Zwischen Chance und Risiko - transparent
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Medien:<br />
<strong>Zwischen</strong> <strong>Chance</strong> <strong>und</strong> <strong>Risiko</strong><br />
„Wir brauchen Wissenschaftsjournalisten, die das Thema auch noch verfolgen,<br />
wenn sich der „Staub“ verzogen hat. Die Themen entdecken, deren Relevanz sich<br />
erst noch zeigen wird <strong>und</strong> auch dazu Geschichten zu erzählen vermögen, die die Leser,<br />
Hörer, Zuschauer fesseln.“ Doch wie realistisch ist ein solches Anforderungsprofil<br />
in einer Medienlandschaft, die einem raschen Wandel der Rahmenbedingungen<br />
gegenüber steht Christiane Götz-Sobel, ZDF-Wissenschaftsredakteurin<br />
<strong>und</strong> Vorsitzende der Wissenschaftspressekonferenz (WPK), beleuchtete auf einer<br />
von Plastics Europe gesponserten Klausur in Potsdam das Spannungsfeld<br />
zwischen Massenmedien <strong>und</strong> Wissenschaftsjournalismus.<br />
Wissenschaftsthemen haben Konjunktur<br />
– oder besser:Wissensthemen haben Konjunktur.<br />
Die Entscheidung, in Printmedien,<br />
Hörfunk <strong>und</strong> Fernsehen Angebote mit dem<br />
Begriff „Wissen“ statt „Wissenschaft“ zu<br />
charakterisieren, beschreibt einen Trend. Es<br />
rücken Themen in den Mittelpunkt, die<br />
unmittelbar an Erfahrungen <strong>und</strong> Interessen<br />
der Mediennutzer anknüpfen, ihnen Mehrwert<br />
versprechen <strong>und</strong> sich nicht in erster<br />
Linie an Neuem aus der Wissenschaft orientieren.Wissensthemen<br />
haben so ein breites<br />
Publikum in ihren Bann gezogen – zu<br />
Lasten der Qualität, wie skeptische Beobachter<br />
sogleich vermelden. Besonders in<br />
deren Fokus: Massenmedien, allen voran das<br />
Fernsehen. Diese Kritik provoziert aber<br />
zugleich die Frage:Was soll – was kann die<br />
Berichterstattung durch Wissenschaftsjournalisten<br />
in Massenmedien leisten<br />
Wissensthemen sind schon längst über<br />
Ressortgrenzen hinaus populär geworden.<br />
Vor zwanzig Jahren galten Wissenschaftsjournalisten<br />
weithin als Exoten. Oftmals<br />
verstanden die Kolleginnen <strong>und</strong> Kollegen<br />
aus Politik <strong>und</strong> Wirtschaft nicht recht,<br />
wovon „die aus dem Wissenschaftsressort“<br />
berichteten.Wissenschaftsjournalisten standen<br />
den (Natur-) Wissenschaften meist<br />
näher als dem Journalismus. Viele verstanden<br />
sich eher als Übersetzer wissenschaftlicher<br />
Sachverhalte in eine für interessierte<br />
Laien verständliche Sprache denn als<br />
kritisch nachfragende Beobachter von Entwicklungen.<br />
In den 80-er <strong>und</strong> 90-er Jahren<br />
markieren Katastrophenberichte wie die<br />
über den durchgebrannten Reaktorblock von<br />
Tschernobyl oder die Verbreitung der Rinderseuche<br />
BSE einen Wandel: In der Öffentlichkeit<br />
wächst das Misstrauen gegenüber<br />
Verlautbarungen von Interessenvertretern.<br />
Gefordert sind Journalisten mit Sachkompetenz<br />
<strong>und</strong> Urteilsvermögen, die hinterfragen,<br />
aufdecken, einordnen, aufklären.<br />
Heute, 20 Jahre später, stehen Wissenschaftsjournalisten<br />
