Riedlhütte -
NW_1450.pdf
NW_1450.pdf
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
14 DAS ABTEILAND<br />
„Der Granit ist mein Kind, die Heimat meine Familie!“<br />
Ludwig Bauer im Gespräch<br />
Foto: Hahn<br />
Es ist eine Art Geschichtsstunde,<br />
wenn man sich mit Ludwig<br />
Bauer (Foto) zu einem Interview<br />
verabredet. Wir hatten<br />
uns – wo sonst – beim Gidibauern<br />
in Hauzenberg getroffen.<br />
In den Gemäuern des fast<br />
300 Jahre alten Granit-Vierseithofes,<br />
der heute zu den besten<br />
Landhotels und Restaurants<br />
in Deutschland zählt, lässt es<br />
sich angenehm lauschen: den<br />
Erzählungen, dem Sachverstand,<br />
den Reflexionen eines<br />
Mannes, der nicht nur ein<br />
absoluter Experte in Sachen<br />
Granit ist, sondern sein Spezialthema<br />
immer auch in<br />
der historisch-dynamischen<br />
Lebensumwelt sieht. Ja, man<br />
könnte sagen, in einer holistischen<br />
Lebensbetrachtung.<br />
Wenn wir von Granit im<br />
Abteiland sprechen,…<br />
…dann ist der exakte geologische<br />
Begriff ‚Hauzenberger<br />
Granitmassiv‘. Und das<br />
erstreckt sich von Wotzdorf<br />
bis Waldkirchen, von Hutthurm<br />
bis Sonnen. Das Granitmassiv<br />
zeichnet sich durch<br />
einen sehr feinkörnigen Stein<br />
aus im Bereich Haselberg/Sonnen,<br />
durch einen grauen Granodiorith<br />
sowie einen mittelkörnigen,<br />
fast weißlichen<br />
Granitstein.<br />
Was zeichnet denn dieses<br />
Gebiet in der historischen<br />
Betrachtung aus<br />
Man muss es sich so vorstellen:<br />
Die Region, der Boden war<br />
voller Wollsackbildungen, also<br />
Härtlinge, Blocktürme und<br />
Findlinge wie man sie heute<br />
noch oben auf dem Dreisessel<br />
vorfindet. Daher war das<br />
Gebiet schwer zu besiedeln,<br />
also begann man aus der<br />
Not eine Tugend zu machen,<br />
indem man die Findlinge<br />
klein machte und wirtschaftlich<br />
nutzte.<br />
Für welche Zwecke<br />
Die Nutzungsmöglichkeiten<br />
stehen in engem Zusammenhang<br />
mit den Eigenschaften<br />
des Granits. Er ist sehr säurebeständig.<br />
Zweitens zeichnet<br />
sich der Stein durch seine<br />
hohe Druckfestigkeit aus<br />
und kam deshalb überall zum<br />
Einsatz, wo Statik eine Rolle<br />
spielt, also in Stützen und<br />
Säulen. Drittens besitzt Granit<br />
aus der Region eine hohe<br />
Abriebfestigkeit, was ihn für<br />
die Nutzung als Pflasterstein<br />
und Gredplatten prädestinierte.<br />
Heute sind die Eigenschaften<br />
des Granits besonders<br />
dort gefragt, wo es sich<br />
um Streusalz belastete Verkehrsflächen<br />
handelt.<br />
Der mühsame Transport einer Granitsäule im 19. Jahrhundert.<br />
<br />
Quelle: Archiv Granitzentrum<br />
Welche Referenzprojekte<br />
sprechen denn für den Hauzenberger<br />
Granit<br />
Der Granit wurde beim Bau<br />
von Kirchen eingesetzt. Die<br />
gesamte historische Bausubstanz<br />
der Stadt Passau besteht<br />
aus Steinen aus dem Hauzenberger<br />
Granitmassiv. Warum<br />
Weil das Land der Abtei zum<br />
Fürstbistum Passau gehörte.<br />
Und damit entstanden für den<br />
Besitzer keine Materialkosten.<br />
Er verbaute schließlich nur,<br />
was ihm eh gehörte. Das Problem<br />
hierbei war immer nur<br />
der Transport. Man kam auf<br />
die wunderbare Idee, Ochsen<br />
zu züchten und schlug damit<br />
zwei Fliegen mit einer Klappe:<br />
Erstens konnte man sie<br />
zum Transport der schweren<br />
Steine einsetzen, zweitens<br />
konnte man die landwirtschaftlichen,<br />
mit Steinen zersetzten<br />
Flächen rund um Hauzenberg<br />
als Weiden nutzen.<br />
Wir sind noch bei den Referenzen,<br />
wo kann einem denn<br />
heute besonders der Hauzenberger<br />
Granit ins Auge<br />
stechen<br />
Gemach! Nachdem Passau zu<br />
Beginn des 19. Jahrhunderts<br />
bayerisch wurde, wurde man<br />
auch in München auf den Granit<br />
aus der Region aufmerksam.<br />
Das erste große Referenzobjekt<br />
mit Steinen aus<br />
Haselberg war das Denkmal<br />
für König Maximilian I. Joseph<br />
