Dieser Artikel wurde im Auftrag der AKA geschrieben<br />
von<br />
Dr. Friedrich Möll, Spitalapotheker FPH<br />
Kantonsspital-Apotheke Winterthur<br />
Dr. Marianne Beutler, Geschäftsführerin AKA