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Download - juridikum, zeitschrift für kritik | recht | gesellschaft

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papsttum, papstwahl und nachfolgesouveränität<br />

die für den Fall, dass nach etwa elf Konklavetagen<br />

keine Wahl zustande gekommen<br />

ist, Beratungen über den danach<br />

einzuschlagenden Modus vorsieht:<br />

„Anschließend wird<br />

dementsprechend weiter verfahren, was<br />

die absolute Mehrheit beschlossen hat.<br />

Dennoch wird man nicht davon abweichen<br />

können, dass zu einer gültigen<br />

Wahl entweder die absolute Mehrheit<br />

der Stimmen vorhanden sein muss oder<br />

dass zwischen den beiden Personen, die<br />

beim unmittelbar vorhergehenden<br />

Wahlgang den größten Stimmenanteil<br />

erhalten haben, gewählt wird, wobei<br />

dann auch in diesem zweiten Fall nur<br />

die absolute Mehrheit erforderlich ist“.<br />

Diese Bestimmung stellt auch im<br />

Hinblick auf die vorangehende Papstwahlordnung<br />

von 1975 24 eine wesentliche<br />

Neuerung dar, weil die Möglichkeit<br />

der Senkung des Konsensquorums nur<br />

durch einstimmigen Beschluss der<br />

Wähler erfolgen durfte. Vorweg ist festzustellen,<br />

dass Nr 75 äußerst interpretationsbedürftig<br />

ist: Es bleibt nämlich die<br />

Frage offen, ob die Kardinäle sich darauf<br />

einigen dürfen, das Erfordernis der<br />

Zweidrittelmehrheit beizubehalten 25 ,<br />

oder ob die hier vorgesehenen beiden<br />

Wahlmodi – wenn auch in alternativer<br />

Weise – zwingendes Recht darstellen. 26<br />

Doch jedenfalls wird nun bestimmt,<br />

dass für die Autorisierung des Wahlergebnisses<br />

die absolute Mehrheit der anwesenden<br />

Wähler genügen kann. 27 Auf<br />

dem ersten Blick trägt Nr 75 durchaus<br />

Erfordernissen der neueren Zeit Rechnung:<br />

Sie bedeutet eine Vereinfachung<br />

des Wahlverfahrens in Anbetracht einer<br />

überaus hohen Zahl von Wahlbe<strong>recht</strong>igten.<br />

Doch unübersehbar sind andererseits<br />

die Einwände, die gegen die Bestimmungen<br />

der Nr 75 erhoben wurden: Im<br />

Ergebnis sei nun die für die Wahl erforderliche<br />

Zweidrittelmehrheit auf die absolute<br />

Mehrheit herabgesetzt worden.<br />

Hardliner unterschiedlicher Richtungen<br />

hätten nun eher Chancen, gewählt zu<br />

werden, als integrative Persönlichkeiten,<br />

die durch Kompromissbereitschaft<br />

einen wirksamen gemeinsamen Nenner<br />

unterschiedlicher Anliegen darstellen<br />

können. Personen, die im Stande sind,<br />

zwei Drittel der Wählerschaft für sich<br />

zu gewinnen, seien naturgemäß eher auf<br />

Ausgleich zwischen einzelnen Richtungen<br />

bedacht, als Personen, die nur die<br />

hauchdünne Mehrheit des Wahlkollegiums<br />

hinter sich wissen.<br />

Diese Überlegungen verbinden sich<br />

mit dem Hinweis auf das unstrittige<br />

Recht des Papstes, die Kardinäle frei zu<br />

ernennen. Insbesondere die Tatsache,<br />

dass über 97% derjenigen Kardinäle,<br />

die nach dem Stand der letzten Kardinalskreation<br />

aus dem Jahr 2003 wahlbe<strong>recht</strong>igt<br />

sind, durch den gegenwärtigen<br />

Papst kreiert wurden, legt speziell für<br />

das nächste Konklave den Gedanken<br />

der Nachfolgesouveränität nahe. Darüber<br />

hinaus ist zu bedenken, dass gerade<br />

diese bisher letzte Kardinalskreation<br />

unter dem Prätext der Nachfolgebeeinflussung<br />

ein großes Medienecho fand:<br />

