Von der Reaktion zur Prävention - Leitbild für eine moderne ...
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<strong>Von</strong> <strong>der</strong> <strong>Reaktion</strong> <strong>zur</strong><br />
Prävention - <strong>Leitbild</strong> für <strong>eine</strong><br />
mo<strong>der</strong>ne Gesellschaft<br />
Studie zum Stand <strong>der</strong> Prävention in<br />
Deutschland
3<br />
Prävention in Deutschland - Es ist Zeit zu handeln!<br />
Prävention rettet Leben und sichert Lebensqualität. Angesichts <strong>der</strong> aktuellen Entwicklung von <strong>eine</strong>r<br />
altersmäßig ausgewogenen zu <strong>eine</strong>r – sollten alle Erwartungen zutreffen – überalterten Gesellschaft werden wir uns<br />
in Kürze großen volkswirtschaftlichen Problemen gegenüber sehen. Prävention und Gesundheitsför<strong>der</strong>ung werden<br />
deshalb für die Gestaltung unseres Gesundheitswesens immer wichtiger.<br />
Es geht um nicht mehr und nicht weniger als <strong>eine</strong>n Paradigmenwechsel im Gesundheitswesen.<br />
Prävention betrifft uns alle – den einzelnen Bürger, die Schulen und Kin<strong>der</strong>gärten, die Betriebe, die Ärzte, die Krankenkassen.<br />
Das kurative „Reparatur-Angebot“ des bestehenden Gesundheitswesens muss durch präventive Medizin<br />
ergänzt und Prävention fest in Erziehung, Bildung und <strong>der</strong> Aus- und Weiterbildung von Ärzten verankert werden.<br />
Mit <strong>der</strong> vorliegenden Studie haben sich die Felix Burda Stiftung und Booz Allen Hamilton zum Ziel gesetzt, den<br />
Paradigmenwechsel durch Aufzeigen konkreter Handlungsbereiche voran zu treiben. Das Projekt befasst sich mit dem<br />
Status Quo <strong>der</strong> Prävention in Deutschland, den Ursachen vorhandener Mängel sowie kurz- und langfristigen Konzepten<br />
<strong>zur</strong> Verbesserung <strong>der</strong> Lage in Deutschland.<br />
Unsere Ergebnisse verdeutlichen: Der Handlungsbedarf ist akut. Ein Großteil <strong>der</strong> vorhandenen Vorsorgeangebote<br />
wird von Experten als stark verbesserungswürdig, die Teilnahmeraten durchgehend als zu gering<br />
bewertet. Zum Handeln aufgerufen sind <strong>der</strong> einzelne Bürger sowie die verantwortlichen Akteure – insbeson<strong>der</strong>e<br />
die Politik. Wir hoffen, mit dieser Studie und den in <strong>der</strong> Folge geplanten Diskussionen <strong>eine</strong>n konstruktiven<br />
Beitrag zu <strong>eine</strong>m politisch und gesellschaftlich notwendigen Prozess zu leisten – von <strong>der</strong> <strong>Reaktion</strong> hin <strong>zur</strong> Prävention.<br />
Die Studie wurde von <strong>der</strong> Felix Burda Stiftung in Zusammenarbeit mit Booz Allen Hamilton im Rahmen <strong>eine</strong>s<br />
Pro-Bono Projektes durchgeführt. An dieser Stelle möchten wir beson<strong>der</strong>s den über 40 führenden Experten aus<br />
zahlreichen Fachgebieten danken, die Inhalte und Empfehlungen dieser Studie maßgeblich mitentwickelt und<br />
nterstützt haben. Die Auswahl an Experten beinhaltet erstmals alle in <strong>der</strong> Prävention agierenden Gruppen: Ärzte,<br />
Forscher aus unterschiedlichen Fachbereichen <strong>der</strong> Medizin, Motivationsforscher, Versorgungsforscher, Gesundheitsökonomen,<br />
Patientenvertreter und Repräsentanten gesetzlicher Krankenkassen.<br />
Dr. Christa Maar<br />
Präsidentin Felix Burda Stiftung<br />
Dr. René Perillieux<br />
Geschäftsführer Booz Allen Hamilton<br />
Die Felix Burda Stiftung setzt sich seit 2001 für die öffentliche Aufklärung über Darmkrebs und s<strong>eine</strong><br />
Vorsorge ein. Ihr Ziel ist es, Darmkrebs durch Früherkennung zu besiegen. Die Stiftung initiiert und organisiert<br />
unter an<strong>der</strong>em den „Darmkrebsmonat März“, umfangreiche Online-Angebote für Betroffene und Interessierte<br />
sowie die jährliche die Vergabe des Felix Burda Awards für herausragendes Engagement im Kampf gegen Darmkrebs.<br />
Booz Allen Hamilton, gegründet 1914, zählt mit mehr als 16.600 Mitarbeitern und Büros auf sechs Kontinenten<br />
zu den weltweit führenden Management- und Technologieberatungen. Mit umfassen<strong>der</strong> Expertise in allen Bereichen<br />
des Gesundheitswesens – sowohl im deutschsprachigen Raum als auch international – berät Booz Allen Hamilton<br />
Krankenhäuser, Versicherungsunternehmen, staatliche Aufsichtsbehörden, Träger sowie die pharmazeutische und<br />
medizintechnische Industrie.
4<br />
Inhalt<br />
1 Zusammenfassung 6<br />
2 Ziel, Inhalte und Vorgehensweise 7<br />
2.1 Ziel <strong>der</strong> Studie 7<br />
2.2 Inhalte <strong>der</strong> Studie 7<br />
2.2.1 Definitionen / Begriffliche Abgrenzung 7<br />
2.2.2 Fokus <strong>der</strong> Studie 7<br />
2.3 Methode, Vorgehensweise 8<br />
3 Potenzial <strong>der</strong> Prävention in Deutschland 8<br />
3.1 Individueller und gesellschaftlicher Nutzen 8<br />
3.2 Dringen<strong>der</strong> Handlungsbedarf 9<br />
4 Status Quo <strong>der</strong> Prävention 12<br />
4.1 Aktuelle Grundlagen und Programme 12<br />
4.1.1 Gesetzliche Grundlagen 12<br />
4.1.2 Vorhandene Programme 13<br />
4.2 Bewertung des Status Quo 13<br />
4.2.1 Programme mit hohem Handlungsbedarf 14<br />
4.2.2 Programme mit mittlerem Handlungsbedarf 15<br />
4.2.3 Programme mit geringem Handlungsbedarf 16<br />
5 Ursachen mangelhafter Prävention 17<br />
5.1 Fehlende Präventionskultur 17<br />
5.2 Fehlende Rahmenbedingungen 18<br />
5.3 Fehlende Effektivität und Effizienz 19<br />
5.3.1 Wenig Grundlagenforschung, schlechte Datenlage 19<br />
5.3.2 Fehlende Evaluation 19<br />
5.3.3 Fehlende Koordination 20<br />
5.3.4 Zielgruppen und Teilnahmeraten 21
5<br />
6 Empfehlungen 23<br />
6.1 Vordringliche Maßnahmen 23<br />
6.1.1 Maßnahme 1: Vorrangige Position von Gesundheit und Prävention in Bildung und Erziehung 24<br />
6.1.2 Maßnahme 2: Bundesweite Verbesserung <strong>der</strong> Aufklärung 24<br />
6.1.3 Maßnahme 3: Faire Vergütung, Aufnahme zusätzlicher Leistungen in den GKV-Leistungskatalog 25<br />
6.1.4 Maßnahme 4: Teilnahmesteigerung durch Anreize; Präventionspass 25<br />
6.1.5 Maßnahme 5: Integration <strong>der</strong> Prävention in die berufliche Aus- und Weiterbildung 26<br />
6.1.6 Maßnahme 6: Ausbau <strong>der</strong> Forschung 26<br />
6.1.7 Maßnahme 7: Initiativen in Settingansätzen stärken und för<strong>der</strong>n 26<br />
6.1.8 Maßnahme 8: Klare Zielsetzungen <strong>der</strong> Politik 26<br />
6.1.9 Maßnahme 9: Anpassung <strong>der</strong> gesetzlichen Rahmenbedingungen 27<br />
6.1.10 Maßnahme 10: Koordination und Evaluation durch <strong>eine</strong> übergreifende Einrichtung 27<br />
6.2 Langfristige Handlungsbereiche 28<br />
6.2.1 Handlungsbereich I: Klare definierte Präventionsziele, Anpassung <strong>der</strong> Rahmenbedingungen 28<br />
6.2.2 Handlungsbereich II: Etablierung übergreifen<strong>der</strong> Koordinations- und Evaluationsprozesse 29<br />
6.2.3 Handlungsbereich III: Erfolgreiche Gestaltung des operativen Programmsetups 30<br />
6.2.4 Handlungsbereich IV: Zielgruppendefinition und Teilnehmerauswahl 33<br />
6.2.5 Handlungsbereich V: Steigerung <strong>der</strong> Teilnahme an Vorsorgeprogrammen 35<br />
7 Governance-Modell für die Umsetzung <strong>der</strong> Handlungsempfehlungen 35<br />
7.1 Einrichtung <strong>eine</strong>s Kompetenzzentrums Prävention 36<br />
7.2 Aspekte des vorgelegten Entwurfs <strong>eine</strong>s Präventionsgesetzes 38<br />
8 Abbildungen 42<br />
9 Quellen 43<br />
10 Teilnehmende Experten 45<br />
11 Verfasser 47
6<br />
1 Zusammenfassung<br />
Die vorliegende, von <strong>der</strong> Felix Burda Stiftung und<br />
Booz Allen Hamilton gemeinsam durchgeführte Studie<br />
analysiert die aktuelle Situation von Prävention und<br />
Gesundheitsvorsorge in Deutschland. Ziel dieses Projektes<br />
ist es, handlungsorientierte Konzepte <strong>zur</strong> Verbesserung<br />
und Stärkung dieses Bereichs aufzuzeigen. Die<br />
Studie basiert auf <strong>eine</strong>r fundierten Bestandsaufnahme,<br />
an <strong>der</strong> zahlreiche Experten <strong>der</strong> Medizin, Gesundheitspolitik<br />
und Krankenkassen sowie <strong>der</strong> renommierten<br />
Top-Management Beratung Booz Allen Hamilton intensiv<br />
mitgewirkt haben.<br />
Hauptergebnis <strong>der</strong> Studie ist: In Deutschland<br />
besteht bei Prävention und Gesundheitsvorsorge dringen<strong>der</strong><br />
Handlungsbedarf. Zwar bieten die gesetzlichen Krankenkassen<br />
<strong>eine</strong> ganze Reihe von Vorsorgemaßnahmen<br />
an, doch werden diese von den Versicherten entwe<strong>der</strong> zu<br />
wenig o<strong>der</strong> gar nicht in Anspruch genommen. Angesichts<br />
<strong>der</strong> Tatsache, dass die Behandlung <strong>der</strong> sogenannten<br />
Volkskrankheiten Diabetes, Tumor- und Herz- Kreislauferkrankungen<br />
<strong>eine</strong>n Großteil <strong>der</strong> Kosten im Gesundheitswesen<br />
ausmachen, obwohl ausreichende Erkenntnisse<br />
vorliegen, dass ein großer Teil dieser Krankheiten<br />
sich durch rechtzeitige Prävention verhin<strong>der</strong>n ließe,<br />
scheint konsequentes Umdenken in Richtung Prävention<br />
dringend geboten.<br />
Nach Meinung <strong>der</strong> für die Studie befragten Experten<br />
ist <strong>der</strong> größte Teil <strong>der</strong> im GKV Leistungskatalog<br />
angebotenen Präventionsleistungen deutlich verbesserungswürdig.<br />
Beson<strong>der</strong>e Dringlichkeit wurde für die<br />
Bereiche Schuleingangsuntersuchung, Hautkrebs 1 - und<br />
Prostatakrebsvorsorge diagnostiziert. Insgesamt bemängelt<br />
die Studie, dass fast alle Programme zu geringe<br />
Teilnahmeraten verzeichnen und zudem oft nicht die<br />
richtigen Zielgruppen erreichen.<br />
Die Hauptursachen für die unbefriedigende<br />
Situation sieht die Studie darin, dass es in Deutschland<br />
k<strong>eine</strong> „Präventionskultur“ gibt, dass adäquate Rahmenbedingungen<br />
fehlen und dass die bestehenden<br />
Programme unkoordiniert ablaufen und k<strong>eine</strong>r systematischen<br />
Erfolgskontrolle unterliegen. Bis auf wenige<br />
Ausnahmen werden vorhandene Präventionsprogramme<br />
als wenig effektiv und wenig effizient eingestuft; es<br />
wird großer Handlungsbedarf für alle Bereiche gesehen.<br />
Lediglich bei <strong>der</strong> „Konzeptentwicklung“ konnte ein Platz im<br />
Mittelfeld (Note 3,4) belegt werden, während alle an<strong>der</strong>en<br />
Bereiche schlechter abschnitten. Die für den nachhaltigen<br />
Erfolg von Prävention maßgeblichen Bereiche „politische<br />
und gesellschaftliche Zielsetzung“ und „Erfolgskontrolle“<br />
landeten sogar am unteren Ende <strong>der</strong> Benotungsskala<br />
(vgl. Abbildung 1). Um den Status Quo <strong>der</strong> Prävention in<br />
Deutschland nachhaltig zu verbessern, for<strong>der</strong>n die Experten,<br />
dass folgende Maßnahmen mit hoher Priorität umgesetzt<br />
werden sollten:<br />
— Die Politik muss eindeutige Gesundheits- und<br />
Präventionsziele formulieren und Rahmenbedingungen<br />
schaffen, die <strong>der</strong>en Umsetzung för<strong>der</strong>lich sind.<br />
— Prävention muss fester Bestandteil von Bildung<br />
und Erziehung werden, Gesundheitsvorsorge muss<br />
Eingang in die Kin<strong>der</strong>gärten und die Schulcurricula<br />
finden.<br />
Prozess-/Organisationsaspekt<br />
Handlungsbedarf<br />
Präventionskultur<br />
Politische und gesellschaftliche Zielsetzung<br />
4<br />
Schaffung von<br />
Rahmenbedingungen<br />
Gesetzliche und ordnungspolitische<br />
Verankerung<br />
3<br />
Note 3,8<br />
Effektivität und Effizienz<br />
in den Programmen<br />
Konzeptentwicklung 2 Note 3,4<br />
Konzeptumsetzung<br />
3<br />
Note 4,2<br />
Erfolgskontrolle und Modifikation 4 Note 4,8<br />
Handlungsbedarf 1 Gering 2 Mittel 3 Hoch 4 Dringend<br />
Abb. 1: Bewertung <strong>der</strong> Prävention durch Experten<br />
Quellen: Booz Allen Hamilton Experten Interviews
7<br />
— Der gesellschaftliche und individuelle Wert von<br />
Gesundheitsvorsorge und Prävention muss den<br />
Bürgern über geeignete Aufklärungskampagnen nahe<br />
gebracht werden.<br />
— Es müssen für Versicherte, aber auch für Ärzte,<br />
adäquate Anreizsysteme geschaffen werden.<br />
— Prävention muss fester Bestandteil <strong>der</strong> Ausbildung<br />
von Medizinstudenten und <strong>der</strong> Ärztefortbildung<br />
werden.<br />
Dies alles sind Maßnahmen, die, auch wenn sie<br />
schnell angegangen werden, nicht sofort greifen. Eine<br />
Maßnahme, die schnell Wirkung zeigen wird, ist hingegen<br />
die Einrichtung <strong>eine</strong>s sogenannten Kompetenzzentrums,<br />
wie sie von den Experten gefor<strong>der</strong>t wird. Es sollte <strong>eine</strong><br />
übergreifende Instanz sein, die dafür Sorge trägt, dass<br />
Programme koordiniert, vernetzt und qualitätsgesichert<br />
ablaufen, und ihr Erfolg evaluiert wird. Sie muss mit<br />
ausreichenden Kompetenzen ausgestattet werden und<br />
als Mediator und Katalysator zwischen den Akteuren<br />
fungieren.<br />
2 Ziel, Inhalte und Vorgehensweise<br />
2.1 Ziel <strong>der</strong> Studie<br />
Ausgangspunkt <strong>der</strong> von <strong>der</strong> Felix Burda Stiftung<br />
und Booz Allen Hamilton durchgeführten Studie ist die<br />
notwendige Neuorientierung des öffentlichen Gesundheitswesens,<br />
in dem die präventive Intervention vor<br />
Ausbruch <strong>eine</strong>r Krankheit <strong>eine</strong> entscheidende Rolle spielen<br />
wird. <strong>Von</strong> <strong>der</strong> Politik ist durch die Ausformulierung<br />
<strong>eine</strong>s Präventionsgesetzes, das den Wert von<br />
Prävention und Gesundheitsvosorge erstmals in das<br />
öffentliche Bewusstsein gerückt hat, ein wichtiger<br />
erster Schritt getan worden.<br />
Was fehlt, sind die kritische Sichtung und Bewertung<br />
des Status Quo <strong>der</strong> Prävention sowie das<br />
Aufzeigen von Lösungsansätzen, wie sich die gegenwärtige<br />
Unter- und Fehlversorgung in <strong>der</strong> Präventivmedizin<br />
reduzieren lässt und Prävention effektiver werden kann.<br />
Diese Studie schließt <strong>eine</strong> wichtige Lücke, indem<br />
sie den Status Quo <strong>der</strong> Gesundheitsvorsorge in Deutschland<br />
nicht nur beschreibt und analysiert, son<strong>der</strong>n auch<br />
konkrete Schlussfolgerungen zieht und entsprechende<br />
Handlungsempfehlungen ausspricht.<br />
2.2 Inhalte <strong>der</strong> Studie<br />
2.2.1 Definitionen / Begriffliche Abgrenzung<br />
Mit dem Begriff allgem<strong>eine</strong> Gesundheitsför<strong>der</strong>ung<br />
2 werden Maßnahmen auf gesellschaftspolitischer<br />
Ebene umschrieben. Dazu gehören administrative<br />
Verän<strong>der</strong>ungen <strong>der</strong> Rahmenbedingungen ebenso wie<br />
<strong>eine</strong> ressortübergreifende Politik, welche die Gesun<strong>der</strong>haltung<br />
<strong>der</strong> Bevölkerung för<strong>der</strong>t und Ungleichgewichte<br />
in <strong>der</strong> Ressourcenverteilung zu beseitigen<br />
sucht.<br />
Mit dem Begriff Prävention 3 werden Maßnahmen<br />
bezeichnet, die <strong>eine</strong> bestimmte gesundheitliche<br />
Schädigung verhin<strong>der</strong>n, weniger wahrscheinlich machen<br />
o<strong>der</strong> verzögern. Dementsprechend wird unterschieden in<br />
primäre, sekundäre und tertiäre Prävention:<br />
— Primäre Prävention hat zum Ziel, gesundheitliche<br />
Beeinträchtigungen durch Ausschalten bestimmter<br />
schädigen<strong>der</strong> Faktoren zu verhin<strong>der</strong>n.<br />
— Bei sekundärer Prävention geht es um die Früherkennung<br />
symptomloser Krankheiten (Beispiel: Vorsorgedarmspiegelung).<br />
Früherkennungsmaßnahmen<br />
müssen risikoarm sein und gegenüber <strong>der</strong> Krankheitsbehandlung,<br />
die später einsetzen würde, <strong>eine</strong>n<br />
eindeutigen Zusatznutzen nachweisen.<br />
— Tertiäre Prävention hat zum Ziel, nach Eintreten <strong>eine</strong>r<br />
Krankheit <strong>eine</strong> Verschlimmerung zu vermeiden.<br />
2.2.2 Fokus <strong>der</strong> Studie<br />
Die Studie konzentriert sich auf primäre und<br />
sekundäre Prävention, doch werden in Verbindung<br />
mit Primärprävention auch Aspekte <strong>der</strong> allgem<strong>eine</strong>n<br />
Gesundheitsför<strong>der</strong>ung berücksichtigt. Auf den Bereich<br />
<strong>der</strong> tertiären Prävention wird in <strong>der</strong> Studie hingegen nicht<br />
explizit eingegangen.<br />
Thematisch liegt <strong>der</strong> Fokus <strong>der</strong> Studie auf <strong>der</strong><br />
Möglichkeit <strong>der</strong> Früherkennung und Vermeidung <strong>der</strong><br />
erwähnten sog. Volkskrankheiten Diabetes mellitus,<br />
Tumor- und Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Grundsätzlich<br />
sind alle diese Krankheiten vor dem Hintergrund von<br />
genetischer Disposition und Umweltbedingungen zu<br />
verstehen. Doch lässt sich inzwischen durch <strong>eine</strong> Vielzahl<br />
an Studien belegen, dass sich <strong>der</strong> Ausbruch <strong>der</strong>
8<br />
Krankheit auch bei vorhandener genetischer Disposition<br />
durch primärpräventive Intervention in <strong>der</strong> Mehrheit <strong>der</strong><br />
Fälle verhin<strong>der</strong>n o<strong>der</strong> erheblich verzögern lässt. Die krankmachenden<br />
„Umweltbedingungen“ sind bei <strong>der</strong> großen<br />
Mehrzahl <strong>der</strong> Volkskrankheiten auf <strong>eine</strong> ungesunde<br />
Lebensweise, genauer auf Fehlernährung, Mangel an<br />
Bewegung und daraus entstehen<strong>der</strong> Übergewichtigkeit<br />
sowie Rauchen und übermäßigen Alkoholkonsum<br />
<strong>zur</strong>ückzuführen.<br />
2.3 Methode, Vorgehensweise<br />
Die Bewertung des Status Quo und die daraus<br />
abgeleiteten Handlungsempfehlungen basieren größtenteils<br />
auf <strong>der</strong> Analyse von Expertengesprächen.<br />
Wichtigster Bestandteil sind die mit rund 40 führenden<br />
deutschen Präventionsexperten geführten Tiefeninterviews.<br />
Die Auswahl <strong>der</strong> Experten ist insofern einzigartig,<br />
als hier erstmals alle Bereiche einbezogen wurden, die<br />
sich mit Prävention befassen. Neben medizinischen<br />
Experten aus unterschiedlichen Fachbereichen wurden<br />
auch Motivationsforscher, Versorgungsforscher, Gesundheitsökonomen,<br />
Patientenvertreter und Repräsentanten<br />
gesetzlicher Krankenkassen befragt. Gesprächsgrundlage<br />
war ein detaillierter 22-seitiger Fragebogen.<br />
Ein weiterer Bestandteil <strong>der</strong> Analyse war die<br />
umfassende Recherche und Dokumentation <strong>der</strong> gegenwärtigen<br />
deutschen Präventionslandschaft sowie<br />
<strong>der</strong>en Auswertung durch Gesundheitsexperten von Booz<br />
Allen Hamilton. Dabei wurden auch medizinische Fachbeiträge<br />
aus dem In- und Ausland sowie epidemiologische<br />
Dokumentationen verschiedener Schwerpunktkrankheiten<br />
und Risikofaktoren berücksichtigt. Außerdem<br />
wurden Detailanalysen lokaler, überregionaler und<br />
bundesweiter Präventionsprogramme erstellt und mit<br />
ausgewählten Erfolgsbeispielen aus dem Ausland<br />
verglichen.<br />
Erste Resultate dieser Analyse wurden in <strong>eine</strong>m<br />
Forum mit zuvor an Interviews teilnehmenden und weiteren<br />
Experten diskutiert.<br />
3 Potenzial <strong>der</strong> Prävention in Deutschland<br />
3.1 Individueller und gesellschaftlicher Nutzen<br />
Prävention und Gesundheitsför<strong>der</strong>ung sind<br />
für den Einzelnen wie für die ganze Gesellschaft von<br />
Nutzen. Da bei präventiven Maßnahmen aber auch die<br />
Kosten-Nutzen-Relation von großer Bedeutung ist, lohnt<br />
sich ein näherer Blick auf die Details <strong>der</strong> Nutzenseite<br />
(vgl. Abbildung 2).<br />
Prävention heißt...<br />
Das Entstehen von Krankheiten verhin<strong>der</strong>n<br />
Krankheiten frühzeitig erkennen und Heilungschancen erhöhen<br />
Fortschreiten und Komplikationen von Erkrankungen verhin<strong>der</strong>n<br />
Prävention kann...<br />
Gesundheit, Wohlbefinden und Lebensqualität des<br />
Einzelnen sichern<br />
Als Investment in Humankapital (analog <strong>zur</strong> Bildung) die Gesamtgesellschaft<br />
stärken (Public Health-Wert)<br />
Möglicherweise Kosten im Gesundheitssystem senken<br />
Die Arbeitsfähigkeit <strong>der</strong> erwerbstätigen Bevölkerung för<strong>der</strong>n und<br />
bewahren (dies ist insbeson<strong>der</strong>e für junge Erwerbstätige wichtig)<br />
Im Hinblick auf die demographische Entwicklung <strong>zur</strong> Finanzierbarkeit<br />
des Rentensystems beitragen<br />
Vorzeitige krankheitsbedingte Verrentung verhin<strong>der</strong>n<br />
Pflegebedürftigkeit verhin<strong>der</strong>n bzw. hinauszögern<br />
Eigenverantwortung des Bürgers im Rahmen des Sozialversicherungssystems<br />
stärken und verankern<br />
Abb. 2: Nutzen <strong>der</strong> Prävention<br />
Quellen: Booz Allen Hamilton Analysen; Deutsches Forum Prävention,<br />
modifiziert<br />
Präventive Maßnahmen können Gesundheit,<br />
Wohlbefinden und Lebensqualität des Einzelnen stärken,<br />
indem sie Krankheiten verhin<strong>der</strong>n o<strong>der</strong> in <strong>eine</strong>m so frühen<br />
Stadium entdecken, dass sie gut behandelbar sind. Bei<br />
bereits ausgebrochener Krankheit können sie dazu beitragen,<br />
dass Komplikationen, wie sie in späteren Krankheitsstadien<br />
oft auftreten, vermieden o<strong>der</strong> vermin<strong>der</strong>t werden.<br />
Prävention för<strong>der</strong>t außerdem die Eigenverantwortung <strong>der</strong><br />
Bürger für ihre Gesundheit und Arbeitsfähigkeit, und stellt<br />
damit ein Investment in das „Humankapital“ dar, ähnlich<br />
wie die Bildung.
