ABSOLVENTEN BEGEISTERN - Sparkassenzeitung
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34<br />
PERSPEKTIVEN<br />
BÖRSENFUSION – GASTBEITRAG<br />
Warnung vor dem<br />
Ausverkauf<br />
Die geplante faktische Übernahme der Deutsche Börse AG durch die NYSE Euronext hätte schwere<br />
Nachteile für den Finanzplatz Deutschland, schreibt Professor Ulrich Burgard, Direktor des Forschungszentrums<br />
für Sparkassenentwicklung (FZSE). Die Sparkassen wären hiervon besonders<br />
betroffen. Wie Burgard in einem Gutachten dargelegt hat, könne die hessische Börsenaufsichtsbehörde<br />
das Vorhaben noch untersagen. Darin gelte es die Entscheidungsträger zu bestärken.<br />
Um die Bedeutung des Zusammenschlussvorhabens<br />
einschätzen zu<br />
können, muss man sich zunächst die<br />
Bedeutung der Deutschen Börse vor Augen<br />
führen. Die Deutsche Börse AG ist<br />
Trägerin der Frankfurter Wertpapierbörse<br />
(FWB), der mit weitem Abstand<br />
bedeutendsten deutschen Börse. In<br />
Deutschland hat der Xetra-Handel einen<br />
Marktanteil von 90 Prozent. Fast alle nationalen<br />
Börsengänge finden in Frankfurt<br />
statt.<br />
Darüber hinaus ist die FWB die einzige<br />
international bedeutende Börse im gesamten<br />
Euroraum. Zwar musste sie in<br />
letzter Zeit Marktanteile an multilaterale<br />
Handelssysteme (MTF), insbesondere<br />
ChiX, abgeben. Den Euronext-Börsen<br />
(Paris, Amsterdam, Brüssel, Lissabon)<br />
unter der Führung der New York Stock<br />
Exchange (NYSE) geht es jedoch insofern<br />
keinesfalls besser. Und im Gegensatz zu<br />
den MTFs erzielt die Deutsche Börse im<br />
Xetra-Segment immer noch schöne Gewinne.<br />
Den Preiskampf hat sie also noch<br />
gar nicht mit aller Konsequenz aufgenommen.<br />
Dabei ist die Deutsche Börse nicht nur<br />
Trägerin der FWB, sondern herrschendes<br />
Unternehmen eines Börsenkonzerns, der<br />
insbesondere mit der Eurex-Börse auch<br />
im höchst profitablen Derivatehandel<br />
führend ist und der über ein integriertes<br />
Geschäftsmodell verfügt, das die gleichfalls<br />
sehr profitable Abwicklung von<br />
Wertpapiergeschäften und die noch gewinnträchtigere<br />
Verwahrung von Wertpapieren<br />
umfasst.<br />
Die Tochtergesellschaft Clearstream<br />
verwahrt Wertpapiere im Wert von<br />
10.000 Mrd. Euro und erzielt einen Gewinn<br />
von 60 Prozent auf ihr Eigenkapital.<br />
Auf Gewinne aus dem Xetra-Handel ist<br />
die Deutsche Börse daher nicht angewiesen.<br />
Für den intensiver werdenden Wettbewerb<br />
ist sie mithin bestens gerüstet,<br />
und zwar besser als ihre Wettbewerber,<br />
was sich auch an ihrem Marktwert zeigt:<br />
Ausweislich eigener Angaben war sie am<br />
Tag vor Bekanntwerden des Zusammenschlussvorhabens<br />
mehr als doppelt so<br />
viel wert wie die NYSE Euronext, was sich<br />
freilich in dem vereinbarten Zusammenschluss<br />
ganz und gar nicht widerspiegelt.<br />
Aus Sicht des Finanzplatzes ist ferner<br />
daran zu erinnern, dass die FWB mit<br />
der Bundesbank und der Europäischen<br />
Zentralbank die Keimzelle der Bedeutung<br />
von Frankfurt ist. Die Deutsche<br />
Börse zählt zu den Eckpfeilern dieser für<br />
Deutschland zentralen Wirtschaftsregion.<br />
Es steht also sehr viel auf dem Spiel.<br />
Doch gibt das dem Staat das Recht, den<br />
Zusammenschluss zu untersagen?<br />
Börsenbetrieb ist Staatsaufgabe<br />
Wegen der überragenden infrastrukturellen<br />
und gesamtwirtschaftlichen Bedeutung<br />
ist der Börsenbetrieb nach deutschem<br />
Recht eine Staatsaufgabe der Bundesländer.<br />
Die Börsen, also auch die FWB und die<br />
Eurex, sind daher, was viele nicht wissen,<br />
Anstalten des öffentlichen Rechts. Sie sind<br />
damit Teil der Staatsverwaltung. Dementsprechend<br />
hat das Land Hessen eine besondere<br />
Verantwortung für „seine“ Börsen<br />
und darf sie nicht den wirtschaftlichen<br />
Interessen Privater ausliefern.<br />
Das gilt umso mehr, als die Börsen<br />
nur teilrechtsfähige Anstalten sind. Sie<br />
können nur öffentlich-rechtlich, nicht<br />
aber zivilrechtlich handeln. Alle Personal-<br />
und Sachmittel müssen einer Börse<br />
daher von ihrem Träger zur Verfügung<br />
SPARKASSE DEZEMBER 2011<br />
gestellt werden. Börsen sind daher „auf<br />
Gedeih und Verderb“ auf ihren Träger angewiesen.<br />
Träger der FWB war früher die Industrie-<br />
und Handelskammer Frankfurt. Als<br />
die Kammer nicht mehr in der Lage war,<br />
die für die Elektronisierung des Handels<br />
erforderlichen Mittel aufzubringen, wurde<br />
die Deutsche Börse gegründet und mit<br />
der Trägerschaft der FWB beliehen. Die<br />
Deutsche Börse ist daher kein gewöhnliches<br />
Privatunternehmen, sondern<br />
Trägerin einer öffentlich-rechtlichen<br />
Anstalt, nämlich der FWB. Sie nimmt als<br />
solche eine Staatsaufgabe des Landes<br />
Hessen wahr und unterliegt dementsprechend<br />
besonderen öffentlich-rechtlichen<br />
Pflichten. Zu diesen Pflichten gehört<br />
nicht nur der Betrieb, sondern auch die<br />
Fortentwicklung der FWB. So steht es im<br />
Gesetz.<br />
Und da es sich dabei um eine Staatsaufgabe<br />
des Landes Hessen handelt, sieht<br />
das Gesetz vor, dass die hessische Börsenaufsichtsbehörde<br />
den Zusammenschluss<br />
untersagen kann, wenn Anhaltspunkte<br />
dafür bestehen, dass die Fortentwicklung<br />
der FWB oder der Eurex beeinträchtigt<br />
werden könnte. Die Frage ist daher, ob<br />
solche Anhaltspunkte bestehen.<br />
Der Zusammenschluss zwischen der<br />
Deutschen Börse und der NYSE Euronext<br />
soll so erfolgen, dass beide 100prozentige<br />
Tochtergesellschaften einer niederländischen<br />
Holdinggesellschaft – der hier<br />
sogenannten Holdco – werden. Zudem<br />
soll zu Lasten der Deutschen Börse ein<br />
Verlöre Frankfurt die Eigenständigkeit, ver-<br />
fügte die Eurozone über keine international<br />
bedeutende, eigenständige Börse mehr.<br />
FZSE-Direktor Prof. Ulrich Burgard