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Download - juridikum, zeitschrift für kritik | recht | gesellschaft

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der konvent tanzt<br />

der Menschen<strong>recht</strong>e statt „jedermann“. Das ist kein bloßer<br />

Formalismus, sondern Sprache ist Ausdruck von Strukturen<br />

und hat überdies eine starke Symbolwirkung.<br />

2.2.2 Gleichstellung, Geschlechterparität und<br />

Frauenförderung<br />

Der derzeitige Artikel 7 Absatz 2 B-VG ist im Hinblick auf<br />

eine Verpflichtung statt einem Bekenntnis zu Geschlechtergleichstellung,<br />

Geschlechterparität und Frauenförderung<br />

auszubauen und zu verstärken, denn bloße Bekenntnisse<br />

sind Sache gläubiger Menschen, begründen aber weder subjektive<br />

noch sonstige Rechte (im Anhang unser Vorschlag<br />

im Wortlaut).<br />

Diese Verpflichtung soll für alle Gebietskörperschaften<br />

und darüber hinaus für alle Selbstverwaltungskörper gelten;<br />

also zB auch für die Träger der beruflichen und sozialen<br />

Selbstverwaltung (Kammern, Sozialversicherungsträger).<br />

Das seinerzeitige „Bekenntnis“ war Ergebnis eines Kompromisses;<br />

die ÖVP wollte partout keine Verpflichtung und<br />

noch weniger subjektive Rechte; umso erstaunlicher, dass<br />

sich die Vertreterin der ÖVP-Frauen im Hearing genau für<br />

die von uns bereits seinerzeit geforderte Verpflichtung aussprach.<br />

Neu in unserem Vorschlag ist die Einbeziehung der sonstigen<br />

Träger der Selbstverwaltung, zB im Bereich der beruflichen<br />

und sozialen Selbstverwaltung (zB Kammern, Selbstverwaltungskörper<br />

im Bereich der Sozialversicherung). Die<br />

Gemeindeverbände wurden als Verpflichtete nicht gesondert<br />

angeführt, da davon ausgegangen wurde, dass die Verpflichtung<br />

der zuständigen Gesetzgeber auch im Hinblick auf den<br />

derzeitigen Artikel 116a B-VG ausreicht. Problematisch<br />

könnte die Definition des Kreises der Verpflichteten bei<br />

Schaffung neuer Strukturen und Einheiten werden; ein Problem,<br />

das jetzt bereits im Bereich der Ausgliederungen vorhanden<br />

ist (Arbeits<strong>recht</strong> statt Dienst<strong>recht</strong>, Gleichbehandlung<br />

ohne Frauenförderung in der Privatwirtschaft statt Gleichbehandlungsgesetze<br />

des Bundes und der Länder, die die Frauenförderung<br />

mitumfassen). Da Ausgliederungen aber in der<br />

Regel durch Gesetz zu erfolgen haben, sind die Gebietskörperschaften<br />

auch bei Ausgliederungen zur Herstellung der<br />

Geschlechtergleichheit und zur Frauenförderung verpflichtet<br />

– im Übrigen ein Anliegen, das Ausschuss 7 („Struktur<br />

besonderer Verwaltungseinrichtungen“) zu behandeln hätte.<br />

Die Geschlechterparität ist Ziel und wichtigstes Instrument<br />

zur Erreichung der Geschlechtergleichheit. Zur Verwirklichung<br />

dieses Ziels muss eine Paritätsklausel einheitlich<br />

für alle staatlichen Institutionen eingeführt werden, weil<br />

Frauen nahezu überall unterrepräsentiert sind, namentlich<br />

dort, wo es um Geld und Macht geht (überwiegende Frauenanteile<br />

finden sich tendenziell in prekären Beschäftigungsverhältnissen,<br />

schlecht bezahlten Teilzeitjobs, uä).<br />

Zur Verwirklichung des im Artikel 3 Absatz 2 des EG-<br />

Vertrages verankerten Prinzips des „Gender Mainstreaming“<br />

ist eine Geschlechterverträglichkeitsprüfung im Gesetzgebungsverfahren<br />

(für alle Gesetze, also einfache Gesetze,<br />

Verfassungsgesetze, Bundesgesetze, Landesgesetze),<br />

aber auch bei allen anderen Tätigkeiten (Vollziehung, Privatwirtschaftsverwaltung)<br />

