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Download - juridikum, zeitschrift für kritik | recht | gesellschaft

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papsttum, papstwahl und nachfolgesouveränität<br />

wohl allgemein als auch für Rom<br />

frühestens in der zweiten Hälfte des 4.<br />

Jh auf. 7 Nun ist daran zu denken, dass<br />

Päpste bestimmenden Einfluss auf die<br />

Besetzung des Archidiakonats üben<br />

konnten. Dies lässt vermuten, dass ihnen<br />

daher ein nahezu institutionalisierter<br />

Einfluss auf die eigene Nachfolge<br />

zukam. Doch anhand mehrerer Argumente<br />

lässt sich die Anwartschaftstheorie<br />

widerlegen:<br />

• Die Quellenlage über die einzelnen<br />

Karrieren späterer römischer<br />

Bischöfe ist zu dünn, um eine derartige<br />

Anwartschaft ausmachen zu<br />

können.<br />

• Als „Paradebeispiel“ eines Archidiakons,<br />

der zum römischen Bischof<br />

avancierte, wird sehr häufig<br />

Leo I. (440-461) genannt. Nun<br />

lässt sich allerdings belegen, dass<br />

Leo I. das Archidiakonenamt bereits<br />

unter seinem Vorvorgänger<br />

innehatte: Leo war somit bei einer<br />

Papstwahl (im Jahr 432) nicht zum<br />

Zug gekommen, obgleich er bereits<br />

Archidiakon gewesen war.<br />

• Ein wesentliches Argument der<br />

„Anwartschaftsbefürworter“ stellt<br />

der sogenannte Liber diurnus dar.<br />

Dabei handelt es sich um die älteste<br />

Formelsammlung für Papsturkunden,<br />

deren Entstehungszeit in<br />

der Bandbreite zwischen Ende des<br />

8. und Beginn des 10. Jh kontrovers<br />

diskutiert wird. In Bezug auf<br />

die „Nachfolgechancen“ des Archidiakons<br />

sind drei Formeln einer<br />

päpstlichen Wahlanzeige zu<br />

beachten 8 , die von der Wahl des<br />

römischen Archidiakons zum Bischof<br />

berichten. Es drängt sich allerdings<br />

der Gedanke auf, dass hier<br />

ein idealtypisches Verhältnis gezeichnet<br />

wird, das mit der Realität<br />

nicht zwingend in Zusammenhang<br />

zu bringen ist. Der Archidiakon als<br />

............................................<br />

6 Stellvertretend für zahlreiche<br />

Autoren sei Ullmann, Gelasius I. (492-<br />

496) – Das Papsttum an der Wende<br />

der Spätantike zum Mittelalter (1981)<br />

114 genannt, der meint, es sei „seit<br />

dem 4. Jh. gewohnheits<strong>recht</strong>lich der<br />

Archidiakon der römischen Kirche<br />

Nachfolger des verstorbenen Papstes<br />

geworden“. Diese Nachfolge hätte sich<br />

in der Sache kaum von einer solchen<br />

unterschieden, die „auf einem Designations<strong>recht</strong><br />

beruhte“.<br />

7 Siehe Saxer, La chiesa die Roma<br />

zweitmächtigster Mann der römischen<br />

Kirche wird als der Geeignetste<br />

für die Nachfolge im Bischofsamt<br />

gehalten. Meines Erachtens<br />

wäre die Nennung einer<br />

anderen Person als Nachfolgekandidat<br />

völlig ausgeschlossen. Auch<br />

andere römische Texte enthalten<br />

nachweisliche Konstrukte idealtypischer<br />

Verhältnisse zwischen<br />

kirchlichen Machtträgern, die mit<br />

der Realität nicht zwingend in Zusammenhang<br />

stehen.<br />

• Als Ende des 5. Jh bis offensichtlich<br />

weit ins 6. Jh hinein ein Diskussionsprozess<br />

über die Frage der<br />

Designationsmöglichkeit im Gange<br />

ist, und bei entsprechenden<br />

Konflikten um die Papstnachfolge<br />

wiederholt Archidiakone als Bewerber<br />

auftreten, ist in den Quellen<br />

nirgends von einer Anwartschaft<br />

des Archidiakons auf das römische<br />

Bischofsamt die Rede.<br />

Doch gerade hier hätten entsprechende<br />

Hinweise dem Karrierestreben<br />

der Archidiakone durchaus<br />

dienlich sein können.<br />

Für das Jahr 530 trifft man auf einen expliziten<br />

Designationsversuch eines Papstes.<br />

9 Dieser war allerdings nur deswegen<br />

von Erfolg gekrönt, weil der gegen<br />

den Designierten aufgestellte Gegenkandidat<br />

sehr bald starb.<br />

Versuche päpstlicher Nachfolgebeeinflussung<br />

finden sich besonders gehäuft<br />

in der Zeit des Investiturstreits im<br />