vor neuen, ganz anderen<br />
Herausforderungen. In den Redaktionen:<br />
Personalabbau <strong>und</strong> Arbeitsverdichtung, bei<br />
den Freien: Wettbewerb um die besten<br />
Geschichten <strong>und</strong> Kampf selbst um schlecht<br />
bezahlte Aufträge. Nicht immer wird die<br />
sorgfältige Recherche, das Ausleuchten von<br />
Hintergründen <strong>und</strong> Zusammenhängen nachgefragt,<br />
geschweige denn angemessen honoriert<br />
<strong>und</strong> mehr geschätzt, als die schnelle,<br />
unterhaltsame „Story“ oder der mit heißer<br />
Nadel gestrickte „Aufreger“. Gefragt ist oft<br />
der „Just-in-Time-Journalismus“: mit dem<br />
richtigen Riecher möglichst schnell das aktuelle<br />
Interesse der Nutzer erspüren <strong>und</strong><br />
die passende Geschichte so rasch liefern,<br />
dass sie auf einer gerade heranrollenden<br />
Themen-Welle mitschwimmen kann. Eine<br />
Strategie, die sich an kurzfristigen Erfolgen<br />
orientiert. Eine nachhaltige Wirkung, eine<br />
Orientierung in der Informationsflut zu ei-
<strong>Zwischen</strong> <strong>Chance</strong> <strong>und</strong> <strong>Risiko</strong><br />
nem virulenten Thema lässt sich so nur selten<br />
erzielen. Aber: Verlangen Mediennutzer<br />
– Massenmediennutzer – danach<br />
Informationen sind heute aus vielfältigen<br />
Quellen jederzeit an – fast – jedem Ort verfügbar.<br />
Elektronische Medien eröffnen ihren<br />
Nutzern – überwiegend jüngere als diejenige<br />
der klassischen Medien – den Zugang zu<br />
einer schier unüberschaubaren Datenflut.<br />
Jeder Nutzer wird zum Rechercheur in<br />
eigener Sache, der die Informationsangebote<br />
nach seinen persönlichen Interessen<br />
durchforstet. Eine besondere Herausforderung<br />
bestünde darin, nicht nur die relevanten<br />
Informationen zu finden, sondern sie zu<br />
filtern <strong>und</strong> die Güte der Quellen zu beurteilen.<br />
Für viele mag ein Blick etwa auf die<br />
Seiten von Wikipedia genügen, das momentane<br />
Interesse zu befriedigen. Anerkennung<br />
für die journalistische Recherche <strong>und</strong> Bewertung<br />
von Informationen entsteht erst,<br />
wenn die Bedürfnisse weiter reichen: bei<br />
dem Wunsch nach Informationen, die nicht<br />
unmittelbar zugänglich sind, bei dem Verlangen<br />
nach verlässlichen Orientierungshilfen,<br />
nach unabhängiger Einordnung, die eine<br />
gewisse Sachkompetenz voraussetzt.<br />
Werben um Aufmerksamkeit<br />
Was aus Sicht von Lesern, Hörern, Zuschauern<br />
relevant ist, wird bestimmt durch<br />
persönliche Interessen, individuelle Erfahrungen,<br />
durch Bezug zu Themen, die gerade<br />
im Gespräch sind. Berichte von Journalisten,<br />
von Wissenschaftsjournalisten, die sich<br />
Christiane Götz-Sobel
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an einem aktuellen oder wenigstens latent<br />
aktuellen Thema orientieren, haben daher<br />
gute <strong>Chance</strong>n, von einem breiten Publikum<br />
wahrgenommen zu werden. Die Kehrseite:<br />
Berichten viele in allen Medien über dieselben<br />
Themen, beginnt der Wettbewerb um<br />
die Aufmerksamkeit der Nutzer.Wo gibt es<br />
„Für viele mag ein Blick<br />