einzuführen. Eine solche Geschlechterverträglichkeitsprüfung<br />

hat einerseits für zukünftige<br />

Maßnahmen stattzufinden; andererseits ist aber auch der status<br />

quo einer beständigen Überprüfung zu unterziehen sowie<br />

bereits getroffene Maßnahmen einer Evaluierung in bestimmten<br />

Zeitabständen.<br />

Faktisch gemeint ist damit eine Beachtung frauenspezifischer<br />

Aspekte in allen Belangen staatlichen und privatwirtschaftlichen<br />

Handelns: Wenn eine Gemeinde eine Buslinie<br />

aufzulassen beabsichtigt, müsste sie demnach auch überlegen,<br />

ob nicht gerade die Frauen in der Gemeinde diese Buslinie<br />

doch brauchen, weil sie eben kein Auto haben, und mit<br />

Kinderwagen und Einkaufstasche ihre Wege im Alltag erledigen.<br />

Nicht nur RollstuhlfahrerInnen müssen im öffentlichen<br />

Bereich berücksichtigt werden, sondern eben auch die<br />

nach wie vor überwiegend weiblichen „KinderwagenschieberInnen“.<br />

Oder: Ein Bundesland erstellt einen Frauenförderplan für<br />

den Landesdienst. Die dort vorgesehenen Maßnahmen zur<br />

Hebung des Frauenanteils im höheren Landesdienst sind regelmäßig<br />

zu evaluieren: Haben die Maßnahmen Erfolg gehabt<br />

Und wenn nein, warum nicht Welche anderen Maßnahmen<br />

wären geeigneter<br />

Um dem Anliegen einer Verfassungsbereinigung im Hinblick<br />

auf unklare und schwer durchsetzbare Staatszielbestimmungen<br />

Rechnung zu tragen, wurde in Absatz (2b) ein<br />

subjektives Recht der Frauen auf Gleichstellung und Förderund<br />

Ausgleichsmaßnahmen eingebaut. Unter Ausgleichsmaßnahmen<br />

ist zB ein Recht auf Schadenersatz für Diskriminierungen<br />

aufgrund des Geschlechts zu verstehen.<br />

Geeigneter Rechtsschutz zur besseren Durchsetzung dieser<br />

Rechte, zB beim Verfassungsgerichtshof, aber auch bei<br />

allen anderen Gerichten.<br />

Der Vorschlag enthält einen Auftrag an den Gesetzgeber<br />

zur Einführung von Verbandsklagen (zB Klage<strong>recht</strong> für die<br />

Gleichbehandlungsanwaltschaft bzw für Frauenorganisationen,<br />

wenn Ungleichheiten nicht beseitigt werden bzw keine<br />

Fördermaßnahmen ergriffen werden), um einen wirksamen<br />

Rechtsschutz im Bereich der Herstellung der Geschlechtergleichheit<br />

und der Frauenförderung vorzusehen (zu frauenspezifischen<br />

Aspekten im Bereich des Rechtsschutzes siehe<br />

noch unten 3.).<br />

Offen bleibt nach wie vor die Frage einer wirksamen<br />

Rechtsdurchsetzung. Die Untätigkeit des Gesetzgebers ist<br />

schwer zu sanktionieren, eine gesetzgebende Körperschaft<br />

kann kaum zu einem bestimmten Handeln veranlasst werden,<br />

ohne dadurch in Konflikt mit dem demokratischen<br />

Grundprinzip zu gelangen. Eigene „Gender Gremien“ könnten<br />

parlamentarisch und/oder auf der Vollziehungsebene,<br />

eingerichtet werden, um Maßnahmen vorzuschlagen und<br />

durchzusetzen sowie eine ständige Gender Analyse und<br />

Überprüfung vorzunehmen – also zB eine „Gender Kommission“,<br />

zumindest im Parlament. Auch eine eigene „Gender<br />

Mainstreaming Kompetenz“ des Verfassungsgerichtshofes<br />

sollte zumindest andiskutiert werden, um staatliches<br />

Handeln besser auf die Erfüllung des Gendering überprüfen<br />

zu können bzw auch um zB Maßnahmen im Bereich der<br />

Frauenförderung effizient einklagen zu können.<br />

juridicum 4 / 2003 Seite 211

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