07.01.2015 Aufrufe

Zwischen Chance und Risiko - transparent

Zwischen Chance und Risiko - transparent

Zwischen Chance und Risiko - transparent

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

<strong>transparent</strong> 25<br />

Medien:<br />

<strong>Zwischen</strong> <strong>Chance</strong> <strong>und</strong> <strong>Risiko</strong><br />

„Wir brauchen Wissenschaftsjournalisten, die das Thema auch noch verfolgen,<br />

wenn sich der „Staub“ verzogen hat. Die Themen entdecken, deren Relevanz sich<br />

erst noch zeigen wird <strong>und</strong> auch dazu Geschichten zu erzählen vermögen, die die Leser,<br />

Hörer, Zuschauer fesseln.“ Doch wie realistisch ist ein solches Anforderungsprofil<br />

in einer Medienlandschaft, die einem raschen Wandel der Rahmenbedingungen<br />

gegenüber steht Christiane Götz-Sobel, ZDF-Wissenschaftsredakteurin<br />

<strong>und</strong> Vorsitzende der Wissenschaftspressekonferenz (WPK), beleuchtete auf einer<br />

von Plastics Europe gesponserten Klausur in Potsdam das Spannungsfeld<br />

zwischen Massenmedien <strong>und</strong> Wissenschaftsjournalismus.<br />

Wissenschaftsthemen haben Konjunktur<br />

– oder besser:Wissensthemen haben Konjunktur.<br />

Die Entscheidung, in Printmedien,<br />

Hörfunk <strong>und</strong> Fernsehen Angebote mit dem<br />

Begriff „Wissen“ statt „Wissenschaft“ zu<br />

charakterisieren, beschreibt einen Trend. Es<br />

rücken Themen in den Mittelpunkt, die<br />

unmittelbar an Erfahrungen <strong>und</strong> Interessen<br />

der Mediennutzer anknüpfen, ihnen Mehrwert<br />

versprechen <strong>und</strong> sich nicht in erster<br />

Linie an Neuem aus der Wissenschaft orientieren.Wissensthemen<br />

haben so ein breites<br />

Publikum in ihren Bann gezogen – zu<br />

Lasten der Qualität, wie skeptische Beobachter<br />

sogleich vermelden. Besonders in<br />

deren Fokus: Massenmedien, allen voran das<br />

Fernsehen. Diese Kritik provoziert aber<br />

zugleich die Frage:Was soll – was kann die<br />

Berichterstattung durch Wissenschaftsjournalisten<br />

in Massenmedien leisten<br />

Wissensthemen sind schon längst über<br />

Ressortgrenzen hinaus populär geworden.<br />

Vor zwanzig Jahren galten Wissenschaftsjournalisten<br />

weithin als Exoten. Oftmals<br />

verstanden die Kolleginnen <strong>und</strong> Kollegen<br />

aus Politik <strong>und</strong> Wirtschaft nicht recht,<br />

wovon „die aus dem Wissenschaftsressort“<br />

berichteten.Wissenschaftsjournalisten standen<br />

den (Natur-) Wissenschaften meist<br />

näher als dem Journalismus. Viele verstanden<br />

sich eher als Übersetzer wissenschaftlicher<br />

Sachverhalte in eine für interessierte<br />

Laien verständliche Sprache denn als<br />

kritisch nachfragende Beobachter von Entwicklungen.<br />

In den 80-er <strong>und</strong> 90-er Jahren<br />

markieren Katastrophenberichte wie die<br />

über den durchgebrannten Reaktorblock von<br />

Tschernobyl oder die Verbreitung der Rinderseuche<br />

BSE einen Wandel: In der Öffentlichkeit<br />

wächst das Misstrauen gegenüber<br />

Verlautbarungen von Interessenvertretern.<br />

Gefordert sind Journalisten mit Sachkompetenz<br />

<strong>und</strong> Urteilsvermögen, die hinterfragen,<br />

aufdecken, einordnen, aufklären.<br />

Heute, 20 Jahre später, stehen Wissenschaftsjournalisten<br />

vor neuen, ganz anderen<br />

Herausforderungen. In den Redaktionen:<br />

Personalabbau <strong>und</strong> Arbeitsverdichtung, bei<br />

den Freien: Wettbewerb um die besten<br />

Geschichten <strong>und</strong> Kampf selbst um schlecht<br />

bezahlte Aufträge. Nicht immer wird die<br />

sorgfältige Recherche, das Ausleuchten von<br />

Hintergründen <strong>und</strong> Zusammenhängen nachgefragt,<br />

geschweige denn angemessen honoriert<br />

<strong>und</strong> mehr geschätzt, als die schnelle,<br />

unterhaltsame „Story“ oder der mit heißer<br />

Nadel gestrickte „Aufreger“. Gefragt ist oft<br />

der „Just-in-Time-Journalismus“: mit dem<br />

richtigen Riecher möglichst schnell das aktuelle<br />

Interesse der Nutzer erspüren <strong>und</strong><br />

die passende Geschichte so rasch liefern,<br />

dass sie auf einer gerade heranrollenden<br />

Themen-Welle mitschwimmen kann. Eine<br />

Strategie, die sich an kurzfristigen Erfolgen<br />

orientiert. Eine nachhaltige Wirkung, eine<br />

Orientierung in der Informationsflut zu ei-


<strong>Zwischen</strong> <strong>Chance</strong> <strong>und</strong> <strong>Risiko</strong><br />

