Jahrbuch für Integration in Wirtschaft, Politik und Gesellschaft Ausgabe 2014 / 2015
almanah
2014 / 2015 Jahrbuch für
Integration
in Wirtschaft,
Politik und
Gesellschaft
lmanah
*
* bosnisch/kroatisch/serbisch für »Almanach/Jahrbuch«
AKTUELLE ENTWICKLUNGEN
Jihadismus und Jugendkultur
Wien wächst: Visionen für 2029
Die neue Willkommenskultur
REPORTAGEN
Ausländerbehörde deluxe
Wochenendkrieger
Kolo-Meister aus Favoriten
JAHRBUCH FÜR INTEGRATION 1
Wir fördern den
Rohstoff der
Zukunft: Ideen.
Allein in der Forschung arbeiten bei
Siemens über 1.000 helle Köpfe!
siemens.com/answersforaustria
Ideen sind der Stoff, aus dem die Zukunft
gemacht wird! Siemens Österreich belegt
regelmäßig Top-Platzierungen in den
Erfindungs-Ranglisten des Österreichischen
Patentamts.
Kein Wunder: arbeiten doch von den über
12.500 Siemens Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen
in Österreich allein 1.000 im
Bereich Forschung und Entwicklung.
Hier entsteht Neues. Jetzt und in Zukunft.
Answers for Austria.
almanah
Liebe Leserin, lieber Leser,
Almanah-Macher Simon Kravagna und Alexandra Stanić.
Im Almanah 2014/2015
haben wir für Sie die
spannendsten Aspekte
von Integration gesammelt.
Unser Fazit:
Wir leiden in Österreich
noch immer auf hohem
Niveau.
Die Welt wird nicht gerade besser. Aber auch nicht
langweiliger. Das haben wir bei unserer Arbeit am
Almanah feststellen können. Jährlich dokumentiert die
biber-Redaktion im Jahresbericht für Wirtschaft, Politik
und Gesellschaft aktuelle Entwicklungen im Bereich
Integration. Dabei zeigt sich: Integration ist ein widersprüchlicher
Prozess.
Auf der einen Seite wird die Stadt Wien bis 2029 auf
mehr als zwei Millionen Einwohner wachsen. Vor allem
durch Zuwanderung. Und das ist gut so. Denn anders
als Kärnten, wo die Bevölkerungszahl bereits abnimmt,
bleibt die Bundeshauptstadt eine dynamische und junge
Metropole. Durch eine in Europa durchaus vorbildliche
„Willkommenskultur“ begegnen Außen- und Integrationsminister
Sebastian Kurz sowie die Stadt Wien den
neuen Zuwanderern.
Auf der anderen Seite erleben wir auch die negativen
Folgen von Migration. Obwohl der sogenannte „Islamische
Staat“ in Syrien und im Irak wütet, spürt Europa
und Österreich die Auswirkungen. Die Regierung verschärft
Gesetze, verbietet Symbole und versucht,
Jugendliche vor Extremismus zu schützen. Im Almanah
2014/2015 haben wir für Sie die spannendsten Aspekte
von Integration gesammelt. Unser Fazit: Wir leiden in
Österreich noch immer auf hohem Niveau.
Übrigens: Der Begriff „Almanah“ ist kein Schreibfehler,
sondern heißt auf Bosnisch/Kroatisch/Serbisch und
in anderen slawischen Sprachen Almanach, also Jahrbuch.
Simon Kravagna
Herausgeber und Chefredakteur das biber
Alexandra Stanić
Redaktionsleitung Almanah
Wir freuen uns über Kritik, Lob und Anregungen:
kravagna@dasbiber.at
JAHRBUCH FÜR INTEGRATION 3
almanah
INHALT
„Typisch ist eine
Underdog-Kultur“
Der Soziologe und Integrationsexperte
Kenan
Güngör im Interview
über Radikalisierung
von Jugendlichen und
warum es skurril ist,
einer Weltreligion ihre
internationale Finanzierung
verbieten zu
wollen.
10
GESELLSCHAFT & POLITIK
Kriegstourismus: Schon vor dem
IS-Phänomen kämpften österreichische
Gastarbeiter für „ihre“ Leute. 14
Sei still und arbeite: 2014 feierte
Öster reich 50 Jahre Gastarbeiter-
Anwerbeabkommen mit der Türkei.
Viele Gastarbeiter erinnern
sich an schlimme Bedingungen. 18
MARKT & KARRIERE
Ausländer behörde
deluxe
Das Welcome Center in
Hamburg rollt ausländischen
Fachkräften
den roten Teppich aus
und geht europaweit
mit gutem Beispiel
voran. Wie werden
qualifizierte Migranten
in Österreich empfangen
30
Wien wächst: Sieben Wirtschaftsmanager
erläutern ihre Visionen zu
Wiens Zukunft. 36
Making of Aspern: Wir haben uns in
der Seestadt zwischen Baukränen und
Fassadenbauern umgesehen. 40
Halal Banking: Ein Kärntner gründet
das erste Halal-Start-up im Finanzbereich. 46
SPORT, MEDIEN & KULTUR
Das runde Leder: Rapid hat eine Fußballmannschaft
für Menschen mit geistigen
und körperlichen Handicaps gegründet. 54
Kolomeister aus
Favoriten
Der Wiener Verein
„Kud Stevan Mokranjac“
ist EM-Meister in
serbischer Folklore.
Wir haben den Klub bei
einem seiner Auftritte
begleitet.
50
Made by biber: Ein Jahresüberblick über
die biber-Akademie und ihre Stipendiaten 58
UNTERNEHMEN &
INSTITUTIONEN
Was österreichische Firmen und
Institutionen für die Integration tun:
Ein Überblick 61
Impressum 65
Todors letzte Worte 66
4
JAHRBUCH FÜR INTEGRATION
almanah
Vielfalt
in
Herkunftsländer
Rund 1,625 Millionen Menschen mit Migrationshintergrund leben
in Österreich. Davon stammen zwei Fünftel (39%) aus einem
EU- oder EWR-Staat oder der Schweiz. Aus den Nachfolgestaaten
Jugoslawiens, außer Slowenien und Kroatien, kommen 29
Prozent. Rund 17 Prozent sind ursprünglich aus der Türkei. Die
restlichen 15 Prozent sind aus sonstigen Staaten, davon ist aber
mehr als die Hälfte aus Asien.
Zahlen
Aus EU- oder EWR-Staat oder der Schweiz
Aus Nachfolgestaaten Jugoslawiens
39% 29%
17%
15%
Sonstige
Aus Türkei
Quellen:
Statistik Austria, Kommission für Migrations- und Integrationsforschung der
österreichischen Akademie der Wissenschaften
„Muslimische Alltagspraxis in Österreich“, Institut für Islamische Studien der
Uni Wien 2013
6 Eine Studie von L&R Sozialforschung im Auftrag der Arbeiterkammer JAHRBUCH FÜR INTEGRATION
almanah
Altersstruktur
Asyl
Das Durchschnittsalter der österreichischen Bevölkerung
beträgt 42,2 Jahre. Deutlich jünger sind die ausländischen
Staatsangehörigen mit einem Durchschnittsalter von 35,2
Jahren. Zu den jüngsten Bevölkerungsgruppen zählen
Zuwanderer aus Asien (31,3 Jahre), Afrika (30 Jahre) und den
meisten osteuropäischen Drittstaaten. Mit durchschnittlich
27,5 Jahren gehören auch Tschetschenen zu der jüngsten Gruppe,
noch jünger sind nur Personen aus Somalia (22,6 Jahre) und
Afghanistan (24 Jahre).
Bei einem EU-Vergleich der
Asylanträge rangiert
Österreich an siebenter
Stelle. 17.503 Anträge
wurden 2013 in
Österreich gestellt.
Davon wurden
4.133 Personen
Asyl gewährt.
17.503
4.133
ÖSTERREICHER
42,2
Jahre
AUSLÄNDER
35,2
Jahre
Moslems
573.876 Moslems leben in Österreich. Das sind 6,8 Prozent der
Gesamtbevölkerung. 203.000 davon sind österreichische Staatsbürger.
6,8% Moslems
Davon 203.000 mit österreichischer Staatsbürgerschaft
Asien 31,3 Jahre
Afrika 30 Jahre
Tschetschenien 27,5 Jahre
Afghanistan 24 Jahre
Somalia 22,6 Jahre
Selbstständigkeit
28 %
37 %
der über 344.000 Selbstständigen wurden laut
Wirtschaftskammer im Ausland geboren.
der in Wien lebenden Gründer haben
Migrationshintergrund.
JAHRBUCH FÜR INTEGRATION 7
almanah
zabadság
ungarisch für »Freiheit«
8
JAHRBUCH FÜR INTEGRATION
GESELLSCHAFT & POLITIK
Migration bringt nicht nur dringend benötigte Facharbeiter und kulturelle
Vielfalt nach Österreich. Migration sorgt auch für den Import
radikaler Ideologien und Konflikte. Egal ob wir wollen oder nicht:
Österreichs Gesellschaft muss sich mit dem Jihad und ethnischen
Konflikten auseinandersetzen.
S. 10-12
„TYPISCH IST EINE UNDERDOG-KULTUR“
Der Soziologe und Integrationsexperte Kenan Güngör
beschreibt die syrische Lagerromantik, den jugendlichen
Wunsch nach Ordnung und das neue Wir-Gefühl unter
Muslimen.
S. 14–17
WOCHENENDKRIEGER
Kriegstourismus ist nicht erst seit dem IS-Phänomen
bekannt. In den 90er Jahren fuhren österreichische
Gastarbeiter in Länder Ex-Jugoslawiens, um für „ihre“
Leute zu kämpfen.
S. 18–21
SEI STILL UND ARBEITE
2014 feierte Österreich 50 Jahre Gastarbeiter-Anwerbeabkommen
mit der Türkei. Viele Gastarbeiter erinnern
sich aber an unbezahlte Überstunden und menschenunwürdige
Bedingungen.
almanah
Kenan Güngör
Funktion: Experte
für Integrations- und
Diversitätsfragen
Organisation: Leitet
das Büro „think difference“
Besonderes: deutschsprachiger
Europäer
mit kurdisch-türkischen
Wurzeln
10
JAHRBUCH FÜR INTEGRATION
almanah
INTERVIEW:
Kenan Güngör
„Typisch ist eine
Underdog-Kultur“
Der Soziologe Kenan Güngör über den Einstieg von Jugendlichen in
den Jihad, „kleine Würmchen“ vor Gott und warum es skurril ist,
einer Weltreligion die internationale Finanzierung zu streichen.
„Der Islam ist
ein Teil des
Problems.“
TEXT:
Delna Antia,
Simon Kravagna
F O T O :
Marko Mestrović
Beschreiben Sie bitte einen typischen Jugendlichen,
der sich für den Jihad interessiert.
Der deutsche Verfassungsschutz hat ein Profil der
Jihadisten für Deutschland erstellt: Sie sind meist
männlich, zwischen 16 und 24 Jahren alt. Meist
kommen die Jugendlichen aus einem jugendkulturellen
Submilieu mit wenig Bildung, Status und
wenig Perspektive. Typisch ist auch eine starke Rapbzw.
Underdog-Kultur.
Ist Musik für Radikale nicht eigentlich „haram“ – also
verboten
Es gibt eine Grauzeit in der Radikalisierung. Das
war etwa auch beim früheren Rapper und heutigen
Jihadisten Deso Dogg so. Dabei gibt es das Paradox,
dass mit einer zutiefst westlichen Musik- und
Lebenskultur antiwestlicher Rap gemacht wird,
der muslimisch oder antisemitisch unterlegt ist.
„Gemeinsam ficken wir die Amerikaner“, singt ein
unter muslimischen Jugendlichen bekannter Rapper
aus Graz etwa. Wenn die Jugendlichen in der Radikalisierung
noch weitergehen, hin zur reinen Lehre,
kippen sie irgendwann. Dann hören sie keine oder
nur mehr religiöse Musik.
Welche Beziehungen haben sie zu ihren Eltern
Diese Jugendlichen sind „Sinnsuchende“ in einer für
sie Sinn und Orientierung entleerten Welt. Sie glauben,
dass sie das absolut Richtige tun, weil sie es im
Namen Allahs tun. Sie suchen nach einer einfachen,
eindeutigen Klärung von Welt. Um diese Ordnung
hineinzubringen, grenzen sie sich ab: Von Eltern,
Freunden, der Gesellschaft und vor allem von den
Anders- und Ungläubigen. Bei einem großen Teil
haben die Eltern keinen streng religiösen Hintergrund.
Oft gibt es problematische Väter-Beziehungen.