9<br />
„Prävention spart Geld“<br />
„Prävention kostet Geld“<br />
Nettoeinsparung, da Arbeitsfähigkeit,<br />
Produktivität und<br />
Steuereinkünfte erhalten<br />
werden<br />
Nettoeinsparung, da Lohnersatzleistungen<br />
durch<br />
seltenere Pflegebedürftigkeit<br />
und Verrentung sinken<br />
Kostensenkung bei <strong>der</strong><br />
Behandlung chronischer<br />
Erkrankungen<br />
Nichtmonetärer Nutzen<br />
Krankheitsbedingter Verlust an<br />
Lebensqualität vermieden<br />
Lebenserwartung verlängert<br />
Eigenverantwortung gestärkt<br />
<br />
Mehrkosten, weil höhere Lebenserwartung<br />
zum Erleben an<strong>der</strong>er<br />
kostenintensiver Krankheiten<br />
führt<br />
Nur das Eintreten verzögert sich,<br />
spätere Erkrankungen bleiben<br />
jedoch gleichermaßen kostenintensiv<br />
Entfall von Steuereinnahmen auf<br />
“ungesunde Lebensweise” (Tabakund<br />
Branntweinsteuer, Produktionsausfälle<br />
in <strong>der</strong> Industrie)<br />
Längere Entnahmephase aus den<br />
Rentenkassen durch höhere<br />
Lebenserwartung<br />
Der Effekt von Prävention auf die<br />
gesamtgesellschaftlichen Kosten<br />
bleibt umstritten<br />
Die Gesellschaft muss entscheiden,<br />
ob und wie viel Mehrkosten<br />
für Prävention sie im ungünstigen<br />
Fall zu tragen bereit ist<br />
Abb. 3: Gesamtwirtschaftliches Potenzial von Prävention<br />
Quellen: Booz Allen Hamilton Analysen<br />
Die Frage, ob Prävention längerfristig zu <strong>eine</strong>r<br />
Reduzierung <strong>der</strong> Kosten im Gesundheitswesen führt, wird<br />
kontrovers diskutiert. Eine durch präventive Maßnahmen<br />
entstehende höhere Lebenserwartung kann möglicherweise<br />
an<strong>der</strong>e kostenintensive Heilbehandlungen<br />
nach sich ziehen. Direkt kostensenkend wirkt sich <strong>eine</strong><br />
präventive Maßnahme im Einzelfall immer dann aus, wenn<br />
sie preisgünstiger ist, als es die spätere Behandlung <strong>der</strong><br />
Krankheit wäre. Unabhängig von möglichen Einsparungen<br />
im Gesundheitswesen generiert die präventive Intervention<br />
aber den vorteilhaftesten „Return on Investment“<br />
(vgl. Abbildungen 3 und 4). För<strong>der</strong>ung und Bewahrung<br />
<strong>der</strong> Arbeitsfähigkeit erwerbstätiger Personen durch Vermeidung<br />
vorzeitiger krankheitsbedingter Verrentung o<strong>der</strong><br />
die Verzögerung von Pflegebedürftigkeit sind weitere<br />
wichtige gesamtwirtschaftliche Aspekte. Beson<strong>der</strong>s im<br />
Hinblick auf die demographische Entwicklung und die<br />
damit verbundenen Herausfor<strong>der</strong>ungen an das deutsche<br />
Renten- und Sozialsystem wird Prävention <strong>eine</strong> für die<br />
Gesellschaft unverzichtbare Ergänzung <strong>der</strong> bisher stark<br />
kurativ ausgerichteten Medizin.<br />
3.2 Dringen<strong>der</strong> Handlungsbedarf<br />
Ein erheblicher Teil <strong>der</strong> <strong>der</strong>zeit in Deutschland<br />
zum Tode führenden chronischen Erkrankungen kann<br />
durch präventive Maßnahmen verhin<strong>der</strong>t o<strong>der</strong> zeitlich<br />
erheblich verzögert werden. Da mögliche Interventionen<br />
bisher nicht o<strong>der</strong> zu wenig angewandt und propagiert<br />
werden, nimmt trotz allem die Zahl <strong>der</strong> entsprechenden<br />
Neuerkrankungen in vielen Fällen zu. Neben dem Nutzen,<br />
den Prävention für die Lebensqualität des Einzelnen hat,<br />
sehen die befragten Experten in <strong>der</strong> effizienteren und<br />
effektiveren Umsetzung von Prävention die einzige Möglichkeit,<br />
um das epidemische Anwachsen <strong>der</strong> Volkskrankheiten<br />
und das steigende Volumen <strong>der</strong> Behandlungskosten<br />
langfristig in den Griff zu bekommen.<br />
In Deutschland sterben jährlich etwa 250.000<br />
Menschen an <strong>eine</strong>m Herzinfarkt. 4 Es wird erwartet, dass<br />
diese Zahl trotz verbesserter Interventionsmöglichkeiten<br />
weiter ansteigt und die Zahl <strong>der</strong> Erstinfarkte in den<br />
nächsten Jahren dramatisch zunimmt. Für das Jahr 2010<br />
wird mit jährlich 340.000 neu auftretenden Infarkten<br />
gerechnet - gegenüber 280.000 im Jahr 2003. Das<br />
entspricht <strong>eine</strong>r Steigerungsrate von über 20%. 5 Ein<br />
vergleichbarer Trend zeigt sich bei den Krebserkrankungen:<br />
die Zahl <strong>der</strong> Darmkrebserkrankungen hat sich zwischen<br />
den Jahren 1996 und 2000 um nahezu 30% auf 66.000<br />
jährliche Neuerkrankungen 6 , die <strong>der</strong> Prostatakrebserkrankungen<br />
in 10 Jahren um mehr als 50%<br />
auf 41.000 jährliche Neuerkrankungen 7 erhöht.<br />
Ingesamt erkranken in Deutschland pro Jahr etwa<br />
400.000 Menschen (=0,5 % <strong>der</strong> Bevölkerung) an Krebs 8<br />
und mehr als die Hälfte (210.000) sterben daran. 9
10<br />
Kosten-Nutzen-Relation für <strong>eine</strong> Erkrankung<br />
Jährliche Neuerkrankungen in Deutschland (in Tausend)<br />
Nutzen pro investierter Geldmenge<br />
Primäre Sekundäre Tertiere<br />
Prävention<br />
Betriebswirtschaftliche Betrachtungsweise<br />
Prävention ist im Vergleich <strong>zur</strong> kurativen Intervention die<br />
Maßnahme mit dem höchsten “Return on Investment”<br />
Daher ist <strong>eine</strong> Stärkung <strong>der</strong> Prävention ergänzend <strong>zur</strong><br />
Kuration, unerlässlich<br />
SCHEMATISCH<br />
Steigen<strong>der</strong> Druck <strong>zur</strong> Kostensenkung im Gesundheitswesen<br />
Therapie<br />
Die aufgezeigten Szenarien sind nicht unumgänglich,<br />
Gegensteuern ist durchaus möglich. Voraussetzung<br />
ist allerdings, dass Forschungsergebnisse, die den Nutzen<br />
präventiver Maßnahmen belegen, zu zeitnahen Interventionen<br />
führen. Mit dem heutigen Wissen um biologische<br />
Zusammenhänge lassen sich die Risikofaktoren vieler<br />
(meist chronischer) Erkrankungen wesentlich genauer<br />
bestimmen als noch vor zehn Jahren. So ist beispielsweise<br />
für die Schädlichkeit von Rauchen inzwischen gut belegt,<br />
dass sie an <strong>der</strong> Entstehung von 25 bis 30% aller Krebsfälle<br />
beteiligt ist. Ebenso konnte durch Studien nachgewiesen<br />
werden, dass falsche Ernährungsgewohnheiten<br />
<strong>eine</strong>n bis zu vierzigprozentigen Anteil an <strong>der</strong> Entstehung<br />
von Krebserkrankungen haben. 16 Regelmäßige Krebsvorsorgeuntersuchungen<br />
können bei einigen <strong>der</strong> häufi g<br />
vorkommenden Krebsarten <strong>zur</strong> Erkennung von Tumoren<br />
in heilbaren Stadien führen. Bei <strong>eine</strong>m früh erkannten<br />
Brustkrebs liegt die Heilungschance beispielsweise bei ca.<br />
90%. Bei Darmkrebs, wo sich die Todesrate seit langem<br />
bei ca. 50% eingependelt hat, können im Vor- o<strong>der</strong> Früh-<br />
300<br />
Diabetes<br />
2004<br />
Bevölkerung<br />
2040 (Prognose)<br />
50%<br />
(Anteil) mit<br />
Adipositas 14 2004 20%<br />
mellitus 5,11-13<br />
1988 -2000 200<br />
Herzinfarkt 5<br />
2010 (Prognose)<br />
340<br />
2003<br />
280<br />
2000 67<br />
Darmkrebs 6<br />
Brustkrebs 15<br />
1996<br />
2003<br />
52<br />
45<br />
1990 49<br />
Prostatakrebs<br />
41<br />
26<br />
2000<br />
1990<br />
Zervixkrebs 6 6,6<br />
7,3<br />
2000<br />
1990<br />
0 100 200 300 400<br />
0% 10% 20% 30% 40% 50% 60%<br />
Abb. 4: Interventionen und abgeleiteter Nutzen<br />
Quellen: Booz Allen Hamilton Analysen<br />
Abb. 5: Entwicklung <strong>der</strong> durch Prävention beeinflussbaren<br />
Erkrankungen (Inzidenz)<br />
Quellen: siehe Fußnoten<br />
Gravierend ist auch <strong>der</strong> Anstieg des Diabetes<br />
mellitus Typ 2. Zwischen 1988 und 2001 wuchs die Zahl<br />
<strong>der</strong> diagnostizierten Diabetiker um 43% auf 6 Millionen.<br />
Geschätzte weitere 2 Millionen leiden an <strong>eine</strong>m noch<br />
unentdeckten Diabetes mellitus. Insgesamt sind<br />
demnach heute bereits ca. 10 Prozent <strong>der</strong> Gesamtbevölkerung<br />
zuckerkrank. Bis zum Jahr 2010 wird mit<br />
<strong>eine</strong>m Anstieg <strong>der</strong> Prävalenz um weitere 2 bis 4 Millionen<br />
gerechnet. 5,10,11,12,13<br />
Auch bei krankhaftem Übergewicht (Adipositas),<br />
das mit Diabetes meist deutlich korreliert, ist <strong>eine</strong> epidemische<br />
Ausweitung zu beobachten. Wenn <strong>der</strong> durchschnittliche<br />
Body-Mass-Index (BMI) <strong>der</strong> deutschen Bevölkerung<br />
mit gleich bleiben<strong>der</strong> Geschwindigkeit steigt, wären im<br />
Jahr 2040 50% <strong>der</strong> deutschen Bevölkerung adipös. 14<br />
Parallel dazu wäre mit <strong>eine</strong>m dramatischen Anstieg <strong>der</strong><br />
durch Übergewicht beeinfl ussten Erkrankungen wie<br />
Diabetes, Herz-Kreislauferkrankungen und Krebs zu<br />
rechnen.
11<br />
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* Anmerkung: KHK steht für „Koronare Herzkrankheit“<br />
<br />
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<br />
Abb. 6: Beispiel <strong>eine</strong>r effektiven Sekundärprävention:<br />
Darmkrebsvorsorge<br />
Quellen: siehe Fußnoten<br />
Abb. 7: Vermeidbarer Anteil ernährungsbedingter Erkrankungen<br />
Quellen: siehe Fußnoten (23, 27, 32)<br />
stadium erkannte Tumore sogar zu fast hun<strong>der</strong>t Prozent geheilt<br />
werden (vgl. Abbildung 6). 17,18,19 Experten gehen davon<br />
aus, dass sich insgesamt 60 bis 70 Prozent (etwa 260.000<br />
Fälle) <strong>der</strong> jährlichen Krebsneuerkrankungen durch<br />
Prävention vermeiden ließen. 20<br />
Für viele <strong>der</strong> chronischen Erkrankungen sind<br />
Fehlernährung und Bewegungsmangel sowie daraus<br />
resultierendes Übergewicht ein Hauptrisikofaktor. In<br />
erster Linie zählen dazu Diabetes und Herzkreislauferkrankungen.<br />
Auch bei <strong>eine</strong>r Reihe von Krebserkrankungen<br />
wurde ein enger Zusammenhang mit Übergewicht nachgewiesen.<br />
Jüngste Studien aus den USA belegen den Erfolg<br />
primärer Prävention bei Diabetes. Über <strong>eine</strong>n Zeitraum<br />
von 6 Jahren wurde z.B. verfolgt, wie sich gesunde Lebensweise<br />
auf die Inzidenzrate <strong>der</strong> Erkrankung auswirkt. Die<br />
<strong>eine</strong> Gruppe wurde zu gesun<strong>der</strong> Ernährung und ausreichend<br />
Bewegung angeleitet, während die Kontrollgruppe<br />
nichts an ihrem Lebensstil än<strong>der</strong>te.<br />
Das Ergebnis ist eindeutig: in dem genannten<br />
Beobachtungszeitraum sank die Inzidenzrate von Diabetes<br />
mellitus bei <strong>der</strong> Gruppe, die <strong>eine</strong>n gesün<strong>der</strong>en Lebens-<br />
stil praktizierte, um 18 %, was <strong>eine</strong>r durchschnittlichen<br />
Jahresrate von 3% entspricht. 23 Überträgt man das Ergebnis<br />
auf deutsche Verhältnisse, so ließen sich allein durch<br />
<strong>eine</strong> einfache (und kostengünstige) primärpräventive<br />
Intervention bei den jährlich 250.000 neu an Diabetes<br />
mellitus Erkrankenden 40 Millionen Euro an direkten<br />
Behandlungskosten (5.000 Euro pro Patient und Jahr)<br />
vermeiden. 24,25,26,27,28,29,30<br />
Gelänge es, langfristig die gesamte Bevölkerung<br />
zu <strong>eine</strong>m gesunden Lebensstil zu bewegen – was letztlich<br />
Ziel aller primärpräventiven Bemühungen sein muss,<br />
ließen sich die Diabetes mellitus Erkrankungen laut<br />
weiterer Studien um bis zu 90% 31 reduzieren. Die Folge<br />
wären langfristig statt heute 6 bis 8 Millionen Diabeteskranke<br />
nur noch 600.000 bis 800.000 – <strong>eine</strong> immer<br />
noch erhebliche Zahl. Doch würden die Kosten des<br />
Gesundheitswesens um jährlich bis zu 27 Milliarden Euro<br />
entlastet, die an Behandlungskosten für Diabetes<br />
aufgewendet werden müssen. Einige Beispiele an<br />
Einsparungspotenzialen, die durch vermehrte Primärprävention<br />
erwartet werden können, werden in Abbildung<br />
7 dargestellt. 32
12<br />
Phase Alter Untersuchungen<br />
Schwangerschaft<br />
1<br />
2<br />
4<br />
5<br />
6<br />
10<br />
14<br />
18<br />
20<br />
30<br />
35<br />
45<br />
50<br />
55<br />
S1-S9<br />
Schwangerenvorsorge<br />
Geburt U1 Neugeborenenuntersuchung<br />
Säugling<br />
Kleinkind<br />
Schulkind<br />
Jugendlicher<br />
Junger Erwachsener<br />
Mittleres Lebensalter<br />
Älterer Erwachsener<br />
U2<br />
U3<br />
U4<br />
U5<br />
U6<br />
U7<br />
U8<br />
U9<br />
Kin<strong>der</strong>untersuchung<br />
Schuleingangsuntersuchung<br />
U10/J1 Jugenduntersuchung<br />
Jugendarbeitsschutzuntersuchung*<br />
Wehrpflichtuntersuchung*<br />
Soldaten- und Zivildienstuntersuchung*<br />
Führerscheinuntersuchung (Sehtest)<br />
Einstellungsuntersuchung (Erwerbstätigkeit)*<br />
Krebsfrüherkennung (Zervix-Ca) (Frauen ab 20 Jahre jährlich)<br />
Brust-Krebs-Untersuchung (Frauen ab 30 jährl.)<br />
Hautkrebs (Frauen ab 30 jährlich)<br />
Gesundheitsuntersuchung (ab 35 zweijährlich)<br />
Hautkrebs (ab 45 Männer jährlich)<br />
Prostatakrebs (ab 45 jährlich)<br />
Darmkrebs (ab 50 Okkultbluttest)<br />
Mammographie (Frauen ab 50 zweijährlich)<br />
ab 55 Darmspiegelung mit Wie<strong>der</strong>holung nach 10 Jahren; Okkultbluttest alle zwei Jahre<br />
* nicht von <strong>der</strong> GKV getragen, für die Bürger aber kostenlos<br />
Abb. 8: Präventive/Vorsorgeuntersuchungen im Leistungskatalog<br />
Quellen: Booz Allen Hamilton Analysen, Wahrnehmung und Umsetzung rechtlicher Bestimmungen <strong>zur</strong> Prävention in Deutschland, Dr. Ulla Walter,<br />
2003; Walter et al. Internist 2004.45:137-138<br />
4 Status Quo <strong>der</strong> Prävention<br />
4.1 Aktuelle Grundlagen und Programme<br />
4.1.1 Gesetzliche Grundlagen<br />
Die Früherkennung von Krankheiten, insbeson<strong>der</strong>e<br />
Tumorerkrankungen, ist seit 1971 Bestandteil <strong>der</strong><br />
Gesetzgebung (§ 73 SGB V). Ende <strong>der</strong> 90er Jahre wurde die<br />
Prävention aus dem Leistungskatalog <strong>der</strong> GKV gestrichen,<br />
ist jedoch zusammen mit Gesundheitsför<strong>der</strong>ung seit dem<br />
Jahr 2000 explizit wie<strong>der</strong> im Sozialgesetzbuch verankert<br />
(§§20-26, SGB V). Der Leistungsumfang wird durch den<br />
Gemeinsamen Bundesausschuss <strong>der</strong> Ärzte und Krankenkassen<br />
sowie durch weitere Gremien festgelegt. In den<br />
vergangenen Jahren hat es an verschiedenen Stellen<br />
Anzeichen für ein Umdenken gegeben, Prävention wurde<br />
als zunehmend wichtigerer Baustein im Gesundheitswesen<br />
angesehen. 2001 for<strong>der</strong>te <strong>der</strong> Sachverständigenrat<br />
für die Konzertierte Aktion im Gesundheitswesen (seit<br />
2004 “Sachverständigenrat <strong>zur</strong> Begutachtung <strong>der</strong> Entwicklung<br />
im Gesundheitswesen”) <strong>eine</strong> Neuorientierung<br />
<strong>der</strong> Gesundheitspolitik. 2002 wurde auf Initiative des<br />
Bundesministeriums für Gesundheit und Soziale Sicherung<br />
(BMGS) das Deutsche Forum Prävention ins Leben<br />
gerufen. 2004 wurden im Rahmen des GKV Mo<strong>der</strong>nisierungsgesetzes<br />
(GMG) erstmals Anreize für die<br />
Inanspruchnahme präventiver Maßnahmen gesetzlich<br />
verankert und die Vergabe von Boni durch die GKV<br />
ermöglicht.
13<br />
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+<br />
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10<br />
7<br />
6<br />
4<br />
8<br />
5<br />
9<br />
2<br />
3<br />
1<br />
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<br />
Abb. 9: Bewertung <strong>der</strong> Qualität und Teilnahmeraten Programmen<br />
Quellen: Booz Allen Hamilton Experten Interviews<br />
4.1.2 Vorhandene Programme<br />
Der Leistungskatalog <strong>der</strong> gesetzlichen Krankenkassen<br />
umfasst <strong>der</strong>zeit ein Programm an lebensbegleitenden<br />
Vorsorgeuntersuchungen. Die Abbildung 8 gibt<br />
<strong>eine</strong>n Überblick, in welchem Lebensalter welche Vorsorgeuntersuchungen<br />
angeboten werden.<br />
4.2 Bewertung des Status Quo<br />
Aus Expertensicht ist <strong>der</strong> <strong>der</strong>zeitige Zustand <strong>der</strong><br />
Prävention in Deutschland mangelhaft, das Potenzial vorhandener<br />
Programme wird un<strong>zur</strong>eichend genutzt. Die folgende<br />
Graphik zeigt, wie die befragten Experten Qualität<br />
und Teilnahmeraten <strong>der</strong> im GKV Leistungskatalog angebotenen<br />
Präventionsprogramme in Relation zu erfolgreichen<br />
ausländischen Programmen beurteilen. Die Programme<br />
wurden qualitativ nach folgenden Kriterien beurteilt:<br />
- Ist die angebotene Untersuchung qualitätsgesichert,<br />
wie es z.B. <strong>der</strong> Fall bei Vorsorgekoloskopie und<br />
PAP-Test ist<br />
- Entspricht das Programm dem aktuellen Stand wissenschaftlicher<br />
Forschung bzw. in welchen Bereichen<br />
besteht ggf. Nachbesserungsbedarf (z.B. durch Einführung<br />
<strong>eine</strong>s Diabetestests in die Schwangerenvorsorge<br />
und <strong>eine</strong>s Hörtests in die Kleinkindvorsorge)<br />
- Wird das Programm flächendeckend angeboten
14<br />
Die Einstufung nach „hohem“, „mittlerem“ und<br />
„geringem“ Handlungsbedarf ergibt sich aus <strong>der</strong> nach den<br />
o. g. Kriterien vorgenommenen Gesamtbewertung <strong>eine</strong>s<br />
Programms (vgl. Abb. 9, obere Graphik). Das Kriterium<br />
„Teilnahmerate“ wurde separat gewertet (vgl. Abb. 9,<br />
untere Graphik).<br />
4.2.1 Programme mit hohem Handlungsbedarf<br />
Den dringlichsten Handlungsbedarf sehen die<br />
Experten für die Schuleingangsuntersuchung sowie für<br />
diverse Krebsvorsorgeprogramme. Die un<strong>zur</strong>eichende<br />
Umsetzung <strong>der</strong> Schuleingangsuntersuchung fällt in den<br />
Verantwortungsbereich <strong>der</strong> Län<strong>der</strong>. Der hierfür zuständige<br />
Öffentliche Gesundheitsdienst (ÖGD) ist in den<br />
meisten Län<strong>der</strong>n massiv unterfinanziert, daher variieren<br />
Angebot und Qualität zwischen den Bundeslän<strong>der</strong>n stark,<br />
das Vorsorgeangebot für Schulkin<strong>der</strong> ist entsprechend<br />
lückenhaft. Die Experten for<strong>der</strong>n insbeson<strong>der</strong>e ein flächendeckendes<br />
Angebot <strong>der</strong> Schuleingangsuntersuchung<br />
und einheitliche Qualitätsstandards. Zudem sollten das<br />
hohe Evaluationspotenzial – durch die Schule kann <strong>eine</strong><br />
bestimmte Altersgruppe fast vollständig erfasst werden<br />
– genutzt und epidemiologische Daten umfassend gesammelt<br />
werden.<br />
Bei den Krebsvorsorgeprogrammen schneidet<br />
die Hautkrebsvorsorge am schlechtesten ab. Grund ist,<br />
dass kein umfassendes Screeningprogramm von den<br />
Krankenkassen angeboten wird und deshalb nur wenige<br />
Menschen von <strong>der</strong> Vorsorgemöglichkeit für Hautkrebs<br />
wissen. Die Untersuchung wird von den Kassen erst<br />
dann bezahlt, wenn sich durch Hautverän<strong>der</strong>ungen ein<br />
konkreter Verdacht auf ein malignes Melanom ergibt.<br />
Zudem wirkt sich die Tatsache, dass Hausärzte wie auch<br />
Dermatologen oft <strong>eine</strong>n zu niedrigen Erfahrungsstand im<br />
Erkennen maligner Hautverän<strong>der</strong>ungen haben, negativ<br />
auf die Qualität <strong>der</strong> Untersuchungen aus. Hier können<br />
in Zukunft bildgebende Verfahren die Genauigkeit <strong>der</strong><br />
Diagnose unterstützen, da sie Computerbil<strong>der</strong> von Hautverän<strong>der</strong>ungen<br />
<strong>eine</strong>s Patienten exakter als das menschliche<br />
Auge analysieren und feststellen können, ob die<br />
Verän<strong>der</strong>ungen gut- o<strong>der</strong> bösartig sind. Bisher sind <strong>der</strong>artige<br />
Verfahren allerdings noch nicht in den Praxen<br />
verbreitet. 33 Ein breites Screening mit gegenwärtig<br />
gebräuchlichen Testverfahren ist aufgrund <strong>der</strong> Ungenauigkeit<br />
aktueller Verfahren umstritten. Umso dringlicher<br />
empfehlen die Experten aber <strong>eine</strong> breit angelegte Aufklärung<br />
<strong>der</strong> Bevölkerung über die Gefahren von Hautkrebs und<br />
die Möglichkeiten, das Risiko, an Hautkrebs zu erkranken,<br />
durch primärpräventive Maßnahmen einzuschränken.<br />
Bei <strong>der</strong> Prostatakrebsvorsorge wird die <strong>zur</strong> Verfügung<br />
stehende Testmethode als un<strong>zur</strong>eichend<br />
angesehen. Der PSA-Test wird aufgrund <strong>der</strong> aktuellen<br />
Datenlage als nicht genügend aussagekräftig eingestuft,<br />
<strong>eine</strong> generelle Screening-Empfehlung kann deshalb<br />
nicht abgegeben werden. Da Prostatakrebs in <strong>der</strong> Regel<br />
langsam wächst und die chirurgische und radiologische<br />
Behandlung des Tumors manchmal wichtige Organfunktionen<br />
beeinträchtigt, kann bei fortgeschrittenem Alter<br />
des Patienten und nicht-aggressivem Tumorwachstum an<br />
die Stelle <strong>der</strong> Intervention auch die sorgfältige Langzeitbeobachtung<br />
treten. Die geringe Teilnahmerate an Prostatakrebs<br />
wird auf das generelle Desinteresse von Männern<br />
an Vorsorgeuntersuchungen <strong>zur</strong>ückgeführt.<br />
Die befragten Experten empfehlen, für die männliche<br />
Zielgruppe auf zielgruppenspezifische Ansprache zu<br />
setzen und dabei auch durchaus neue Wege zu gehen.<br />
Was innovative Kampagnen in Verbindung mit Vernetzung<br />
und Koordination <strong>der</strong> unterschiedlichen beteiligten<br />
Akteure bewegen können, lässt sich am Beispiel <strong>der</strong><br />
Darmkrebskampagne <strong>der</strong> Felix Burda Stiftung zeigen.<br />
Allein im ersten Jahr nach Einführung <strong>der</strong> präventiven<br />
Darmspiegelung als GKV-Leistung unterzogen sich mehr<br />
als ein halbe Million Menschen ohne jegliche Symptome<br />
<strong>eine</strong>r Vorsorgekoloskopie. Der Kampagne liegt ein<br />
ausgefeiltes Öffentlichkeitskonzept zugrunde, in dem<br />
Prominente wie Verona Feldbusch o<strong>der</strong> Harald Schmidt<br />
als Testimonials für Darmkrebsfrüherkennung fungieren.<br />
Die Nachhaltigkeit des Erfolgs – <strong>der</strong> Aufmerksamkeitswert<br />
des Themas liegt bei Männern und Frauen unabhängig<br />
von Bildung und Alter durchgehend hoch bei mehr<br />
als 50% - ist aber vor allem <strong>der</strong> Tatsache zuzuschreiben,<br />
dass es gelungen ist, alle Akteure unter dem Dach <strong>eine</strong>s<br />
übergeordneten Ziels (Senkung <strong>der</strong> hohen Sterblichkeitsrate<br />
auf die Hälfte) zu ver<strong>eine</strong>n. Es wurde <strong>eine</strong> gemeinsame<br />
Plattform geschaffen (Netzwerk gegen Darmkrebs<br />
e.V.), mit <strong>der</strong>en Hilfe sich übergeordnete Aktivitäten<br />
effizient organisieren lassen und in <strong>der</strong>en Namen <strong>der</strong><br />
jährlich wie<strong>der</strong>kehrende Darmkrebsmonat durchgeführt<br />
wird. Die Plattform ermöglicht die weitgehende Neutralisierung<br />
von Partikularinteressen. So arbeitet die Felix<br />
Burda Stiftung beispielsweise eng mit <strong>der</strong> zweiten im<br />
Bereich Darmkrebsfrüherkennung tätigen privaten<br />
Stiftung, <strong>der</strong> Stiftung Lebensblicke, zusammen.