etwa auf die Seiten<br />
von Wikipedia genügen,<br />
das momentane<br />
Interesse zu befriedigen.<br />
Anerkennung für<br />
die journalistische<br />
Recherche<br />
<strong>und</strong> Bewertung von<br />
Informationen<br />
entsteht erst, wenn<br />
die Bedürfnisse<br />
weiter reichen.“<br />
noch Neues zu entdecken Was kann in der<br />
Flut der Informationen noch überraschen<br />
Gibt es unerwartete Wendungen, Widersprüche<br />
zu bisher Berichtetem Beispiel<br />
Klimaforschung:Während Forscher Zusammenhänge<br />
im Detail studieren <strong>und</strong> Theorien<br />
aufgr<strong>und</strong> ihrer Erkenntnisse <strong>und</strong> auf der<br />
Gr<strong>und</strong>lage gewisser Annahmen formulieren,<br />
werden in Massenmedien daraus Szenarien,<br />
mit denen stetig neu um Aufmerksamkeit<br />
für das Thema geworben wird. Gleichen sich<br />
die Botschaften über längere Zeit, gewinnen<br />
diejenigen an öffentlichem Interesse, die<br />
etwas anderes, womöglich Gegensätzliches<br />
propagieren.Tillmann Hornschuh, Soziologe<br />
an der Universität Bielefeld zur Klimadebatte:<br />
„Die skeptische Kommunikation ist als Nachricht<br />
attraktiv. Die von den Medien noch<br />
einmal extrem vereinfachten <strong>und</strong> zugespitzten<br />
katastrophenpädagogischen Warnungen<br />
der Klimaforscher verdecken die unvermeidbare<br />
Unsicherheit des Wissens bei den Aussagen<br />
über langfristige Klimaänderungen. ...<br />
das volle Gewicht politisch riskanter Entscheidungen<br />
großer Tragweite scheint dabei<br />
auf den Schultern der Klimawissenschaft zu<br />
ruhen. ... Der skeptische Diskurs <strong>und</strong> seine<br />
Behauptung der „Klimalüge“ bieten Medien<br />
eine Profilierungschance im Wettbewerb<br />
<strong>und</strong> eine zusätzliche Sensation, welche die<br />
ausgereizte Sensation der Katastrophe ergänzen,<br />
vielleicht aber, durch die Provokation<br />
neuer Warnungen <strong>und</strong> Appelle, auch<br />
neu anheizen kann.“ (In WPK-Quarterly<br />
2/2007, der vierteljährlichen Publikation der<br />
Wissenschafts-Pressekonferenz, nachzulesen<br />
unter www.wpk.org.) Es besteht die Gefahr,<br />
dass das Publikum des Themas müde<br />
wird. Womöglich findet eine Auseinandersetzung<br />
mit neuen relevanten Entwicklungen<br />
schließlich gar nicht mehr statt.<br />
Wissenschaftsjournalisten sollte es gelingen,<br />
auch dann noch Wege zu finden, diese<br />
„Immunisierung“ zu überwinden <strong>und</strong> den<br />
wesentlichen Kern des Themas neu herauszuschälen.<br />
Dazu braucht es Kolleginnen <strong>und</strong><br />
Kollegen, die die Bedeutung aktueller Erkenntnisse<br />
zu beurteilen verstehen. Wir<br />
brauchen Wissenschaftsjournalisten, die das<br />
Thema noch verfolgen, selbst wenn die<br />
Welle des breiten Interesses schon darüber<br />
hinweg gerollt ist. Die, wenn sich der „Staub“<br />
verzogen hat, die Konturen analysieren <strong>und</strong><br />
die Bedeutung in neuen Zusammenhängen<br />
erkennen. Die, die Themen entdecken, deren<br />
Relevanz sich erst noch zeigen wird <strong>und</strong><br />
auch dazu Geschichten zu erzählen vermögen,<br />