11. und 12. Jh. Es ist durchaus möglich,<br />

dass diese Handlungsweisen mit dem<br />

sich damals ausprägenden päpstlichen<br />

Selbstverständnis in Zusammenhang zu<br />

bringen sind. 10 Allerdings wird man zu<br />

bedenken haben, dass auch andere Institutionen<br />

von europäischer Tragweite<br />

designative Handlungsweisen kannten:<br />

Das Reich war formell eine Wahlmonarchie,<br />

doch unter Ottonen und Saliern<br />

dal V als X secolo: Amministrazione<br />

centrale e organizzazione territoriale,<br />

in Roma nell’ alto medioevo, Bd 2<br />

(2001) 493 ff (543).<br />

8 Siehe im Liber Diurnus Romanorum<br />

Pontificum insb die Formel De<br />

electionem [sic] ad principem, ed<br />

Foerster (1958) 112 f.<br />

9 Siehe dazu das Praeceptum papae<br />

Felicis, ed Schwartz, Acta Conciliorum<br />

Oecumenicorum, 4/2 (1914) 96 ff.<br />

10 Zur „Papstrevolution“, die die<br />

erste große Revolution des Abendlandes<br />

darstellt, siehe zuletzt Prodi, Eine<br />

Geschichte der Ge<strong>recht</strong>igkeit. Vom<br />

Recht Gottes zum modernen Rechtsstaat<br />

(Übersetzung 2003) 48 ff.<br />

11 Motu proprio Ingravescentem<br />

aetatem vom Jahr 1970 (Acta Apostolicae<br />

Sedis 62 [1970] 810 ff). Die<br />

Bestimmung wurde im Wesentlichen<br />

durch die beiden seither erlassenen<br />

Papstwahlordnungen übernommen.<br />

12 Siehe etwa Broderick, The Sacred<br />

College of Cardinals: Size and Geographical<br />

Composition (1099-1986),<br />

kam die Designation sehr häufig vor,<br />

ebenso wie in der Abtei Cluny, die in<br />

mannigfaltiger Weise Einfluss aus das<br />

Papsttum übte.<br />

3. Von der Papstwahlordnung 1179<br />

bis zum beginnenden<br />

20. Jahrhundert<br />

Das bereits in der ersten Hälfte des 12.<br />

Jh gefestigte exklusive aktive Papstwahl<strong>recht</strong><br />

der Kardinäle wird in der<br />

Folgezeit bis auf eine Ausnahme stets<br />

beachtet. Erst in der zweiten Hälfte des<br />

20. Jh wird die Bestimmung erlassen,<br />

wonach Kardinäle, die das 80. Lebensjahr<br />

bereits vollendet haben, nicht mehr<br />

aktiv wahlbe<strong>recht</strong>igt sind. 11 Schon zu<br />

Beginn des 12. Jh hatte sich das ausschließliche<br />

Recht des Papstes zur Kardinalsernennung<br />

herauskristallisiert. Es<br />

sollte allerdings bis weit in die Neuzeit<br />

durch Quasi-Nominations<strong>recht</strong>e weltlicher<br />

Herrscher durchbrochen werden. 12<br />

Bedenkt man, dass im Jahr 1378 das<br />

letzte Konklave stattgefunden hatte, aus<br />

dem ein Nichtkardinal als Gewählter<br />

hervorging, zeigt sich besonders deutlich,<br />

welche Möglichkeiten der Nachfolgebeeinflussung<br />

einem Papst zukommen.<br />

Darüber hinaus ist es seit dem<br />

16. Jh die alleinige Befugnis des Papstes<br />

zur Regelung des Wahl<strong>recht</strong>s unstrittig.<br />

Die Papstwahlordnung von 1179<br />

führte nun das Zweidrittelprinzip ein,<br />

wobei hier eher an ein Konsens- als an<br />

ein Präsenserfordernis zu denken sein<br />

dürfte. 13 Diese Neuerung aus dem 12.<br />

Jh brachte den Gedanken bewusster<br />

päpstlicher Nachfolgebeeinflussung<br />

nicht zum Schweigen. So berichtet ein<br />

englischer Kleriker für das Jahr 1197<br />

vom Versuch eines Papstes, bei Lebzeiten<br />

für sich eine bestimmte Person als<br />

Nachfolger wählen zu lassen. 14 Auch<br />

wenn es in der Forschung nicht an Stimmen<br />

fehlt, die die Zuverlässigkeit dieses<br />

Berichts in Zweifel ziehen, so ist die<br />

Archivum Historiae Pontificaie 1987, 7<br />

ff (52, FN 158).<br />

13 Konkrete Wurzeln des Zweidrittelprinzips<br />

lassen sich nicht mit<br />

Gewissheit ausmachen; siehe dazu<br />

Maleczek, Abstimmungsarten. Wie<br />

kommt man zu einem vernünftigen<br />

Wahlergebnis, in Schneider/Zimmermann<br />

(Hrsg), Wahlen und Wählen<br />

im Mittelalter (1990) 79 ff (104).<br />

Das Zweidrittelerfordernis bleibt ab<br />

nun im europäischen Bewusstsein<br />

ständig verankert und kommt heute<br />

juridicum 4 / 2003 Seite 181

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