15<br />
Gegenwärtig wird von beiden Stiftungen gemeinsam ein<br />
Leitfaden für die Durchführung von Darmkrebsfrüherkennungsaktionen<br />
in Unternehmen erstellt, in den die<br />
Erfahrungen bei<strong>der</strong> Organisationen einfließen. Die nachhaltige<br />
Wirkung <strong>der</strong> Darmkrebskampagne lässt sich u. a.<br />
auch daran ablesen, dass die Vorsorgedarmspiegelung<br />
als einzige <strong>der</strong> präventiven Programme kontinuierliche<br />
Zuwächse verzeichnet. 34<br />
Im Vergleich zu erfolgreichen ausländischen Programmen<br />
schneiden auch die deutschen Programme <strong>zur</strong><br />
Gesundheitsför<strong>der</strong>ung, z.B. Kurse für gesunde Ernährung<br />
und Bewegung sowie Programme <strong>zur</strong> Zigaretten- und<br />
Alkoholentwöhnung, schlecht ab. Das betrifft nicht nur<br />
die Qualität vieler GKV-Kursangebote, son<strong>der</strong>n ist vor<br />
allem auf den Mangel an adäquaten Programmangeboten<br />
im Bereich lebensweltlicher Settings (z.B. Schule,<br />
Kin<strong>der</strong>garten, Betrieb) <strong>zur</strong>ückzuführen. Auch beim Nichtraucherschutz<br />
und bei <strong>der</strong> Nikotinentwöhnung liegt<br />
Deutschland, wo die Mortalitätrate von Lungenkrebs<br />
ständig im Steigen begriffen ist, deutlich hinter<br />
an<strong>der</strong>en europäischen Län<strong>der</strong>n <strong>zur</strong>ück. 35 Die Politik nimmt<br />
hier <strong>eine</strong> „Sowohl-als-auch-Haltung“ ein. Einerseits för<strong>der</strong>t<br />
sie Programme, um Jugendliche vom Rauchen abzuhalten,<br />
an<strong>der</strong>erseits interveniert sie beim Europäischen Gerichtshof<br />
gegen ein geplantes EU-Tabakwerbeverbot. An<strong>der</strong>e<br />
EU-Län<strong>der</strong> sind bereits wesentlich weiter. Schweden hat<br />
beispielsweise vor kurzem zum Schutz von Nichtrauchern<br />
ein landesweites Rauchverbot in öffentlichen Lokalen<br />
verabschiedet; Belgien und <strong>eine</strong> Reihe an<strong>der</strong>er EU-<br />
Län<strong>der</strong> planen ähnliche Sanktionen einzuführen. 36 In<br />
verschiedenen US-Staaten gelten <strong>der</strong>artige Regelungen<br />
bereits seit Jahren. Die magere Teilnahmerate von 0,8%<br />
an den GKV-Programmen <strong>zur</strong> Gesundheitsför<strong>der</strong>ung<br />
wird von den Experten hauptsächlich auf das Fehlen<br />
<strong>eine</strong>r zielgruppengerechten Ansprache <strong>zur</strong>ückgeführt:<br />
Die Programme erreichen nicht die Zielgruppe, für die<br />
sie gedacht sind, und werden stattdessen von jungen,<br />
gesundheitsbewussten Versicherten in Anspruch genommen,<br />
die k<strong>eine</strong>n unmittelbaren Nutzen daraus<br />
ziehen. 37 Lediglich Projekte in Settingansätzen, die ihr<br />
Zielpublikum im Lebensumfeld ansprechen, erreichen<br />
die anvisierte Zielgruppe und werden deshalb als besser<br />
erachtet. Als Beispiel <strong>eine</strong>s erfolgreichen Projekts sei<br />
hier die „Gesunde Schule“ <strong>der</strong> Techniker Krankenkasse<br />
erwähnt.<br />
Fazit: Bei mehr als <strong>der</strong> Hälfte <strong>der</strong> bewerteten<br />
Programme wird von den Experten großer Verbesserungs-<br />
und Optimierungsbedarf gesehen. Viele Programme<br />
werden nicht flächendeckend angeboten, nicht mit<br />
gleichartigen Programmen vernetzt und verzeichnen zu<br />
geringe Teilnahmeraten. Bei kaum <strong>eine</strong>m Programm wird<br />
bisher die Qualität <strong>der</strong> Umsetzung kontrolliert und was die<br />
Teilnahmerate anbetrifft, so verfehlen manche Programme<br />
die anvisierte Zielgruppe vollständig. Als kontraproduktiv<br />
wird außerdem gesehen, wenn - wie im Fall <strong>der</strong> Brustkrebsvorsorge<br />
– ein Programm nach drei verschiedenen<br />
Leitlinien durchgeführt wird. Abhilfe kann hier durch die<br />
Einrichtung <strong>eine</strong>r übergeordneten Instanz geschaffen<br />
werden, die darüber wacht, dass ein Vorsorgeprogramm<br />
flächendeckend nur nach <strong>eine</strong>r einzigen Leitlinie umgesetzt<br />
wird.<br />
4.2.2 Programme mit mittlerem Handlungsbedarf<br />
Wesentlich geringeren Handlungsbedarf sehen<br />
die Experten bei den Programmen für die Zervix- und<br />
Darmkrebsvorsorge, da die angebotenen Maßnahmen<br />
(PAP-Test, Stuhlbluttest und Vorsorgekoloskopie) sehr<br />
effektiv sind und gut evaluiert werden.<br />
Das Programm <strong>zur</strong> Darmkrebsvorsorge hat mit<br />
<strong>der</strong> Einführung <strong>der</strong> Vorsorgekoloskopie für Versicherte im<br />
Alter über 55 Jahren im Oktober 2002 <strong>eine</strong>n deutlichen<br />
Qualitätssprung gemacht. Bemängelt wird hier lediglich,<br />
dass die Teilnahmerate gegenwärtig noch zu niedrig ist.<br />
Als <strong>eine</strong>r <strong>der</strong> Hauptgründe hierfür werden die langen<br />
Wartezeiten für die Vorsorgekoloskopie genannt, die in<br />
manchen Regionen bis zu sechs Monate betragen. Der<br />
Mangel an ausreichend geschulten und erfahrenen<br />
nie<strong>der</strong>gelassenen Ärzten, die <strong>eine</strong> qualitätsgesicherte<br />
Durchführung <strong>der</strong> Vorsorgekoloskopie garantieren,<br />
könnte durch die Ermächtigung qualifizierter Klinikärzte<br />
abgemil<strong>der</strong>t werden. Hier tun sich die Kassenärztlichen<br />
Vereinigungen indes schwer, die Kliniker für diese lukrative<br />
Leistung zuzulassen und nehmen stattdessen lange<br />
Wartezeiten in Kauf. Für die Prävention mittels Okkultbluttest<br />
wurde von den Experten die Rückkehr <strong>zur</strong><br />
früheren Regelung gefor<strong>der</strong>t, die den jährlichen<br />
Stuhltest ab 45 Jahren vorsah. Die 2002 neu eingeführte<br />
Regelung, den Test alternativ <strong>zur</strong> Vorsorgedarmspiegelung<br />
ab 55 Jahren nur noch alle zwei Jahre<br />
anzubieten, wird als kontraproduktiv angesehen, weil sie<br />
für Verwirrung unter Ärzten und Patienten sorge. Sie sei<br />
zudem wissenschaftlich nicht haltbar, da sich aus <strong>der</strong><br />
internationalen Studienlange hinsichtlich Inzidenz und
16<br />
Mortalität von Darmkrebs ein eindeutiger Vorteil für die<br />
jährliche Testung ergebe. Da in letzter Zeit <strong>eine</strong> Reihe<br />
neuer Testverfahren auf immunologischer o<strong>der</strong> DNA-Basis<br />
auf den Markt gekommen sind, die <strong>eine</strong> höhere Sen<br />
sitivität und Spezifität als <strong>der</strong> konventionelle chemische<br />
Stuhltest (FOBT) besitzen, sollten das GKV-Vorsorgeprogramm<br />
nach Meinung <strong>der</strong> Experten in Zukunft angepasst<br />
und <strong>der</strong> seit den 70er Jahren unverän<strong>der</strong>t verwendete<br />
Haemokkulttest durch neue Testverfahren ersetzt<br />
werden. Was die Teilnahmerate an <strong>der</strong> Vorsorgekoloskopie<br />
anbetrifft, so ist sie mit gegenwärtig 2,5 % jährlich zu<br />
gering, um die hohe Mortalitätsrate in den nächsten<br />
Jahren drastisch absenken zu können. Doch ist diese<br />
Vorsorgemaßnahme noch sehr jung (Einführung als<br />
GKV-Leistung im Oktober 2002) und kann sich in den<br />
nächsten Jahren weiter etablieren. Dass sich die Zahl <strong>der</strong><br />
abgerechneten Vorsorgedarmspiegelungen im Jahr 2004<br />
gegenüber dem Vorjahr um 100.000 erhöht hat, gibt<br />
<strong>zur</strong> Hoffnung Anlass, dass hier in Zukunft mit weiteren<br />
Steigerungen zu rechnen ist und Kapazitätsengpässe<br />
deutlich abgebaut werden können.<br />
Auch bei <strong>der</strong> Zervixkarzinomvorsorge, dem bisher<br />
einzigen erfolgreichen Krebsscreeningprogramm<br />
(die Sterblichkeitsrate ist seit Einführung des Screenings<br />
erheblich gesunken), halten die Experten <strong>eine</strong> Steigerung<br />
<strong>der</strong> Teilnahmerate für erfor<strong>der</strong>lich, obwohl an diesem<br />
Programm immerhin etwa die Hälfte <strong>der</strong> anspruchsberechtigten<br />
Zielgruppe teilnimmt. Bezeichnen<strong>der</strong>weise<br />
nimmt die Rate hier dramatisch nach <strong>der</strong> Menopause ab,<br />
da Frauen dann nicht mehr regelmäßig den Gynäkologen<br />
konsultieren. Der PAP-Test wird zwar flächendeckend<br />
angeboten, aber immer noch insgesamt zu wenig nachgefragt.<br />
Außerdem sollte er durch neue Testverfahren<br />
ergänzt werden. Der Test auf Papilloma-Viren (HPV,<br />
Human Papilloma Virus) birgt hierfür großes Potenzial.<br />
Um es im Sinne <strong>eine</strong>r verbesserten Vorsorge nutzen zu<br />
können, sollten in diesem Bereich entsprechende Forschungs-<br />
und Modellvorhaben geför<strong>der</strong>t werden. Als<br />
vorbildlich für innovative Zervixkarzinomvorsorge wird<br />
das nie<strong>der</strong>ländische Programm angeführt, das wesentlich<br />
stärker individuelles (z.B. erbliches) Risiko <strong>der</strong> Erkrankung<br />
berücksichtigt.<br />
4.2.3 Programme mit geringem Handlungsbedarf<br />
Im Vergleich zu den an<strong>der</strong>en Vorsorgeprogrammen<br />
schneiden mit <strong>der</strong> Einstufung „geringer Handlungsbedarf“<br />
lediglich die Schwangeren- und Kleinkindvorsorge<br />
gut ab. Beide Programme gelten grundsätzlich als qualitativ<br />
gut und können mit <strong>eine</strong>r 90-prozentigen Teilnahmerate<br />
als einzige <strong>der</strong> vorhandenen Vorsorgeuntersuchungen als<br />
„durchgesetzt“ gelten. Zum Erfolg dieser beiden Vorsorgeprogramme<br />
tragen sicherlich die sorgfältige Aufklärung in<br />
<strong>der</strong> Schwangerenberatung sowie die durchgehende ärztliche<br />
Betreuung bei. Bemängelt wird hier lediglich, dass<br />
die Routineuntersuchungen bisher noch nicht an neue<br />
wissenschaftliche Erkenntnisse angepasst wurden. So<br />
müsse dringend <strong>der</strong> Test auf Schwangerschaftsdiabetes<br />
integriert werden, da durch Studien inzwischen ein enger<br />
Zusammenhang zwischen <strong>der</strong> Stoffwechselstörung <strong>der</strong><br />
Mutter in <strong>der</strong> Schwangerschaft und <strong>der</strong> Disposition für<br />
Adipositas beim Kind belegt sei. Außerdem müsse das<br />
Neugeborenen-Screening um Untersuchungen auf weitere<br />
angeborene Stoffwechselstörungen sowie Hörstörungen<br />
erweitert werden.<br />
Auch die Kin<strong>der</strong>untersuchungen U1-U6 werden<br />
in Qualität und Teilnahme gut bewertet, allerdings sind<br />
Ergänzungen notwendig. Beson<strong>der</strong>s Screenings für Verhaltensstörungen<br />
sowie primärpräventive Interventionen<br />
im Ernährungsbereich (Verhin<strong>der</strong>n von Adipositas) sollten<br />
mit einbezogen werden. Insbeson<strong>der</strong>e letztere ist angesichts<br />
<strong>der</strong> rapiden Zunahme von Adipositas im Kindesalter<br />
<strong>eine</strong> vordringlich umzusetzende For<strong>der</strong>ung.<br />
Hingegen wird bei den Untersuchungen U7-U10<br />
ein wesentlich höherer Handlungsbedarf konstatiert, da<br />
die Teilnahmerate in diesem Alter rapide abnimmt und die<br />
Durchimpfungsrate dauerhaft sinkt. Als ein Grund wird<br />
vermutet, dass viele Eltern ihre Kin<strong>der</strong> offenbar aus Angst<br />
vor Impfnebenwirkungen, über die in den Medien immer<br />
wie<strong>der</strong> berichtet wird, nicht mehr impfen lassen. Experten<br />
for<strong>der</strong>n, dass die Teilnahme an den Untersuchungen und<br />
Impfungen durch intensive Aufklärung <strong>der</strong> Eltern verbessert<br />
wird.
17<br />
5 Ursachen mangelhafter Prävention<br />
Befragt nach den Gründen für die schlechte<br />
Präventionssituation in Deutschland nannten die befragten<br />
Experten übereinstimmend Fehlentwicklungen in<br />
folgenden Bereichen:<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
Abb. 10: Ursachen <strong>der</strong> schlechten Präventionssituation<br />
Quellen: Booz Allen Hamilton Analysen<br />
5.1 Fehlende Präventionskultur<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
Die überwiegend kritische Bewertung des vorhandenen<br />
Präventionsangebots gesetzlicher Krankenkassen<br />
durch die befragten Experten macht beson<strong>der</strong>s deutlich:<br />
Es gibt in Deutschland k<strong>eine</strong> Präventionskultur. We<strong>der</strong><br />
gibt es klar definierte Gesundheitsziele, an denen sich<br />
Präventionsprogramme orientieren können, 38 noch ist<br />
die Notwendigkeit des Umdenkens und Umsteuerns im<br />
Gesundheitswesen von den Entscheidungsträgern ausreichend<br />
erkannt. Das Gesundheitswesen ist noch immer<br />
fast ausschließlich auf das Behandeln von Krankheiten<br />
ausgerichtet. Präventive Angebote finden unkoordiniert<br />
und ohne Einbettung in ein übergreifendes Gesundheitskonzept<br />
statt. Bevor <strong>der</strong> notwendige Paradigmenwechsel<br />
von <strong>der</strong> <strong>Reaktion</strong> <strong>zur</strong> Prävention eingeleitet werden kann,<br />
sollten einige grundsätzliche Fragen beantwortet werden:<br />
— Wie viel und welche Prävention wollen wir<br />
— Welchen Nutzen wollen wir erreichen<br />
— Welche finanziellen Mittel sind wir bereit, für den<br />
Gewinn von Gesundheit einzusetzen<br />
— Wie viel Übernahme von Eigenverantwortung für den<br />
Erhalt <strong>der</strong> Gesundheit kann und darf die Solidargemeinschaft<br />
vom Einzelnen einfor<strong>der</strong>n<br />
All diese Aspekte werden bisher nicht einmal<br />
ansatzweise diskutiert. Experten for<strong>der</strong>n deshalb im<br />
ersten Schritt die Umsetzung von Maßnahmen, die das<br />
Entstehen <strong>eine</strong>r Präventionskultur för<strong>der</strong>n. Diese müssen<br />
sich mit <strong>der</strong> Tatsache auseinan<strong>der</strong>setzen, dass<br />
Prävention bisher in k<strong>eine</strong>r Weise als gesellschaftliches<br />
Querschnittthema begriffen und behandelt wird, das alle<br />
gesellschaftlichen Bereiche gleichermaßen betrifft. Um<br />
langfristige Erfolge zu erzielen, muss Prävention <strong>eine</strong><br />
solche Position in Politik und Gesellschaft erhalten.<br />
Die befragten Experten for<strong>der</strong>n, dass Prävention sich<br />
durch alle Lebensbereiche zieht und vor allem auch Gegenstand<br />
von Bildung und Erziehung wird. Prävention<br />
sollte Menschen in den unterschiedlichsten Settings<br />
ansprechen und dabei Schulen, Kin<strong>der</strong>gärten, Betriebe<br />
und an<strong>der</strong>e Lebenswelten einschließen. Nur dann hat<br />
Prävention die Chance, <strong>eine</strong>n ähnlich hohen Aufmerksamkeitswert<br />
zu erhalten wie ihn z.B. <strong>der</strong> Umweltschutz im<br />
Bewusstsein <strong>der</strong> Bevölkerung einnimmt. Beispiel für die<br />
tiefe Verankerung von Umweltaspekten ist die jüngste<br />
Feinstaubdebatte. Die allgem<strong>eine</strong> Aufregung, mit <strong>der</strong><br />
die Diskussion von den Medien begleitet wurde, steht<br />
in k<strong>eine</strong>m Verhältnis <strong>zur</strong> tatsächlichen Bedeutung des<br />
Themas.<br />
Weltweite Todesfälle / vermeidbare Todesfälle pro Jahr<br />
in Millionen<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
Annahme: Todesfälle durch Rauchen und Feinstaubbelastung sind gänzlich vermeidbar,<br />
sobald die Belastung vermieden werden kann<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
Abb. 11: Vergleich von (potenziell vermeidbaren) Todesfällen<br />
Quellen: World Health Organisation (Zahlen für 2000); Lancet<br />
362(9387): 847-852 (2003); Müller et al. Internist 2004. 45: 168-<br />
172; Deutsche Krebshilfe
18<br />
Abbildung 11 verdeutlicht dies am Vergleich <strong>der</strong><br />
weltweiten Todesfälle, die direkt auf Krebs, Rauchen,<br />
Diabetes o<strong>der</strong> Feinstaub <strong>zur</strong>ückzuführen sind, mit <strong>der</strong><br />
Zahl <strong>der</strong> durch Prävention vermeidbaren Todesfälle in<br />
allen diesen Bereichen: Gemessen an <strong>der</strong> absoluten Zahl<br />
vermeidbarer tödlicher Krankheitsverläufe durch Krebs,<br />
Rauchen o<strong>der</strong> Diabetes stellen die durch Feinstaub verursachten<br />
Todesfälle <strong>eine</strong> eher bescheidene Größe dar.<br />
5.2 Fehlende Rahmenbedingungen<br />
Als <strong>eine</strong> <strong>der</strong> Hauptursachen für den Mangel an<br />
übergreifenden Präventionsprogrammen werden von<br />
Experten die fehlenden Rahmenbedingungen genannt.<br />
„Es gibt k<strong>eine</strong> systematischen Ansätze“, „die Datenlage<br />
ist katastrophal“, „es gibt k<strong>eine</strong> fundierte Grundlagenforschung<br />
für Prävention“ sind Argumente, die in den<br />
Interviews laufend wie<strong>der</strong>kehrten und sich in <strong>der</strong> Beurteilung<br />
vorhandener Rahmenbedingungen mit <strong>der</strong> Note<br />
3,8 wi<strong>der</strong>spiegeln. Die übereinstimmende Meinung ist,<br />
dass zunächst Rahmenbedingungen geschaffen werden<br />
müssen, die Prävention nicht behin<strong>der</strong>n son<strong>der</strong>n aktiv unterstützen.<br />
Als <strong>eine</strong>s <strong>der</strong> Haupthin<strong>der</strong>nisse erfolgreicher<br />
Prävention werden bestimmte fö<strong>der</strong>ale Strukturen gesehen,<br />
die verhin<strong>der</strong>n, dass klar voneinan<strong>der</strong> abgegrenzte<br />
Verantwortungsbereiche entstehen. Die Folge ist, dass<br />
sich die Aktivitäten vieler Akteure überschneiden und die<br />
Aktivitäten selbst ineffizient ablaufen. Einan<strong>der</strong> ähnliche<br />
Programme werden in jedem Bundesland neu konzipiert,<br />
während gleiche Programme verschiedener Bundeslän<strong>der</strong><br />
vollkommen unkoordiniert nebeneinan<strong>der</strong> herlaufen. Es<br />
findet kein Austausch über positive und negative Erfahrungen<br />
statt, die man bei <strong>der</strong> Umsetzung von Projekten<br />
sammelt - obwohl gerade ein solcher Erfahrungsaustausch<br />
für <strong>eine</strong> effektivere und effizientere Programmumsetzung<br />
sehr wichtig wäre.<br />
Als ein weiteres Hin<strong>der</strong>nis für erfolgreiche Gesundheitsvorsorge<br />
wird die Neigung zu bürokratischer Überregulierung<br />
gewertet. Manche guten Initiativen werden hierdurch<br />
bereits im Ansatz ausgebremst. Als Beispiel sei hier<br />
die Nachmittagsöffnung von Schulhöfen und schulischen<br />
Sportanlagen genannt, die vielerorts angestrebt wurde,<br />
um Kin<strong>der</strong>n mehr Raum für Bewegung zu geben. Lei<strong>der</strong><br />
scheitert dieses sinnvolle Unterfangen oft genug am fehlenden<br />
Aufsichtspersonal und <strong>der</strong> simplen Tatsache, dass<br />
die Frage <strong>der</strong> Haftung bei Unfällen nicht befriedigend beantwortet<br />
werden kann. So erklärt sich auch, warum z.B.<br />
die in Aussicht gestellte Kooperation zwischen Ganztagsschulen<br />
und Sportver<strong>eine</strong>n nur schleppend vorankommt.<br />
Es fehlt zudem an <strong>eine</strong>r klaren gesetzgeberischen<br />
Unterstützung und Verankerung von Prävention. Insbeson<strong>der</strong>e<br />
stellen geltende Datenschutzbestimmungen<br />
<strong>eine</strong> erhebliche Hürde dar und machen in vielen Fällen<br />
die effektive Erfolgs- und Qualitätskontrolle von Projekten<br />
unmöglich. Als Beispiel seien hier Unternehmensaktionen<br />
<strong>zur</strong> Darmkrebsfrüherkennung angeführt. In vielen Fällen<br />
verhin<strong>der</strong>t <strong>der</strong> Betriebsrat mit Datenschutzargumenten,<br />
dass <strong>der</strong> Betriebsarzt Mitarbeiter mit positivem Stuhlbluttest<br />
darauf hinweisen kann, dass sie die Ursache des<br />
positiven Testergebnisses unbedingt durch <strong>eine</strong> Darmspiegelung<br />
abklären müssen. Die betroffenen Mitarbeiter<br />
verpassen dadurch womöglich die Chance <strong>eine</strong>r frühzeitigen<br />
Krebsdiagnose mit optimalen Heilungschancen.<br />
Erfolgsverhin<strong>der</strong>nd wirkt sich auch die schlechte<br />
Datenlage aus. Allen Akteuren im Gesundheitswesen ist<br />
seit langem bekannt, dass die Datenlage unbefriedigend<br />
ist, ohne dass sich in den letzten Jahren Entscheidendes<br />
geän<strong>der</strong>t hat. Beispielsweise gibt es nach wie vor kein<br />
bundesweites einheitliches Krebsregister; nur wenige<br />
Län<strong>der</strong> sind bisher dem Beispiel des Saarlandes gefolgt<br />
und richten ein eigenes, regelmäßig aktualisiertes,<br />
Landeskrebsregister ein. Zwar werden überall Daten<br />
erhoben, woran es aber entscheidend fehlt, ist <strong>der</strong>en<br />
Zusammenführung, Auswertung und nutzbringende<br />
Anwendung. Viele kreative Ansätze <strong>zur</strong> gesundheitsför<strong>der</strong>nden<br />
Auswertung krankheitsbezogener Daten<br />
werden durch den Datenschutz erschwert o<strong>der</strong> gänzlich<br />
blockiert. So verfügen z.B. Krankenkassen und Kassenärztliche<br />
Vereinigungen über Datensätze, die <strong>eine</strong> gezielte<br />
Ansprache von Versicherten auf das eventuelle Vorliegen<br />
<strong>eine</strong>s erblichen o<strong>der</strong> familiären Krankheitsrisikos ermöglichen<br />
würden. Die Versicherten könnten daraufhin z.B.<br />
<strong>eine</strong>r risikoadaptierten Vorsorge zugeführt werden, hätten<br />
größere Heilungschancen und könnten außerdem ihre<br />
Angehörigen auf ein eventuell vorhandenes familiäres<br />
Risiko aufmerksam machen. In <strong>der</strong> Praxis stoßen Initiativen,<br />
die Daten für solche Zwecke konsolidieren und auswerten<br />
würden, auf ungeahnte bürokratische Hin<strong>der</strong>nisse; nur<br />