die die Leser, Hörer, Zuschauer der vielfältigen<br />
Wissens-Angebote fesseln.<br />
Auf welche Weise <strong>und</strong> mit welcher Tiefe<br />
an Fachwissen dies geschieht, hängt entscheidend<br />
ab von der Zielgruppe, die die jeweiligen<br />
Formate erreichen wollen.<br />
Wissenschaft für Millionen im TV<br />
„Das, was ihr im Fernsehen bringt, ist<br />
doch oberflächlich, oftmals sachlich falsch,<br />
zumindest einseitig <strong>und</strong> wird wissenschaftlichen<br />
Themen nicht gerecht.“ So oder ähnlich<br />
lauten r<strong>und</strong> heraus geäußerte Meinungen,<br />
die gelegentlich von wissenschaftlicher<br />
Seite zu hören sind. Manchmal haben die<br />
Kritiker lange keine Informationssendungen<br />
– außer vielleicht den täglichen Nachrichtensendungen<br />
– mehr gesehen, kennen<br />
die in den vergangenen Jahren ausgestrahlten<br />
Wissensprogramme so gut wie gar<br />
nicht. Für ein solches Pauschalurteil genügt<br />
manchem offensichtlich das häufig kolportierte<br />
Bild vom Fernsehen als „oberflächlichem<br />
Medium“. Je jünger die Gesprächspartner<br />
aus der Wissenschaft, umso seltener<br />
ist allerdings ein solches Pauschalurteil<br />
zu vernehmen. Und: je weniger wissenschaftsnah<br />
ein kritischer TV-Nutzer, umso<br />
positiver scheint die Einschätzung von Wissenschafts-<br />
bzw.Wissenssendungen.<br />
Umfragen bestätigen immer wieder eine<br />
herausragende Rolle des Mediums Fernsehen:<br />
Schon ein Blick auf die Entwicklung<br />
der Mediennutzungsdauer unterstreicht den<br />
Stellenwert des TV in deutschen Haushalten:<br />
1980 lag die Nutzungsdauer des Fernsehens<br />
bei 125 Minuten täglich, 38 Minuten<br />
widmete man am Tag einer Tageszeitung. Im<br />
Jahr 2000 machte die TV-Nutzung täglich<br />
185 Minuten aus, die Tageszeitung nahm noch<br />
30 Minuten in Anspruch. 2006 wurde eine
<strong>Zwischen</strong> <strong>Chance</strong> <strong>und</strong> <strong>Risiko</strong><br />
tägliche TV-Nutzung von 227 Minuten ermittelt.Aber:Was<br />
heißt das Welche Schlussfolgerungen<br />
lässt diese Erhebung zu Sicher<br />
wird kaum jemand dreieinhalb St<strong>und</strong>en täglich<br />
konzentriert vor dem Bildschirm sitzen<br />
<strong>und</strong> begierig Informationen aufsaugen, um<br />
sich ein Bild von den bedeutsamen Entwicklungen<br />
r<strong>und</strong> um den Globus zu machen.<br />
„Dort, wo man Qualität –<br />
inhaltlich wie gestalterisch<br />
– wirklich sichern will,<br />
sollte man nicht<br />
in die Falle kurzzeitiger<br />
Erfolge tappen.“<br />
Das Fernsehen ist in vielen Haushalten über<br />
weite Strecken auch „Nebenbei-Medium“:<br />
Je nach Uhrzeit wird nebenbei gearbeitet,<br />
gegessen, gestritten, ... . Dennoch Interesse<br />
zu wecken, Aufmerksamkeit zu binden <strong>und</strong><br />
Inhalte „rüber zu bringen“ ist das, was die<br />
Macher von Wissenssendungen im Blick<br />
haben, wenn sie über Themen <strong>und</strong> Erzählweisen<br />
nachdenken. Und: Sie denken dabei<br />
nicht an Experten oder an Wissenschaftsthemen<br />
besonders Interessierte. „Mit der<br />
Qualität der Sendungen im Fernsehen geht<br />