Aber selbst wenn dem nicht so ist, verlieren
Eltern oft jeden Kontakt zu ihren Kindern. Das wird
in radikalen Kreisen auch so gelehrt: „Vor dem Wort
Gottes ist das Wort deines Vaters, deiner Eltern
nichts. Gewinne sie – wenn du sie nicht gewinnst,
trenne dich“.
Was passiert in ihren Freundeskreisen
Es gibt einen neuen Trend der Vergemeinschaftung.
Früher waren sie Türken, Kurden, Tschetschenen
oder Bosnier, jetzt stellen sie unter dem Motto „Wir
Muslime“ eine neue Gruppe dar.
Integrationsminister Sebastian Kurz betont gerne, Religion
soll nicht Teil des Problems, sondern Teil der Lösung
sein.
Der Islam ist ein Teil der Lösung und auch des Problems.
Natürlich kann man im Koran die humanistischen
Seiten sehen und sogar feministische Aspekte
finden. Aber man kann die immanente Gewalt- und
auch Unterwerfungstheologie nicht wegblenden.
Und man muss sehr viel dafür tun, diese Stellen
umzudeuten und die humanistischen Stellen herauszustreichen.
‣
JAHRBUCH FÜR INTEGRATION 11
almanah
Es gibt wenige Politiker, die sagen würden, dass der Islam
ein Teil des Problems ist.
Das ist eine gut gemeinte, aber sachlich unhaltbare
Position. Es ist gut gemeint, weil man die Leute
schützen möchte, denn wir haben eine sehr große
Islamophobie, die mich besorgt. Es bleibt die Frage,
wie gläubige Moslems ihre Lehre auslegen wollen.
Das ist bei Religionen immer so. Im Christentum
gibt es den gleichen Bibeltext, der aber so ausgelegt
wurde, dass im Mittelalter die Religionskriege damit
begründet wurden und heute die Liebe Gottes betont
wird. Im Islam würde ich dieses Spektrum wenn
auch nicht gleich, aber ähnlich sehen. Es gibt sehr
gläubige Muslime, die kein Problem haben in einem
Staat wie Österreich zu leben und andere, die diese
Gesellschaft als unrein sehen und sie klar ablehnen.
Warum wird der Koran nicht einfach „zeitgemäß“ interpretiert
Weil das für viele streng Religiöse die größte Blasphemie
wäre. Gottes Wort ist absolut. Deswegen
löst es Aggressionen aus, wenn „du kleines Würmchen“
heute daher kommst und Gottes Wort in Frage
stellst. Das Problem ist, dass die Salafisten eine 1:1
Übersetzung von Religion in die Praxis wollen und
permanent diese Suren aufzählen: So steht es, so
muss es geschehen. In Saudi-Arabien wird mit den
gleichen Suren eine steinzeitliche Gesellschaftsordnung
begründet. Warum sollen die Jihadisten das
dann nicht auch tun
Warum ist die konservative Lesart des Korans interessanter
als vor 10 Jahren
Viele Organisationen – wie etwa die Islamische
Glaubensgemeinschaft, die Muslimische Jugend
Österreich – begünstigen dies. Einerseits zeigen sie
sich gerne als eine weltoffene Interessenvertretung,
die sich gegen die grassierende Islamfeindlichkeit
wehrt. Andererseits aber finden nach innen hin erzkonservative
Schliessungsprozesse statt, die kein
Problem haben, auch einem Kind mit sechs Jahren
ein Kopftuch zu geben, Kindern ab der Geburt in
eine voll-islamische Umgebung zu stecken um sie
vor der „unislamischen“ Gesellschaft zu schützen.
Wir hatten vor Jahren eine Geschichte im biber: Damals
wollte eine Pädagogin mit den Kindern eines islamischen
Kindergartens in den Stephansdom gehen. Doch Eltern
haben das als christliche Missionierung empfunden und
es untersagt.
Die erste Generation aus der Türkei war offener.
Wie meine Mutter, die aus den kurdischen Bergen
„Die erste
Generation aus
der Türkei war
offener.“
kommt und keine Bildung bekommen hat. Für sie
war es kein Problem, dass wir zum Beispiel einen
Weihnachtsbaum zu Hause hatten. Indem aber
immer mehr geklärt wird, was eindeutig muslimisch
ist und was nicht, habe ich das Gefühl, wird
es unflexibler und starrer.
Damit stellt sich die Frage: Was soll man tun Werden
radikale Tendenzen auch noch durch öffentliche Mittel
gefördert
Es ist wirklich ein ernsthaftes Problem und ich
hadere auch damit. Wir müssen aber akzeptieren,
dass moderne und diverse Gesellschaften mit massiven
Zielkonflikten einhergehen. Wenn der Staat
katholische Kindergärten fördert, warum dann
nicht auch islamische Kindergärten Gleichzeitig
wissen wir: Die Förderung muslimischer Kindergärten
ist in ihren Folgewirkungen in vielerlei Hinsicht
problematischer.
Das neue Islamgesetz will Muslimen die Finanzierung
aus dem Ausland verbieten. Die Katholische Kirche
finanziert aber in Afrika ganze Missionsstätten. Ist
es nicht skurril einer Weltreligion eine internationale
Finanzierung zu streichen
Das würde ich genauso unterschreiben. Es ist
unzeitgemäß in einer Welt, wo alles internationaler
wird und wir grenzenlos kommunizieren können,
so etwas zu fordern. Die Lösung kann nicht darin
liegen, dass wir grundsätzlich das Problem in der
Auslandsfinanzierung sehen. Es geht vielmehr um
Transparenz in der Finanzierung und die Frage:
Welche Ziele und Werte werden mit der jeweiligen
Finanzierung verfolgt
Zuletzt: Als potenzieller Jihadist ist es aufwändig nach
Syrien zu fahren. Warum sprenge ich mich nicht einfach
vor dem Stephansdom in die Luft
Weil es in Syrien eine Lagerromantik gibt und sie
dort selber im Kalifat sind. Außerdem haben sie dort
Waffen, da spielt auch eine Martialität hinein. Ich
bin eher überrascht, dass hier noch so wenig passiert
ist und befürchte es. Man braucht keine große
Logistik, keine Infrastruktur, um große Anschläge
zu machen. Für den individuellen Jihad ist die Fantasie
noch offen, was möglich ist. Mein Problem ist
eher die Frage: Wie werden wir darauf reagieren In
dieser fragilen und leicht hysterisierbaren Gesellschaft
habe ich Angst, dass wir wie aufgescheuchte
Hühner alle aufeinander losgehen und die Muslime
als Sündenböcke herhalten müssen. So leicht dürfen
wir es den Terroristen nicht machen.
12
JAHRBUCH FÜR INTEGRATION
WER SORGT FÜR
GERECHTIGKEIT
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GERECHTIGKEIT MUSS SEIN
almanah
Die
Wochenendkrieger
Mitglieder der serbischen
Paramilitär-Gruppierung
„Arkan’s Tiger“ in der
Nähe von Osijek, Kroatien.
November 1991.
14
JAHRBUCH FÜR INTEGRATION
almanah
In Syrien kämpfen Austro-Jihadisten
auf der Seite der Terror-Islamisten.
Die Medien sind alarmiert, die Politik
setzt Aktionen. Kriegstourismus made
in Austria ist aber nichts Neues: Schon
in den 90er-Jahren kämpften tausende
Gastarbeiter mit österreichischem Pass
in den Balkankriegen.
heer-Soldat, der damals in verdeckter Mission unter
den „Foreign Fighters“ auf kroatischer Seite am
Balkan unterwegs war und lieber anonym bleiben
möchte. „Es gab damals wirklich tausende Wochenendkrieger
mit österreichischem Pass, die am
Freitag mit den Gastarbeiterbussen runter fuhren
und am Sonntagabend wieder rauf, um am Montag
pünktlich in der Arbeit zu stehen“, erzählt er. „Wien
war eine Drehscheibe. Es war gang und gäbe, jeder
wusste es, interessiert hat das niemanden.“
Österreichische Muslime kämpften auf bosnischer
Seite, die Serben hatten Beistand von den vielen
TEXT:
Tyma Kraitt und Anna Thalhammer
schon vor dem Krieg ausgewanderten Gastarbeitern
– und die Kroaten bekamen tatkräftige Unterstützung
von Neo-Nazis, die sich auf die Seite der
rechtsradikalen Ustascha schlugen. Vor allem
„Ich muss da hingehen und kämpfen – für
Allah, für meine Brüder und für mein Land, an das
ich glaube“, sagte damals der Austro-Bosnier Emir
(18). Seine Eltern konnten ihn trotz guten Zuredens
nicht davon abbringen. Wenige Tage später war er
verschwunden.
Das klingt nach einer klassischen Geschichte
eines radikalisierten Jugendlichen, der für die
Terrormiliz IS in den Krieg nach Syrien ziehen will.
Emir ist aber kein Jihadist – das Land, für das
er sich opfern wollte, war nicht das vermeintliche
Kalifat. Der Wiener Automechaniker (heute
41) kämpfte vor 22 Jahren im Jugoslawienkrieg auf
bosnischer Seite für eine paramilitärische Einheit
– in den Ferien und mindestens zwei Mal im Monat
am Wochenende für knapp ein halbes Jahr. „Das war
völlig normal“, erzählt er. „Tausende, die was auf
sich gehalten haben, sind runter auf den Balkan.
Und auch Österreicher haben die Truppen unterstützt“,
erzählt er „biber“.
Wochenendtrip zur Ustascha
„Stimmt“, bestätigt auch ein hochrangiger Bundes-
„Die Motive
waren vielfältig:
Weil sie
dort Verwandte
hatten, weil
sie ihr Haus
verteidigen
wollten, das
sie sich hart
zusammengespart
hatten.“
Ultrarechte aus der ehemaligen DDR schätzten die
Chance, einige von den ihnen so verhassten Kommunisten
umbringen zu können. „Die österreichische
Neo-Nazi-Szene war groß involviert, es
organisierte sich aber alles über Deutschland, wo es
eigene Trainingslager gab“, erzählt Soldat R.
So gut organisiert wie die Neo-Nazis waren die
meisten Kriegstouristen aber nicht: „Die größeren
paramilitärischen Truppen entstanden erst später
im Laufe des Krieges, am Anfang gab es hauptsächlich
Einzelkämpfer. Es lief sehr individuell ab, die
Motive in den Kampf zu ziehen waren vielfältig: Weil
sie dort Verwandte hatten; weil sie ihr Haus verteidigen
wollten, das sie sich von ihrem Gastarbeiterlohn
hart abgespart hatten oder weil sie endlich
einmal jemand sein wollten. Denn die meisten der
Foreign Fighters mit ex-jugoslawischem Migrationshintergrund
wurden schon in Österreich geboren
oder waren lange vor dem Krieg ausgewandert. Die
wenigsten waren solche, die geflüchtet sind, wie
man vielleicht glauben möchte“, erzählt Soldat R.
Bist du ein „Slabic“
So war es auch bei Emir. Er wurde bereits in Österreich
geboren, leistete gerade seine Wehrpflicht ab,
als der Krieg 1990/’91 losging und dann 1992 in Bosnien
ankam. „Ich fühlte mich der Heimat meiner
Eltern immer schon sehr verbunden – fast mehr
als Österreich. Ich verbrachte immer die Ferien
unten und hatte dort viele Freunde“, erzählt er.
Und die riefen ihn dann öfters an, erzählten vom
Krieg, erzählten von den Gräueltaten der Serben,
von Vergewaltigungen, erzählten von Verletzten
und Toten. Sie drängten Emir dazu, zu kommen und
zu helfen. Zuerst bittend, dann flehend, dann ‣
JAHRBUCH FÜR INTEGRATION 15
almanah
wütend. „Sie beschimpften mich als ,slabic’ (Anm.
Schwächling), weil ich gemütlich in Österreich saß.
Es war schlimm genug, dass ich hier immer nur der
Tschusch war, der Loser. Ich wollte nicht auch noch
der Feigling vor meinen Freunden sein, der einfach
zuschaut, wenn Unrecht passiert.“
Kalaschnikov und Schnaps
An einem Septembertag stieg er dann am Ostbahnhof
in einen Bus. Im Gepäck eine Kalaschnikov, die
er sich besorgt hatte – und eine Flasche Schnaps zum
Mut antrinken. Wenige Tage vorher hatte er abgerüstet
und jetzt noch vier Wochen Zeit, bis er seinen
neuen Job in der Autowerkstatt in Meidling anfangen
würde: Perfekt für einen Urlaub vom Frieden.