mit viel Aufwand und Geduld lassen sich manche Projekte<br />
durch Son<strong>der</strong>regelungen dennoch umsetzen.<br />
Ähnlich ist die Lage bei den Lebensmittel- und<br />
Verbraucherschutzgesetzen. Der Zusatz von Fluor, mit<br />
dem z.B. die Schweizer <strong>zur</strong> För<strong>der</strong>ung des kindlichen
19<br />
Knochenaufbaus und <strong>der</strong> Kariesprophylaxe seit Jahren<br />
ihr Trinkwasser anreichern, ist nach deutschem Recht<br />
verboten. Auch auf <strong>eine</strong> ähnlich gesundheitsför<strong>der</strong>nde<br />
Maßnahme wie die Anreicherung von Milch mit Vitamin D<br />
wird bisher verzichtet. An<strong>der</strong>erseits lässt es <strong>der</strong> deutsche<br />
Verbraucherschutz aber zu, dass Lebensmittelhersteller<br />
ihre Produkte mit angeblich gesundheitsför<strong>der</strong>nden<br />
Effekten bewerben, die nicht bewiesen sind. Hier sollten<br />
für Marketing und Bewerbung von Lebensmitteln Regelungen<br />
getroffen werden, die, ähnlich den Regelungen<br />
im Pharmabereich, von den Lebensmittelherstellern den<br />
Beweis gesundheitsför<strong>der</strong>n<strong>der</strong> Effekte ihrer Produkte<br />
durch klinische Studien verlangen.<br />
5.3 Fehlende Effektivität und Effizienz<br />
Neben den fehlenden Rahmenbedingungen ist es<br />
vor allem <strong>der</strong> Mangel an Effizienz und Effektivität bei den<br />
vorhandenen Präventionsprogrammen, dem die Experten<br />
schlechte Noten geben. Am besten wird die „Entwicklung<br />
von Konzepten“ beurteilt, die mit Note 3,4 mittelmäßig<br />
bewertet wurde. Wesentlich schlechter fällt hingegen die<br />
Beurteilung <strong>der</strong> „Umsetzung“ und „Erfolgkontrolle“ aus.<br />
Hier wird mit <strong>der</strong> Note 4,8 <strong>der</strong> untere Rand <strong>der</strong> Bewertungsskala<br />
erreicht. Wo die Kritik im einzelnen ansetzt,<br />
verdeutlichen die folgenden Kommentare: „Es gibt k<strong>eine</strong><br />
übergreifenden Strategien “, „es fehlt nicht an Konzepten,<br />
son<strong>der</strong>n an <strong>der</strong> effizienten Umsetzung“, „Erfolgskontrolle<br />
ist nicht möglich, wenn es k<strong>eine</strong> übergreifenden Leitlinien<br />
gibt“, „wir brauchen <strong>eine</strong> übergreifende Schaltzentrale,<br />
die Projekte koordiniert und evaluiert“.<br />
5.3.1 Wenig Grundlagenforschung, schlechte Datenlage<br />
Während die skandinavischen Län<strong>der</strong> seit den<br />
70er Jahren große öffentliche Investitionen in Grundlagenforschung<br />
tätigten und Prävention dort fester<br />
Bestandteil <strong>der</strong> Aus- und Weiterbildung von Ärzten wurde,<br />
liegt Deutschland im Bereich <strong>der</strong> Grundlagenforschung<br />
weit <strong>zur</strong>ück. C4-Lehrstühle und Forschungsinstitute,<br />
die sich ausschließlich <strong>der</strong> Prävention widmen, sind rar.<br />
Häufiger findet man Prävention als Bestandteil des Fachbereichs<br />
Sport (-medizin), <strong>der</strong> allerdings nur <strong>eine</strong>n - wenn<br />
auch beson<strong>der</strong>s wichtigen - Teil von Prävention abdeckt.<br />
Evidenzbasierte Präventions- und Versorgungsforschung<br />
ist an deutschen Universitäten bisher die Ausnahme, und<br />
auch <strong>der</strong> medizinische Nachwuchs wird nicht speziell in<br />
Prävention ausgebildet.<br />
In <strong>der</strong> täglichen medizinischen Praxis besitzt<br />
Prävention bisher <strong>eine</strong>n geringen Stellenwert. Die Ärzte,<br />
insbeson<strong>der</strong>e Hausärzte, machen Patienten oft nicht auf<br />
vorhandene Vorsorgeangebote aufmerksam und motivieren<br />
sie kaum <strong>zur</strong> Teilnahme. Ein Hauptgrund ist, dass sie<br />
selbst kaum in Prävention ausgebildet wurden und dass es<br />
bisher auch k<strong>eine</strong> verbindliche Verpflichtung <strong>zur</strong> ärztlichen<br />
Weiterbildung in Prävention gibt. Weitere Gründe sind die<br />
ungenügende Vergütung präventiver Leistungen und - es<br />
wurde bereits mehrfach darauf hingewiesen – die Vielfalt<br />
unkoordiniert ablaufen<strong>der</strong> Einzelprogramme, über die sich<br />
<strong>der</strong> Arzt nur schwer <strong>eine</strong>n Überblick verschaffen kann.<br />
Hinzu kommt <strong>der</strong> gravierende Mangel an validen<br />
epidemiologischen Daten. Es gibt in Deutschland so gut<br />
wie k<strong>eine</strong> vernetzten übergreifenden Datenbanken, auf<br />
die vergleichend <strong>zur</strong>ückgegriffen werden kann. Auch das<br />
deutsche Krebsregister weist aus diesem Grund große<br />
Lücken auf. Die Experten sehen in diesem Bereich erheblichen<br />
Bedarf für grundlegende strukturelle Verän<strong>der</strong>ungen,<br />
die auch die Ein- und Abgrenzung <strong>der</strong> jeweiligen<br />
Zuständigkeiten regeln. Insbeson<strong>der</strong>e wird die flächendeckende<br />
Erhebung epidemiologischer Daten angemahnt,<br />
ohne die <strong>eine</strong> wirksame Erfolgskontrolle präventiver Programme<br />
nicht möglich ist, sowie <strong>eine</strong> enge Bund-Län<strong>der</strong>-<br />
Zusammenarbeit in diesem Bereich.<br />
5.3.2 Fehlende Evaluation<br />
Für die Kontrolle <strong>der</strong> Effektivität präventiver Programme<br />
fehlen übergreifende Statistiken. Vorreiter <strong>eine</strong>r<br />
umfangreichen Projektevaluation ist in Deutschland die<br />
Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA),<br />
die Effektivität und Erfolg ihrer HIV-/Aids-Aufklärungskampagnen<br />
regelmäßig überprüft. Eine solch umfassende<br />
Qualitätssicherung und Evaluation findet man in an<strong>der</strong>en<br />
Präventionsbereichen kaum. Im Bereich <strong>der</strong> Primärprävention<br />
reicht die Datenerfassung nicht über die Dokumentation<br />
<strong>der</strong> Teilnahmeraten an gesundheitsför<strong>der</strong>nden<br />
Programmen hinaus, die vom Medizinischen Dienst <strong>der</strong><br />
Spitzenverbände <strong>der</strong> Krankenkassen (MDS) erhoben werden,<br />
wohingegen bei sekundärpräventiven Maßnahmen<br />
mehrheitlich sogar diese grundlegenden Daten fehlen.<br />
Zwar könnten über die Ärzteabrechnungen genügend<br />
epidemiologische Daten gewonnen werden, doch werden<br />
die Daten nicht für wissenschaftliche Auswertungen frei<br />
gegeben. Eine Ausnahme stellt hier die im Jahr 2002<br />
eingeführte Vorsorgedarmspiegelung dar, <strong>der</strong>en Vergütung
20<br />
an das Ausfüllen <strong>eine</strong>s detaillierten Dokumentationsbogens<br />
gekoppelt ist und <strong>der</strong>en Erfolg sich buchstäblich sofort<br />
belegen ließ. Die Auswertung <strong>der</strong> Bögen von 500.000<br />
GKV-Versicherten, die im ersten Jahr die Maßnahme<br />
in Anspruch nahmen, zeigt bei den dabei gefundenen<br />
Tumoren <strong>eine</strong> eindeutige Verschiebung zu den Stadien I<br />
und II, in denen Tumore als heilbar gelten.<br />
Wie die bestehende Datenschutzproblematik im<br />
Einzelfall umgangen werden kann, zeigt die Praxis <strong>der</strong><br />
Disease Management Programme (DMPs). Zusammen<br />
mit <strong>der</strong> Einführung von Strukturverträgen hat <strong>der</strong> Gesetzgeber<br />
hier explizit die Auswertung und wissenschaftliche<br />
Evaluation krankheitsbezogener Daten verlangt. Dies<br />
ist rechtlich möglich, indem von jedem teilnehmenden<br />
Versicherten <strong>eine</strong> schriftliche Einverständniserklärung<br />
eingeholt wird, dass s<strong>eine</strong> krankheitsbezogenen Daten<br />
zum Zweck wissenschaftlicher Evaluation verwendet<br />
werden dürfen. Datenschutz kann also, muss aber nicht<br />
notwendig ein Hin<strong>der</strong>ungsgrund für die Evaluation und<br />
Erfolgskontrolle <strong>eine</strong>s Programms sein. Für die Qualität<br />
und den Erfolg präventiver Programme sind die kontinuierliche<br />
wissenschaftliche Auswertung und die Evaluation<br />
von großer Bedeutung. Fehlende Erfolgskontrolle<br />
ist gleichbedeutend mit wirtschaftlicher Ineffizienz und<br />
damit Ressourcenverschwendung. Einige Krankenkassen<br />
haben den Datenmissstand erkannt und gehen ihn offensiv<br />
an, indem sie eigene Lehrstühle und Institute für die<br />
Prävention einrichten. 39<br />
Für die meisten <strong>der</strong> laufenden Präventionsprogramme,<br />
insbeson<strong>der</strong>e für lokale Initiativen, ist Erfolgskontrolle<br />
bisher kaum angedacht. Dabei wäre es relativ<br />
einfach, bei den vielen innovativen Schul- und Bürgerprojekten,<br />
die gegenwärtig u. a. gegen Fehlernährung<br />
und Bewegungsmangel entstehen, erste Erfolge mittels<br />
einfacher Messgrößen wie Body Mass Index (BMI)<br />
Taillen-Hüftumfang (Vergleichsmaß für Adipositas),<br />
Bewegungs-fähigkeit, Blutdruck und Puls nachzuvollziehen.<br />
Programme könnten auf diese Weise beson<strong>der</strong>s im<br />
Setting Schule über Jahre gut evaluiert und dokumentiert<br />
werden. Die Evaluation <strong>der</strong> Effektivität und Effizienz<br />
<strong>eine</strong>s Programms ist unabdingbare Voraussetzung, soll<br />
es als Best Practice (Vorbildcharakter) für an<strong>der</strong>e Programme<br />
gelten. Zur Unterstützung könnte ein Set standardisierter<br />
Evaluationsbaust<strong>eine</strong> entwickelt werden,<br />
zu dessen Umsetzung sich alle Programme verpflichten<br />
müssten.<br />
Fazit: Mit <strong>der</strong> vorliegenden Datenlage lässt sich<br />
bei vielen Programmen nicht beurteilen, ob die Maßnahmen<br />
für die anvisierte Zielgruppe richtig und sinnvoll sind<br />
und ob die Zielgruppe überhaupt erreicht wurde. Um die<br />
in hohem Maße unbefriedigende Situation nachhaltig zu<br />
verän<strong>der</strong>n, sollten die wenigen qualitätsgesicherten<br />
Projekte, die es gegenwärtig gibt, zum Ausgangspunkt<br />
für die Entwicklung standardisierter Evaluationsbaust<strong>eine</strong><br />
gemacht werden. Hierbei kann<br />
die BZgA als Vorbild dienen, die für ihre Kampagnen<br />
umfassende Erfolgskontrollen eingeführt hat.<br />
Insgesamt muss <strong>der</strong> gesamte Bereich <strong>der</strong> Datenerfassung<br />
konsequent umgedacht und umstrukturiert<br />
werden. Programme und Projekte sollten übergreifend<br />
koordiniert und nach einheitlichen Messgrößen evaluiert<br />
werden, und die Projektträger müssten verpflichtet<br />
werden, diese Evaluationsstandards einzuhalten.<br />
5.3.3 Fehlende Koordination<br />
In <strong>der</strong> Prävention agiert <strong>eine</strong> Vielzahl unterschiedlicher<br />
Akteure: Ärzte, Krankenkassen, Ministerien, Stiftungen,<br />
medizinische Fachgesellschaften, Institutionen auf<br />
lokaler Ebene sowie Medien. Da es bisher k<strong>eine</strong> organisierte<br />
Form <strong>der</strong> Koordination gibt, laufen Projekte weitgehend<br />
unvernetzt und ohne jeglichen Erfahrungsaustausch<br />
ab. Weil beispielgebende Ansätze übersehen und effektive<br />
Strukturen nicht weiterkommuniziert werden, müssen<br />
viele Projekte aufs Neue erfunden und entwickelt werden.<br />
Die Folge ist, dass viele Programme in <strong>der</strong> Umsetzung<br />
ineffizient sind.<br />
Hinzu kommt, dass Ärzte und Versicherte die Vielfalt<br />
angebotener Programme und Einzelmaßnahmen kaum<br />
noch überblicken können. Da ähnliche Programme oft nach<br />
ganz unterschiedlichen Schemata ablaufen, kann <strong>der</strong> Versicherte<br />
nicht sicher sein, welchen Angeboten er trauen<br />
kann. Die Experten for<strong>der</strong>n, dass Kompetenzen gebündelt<br />
und Programme mit ähnlichem Schwerpunkt vernetzt und<br />
koordiniert durchgeführt werden und dass die laufenden<br />
Vorsorge- und Früherkennungsprogramme in <strong>eine</strong>r für alle<br />
Akteure zugänglichen Datenbank zusammengeführt werden.<br />
Eine solche übergreifende Datenbank würde für alle<br />
Beteiligten <strong>eine</strong>n großen Mehrwert darstellen, da mit ihrer<br />
Hilfe auch ein genaues Benchmarking durchgeführt werden<br />
könnte. Wie <strong>eine</strong> übergreifende Koordinierungsstelle<br />
beschaffen sein sollte, um diese Aufgaben erfolgreich<br />
wahrnehmen zu können, wird in den folgenden Kapiteln<br />
dieser Studie diskutiert.
21<br />
5.3.4 Zielgruppen und Teilnahmeraten<br />
Die folgende Graphik zeigt die Teilnahmeraten an<br />
bestehenden Vorsorgeprogrammen, aufgeschlüsselt nach<br />
Alter und Geschlecht. Die mit Abstand am erfolgreichsten<br />
durchgesetzten Vorsorgeprogramme sind mit 90 % Teilnahmerate<br />
die Neugeborenen- und Kin<strong>der</strong>vorsorgeuntersuchungen.<br />
Die Abbildung zeigt außerdem deutlich, dass<br />
Männer Vorsorgeuntersuchungen nicht einmal halb so viel<br />
in Anspruch nehmen wie Frauen, und dass die als relativ<br />
gut durchgesetzt geltende Zervix- und Brustkrebsvorsorge<br />
nur von <strong>der</strong> Hälfte <strong>der</strong> anspruchberechtigten Frauen<br />
genutzt wird. Dabei agieren die sehr jungen Frauen in <strong>der</strong><br />
Altersgruppe 25-29 Jahre sehr viel vorsorgebewusster als<br />
Frauen jenseits <strong>der</strong> Menopause.<br />
Bei Programmen, die sich an Frauen/Mütter und<br />
Kin<strong>der</strong> richten, lässt sich die hohe Teilnahmerate darauf<br />
<strong>zur</strong>ückführen, dass die Programme lange etabliert sind<br />
und schwangere Frauen und Mütter mit Kleinkin<strong>der</strong>n <strong>eine</strong><br />
durchgehende ärztliche Betreuung erfahren. Außerdem<br />
kann bei Frauen (siehe Teilnahme an Krebsvorsorge) ein<br />
größerer Vorsorgewillen für die eigene Gesundheit wie für<br />
die Gesundheit ihrer Kin<strong>der</strong> vorausgesetzt werden.<br />
Dem gegenüber nimmt sich die Teilnahmerate<br />
<strong>der</strong> Männer an Krebsvorsorgeprogrammen mit weniger<br />
als 20 % eher bescheiden aus. Umso bemerkenswerter<br />
ist es, dass von den 500.000 Versicherten, die sich im<br />
Jahr 2003 <strong>der</strong> neu eingeführten Vorsorgedarmspiegelung<br />
unterzogen, nahezu die Hälfte Männer waren. Zurückzuführen<br />
ist dies auf den Umstand, dass seit Einführung <strong>der</strong><br />
Maßnahme kontinuierlich und in vielen unterschiedlichen<br />
Medien für die Darmkrebsvorsorge geworben wird.<br />
Was die Vorsorge bei Übergewichtigkeit und den<br />
damit verbundenen hohen Risiken für Diabetes, Hypertonie,<br />
Herzkreislauferkrankungen, Schlaganfall und<br />
weitere Erkrankungen angeht, so steht die Entwicklung<br />
und Etablierung standardisierter Programme für diesen<br />
Bereich noch aus. Die beteiligten Fachgesellschaften stimmen<br />
zwar darin überein, dass es sich um ein dringendes<br />
Problem handelt, dem effizient begegnet werden muss,<br />
doch ist bisher unklar, welche Programme beson<strong>der</strong>s<br />
wirksam sein können und wie sie zu finanzieren sind. Bei<br />
stark übergewichtigen Patienten hilft we<strong>der</strong> ein einmaliges<br />
Beratungsgespräch noch <strong>eine</strong> einzelne Intervention.<br />
Adipöse Patienten dabei zu unterstützen, Eigenverantwortung<br />
für die Gesundheit zu übernehmen und entsprechend<br />
Teilnahme an Vorsorgemaßnahmen<br />
Teilnahme an Krebsvorsorge<br />
(alle Altersgruppen)<br />
Teilnahme an Krebsvorsorge<br />
(nur Frauen)<br />
90%<br />
65%<br />
50%<br />
35%<br />
39%<br />
18%<br />
Kindesalter<br />
Erwachsene/<br />
Rentner<br />
Frauen<br />
Männer<br />
25-29 Jahre 65-69 Jahre<br />
Abb. 12: Teilnahmeraten<br />
Quellen: Zentralinstitut <strong>der</strong> Kassenärztlichen Vereinigung, Zahlen für 2001
22<br />
konsequent ihren Lebensstil zu verän<strong>der</strong>n, erfor<strong>der</strong>t von<br />
Seiten des Arztes <strong>eine</strong> gesprächsintensive Beratung<br />
sowie <strong>eine</strong> dauerhafte Begleitung und Erfolgskontrolle.<br />
Beide Leistungen sind im gegenwärtigen Leistungskatalog<br />
nicht o<strong>der</strong> nur sehr un<strong>zur</strong>eichend abgebildet.<br />
Dabei ist offensichtlich, dass die gegenwärtig für Adipositaspatienten<br />
verfügbaren Kurzzeitprogramme zwar<br />
zu kurzfristigen Gewichtsreduktionen führen können,<br />
dass die Erfolgsquote in <strong>der</strong> Langzeitperspektive aber<br />
praktisch gegen Null geht.<br />
Bemängelt wird von den Experten auch, dass die<br />
Bevölkerung, ohne <strong>der</strong>en Bereitschaft <strong>zur</strong> Eigenverantwortung<br />
jedes noch so gut geplante Programm zu kurz<br />
greift, in die bisherige Diskussion um Prävention nicht einbezogen<br />
ist. Der Bevölkerung fehlt es bisher schlicht am<br />
Wissen über die Zusammenhänge zwischen chronischen<br />
Erkrankungen und ungesunden Lebensgewohnheiten.<br />
So sind sich Eltern beispielsweise oft we<strong>der</strong> des eigenen<br />
noch des Übergewichts ihrer Kin<strong>der</strong> und <strong>der</strong> damit verbundenen<br />
möglichen Gesundheitsschäden bewusst. 40 Es<br />
ist kaum zu erwarten, dass sich das in nächster Zeit von<br />
selbst än<strong>der</strong>n wird. Aus Sicht <strong>der</strong> Experten mangelt es in<br />
erster Linie an <strong>eine</strong>r breiten Aufklärung <strong>der</strong> Bevölkerung<br />
sowie an innovativen Kampagnen, um die Botschaften<br />
an die richtigen Zielgruppen zu bringen. Beispielsweise<br />
werden sozial benachteiligte Menschen bisher kaum<br />
durch Aufklärungskampagnen erreicht, obwohl sie ein<br />
wesentlich höheres Risiko für die Entwicklung chronischer<br />
Erkrankungen haben. Wichtig ist zudem, dass gesun<strong>der</strong><br />
Lebensstil bereits im Kin<strong>der</strong>garten und in <strong>der</strong> Grundschule<br />
eingeübt wird, da Verhalten in diesem Alter noch nachhaltig<br />
beeinflusst werden kann.<br />
Nach Meinung <strong>der</strong> Experten spielen auch Anreizsysteme<br />
<strong>eine</strong> wichtige Rolle für die Steigerung <strong>der</strong> Teilnahmerate<br />
an Vorsorgeprogrammen. Vor allem bei sozial<br />
schwachen Zielgruppen wirken finanzielle Anreize erfahrungsgemäß<br />
motivationssteigernd. Ein gutes Beispiel für<br />
erfolgreiche Bonussysteme stellt die Zahnprophylaxe dar.<br />
Das Bonusheft <strong>der</strong> Krankenkassen hat hier entscheidend<br />
dazu beigetragen, dass die Mehrheit <strong>der</strong> Versicherten inzwischen<br />
regelmäßig ihre Kontrolluntersuchungen wahrnimmt<br />
und dass die Zahngesundheit <strong>der</strong> Bevölkerung sich<br />
dramatisch verbessert hat. Es wird empfohlen, die neuen<br />
Möglichkeiten, die das GKV Mo<strong>der</strong>nisierungsgesetz (GMG)<br />
bietet, gezielt für die Entwicklung innovativer Anreizsysteme<br />
im Präventionsbereich einzusetzen und sie nicht nur<br />
als Kundenbindungsinstrument zu nutzen. Ein weiteres<br />
Instrument für die erfolgreiche Motivationssteigerung ist<br />
das personalisierte Einladungsverfahren, das von einigen<br />
Län<strong>der</strong>n für ein zentral durchgeführtes Darmkrebsscreening<br />
angewendet wird. In Finnland wurden vor kurzem<br />
alle Bürger zwischen 60 und 70 Jahren per Brief aufgefor<strong>der</strong>t,<br />
den beigelegten Stuhlbluttest anzuwenden und<br />
an <strong>eine</strong> zentrale Stelle <strong>zur</strong> Auswertung einzuschicken. Mit<br />
<strong>eine</strong>r Rücksendequote von 75% war die Maßnahme extrem<br />
erfolgreich. 41 Auch Vorsorgekampagnen in Unternehmen<br />
werden von den Experten als wichtige Möglichkeit gesehen,<br />
die Teilnahme an angebotenen Vorsorgeprogrammen<br />
zu steigern. In diesem Bereich leisten insbeson<strong>der</strong>e VW<br />
und BASF seit langem <strong>eine</strong> vorbildliche Arbeit. 42<br />
Einen großen Anteil an <strong>der</strong> Motivation von Patienten<br />
<strong>zur</strong> Vorsorge hat, wie bereits erwähnt, das Gespräch<br />
mit dem Arzt. Es ist durch Studien belegt, dass es Ärzten<br />
in gut geführten Beratungsgesprächen gelingt, Patienten<br />
von <strong>der</strong> Richtigkeit und Wichtigkeit <strong>eine</strong>r Vorsorgemaßnahme<br />
zu überzeugen, die sie zuvor ablehnten. Die in <strong>der</strong><br />
Studie befragten Experten stimmen darin überein, dass<br />
die präventiven Leistungen des Arztes gegenwärtig zu<br />
gering honoriert werden und dass insbeson<strong>der</strong>e aufwendige<br />
Beratungsgespräche (etwa zu Adipositas und<br />
Lebensstilän<strong>der</strong>ung) besser vergütet werden müssen. 43<br />
Prävention muss sich auch für den Arzt lohnen.<br />
Fazit: Es liegt auf <strong>der</strong> Hand, dass wir uns den<br />
weiteren ungebremsten Anstieg kostenintensiver chronischer<br />
Erkrankungen, von denen sich ein hoher Prozentsatz<br />
durch Prävention verhin<strong>der</strong>n o<strong>der</strong> auf <strong>eine</strong>n späteren<br />
Zeitpunkt verschieben lässt, nicht leisten können. Die Erkenntnis,<br />
dass die hierfür notwendige Umorientierung des<br />
Gesundheitswesens, <strong>der</strong> Ärzte und <strong>der</strong> Versicherten ein<br />
gesellschaftliches Langzeitprojekt ist, in das alle gesellschaftlichen<br />
Bereiche mit eingebunden werden müssen,<br />
hat sich aber noch kaum durchgesetzt. Noch hat Prävention<br />
im deutschen Gesundheitswesen nicht ansatzweise<br />
den Stellenwert, den sie ihrer Bedeutung nach haben<br />
müsste. Die gegenwärtige Präventionssituation ist durch<br />
<strong>eine</strong> Vielzahl unterschiedlicher Ansätze gekennzeichnet,<br />
die mehrheitlich zu kurz greifen und denen es sowohl an<br />
Koordination und Evaluation fehlt.