in München. Mit der Kanalisierung<br />
der Städte in der Mitte<br />
des 18. Jahrhunderts begann<br />
man auch mit der Verlegung<br />
von Pflastersteinen – Sie erinnern<br />
sich: hohe Abriebfestigkeit<br />
und damit widerstandsfähig<br />
gegen Pferdehufe und<br />
Wagenräder. Und so wurden<br />
Hauzenberg und Umgebung<br />
zum bedeutendsten Granitpflasterproduktionsstandort<br />
in ganz Deutschland, woran<br />
natürlich auch die Eisenbahnerschließung<br />
einen großen<br />
Anteil hatte.<br />
Wenn auch nicht nur zum<br />
Positiven!<br />
Genau. Mit der Eisenbahn<br />
erreichte man Mitte des 19.<br />
Jahrhunderts zwar wesentliche<br />
Verbesserungen und<br />
Erleichterungen beim Transport<br />
der Steine, aber andererseits<br />
führte dies auch zu<br />
einem dramatischen Niedergang<br />
der Ochsen- und Weidehaltung,<br />
denn die Viecher<br />
wurden nun ja nicht mehr<br />
gebraucht. Im Zuge der Wirtschaftskrise<br />
nach dem Ersten<br />
Weltkrieg ging es auch mit<br />
den Steinhauern im Bayerischen<br />
Wald bergab. Der<br />
nächste Aufschwung kam<br />
im Dritten Reich mit dem Bau<br />
der Reichsautobahnen und<br />
von Gebäuden. Alles musste<br />
jetzt aus Naturstein sein<br />
– Stahl wurde für die Kriegsmaschinerie<br />
benötigt –, nur<br />
20 Prozent des Bedarfs konnten<br />
übrigens aus deutschem<br />
Stein gedeckt werden. Damit<br />
bekam der Granit ein braunes<br />
Image, von dem er sich bis in<br />
die 1970er Jahre nicht mehr<br />
erholen sollte.<br />
Heute steht er aber wieder<br />
ganz gut da<br />
Was hauptsächlich am technischen<br />
Fortschritt liegt, an<br />
einem Wandel in der Technisierung.<br />
Heute sägt man<br />
den Stein computergesteuert<br />
und kann dadurch sehr<br />
dünne Steine produzieren.<br />
Der Vorteil des heimischen<br />
Granits, seine helle, gelbliche<br />
Struktur macht ihn<br />
gerade für die Stadtkernsanierung,<br />
für glatte Flächen in<br />
Fußgängerzonen sehr interessant.<br />
Die Firma Zankl ist<br />
der größte Produzent solcher<br />
glatten, gesägten und sandgestrahlten<br />
Platten und Pflastersteine<br />
in Deutschland.<br />
Die Konkurrenz schläft aber<br />
auch nicht, es herrschen<br />
enorme Preiskämpfe!<br />
Die Globalisierung, weltweite<br />
Vernetzung und Logistikstrukturen<br />
ermöglichen es,<br />
Steine in Fernost günstig<br />
zu beziehen. China diktiert<br />
die Preise. Aber ich bitte Sie:<br />
Schon mal an die Ökobilanz<br />
dieser Produkte gedacht<br />
Was da an Treibhausgasen<br />
beim Transport ausgestoßen<br />
wird Hier geht es nicht mehr<br />
nur um das Produkt Granit,<br />
hier geht es um eine ganzheitliche<br />
Verantwortung. Die<br />
sich jeder stellen muss.<br />
Um weitere so tolle Projekte<br />
zu stemmen wie…<br />
…wie die Passauer Neue Mitte.<br />
Wie den Terminal 1 am<br />
Flughafen München. Wie den<br />
Königsplatz in Augsburg, den<br />
Münchberg in Coburg oder<br />
die Fußgängerzone in Bad<br />
Reichenhall. Um nur einige<br />
wenige zu nennen.<br />
Der Beruf des Steinmetzes<br />
hat also Zukunft<br />
Ja, weil die verbliebenen Firmen<br />
wie Kusser, Zankl, Götzer<br />
und Birgeder investieren<br />
müssen, in Maschinen und in<br />
Personal. Durch die Billigimporte<br />
ist Granit wieder hoffähig<br />
geworden. Die Betriebe<br />
suchen Fachkräfte: Steinmetze,<br />
Natursteinschleifer,<br />
Natursteinmechaniker, Bauingenieure!<br />
Menschen, die<br />
sich für dieses Handwerk<br />
und diese immer mehr auch<br />
computergesteuerten Prozesse<br />
begeistern können.<br />
Wir müssen auch weiter an<br />
einem Imagewandel arbeiten.<br />
Eine steinreiche Region, das<br />
Abteiland<br />
Genau! Das ist meine Vision,<br />
das Passauer Steinreich.<br />
Reich an Steinen, reich an<br />
Natur- und Baudenkmälern,<br />
an Kulinarik, hier treffen im<br />
Länderdreieck Deutschland-<br />
Österreich-Tschechien drei<br />
Kulturen aufeinander, drei<br />
Philosophien der Land- und<br />
Fortwirtschaft. <br />
sh