Seine Freunde hatten ihm schon die letzten Wochen
erzählt, dass sie sich einer Gruppe angeschlossen
hatten, die im Umland von Sarajevo kämpfte. Er
solle nur kommen. „Es waren ungefähr 400 Leute,
die dort mehr oder weniger gearbeitet haben. Wir
waren eine Art Robin-Hood-Gruppe. Es gab einen
Anführer und man konnte sich hocharbeiten. Am
Anfang habe ich wichtige Leute herumgefahren,
dann Serben-Häuser markiert, die wir ab und zu
ausgeräumt haben. Ich habe dann aber schnell mit
der Waffe arbeiten dürfen, weil ich vom Bundesheer
noch trainiert war“, erzählt Emir.
Das erste Mal jemand töten
Der junge Söldner war zwar geübt darin auf Objekte
zu schießen, allerdings nicht auf lebende. „Das erste
Waffen inspizieren und Saufspiele: Alltag eines Soldaten im Krieg.
„Ich fühlte
mich der Heimat
meiner
Eltern immer
schon sehr
verbunden
- Ich verbrachte
immer
die Ferien
unten hatte
dort viele
Freunde.“
Emir, 41
Mal wen umbringen ist wie das erste Mal Sex. Weißt
eh, wenn du vorher so voller Adrenalin bist. Es war
dann aber gar nicht so aufregend: Es hat geknallt,
er ist umgefallen, das war’s. Ich hab den ganzen Tag
darauf gewartet, dass irgendwas mit mir passiert.
Aber nix.“ Wie viele Menschen er getötet hat, kann
Emir nicht genau sagen: „Wenn sie umfallen, weiß
man nicht immer, ob sie tot sind. Manchmal sind
sie zu weit weg.“ Für getötete Feinde gab es in Emirs
Einheit jedenfalls eine Belohnung. „Wenn du viele
erwischt hast, gab’s sowas wie Orden, so eine Auszeichnung.
Aber was Selbstgebasteltes (lacht). Das
war manchmal schon recht schiach.“
In Wien fängt der Balkan an
Emir kämpfte fast ein halbes Jahr in einer der zahlreichen
muslimischen Mudschahedin-Einheiten in
Bosnien. Paramilitärische Gruppen gab es im Jugoslawienkrieg
generell aber zahlreich: Auf Seiten der
Serben gab es etwa die Tschetniks oder die Serbische
Freiwilligengarde des Warlords „Arkan“, auf kroatischer
Seite die Verbände Hrvatske Omrambene
snage (HOS, Kroatische Verteidigungskräfte) und
Hrvatsko Vijeé obrane.
Sie finanzierten sich hauptsächlich durch
Spenden aus dem Ausland – und auch hier spielte
Wien wieder eine Schlüsselrolle: „Man sagt ja: In
Wien fängt der Balkan an. Unmengen an Kriegsgerät
kam aus den ex-kommunistischen Nachbarstaaten
wie Tschechien, Slowakei oder der DDR über Wien
und dann über Kärnten ins Kriegsgebiet“, berichtet
VINCENT AMALVY / AFP / picturedesk.com, JOEL ROBINE / AFP / picturedesk.com, Mile Jelesijevic / EPA / picturedesk.com, MICHAEL EVSTAFIEV / AFP / picturedesk.com
16
JAHRBUCH FÜR INTEGRATION
almanah
„Ich habe
schnell mit
der Waffe arbeiten
dürfen,
weil ich vom
Bundesheer
noch trainiert
war.“
Emir, 41
Paramilitärische Gruppen spielten eine große Rolle im Abtrünnigkeitskampf in Ex-Jugoslawien.
Soldat R. Grenzkontrollen seien kein Problem
gewesen: „Wenn du nicht gerade einen Panzer
aufgeladen hattest, hat sich keiner geschert. Im
Laufe des Krieges und der Unabhängigkeit Sloweniens
(Anm.1991) wurde es langsam schwieriger –
aber auch nicht wirklich. Nehmen wir zum Beispiel
Kroatien: Das wurde damals von den Amerikanern
kontrolliert, die das Land unterstützten. Sagen wir
so: Boote wurden nicht aufgehalten. Es war also kein
Problem Waffen über den Seeweg einzuschleusen.“
Kriminelle Banden
Weil die Staatspolizei nicht besonders mit Nachdruck
– aber doch – anfing unangenehme Fragen zu
stellen und die Grenzkontrollen strenger wurden,
nahm die Zahl der „Foreign Fighters“ aus Österreich
mit Fortschreiten des Krieges ab – die Rückkehrer
wurden dagegen mehr. Gekümmert hat man
sich um die tausenden brutalen und teils traumatisierten
Kriegserfahrenen nicht. Ebenso wurde
gegen die mafiösen Strukturen, die durch den
Waffenhandel entstanden waren, nicht vehement
vorgegangen. Im Gegenteil: „Die Rückkehrer aus
Jugoslawien haben sich vielfach diesen kriminellen
Banden angeschlossen“, so R. Ein großes Problem,
das nicht aufgearbeitet wurde. Die Rolle der österreichischen
Volontäre im Jugoslawienkrieg bleibt im
Dunklen: Genaue Daten und Informationen haben
weder Verfassungsschutz noch Polizei, die damals
anders strukturiert waren. Ebenso wenig ließ sich
ein Experte oder Historiker auftreiben, der sich dazu
äußern möchte – wissenschaftlich wurde kaum
etwas aufgearbeitet.
Krieg tötet das Gewissen
Emir ist heute ein erwachsener Mann, Familienvater
und noch immer Automechaniker. Zweiundzwanzig
Jahre liegt sein Einsatz im Bosnienkrieg
mittlerweile zurück. Doch losgelassen hat es ihn
nie: „Solange Action war, denkst du nicht viel darüber
nach, was du da eigentlich tust. Irgendwann
siehst du aber, dass alles hin ist und wie viele Gräber
es gibt. Da kannst du kämpfen so gut du willst. Du
siehst: irgendwie hast du trotzdem verloren. Krieg
tötet das Gewissen, die Seele und das Gefühl.“
JAHRBUCH FÜR INTEGRATION 17
almanah
Sei still und arbeite!
TEXT:
Marina Delcheva
FOTO:
bereitgestellt von
Ali Özbas/JUKUS
2014 feierte Österreich 50 Jahre
Gastarbeiter-Anwerbeabkommen mit
der Türkei. Während die Wirtschaft auf
gute Beziehungen und Erfolge für den
Standort Österreich hinweist, erinnern
sich viele Gastarbeiter an unbezahlte
Überstunden, menschenunwürdige
Quartiere und Beleidigungen. Streiks
und Forderungen nach besseren
Arbeitsbedingungen wurden mit
Kündigung und Abschiebung bestraft.
Es ist sechs Uhr morgens, irgendwann
in den frühen 80ern. Dragica S. ist gerade
eben aufgestanden und macht sich für
die Arbeit fertig. Sie ist Tellerwäscherin
und Reinigungskraft in einem Hotel in
den Salzburger Alpen. Ihr Mann ist noch
nicht aus der Nachtschicht zurück. Beide
wohnen in einem winzigen Kellerzimmer
ohne Bad und Küche im Hotel, in dem
Dragica arbeitet. Die Frau weint zu dieser
Zeit sehr oft. Sie hat vor wenigen Monaten
ein Kind bekommen und es nach nur vier
Wochen zu den Verwandten nach Jugoslawien
geschickt. Sie hätte ihren Job verloren,
wenn sie zu Hause beim Kind geblieben
wäre. Mit der Arbeit wäre auch das Visum
weg. Es ist ihr vierzehnter Arbeitstag in
Folge. „Die Arbeitgeber haben das mit den
freien Tagen damals nicht so ernst genommen“,
erzählt sie heute.
Dragica S. und ihr Mann gehören zu
18
JAHRBUCH FÜR INTEGRATION
almanah
den geschätzten 200.000 Gastarbeitern,
die in den 60ern bis 80ern nach Österreich
gekommen sind, um hier zu arbeiten.
Offiziell sollen von 1964 bis 1971 40.000
türkische und jugoslawische Arbeiter
über den Amtsweg gekommen sein. Noch
mehr fanden aber über Bekannte oder
als Touristen eine Arbeit in Österreich.
„Es war nie das Problem, dass zu viele da
waren, man musste sie eher suchen“, sagt
August Gächter vom Zentrum für Soziale
Innovation (ZSI). Heuer feiert Österreich
das 50-jährige Jubiläum zum Anwerbeabkommen
mit der Türkei (siehe Info auf der
nächsten Seite).
Österreichs Wirtschaft litt vor allem
in den 60ern unter starkem Arbeitskräftemangel
und brauchte dringend billige
Arbeitskräfte aus dem Ausland. Die
Baubranche hatte schon 1961 begonnen
Arbeiter im Ausland anzuwerben. Heimische
Betriebe waren in einem regelrechten
Konkurrenzkampf um Arbeitskräfte.
Hinzu kam, dass Österreich eigentlich
kein attraktiver Ort für Gastarbeiter war.
Die meisten wollten nach Deutschland
oder Belgien weiter, wo die Löhne viel
höher waren, und sahen Österreich nur
als Zwischenstopp. Das war ein großes
Problem für heimische Betriebe, die immer
wieder neue Leute anlernen mussten. Um
ausländische Angestellte im Unternehmen
zu halten, haben manche Betriebsleiter
versucht bei der Fremdenpolizei zu intervenieren
oder ihre Pässe einbehalten.
Mindestlohn und Überstunden
„Sie haben dir den Vertrag auf Deutsch
hingehalten und du hast sofort unterschreiben
müssen. Viele haben nicht
einmal gewusst, was da steht“, erzählt
Akif G. (Anm.: Name von der Redaktion
geändert). Er kam 1979 als 18-Jähriger aus
Ankara nach Wien. Damals hat sein Onkel
schon als Gastarbeiter hier gearbeitet. Er
hat im Baugewerbe, in einer Fischfabrik
und später in einem Industriebetrieb gearbeitet.
„Wir wussten zum Beispiel nicht,
dass wir am Wochenende mehr verdienen
dürfen. Das hat uns keiner gesagt“, sagt er.
Die meisten Gastarbeiter haben nur den
gesetzlichen Mindestlohn erhalten und
„Ganz ehrlich, ich habe
das als Sklavenarbeit
empfunden.“
Sagt Akif G. heute.
wurden kaum über ihre Rechte aufgeklärt.
„Manche von uns haben 3.000 bis 4.000
Schilling im Monat verdient. Sie haben uns
oft nur ein Viertel von dem bezahlt, was die
Österreicher bekommen haben“, erzählt er.
Doch auch jene, die wussten, was ihnen
zusteht, haben sich nicht getraut aufzubegehren.
Das Visum war an die Beschäftigung
gekoppelt, die Arbeitsverträge waren
meist auf ein Jahr befristet. Wer keinen Job
hatte, musste das Land verlassen. „Ganz
ehrlich, ich habe das als Sklavenarbeit
empfunden“, sagt Akif G. heute.
Für Frauen seien die Arbeitsbedingungen
besonders schlimm gewesen, erzählt
Ali Özbaş. Er ist Veranstalter der Ausstellung
„Lebensgeschichten der ersten
GastarbeiterInnen aus der Türkei: Eine
Ausstellung zu über 50 Jahren türkische
Arbeitsmigration nach Österreich“, die im
Herbst landesweit startet. Auch wenn ein
Großteil der Gastarbeiter Männer waren,
so kamen doch auch Frauen, die vorwiegend
in der Textilindustrie und manchmal
im Gastgewerbe gearbeitet haben.
Im Vergleich zum Baugewerbe oder zur
Schwerindustrie waren die Gehälter in
diesen Branchen aber sehr niedrig. Vor
allem am Land gab es kaum Kinderbetreuungsplätze
und viele Frauen hatten kein
Recht auf Karenz, wenn sie nicht lange
genug im Land waren. „Ich bin irgendwie
alleine aufgewachsen“, erzählt Nesim G.,
die als Sechsjährige mit ihren Eltern aus
der Türkei nach Österreich gekommen ist.
Viele Kinder wurden nach der Geburt zu
den Großeltern in die Heimat geschickt
oder sogar in staatliche Obhut gegeben.
Wohnen „wie im Schweinestall“
Am Anfang hat Akif G. in einer Fabrik
gearbeitet und sich mit sieben weiteren
Kollegen ein Zimmer geteilt. Es war gerade
einmal groß genug für die vier Stockbetten,
auf denen die Männer geschlafen
haben. „Wir haben wie im Schweinestall
gelebt!“ Bis weit in die 1970er mussten die
Firmen theoretisch für die Unterkunft und
die Beschäftigungsbewilligung ihrer ausländischen
Arbeiter aufkommen. In der
Praxis wurde aber vielen ein Teil des Lohns
für Logis und für die Gebühren rund um die
Erteilung der Beschäftigung abgezogen.