23<br />
6 Empfehlungen<br />
6.1 Vordringliche Maßnahmen<br />
Um Prävention und Gesundheitsför<strong>der</strong>ung in<br />
Deutschland zu stärken, sind Maßnahmen auf unterschiedlichen<br />
Ebenen notwendig. In <strong>der</strong> folgenden Abbildung<br />
sind diejenigen Maßnahmen aufgelistet, welche die<br />
befragten Experten für die mit Abstand dringlichsten und<br />
wichtigsten halten. Während <strong>eine</strong>rseits konkrete Maßnahmen<br />
in Bildung, Fortbildung, <strong>der</strong> Entwicklung von Anreizen<br />
und <strong>der</strong> Forschungsför<strong>der</strong>ung gefor<strong>der</strong>t werden (Punkte<br />
1-7), bedarf es darüber hinaus auch grundlegen<strong>der</strong><br />
politischer und rechtlicher Schritte, um Koordination und<br />
Qualitätskontrolle und damit generell die Nachhaltigkeit<br />
von Prävention zu gewährleisten (Punkte 8-10).<br />
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Status Quo<br />
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Abb. 13: Top 10 Maßnahmen<br />
Quellen: Booz Allen Hamilton Experteninterviews, Expertenforum
24<br />
6.1.1 Maßnahme 1: Vorrangige Position von Gesundheit<br />
und Prävention in Bildung und Erziehung<br />
Gesundheit und Prävention müssen in Erziehung<br />
und Bildung fest verankert werden. Dabei müssen die<br />
inhaltlichen Schwerpunkte auf <strong>der</strong> Erziehung zu gesun<strong>der</strong><br />
Ernährung, ausreichend Bewegung und dem Verzicht auf<br />
Rauchen, Alkohol und an<strong>der</strong>en Drogen liegen. Eltern sollten<br />
so weit wie möglich in die Aufklärung über gesunden<br />
Lebensstil und Risikominimierung einbezogen werden<br />
(Seminare, an<strong>der</strong>e Events vor Ort), da sie als Vorbildpersonen<br />
für die Nachhaltigkeit präventiven Verhaltens<br />
<strong>der</strong> Kin<strong>der</strong> maßgeblich sind. Prävention sollte früh, am<br />
besten im Kin<strong>der</strong>garten und bevor vorhandene Fehlsteuerungen<br />
manifest werden, beginnen. Über die vorhandenen<br />
Bildungseinrichtungen, über Schulen, Kin<strong>der</strong>tagesstätten<br />
und Kin<strong>der</strong>gärten, lässt sich ein Großteil <strong>der</strong> Kin<strong>der</strong> und<br />
auf lange Sicht ein großer Teil <strong>der</strong> Gesamtbevölkerung<br />
erreichen. Der Staat muss hier sein Bildungsmonopol nutzen,<br />
um möglichst flächendeckend über Prävention und<br />
Gesundheitsför<strong>der</strong>ung aufzuklären. Er sollte außerdem die<br />
Vorbildfunktion von Erziehern und Eltern durch gesetzliche<br />
Vorgaben stützen. Dazu gehören u.a. das konsequente<br />
Rauchverbot an Schulen (inklusive Schulhöfe und auch<br />
für Lehrer) sowie das Verbot von Zigarettenautomaten im<br />
direkten Umfeld <strong>der</strong> Schule. Ebenso sollte das Angebot<br />
kalorienreicher Snacks aus den Schulen selbst, aber auch<br />
aus dem näheren Umfeld von Schulen verbannt werden.<br />
Das Angebot gesun<strong>der</strong> Alternativen (kalorienreduzierte<br />
Snacks, kalorienbewusst gestaltetes Mittagessen) sollte<br />
hingegen unterstützt und geför<strong>der</strong>t werden.<br />
Gesundheitserziehung und Prävention müssen in<br />
weit größerem Umfang als bisher zum festen Bestandteil<br />
von Lehrplänen werden. Dies beinhaltet vor allem, dass<br />
wesentlich mehr Sport- und Bewegungsunterricht angeboten<br />
wird als bisher und dieser durch Ergänzung um<br />
mo<strong>der</strong>ne Sport- und Bewegungsarten kind- und jugendgerechter<br />
gestaltet wird. Seitens des Staates muss<br />
sichergestellt werden, dass für zusätzlich angebotene<br />
Präventionsprogramme (Bewegungsunterricht, gesunde<br />
Ernährung, Kochen etc.) ausreichend qualifiziertes Personal<br />
<strong>zur</strong> Verfügung steht (z.B. durch Kooperationen mit vor<br />
Ort vorhandenen öffentlichen Institutionen). Ziel sollte<br />
sein, bei Kin<strong>der</strong>n und Jugendlichen <strong>eine</strong> „Präventionskultur“<br />
zu etablieren, die lebendig ist und Spaß an gesun<strong>der</strong><br />
Lebensführung vermittelt. Flankierend sollen<br />
die Schulen Inhalte, die im Unterricht vermittelt werden,<br />
auch vorleben, indem sie beispielsweise ihr Lebensmittel-<br />
angebot daran ausrichten. Um Kin<strong>der</strong> und Jugendliche zu<br />
motivieren, auf kalorienreiche Snacks zu verzichten und<br />
stattdessen gesunde Nahrungsmittel aus <strong>der</strong> Schulkantine<br />
konsumieren, bedarf es unter Umständen zusätzlicher<br />
Anreize. Eine Schule in Schottland hat vorgemacht, wie<br />
diese aussehen könnten: Kin<strong>der</strong>, die hun<strong>der</strong>t gesunde<br />
Mahlzeiten in <strong>der</strong> Schulkantine einnahmen, werden dort<br />
mit <strong>eine</strong>m Preis ausgezeichnet. 44<br />
6.1.2 Maßnahme 2: Bundesweite Verbesserung <strong>der</strong><br />
Aufklärung<br />
Da Vorsorge und Gesun<strong>der</strong>haltung bisher im deutschen<br />
Gesundheitswesen <strong>eine</strong> untergeordnete Rolle spielten,<br />
konnte sich k<strong>eine</strong> Präventionskultur etablieren. Entsprechend<br />
sind Prävention und gesunde Lebensführung<br />
im Bewusstsein <strong>der</strong> Bevölkerung bisher wenig präsent.<br />
Um mehr Aufmerksamkeit auf das Thema zu lenken und<br />
den Wert von Prävention nachhaltig in den Köpfen <strong>der</strong><br />
Bürger zu verankern, muss die Aufklärung auf vielen<br />
Ebenen gleichzeitig ansetzen. Neben <strong>der</strong> Integration von<br />
Gesundheitserziehung in Kin<strong>der</strong>gärten muss Prävention<br />
nachhaltig in die Aus- und Fortbildung von Medizinstudenten,<br />
Ärzten, Schwestern, Assistenzpersonal, Pflege- und<br />
Erziehungsberufe integriert werden. Der Paradigmenwechsel<br />
muss mit nationalen und regionalen Aufklärungskampagnen<br />
begleitet werden, für die erfolgreiche Kampagnen<br />
wie die HIV-Kampagne <strong>der</strong> BZgA als Vorbild dienen<br />
können. Bei dieser Kampagne ist es durch die richtige<br />
Tonalität und sensible Ansprache <strong>der</strong> Zielgruppe gelungen,<br />
dass die Jugendlichen sie nicht nur wahrgenommen<br />
haben son<strong>der</strong>n sich von <strong>der</strong> Kampagne auch beeinflussen<br />
und zu Verhaltensän<strong>der</strong>ungen bewegen ließen. Einen<br />
an<strong>der</strong>en Ansatz verfolgt die Darmkrebsfrüherkennungskampagne<br />
<strong>der</strong> Felix Burda Stiftung, die auf zielgruppengerechte<br />
Ansprache verzichtet und stattdessen auf die<br />
Überzeugungskraft prominenter Testimonials setzt.<br />
Die adäquate Zielgruppenansprache kann, wenn<br />
sich die Zielgruppe eingrenzen lässt, <strong>eine</strong> wichtiges Erfolgskriterium<br />
für <strong>eine</strong> Kampagne sein. Ein zweites Kriterium<br />
ist die Kommunikation in den richtigen Medien. Wer<br />
Jugendliche über die Gefahren von Rauchen, Alkohol und<br />
Drogen aufklären will, muss sich nicht nur ihrer Sprache<br />
son<strong>der</strong>n auch ihrer Medien bedienen und z.B. Nachmittags-Talkshows,<br />
Onlinemedien, MTV und Radiosen<strong>der</strong><br />
nutzen. Mit <strong>der</strong> Aufklärung über Kin<strong>der</strong>adipositas wird<br />
man in die Medien gehen, die von jungen Frauen und<br />
Müttern gelesen o<strong>der</strong> gesehen werden. Die gegenüber
25<br />
Vorsorge resistente Zielgruppe <strong>der</strong> Männer erreicht man<br />
hingegen am besten im Umfeld von Fußball, Sport, Auto<br />
und Wirtschaftsmedien.<br />
Entscheidend für den Erfolg <strong>eine</strong>r Kampagne ist<br />
auch die Professionalität <strong>der</strong> Umsetzung. Hier müssen<br />
unbedingt, am besten bereits in <strong>der</strong> ersten Konzeptphase<br />
<strong>eine</strong>r Kampagne, gute Werber und PR-Fachleute<br />
zugezogen werden, um kreative Konzepte professionell<br />
umzusetzen. Zu empfehlen ist auch die Einbindung von<br />
Motivationsexperten. Unterstützende Aufgabe <strong>der</strong> Politik<br />
ist es, klare Präventionsziele zu formulieren und für geeignete<br />
Rahmenbedingungen und <strong>eine</strong> ausreichende Finanzierung<br />
geplanter Kampagnen Sorge zu tragen.<br />
6.1.3 Maßnahme 3: Faire Vergütung, Aufnahme zusätzlicher<br />
Leistungen in den GKV-Leistungskatalog<br />
Der GKV-Leistungskatalog berücksichtigt bisher<br />
nur wenige präventive Leistungen; er muss dringend um<br />
weitere Maßnahmen ergänzt werden. Als vordringliche<br />
Maßnahmen werden von den Experten die Erweiterung<br />
des Leistungskatalogs um anerkannte präventive<br />
Maßnahmen in <strong>der</strong> Kin<strong>der</strong>- und Jugendvorsorge sowie<br />
die Einführung flächendecken<strong>der</strong> Haut- und Brustkrebsvorsorge<br />
45 und das Screening für Schwangerschaftsdiabetes<br />
gefor<strong>der</strong>t.<br />
Auch die bisherige Vergütungspraxis für präventive<br />
Leistungen wird von den Experten als un<strong>zur</strong>eichend angesehen.<br />
Das ärztliche Beratungsgespräch <strong>zur</strong> Prävention<br />
ist oft mit erheblichem Zeitaufwand verbunden, <strong>der</strong> bisher<br />
nicht honoriert wird. Hier muss <strong>eine</strong> faire Vergütung des<br />
tatsächlich notwendigen Zeitaufwands eingeführt werden.<br />
Die Studie empfiehlt, dass die Vergütung insbeson<strong>der</strong>e<br />
<strong>der</strong> Beratungsleistung nachgebessert wird und für zeitaufwendige<br />
Langzeitberatungen, wie sie z.B. die Begleitung<br />
von Patienten bei <strong>der</strong> Nikotinentwöhnung o<strong>der</strong> <strong>der</strong><br />
Reduktion starker Übergewichtigkeit darstellt, sollten neue<br />
Abrechnungsziffern geschaffen werden. Denkbar wäre<br />
auch, dass präventive Leistungen aus dem fixen Budget<br />
herausgenommen und durch innovative Vergütungsstrukturen<br />
ersetzt werden. Beispielsweise könnte die Leistung<br />
<strong>eine</strong>s Arztes, <strong>der</strong> mit s<strong>eine</strong>n Beratungsgesprächen hohe<br />
Teilnahmequoten an <strong>eine</strong>r präventiven Maßnahme erzielt,<br />
mittels <strong>eine</strong>s Bonussystems honoriert werden.<br />
Ein weiterer Punkt betrifft die Praxisgebühr: Seit<br />
ihrer Einführung werden weniger präventive Leistungen<br />
in Anspruch genommen. 46 Zwar sind präventive Leistungen<br />
von <strong>der</strong> Praxisgebühr befreit, doch sch<strong>eine</strong>n viele<br />
Menschen dieses nicht zu wissen. Die Krankenkassen<br />
sind aufgefor<strong>der</strong>t, die Praxisgebühr im Hinblick auf diesen<br />
Effekt zu überdenken.<br />
6.1.4 Maßnahme 4: Teilnahmesteigerung durch Anreize;<br />
Präventionspass<br />
Anreizsysteme sind ein wesentlicher Faktor bei <strong>der</strong><br />
Steuerung menschlichen Verhaltens. Auch im Gesundheitssystem<br />
wird dieses Prinzip erfolgreich eingesetzt,<br />
wie die Beispiele <strong>der</strong> Rückerstattung von Beiträgen in <strong>der</strong><br />
privaten Krankenversicherung o<strong>der</strong> das Bonusheft für<br />
regelmäßige zahnärztliche Kontrollen zeigen. Anreizsysteme<br />
können auch die Teilnahme an Präventionsmaßnahmen<br />
verbessern. Um <strong>eine</strong> teilnahmesteigernde<br />
Wirkung zu erzielen, müssen die Anreize allerdings über<br />
das Niveau <strong>der</strong> <strong>der</strong>zeit von vielen Kassen angebotenen<br />
Bonusprogramme hinausgehen. Insbeson<strong>der</strong>e bei sozial<br />
schwächer gestellten Menschen, die bisher nicht ausreichend<br />
von Prävention erreicht werden, lässt ein<br />
finanzieller Bonus <strong>eine</strong>n Motivationsschub erwarten (z.B.<br />
„Erstattung <strong>der</strong> Praxisgebühr“ als Präventionsbonus). Ob<br />
die dafür notwendigen Mittel aus den Beständen <strong>der</strong> GKV<br />
und PKV zu finanzieren sind o<strong>der</strong> von Seiten des Staates<br />
<strong>zur</strong> Verfügung gestellt werden sollen, wird an dieser Stelle<br />
bewusst offen gelassen.<br />
Als geeignetes Instrument, um Anreizsysteme zu<br />
organisieren, wird von den Experten die Einführung <strong>eine</strong>s<br />
so genannten „Präventionspasses“ vorgeschlagen. In<br />
diesen Pass werden, beginnend mit <strong>der</strong> Geburt, lebenslang<br />
alle durchgeführten Vorsorgeuntersuchungen inkl.<br />
<strong>der</strong> Testergebnisse eingetragen. Das ermöglicht dem Arzt<br />
auf <strong>eine</strong>n Blick festzustellen, ob sich relevante Testdaten<br />
verän<strong>der</strong>t haben. Der Präventionspass sollte so konzipiert<br />
werden, dass sich s<strong>eine</strong> Daten ohne Schwierigkeiten auf<br />
die elektronische Patientenakte und die geplante Gesundheitskarte<br />
übertragen lassen.
26<br />
6.1.5 Maßnahme 5: Integration <strong>der</strong> Prävention in die<br />
berufliche Aus- und Weiterbildung<br />
Der Wissensstand über Prävention und anerkannte<br />
präventive Maßnahmen ist nicht nur in <strong>der</strong> Bevölkerung,<br />
son<strong>der</strong>n auch in weiten Teilen <strong>der</strong> Ärzteschaft ungenügend.<br />
In <strong>der</strong> medizinischen Aus- und Weiterbildung spielt<br />
Prävention bisher <strong>eine</strong> untergeordnete Rolle, in <strong>der</strong> studentischen<br />
Ausbildung kommt sie gegenwärtig so gut wie<br />
gar nicht vor. Da ein Großteil <strong>der</strong> Ärzteschaft aufgrund<br />
fehlen<strong>der</strong> Ausbildung nicht genügend über die Prävention<br />
diverser Krankheitsbil<strong>der</strong> weiß, sind Ärzte oft schlechte<br />
Vermittler des Präventionsgedankens und motivieren<br />
Patienten nur ungenügend. Die Experten dieser Studie<br />
for<strong>der</strong>n die umfassende Integration von Prävention in die<br />
studentische Ausbildung sowie die verpflichtende Fortbildung<br />
von Ärzten in allen Bereichen, die für Prävention<br />
relevant sind. Prävention muss Prüfungsfach werden und<br />
auch in <strong>der</strong> Facharztausbildung ein wesentlich stärkeres<br />
Gewicht bekommen. <strong>Von</strong> Hausärzten und Fachärzten<br />
muss <strong>der</strong> Nachweis gefor<strong>der</strong>t werden, dass sie sich regelmäßig<br />
in Prävention fortbilden und dass sie entsprechend<br />
auch über Neuentwicklungen in diesem Bereich informiert<br />
sind. Der Weiterbildungsnachweis stellt für den Arzt auch<br />
ein Differenzierungs- und Qualitätsmerkmal dar. Hier sind<br />
Kassenärztliche Vereinigungen und Ärztekammern in <strong>der</strong><br />
Pflicht, für geeignete Angebote zu sorgen. Darüber hinaus<br />
müssen auch die medizinischen Assistenz- und Pflegeberufe<br />
in Prävention ausgebildet werden. Lehrern und<br />
Kin<strong>der</strong>gartenpersonal muss Grundwissen in <strong>der</strong> Prävention<br />
von Gesundheitsschäden durch Fehlernährung und<br />
Mangel an Bewegung vermittelt werden. Sie sollten in <strong>der</strong><br />
Lage sein, Kin<strong>der</strong>n grundlegende Begriffe von gesun<strong>der</strong><br />
Ernährung und gesundem Lebensstil zu vermitteln und<br />
vorzuleben.<br />
6.1.6 Maßnahme 6: Ausbau <strong>der</strong> Forschung<br />
Deutschland verfügt im internationalen Maßstab<br />
über <strong>eine</strong> reiche Forschungslandschaft von hoher Qualität.<br />
Dies lässt sich allerdings nicht von <strong>der</strong> Präventionsforschung<br />
sagen, wo insbeson<strong>der</strong>e im Bereich <strong>der</strong> klinischen<br />
Grundlagenforschung, <strong>der</strong> Versorgungsforschung,<br />
<strong>der</strong> Epidemiologie und <strong>der</strong> Gesundheitsökonomie<br />
erheblicher Nachholbedarf besteht. Die Experten<br />
mahnen dringend den Forschungsausbau in allen diesen<br />
Bereichen sowie die Einrichtung <strong>eine</strong>r übergeordneten<br />
Instanz an, die dafür sorgt, dass die Forschung vernetzt<br />
und koordiniert abläuft. Um die Präventionsforschung<br />
voranzutreiben, sollten auch Krankenkassen und Industrie<br />
eingebunden und mit internationalen Institutionen<br />
Kooperationen vereinbart werden.<br />
6.1.7 Maßnahme 7: Initiativen in Settingansätzen stärken<br />
und för<strong>der</strong>n<br />
Prävention ist <strong>eine</strong> gesamtgesellschaftliche Aufgabe<br />
und muss sich durch alle Lebensbereiche ziehen.<br />
Der Arzt kann nur <strong>eine</strong>n Teil von Prävention abdecken.<br />
Insbeson<strong>der</strong>e für den Bereich Primärprävention müssen<br />
innovative Wege beschritten werden, um die Teilnahme<br />
an Programmen zu erhöhen. Die Menschen müssen in<br />
Lebenswelten (sog. „Settings“) angesprochen werden, im<br />
Betrieb, im Sportstudio und Fitnessverein, im Einkaufszentrum,<br />
im Seniorenheim, in <strong>der</strong> Schule und im Kin<strong>der</strong>garten,<br />
um nur einige <strong>der</strong> Möglichkeiten herauszugreifen.<br />
Im Entwurf des geplanten Präventionsgesetzes<br />
sind 100 Millionen Euro pro Jahr für die Ansprache in lebensweltbezogenen<br />
„Settings“ vorgesehen. Ein richtiger<br />
Ansatz, für den es bisher allerdings an <strong>der</strong> Ausplanung<br />
konkreter Ziele und Maßnahmen fehlt. Als mögliche För<strong>der</strong>maßnahmen<br />
könnten hier beispielsweise ein Gütesiegel<br />
„Gesunde Schule“ o<strong>der</strong> <strong>eine</strong> Auszeichnung für ein<br />
erfolgreiches Präventionsprojekteingeführt werden.<br />
Die vorliegende Studie for<strong>der</strong>t, dass vorhandene<br />
Initiativen und Settingansätze koordiniert und evaluiert<br />
werden, da an<strong>der</strong>nfalls Kostenineffizienz und Ressourcenverschwendung<br />
drohen. Dass die Verantwortung<br />
für Projekte in Settingansätzen in dem von <strong>der</strong> Bundesregierung<br />
vorgelegten Entwurf für ein Präventionsgesetzes<br />
an die Bundeslän<strong>der</strong> delegiert wird, macht die<br />
Aufgabe effizienter Koordination und Evaluation nicht<br />
einfacher. Es wird deshalb empfohlen, dass die Evaluation<br />
von Projekten, die im Verantwortungsbereich <strong>der</strong> Län<strong>der</strong><br />
durchgeführt werden, ebenfalls von <strong>eine</strong>r zu etablierenden<br />
übergreifenden Instanz organisiert wird.<br />
6.1.8 Maßnahme 8: Klare Zielsetzungen <strong>der</strong> Politik<br />
Es ist unzweifelhaft, dass Prävention und Gesundheitsfürsorge<br />
Lebensqualität und Leistungsvermögen<br />
sichern. Dennoch bleibt die Bewertung ihrer makroökonomischen<br />
Konsequenzen kontrovers und basiert auf <strong>eine</strong>r
27<br />
<strong>der</strong>zeit ungenügenden Datenlage. Es gibt gute Gründe anzunehmen,<br />
dass Prävention auf lange Sicht durch später<br />
auftretende kostenintensive Behandlungen mehr Geld kostet<br />
als sie kurzfristig, durch Vermeidung <strong>eine</strong>r möglicherweise<br />
bevorstehenden kostenintensiven Behandlung,<br />
einspart.<br />
Die Politik ist gefor<strong>der</strong>t, hier klare Gesundheitsziele<br />
vorzugeben. So wie <strong>der</strong> Rahmen solidarisch zu finanzieren<strong>der</strong><br />
kurativer Leistungen festgelegt wird, muss auch<br />
<strong>der</strong> Rahmen von Leistungen festgelegt werden, mit denen<br />
beispielsweise präventiv gegen drohende Gesundheitsschäden<br />
durch die zunehmende Übergewichtigkeit <strong>der</strong><br />
Bevölkerung vorgegangen werden soll. Dabei wird zwangsläufig<br />
auch die Frage diskutiert werden müssen, inwieweit<br />
Bürger im Interesse <strong>der</strong> Solidargemeinschaft zu <strong>eine</strong>r<br />
gesün<strong>der</strong>en Lebensweise verpflichtet (Stichwort „Präventionspflicht“)<br />
werden können und wie weit Bonussysteme<br />
gehen dürfen, um präventives Verhalten zu beför<strong>der</strong>n.<br />
In <strong>eine</strong>m weiteren Punkt ist politische Glaubwürdigkeit<br />
gefor<strong>der</strong>t. Er betrifft die Frage <strong>der</strong> Abwägung volkswirtschaftlicher<br />
und „volksgesundheitlicher“ Interessen.<br />
Um präventives Verhalten bei <strong>der</strong> Bevölkerung zu för<strong>der</strong>n,<br />
müssen hier wesentlich klarer als bisher Positionen und<br />
Prioritäten kommuniziert werden. Liegt die gesellschaftspolitische<br />
Priorität bei <strong>der</strong> Sicherung von Lebensqualität<br />
und Leistungsfähigkeit <strong>der</strong> Bevölkerung, dann muss z.B.<br />
in Kauf genommen werden, dass durch ein EU-weites<br />
Tabakwerbeverbot möglicherweise Arbeitsplätze verloren<br />
gehen und ein Teil <strong>der</strong> Steuereinnahmen entfällt.<br />
6.1.9 Maßnahme 9: Anpassung <strong>der</strong> gesetzlichen Rahmenbedingungen<br />
Die bisherigen Rahmenbedingungen reichen nicht<br />
aus, um Prävention in Deutschland erfolgreich umzusetzen.<br />
Die Studie kommt zu dem Schluss, dass <strong>eine</strong> wirkungsvolle<br />
Prävention die Anpassung bestehen<strong>der</strong> Gesetze und<br />
Verordnungen erfor<strong>der</strong>t. Es muss möglich sein, dass das<br />
Erfassen und Speichern präventionsbezogener Daten<br />
bundeseinheitlich vorgenommen wird, dass Datenbanken<br />
miteinan<strong>der</strong> vernetzt werden, und Daten zu statistischen<br />
Zwecken o<strong>der</strong> zum Zweck <strong>der</strong> Qualitätssicherung und<br />
Erfolgskontrolle ausgetauscht werden. Die Datenschutzbestimmungen<br />
müssen dahingehend erweitert werden,<br />
dass Menschen mit bestimmtem Risikoprofil, das sich<br />
aus ihren Krankheitsdaten erschließt, angesprochen und<br />
auf risikoadaptierte Screeningmaßnahmen aufmerksam<br />
gemacht werden können. Ebenso wird von den Experten<br />
gefor<strong>der</strong>t, dass Lebensmittelrecht und Verbraucherschutz<br />
(mögl. Fluorzusatz zum Trinkwasser, Kennzeichnung von<br />
Nahrungsmitteln, etc.) angepasst werden und dass <strong>der</strong><br />
Schutz von Nichtrauchern konsequent durchgesetzt wird.<br />
Auch in <strong>der</strong> Gendiagnostik ist ein zügiger Abschluss <strong>der</strong><br />
Gesetzgebung wünschenswert. Klare Richtlinien in <strong>der</strong><br />
genetischen Dispositionsdiagnostik (z.B. Tests auf erbliches<br />
Krebs- o<strong>der</strong> Diabetesrisiko) können den vorhandenen<br />
Ängsten in <strong>der</strong> Bevölkerung entgegenwirken und bedeuten<br />
für Wissenschaft und Industrie <strong>eine</strong> größere Rechtssicherheit<br />
und bessere Planbarkeit.<br />
6.1.10 Maßnahme 10: Koordination und Evaluation<br />
durch <strong>eine</strong> übergreifende Einrichtung<br />
Effiziente Prävention erfor<strong>der</strong>t das Zusammenspiel<br />
vieler verschiedener Akteure auf unterschiedlichen Ebenen.<br />
Großes Potenzial, um Prävention in Deutschland zu<br />
för<strong>der</strong>n und durchzusetzen, sehen die an <strong>der</strong> Studie beteiligten<br />
Experten in <strong>der</strong> systematischen Koordination und<br />
Vernetzung <strong>der</strong> im Präventionsbereich tätigen Akteure<br />
sowie <strong>der</strong> bestehenden Institutionen. Koordination und<br />
Evaluation sind die Schlüsselfaktoren für den nachhaltigen<br />
Erfolg von Prävention. Ohne beides sind we<strong>der</strong> Qualitätssicherung<br />
und Erfolgskontrolle, noch ein Benchmarking<br />
mit an<strong>der</strong>en Projekten möglich. Es lässt sich auf diese<br />
Weise nicht feststellen, ob ein Präventionsprogramm in<br />
Relation zu an<strong>der</strong>en Maßnahmen effizient und effektiv ist<br />
bzw. wo Verbesserungsbedarf besteht.<br />
Eine zentrale Aussage <strong>der</strong> Studie ist, dass es<br />
<strong>eine</strong> übergreifende Instanz geben muss, die dafür Sorge<br />
trägt, dass Programme und Projekte koordiniert und vernetzt<br />
ablaufen und grundsätzlich jedes Programm, das<br />
Gesundheitsvorsorge zum Gegenstand hat, evaluiert wird.<br />
Die Einrichtung <strong>eine</strong>r solchen Instanz, die mit präventionserfahrenen<br />
Institutionen wie <strong>der</strong> BZgA partnerschaftlich<br />
zusammenarbeiten sollte, muss nun vorrangig betrieben<br />
werden. Es muss ermöglicht werden, dass geeignete<br />
Strukturen für die Organisation und Umsetzung <strong>der</strong><br />
vorgenannten Aufgaben etabliert werden. Zusätzlich wird<br />
die Koordination von Präventionsaktivitäten auf europäischer<br />
Ebene empfohlen, da langfristig einheitliche Präventionsansätze<br />
und –regelungen in Europa wünschenswert<br />
sind.