nem virulenten Thema lässt sich so nur selten<br />

erzielen. Aber: Verlangen Mediennutzer<br />

– Massenmediennutzer – danach<br />

Informationen sind heute aus vielfältigen<br />

Quellen jederzeit an – fast – jedem Ort verfügbar.<br />

Elektronische Medien eröffnen ihren<br />

Nutzern – überwiegend jüngere als diejenige<br />

der klassischen Medien – den Zugang zu<br />

einer schier unüberschaubaren Datenflut.<br />

Jeder Nutzer wird zum Rechercheur in<br />

eigener Sache, der die Informationsangebote<br />

nach seinen persönlichen Interessen<br />

durchforstet. Eine besondere Herausforderung<br />

bestünde darin, nicht nur die relevanten<br />

Informationen zu finden, sondern sie zu<br />

filtern <strong>und</strong> die Güte der Quellen zu beurteilen.<br />

Für viele mag ein Blick etwa auf die<br />

Seiten von Wikipedia genügen, das momentane<br />

Interesse zu befriedigen. Anerkennung<br />

für die journalistische Recherche <strong>und</strong> Bewertung<br />

von Informationen entsteht erst,<br />

wenn die Bedürfnisse weiter reichen: bei<br />

dem Wunsch nach Informationen, die nicht<br />

unmittelbar zugänglich sind, bei dem Verlangen<br />

nach verlässlichen Orientierungshilfen,<br />

nach unabhängiger Einordnung, die eine<br />

gewisse Sachkompetenz voraussetzt.<br />

Werben um Aufmerksamkeit<br />

Was aus Sicht von Lesern, Hörern, Zuschauern<br />

relevant ist, wird bestimmt durch<br />

persönliche Interessen, individuelle Erfahrungen,<br />

durch Bezug zu Themen, die gerade<br />

im Gespräch sind. Berichte von Journalisten,<br />

von Wissenschaftsjournalisten, die sich<br />

Christiane Götz-Sobel


<strong>transparent</strong> 27<br />

an einem aktuellen oder wenigstens latent<br />

aktuellen Thema orientieren, haben daher<br />

gute <strong>Chance</strong>n, von einem breiten Publikum<br />

wahrgenommen zu werden. Die Kehrseite:<br />

Berichten viele in allen Medien über dieselben<br />

Themen, beginnt der Wettbewerb um<br />

die Aufmerksamkeit der Nutzer.Wo gibt es<br />

„Für viele mag ein Blick<br />

etwa auf die Seiten<br />

von Wikipedia genügen,<br />

das momentane<br />

Interesse zu befriedigen.<br />

Anerkennung für<br />

die journalistische<br />

Recherche<br />

<strong>und</strong> Bewertung von<br />

Informationen<br />

entsteht erst, wenn<br />

die Bedürfnisse<br />

weiter reichen.“<br />

noch Neues zu entdecken Was kann in der<br />

Flut der Informationen noch überraschen<br />

Gibt es unerwartete Wendungen, Widersprüche<br />

zu bisher Berichtetem Beispiel<br />

Klimaforschung:Während Forscher Zusammenhänge<br />

im Detail studieren <strong>und</strong> Theorien<br />

aufgr<strong>und</strong> ihrer Erkenntnisse <strong>und</strong> auf der<br />

Gr<strong>und</strong>lage gewisser Annahmen formulieren,<br />

werden in Massenmedien daraus Szenarien,<br />

mit denen stetig neu um Aufmerksamkeit<br />

für das Thema geworben wird. Gleichen sich<br />

die Botschaften über längere Zeit, gewinnen<br />

diejenigen an öffentlichem Interesse, die<br />

etwas anderes, womöglich Gegensätzliches<br />

propagieren.Tillmann Hornschuh, Soziologe<br />

an der Universität Bielefeld zur Klimadebatte:<br />

„Die skeptische Kommunikation ist als Nachricht<br />

attraktiv. Die von den Medien noch<br />

einmal extrem vereinfachten <strong>und</strong> zugespitzten<br />

katastrophenpädagogischen Warnungen<br />

der Klimaforscher verdecken die unvermeidbare<br />

Unsicherheit des Wissens bei den Aussagen<br />

über langfristige Klimaänderungen. ...<br />

das volle Gewicht politisch riskanter Entscheidungen<br />

großer Tragweite scheint dabei<br />