„Waschmaschine oder Bad im Zimmer ‣
JAHRBUCH FÜR INTEGRATION 19
almanah
„Es gibt keine Zahlen
über die Anträge seitens
der WKO oder des
ÖGB und wie diese ausgegangen
sind. Mein
Eindruck war aber, es
hing davon ab, wie gut
der Betrieb in der Sozialpartnerschaft
verankert
war.“
waren Luxus. Jede Woche war eine lange
Schlange vor dem Amalienbad“, so Akif. In
eine eigene Wohnung umziehen war theoretisch
möglich, aber nicht gern gesehen.
„Wer aus den schäbigen Arbeiterquartieren
ausziehen wollte, dem wurde mit dem
Rauswurf gedroht“, erzählt Gächter vom
ZSI.
„Am Anfang waren die Arbeiter mit
dem zufrieden, was sie bekommen haben.
Niemand hat gefragt, was ihm zusteht“,
sagt Özbas, der im Rahmen der Ausstellung
zahlreiche Interviews mit ehemaligen
Gastarbeitern geführt hat. „Aber sobald
die Leute ihren Lebensmittelpunkt hierher
verlagert hatten und ihre Kinder hier in die
Schule gegangen sind, haben sie begonnen,
mehr Rechte einzufordern.“ Und das
wurde noch weniger gern gesehen und
folgenschwer bestraft.
Von Kammers Gnaden
Im Rahmen ihrer Forschungsarbeit hat
die Historikerin Vida Bakondy untersucht,
wie Gastarbeiter gegen miserable
Wohn- und Arbeitsbedingungen demonstriert
haben und wie heimische Betriebe
auf deren Ungehorsam reagiert haben.
Das Resultat: Aufbegehren wurde in manchen
Fällen mit Abschiebung bestraft.
Die Beschäftigungsbewilligungen wurden
nicht verlängert und ein Wechsel in eine
andere Firma wurde bewusst erschwert.
„Manche Firmen haben bei der Wirtschaftskammer
interveniert und wollten
verhindern, dass die Arbeiter in einer
anderen Firma einen Job bekommen“, sagt
Bakondy. So bittet etwa eine Metallerzeugungsfirma
1963 die Wirtschaftskammer
im Fall eines angeworbenen türkischen
Arbeiters um Intervention. Die Kammer
solle beim damaligen Arbeitsamt intervenieren,
sodass der Arbeiter in keiner anderen
Firma eine Arbeit findet und entweder
beim Metallerzeuger bleibt, oder das Land
verlassen muss. In den Archiven der WKO
finden sich auch weitere Briefe von Firmen
mit der Bitte um Intervention. Der niederösterreichische
„Stadtbaumeister Rudolf
Jäger“ beschwert sich 1963 etwa, dass acht
türkische Bauarbeiter gekündigt haben
und bittet die WKO, „auch von Ihrer Seite
aus zu versuchen, diese türkischen Bauhelfer
aufzugreifen und damit zur Rückkehr
zu zwingen.“
Damals hatten Wirtschaftskammer
(WKO) und Gewerkschaftsbund (ÖGB)
tatsächlich ein Mitspracherecht bei der
Erteilung von Arbeitsbewilligungen und
Visa. In welchen Fällen aber interveniert
wurde, hing oft von der Firma selbst ab.
„Es gibt keine Zahlen über die Anträge
seitens der WKO oder des ÖGB und wie
diese ausgegangen sind. Mein Eindruck war
aber, es hing davon ab, wie gut der Betrieb
in der Sozialpartnerschaft verankert war“,
erzählt August Gächter, der im Rahmen
seiner Forschungsarbeit die Arbeitsbedingungen
von Gastarbeitern untersucht hat.
Hatte ein Betrieb ein hohes Standing in der
Kammer oder einen Betriebsrat beim ÖGB,
sei den Forderungen nach Intervention
eher nachgegangen worden – unabhängig
davon, ob es darum ging einen Arbeiter zu
behalten oder abzuwerben, so Gächter.
Bakondy schildert in der Zeitschrift
der Initiative Minderheit, „Stimme“, den
Wunsch nach Abschiebung von neun türkischen
Arbeitern, die sich nach Auslaufen
ihres Arbeitsvertrags geweigert hatten
bei derselben Baufirma zu verlängern.
Diesen Vorfall kommentierte das Arbeitsamt
Niederösterreich 1962 so: „…Da auch
weiterhin Interesse an ihrer berufsrichtigen
Beschäftigung bestand, sieht das
Landesamt NÖ. in dem disziplinlosen und
den Arbeitsmarkt störenden Verhalten
dieser Fremdarbeiter eine Gefährdung der
öffentlichen Interessen.“ Die Gastarbeiter
sollten kein Recht bekommen über die Art
ihrer Beschäftigung und ihren Arbeitgeber
selbst zu entscheiden.
„Das Anwerbeabkommen mit der Türkei
wurde vor 50 Jahren abgeschlossen, die
damals für dieses Thema zuständigen
Personen sind schon lange nicht mehr in
20
JAHRBUCH FÜR INTEGRATION
almanah
der WKO tätig. Ich kann sie daher nicht
mehr fragen, wie mit Interventionen
umgegangen wurde. Ich bitte Sie dahingehend
um Verständnis“, sagt Margit Kreuzhuber
von der WKO. Tatsächlich sind in den
Archiven keine Aufzeichnungen darüber,
wie die Kammer damals auf Briefe und
Ansuchen geantwortet hat.
Keine Macht den Arbeitern
Autonomie und Ungehorsam wurden vom
Arbeitgeber bestraft, die Kammern und
das Arbeitsamt haben ihnen den Rücken
gestärkt. Gächter schildert im Rahmen
seiner Forschung beispielsweise zwei
Streikfälle von jugoslawischen Gastarbeitern
1965 und 1966 in zwei unterschiedlichen
Betrieben, die mit Schubhaft und
Abschiebung niedergeschlagen wurden. Im
ersten Fall haben zehn Arbeiter demonstriert,
weil sie statt der versprochenen 18
Schilling pro Stunde nur 15 bekommen
hatten. Im zweiten Fall hatten Arbeiter
ihre Stimmen erhoben, weil ein Kollege
gekündigt worden war, nachdem er sich
über die Arbeitsbedingungen beschwert
hatte. Die Arbeitgeber hatten Angst, dass
auch andere ausländische Arbeiter auf die
Barrikaden steigen und haben jede Form
des Widerstands drakonisch bestraft.
„Streik oder Aufregen waren purer
Luxus!“, erzählt Akif G. Und so haben viele
einfach nur geschwiegen und gearbeitet.
Sie haben alles gespart, was sie
beiseite legen konnten und ihren Familien
geschickt oder für ihre Kinder hier auf
die Seite gelegt. „Irgendwann wurde es
langsam besser. Zuerst ein besserer Job,
dann eine schönere Wohnung…“ Heute
lebt Akif in einer geräumigen, schönen
Wohnung in Wien. Seine Kinder sind
erwachsen und haben studiert. „Ich habe
meinem Sohn gesagt, ich will dich nicht
im Blaumann sehen!“ Nur sein Rücken ist
von der jahrelangen harten Arbeit kaputt.
Auch Dragica hat Schmerzen, wenn sie sich
bücken muss und ihre Enkelkinder auf den
Arm nimmt. Und erinnern wollen sie sich
nicht so gern an die ersten Jahre in Österreich,
als jeder noch gedacht hat, sie gehen
bald.
Gastarbeiter in Österreich
1961 wurde das sogenannte Raab-Olah-Abkommen geschlossen,
benannt nach den Präsidenten der Wirtschaftskammer
und des Gewerkschaftsbunds Julius Raab und Franz Olah.
Dieses sollte ausländischen Arbeitskräften den Zugang zum
heimischen Arbeitsmarkt erleichtern und war quasi der
Grundstein für die über 30-jährige Gastarbeitergeschichte
Österreichs. Das erste Abkommen zum Abwerben von ausländischen
Arbeitern wurde 1962 mit Spanien geschlossen.
Da das Lohnniveau in Österreich relativ gering war, kamen
aber kaum spanische Arbeiter ins Land. 1964 schloss Österreich
ein Abwerbeabkommen mit der Türkei. Eine entsprechende
Anwerbestelle war schon 1961 in Istanbul eröffnet
worden. Diese vermittelte türkische Arbeiter an österreichische
Betriebe, die um ausländische Arbeiter angesucht
hatten. Auch mit dem ehemaligen Jugoslawien gab es ein
Abkommen. Offiziell sollen von 1964 bis 1971 40.000 türkische
und jugoslawische Arbeiter über den Amtsweg gekommen
sein. Vermutlich waren es weit mehr, weil viele Arbeiter
über Verwandte und Bekannte eine Stelle in Österreich
bekommen haben. Schätzungsweise kamen bis Mitte der
80er-Jahre 200.000 bis 220.000 Menschen als Gastarbeiter
nach Österreich.
JAHRBUCH FÜR INTEGRATION 21
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Wien Holding:
So vielfältig
Rund 75 Unternehmen bündelt
die Wien Holding derzeit
unter ihrem Dach. So vielfältig
wie die Projekte, sind
auch die MitarbeiterInnen,
die in dem städtischen Konzern
arbeiten. Internationalität
und Integration wird hier
groß geschrieben.
Ob Pink-Konzert in der Stadthalle, entspannen
in der Therme Wien oder per Twin City Liner auf
der Donau von Wien nach Bratislava cruisen –
die Wien Holding hat diese Projekte realisiert.
Der städtische Konzern erfüllt kommunale Aufgaben
und ist gleichzeitig stets bestrebt, die Lebensqualität
in der Stadt zu erhöhen. Die rund
75 Unternehmen sind im Kulturbereich, in der
Entwicklung von Immobilien, im Logistik-, Umwelt-
und Mediensektor tätig. Vielfalt spielt hier
eine wichtige Rolle. Nicht nur auf Projekt- und
Kundenebene – ein guter Teil der rund 2.900
MitarbeiterInnen ist international oder hat zumindest
Migrationshintergrund. Integration ist
in den Unternehmen der Wien Holding gelebte
Praxis.
MARKETINGLEITERIN EINES TV-SENDERS
IRINGÓ DEMETER wurde in Rumänien geboren
und gehört der ungarischen Minderheit an.
1981 flüchtete sie mit ihrer Familie nach Wien.
Die 36-Jährige bezeichnet sich als Wienerin, ist
in Favoriten aufgewachsen, hat in Wieden maturiert
und an der Hauptuniversität und der WU
studiert. Sie absolvierte ein Betriebswirtschaftsund
ein Genetik-Mikrobiologie Studium, zu ihren
Spezialgebieten zählten betriebliche Finanzierung
und Change Management, sowie Immunologie
und Molekulare Medizin. Die Kombination
aus Wirtschaft und Naturwissenschaft hat Iringó
auf ihrem Berufsweg viel gebracht. Sie hat ihr
Wissen unter anderem bei Avir Green Hills Biotechnology
und LilO Venture eingesetzt. Seit
2012 ist Iringó Marketingleiterin beim Stadtsender
W24. „Stadtfernsehen wurde in dieser Form
in Wien bisher nicht gemacht. Ich bin stolz, in
einem so dynamischen Unternehmen arbeiten
zu können“, freut sich Iringó.
GUIDE IM KUNST HAUS WIEN
LALAINE CERRADA ist seit 2004 im Aufsichtsbereich
und als „Guide“ im Kunst Haus Wien im
Einsatz. Sehr passend, wollte sie doch immer
Künstlerin werden. Ihre Mutter hingegen wollte,
dass sie zuerst ein „greifbares“ Studium absolviert.
Also hat sie Marketingmanagement belegt,
„den einzigen Bereich der Wirtschaft, in
dem Kunst vorkommt“, lacht sie. In ihrer Heimat,
den Philippinen, war Lalaine als Modedesignerin
tätig, in Österreich hat sie dann als erste Ausstellung
gleich eine Modeausstellung betreut.
Neben dem Einsatz für das Kunst Haus Wien
22
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wie die Stadt
ist Lalaine Cerrada nach wie vor als Künstlerin
tätig und experimentiert liebend gern mit neuen
Materialien. Ihren Arbeiten kann man auf
www.lalaine-art.com einen Besuch abstatten.