28<br />
6.2 Langfristige Handlungsbereiche<br />
Die folgende Graphik zeigt die hauptsächlichen<br />
Bereiche, in denen nach Meinung <strong>der</strong> in <strong>der</strong> Studie befragten<br />
Experten <strong>der</strong> größte Handlungsbedarf besteht.<br />
Im Gegensatz zu den in Abbildung 13 aufgelisteten kurzfristig<br />
umzusetzenden Maßnahmen bezeichnen die hier<br />
aufgeführten Bereiche langfristige Verän<strong>der</strong>ungen, die<br />
für die nachhaltige Stärkung <strong>der</strong> Prävention notwendig<br />
sind. Die treppenförmige Anordnung <strong>der</strong> Bereiche I-V<br />
zeigt, in welcher Reihenfolge die Bereiche aufeinan<strong>der</strong><br />
aufsetzen: Seitens <strong>der</strong> Politik müssen klare Ziele für die<br />
Gesundheitsför<strong>der</strong>ung und Prävention benannt und die<br />
Rahmenbedingungen entsprechend angepasst werden,<br />
damit sich <strong>eine</strong> übergreifende Koordinations- und Evaluationsstruktur<br />
etablieren kann. Diese ist notwendig, um<br />
optimale Voraussetzungen für erfolgreiche operative Programmsetups<br />
zu schaffen, ohne die k<strong>eine</strong> Identifikation<br />
und Eingrenzung <strong>der</strong> Zielgruppen vorgenommen werden<br />
kann. Letztere ist aber wie<strong>der</strong>um Voraussetzung für das<br />
Erreichen höherer Teilnahmeraten. Der Handlungsbedarf<br />
wird von den Experten in allen fünf Bereichen als dringend<br />
eingestuft. Es wird empfohlen, die notwendigen Verän<strong>der</strong>ungsschritte<br />
in allen Bereichen parallel vorzunehmen.<br />
6.2.1 Handlungsbereich I: Klare definierte Präventionsziele,<br />
Anpassung <strong>der</strong> Rahmenbedingungen<br />
Wenn sich Prävention neben Akutbehandlung,<br />
Pflege und Rehabilitation als vierte Säule des Gesundheitssystems<br />
erfolgreich etablieren soll, benötigt sie <strong>eine</strong><br />
solide gesellschaftliche und wissenschaftliche Verankerung.<br />
Dringend erfor<strong>der</strong>lich ist, dass seitens <strong>der</strong> Politik<br />
in <strong>eine</strong>m Masterplan Prävention klare Präventionsziele<br />
formuliert und Bund und Län<strong>der</strong> gleichermaßen auf die<br />
Umsetzung dieser Ziele verpflichtet werden. Dabei ist es<br />
aus Gründen <strong>der</strong> Machbarkeit und des effizienten Ressourceneinsatzes<br />
sinnvoll, sich auf einige wenige langfristige<br />
Ziele zu beschränken und ihr Erreichen konsequent<br />
zu verfolgen. Die gesetzten „Etappenziele“ müssen durch<br />
regelmäßige Bestandsaufnahmen, Erfolgskontrollen und<br />
Benchmarking mit erfolgreichen Programmen an<strong>der</strong>er<br />
Län<strong>der</strong> überprüft werden. Der Masterplan muss außer<br />
<strong>der</strong> Definition von Meilenst<strong>eine</strong>n auch <strong>eine</strong> Analyse des<br />
Status Quo sowie die Verpflichtung <strong>der</strong> Akteure enthalten,<br />
ihre Aktivitäten mit ähnlich gearteten Initiativen an<strong>der</strong>er<br />
Akteure zu koordinieren sowie Maßnahmen zu etablieren,<br />
welche die individuelle Erfolgskontrolle des jeweiligen Projekts/Programms<br />
ermöglichen.<br />
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Abb. 14: Fünf langfristige Handlungsbereiche in <strong>der</strong> Prävention<br />
Quellen: Booz Allen Hamilton Analysen
29<br />
Kostenträger, Ärzteschaft und Gesundheitspolitik<br />
müssen eng zusammenwirken und Rahmenbedingungen<br />
schaffen, welche die Umsetzung des Masterplans unterstützen.<br />
Beispielsweise müssen für Versicherte und<br />
Ärzte geeignete Anreizsysteme geschaffen werden. Eine<br />
Möglichkeit stellt <strong>der</strong> an an<strong>der</strong>er Stelle bereits erwähnte<br />
Präventionsbonuspass für Versicherte dar, <strong>eine</strong> an<strong>der</strong>e<br />
die Anpassung des EBM im Hinblick auf faire Vergütung<br />
ärztlicher Präventionsleistungen.<br />
Um auf Dauer erfolgreich zu sein muss Prävention<br />
außerdem dringend als gesamtgesellschaftliches<br />
Thema etabliert und aus dem alleinigen Verantwortungsbereich<br />
<strong>der</strong> Gesundheitspolitik herausgelöst werden.<br />
Bildungs-, Familien- und Sozialpolitik müssen hier gleichermaßen<br />
Verantwortung übernehmen.<br />
6.2.2 Handlungsbereich II: Etablierung übergreifen<strong>der</strong><br />
Koordinations- und Evaluationsprozesse<br />
Voraussetzung für die Nachhaltigkeit präventiver<br />
Maßnahmen und Programme ist, dass sie koordiniert<br />
und vernetzt ablaufen, nach evidenzbasierten Leitlinien<br />
durchgeführt und laufend evaluiert werden. Um dies zu<br />
gewährleisten, muss <strong>der</strong> gesamte Prozess, angefangen<br />
von <strong>der</strong> Konzeptentwicklung über die Umsetzung bis <strong>zur</strong><br />
Evaluation koordiniert ablaufen. Die vorliegende Studie<br />
empfiehlt, diesen durch <strong>eine</strong> übergreifende koordinierende<br />
Einrichtung zu begleiten. Bei dieser Stelle laufen<br />
idealerweise alle wesentlichen Daten von Projekten und<br />
Programmen zusammen und können miteinan<strong>der</strong> verglichen<br />
werden.<br />
Aufgabe <strong>der</strong> koordinierenden Einrichtung sollte<br />
außerdem sein, für die Entwicklung einheitlicher Leitlinien<br />
Sorge zu tragen, damit Vorsorgeprogramme bundesweit<br />
nach denselben Vorgaben umgesetzt werden. Werden<br />
die Programme, wie es bei Brustkrebs gegenwärtig <strong>der</strong><br />
Fall ist, nach unterschiedlichen Leitlinien umgesetzt, erschwert<br />
dies Erfolgskontrolle und Benchmarking und leistet<br />
<strong>der</strong> Ressourcenverschwendung Vorschub. Eine koordinierende<br />
Einrichtung muss darüber hinaus dafür sorgen,<br />
dass die Entwicklung evidenzbasierter Leitlinien vernetzt<br />
geschieht und außer Medizinern auch Epidemiologen,<br />
Gesundheitsökonomen und Versorgungsforscher an dem<br />
Prozess beteiligt werden. Vorgaben, die die Umsetzung<br />
<strong>der</strong> Programme betreffen, sollten die routinemäßige Bewertung<br />
des Programms sowie den Vergleich mit national<br />
und international erfolgreichen Projekten berücksichtigen.<br />
In die Diskussion, welche Vorgaben für die Umsetzung<br />
von Programmen notwendig sind und gemacht werden<br />
sollten, müssen an<strong>der</strong>e beteiligte Akteure (z. B. Krankenkassen,<br />
Industrie, Patientenvertreter) mit eingebunden<br />
werden. Die koordinierende Einrichtung stellt sicher, dass<br />
nur solche Programme und Maßnahmen durch die GKV<br />
finanziert werden, die die Basisanfor<strong>der</strong>ungen an die leitliniengerechte<br />
Umsetzung und Erfolgskontrolle erfüllen.<br />
Neben <strong>der</strong> übergreifenden Koordination und Vernetzung<br />
<strong>der</strong> Akteure ist <strong>eine</strong> <strong>der</strong> Hauptaufgaben <strong>eine</strong>r<br />
solchen Stelle zu gewährleisten, dass alle Präventionsprogramme<br />
und -maßnahmen erfolgskontrolliert ablaufen.<br />
Bisher findet Erfolgkontrolle – wie bereits an an<strong>der</strong>er<br />
Stelle erwähnt – nicht ausreichend statt bzw. fehlt in<br />
vielen Fällen gänzlich. Um alle ihr zugeschriebenen Aufgaben<br />
leisten zu können, muss die ein<strong>zur</strong>ichtende koordinierende<br />
Stelle mit angemessener Verantwortung und<br />
ausreichend Ressourcen ausgestattet werden. Sie muss<br />
in enger Abstimmung mit <strong>eine</strong>m Netzwerk von Experten<br />
und bestehenden evaluierenden Einrichtungen (z.B. <strong>der</strong><br />
BZgA) <strong>eine</strong> Infrastruktur schaffen, die das Sammeln und<br />
Bewerten <strong>der</strong> o. g. Daten sowie die Durchführung von<br />
Erfolgskontrollen ermöglicht. Entsprechend <strong>der</strong> erfolgten<br />
Bewertung kann sie dann einzelnen Programmen empfehlen,<br />
<strong>eine</strong> strukturelle Anpassung vorzunehmen. Fällt die<br />
Erfolgskontrolle <strong>eine</strong>s Programms nicht zufrieden stellend<br />
aus, können durch die koordinierende Stelle Vorschläge<br />
<strong>zur</strong> Programmoptimierung gemacht werden.<br />
Eine weitere Aufgabe, welche die koordinierende<br />
Einrichtung in Zusammenarbeit mit ihrem Expertennetzwerk<br />
organisieren sollte, ist die Beratung <strong>der</strong> Politik bei <strong>der</strong><br />
ggf. notwendigen Anpassung von Rahmenbedingungen<br />
(z.B. beim Datenschutz und beim Lebensmittelrecht). Die<br />
geltenden Datenschutzbestimmungen machen beispielsweise<br />
das Erfassen und Dokumentieren von Daten, welche<br />
die Überprüfung <strong>der</strong> Wirksamkeit und Effizienz <strong>eine</strong>s<br />
Programms (z.B. für Risikogruppen, Erkrankungscluster<br />
etc.) zulassen, in vielen Fällen unmöglich und behin<strong>der</strong>n<br />
so <strong>eine</strong> wirksame Erfolgskontrolle.<br />
Abbildung 15 zeigt, welche Prozesse übergreifend<br />
koordiniert werden müssen, um Prävention und präventive<br />
Programme nachhaltig zu optimieren.
30<br />
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zentralen<br />
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* Vgl. „Wahrnehmung und Umsetzung rechtlicher Bestimmungen <strong>zur</strong> Prävention in Deutschland“, Dr. Ulla Walter, 2003<br />
Abb. 15: Übergreifende Prozesskoordination<br />
Quellen: Booz Allen Hamilton Analysen<br />
6.2.3 Handlungsbereich III: Erfolgreiche Gestaltung des<br />
operativen Programmsetups<br />
Ein optimales Programmsetup sollte, um nachhaltig<br />
erfolgreich zu sein, neben <strong>eine</strong>m standardisierten<br />
Vorgehen nach evidenzbasierten medizinischen Leitlinien<br />
die wirtschaftliche Bewertung des Grenznutzens <strong>der</strong> jeweiligen<br />
Maßnahme sowie die Beurteilung <strong>der</strong> Machbarkeit<br />
und möglichen Reichweite berücksichtigen. Höchste<br />
Effizienz haben naturgemäß bundesweit greifende o<strong>der</strong><br />
vernetzte Programme und Initiativen, die wirtschaftliche<br />
Effizienzvorteile durch die Größe/Reichweite (sog. Skalenvorteile)<br />
realisieren können. Ein weiterer, wichtiger<br />
Erfolgsfaktor für das Programmsetup ist die Wahl <strong>eine</strong>s<br />
adäquaten Governance-Modells, das Zuständigkeiten<br />
und Verantwortungsbereiche <strong>der</strong> beteiligten Akteure regelt<br />
und voneinan<strong>der</strong> abgrenzt.<br />
Das grundlegende Konzept und Setup <strong>eine</strong>s Präventionsprogramms<br />
muss <strong>eine</strong> Status-quo-Analyse, <strong>eine</strong><br />
Analyse <strong>der</strong> Zielgruppe sowie <strong>eine</strong> Definition <strong>der</strong> Erfolgskriterien<br />
enthalten. Um die Erfahrungen unterschiedlicher<br />
Gruppen, die an dem Programm beteiligt werden,<br />
möglichst frühzeitig für das Setup zu nutzen, empfiehlt<br />
es sich, diese bereits in die Konzeptionsphase mit einzubinden.<br />
Neben Medizinern und wissenschaftlichen<br />
Fachgesellschaften sollten daher auch Versorgungsforscher,<br />
Krankenkassen und Gesundheitsökonomen<br />
an <strong>der</strong> Entwicklung <strong>eine</strong>s Präventionskonzepts beteiligt<br />
werden. Der operative „Businessplan“ für die Umsetzung<br />
des Programms sollte Details über die geplanten<br />
Vorsorgemaßnahmen, die Identifikation <strong>der</strong> Zielgruppen<br />
sowie über in Aussicht genommene Anreizmechanismen<br />
enthalten und auch über geplante Maßnahmen für begleitende<br />
PR- und Marketingaktivitäten sowie professionelles
31<br />
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Abb. 16: Kosten-/Nutzenfaktoren bei Präventionsprogrammen<br />
Quellen: Booz Allen Hamilton Analysen, Experten Interviews<br />
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Hinweis: Ohne Betrachtung von indirekten Kosten, Interdependenzen, Wechselwirkungen zu an<strong>der</strong>en Präventionsprogrammen, QALY, etc.<br />
Direkt durch Set-up des Präventionsprogramms zu beeinflussen<br />
Indirekt durch Set-up des Präventionsprogramms zu beeinflussen<br />
Abhängig von Marketingmethode und genereller Einstellung <strong>der</strong><br />
Bevölkerung<br />
Abb. 17: Mögliches Analysemodell <strong>der</strong> Wirtschaftlichkeit (sekundärer) Prävention<br />
Quellen: Booz Allen Hamilton Analysen
32<br />
Programmcontrolling Auskunft geben. Letzteres ist von<br />
großer Wichtigkeit für die Erfolgskontrolle und die ggf.<br />
vorzunehmende Modifikation des Programms.<br />
Essentieller Teil des Setups ist <strong>eine</strong> Kosten-Nutzen<br />
Analyse – ein Aspekt, <strong>der</strong> aktuell bei vielen Programmen<br />
vernachlässigt wird. Die Aufschlüsselung von Nutzen<br />
und Kosten präventiver Maßnahmen ist komplex, da Art<br />
und Höhe <strong>der</strong> Kosten von <strong>eine</strong>r Reihe unterschiedlicher<br />
Faktoren beeinflusst werden, die sich (wie z.B. Lebensqualität)<br />
nicht alle eindeutig berechnen lassen. Auch <strong>der</strong><br />
vermutete Effekt, dass Früherkennung möglicherweise<br />
nicht kostensenkend wirkt son<strong>der</strong>n Kosten nur auf <strong>eine</strong>n<br />
späteren Zeitpunkt verschiebt, lässt sich nicht eindeutig<br />
quantifizieren.<br />
Abbildung 16 zeigt modellhaft die unterschiedlichen<br />
Faktoren, die bei <strong>der</strong> Aufstellung <strong>eine</strong>r Kosten-Nutzen-Analyse<br />
zu berücksichtigen sind.<br />
Die Wirtschaftlichkeit <strong>eine</strong>s Präventionsprogramms<br />
wird vor allem von folgenden zwei Faktoren bestimmt: 1.<br />
In wie weit lässt sich die Zielgruppe eingrenzen bzw. in wie<br />
weit ist es möglich, die Zielgruppe, für die das Programm<br />
gedacht ist, auch zu erreichen 2. Werden Ausbruch und<br />
kostenintensive Behandlung <strong>der</strong> Krankheit, gegen die sich<br />
die Präventionsmaßnahme richtet, lediglich auf <strong>eine</strong>n späteren<br />
Zeitpunkt verschoben, o<strong>der</strong> lässt sich die Krankheit<br />
durch Entdecken im Vor- o<strong>der</strong> Frühstadium verhin<strong>der</strong>n<br />
bzw. heilen und kostenintensive Behandlungen entfallen<br />
damit vollständig<br />
Abbildung 17 entwirft ein Berechnungsmodell, das<br />
<strong>eine</strong> Wirtschaftlichkeitsrechnung ermöglichen könnte. Es<br />
stellt k<strong>eine</strong> exakte Berechnungsmethode dar, son<strong>der</strong>n soll<br />
vornehmlich als Diskussionsgrundlage dienen. Mathematische<br />
Modelle, welche die Bewertung <strong>der</strong> Wirtschaftlichkeit<br />
<strong>eine</strong>r Präventionsmaßnahme über Zeit erlauben<br />
(z.B. Markov-Ketten), müssen das vorgestellte Modell<br />
ergänzen.<br />
Eines <strong>der</strong> <strong>der</strong>zeit gebräuchlichen mathematischen<br />
Konzepte für die Kostenberechnung <strong>eine</strong>r medizinischen<br />
Intervention (darunter fallen auch Kosten sekundärpräventiver<br />
Leistungen) ist die Berechnung <strong>der</strong> „Kosten pro<br />
QALY“ (Quality Adjusted Life Years) 47 , d. h. pro in relativer<br />
Gesundheit verbrachter Lebensjahre. Ein wesentlicher<br />
Nachteil des Konzepts besteht darin, dass es nicht erfasst,<br />
wie sich die Behandlungskosten durch Präventionsmaßnahmen<br />
än<strong>der</strong>n. Alternative Modelle <strong>zur</strong> Abschätzung<br />
<strong>der</strong> Kosten-Nutzen-Relation sind daher erfor<strong>der</strong>lich, aber<br />
bisher noch kaum etabliert.<br />
In <strong>der</strong> folgenden Abbildung werden die QALY-Kosten<br />
etablierter Krebsvorsorgeprogramme und <strong>der</strong> Dialysebehandlung<br />
verglichen. 48,49 Die Gegenüberstellung macht<br />
deutlich, dass <strong>der</strong> „Return on Investment“ bei <strong>der</strong> Dialysebehandlung,<br />
wie sie beispielsweise als Spätintervention<br />
bei <strong>eine</strong>r fortgeschrittenen Diabeteserkrankung notwendig<br />
werden kann, sehr viel ungünstiger ist als bei Vorsorgemaßnahmen<br />
wie Mammographie und Darmspiegelung,<br />
und dass sich mit <strong>eine</strong>r für Prävention aufgewendeten<br />
gegebenen Geldmenge wesentlich mehr „in relativer Gesundheit<br />
verbrachte Lebensjahre“ gewinnen lassen als<br />
durch kostenintensive Spätinterventionen.<br />
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Abb. 18: Kosten pro „QALY“ bei Vorsorge und Spätintervention<br />
Quellen: Siehe Fußnoten (46, 47)
33<br />
6.2.4 Handlungsbereich IV: Zielgruppendefinition und<br />
Teilnehmerauswahl<br />
Die genaue Definition von Zielgruppen und die möglichst<br />
gezielte Auswahl von Teilnehmern sind wesentliche<br />
Faktoren für den Erfolg von Prävention. Wichtig ist, dass<br />
bereits in <strong>der</strong> Konzeptionsphase Risikostratifizierungen<br />
vorgenommen und Zielgruppen mit höherem Risiko nach<br />
Möglichkeit eingegrenzt werden. Voraussetzung hierfür ist,<br />
dass bestehende Datenbanken miteinan<strong>der</strong> vernetzt und<br />
von allen am Programm beteiligten Akteuren gemeinsam<br />
genutzt werden können. Je genauer ein Präventionsprogramm<br />
die in Aussicht genommene Zielgruppe erreicht,<br />
desto größer wird <strong>der</strong> individuelle (risikoadaptierte Therapie/Prävention)<br />
und gesamtgesellschaftliche Nutzen<br />
(gute Kosten-/Nutzen-Relation) sein.<br />
Um die Effektivität von Präventionsprogrammen<br />
langfristig zu verbessern ist es empfehlenswert, Risikostratifizierung<br />
zu <strong>eine</strong>m Schwerpunkt zukünftiger Präventionsforschung<br />
zu machen. Ein großes Zukunftspotenzial<br />
sehen die Experten beispielsweise in <strong>der</strong> sogenannten<br />
genetischen Dispositionsdiagnostik, mit <strong>der</strong>en Hilfe Menschen,<br />
die gegenüber <strong>der</strong> Normalbevölkerung ein höheres<br />
o<strong>der</strong> sehr hohes Risiko für die Entwicklung <strong>eine</strong>r bestimmten<br />
Erkrankung haben, sehr viel früher als Träger <strong>eine</strong>s<br />
erblichen Risikos identifiziert werden können. Diesen<br />
Personen kann dann frühzeitig die Teilnahme an <strong>eine</strong>m<br />
risikoadaptierten Screening angeboten werden.<br />
Erfolgreich wäre ein risikoadaptiertes Programm<br />
dann, wenn in <strong>der</strong> anvisierten Zielgruppe alle Personen<br />
mit <strong>eine</strong>m individuellen Risiko für die betreffende Erkrankung<br />
erreicht werden, und wenn Personen mit höherem<br />
o<strong>der</strong> hohem Risiko <strong>eine</strong>r individuellen Beratung zugeführt<br />
werden. Damit dies gelingen kann, müssen Setup,<br />
Anreizmechanismen und Teilnehmeransprache auf die<br />
spezielle Zielgruppe zugeschnitten sein und soziodemographische<br />
Faktoren wie Informations- und Bildungsstand<br />
berücksichtigen. Das folgende Schema zeigt, wie zielgruppenspezifische<br />
Prävention organisiert werden kann und<br />
welche Einzelschritte zu berücksichtigen sind.<br />
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Abb. 19: Schema für zielgruppenspezifische Prävention<br />
Quellen: Booz Allen Hamilton Analysen
34<br />
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Zielgruppe<br />
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Abb. 20: Vorraussetzungen für die Steigerung von Teilnahmeraten<br />
Quellen: Booz Allen Hamilton Analysen<br />
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Abb. 21: Maßnahmen <strong>zur</strong> Steigerung <strong>der</strong> Teilnahmeraten<br />
Quellen: Booz Allen Hamilton Analysen
35<br />
6.2.5 Handlungsbereich V: Steigerung <strong>der</strong> Teilnahme an<br />
Vorsorgeprogrammen<br />
Ein Vorsorgeprogramm kann nur dann als erfolgreich<br />
beurteilt werden, wenn die Zielgruppe, an die es<br />
sich wendet, möglichst flächendeckend erreicht wird und<br />
sich viele Mitglie<strong>der</strong> <strong>der</strong> Zielgruppe an dem Programm<br />
beteiligen. Hier spielen beson<strong>der</strong>s zielgruppengerechtes<br />
Marketing, <strong>eine</strong> adäquate Infrastruktur sowie innovative<br />
Anreizsysteme <strong>eine</strong> wichtige Rolle (vgl. Abbildung 20). Bei<br />
neu zu etablierenden Programmen kann zudem ein Benchmarking<br />
mit ausländischen Erfolgsprogrammen hilfreich<br />
sein. Die Erfolgsfaktoren sind bei vielen erfolgreichen Programmen<br />
ähnlich: angemessene Rahmenbedingungen,<br />
<strong>eine</strong> gute Reichweite, Anreizmechanismen für Versicherte<br />
und Ärzte, flächendeckendes Angebot durch z. B. Vernetzung<br />
lokaler Initiativen, erfolgsorientiertes Marketing und<br />
dichte Medienpräsenz. Detaillierte Ausführungen dieser<br />
Aspekte werden in Abbildung 21 beschrieben.<br />
Hinzu kommen in vielen Fällen auch Kooperationen<br />
mit bisher präventionsfernen Partnern. Beispielsweise ist<br />
für die Adipositasprävention bei Kin<strong>der</strong>n und Jugendlichen<br />
die Einbindung von Kin<strong>der</strong>gärten und Schulen notwendige<br />
Voraussetzung für den Erfolg <strong>der</strong> Programme. In manchen<br />
Fällen lässt sich, wie das aktuelle Beispiel des nationalen<br />
Darmkrebsscreenings in Finnland zeigt, auch mit Hilfe<br />
<strong>eine</strong>s zentral organisierten schriftlichen Einladungsverfahrens<br />
<strong>eine</strong> hohe Teilnahmequote erreichen.<br />
7 Governance-Modell für die Umsetzung<br />
<strong>der</strong> Handlungsempfehlungen<br />
Die Stärkung von Prävention ist <strong>eine</strong> langfristige<br />
Investition in den allgem<strong>eine</strong>n Gesundheitszustand <strong>der</strong><br />
Bevölkerung. Die Empfehlungen dieser Studie berücksichtigen<br />
<strong>eine</strong>n solchen Zeitrahmen. Um sicher zu gehen, dass<br />
Programme, die heute entwickelt und umgesetzt werden,<br />
nachhaltigen Erfolg haben, müssen Weichen kurzfristig<br />
neu gestellt und organisatorische Grundstrukturen möglichst<br />
schnell verän<strong>der</strong>t werden. In Abbildung 22 werden<br />
die wichtigsten Empfehlungen für kurz- und langfristige<br />
Maßnahmen zusammengefasst.<br />
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Abb. 22: Zusammenfassung <strong>der</strong> Empfehlungen<br />
Quellen: Booz Allen Hamilton Analysen
36<br />
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Anmerkung: „ZE“ bezeichnet zentrale Einrichtungen, wie z.B. die BZgA, RKI, DKFZ, etc.<br />
Abb. 23: Funktionen des Kompetenzzentrums Prävention<br />
Quellen: Booz Allen Hamilton Analysen<br />
Die Umsetzung dieser Empfehlungen stellt erhebliche<br />
organisatorische und strukturelle Anfor<strong>der</strong>ungen an<br />
bestehende Institutionen und Akteure. Die Modifikation<br />
des bestehenden Governance-Modells wird damit zum<br />
entscheidenden Erfolgsfaktor.<br />
7.1 Einrichtung <strong>eine</strong>s Kompetenzzentrums Prävention<br />
Die große Mehrheit <strong>der</strong> befragten Experten hält die<br />
Einrichtung <strong>eine</strong>r unabhängigen übergreifenden Instanz,<br />
welche die Koordination, Vernetzung und Bewertung von<br />
Programmen organisiert und überwacht, für den wichtigsten<br />
Schritt <strong>zur</strong> Verbesserung <strong>der</strong> Prävention in Deutschland.<br />
Neben <strong>der</strong> Unterstützung <strong>der</strong> o. g. prioritären Aufgaben<br />
muss ein solches Kompetenzzentrum gegenüber<br />
den im Präventionsbereich tätigen Akteuren die Funktion<br />
<strong>eine</strong>s Mediators und Katalysators wahrnehmen. In Abbildung<br />
23 werden die wichtigsten Funktionen, die das<br />
Kompetenzzentrum in enger Zusammenarbeit mit den im<br />
Präventionsbereich tätigen Akteuren zu bewältigen hat,<br />
vorgestellt.<br />
Nach Ansicht <strong>der</strong> Experten benötigen alle im Bereich<br />
<strong>der</strong> Prävention agierenden Gruppen und Akteure<br />
<strong>eine</strong> zentrale vernetzende Instanz, um bestehende Programme<br />
zu optimieren und zukünftige Projekte erfolgreich<br />
zu gestalten. Ein Kompetenzzentrum Prävention, wie es<br />
die vorliegende Studie empfiehlt, baut auf bestehenden<br />
Strukturen auf und erweitert und modifiziert diese, um<br />
koordiniertes und kooperatives Handeln zu ermöglichen.<br />
Die vernetzende Funktion des Kompetenzzentrums wird<br />
in <strong>der</strong> folgenden Abbildung veranschaulicht.