auf den Schultern der Klimawissenschaft zu<br />

ruhen. ... Der skeptische Diskurs <strong>und</strong> seine<br />

Behauptung der „Klimalüge“ bieten Medien<br />

eine Profilierungschance im Wettbewerb<br />

<strong>und</strong> eine zusätzliche Sensation, welche die<br />

ausgereizte Sensation der Katastrophe ergänzen,<br />

vielleicht aber, durch die Provokation<br />

neuer Warnungen <strong>und</strong> Appelle, auch<br />

neu anheizen kann.“ (In WPK-Quarterly<br />

2/2007, der vierteljährlichen Publikation der<br />

Wissenschafts-Pressekonferenz, nachzulesen<br />

unter www.wpk.org.) Es besteht die Gefahr,<br />

dass das Publikum des Themas müde<br />

wird. Womöglich findet eine Auseinandersetzung<br />

mit neuen relevanten Entwicklungen<br />

schließlich gar nicht mehr statt.<br />

Wissenschaftsjournalisten sollte es gelingen,<br />

auch dann noch Wege zu finden, diese<br />

„Immunisierung“ zu überwinden <strong>und</strong> den<br />

wesentlichen Kern des Themas neu herauszuschälen.<br />

Dazu braucht es Kolleginnen <strong>und</strong><br />

Kollegen, die die Bedeutung aktueller Erkenntnisse<br />

zu beurteilen verstehen. Wir<br />

brauchen Wissenschaftsjournalisten, die das<br />

Thema noch verfolgen, selbst wenn die<br />

Welle des breiten Interesses schon darüber<br />

hinweg gerollt ist. Die, wenn sich der „Staub“<br />

verzogen hat, die Konturen analysieren <strong>und</strong><br />

die Bedeutung in neuen Zusammenhängen<br />

erkennen. Die, die Themen entdecken, deren<br />

Relevanz sich erst noch zeigen wird <strong>und</strong><br />

auch dazu Geschichten zu erzählen vermögen,<br />

die die Leser, Hörer, Zuschauer der vielfältigen<br />

Wissens-Angebote fesseln.<br />

Auf welche Weise <strong>und</strong> mit welcher Tiefe<br />

an Fachwissen dies geschieht, hängt entscheidend<br />

ab von der Zielgruppe, die die jeweiligen<br />

Formate erreichen wollen.<br />

Wissenschaft für Millionen im TV<br />

„Das, was ihr im Fernsehen bringt, ist<br />

doch oberflächlich, oftmals sachlich falsch,<br />

zumindest einseitig <strong>und</strong> wird wissenschaftlichen<br />

Themen nicht gerecht.“ So oder ähnlich<br />

lauten r<strong>und</strong> heraus geäußerte Meinungen,<br />

die gelegentlich von wissenschaftlicher<br />

Seite zu hören sind. Manchmal haben die<br />

Kritiker lange keine Informationssendungen<br />

– außer vielleicht den täglichen Nachrichtensendungen<br />

– mehr gesehen, kennen<br />

die in den vergangenen Jahren ausgestrahlten<br />

Wissensprogramme so gut wie gar<br />

nicht. Für ein solches Pauschalurteil genügt<br />

manchem offensichtlich das häufig kolportierte<br />

Bild vom Fernsehen als „oberflächlichem<br />

Medium“. Je jünger die Gesprächspartner<br />

aus der Wissenschaft, umso seltener<br />

ist allerdings ein solches Pauschalurteil<br />

zu vernehmen. Und: je weniger wissenschaftsnah<br />

ein kritischer TV-Nutzer, umso<br />

positiver scheint die Einschätzung von Wissenschafts-<br />

bzw.Wissenssendungen.<br />

Umfragen bestätigen immer wieder eine<br />

herausragende Rolle des Mediums Fernsehen:<br />

Schon ein Blick auf die Entwicklung<br />

der Mediennutzungsdauer unterstreicht den<br />

Stellenwert des TV in deutschen Haushalten:<br />

1980 lag die Nutzungsdauer des Fernsehens<br />

bei 125 Minuten täglich, 38 Minuten<br />

widmete man am Tag einer Tageszeitung. Im<br />

Jahr 2000 machte die TV-Nutzung täglich<br />

185 Minuten aus, die Tageszeitung nahm noch<br />

30 Minuten in Anspruch. 2006 wurde eine


<strong>Zwischen</strong> <strong>Chance</strong> <strong>und</strong> <strong>Risiko</strong><br />