ARBEITEN WO DIE STARS ZU HAUSE SIND
ZUHDIJA BEGIC ist Betriebsleiter in der Wiener
Stadthalle. Von den KollegInnen wird er meist
„Sudo“ genannt, da die Aussprache seines seltenen
bosnischen Vornamens „Zuhdija“ den
ÖsterreicherInnen schwerfällt. Zuhidija Begic,
geboren am 23. März 1957 in Boskrupa im Norden
Bosnien-Herzegowinas, ist im Alter von 13
Jahren seinen Eltern nach Wien gefolgt. Seit
mittlerweile 29 Jahren gehört der gelernte Maschinenschlosser
fest zum Betrieb der Stadthalle
und hat hier viele Stationen durchlaufen: Er war
Bühnenmeister, Hallenmeister und Maschinist.
Heute führt er 80 KollegInnen aus den Bereichen
Hallen-, Ton- und Lichttechnik sowie Mechanik,
Portiere und Reinigung.
„Ein volles Haus ist das Schönste. Ich krieg‘ noch
immer eine Gänsehaut, wenn 16.000 Menschen
jubeln“, sagt Zuhdija Begic über seine Arbeit.
VOM FERIALJOB ZUR MARKETING-LADY
ANGELA DJURIC, geboren 1989 in Brčko in Bosnien-Herzegowina,
zog im Alter von zwei Jahren
mit ihren Eltern nach Wien. In der Wien Holding
arbeitete Angela Djuric zum ersten Mal im Jahr
2008 als Ferialpraktikantin. Seit Oktober 2011,
kurz nach ihrem Bachelorabschluss in „Kommunikationswirtschaft“,
ist sie Vollzeit im Bereich
Marketing und Öffentlichkeitsarbeit tätig. Als
bisher jüngste Teilnehmerin machte sie im Managementprogramm
der Wien Holding mit.
Ihre Wurzeln liegen am Balkan, aufgewachsen ist
sie in Wien. Hier wird sie immer Migrantin bleiben,
in Bosnien immer Auswanderin. Sie selbst
sagt, dass sie sich weder als Österreicherin noch
als Bosnierin fühlt, sondern als Wienerin. „Deswegen
arbeite ich auch gerne bei der Wien Holding.
Wien ist eine großartige Stadt und hat so
viel zu bieten, immer ist irgendetwas los. Mit
ihren Tochterunternehmen trägt die Wien Holding
viel dazu bei und ich finde es toll, hier auch
dazuzugehören.“
Fotos v.l.n.r. :
© W24, © Katrin Bruder, Foto 3 u. 4 © Eva Kelety
WIEN HOLDING GMBH
Universitätsstraße 11, 1010 Wien
T +43 (1) 408 25 69-0
F +43 (1) 408 25 69-37
office@wienholding.at
www.wienholding.at
www.facebook.com/WienHolding
23
almanah
Im Namen
der Ausländer
TEXT:
Melisa Aljović
F O T O :
Philipp Tomsich
Weil ausländische Namen schwer zu merken
sind, werden viele einfach umbenannt. So
wird aus Farhad Toni und aus Razija Tina.
Mich
fragten
Lehrer oft,
ob mein
Name falsch
geschrieben
ist.
Da geben sich werdende Eltern doch so viel Mühe.
Sie kaufen Namensbücher und suchen Statistiken
darüber heraus, mit welchen Namen ihren Kindern
bessere Chancen im Leben offen stehen. Nachdem
sie also Kevin und Jennifer aussortiert haben,
suchen sie nach einem Kompromiss mit dem Namen
des Kindes der verstorbenen Uroma zu gedenken,
aber trotzdem auch dem 21. Jahrhundert gerecht zu
werden. Ja, die Namenswahl sollte gut durchdacht
sein, schließlich begleitet der Vorname einen sein
Leben lang - zumindest die meisten von uns.
Meine Tante Razija (z wird wie das s bei Rose
ausgesprochen) trug ihren Namen nur bis zur ersten
Hälfte ihres Lebens. Denn ihr bosnischer Name war
zu kompliziert für die Österreicher. Deshalb wurde
sie von ihrer Chefin in „Tina“ umbenannt: „Das
können sich dann auch die Kunden besser merken.“
Eine Frisörin namens Tina kriegt halt mehr Trinkgeld.
Macht sich auch auf der Tip-Box besser: Tina
Trinkgeld. Tip Tina. Trinkgeld für Tina.
Und weil die Österreicher scheinbar auf kurze
Namen, die mit einem T anfangen, stehen, wurde
mein Bekannter Farhad (h ist nicht stumm) von
seinem Fußballtrainer „Toni“ getauft. Der Name
würde ihm viel besser stehen, meinte der Trainer.
Was genau jetzt an „Farhad“ nicht passt, bleibt
offen - vielleicht war der Mann aber auch einfach
nur Toni Polster Fan.
Um Leben und Tod
Ich selbst habe übrigens einen großartigen Namen,
den man glücklicherweise in aller Welt kennt, der
mir sogar einmal quasi mein Leben gerettet hat, aber
das ist eine andere Geschichte. Ich heiße Melisa. Mit
einem s geschrieben, weil es im Bosnischen keine
Doppelkonsonanten gibt. So leicht erklärt man das
fehlende s, doch für so viel Verwirrung sorgt es
stets. Mich fragten Lehrer oft, ob ich wüsste, dass
mein Name falsch geschrieben sei. Einmal wurde
mein Name, händisch von mir selbst im dazu vorgesehenen
Feld eingetragen, mit Rotstift von jemand
anderem in „Melissa“ umgebessert. Ich war kurz
davor mich nun selbst mit Doppel-s zu schreiben,
aber ich ließ es dann doch bleiben, ich war halt ein
rebellischer Teenager. Dafür beschloss ich meine
Mutter Senija meinen Lehrern und Klassenkollegen
nur noch als Xenia vorzustellen, so musste ich ihren
Namen nicht auch noch ständig buchstabieren.
Wenn ich schon beim Thema Schule bin: Eine
Lehrerin erzählte neulich, dass ihr türkischstämmiger
Schüler Can, der Name bedeutet im Türkischen
„Leben“, (C wird wie dsch in Dschungel ausgesprochen)
von anderer Lehrern Kan genannt wird. Das
stört den Bub schon ziemlich, weil Kan auf Türkisch
„Blut“ bedeutet und statt mit Leben eher mit dem
Tod assoziiert wird. Und naja, welches Kind möchte
damit in Verbindung gebracht werden
Ja, ich weiß – es ist aber auch ungerecht. Da sind
die schon so viele Jahre in Österreich und trotzdem
denken sie nicht daran, dem Nachwuchs anständige
Namen wie Julia, Sieglinde oder Florian zu geben.
Es wird den Ur-Österreichern nichts anderes übrig
bleiben, als sich zu bemühen die fremden, ausländischen
Namen irgendwie zu akzeptieren. Ein kleiner
Tipp, der angeblich gut zu funktionieren scheint:
Fragt die Leute, wie man ihren Namen korrekt
ausspricht und merkt es euch dann einfach für die
Zukunft!
Kopf hoch, bei Chantal und Angelina klappt es
doch auch schon.
Melisa hat bosnische Wurzeln und ist Redakteurin bei biber.
24
JAHRBUCH FÜR INTEGRATION
almanah
JAHRBUCH FÜR INTEGRATION 25
almanah
ad
bosnisch, kroatisch, serbisch für »Arbeit«
26
JAHRBUCH FÜR INTEGRATION
MARKT & KARRIERE
2029 wird Wien die Zwei-Millionen-Grenze überschreiten. Wie geht
Österreich mit den neuen Zuwanderern um Welche Visionen haben
Top-Manager von Wiens Zukunft Und warum entwickelt die Regierung
und Wien eine neue "Willkommenskultur", die als best-practice
Beispiel in Europa gilt
S. 28–33
AUSLÄNDERBEHÖRDE DELUXE
Das Welcome Center in Hamburg rollt hochqualifizierten
Migranten den roten Teppich aus und geht europaweit
mit gutem Beispiel voran. Aber wie werden Fachkräfte in
Österreich empfangen
S. 34-37
WIEN WÄCHST
Sieben Wirtschaftsexperten sprechen über die zukünftige
Wohnsituation, den Arbeitsmarkt und infrastrukturelle
Veränderungen.
S. 38-41
MAKING OF ASPERN
In Aspern entsteht eine Siedlung, die größer als Eisenstadt
sein wird. Wir haben uns zwischen Baukränen und
Fassadenbauern umgesehen.
almanah
T E X T:
Philipp Woldin
FOTO:
Daniel Cihan Schmidt
Ausländerbehörde
deluxe
Ein Besuch im Hamburg Welcome Center, wo
Deutschland ausländischen Fachkräften den
roten Teppich ausrollt: Wer hierher kommt, wird
dringend gebraucht – das spürt man.
den Räumen der Handelskammer, das Welcome
Center residiert auf zwei Fluren. Bevor ein Gast
Platz nimmt, schaltet der Sachbearbeiter sein
Telefon jetzt immer auf lautlos, so läuft das hier.
Die deutsche Wirtschaft ringt um ausländische
Fachkräfte, die heißen hier konsequent Kunden oder
Die Glastür des Hamburg Welcome Center gleitet
auf, Muhammed Karasu geht über einen roten Teppich
zum Empfangstresen, vorbei an schneeweißen
Säulen. Von der gewölbten Decke hängen Lampen
wie aus einem skandinavischen Designkatalog. Der
32-Jährige – randlose Brille, Pausbäckchen – will
sein Visum um drei Monate verlängern. Vorn empfängt
ihn gleich eine Sachbearbeiterin, keine Sekretärin:
Just a moment, please have a seat. Herr Karasu
sinkt in einen flauschigen Sessel. Das soll eine Ausländerbehörde
sein
Endlose Schlangen, Nummern ziehen und graue
Büros. Wenn Michael Möller über seinen alten Job
bei der Ausländerabteilung Hamburg-Nord erzählt,
klingt es eher nach Behörde. „Das war Massenabfertigung“,
sagt der Sachbearbeiter. „Die Leute kamen
meist aus schwierigen sozialen Verhältnissen, oft
musste ich Anträge ablehnen.“ Auf dem Amt sprach
man Deutsch. Wer die Sprache nicht konnte, musste
sich einen Dolmetscher besorgen.
Heute berät Möller in einem verglasten Büro in
Just a
moment,
please have
a seat.
Neubürger, keiner spricht von Antragsstellern.
Welcome Center wie in Hamburg sollen das
Image des Landes aufpolieren. Bis in die neunziger
Jahre galt der Satz: Deutschland ist kein Einwanderungsland.
Das war einmal: Im vergangenen Jahr
wanderten laut Statistischem Bundesamt 437.000
Menschen ein, Tendenz steigend. Experten nennen
Deutschland schon das neue Zuwanderungsmekka.
Die Deutschen, hilfsbereit und ausgeglichen
In ganz Deutschland verändert sich deshalb
die Kultur der Ämter: Sachsen krempelte 2011
seine Behörden komplett um, in Essen eröffnete
im vergangenen Jahr ein Willkommenszentrum,
Stuttgart baut gerade. Hamburg gilt noch immer
als Vorzeigebeispiel, die Business-Class unter den
Ausländerbehörden, seit 2007 für Fachkräfte da.
In anderen Städten stellten die Behörden dafür nur
ein paar Sachbearbeiter mehr ein, entfernten die
Sicherheitsscheibe zwischen Beamten und Antragstellern
und stellten ein paar Blumen ins Regal. ‣
28
JAHRBUCH FÜR INTEGRATION
‣
almanah
JAHRBUCH FÜR INTEGRATION 29
almanah
Welcome Center wie in Hamburg sollen das Image des Landes aufpolieren.
Hamburg Marketing GmbH/Sven Schwarze
Möller fragt: Können Sie Deutsch Ein bisschen,
sagt Karasu. Er ist Beamter im türkischen Innenministerium
und lernt ein Jahr lang, wie die deutsche
Verwaltung funktioniert. Ende Oktober fliegt er
zurück in die Türkei, ein letztes Mal verlängert er
seinen Titel. Karasu blättert die Unterlagen hin –
Meldebestätigung, Krankenversicherung, Passfoto.
Die Deutschen, ja, die seien hilfsbereit und ausgeglichen,
nicht so aufbrausend wie die Türken.
Besonders beeindruckt ist Karasu von der U-Bahn,
die kommt immer so pünktlich. Er ist erst seit
Kurzem hier.
Vorurteile Naja, sagt der Sachbearbeiter Möller,
durch die täglichen Erfahrungen in der Ausländerabteilung
in Hamburg-Nord habe er schon eine
spezielle Meinung über manche Bevölkerungsgruppen
entwickelt. Er schnippelt das Passbild von
Karasu zurecht, dann pappt er den Aufenthaltstitel
in den Pass – alles klar, das kostet 15 Euro. Karasu
Das mit
dem WLAN
muss wirklich
besser
werden.
stutzt: „Muss ich nicht 30 Euro zahlen“ Möller
ist verblüfft: Stimmt. Wahrscheinlich käme der
türkische Beamte auch ganz gut allein zurecht, von
den meisten Asylbewerbern und Flüchtlingen, die
Möller früher betreute, konnte man das nicht sagen.
