AutorIn werden ist nicht schwer Seite 14 - Verein ZKM
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E D I T O R I A L Z K M I N F O - 2 • 2 01 1 / 2 01 2 5<br />
Editorial<br />
Liebe Kolleginnen und Kollegen<br />
Kennen Sie Pisa Richtig, Pisa<br />
liegt in der Toskana und <strong>ist</strong> die<br />
Hauptstadt der Region Pisa.<br />
Das Wahrzeichen von Pisa <strong>ist</strong> der schiefe<br />
Turm. Mit dem Bau wurde 1173 begonnen.<br />
Bereits wenige Jahre später musste<br />
der Bau für lange Zeit unterbrochen<br />
<strong>werden</strong>, da sich der Turmstumpf zu neigen<br />
begann. Der Untergrund aus lehmigem<br />
Sand und Morast verformte sich<br />
unter dem Gewicht des Fundaments des<br />
Turms. Verschiedene Sanierungsmass -<br />
nahmen scheiterten. Man baute zwar<br />
den Turm weiter, musste aber auf einer<br />
Höhe von 54 Metern erkennen, dass die<br />
ursprünglich erhofften 100 Meter <strong>nicht</strong><br />
realisierbar sind.<br />
Nun, weshalb erzähle ich Ihnen dies<br />
Tja, da gibt es noch ein anderes PISA ...<br />
Programme for International Student<br />
Assessment (Programm zur internationalen<br />
Schülerbewertung). Dieses<br />
PISA hat eigentlich <strong>nicht</strong>s mit besagtem<br />
Turm zu tun und doch findet man interessante<br />
Parallelen. Ich denke hier an<br />
die Sanierungsmassnahmen der Schule,<br />
die Schieflage, die Bedeutung für viele<br />
Leute, etc.<br />
Nun sind sie also wieder auf Platz,<br />
alle Schulspezial<strong>ist</strong>en, die uns sagen, was<br />
falsch läuft und wie wir uns nur anzustrengen<br />
hätten, um die Schieflage wieder<br />
in den Griff zu bekommen. Die Vorschläge<br />
sind so vielfältig wie verwirrend.<br />
Was sollen wir nun tun Es <strong>ist</strong> ja bereits<br />
die vierte PISA-Studie, und wir haben<br />
in den vergangenen Jahren viel getan<br />
und an den Schwachstellen intensiv<br />
gearbeitet. Die Schweiz befindet sich in<br />
einigen Bereichen sogar bei den besten<br />
Ländern dieser Welt (Mathematik). Und<br />
noch nie war in den letzten Jahrzehnten<br />
so viel Gewicht auf die Leseförderung<br />
gelegt worden. Das <strong>ist</strong> auch richtig so<br />
und die Resultate bestärken uns. Wir<br />
sind besser geworden ... die anderen<br />
natürlich auch. Wenn ich allerdings einige<br />
vor uns liegende Länder und die<br />
dort realisierten PISA-Ergebnisse anschaue,<br />
regen sich gewisse Zweifel, ob<br />
da wohl alles mit rechten Dingen zu<br />
und her gegangen <strong>ist</strong>. Das <strong>ist</strong> aber <strong>nicht</strong><br />
entscheidend. Wichtiger scheint mir der<br />
Vergleich innerhalb der Schweiz zu sein,<br />
und da findet sich unser Kanton leider<br />
im hintersten Teil der nationalen Rangl<strong>ist</strong>e.<br />
Das Ergebnis <strong>ist</strong> ernüchternd, aber<br />
erklärbar. Die Ergebnisse der PISA-Studie<br />
offenbaren dies deutlich:<br />
- Der soziale und kulturelle Kontext <strong>ist</strong> nirgends so gross wie bei uns (Heterogenität).<br />
- Je grösser der Anteil fremdsprachiger Schülerinnen und Schüler mit Migrationshintergrund,<br />
desto geringer die kantonalen Mittelwerte (und umgekehrt Q Gymnasium).<br />
Kommt hinzu, dass im Kanton Zürich Kinder mit Migrationshintergrund in<br />
den letzten Jahren um 6% zugenommen haben.<br />
- Der Anteil le<strong>ist</strong>ungsschwacher Schülerinnen und Schüler <strong>ist</strong> im Kanton Zürich am<br />
grössten.<br />
- Die Freude am Lesen hat seit 2000 signifikant abgenommen.<br />
- Je mehr Unterrichtsstunden, desto höhere Le<strong>ist</strong>ungen.<br />
Das heisst: Das bereits vor 10 Jahren erkannte Problem besteht leider immer<br />
noch. Die Schüler le<strong>ist</strong>ungen haben sich in der Schweiz <strong>nicht</strong> wesentlich verändert.<br />
Man kann sich jetzt natürlich fragen, was denn der ganze Aufwand gebracht hat.<br />
Die Frage <strong>ist</strong> so aber falsch gestellt! Sie muss vielmehr heissen: Wo stünden wir<br />
wohl heute, wenn wir all diese Anstrengungen <strong>nicht</strong> getätigt hätten Wir müssen<br />
weiter dran bleiben, uns anstrengen und an den Schwachstellen arbeiten. Ich verspreche<br />
Politik und Gesellschaft, dass wir weiterhin unser Bestes geben. Das alleine<br />
wird aber <strong>nicht</strong> reichen.<br />
Deshalb fordern wir:<br />
- Top ausgebildete und motivierte Lehrpersonen (keine Billigausbildungen)<br />
- Deutlich kleinere Klassen, damit individuelles Unterrichten und Integration auch<br />
wirklich Sinn machen<br />
- Keine Stundenreduktion bei den Kindern, sondern Entlastungsmassnahmen bei den<br />
Lehrpersonen (mehr TT, tiefere Unterrichtsverpflichtung, sinnvolle Lehrmittel)<br />
- Gesellschaftliche Veränderungen (Anerkennung unseres wichtigen Berufes, Bereitstellung<br />
der Mittel sowie Eltern, die sich ihrer Erziehungsaufgabe bewusst sind)<br />
Unser Turm muss <strong>nicht</strong> fallen. Dies gelingt aber nur, wenn Politik, Gesellschaft<br />
und Schule das gleiche Ziel haben und dieses auch wirklich erreichen wollen! Jetzt<br />
braucht es <strong>nicht</strong> nur schöne Worte, sondern Taten.<br />
Herzliche Grüsse<br />
Harry Huwyler, Präsident <strong>ZKM</strong>