37<br />
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Abb. 24: Kompetenzzentrum Prävention: Koordination und<br />
Kooperation durch Vernetzung<br />
Quellen: Booz Allen Hamilton Analysen<br />
<br />
— Wie lassen sich die übergeordneten Aufgaben des<br />
Kompetenzzentrums organisieren, ohne dass zusätzliche<br />
bürokratische Barrieren entstehen<br />
— Wie lassen sich die im Präventionsbereich tätigen<br />
Akteure und Institutionen in Bund, Län<strong>der</strong>n und<br />
Gemeinden erfolgreich miteinan<strong>der</strong> vernetzen<br />
— Wie kann die Zusammenarbeit mit Institutionen, die in<br />
Einzelbereichen <strong>der</strong> Prävention bereits koordinierend<br />
und evaluierend tätig sind (z.B. BZgA), so gestaltet<br />
werden, dass Synergien ausgeschöpft werden<br />
— Mit welchen übergreifenden Kompetenzen und Verantwortungen<br />
soll und kann das Kompetenzzentrum<br />
ausgestattet werden<br />
Die Experten haben betreffend <strong>der</strong> strukturellen<br />
Anfor<strong>der</strong>ungen an das Kompetenzzentrum klare Vorgaben<br />
gemacht, die in <strong>der</strong> folgenden Graphik aufgelistet sind:<br />
<br />
<br />
<br />
Welche Struktur soll dem neu zu schaffenden Kompetenzzentrum<br />
Prävention zugrunde liegen, welche Ressourcen<br />
werden benötigt So wenig sich die konkreten<br />
Funktionen des Kompetenzzentrums zum gegenwärtigen<br />
Zeitpunkt genauer ein- und abgrenzen lassen, so wenig<br />
können im Rahmen <strong>der</strong> vorliegende Studie Struktur und<br />
Ausstattung des Kompetenzzentrums genauer beschrieben<br />
werden. Beides muss in <strong>eine</strong>m nächsten Schritt detailliert<br />
erarbeitet werden – ein Schritt, <strong>der</strong> von <strong>der</strong> Studie<br />
dringend eingefor<strong>der</strong>t wird. Einig sind sich die befragten<br />
Experten aber über bestimmte Grundvoraussetzungen,<br />
die für die Bewältigung <strong>der</strong> komplexen Aufgabenstellung<br />
richtig und notwendig sind: Um effektiv und effizient zu<br />
arbeiten, eignet sich am besten <strong>eine</strong> schlanke, flexible<br />
Organisationsstruktur. Die Mitarbeiter sollten über Management-<br />
und Organisationsqualifikationen sowie ausreichend<br />
Erfahrungen im Bereich Vorsorge verfügen.<br />
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Bevor die Organisationsstruktur, die Anzahl und<br />
Qualifikation <strong>der</strong> Mitarbeiter sowie finanzielle Ressourcenzuweisungen<br />
festgelegt werden können, müssen insbeson<strong>der</strong>e<br />
folgen<strong>der</strong> Fragen geklärt werden:<br />
— Wie lassen sich Aufgaben- und Verantwortungsbereiche<br />
des Kompetenzzentrums effizient von den<br />
Bereichen an<strong>der</strong>er im Präventionsbereich tätigen<br />
Akteure abgrenzen (Vermeidung <strong>der</strong> Dopplung von<br />
Zuständigkeiten, Ressourcen, Datenerhebungen, etc.)<br />
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Abb. 25: Kompetenzzentrum Prävention: Strukturelle<br />
Anfor<strong>der</strong>ungen<br />
Quellen: Booz Allen Hamilton Analysen, Experten Interviews
38<br />
7.2 Aspekte des vorgelegten Entwurfs <strong>eine</strong>s Präventionsgesetzes<br />
Der 2005 vorgelegte Entwurf zu <strong>eine</strong>m Präventionsgesetz<br />
(PrävG) ist <strong>der</strong> erste Versuch <strong>eine</strong>r bundesdeutschen<br />
Regierung, die Möglichkeit <strong>der</strong> Beeinflussung<br />
gesundheitsschädigen<strong>der</strong> Faktoren ernst zu nehmen und<br />
Prävention neben Akutbehandlung, Rehabilitation und<br />
Pflege als sog. „vierte Säule“ im Gesundheitswesen zu<br />
verankern. Zur Durchführung präventiver Programme wird<br />
über <strong>eine</strong> zu diesem Zweck eingerichtete „Bundesstiftung<br />
Prävention“ ein eigenes Budget in Höhe von jährlich 250<br />
Millionen EUR <strong>zur</strong> Verfügung gestellt. Es ist geplant, dass<br />
dieser Betrag zu hun<strong>der</strong>t Prozent von den Sozialversicherungsträgern<br />
aufgebracht und unter Krankenkassen<br />
(100 Millionen EUR), Län<strong>der</strong>n (100 Millionen EUR) und<br />
<strong>der</strong> Präventionsstiftung (50 Millionen EUR) aufgeteilt wird.<br />
Der Gesetzesentwurf wurde mit den Stimmen <strong>der</strong> rot-<br />
grünen Koalition im Bundestag verabschiedet und mit <strong>der</strong><br />
Stimmenmehrheit <strong>der</strong> CDU im Bundesrat abgelehnt. Eine<br />
Ratifizierung des Gesetzes ist gegenwärtig nicht in Sicht.<br />
Um die möglichen Auswirkungen <strong>eine</strong>s solchen Gesetzes<br />
abschätzen zu können, bedarf es <strong>eine</strong>r genaueren<br />
Betrachtung <strong>der</strong> vorgesehenen Organisationsstrukturen<br />
und <strong>der</strong> Mittelverteilung. Die folgende Graphik zeigt die<br />
geplante Verteilung von Aufgaben und Mitteln.<br />
Die Sozialversicherungsträger sollen demnach<br />
für individuelle primärpräventive Maßnahmen, die Län<strong>der</strong><br />
für die För<strong>der</strong>ung gesundheitlichen Verhaltens in<br />
lebensweltbezogenen Settings und die „Bundesstiftung<br />
Prävention“ für übergeordnete Aufgaben wie die Definition<br />
von Präventionszielen und Qualitätsstandards sowie<br />
die Durchführung von Modellprojekten und Kampagnen<br />
zuständig sein. Ein Blick auf die Organisationsstrukturen <strong>der</strong><br />
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1) nur gesetzliche<br />
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Abb. 26: Geplante Mittelverteilung durch das Präventionsgesetz<br />
Quellen: Entwurf <strong>eine</strong>s Gesetzes <strong>zur</strong> Stärkung <strong>der</strong> gesundheitlichen Prävention 50 , Booz Allen Hamilton Analysen
39<br />
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Abb. 27: Aufgaben und Struktur <strong>der</strong> „Stiftung Prävention“<br />
Quellen: Entwurf <strong>eine</strong>s Gesetzes <strong>zur</strong> Stärkung <strong>der</strong> gesundheitlichen Prävention, Artikel 2 §2.<br />
geplanten Stiftung (vgl. Abbildung 27) lässt unschwer<br />
erkennen, dass auf <strong>der</strong> Entscheidungs- und Beratungsebene<br />
viele unterschiedliche Akteure mit entsprechenden<br />
Partikularinteressen einbezogen sind, was effiziente<br />
Entscheidungsfindungen erschweren dürfte. Innerhalb<br />
dieser Strukturen lassen sich notwendige Modifikationen<br />
(ausformulierte Präventionsziele, festgeschriebene Qualitätsstandards,<br />
einheitlichen Leitlinien sowie die Implementierung<br />
von effizienten Koordinations- und Evaluationsstrukturen)<br />
kaum zeitnah umsetzen.<br />
Die an <strong>der</strong> Studie beteiligten Experten sehen den<br />
vorliegenden Entwurf zu <strong>eine</strong>m Präventionsgesetz als<br />
<strong>eine</strong>n wichtigen Schritt in Richtung <strong>eine</strong>r verbesserten<br />
„Präventionskultur“. Sie werten es als positiv, dass erstmals<br />
offiziell die Prävention gegenüber <strong>eine</strong>r rein auf<br />
„Reparatur“ ausgerichteten Medizin vorrangig beurteilt<br />
wird, und die Bedeutung <strong>der</strong> Gesundheitsvorsorge für<br />
den Erhalt von Lebensqualität und Arbeitsfähigkeit <strong>der</strong><br />
Bürger betont wird. Doch wird die Zusammensetzung<br />
<strong>der</strong> Stiftungsgremien, die über Präventionsziele und Mittelvergabe<br />
entscheiden, kritisch gesehen. Die Stiftungsgremien<br />
sind vorrangig mit politischen Funktionsträgern<br />
besetzt – wissenschaftlicher Sachverstand wird kaum in<br />
die Stiftung mit einbezogen. Im Entscheidungsgremium<br />
<strong>der</strong> Stiftung, dem Stiftungsrat, sind medizinische Experten<br />
nicht vertreten. Im beratenden Kuratorium stellen sie<br />
von 16 möglichen Sitzen maximal drei (über BZgA, RKI,<br />
BÄK) und verfügen damit über so gut wie k<strong>eine</strong> Möglichkeit<br />
<strong>der</strong> Einflussnahme. Sollte <strong>eine</strong> Präventionsstiftung<br />
in <strong>der</strong> geplanten Form tatsächlich umgesetzt werden,<br />
stünde zu befürchten, dass die dringend notwendige fundierte<br />
inhaltliche Auseinan<strong>der</strong>setzung um medizinische<br />
und epidemiologische Aspekte <strong>der</strong> Prävention dort kaum<br />
stattfinden würde. Der Verzicht auf medizinische Experten<br />
im Stiftungsrat ist ebenso unverständlich wie <strong>der</strong> Verzicht<br />
auf die Beteiligung <strong>der</strong> BZgA an diesem Board, da diese<br />
die einzige bundesweit agierende Institution ist, die über<br />
<strong>eine</strong> große Expertise in <strong>der</strong> Durchführung und Evaluation<br />
qualitätsgesicherter Präventionsprogramme verfügt.<br />
Der Entwurf <strong>eine</strong>s Präventionsgesetzes klammert<br />
<strong>eine</strong> Reihe weiterer wichtiger Aspekte aus. Prävention<br />
wird darin zwar als wichtige Aufgabe <strong>der</strong> Sozialversicherungsträger<br />
definiert, dass Prävention aber ein gesamtgesellschaftliches<br />
Thema ist und an<strong>der</strong>e Bereiche
40<br />
(z.B. Bildung- und Familienpolitik) dringend einbezogen<br />
werden müssen, wird hingegen kaum berücksichtigt. Unter<br />
diesen Vorzeichen ist es nicht mehr als folgerichtig,<br />
dass die Finanzierung <strong>der</strong> über die Präventionsstiftung <strong>zur</strong><br />
Verfügung stehenden Mittel allein von den Sozialversicherungsträgern<br />
aufgebracht werden sollen. Die Beteiligung<br />
<strong>der</strong> privaten Krankenversicherungen an <strong>der</strong> Finanzierung<br />
fehlt ebenso wie die finanzielle Unterstützung aus Steuermitteln.<br />
Der in <strong>der</strong> Diskussion um das Präventionsgesetz<br />
häufig erhobene Vorwurf, es handele sich hier lediglich<br />
um <strong>eine</strong> „Verschiebung“ von Mitteln, scheint aus dieser<br />
Perspektive gerechtfertigt.<br />
Auch die För<strong>der</strong>ung und For<strong>der</strong>ung von Eigenverantwortung<br />
gegenüber <strong>der</strong> eigenen Gesundheit, die ein<br />
entscheiden<strong>der</strong> Faktor für den nachhaltigen Erfolg von<br />
Prävention ist, berücksichtigt <strong>der</strong> vorliegende Gesetzesentwurf<br />
nicht, obwohl die zentrale Rolle von Eigenverantwortung<br />
in vielen Bereichen auf <strong>der</strong> Hand liegt (z.B.<br />
Nikotinentwöhnung <strong>zur</strong> Prävention von Lungenkrebs<br />
und an<strong>der</strong>en Erkrankungen, Än<strong>der</strong>ung des Lebensstils<br />
<strong>zur</strong> Vorbeugung von Adipositas und Diabetes). Entsprechend<br />
vage bleiben die Aussagen zu Anreizmodellen, die<br />
Eigenverantwortung för<strong>der</strong>n könnten. Ebenso sucht man<br />
vergeblich nach Hinweisen auf die För<strong>der</strong>ung von Präventions-<br />
und Versorgungsforschung o<strong>der</strong> die Notwendigkeit,<br />
die vorhandenen Ressourcen mit Industriemitteln aufzustocken<br />
(Public/Private Partnership), um die Finanzierbarkeit<br />
präventiver Programme zu gewährleisten. Unerwähnt<br />
bleiben auch dringend erfor<strong>der</strong>liche Anpassungen des<br />
Datenschutzes und weiterer gesetzlicher Grundlagen.<br />
Hingegen wird von den Experten als positiv gewertet,<br />
dass Programme nach dem neuen Gesetz ihre<br />
Wirksamkeit unter Beweis stellen müssen und die For<strong>der</strong>ung<br />
nach Qualitätskontrollen samt Berichtswesen<br />
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Abb. 28: Herausfor<strong>der</strong>ungen an das Präventionsgesetz: Überblick<br />
Quellen: Booz Allen Hamilton Analysen
41<br />
berücksichtig ist. Damit sind zumindest wichtige Voraussetzungen<br />
erfüllt, um Modellvorhaben und Benchmarkprojekte<br />
durchzuführen. Eine zielgruppenspezifische Prävention<br />
kann zudem durch die geplanten Settingansätze<br />
gestärkt werden.<br />
Insgesamt kommen die Experten zu dem Urteil,<br />
dass das Gesetz zwar ein Schritt in die richtige Richtung<br />
ist, dass die im Gesetz vorgesehenen Maßnahmen aber<br />
bei weitem nicht ausreichen, um Prävention nachhaltig<br />
zu etablieren. Sie empfehlen, dass die Ergebnisse <strong>der</strong><br />
vorliegenden Präventionsstudie inklusive des Vorschlags,<br />
ein unabhängiges übergreifendes Kompetenzzentrum<br />
Prävention ein<strong>zur</strong>ichten, bei Wie<strong>der</strong>aufnahme <strong>der</strong> Gesetzesberatungen<br />
zum Gegenstand <strong>der</strong> Diskussion gemacht<br />
werden. In Abbildung 28 sind die wichtigsten Punkte<br />
aufgeführt, die entsprechend den Ergebnissen <strong>der</strong> vorliegenden<br />
Studie dringend in weitere Beratungen zu <strong>eine</strong>m<br />
Präventionsgesetz einfließen müssen.<br />
Ein Gesetz zu entwickeln, das Prävention stärkt und<br />
ihr <strong>eine</strong> neue Rolle innerhalb <strong>der</strong> Gesellschaft zuweist, ist<br />
ein grundlegen<strong>der</strong> Schritt, mit dem in Deutschland Neuland<br />
betreten wird. Es ist nicht zu erwarten, dass in <strong>der</strong><br />
Vorlage zu <strong>eine</strong>m solchen Gesetz bereits von Anfang an<br />
alle wichtigen Punkte ausreichend berücksichtigt sind.<br />
Der von <strong>der</strong> Bundesregierung vorgelegte Gesetzestext<br />
muss deshalb möglichst zügig weiter beraten und um<br />
o.g. Punkte ergänzt werden. Vorrangiger Aspekt ist nach<br />
Meinung <strong>der</strong> Mehrheit <strong>der</strong> Experten die Einrichtung <strong>eine</strong>s<br />
übergreifenden Kompetenzzentrums, dessen Ausgestaltung<br />
beraten und auf den Weg gebracht werden muss. Das<br />
reibungslose Funktionieren dieser zentralen Einrichtung<br />
hat <strong>eine</strong>n großen Einfluss auf Erfolg und Nachhaltigkeit<br />
präventiver Programme und Maßnahmen.<br />
Gesundheitsför<strong>der</strong>ung und Vorsorge werden in den<br />
nächsten Jahrzehnten <strong>eine</strong> immer größere Rolle spielen.<br />
Medizinisch-technologisch ist Deutschland gut für den anstehenden<br />
Paradigmenwechsel „von <strong>der</strong> <strong>Reaktion</strong> <strong>zur</strong> Prävention“<br />
gerüstet. Um ihn jedoch tatsächlich vollziehen zu<br />
können, muss Prävention adäquate Rahmenbedingungen<br />
erhalten und in <strong>der</strong> Gesellschaft verankert werden. Beides<br />
steht noch aus. Prävention ist ein langfristiges Investment<br />
– gehandelt werden muss jetzt.