„Wer kriegt eigentlich die Herdprämie“ Reiner
Fabian hat davon in der Zeitung gelesen. „Sie
meinen das Betreuungsgeld“, sagt der Sachbearbeiter.
Fabian ist gebürtiger Hamburger, lebte acht
Jahre mit seiner Frau im englischen Swansea. Jetzt
ist das Ehepaar zurück – und muss sich durch die
deutsche Bürokratie kämpfen.
Seine litauische Frau Vitalia sucht nach einem
Kindergarten für die 14 Monate alte Tochter und klagt:
„Wieso gibt es da keine zentrale Webseite“ Integrationskurse,
Krankenkassen, Mutter-Kind-Betreuung
in Wandsbeck – der Sachbearbeiter gibt
geduldig Tipps. Empfehlen darf er als Behördenmitarbeiter
nichts, aber er druckt einen Flyer nach
30
JAHRBUCH FÜR INTEGRATION
almanah
dem anderen aus. Dann ist das Ehepaar fast aus der
Tür, der Sachbearbeiter ruft ihnen noch hinterher:
„Sollte Ihnen noch eine Frage einfallen, dann
mailen Sie mir doch!“
Neben dem Flachbildschirm im Eingangsbereich
beugt sich Raghav Gupta über den Grundriss
einer Wohnung und befindet: Die ist nicht gut, wir
brauchen dringend einen Aufzug. Ihm gegenüber
sitzt seine Relocaterin. Guptas neuer Arbeitgeber,
eine Pharmafirma, bezahlt sie. Viele Firmen umsorgen
ihre ausländischen Mitarbeiter auf ähnliche
Weise. Die Relocaterin betreut den Inder rund um
die Uhr: Sie holte die Familie vom Flughafen ab,
vereinbarte Termine mit Maklern – und begleitet
Gupta, wenn er wie heute seinen Wohnsitz anmeldet.
Sie ist sein persönliches Welcome Center.
Es hätte auch ein anderes Land sein können
Der 35-Jährige kommt aus Neu Delhi, er ist einer
der Fachkräfte, die Deutschland händeringend
sucht. Bisher plante er, 18 Monate in Deutschland
zu bleiben, vielleicht werden es mehr. Jetzt müssen
sie weiter, sagt die Relocaterin. Um 15 Uhr ist
der Banktermin, später besichtigen sie ein Haus.
Warum Deutschland Es sei ein herausfordernder
Markt, sagt Gupta. Es klingt wie: Es hätte auch ein
anderes Land sein können.
Anfangs gab es Vorurteile gegen die neue Einrichtung,
sagt der stellvertretende Leiter Günther
Wielgoß, klar. Ihr pickt euch nur die Rosinen raus,
murrten die anderen Ausländerämter. Natürlich sei
der Alltag unterschiedlich: Die Termine sind lange
vorbereitet, die Kunden werden umfassend beraten,
nicht nur zum Wohn- und Aufenthaltsrecht.
Andersherum hätten die Bezirke teilweise aber auch
Kunden wie hier: Wissenschaftler und Manager,
Selbstständige und Ingenieure, auch Studierende.
Die könnten sich ja selbst aussuchen, zu welcher
Stelle sie gehen.
Jonathan Seiling fühlt sich hier willkommen, in
New York war das nach dem 11. September anders,
der 39-jährige Kanadier hatte dort jahrelang
gelebt. Erst vor wenigen Tagen ist er in Deutschland
angekommen, nächsten Monat fängt er an der
Hamburger Universität an. Was ihm auffällt: Hier
Viele junge Fachkräfte folgen dem Ruf der Arbeit und ziehen ins Ausland.
patrouilliert nicht an jeder Ecke ein Polizist. Das
Schulsystem findet er herausragend, sein Sohn ist
fünf Jahre alt, er soll davon profitieren. Unbürokratisch
nennt er die Betreuung – für eine deutsche
Behörde ein seltsames Kompliment.
Das Welcome Center und die Handelskammer verbindet
eine Glastür, auf der Anrichte rechts daneben
thront ein massiges Buch. Die Kunden können
hier Verbesserungsvorschläge hinterlassen. Konstantin
Belyaev lobt die Organisation der Behörde,
jemand anders schreibt: „Super Atmosphäre!“ Dann
ist da noch ein kritischer Eintrag, etwas versteckt:
Diese Reportage wurde von
Das mit dem WLAN in Hamburg, das muss wirklich
„ZEIT-ONLINE“ zur Verfügung
besser werden.
gestellt.
JAHRBUCH FÜR INTEGRATION 31
almanah
Dobro došli u Austriju
Integrationsbeauftragte in Ankara und Belgrad
vermitteln österreichische Werte an Zuwanderer.
Dadurch soll Integration leichter fallen.
T E X T:
Alexandra Stanić
„Dobro Došli u Austriju!“ Mit diesen Wörtern
begrüßt die neue Integrationsbeauftragte Belma
Coković zukünftige Zuwanderer in der österreichischen
Botschaft in Belgrad. Die 26-Jährige ist die
erste Anlaufstelle für Menschen, die nach Österreich
ziehen wollen. Ziel ist es, die Integration von
Anfang an zu sichern. Neben Nalan Gündüz in der
Türkei ist Belma die zweite Integrationsbeauftragte
an einer österreichischen Vertretungsbehörde. Dass
die Idee aufgeht, bestätigen die Zahlen: 2013 wurden
in Ankara über 1.600 türkische Personen erreicht.
Im Oktober 2014 begrüßte Außen- und Integrati-
onsminister Sebastian Kurz nun die zweite Integrationsbeauftragte.
„Belma übernimmt in Serbien die
wichtige Funktion einer Brückenbauerin, die schon
im Vorfeld Zuwanderinnen und Zuwanderer über
alle Möglichkeiten informiert“, so Sebastian Kurz.
Auch Belma ist sich der Wichtigkeit ihrer Funktion
bewusst. „Mit dem Orientierungsmodul und persönlichen
Beratungen kann ich vielen Leuten ein
wichtiges Rüstzeug mitgeben, das ihnen die ersten
Schritte in Österreich sowie die Eingliederung in die
Gesellschaft erleichtern wird", erklärt die 26-Jährige.
Österreich als Vorreiter
„Kein anderes EU-Land bietet Zuwanderern im Vorfeld
eine derartige Beratung und Erstorientierung
in den Herkunftsländern an“, so Victoria Benesch,
die derzeit an einem Projekt zum Thema Willkommenskultur
im Auftrag des Bundesministeriums für
Äußeres arbeitet. Sie ist sich sicher, dass Österreich
das best-practice-Modell europaweit ist. Schon
2008 hat die Wiener Integrationsstadträtin Sandra
Frauenberger das Willkommensprogramm „Start
Wien“ ins Leben gerufen. Die Initiative hilft beim
1.800 LEHRLINGE UNTER
DEM REWE-BOGEN
32
LIDIJA, TAMARA, THOMAS, MANUEL,
SHQIPRIM, KEVIN UND KATHRIN
Sind Lehrlinge bei PENNY, BIPA, BILLA,
MERKUR und ADEG. Ihre Pausen
JAHRBUCH genießen FÜR INTEGRATION sie am liebsten gemeinsam.
almanah
Allein in Salzburg stiegen die
Spracherwerb und stellt Informationen
jeglicher Art über die
für Integrationsmaßnahmen
Lebensweise in Wien bereit. Im
wie Deutschkurse verwendeten
Zeitraum November 2008 bis
Oktober 2014 wurden ca. 41.000
Besuche bei den Informationsmodulen
gezählt.Im Rahmen des
„Startcoachings“ bekommt jeder
neu Zugewanderte einen Wiener
Mittel im ersten Jahr der
Welcome Desks um 60% an“, so
Franz Wolf, Geschäftsführer des
ÖIF.
Trotz der Bemühungen seitens
der Regierung ist der Berufseinstieg
Bildungspass. Alle Maßnahmen,
für hochqualifizierte
die für die Integration wichtig
Fachkräfte aus dem Ausland
sind, stehen in diesem Pass.
nicht immer leicht, weiß der
Mittlerweile gibt es zudem
Wissenschaftler und jüngste
sechs Integrationszentren des
Sebastian Kurz setzt auf neue
Willkommenskultur
Professor der Universität Wien
österreichischen Integrationsfonds
Nuno Maulide. Der 34-jährige
(ÖIF): In Wien, Graz, Linz, Salzburg, Klagenfurt
und Innsbruck. Dort werden die neu Zugewanderten
nach ihrer Ankunft weiterhin beim Integrationsprozess
unterstützt. Im ersten Jahr fanden an den
Beratungsstellen über 25.500 Beratungen statt.
„Dass unser Angebot Wirkung zeigt, verdeutlichen
die Zahlen unserer Beratungen und die verstärkte
Portugiese kam vor einem Jahr nach Wien. Er leitet
ein Team von 16 Leuten mit zwölf verschiedenen
Nationen und kennt den bürokratischen Hürdenlauf.
„Für Länder, die nicht der EU angehören, ist
schon das Visum irrsinnig kompliziert“, so Nuno.
„Zum Beispiel: Einen hochqualifizierten Forscher
aus China nach Österreich zu holen, grenzt fast ans
Nachfrage nach unseren Integrationsangeboten: Unmögliche.“
Felicitas Matern
Information
Die Website www.berufsanerkennung.at
wurde im Herbst 2014
neu gestaltet und
inhaltlich überarbeitet.
Das Online-Portal
dient als Wegweiser
für den Anerkennungsprozess
von
Bildungs- und Berufsabschlüssen.
SUADA
Arbeitet als Lehrling bei BIPA und
versorgt ihre Freundinnen immer mit
den neuesten Beautytipps.
Gemeinsam für eine bessere
Zukunft. Mit dem Weiterbildungsprogramm
für Österreichs
Jugendliche bei BILLA,
MERKUR, PENNY, BIPA
und ADEG. Gemeinsam unter
dem REWE-BOGEN.
JAHRBUCH FÜR INTEGRATION 33
Österreichs Hauptstadt wird im Jahr 2029 die Zwei-
Millionen Grenze überschreiten. Sieben Wirtschaftsexperten
deuten Wiens Zukunft aus ihrer Sicht.
Wien
Wachstum
WOLFGANG
HESOUN
Vorsitzender des
Vorstands der
Siemens AG
Österreich
Siemens AG
„Wien wird 2029 trotz oder
gerade wegen eines beachtlichen
Bevölkerungswachstums
genauso lebenswert sein
wie heute. In rund 15 Jahren
wird Wien eine zentraleuropäische
Metropole sein, in der die
Gesellschaft von der Vielfalt
ihrer Bewohner profitiert und
Industrie und Wirtschaft erfolgreich
ihre Leistungskraft unter
Beweis stellen können, wenn
es um innovative Lösungen für
die ‚smarte Stadt der Zukunft‘
geht.“
2,08 Mio.
1,77 Mio.
2,0 Mio.
1910 2014 2029
Derzeit leben 1,77 Millionen Menschen
in Wien. 2029 wird die Zwei-Millionen
Grenze überschritten. 1910 zählte Wien
2,08 Millionen Einwohner.
Zwei Drittel des Bevölkerungswachstums
ist auf Migration zurückzuführen.
40 Prozent der Zuwanderung nach Österreich
endet in Wien.
Alter
2044 +96%
Bis 2020 wird die Anzahl der über 65-Jährigen um
rund 31 Prozent ansteigen, die der unter 14-Jährigen
um etwa 24 Prozent, während die Anzahl 15-
bis 64-Jährige nur um etwa acht Prozent ansteigt.
Trotzdem wird Wien schon 2016 das jüngste Bundesland
sein – derzeit liegt noch Vorarlberg vorn.
2020
+24%
+31%
unter
14-Jährige
über
65-Jährige
über
75-Jährige
2014
wächst
Schüler
XXI
145.000
170.000
Derzeit gibt es 145.000 schul pflichtige
Kinder (sechs bis 14), 2025 werden es rund
XX
XXII
170.000 sein.
In den nächsten zehn Jahren müssen 1000
Klassen entstehen. Die Stadt Wien setzt
auf „Campus-Modelle“, derzeit gibt es den
VI
II
Campus Sonnwendviertel beim Hauptbahnhof,
in den kommenden Jahren sollen
weitere große Bildungseinrichtigungen
(Donaustadt, Floridsdorf, Favoriten) entstehen.