tägliche TV-Nutzung von 227 Minuten ermittelt.Aber:Was<br />

heißt das Welche Schlussfolgerungen<br />

lässt diese Erhebung zu Sicher<br />

wird kaum jemand dreieinhalb St<strong>und</strong>en täglich<br />

konzentriert vor dem Bildschirm sitzen<br />

<strong>und</strong> begierig Informationen aufsaugen, um<br />

sich ein Bild von den bedeutsamen Entwicklungen<br />

r<strong>und</strong> um den Globus zu machen.<br />

„Dort, wo man Qualität –<br />

inhaltlich wie gestalterisch<br />

– wirklich sichern will,<br />

sollte man nicht<br />

in die Falle kurzzeitiger<br />

Erfolge tappen.“<br />

Das Fernsehen ist in vielen Haushalten über<br />

weite Strecken auch „Nebenbei-Medium“:<br />

Je nach Uhrzeit wird nebenbei gearbeitet,<br />

gegessen, gestritten, ... . Dennoch Interesse<br />

zu wecken, Aufmerksamkeit zu binden <strong>und</strong><br />

Inhalte „rüber zu bringen“ ist das, was die<br />

Macher von Wissenssendungen im Blick<br />

haben, wenn sie über Themen <strong>und</strong> Erzählweisen<br />

nachdenken. Und: Sie denken dabei<br />

nicht an Experten oder an Wissenschaftsthemen<br />

besonders Interessierte. „Mit der<br />

Qualität der Sendungen im Fernsehen geht<br />

es stetig begrab“, so eine häufig geäußerte<br />

Kritik. Unter „Qualität“ im Zusammenhang<br />

mit Wissens-(Wissenschafts-)sendungen wird<br />

dann in der Regel verstanden: weiter reichende<br />

Informationen zu den behandelten<br />

Themen, tiefer reichende Einblicke <strong>und</strong> Erklärungen,<br />

als dies heute in den einschlägigen<br />

Sendungen der Fall ist. Die Kritiker erinnern<br />

sich üblicherweise an mehr Wissenschaftlichkeit<br />

in den früheren Programmangeboten.<br />

Aber: Wer würde sich eingestehen,<br />

dass er heute Wissenschaftssendungen, die<br />

zwanzig oder auch nur zehn Jahre alt sind,<br />

als „langweilig“ empfinden, sie vielleicht nur<br />

noch mal mit einem Anflug von Nostalgie<br />

anschauen oder doch mit der<br />

Fernbedienung innerhalb von Sek<strong>und</strong>en<br />

wegzappen würde Es sei<br />

denn, es handelt sich um einen<br />

bekennenden TV-Muffel. Nicht<br />

nur die Zugangsmöglichkeiten zu<br />

Informationen, auch die Sehgewohnheiten<br />

haben sich in den<br />

vergangenen Jahren gewandelt.<br />

Dies zu ignorieren hieße, sich<br />

unumkehrbaren Entwicklungen zu<br />

verweigern <strong>und</strong> die <strong>Chance</strong>n, die<br />

das Medium auch für Wissenschaftsthemen<br />

heute bietet, nicht zu nutzen. Sicher, es ist<br />

schwieriger geworden, in der Fülle der Angebote<br />