So wurde berichtet, dass diese wegen<br />

des schlechten Gesundheitszustandes<br />

des Papstes um vier Monate vorverlegt<br />

worden war, und Spekulationen über<br />

damit verbundene Nachfolgebeeinflussung<br />

blieben nicht aus. 28 Kombiniert<br />

mit der Möglichkeit, bloß die absolute<br />

Mehrheit für die Wahl eines Nachfolgers<br />

genügen zu lassen, könnte dies bedeuten,<br />

dass das Oberhaupt der katholischen<br />

Kirche sich keine große Mühe geben<br />

muss, die Nachfolge in seinem Sinn<br />

zu regeln. Ein Papst bräuchte demnach<br />

die Zusammensetzung des Kollegs lediglich<br />

in der Weise zu gestalten, dass<br />

über 50% der Kardinäle der Linie seiner<br />

Amtsführung zugetan sind und für die<br />

Wahl eines „genehmen“ Nachfolgers<br />

sorgen. 29<br />

Niemand kann mit Sicherheit sagen,<br />

ob Nr 75 das Wahlverhalten der Konklaveteilnehmer<br />

erheblich ändern wird,<br />

doch der in der Literatur geäußerte Hinweis,<br />

wonach es keinen Grund mehr gäbe,<br />

einen Kompromiss zu schließen<br />

oder sich einem Konsenskandidaten zuwenden<br />

zu müssen 30 , ist zweifelsohne<br />

zutreffend.<br />

A.o. Univ.-Prof. Dr. Stefan Schima<br />

lehrt am Institut für Recht und<br />

Religion der Universität Wien;<br />

stefan.schima@univie.ac.at.<br />

............................................<br />

24 Acta Apostolicae Sedis 67 (1975)<br />

609 ff.<br />

25 Diesfalls wäre Nr 75 so zu interpretieren,<br />

dass die einfache Mehrheit<br />

als Mindestkonsenserfordernis formuliert<br />

wird und eine Einigung erzielt<br />

werden kann, die die Beibehaltung<br />

des Zweidrittelerfordernisses zum<br />

Inhalt hat.<br />

26 Dafür spricht der Umstand, dass<br />

die Papstwahlordnung von 1975 die<br />

Beibehaltung des Zweidrittelerfordernisses<br />

in dieser Situation ausdrücklich<br />

vorgesehen hatte. In der geltenden<br />

Papstwahlordnung wird diese Möglichkeit<br />

nicht mehr erwähnt.<br />

27 Vgl dazu auch Schlaich, Einige<br />

Beobachtungen zum Recht der Papstwahl,<br />

FS Heckel (1999) 237 (247 f).<br />

28 Siehe etwa „Frankfurter Allgemeine<br />

Zeitung“ vom 29. September<br />

2003.<br />

29 In diesem Zusammenhang ist auf<br />

den durch einen spanischen Botschafter<br />

kolportierten Versuch eines Papstes<br />

aus dem 16. Jh hinzuweisen, das<br />

Erfordernis der Zweidrittelmehrheit<br />

durch die einfache Mehrheit zu ersetzen<br />

(siehe Hübner, Sixtus V. II [1871]<br />

65 ff): Man habe gehört – so der Botschafter<br />

– dass Sixtus V. das Wahl<strong>recht</strong><br />

ändern wolle: „Nunmehr scheint<br />

Seine Heiligkeit gewillt, die Hälfte der<br />

Stimmenzahl für hinreichend zu erklären.<br />

Hiedurch sucht er die Wahl des<br />

Nachfolgers in die Hände seines Nepoten<br />

zu spielen.“<br />

30 Reese, Im Inneren des Vatikan –<br />

Politik und Organisation der katholischen<br />

Kirche (Übersetzung 2000) 122:<br />

„Das alte Prinzip wurde einfach umgekehrt:<br />

Nun ist die Mehrheit ermuntert,<br />

einfach nur durchzuhalten, während<br />

die Minderheit gleich aufgeben kann,<br />

weil jedermann weiß, dass die Mehrheit<br />

am Ende sowieso siegen wird.“<br />

Vgl auch Klein, Papstwahl: geänderte<br />

Spielregeln, Orientierung 1996, 97 f;<br />

Bobersky, Der nächste Papst (1999)<br />

149; May, Mehrheitsverhältnisse bei<br />

Papstwahlen, in FS Geringer (2002),<br />

273 ff (284 ff).<br />

juridicum 4 / 2003 Seite 183

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