es stetig begrab“, so eine häufig geäußerte<br />
Kritik. Unter „Qualität“ im Zusammenhang<br />
mit Wissens-(Wissenschafts-)sendungen wird<br />
dann in der Regel verstanden: weiter reichende<br />
Informationen zu den behandelten<br />
Themen, tiefer reichende Einblicke <strong>und</strong> Erklärungen,<br />
als dies heute in den einschlägigen<br />
Sendungen der Fall ist. Die Kritiker erinnern<br />
sich üblicherweise an mehr Wissenschaftlichkeit<br />
in den früheren Programmangeboten.<br />
Aber: Wer würde sich eingestehen,<br />
dass er heute Wissenschaftssendungen, die<br />
zwanzig oder auch nur zehn Jahre alt sind,<br />
als „langweilig“ empfinden, sie vielleicht nur<br />
noch mal mit einem Anflug von Nostalgie<br />
anschauen oder doch mit der<br />
Fernbedienung innerhalb von Sek<strong>und</strong>en<br />
wegzappen würde Es sei<br />
denn, es handelt sich um einen<br />
bekennenden TV-Muffel. Nicht<br />
nur die Zugangsmöglichkeiten zu<br />
Informationen, auch die Sehgewohnheiten<br />
haben sich in den<br />
vergangenen Jahren gewandelt.<br />
Dies zu ignorieren hieße, sich<br />
unumkehrbaren Entwicklungen zu<br />
verweigern <strong>und</strong> die <strong>Chance</strong>n, die<br />
das Medium auch für Wissenschaftsthemen<br />
heute bietet, nicht zu nutzen. Sicher, es ist<br />
schwieriger geworden, in der Fülle der Angebote<br />
wahrgenommen zu werden. Das hat<br />
Konsequenzen – inhaltlich wie formal.<br />
Wie nachhaltig ist<br />
der Wissenserwerb<br />
In Umfragen geben 60 Prozent der Befragten<br />
an, ihre Kenntnisse über Wissenschaft<br />
(Wissen) aus dem Fernsehen zu<br />
beziehen.Welche Kenntnisse damit gemeint<br />
sind, bleibt offen. Ist es das „Aha-Erlebnis“,<br />
das sich einstellt, wenn man erfährt, wie die<br />
Zahnpasta in die Tube kommt Ist es der<br />
Einblick in die Möglichkeiten forensischer<br />
Techniken bei der Verbrechensaufklärung<br />
(u.U. „gelernt“ im Verlauf eines Krimis) Ist<br />
es das Wissen um die Argumente in der Klimadebatte<br />
Vermutlich wird all das unter<br />
dem persönlichen Wissensbegriff subsumiert.<br />
Wie nachhaltig der Wissenserwerb ist, wie<br />
relevant für die Beurteilung wichtiger Entwicklungen<br />
oder wie bedeutsam für die Bewältigung<br />
individueller Aufgaben, bleibt im<br />
Dunkeln. Ebenso lässt sich nicht entscheiden,<br />
ob etwa die täglichen Nachrichten,<br />
Lifestyle-Magazine, Dokumentationen oder<br />
ausgewiesene Wissensformate als Quelle<br />
des Wissens gelten können. Zumal Wissensthemen<br />
auch im TV schon längst über<br />
die Grenzen der klassischen Wissenschaftsressorts<br />
hinaus gewandert sind. Dieser<br />
Trend bedeutet gleichzeitig, dass Wissensthemen<br />
auch von Autoren bearbeitet werden,<br />
die sich eher nicht als Wissenschaftsjournalisten<br />
verstehen. Wissensthemen finden so<br />
aber den Weg zu einem Publikum, das üblicherweise<br />
um ausgewiesene Wissenssendungen<br />
herum zappt. Dass auch dort, wo<br />
nicht explizit „Wissen“ annonciert wird,<br />
dennoch journalistische Kompetenz gefragt<br />
<strong>und</strong> gefordert ist, beispielsweise um nicht<br />
interessengeleiteten Quellen aufzusitzen,<br />