2014 2025
X
„In der Schule 2029 herrscht ein
Klima, in dem die SchülerInnen
Die Bezirke Donau stadt,
Leopoldstadt, Favoriten,
Floridsdorf, Mariahilf und
Brigittenau boomen.
„Meine Vision: Im Jahr 2029 ist
das Vorsorge- Bewusstsein der
Wienerinnen und Wiener optimal
Ricardo Herrgott
GEORG
KRAFT-KINZ
Stellvertretender
Generaldirektor
Raiffeisen landesbank
Niederösterreich-
Wien
ihre individuellen Fähigkeiten
und Talente kennenlernen
und entfalten können. Es spielt
keine Rolle mehr, woher jemand
kommt oder welchen Beruf
die Eltern haben. Alle werden
gleichermaßen gefördert und bei
der Entwicklung ihres Potenzials
unterstützt.“
ausgeprägt – alle haben so gut
vorgesorgt, dass niemand mehr
finanzielle Einbußen im Alter
JUDIT HAVASI
Generaldirektor-
Stellvertreterin
Wiener Städtische
Petra Spiola
hinnehmen muss. Österreich ist ein
Land bestens versicherter Menschen,
die sich keine Sorgen um
ihre Pension machen müssen.“
Lebensqualität
„Lebensqualität und Vielfalt:
Wien gilt laut der „Quality of Living Studie“
Genau dafür steht die Wien Hol-
von Mercer seit fünf Jahren als die Met-
ding. Egal, ob es um das Kul-
ropole mit der besten Lebensqualität. Das
turangebot in der Stadt geht, um
schnelle Bevölkerungswachstum könnte zur
große Immobilienprojekte oder
Folge haben, dass die Lebensqualität sinkt.
um Projekte, die den Logistik- und
Dafür gibt es mehrere Gründe: So punktete
Wien im internationalen Vergleich vor allem
mit viel Wohnraum, das könnte sich durch
den Zuwachs ändern. Außerdem wurde die
Wiener Verkehrssituation schon bei früheren
Mercer-Rankings schwach bewertet,
SIGRID OBLAK
Geschäftsführerin
Wien Holding
Eva Kelety
Wirtschaftsstandort Wien aufwerten,
dem Umweltschutz zu
Gute kommen oder die Vielfalt der
Medienlandschaft bereichern. Die
Wien Holding sorgt auch im Jahr
2025 dafür, dass die sich die Men-
vor allem wegen der vielen Staus. Zusätzlich
schen in Wien wohlfühlen.“
steigt auch die Luftverschmutzung bei wachsender
Bevölkerung. Falls Wien auf Platz Eins
bleiben will, muss vor allem bei der Wohnsituation
und der Infrastruktur angesetzt
werden.
Infrastruktur
In der aktuellen Stadtentwicklung ist vorgesehen,
dass bis 2025 rund 80 Prozent der Alltagswege in
Wien mit den öffentlichen Verkehrsmitteln, zu Fuß
oder mit dem Rad zurückgelegt werden können.
Der Bau der U5 hat schon begonnen, sie soll bis
2025 fertig gestellt werden. Außerdem ist eine
Verlängerung der U1 und U2 geplant. Abgesehen
von erweiterten Bus- und Straßenbahnlinien und
CarSharing-Angeboten setzt die Stadt auch stark
auf Radfahrer und Fußgänger. Bis 2018 soll es einen
Rad-Highway geben, bis 2025 sollen zwei weitere
Routen dazukommen.
Wiener Stadtwerke
GABRIELE
DOMSCHITZ
Vorstandsdirektorin
Wiener Stadtwerke
„Die Wiener Stadtwerke arbeiten
heute ganz konkret an der
Zukunft der Wiener Infrastruktur
von morgen. Die WienerInnen
werden mit der U5 bis zum
Wienerberg und mit der U2 bis
zum Elterleinplatz fahren, 50%
der erzeugten Energie wird aus
erneuerbaren Quellen stammen.“
Wohnen
Der Wohnbau konzentriert sich vor allem auf
Transdanubien. Die AK schätzt den Bedarf auf
10.000 neue Wohnungen pro Jahr, davon 8.000
geförderte. Die MA23 geht in ihren Berechnungen
davon aus, dass von 2014 bis 2024 insgesamt
79.000 neue Wohnungen zur Verfügung stehen
werden. Mit dem Wohnungsbelagsfaktor des
jeweiligen Bezirks multipliziert, ergibt sich
daraus, dass neuer Wohnraum für rund 165.000
Personen geschaffen wird.
Mischek
„Leistbares Wohnen steht in
den kommenden zehn Jahren
im Fokus. 2025 kann qualitativ
hochwertiges Wohnen zu leistbaren
Preisen in Wien für jede und
jeden Wirklichkeit sein - wenn
die Stadt genügend Fläche dem
Wohnraum widmet.“
STEPHAN
JAINÖCKER
Geschäftsführer von
Mischek Bauträger
Arbeit
„Sehr viele gut qualifizierte
Zuwanderinnen und Zuwanderer
werden nach Wien kommen:
Die Arbeiterkammer sieht zukünftig
Ihre Kenntnisse und Fähigkeiten
Beschäftigungs möglichkeiten vor allem in der
müssen leichter anerkannt und
Kinderbetreuung, der Bildung und der Pflege. Ein
Großteil der neuen Wiener und Wienerinnen bringt
gute Qualifikationen mit. Die schon verbesserten
Anstrengungen zur Erleichterung der Anerkennung
von im Ausland erworbenen Qualifikationen
und Fertigkeiten müssen weiter ausgebaut werden.
Außerdem braucht es laut der AK in den nächsten
RUDI KASKE
Arbeiterkammerpräsident
Renee Del Missier
dementsprechend besser bezahlt
werden. Wer noch einen Schuloder
Lehrabschluss nachholen
will, muss dabei gefördert und
unterstützt werden. Jeder Förder-Euro,
der in Schulen und Ausbildung
gesteckt wird, zahlt sich
Jahren stärkere Anstrengungen zur Arbeitsmarkt-
doppelt aus. Deshalb unterstützt
integration von gering Qualifizierten.
die AK Wien den Wiener Qualifikationsplan
2020.“
almanah
T E X T:
Olivia Mrzyglod
F O T O S :
Christoph Schlessmann,
Olivia Mrzyglod,
Marko Mestrović
Making of
Aspern
38
JAHRBUCH FÜR INTEGRATION
almanah
Am Rande Wiens schießt eine der größten
Wohnsiedlungen Europas aus dem Boden. Auf
einer Fläche doppelt so groß wie die Josefstadt,
entstehen Wohnungen, Sportzentren und ein
türkisblauer See. Doch wer sind die Menschen
hinter der Baustellen-Fassade
Eine Fahrt mit der U2. Bei den meisten Passagieren
ist am Praterstern Endstation. Die, die sitzen
bleiben, sind entweder Ralph-Lauren-tragende
WU-Studenten oder waschechte Transdanubier.
Doch auch sie sind spätestens bei der Station Stadlau
weg. Dann ist der Wagen menschenleer. Die nächste
Station ist „Seestadt Aspern“ – Endstation. Links
Landidylle, rechts die größte Baustelle Österreichs.
Bis zum Jahr 2028 sollen hier doppelt so viele
Menschen leben wie in Eisenstadt. Zu diesen 20.000
Einwohnern kommen ebenso viele Arbeitsplätze
hinzu. Ein Viertel der geplanten Gebäude sind schon
bezugsbereit. In ihnen leben die ersten „Pioniere“
Asperns. So nennt man Bewohner, die sich trotz
angrenzendem Baustellen-Wahnsinn und fehlender
Nahversorgung am östlichen Stadtrand Wiens
einquartiert haben. Gesellschaft bekommen sie von
den rund 1000 Arbeitern, die täglich ein Haus nach
dem anderen aus dem Boden stampfen.
Am Rande des Sees, der sich direkt neben der
Station befindet, ist eine Gruppe knallorangener
Gestalten zu sehen. Sie tragen Warnwesten, die
Diese Hände
bauen
eure Stadt
ihnen am Anfang ihrer „Aspern-Touristen-Tour“
ausgehändigt wurden. „Jeden ersten Freitag im
Monat findet eine statt. Man muss sich nur auf der
aspern-seestadt.at Seite anmelden. Bis zu 1.000
Besucher tummeln sich hier an Wochenenden“,
erklärt der Gruppenleiter.
Mile, der „Insider“
Die Tour beginnt. Während der Tross auf einer nigelnagelneuen
Straße entlang geht, wird rund um die
Wohnungstouristen gebohrt und gespachtelt. Auf
einem Container steht ganz groß „Kantine“. Ausgedruckte
Bilder von Schnitzelsemmeln und Pizzen
schmücken den Eingang. Der Besitzer heißt Mile
Savić. Der 53-Jährige ist seit dem ersten Spatenstich
der Hauptversoger für hungrige Arbeiter. „Ich ‣
JAHRBUCH FÜR INTEGRATION 39
almanah
kenne mich hier aus, wie niemand sonst“, meint er
stolz. In der Mittagspause, so Savić, platz sie aus
allen Nähten.
„Ich habe so etwas noch nie gesehen.“ - Als Savić
mit seiner Kantine vor einem Jahr ankam, waren
hier nur Felder und Sonnenblumen zu sehen. Jetzt
ziehen schon die ersten Bewohner ein. Der selbsternannte
Insider erzählt weiter, dass sich für eine
Wohnung bis zu 50 Leute anmelden. „Bis zu 13.000€
Euro beträgt die Anzahlung auf eine geförderte
3-Zimmer-Wohnung, es werden also keinesfalls
Wohnungen für Sozialfälle“, ist sich der Kantineur
sicher. Seine Frau fügt vom Nebentisch hinzu: “Das
Letzte vom Letzten kommt nicht her. Das wird kein
zehnter oder sechzehnter Bezirk hier, hundertprozentig
nicht.“
Egal wer kommt, der gebürtige Serbe will in der
Seestadt bleiben und aus der Kantine ein Restaurant
machen. Übrigens, Mile hat keine fixen Öffnungszeiten,
denn „Sperrstunde hat nur der, der Nachbarn
hat“, erklärt er lachend.
Stefan
Dumitrica
trainiert schon
Jahre hier.
Hinter ihm
schossen
wöchentlich
neue
Gebäude aus
dem Boden.
Diese Hände bauen eure Stadt
Nachdem sich die Tagestouristen in der Kantine
gestärkt haben, geht die Führung weiter. Bekanntlich
wird eine Stadt nicht von im Büro herumsitzenden
Geschäftsleuten errichtet. Es sind Hände von
Bauarbeitern, die in waghalsigen Höhen Fassaden
bemalen, in der prallen Sonne den Metallbau machen
und im Akkord Rohre verlegen. „Die meisten sind
aus ex-jugoslawischen Ländern oder dem Ostblock.
Besonders beim Rohbau, also der Anfangsphase des
Gebäudes, werden sie geholt, um die Drecksarbeit
zu erledigen. Die Fachkräfte wie Elektriker sind
Österreicher“, mutmaßt ein Bauarbeiter, der lieber
anonym bleiben möchte. „Unsere Hände bauen eure
Stadt“, sagt Piotrek, ein polnischer Fassadenbauer,
während er eine Wurstsemmel verputzt.
Frauenpower trifft Männerschweiß
Auf ihrem blitzblauen Fahrrad rollt eine Frau an
der Touristen-Gruppe vorbei. „Super, das ist sicher
auch eine Schaulustige“, schreit eine Dame mittleren
Alters. Auf die Frage, was sie an diesem ungewöhnlichen
Ausflugsziel macht, zückt sie ein mit
rosa Glitzersteinchen verziertes Etui und holt ihre
Visitenkarte heraus. „Mag. Christine Spiess, Projektleiterin
Seestadt Aspern“. Ob es kompliziert sei
als Frau über so vielen Männern zu stehen „Keinesfalls!
Vielleicht liegt es daran, dass ich nicht
kompliziert bin“, meint Frau Spiess lächelnd. „Übrigens
wird die Seestadt weiblich. Jeder Straßen- und
• Die Seestadt Aspern ist zurzeit das größte
Stadt entwicklungsprojekt Europas.
• Auf einer Fläche von 350 Fußballfeldern
werden etwa 20.000 Menschen leben.
• Insgesamt 4 Mrd. Euro werden in das Projekt
investiert.
• Die U2 wurde eigens für die Seestadt um drei
Stationen ausgebaut.
• Die ersten Einwohner sind Anfang 2014
eingezogen.