42<br />
8 Abbildungen<br />
Abb. 1: Bewertung <strong>der</strong> Prävention durch Experten 6<br />
Abb. 2: Nutzen <strong>der</strong> Prävention 8<br />
Abb. 3: Gesamtwirtschaftliches Potenzial von Prävention 9<br />
Abb. 4: Interventionen und abgeleiteter Nutzen 10<br />
Abb. 5: Entwicklung <strong>der</strong> durch Prävention beeinflussbarenErkrankungen (Inzidenz) 10<br />
Abb. 6: Beispiel <strong>eine</strong>r effektiven Sekundärprävention:Darmkrebsvorsorge 11<br />
Abb. 7: Vermeidbarer Anteil ernährungsbedingter ErkrankungenQuellen: siehe Fußnoten (23, 27, 32) 11<br />
Abb. 8: Präventive/Vorsorgeuntersuchungen im Leistungskatalog 12<br />
Abb. 9: Bewertung <strong>der</strong> Qualität und Teilnahmeraten Programmen 13<br />
Abb. 10: Ursachen <strong>der</strong> schlechten Präventionssituation 17<br />
Abb. 11: Vergleich von (potenziell vermeidbaren) Todesfällen 17<br />
Abb. 12: Teilnahmeraten 21<br />
Abb. 13: Top 10 Maßnahmen 23<br />
Abb. 14: Fünf langfristige Handlungsbereiche in <strong>der</strong> Prävention 28<br />
Abb. 15: Übergreifende Prozesskoordination 30<br />
Abb. 16: Kosten- /Nutzenfaktoren bei Präventionsprogrammen 31<br />
Abb. 17: Mögliches Analysemodell <strong>der</strong> Wirtschaftlichkeit (sekundärer) Prävention 31<br />
Abb. 18: Kosten pro „QALY“ bei Vorsorge und Spätintevention 32<br />
Abb. 19: Schema für zielgruppenspezifische Prävention 33<br />
Abb. 20: Vorraussetzungen für die Steigerung von Teilnahmeraten 34<br />
Abb. 21: Maßnahmen <strong>zur</strong> Steigerung <strong>der</strong> Teilnahmeraten 34<br />
Abb. 22: Zusammenfassung <strong>der</strong> Empfehlungen 35<br />
Abb. 23: Funktionen des Kompetenzzentrums Prävention 36<br />
Abb. 25: Kompetenzzentrum Prävention: StrukturelleAnfor<strong>der</strong>ungen 37<br />
Abb. 24: Kompetenzzentrum Prävention: Koordination undKooperation durch Vernetzung 37<br />
Abb. 26: Geplante Mittelverteilung durch das Präventionsgesetz 38<br />
Abb. 27: Geplante Mittelverteilung durch das Präventionsgesetz 39<br />
Abb. 28: Herausfor<strong>der</strong>ungen an das Präventionsgesetz: Überblick 40
43<br />
9 Quellen<br />
1) Gezielte Hautkrebsvorsorge (Screening) ist aktuell nicht Teil <strong>der</strong> im GKV-Leistungskatalog<br />
angebotenen Vorsorgeprogramme. Allerdings wird dies als wichtiger Kritikpunkt<br />
beschrieben, daher wurde die Maßnahme in die Bewertung <strong>der</strong> Qualität und Teilnahme mit<br />
einbezogen.<br />
2) Vgl. Walter. Internist 2004. 45:148-156<br />
3) Vgl. Walter. Internist 2004. 45:148-156<br />
4) Summe aus akutem und rezidivierendem Myocardinfarkt sowie ischämischer Herzkrankheit,<br />
Zahlen für 2002, Statistisches Jahrbuch 2004 für die Bundesrepublik Deutschland,<br />
S. 234-235<br />
5) Apitz et al. Internist 2004. 45: 139-147<br />
6) Robert-Koch-Institut<br />
7) Robert-Koch-Institut<br />
8) Robert-Koch-Institut<br />
9) Summe aus <strong>der</strong> Anzahl <strong>der</strong> Todesfälle durch Krebs für Männer und Frauen 2002,<br />
Krebsatlas <strong>der</strong> Bundesrepublik Deutschland, Deutsches Krebsforschungszentrum (online)<br />
10) Ambulante Versorgung von Patienten mit Diabetes mellitus im Jahre 2001, Hauner et al.,<br />
Deutsche Medizinische Wochenschrift 128, 2638-2643, 2003<br />
11) Positionspapier des Nationalen Aktionsforums Diabetes mellitus, Nationales Aktionsforum<br />
Diabetes mellitus, 2005<br />
12) Ärztezeitung vom 12.11.2004<br />
13) von Ferben et al. Diab. Metabol. 19 (1993), 89 95<br />
14) Müller et al. Internist 2004. 45:168-172. Adipositas ist definiert als BMI >30 kg/m 2 .<br />
15) Haen et al. Mammakarzinom: Empfehlungen <strong>zur</strong> Diagnostik, Therapie und Nachsorge.<br />
Therapieempfehlungen des ITZ Tübingen, 3. Auflage 09/2003<br />
16) Krebsatlas <strong>der</strong> Bundesrepublik Deutschland, 2002, Deutsches Krebsforschungszentrum<br />
(online)<br />
17) Classen et al. Internist 2003. 44: 253<br />
18) Knöpnadel et al. Internist 2003. 44: 268-277<br />
19) Stiftung Lebensblicke (online)<br />
20) Stellungnahme Deutsche Krebshilfe, 9.3.2005<br />
21) Jehle et al. Kolonkarzinom Rektumkarzinom Analkarzinom Therapieempfehlungen des IZB<br />
Tübingen, 2. Auflage 08/2003<br />
22) Onkologe Heinz Ludwig, Wilhelminenspital Wien, (Schätzung)<br />
23) Smith et al. Annals of Internal Medicine. 2005;142:313-322. Die Senkung <strong>der</strong> Inzidenz von<br />
Diabetes mellitus Typ 2 betrug 18% über 6 Jahre Follow-up.<br />
24) Berechnungsgrundlage: 30 Milliarden € Behandlungskosten Diabetes einschließlich Folgeerkrankungen,<br />
Prävalenz Diabetes mellitus Typ 2 in Deutschland <strong>der</strong>zeit rund 6 Millionen,<br />
Inzidenzabsenkung 3% p.a. (siehe nachfolgende Quellen)<br />
25) Smith et al. Annals of Internal Medicine. 2005;142:313-322<br />
26) Hauner et al., Deutsche Medizinische Wochenschrift 128, 2638-2643, 2003<br />
27) Apitz et al. Internist 2004. 45: 139-147<br />
28) Positionspapier des Nationalen Aktionsforums Diabetes mellitus, Nationales Aktionsforum<br />
Diabetes mellitus, 2005<br />
29) von Ferben et al. Diab. Metabol. 19 (1993), 89 95.<br />
30) Berechnungsgrundlage: 30 Mrd. Euro Kosten für 6 Millionen Diabetiker<br />
31) Müller et al. Internist 2004. 45: 168-172<br />
32) Apitz et al. Internist 2004. 45: 139-147<br />
33) Demierre et. al.: Screening and early detection of melanoma. www.uptodate.com. January<br />
2005; Booz Allen Hamilton Experten Interviews<br />
34) Deutsches Ärzteblatt Online, Bayern: Immer weniger Patienten nutzen Früherkennungsuntersuchungen,<br />
25.05.2005<br />
35) „In Deutschland sterben immer mehr Menschen an Folgen des Rauchens“, Die Welt,<br />
28.05.2005<br />
36) „Deutschland vernachlässigt Nichtraucher“, Financial Times Deutschland, 31.05.2005<br />
37) Dokumentation 2003: Leistungen <strong>der</strong> Primärprävention und <strong>der</strong> Betrieblichen Gesundheitsför<strong>der</strong>ung,<br />
Arbeitsgemeinschaft <strong>der</strong> Spitzenverbände <strong>der</strong> Krankenkassen und Medizinischer<br />
Dienst <strong>der</strong> Spitzenverbände <strong>der</strong> Krankenkassen e.V. (MDS), Essen (2004)<br />
38) Unter den vom BMGS definierten „Gesundheitszielen“ finden sich zwar einige präventive<br />
Aspekte o<strong>der</strong> Teilziele, allerdings fehlt es beson<strong>der</strong>s an konkreter Umsetzung und Evaluation<br />
dieser Ziele.<br />
39) Beispiele sind das Wissenschaftliche Institut <strong>der</strong> AOK, sowie <strong>der</strong> Stiftungslehrstuhl Prävention<br />
und Rehabilitation in <strong>der</strong> System- und Versorgungsforschung an <strong>der</strong> Medizinischen<br />
Hochschule Hannover, den die Techniker Krankenkasse stiftet<br />
40) Jeffery AN, Voss LD, Metcalf BS et al.: Parents’ awareness of overweight in themselves and<br />
their children: cross sectional study within a cohort (Early Bird 21). BMJ 2005; 330:23-24<br />
41) Deutsches Ärzteblatt Online, 25.05.2005<br />
42) Beispiel BASF: Der Unternehmenssport als Dienstleister in <strong>der</strong> Gesundheitsför<strong>der</strong>ung,<br />
Dr. Markus Gomer (Vortrag am 14.10.2004)<br />
43) Der Hausarzt erhält für viele <strong>der</strong> Beratungs- und Untersuchungsleistungen <strong>eine</strong> Vergütung<br />
zwischen 5 und 15 Euro. Steigt im Rahmen <strong>der</strong> verstärkten Prävention die Zahl <strong>der</strong> erbrachten<br />
ärztlichen Beratungsleistungen, so sinkt die Vergütung für diese und alle an<strong>der</strong>en<br />
ärztlichen Leistungen, da die Gesamtsumme <strong>der</strong> Honorare gedeckelt ist.<br />
44) „Die Dicken Kin<strong>der</strong> von Glasgow“, Spiegel Online, 26.05.2005<br />
45) Ein bundesweites Brustkrebsscreening ist im Begriff <strong>der</strong> Implementierung. Durch die wie<strong>der</strong>holte<br />
For<strong>der</strong>ung weisen Experten mehrheitlich auf die Notwendigkeit dieses Screenings<br />
und dessen Erfolg hin.<br />
46) Deutsches Ärzteblatt vom 06.05.2005, Seite A-1256-1258<br />
47) Quality Adjusted Life Years (QALY), „qualitätsgleiche Lebensjahre“ Kosten von Interventionen<br />
vgl. mit ihren Ergebnissen. Ein QALY entspricht <strong>eine</strong>m Jahr, das in vollständiger<br />
Gesundheit verbracht wird.<br />
48) Evidence-based-medicine.co.uk; Bonis et al. A short primer on cost-effectiveness analysis.<br />
Uptodate.com 2005<br />
49) Buffalo Center for Integrative Medicine, Screening, www.acsu.buffalo.edu<br />
50) Weitere Quellen: Deutsches Ärzteblatt vom 4.3.2005, S. A 574 und S. 97; Deutsches Ärzteblatt<br />
vom 18.3.2005, S. A705; Deutsches Ärzteblatt PP Mai 2005, S. 208; Nie<strong>der</strong>sächsisches<br />
Ärzteblatt 4/2005, S. 74-77; Nie<strong>der</strong>sächsisches Ärzteblatt 8/2004, S. 8-11 und<br />
68-69
45<br />
10 Teilnehmende Experten<br />
Prof. Dr. med. Heinz-Harald Abholz<br />
Geschäftsführen<strong>der</strong> Direktor <strong>der</strong> Abteilung<br />
Allgemeinmedizin<br />
Heinrich-H<strong>eine</strong>-Universität Düsseldorf<br />
Prof. Dr. med. Gerd Assmann<br />
Vorstand <strong>der</strong> Assmann-Stiftung für Prävention<br />
Geschäftsführen<strong>der</strong> Direktor des Leibniz-Instituts für<br />
Arterioskleroseforschung<br />
Universität Münster<br />
Prof. Dr. med. Michael Bamberg<br />
Präsident <strong>der</strong> Deutschen Krebsgesellschaft<br />
Vorstandsvorsitzen<strong>der</strong> und Leiten<strong>der</strong> Ärztlicher Direktor<br />
des Universitätsklinikums Tübingen<br />
Dr. med. Berndt Birkner<br />
Facharzt für Gastroenterologie, München<br />
Mitglied des Kuratoriums <strong>der</strong> Felix Burda Stiftung<br />
Prof. Dr. Klaus Bös<br />
Leiter des Instituts für Sport und Sportwissenschaft<br />
Universität Karlsruhe<br />
Prof. Dr. med. Wolfgang Caselmann<br />
Leiter des Referats Grundsätze, Gesundheitsför<strong>der</strong>ung<br />
und Prävention<br />
Bayerisches Staatsministerium für Umwelt, Gesundheit<br />
und Verbraucherschutz, München<br />
Prof. Dr. med. Drs. med. h.c. Meinhard Classen<br />
Ehem. Direktor <strong>der</strong> II. Med. Klinik u. Poliklinik, Klinikum<br />
rechts <strong>der</strong> Isar, Technische Universität München, Chairman<br />
International Digestive Cancer Alliance (IDCA)<br />
Mitglied des Kuratoriums <strong>der</strong> Felix Burda Stiftung<br />
Dr. med. Gisela Dahl<br />
Vorsitzende <strong>der</strong> Ärzteschaft Stuttgart<br />
Präventionsbeauftragte <strong>der</strong> Landesärztekammer Baden-<br />
Württemberg<br />
Dr. med. Dominik Dietz<br />
Referent Prävention<br />
IKK Bundesverband<br />
Dipl. oec. troph. Christine Eichhorn<br />
Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Medizinmanagement<br />
und Gesundheitswissenschaften<br />
Universität Bayreuth<br />
Dr. Jens Finnern<br />
Referatsleiter Gesundheitsmanagement<br />
Techniker Krankenkasse<br />
Sonja Froschauer<br />
Projektleiterin des Bayerischen Mammographie-<br />
Screening Programms<br />
Kassenärztliche Vereinigung Bayerns<br />
Prof. Dr. med. Dietrich Grönemeyer<br />
Leiter des Grönemeyer Instituts für Mikrotherapie,<br />
Bochum<br />
Lehrstuhl für Radiologie und Mikrotherapie, Universität<br />
Witten/Herdecke<br />
Prof. Dr. med. Martin Halle<br />
Leiter des Lehrstuhls und <strong>der</strong> Poliklinik für Präventive<br />
und Rehabilitative Sportmedizin<br />
Klinikum rechts <strong>der</strong> Isar, Technische Universität<br />
München;<br />
Mitinitiator <strong>der</strong> Heidelberger Erklärung <strong>zur</strong> Bekämpfung<br />
von Übergewicht und Diabetes<br />
Prof. Dr. med. Hans Hauner<br />
Leiter des Else Kröner-Fresenius-Zentrum und Klinik für<br />
Ernährungsmedizin<br />
Klinikum rechts <strong>der</strong> Isar, Technische Universität München<br />
Mitinitiator <strong>der</strong> Heidelberger Erklärung <strong>zur</strong> Bekämpfung<br />
von Übergewicht und Diabetes<br />
Dr. Peter Herrmann<br />
Geschäftsführer ProPrävention<br />
Direktor <strong>der</strong> Centro Vital Deutschland GmbH<br />
Dr. jur. Rainer Hess<br />
Unparteilicher Vorsitzen<strong>der</strong> des Gemeinsamen<br />
Bundesausschusses<br />
Ehem. Hauptgeschäftsführer <strong>der</strong> Kassenärztlichen<br />
Bundesvereinigung
46<br />
Dr. med. Klaus Hoffmann<br />
Ärztlicher Direktor <strong>der</strong> Dermatologischen Klinik<br />
Ruhr Universität Bochum<br />
Mitentwickler <strong>der</strong> mircoDERM Analysesoftware für die<br />
Hautkrebs-Früherkennung<br />
Dr. Jörg Hoheisel<br />
Leiter <strong>der</strong> Abteilung funktionelle Genomanalyse<br />
Deutsches Krebsforschungszentrum Heidelberg<br />
Prof. Dr. phil. Dr. med. Michael Kastner<br />
Leiter des Lehrstuhls für Grundlagen und Theorien <strong>der</strong><br />
Organisationspsychologie <strong>der</strong> Universität Dortmund<br />
Leiter des Instituts für Arbeitspsychologie und<br />
Arbeitsmedizin (IAPAM) Herdecke<br />
Dr. rer. pol. Wolfgang Klitzsch<br />
Geschäftsführer <strong>der</strong> Ärztekammer Nordrhein<br />
Vorstandsmitglied des Bundesverband Managed Care<br />
e.V.<br />
Dr. med. Ullrich Koch<br />
Facharzt für Dermatologie, Krefeld<br />
Mitentwickler <strong>der</strong> mircoDERM Analysesoftware für die<br />
Hautkrebs-Früherkennung<br />
Prof. Dr. med. Berthold Koletzko<br />
Leiter <strong>der</strong> Abt. Stoffwechselkrankheiten und Ernährungsmedizin,<br />
Dr von Haunersches Kin<strong>der</strong>spital, Klinikum,<br />
Universität München,<br />
Präsident <strong>der</strong> Deutschen Gesellschaft für<br />
Ernährungsmedizin<br />
Unterzeichner <strong>der</strong> Heidelberger Erklärung <strong>zur</strong> Bekämpfung<br />
von Übergewicht und Diabetes<br />
Dr. med. Ute Krainick-Strobel<br />
Oberärztin, Bereichleiterin Brustzentrum –<br />
Mammasprechstunde<br />
Frauenklinik, Universitätsklinikum Tübingen<br />
Prof. Dr. med. Dr. sc. Karl W. Lauterbach<br />
Leiter des Instituts für Gesundheitsökonomie und<br />
Klinische Epidemiologie<br />
Universität zu Köln<br />
Dipl.-Kfm. Dr. med. Tobias Lutz<br />
Referent Prävention<br />
Gemeinsamer Bundesausschuss<br />
Dr. Rüdiger Meierjürgen<br />
Leiter des Bereichs Prävention<br />
Barmer Ersatzkasse<br />
Dr. med. Axel Munte<br />
Vorsitzen<strong>der</strong> des Vorstandes<br />
Kassenärztliche Vereinigung Bayerns<br />
Prof. Dr. med. Dr. phil. Eckhard Nagel<br />
Leiter des Instituts für Medizinmanagement und<br />
Gesundheitswissenschaften<br />
Universität Bayreuth<br />
Prof. erm. Dr. Gerd Nagel<br />
Vorsitzen<strong>der</strong> <strong>der</strong> Stiftung Patientenkompetenz<br />
Ehem. Direktor <strong>der</strong> Klinik für Tumorbiologie, Freiburg i. Br.<br />
Prof. Dr. Dr. h.c. Peter Oberen<strong>der</strong><br />
Prodekan <strong>der</strong> Rechts- und Wirtschaftswissenschaftlichen<br />
Fakultät<br />
Universität Bayreuth<br />
Dr. Alexan<strong>der</strong> Olek<br />
Vorsitzen<strong>der</strong> des Vorstandes<br />
Epigenomics AG<br />
Prof. Dr. phil. Holger Pfaff<br />
Leiter <strong>der</strong> Abteilung Medizinische Soziologie des Instituts<br />
und <strong>der</strong> Poliklinik für Arbeits- und Sozialmedizin,<br />
Universität zu Köln<br />
Dr. rer. oec. Peter Pick<br />
Geschäftsführer<br />
Medizinischer Dienst <strong>der</strong> Spitzenverbände <strong>der</strong><br />
Krankenkassen e. V.<br />
Dr. med. Martina Pötschke-Langer<br />
Leiterin <strong>der</strong> Stabsstelle Krebsprävention<br />
Deutsches Krebsforschungszentrum Heidelberg<br />
Dr. Georg Ralle<br />
Geschäftsleitung Springer Medizin Verlage, Heidelberg<br />
Geschäftsführer <strong>der</strong> Urban & Vogel Medien und Medizin<br />
Verlags GmbH<br />
Mitglied des Vorstandes des Deutschen Präventionsnetzwerks<br />
(DPN)<br />
Unterzeichner <strong>der</strong> Heidelberger Erklärung <strong>zur</strong><br />
Bekämpfung von Übergewicht und Diabetes
47<br />
Prof. Dr. med. Jürgen Riemann<br />
Direktor <strong>der</strong> Medizinischen Klinik C<br />
Klinikum <strong>der</strong> Stadt Ludwigshafen am Rhein GmbH<br />
Vorstand <strong>der</strong> Stiftung Lebensblicke e.V.<br />
Prof. Dr. med. Werner Scherbaum<br />
Ärztlicher Direktor <strong>der</strong> Deutschen Diabetesklinik<br />
Deutsches Diabetes-Zentrum (DDZ), Heinrich-H<strong>eine</strong>-<br />
Universität Düsseldorf<br />
Unterzeichner <strong>der</strong> Heidelberger Erklärung <strong>zur</strong> Bekämpfung<br />
von Übergewicht und Diabetes<br />
Prof. Dr. med. Heinrich Schmidt-Gayk<br />
Ärztlicher Leiter <strong>der</strong> Endokrinologie<br />
Labor Dr. Limbach & Kollegen, Heidelberg<br />
Prof. Dr. med. Dr. h.c. Rüdiger Siewert<br />
Direktor <strong>der</strong> Chirurgischen Klinik und Poliklinik<br />
Vorstandsvorsitzen<strong>der</strong> und ärztlicher Direktor des Klinikums<br />
rechts <strong>der</strong> Isar, Technische Universität München<br />
Prof. Dr. med. Eberhardt Standl<br />
Chefarzt <strong>der</strong> 3. Medizinischen Abteilung<br />
Städtisches Krankenhaus Schwabing, München<br />
Präsident <strong>der</strong> Deutschen Diabetes Union<br />
Dr. med. Christoph Straub<br />
Mitglied des Vorstandes<br />
Techniker Krankenkasse<br />
Unterzeichner <strong>der</strong> Heidelberger Erklärung <strong>zur</strong><br />
Bekämpfung von Übergesicht und Diabetes<br />
Prof. Dr. med. Diethelm Wallwiener<br />
Ärztlicher Direktor <strong>der</strong> Frauenklinik des Universitätsklinikums<br />
Tübingen<br />
Vorsitzen<strong>der</strong> <strong>der</strong> Deutschen Gesellschaft für Senologie<br />
11 Verfasser<br />
Dr. Christa Maar<br />
Vorsitzende, Felix Burda Stiftung<br />
Dr. René Perillieux<br />
Geschäftsführer, Booz Allen Hamilton<br />
Projektleitung:<br />
Dr. Michael Ruhl<br />
Mitglied <strong>der</strong> Geschäftsleitung, Booz Allen Hamilton<br />
Caroline Schmutte<br />
Beraterin, Booz Allen Hamilton<br />
Unter <strong>der</strong> Mitarbeit von:<br />
Dr. Frank Peter Lücking, Felix Burda Stiftung<br />
Nils Fahlbusch, Booz Allen Hamilton<br />
Dr. Nadia Fettes, Booz Allen Hamilton<br />
Dr. Roland Haag, Booz Allen Hamilton<br />
Anita Kemper, Booz Allen Hamilton<br />
Dr. med. Dirk Knüppel, Booz Allen Hamilton<br />
Tillmann Lukosch, Booz Allen Hamilton<br />
Dr. med. Christian Rebhahn, Booz Allen Hamilton<br />
Dr. med. Holger Schmidt, Booz Allen Hamilton<br />
Dr. med. Norbert Schmidt, Booz Allen Hamilton<br />
Dr. med. Martin Siess, Booz Allen Hamilton<br />
Clemens Traugott, Booz Allen Hamilton<br />
Gregor Vogelsang, Booz Allen Hamilton<br />
Benita Yon, Booz Allen Hamilton<br />
Prof. Dr. phil. Ulla Walter<br />
Leiterin des Stiftungslehrstuhls Prävention und<br />
Rehabilitation in <strong>der</strong> System- und Versorgungsforschung<br />
Medizinische Hochschule Hannover<br />
Dr. Volker Wanek<br />
Referent Prävention<br />
IKK Bundesverband<br />
Michael Weller<br />
Leiter des Stabsbereich Politik<br />
AOK Bundesverband
Weltweite Standorte<br />
Abu Dhabi<br />
Charles El-Hage<br />
971-2-6-270882<br />
Brisbane<br />
Tim Jackson<br />
61-7-3230-6400<br />
Frankfurt<br />
Rainer Bernnat<br />
49-69-97167-0<br />
McLean, VA<br />
Eric Spiegel<br />
1-703-902-5000<br />
Rio de Janeiro<br />
Paolo Pigorini<br />
55-21-2237-8400<br />
Sydney<br />
Tim Jackson<br />
61-2-9321-1900<br />
Amsterdam<br />
Marco Kesteloo<br />
31-20-504-1900<br />
Atlanta<br />
Joe Garner<br />
1-404-659-3600<br />
Bangkok<br />
Tim Jackson<br />
66-2-653-2255<br />
Beijing<br />
Edward Tse<br />
8610-8520-0036<br />
Beirut<br />
Charles El-Hage<br />
961-1-336433<br />
Berlin<br />
René Perillieux<br />
49-30-88705-0<br />
Bogotá<br />
Jaime Maldonado<br />
57-1-628-5050<br />
Boston<br />
John Harris<br />
1-617-428-4400<br />
Buenos Aires<br />
Ivan De Souza<br />
54-1-14-131-0400<br />
Caracas<br />
José Gregorio<br />
Baquero<br />
58-212-285-3522<br />
Chicago<br />
Chris Disher<br />
1-312-346-1900<br />
Cleveland<br />
Mark Moran<br />
1-216-696-1900<br />
Colorado Springs<br />
Glen Bruels<br />
1-719-597-8005<br />
Copenhagen<br />
Torsten Moe<br />
45-33-18-70-00<br />
Dallas<br />
Tim Blansett<br />
1-214-746-6500<br />
Düsseldorf<br />
Thomas Kuenstner<br />
49-211-38900<br />
Helsinki<br />
Timo Leino<br />
358-9-61-54-600<br />
Hong Kong<br />
Edward Tse<br />
852-2251-8892<br />
Houston<br />
Matt McKenna<br />
1-713-650-4100<br />
Jakarta<br />
Tim Jackson<br />
6221-577-0077<br />
Lexington Park<br />
Neil Gillespie<br />
1-301-862-3110<br />
London<br />
Shumeet Banerji<br />
44-20-7393-3333<br />
Los Angeles<br />
Tom Hansson<br />
1-310-297-2100<br />
Madrid<br />
Mercedes Mostajo<br />
34-91-411-8450<br />
Melbourne<br />
Tim Jackson<br />
61-3-9221-1900<br />
Mexico City<br />
Jaime Maldonado<br />
52-55-9178-4200<br />
Milan<br />
Enrico Strada<br />
390-2-72-50-91<br />
Munich<br />
Jörg Krings<br />
49-89-54525-0<br />
New York<br />
David Knott<br />
1-212-697-1900<br />
Oslo<br />
Karl Høie<br />
47-23-11-39-00<br />
Paris<br />
Bertrand<br />
Kleinmann<br />
33-1-44-34-3131<br />
Philadelphia<br />
Molly Finn<br />
1-267-330-7900<br />
Rome<br />
Fernando<br />
Napolitano<br />
39-06-69-20-73-1<br />
San Diego<br />
Foster Rich<br />
1-619-725-6500<br />
San Francisco<br />
Bruce Pasternack<br />
1-415-391-1900<br />
Santiago<br />
Leticia Costa<br />
562-445-5100<br />
São Paulo<br />
Letícia Costa<br />
55-11-5501-6200<br />
Seoul<br />
Jong Chang<br />
82-2-2170-7500<br />
Shanghai<br />
Edward Tse<br />
86-21-6100-1696<br />
Stockholm<br />
Jan-Olof Dahlén<br />
46-8-506-190-00<br />
Tampa<br />
Joe Garner<br />
813-281-4900<br />
Tokyo<br />
Steve Wheeler<br />
81-3-3436-8631<br />
Vienna<br />
Helmut Meier<br />
43-1-518-22-900<br />
Warsaw<br />
Reg Boudinot<br />
48-22-630-6301<br />
Washington, DC<br />
Eric Spiegel<br />
1-703-902-5000<br />
Wellington<br />
Tim Jackson<br />
64-4-915-7777<br />
Zurich<br />
Jens Schädler<br />
41-1-20-64-05-0<br />
Standort<br />
Felix Burda Stiftung<br />
Rosenkavalierplatz 10<br />
81925 München<br />
Tel. +49 (0) 89 9250 2710<br />
E-Mail muellerb@burda.com