oder sich ungeprüft auf einen „Mainstream“<br />
einzulassen, sollte selbstverständlich sein.<br />
Auch dürfte es aus keiner Redaktion Berichte<br />
geben, die offensichtlich jeden Sachverstand<br />
entbehren, wie etwa über die<br />
schon legendäre „genfreie Tomate“.<br />
Wissensformate, die auf ein Millionenpublikum<br />
zielen, kommen nicht umhin,<br />
Themen so auszuwählen <strong>und</strong> aufzubereiten,<br />
dass sie auch Menschen ohne Affinität<br />
zu wissenschaftlichen Themen ansprechen.<br />
Manchem mag das zu wenig sein: zu wenig<br />
wissenschaftlich, zu wenig gesellschaftlich
<strong>transparent</strong> 29<br />
relevant, zu wenig substanziell. Doch es<br />
sind Herangehensweisen, mit denen es<br />
gelingt, wissenschaftliche Themen einem<br />
Millionenpublikum näher zu bringen. Und<br />
das ist nicht wenig.<br />
Qualität im<br />
Wissenschaftsjournalismus<br />
Was macht nun „Qualität im Wissenschaftsjournalismus<br />
aus – Korrektheit <strong>und</strong><br />
Unabhängigkeit der Berichterstattung als<br />
solcher vorausgesetzt Je nach Medium <strong>und</strong><br />
Zielgruppe mögen die Antworten unterschiedlich<br />
ausfallen.<br />
Unabhängig vom jeweiligen Medium ist<br />
für Matthias Kohring, Medienwissenschaftler<br />
von der Universität Jena, eines essentiell:<br />
„... die Qualität des Wissenschaftsjournalismus<br />
(ist) nicht primär an der Zielvorgabe<br />
der Wissensvermittlung von der Wissenschaft<br />
in die Gesellschaft zu messen ..., (die)<br />
Vermittlung findet ... mit Bezug auf die<br />
Bedürfnisse des Publikums statt, <strong>und</strong> das<br />
unterscheidet sie deutlich von den alten<br />
„Wer würde sich eingestehen, dass er<br />
heute Wissenschaftssendungen, die zwanzig oder<br />
auch nur zehn Jahre alt sind, als „langweilig“<br />
empfinden, sie vielleicht nur noch<br />
mal mit einem Anflug von Nostalgie anschauen<br />
oder doch mit der Fernbedienung<br />
innerhalb von Sek<strong>und</strong>en wegzappen würde“<br />
Konzepten einer hierarchischen Wissenschaftskommunikation.“<br />
(aus einem Vortrag,<br />
gehalten im Rahmen der WissensWerte,<br />
Bremer Forum für Wissenschaftsjournalisten,<br />
November 2006, dokumentiert im WPK-<br />
Quarterly, Ausgabe I/2006) Dazu braucht es<br />
fachliche <strong>und</strong> journalistische Kompetenz. Es<br />
mag verführerisch sein – <strong>und</strong> ein verlockender<br />
Weg, Kostendruck zu begegnen –, sich<br />
mit Erfolgen eines „Just-in-Time-Journalismus“<br />
zu begnügen. Dort, wo man Qualität –<br />
inhaltlich wie gestalterisch – wirklich sichern<br />
will, sollte man nicht in die Falle kurzzeitiger<br />
Erfolge tappen. Sie sind wie ein Strohfeuer,<br />
das Interesse an wichtigen Themen verbrennen<br />
kann. Die „Aufhänger“ zu finden, die<br />
relevante, zunächst vielleicht aber abstrakt<br />
erscheinende Themen zur Sache vieler machen,<br />
die wichtige neue Erkenntnisse so<br />
präsentieren, dass neues Licht auf scheinbar<br />
Altbekanntes fällt, die die Brücken zu den<br />
Interessen der Menschen bauen, das gehört<br />
mehr den je zu den Herausforderungen für<br />
Wissenschaftsjournalisten heute.