wahrgenommen zu werden. Das hat<br />

Konsequenzen – inhaltlich wie formal.<br />

Wie nachhaltig ist<br />

der Wissenserwerb<br />

In Umfragen geben 60 Prozent der Befragten<br />

an, ihre Kenntnisse über Wissenschaft<br />

(Wissen) aus dem Fernsehen zu<br />

beziehen.Welche Kenntnisse damit gemeint<br />

sind, bleibt offen. Ist es das „Aha-Erlebnis“,<br />

das sich einstellt, wenn man erfährt, wie die<br />

Zahnpasta in die Tube kommt Ist es der<br />

Einblick in die Möglichkeiten forensischer<br />

Techniken bei der Verbrechensaufklärung<br />

(u.U. „gelernt“ im Verlauf eines Krimis) Ist<br />

es das Wissen um die Argumente in der Klimadebatte<br />

Vermutlich wird all das unter<br />

dem persönlichen Wissensbegriff subsumiert.<br />

Wie nachhaltig der Wissenserwerb ist, wie<br />

relevant für die Beurteilung wichtiger Entwicklungen<br />

oder wie bedeutsam für die Bewältigung<br />

individueller Aufgaben, bleibt im<br />

Dunkeln. Ebenso lässt sich nicht entscheiden,<br />

ob etwa die täglichen Nachrichten,<br />

Lifestyle-Magazine, Dokumentationen oder<br />

ausgewiesene Wissensformate als Quelle<br />

des Wissens gelten können. Zumal Wissensthemen<br />

auch im TV schon längst über<br />

die Grenzen der klassischen Wissenschaftsressorts<br />

hinaus gewandert sind. Dieser<br />

Trend bedeutet gleichzeitig, dass Wissensthemen<br />

auch von Autoren bearbeitet werden,<br />

die sich eher nicht als Wissenschaftsjournalisten<br />

verstehen. Wissensthemen finden so<br />

aber den Weg zu einem Publikum, das üblicherweise<br />

um ausgewiesene Wissenssendungen<br />

herum zappt. Dass auch dort, wo<br />

nicht explizit „Wissen“ annonciert wird,<br />

dennoch journalistische Kompetenz gefragt<br />

<strong>und</strong> gefordert ist, beispielsweise um nicht<br />

interessengeleiteten Quellen aufzusitzen,<br />

oder sich ungeprüft auf einen „Mainstream“<br />

einzulassen, sollte selbstverständlich sein.<br />

Auch dürfte es aus keiner Redaktion Berichte<br />

geben, die offensichtlich jeden Sachverstand<br />

entbehren, wie etwa über die<br />

schon legendäre „genfreie Tomate“.<br />

Wissensformate, die auf ein Millionenpublikum<br />

zielen, kommen nicht umhin,<br />

Themen so auszuwählen <strong>und</strong> aufzubereiten,<br />

dass sie auch Menschen ohne Affinität<br />

zu wissenschaftlichen Themen ansprechen.<br />

Manchem mag das zu wenig sein: zu wenig<br />

wissenschaftlich, zu wenig gesellschaftlich


<strong>transparent</strong> 29<br />

relevant, zu wenig substanziell. Doch es<br />

