(JSE) 2013 - Zeitschrift Jura Studium & Examen
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AUSGABE 2 | <strong>2013</strong><br />
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Der Angriff wird vom Nothelfer nicht aus eigenem<br />
Recht abgewehrt, sondern er nimmt<br />
mit der Verteidigung ein Recht war, das akzessorisch<br />
zu den Befugnissen des Angegriffenen<br />
ist. 35 Das bedeutet jedoch auch, dass<br />
die Nothilfe den identischen Einschränkungen<br />
unterliegt wie die Notwehr. Unterläge der<br />
in Notwehr Handelnde (hier T) sozialethischen<br />
Einschränkungen (aufgrund einer Absichtsprovokation),<br />
so gelten diese Einschränkungen<br />
auch für den Nothelfer (hier<br />
H). 36<br />
(a) Nach der Rechtsfigur der sog. actio illicita<br />
in causa soll das Recht zur Notwehr zwar bestehen<br />
bleiben, der Provokateur sich jedoch<br />
wegen der vorhergehenden absichtlichen<br />
Verursachung der Tat (actio illicita in causa)<br />
strafbar machen. 37 Begründet wird dies etwa<br />
mit einer Parallele zur actio libera in causa<br />
oder der mittelbaren Täterschaft. Die Provokation<br />
(diese Handlung und nicht die Verteidigungshandlung<br />
ist nach dieser Ansicht der<br />
Anknüpfungspunkt für den strafrechtlichen<br />
Vorwurf) wird als der tatbestandsmäßige<br />
und rechtswidrige Beginn der später gerechtfertigten,<br />
den Angreifer beeinträchtigenden<br />
Verteidigungshandlung begriffen. War das<br />
Rdnr. 204; vgl. Krey/Esser, AT, 5. Aufl., Rdnr. 568;<br />
auch Kühl, JURA 1993, 233 (235) m. N.<br />
35 Rönnau/Hohn, in: LK/StGB, Bd. 2, 2. Aufl., § 32 Rdnrn.<br />
259, 204.<br />
36 Vgl. Günther, in: SK/StGB, Bd. 1, 31. Lfg., § 32<br />
Rdnr. 127; Zieschang, AT, 3. Aufl., Rdnr. 233; Erb, in:<br />
MK/StGB, Bd. 1, 2. Aufl., § 32, Rdnr. 238;<br />
Rönnau/Hohn, in: LK/StGB, Bd. 2, 2. Aufl., § 32<br />
Rdnr. 259.<br />
37 Dazu etwa Bertelt, ZStW 84 (1972), 1 (14 ff.); Frister,<br />
AT, 5. Aufl., Kap. 16 Rdnr. 30.<br />
gesamte Geschehen, begonnen mit der Provokation<br />
bis hin zur Verteidigung, absichtlich<br />
durchgeführt, gelangt diese Figur zu einer<br />
Strafbarkeit des Verteidigers wegen vorsätzlicher<br />
(Körper-)Verletzung, wenn er den<br />
Angreifer (dann in Notwehr gerechtfertigt)<br />
verletzt. Eine Notwehr Ts und damit eine<br />
Nothilfe seitens H ist danach uneingeschränkt<br />
möglich bzw. die Grenze der Gebotenheit<br />
gewahrt.<br />
(b) Eine andere Ansicht billigt dem Angegriffenen<br />
das Notwehrrecht zu, da die Rechtsordnung<br />
vom Provozierten verlange, der Provokation<br />
zu widerstehen. 38 Eine Notwehr Ts<br />
wäre uneingeschränkt möglich. Weil Gleiches<br />
für den Nothelfer gilt, war hiernach Hs<br />
Handlung geboten.<br />
(c) Einer weiteren Meinung nach soll das<br />
Notwehrrecht des Angegriffenen eingeschränkt<br />
bestehen bleiben. Es sei vom Provokateur<br />
zunächst (soweit möglich) ein Ausweichen<br />
gefordert, dann wird Schutzwehr<br />
und schlussendlich (zunächst verhaltene)<br />
Trutzwehr als zulässig erachtet (sog. Dreistufentheorie).<br />
39 Werden diese Einschränkungen<br />
nicht beachtet, sei die in der Verteidigung<br />
liegende Straftat nicht nach § 32<br />
StGB gerechtfertigt. 40 Die Einschränkungen<br />
seien einerseits umso höher, je schwerer die<br />
38 Renzikowski, Notstand und Notwehr, 1994, S. 112,<br />
303; Baumann/Weber/Mitsch, AT, 10. Aufl., § 17<br />
Rdnr. 38 m. w. N.<br />
39 Vgl. Kühl, AT, 7. Aufl., § 7, Rdnr. 258 ff.; Günther,<br />
in: SK/StGB, Bd. 1, 31. Lfg., § 32 Rdnr. 127.<br />
40 Kühl, AT, 7. Aufl., § 7 Rdnr. 260.<br />
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