sind Herangehensweisen, mit denen es<br />

gelingt, wissenschaftliche Themen einem<br />

Millionenpublikum näher zu bringen. Und<br />

das ist nicht wenig.<br />

Qualität im<br />

Wissenschaftsjournalismus<br />

Was macht nun „Qualität im Wissenschaftsjournalismus<br />

aus – Korrektheit <strong>und</strong><br />

Unabhängigkeit der Berichterstattung als<br />

solcher vorausgesetzt Je nach Medium <strong>und</strong><br />

Zielgruppe mögen die Antworten unterschiedlich<br />

ausfallen.<br />

Unabhängig vom jeweiligen Medium ist<br />

für Matthias Kohring, Medienwissenschaftler<br />

von der Universität Jena, eines essentiell:<br />

„... die Qualität des Wissenschaftsjournalismus<br />

(ist) nicht primär an der Zielvorgabe<br />

der Wissensvermittlung von der Wissenschaft<br />

in die Gesellschaft zu messen ..., (die)<br />

Vermittlung findet ... mit Bezug auf die<br />

Bedürfnisse des Publikums statt, <strong>und</strong> das<br />

unterscheidet sie deutlich von den alten<br />

„Wer würde sich eingestehen, dass er<br />

heute Wissenschaftssendungen, die zwanzig oder<br />

auch nur zehn Jahre alt sind, als „langweilig“<br />

empfinden, sie vielleicht nur noch<br />

mal mit einem Anflug von Nostalgie anschauen<br />

oder doch mit der Fernbedienung<br />

innerhalb von Sek<strong>und</strong>en wegzappen würde“<br />

Konzepten einer hierarchischen Wissenschaftskommunikation.“<br />

(aus einem Vortrag,<br />

gehalten im Rahmen der WissensWerte,<br />

Bremer Forum für Wissenschaftsjournalisten,<br />

November 2006, dokumentiert im WPK-<br />

Quarterly, Ausgabe I/2006) Dazu braucht es<br />

fachliche <strong>und</strong> journalistische Kompetenz. Es<br />

mag verführerisch sein – <strong>und</strong> ein verlockender<br />

Weg, Kostendruck zu begegnen –, sich<br />

mit Erfolgen eines „Just-in-Time-Journalismus“<br />

zu begnügen. Dort, wo man Qualität –<br />

inhaltlich wie gestalterisch – wirklich sichern<br />

will, sollte man nicht in die Falle kurzzeitiger<br />

Erfolge tappen. Sie sind wie ein Strohfeuer,<br />

das Interesse an wichtigen Themen verbrennen<br />

kann. Die „Aufhänger“ zu finden, die<br />

relevante, zunächst vielleicht aber abstrakt<br />

erscheinende Themen zur Sache vieler machen,<br />

die wichtige neue Erkenntnisse so<br />

präsentieren, dass neues Licht auf scheinbar<br />

Altbekanntes fällt, die die Brücken zu den<br />

Interessen der Menschen bauen, das gehört<br />

mehr den je zu den Herausforderungen für<br />

Wissenschaftsjournalisten heute.

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!