40
JAHRBUCH FÜR INTEGRATION
almanah
Park-Name gebührt einer starken Frau“, sagt sie und
radelt auf der Schotterstraße davon.
Die mittlerweile erschöpften Touristen begeben
sich langsam Richtung U-Bahn-Station. Auf einmal
schreit einer aus der Gruppe: „Schaut, da fliegt eine
Kugel herum.“ Um seine Neugierde zu befriedigen,
entfernt sich der Mann von der Kolonne. Er nähert
sich vorsichtig dem Werfer, einem durchtrainierten
Athleten, der auf den Namen Stefan Dumtrica
hört. Mehrmals die Woche kommt der Rumäne nach
Aspern und trainiert für die europaweiten Turniere
der Highland Games. „Noch nie davon gehört Das
kennen die wenigsten“, beruhigt er uns. „Es ist ein
Nationalsport aus Schottland. Neben Baumstammwerfen
und Hammerwerfen gehört auch Steinweitwurf
zu den Disziplinen.“ So mischt sich auch
die schottische Kultur in die wohl angesagteste
Baustelle Europas.
„Ich kenne
mich hier
aus, wie
niemand
s o n s t “,
Mile Savić, 53.
Siemens setzt auf
Smart Cities
Siemens ist österreichweit in smarte
Infrastrukturprojekte involviert.
Das große Aushängeschild zum Thema
Smart City ist Aspern Seestadt.
Das Unternehmen bringt als Projektpartner
der Aspern Smart City
Research (ASCR) Forschungs- und
Technologie-Know-how ein. Zuletzt
wurde das Demoprojekt „Energieeffizienz
– Integration von Technik
und Mensch“ im Technologiezentrum
Aspern IQ vorgestellt. Eines der
Hauptziele des Energieforschungsprogramms
in Österreich ist es,
innovativen Technologien den Weg
von der Entwicklung in den Alltag
der Menschen zu ebnen.
JAHRBUCH FÜR INTEGRATION 41
almanah
Genug Sicherheitsabstand ist der beste Schutz vor einem Auffahrunfall.
42
JAHRBUCH FÜR INTEGRATION
almanah
Halten Sie daher immer mindestens zwei Sekunden Abstand zum Vordermann.
JAHRBUCH FÜR INTEGRATION 43
almanah
Ein Kärntner will Muslime
„zinslos glücklich“ machen
TEXT & FOTO:
Clemens Neuhold
Dieser Artikel wurde von
der Wiener Zeitung zur
Verfügung gestellt.
Weltweit sind 38 Millionen Menschen Kunden
einer Bank, die wenigstens teilweise „Islamic Banking“
anbietet. Tendenz steigend. Österreichische
Banken bieten hingegen noch keine Produkte nach
dem islamischen Recht mit seinem Zinsverbot an.
Sie spüren unter ihren Kunden kaum Nachfrage. Der
Kärntner Harald Lamprecht (43) will sie im direkten
Kontakt mit Muslimen sehr wohl verspürt haben
und hat das wohl erste Halal-Start-up im Finanzbereich
gegründet.
Im Herzen des türkischen Wiens, in der Grundsteingasse
in Wien Ottakring, hat er ein Gassenlokal
bezogen. Ein steriler Raum ohne optischen Hinweis
auf den Islam, keine Mekka-Bilder, keine Sure, kein
arabisches Schriftzeichen. Ein Tisch, eine Couch,
im hinteren Raum eine Dusche. Nur ein schlichter
Zettel in der Tür verrät das Business: „Kindersparpläne,
Elternsparpläne, Hadsch-Sparen. Zinslos
glücklich.“ Am wenigsten würde man aber hinter
dem waschechten Kärntner Harald Lamprecht aus
Feld am See einen Islam-Berater in Sachen Finanzen
vermuten.
Lamprecht war IT-Techniker. Als er für seine
sechsköpfige Familie Geld sparen wollte, brach
2008 die Finanzkrise aus. Er suchte nach Alternativen
zum wankenden Finanzsystem und wurde im
Islamic Banking fündig. Er knüpfte Kontakte zum
deutschen Beraternetzwerk „My Islamic Finance“.
Seit Anfang des Monats arbeitet er mit ihnen.
Er ist keine Bank, die auch Geld verborgt, weil er
dafür eine Lizenz bräuchte. Schon gar nicht sei er
einer dieser Kredithaie, weil das „haram“ (verboten)
sei. Er berät unter der deutschen Dachmarke
Kunden, wie sie ihr Geld „halal“ (erlaubt) anlegen
können. Dafür verlangt er zwischen fünf und sechs
Prozent Provision von der angesparten Summe.
Seine Palette ist denkbar eingeschränkt: auf Gold
und Scharia-Fonds. Die Fonds vertreibt ein österreichischer
Partner. Lamprecht ist der Vermittler.
In den Fonds stecken Firmen, die nichts mit Waffen,
Glücksspiel, Versicherungen oder der Finanzbranche
(wegen ihres Zinsgeschäftes) zu tun haben.
Kunden, die ihr Geld in Gold anlegen, schließt er mit
einem deutschen Gold-Anbieter kurz.
„Natürlich kann der Goldpreis auch sinken“, sagt
Lamprecht, aber dafür sei das Edelmetall krisensicher.
„Gold ist noch nie pleitegegangen.“ Wofür
sparen seine potenziellen Kunden Zum Beispiel für
die Hadsch, erzählt er. Das ist die Pilgerreise nach
Mekka, die jeder Gläubige einmal im Leben absolvieren
muss. Oder für die Kinder. Oder ein Haus.
Warum sollen die Muslime ihr hart zusammengekratztes
Geld einem Kärntner anvertrauen Die
muslimische Community umfasse viele Richtungen
und Nationen. Es müsse deswegen kein Nachteil
sein, zu keiner von ihnen zu gehören, sagt er.
Ist er überhaupt Moslem Nicht direkt. Lamprecht
ist evangelisch getauft, bezeichnet sich als religiös.
Der Islam liege ihm von allen monotheistischen
Religionen am meisten. Die hätten viel mehr
Gemeinsames als Trennendes. Deswegen drängt es
ihn nicht, zu konvertieren. Er betet nicht fünf Mal
am Tag, besucht aber regelmäßig eine Moschee des
türkischen Vereines Atib im 20. Bezirk. Die türkische
Predigt versteht er nicht, er genieße die Atmosphäre.
Er hofft, dass Atib und türkische Zeitungen seine
Dienstleistung bei potenziellen Kunden bewerben.
Die nennt er „Brüder“. 20 Abschlüsse im Monat peilt
er mit diesen an, der Ottakringer Halal-Berater aus
Kärnten.
44
JAHRBUCH FÜR INTEGRATION
Entgeltliche Einschaltung
W I R
UNS.
HPV ist keine reine Mädchensache. Krebs geht alle an. IMPFEN SCHÜTZT.
Eine Infektion mit „Humanen Papilloma-Viren“ (HPV) kann bei Frauen UND
Männern Krebs verursachen: Bösartige Tumore im Rachen- und Genitalbereich
sowie Gebärmutterhalskrebs. Eine Impfung im Kindesalter kann schützen. Mädchen
UND Buben. Im Rahmen des öffent lichen Impfprogrammes wird allen Kindern vom
9. bis zum 12. Geburtstag nun kostenfrei eine HPV-Impfung angeboten.
Informieren Sie sich auf www.bmg.gv.at/HPV und fordern Sie die
Gratis-Broschüre an. Lassen Sie sich bei Ihrer Impfentscheidung von
Ihrer Ärztin/Ihrem Arzt oder in Ihrer Apotheke fachlich beraten.
www.bmg.gv.at/HPV
almanah
Humus
schlägt
Liptauer
46
JAHRBUCH FÜR INTEGRATION
Marko Mestrović
BEZAHLTE ANZEIGE
Spar- Geschäftsführer
Alois Huber und
Neni-Gründerin Haya
Molcho sprechen über
die bunte Küche Wiens,
warum Humus besser
ankommt als Liptauer
und wie die Zusammenarbeit
zwischen Spar
und Neni abläuft.
Seit mehr als drei Jahren arbeiten Spar und die Wiener
Szeneköchin Haya Molcho zusammen. Insgesamt gibt
es 13 Produkte wie Falafeln, Humus und Kichererbsensalat.
Aber auch eigens von Haya kreierte Eissorten wie
„Erdnuss-Karamell“ oder „Limonana“ sind im Sortiment
zu finden.
Wie ist die Zusammenarbeit zwischen Spar und Neni entstanden
ALOIS HUBER: Ich war auf der Suche nach etwas Neuem
abseits des Mainstreams und wollte unseren Kunden
innovative Produkte bieten. So bin ich auf Neni
gestoßen.
HAYA MOLCHO: Ja, Alois ist bei einer Veranstaltung auf
mich zugekommen und so ist unsere Kooperation entstanden
- ohne Druck, fast wie von selbst.
Und läuft die Kooperation gut
HAYA MOLCHO: Ausgezeichnet! Spar hat uns von Anfang
an Zeit gegeben, damit wir uns einarbeiten. Wir
hatten keine Erfahrung mit Produktionen in diesem
Ausmaß, da ist die Verantwortung ja noch viel größer
als in der Gastronomie. Ich kann mich noch genau erinnern,
wie ich vor genau zwei Jahren in der Küche am
Naschmarkt gestanden bin und Produkte für die erste
Spar-Filiale mit Freunden und Familie verpackt habe.
Ich muss schon sagen, dass ich stolz bin, dass wir uns
so schnell weiterentwickelt haben.
ALOIS HUBER: Die Zusammenarbeit läuft toll, weil
Haya authentische und innovative Produkte liefert.
Deswegen gibt es die Neni-Produkte mittlerweile flächendeckend
an 1.400 Standorten.
Was ist das Erfolgsrezept Ihrer Zusammenarbeit
ALOIS HUBER: Auch wenn wir ein urösterreichisches
Unternehmen sind, haben wir ein weltoffenes und
menschenfreundliches Verständnis. Mit den Neni-Produkten
bringen wir Lifestyle in unsere Supermärkte.
Wir passen unsere Produktpalette der kulturellen Vielfalt,
die es in Wien gibt, an.
HAYA MOLCHO: Das Geheimnis ist, dass wir uns Schritt
für Schritt hochgearbeitet haben. Und wir helfen uns
gegenseitig: Wenn ich Eigenwerbung mache, versuche
ich immer, Spar mit einzubringen. Das bringt meinen
Kunden auch etwas, weil sie so wissen, wo sie Neni-Produkte
finden können.
Die österreichische Küche unterscheidet sich stark von der
orientalischen. Wie sind die Reaktionen auf die Neni-Produkte
bei Spar
HAYA MOLCHO: Es ist ganz klar, dass ich bei meinen
Rezepten auf den Geschmack der Österreicher eingehe.
Ich entnehme den Gerichten beispielsweise die Schärfe.
Ich respektiere die österreichische Esskultur, gleichzeitig
bringe ich meine Kultur hinzu. Deswegen funktioniert
das Ganze so gut. Diese Adaption macht es aus.
ALOIS HUBER: Wenn ich vor fünf Jahren einen Österreicher
gefragt hätte, was Humus ist, hätte er mit
Erde geantwortet. Heute verkauft sich der Humus von
Neni trotz der Wiener Heurigenkultur besser als Liptauer-Aufstrich.
Sehr stark im Kommen ist auch die Rote
Rüben-Humus Variation.
Richten sich die Neni-Produkte bei Spar an junge Menschen
ALOIS HUBER: Neni gehört zum neuen Lebensgefühl
von jungen Menschen, die interkulturell unterwegs sind
und Spar deckt das mit Lebensmitteln ab. Die Produkte
reflektieren dieses Lebensgefühl und das ist gut so!
HAYA MOLCHO: Ja, stimmt. Wenn du Neni kaufst, bist
du einfach ‚cool’ (lacht).
Ein Stichwort noch: Regionalität.
ALOIS HUBER: Regionalität ist in Wien mehr als das
Gemüse aus der Stadt. Wien hat eine traditionsgeprägte
Genusskultur - dafür steht der Naschmarkt,
aber auch Produzenten wie z.B. Heindl, Staud’s, Piccini
und viele mehr. Daneben ist diese Genusskultur auch
von einer jungen, internationalen und trendigen Strömung
beeinflusst - dafür ist „NENI am Tisch“ eines der
besten Beispiele.
HAYA MOLCHO: Ich kann dazu nur sagen, dass ich jeden
einzelnen meiner Lieferanten kenne und niemals
bei einem Fremden bestellen würde. Mir ist es irrsinnig
wichtig, dass ich weiß, woher die Zutaten kommen, die
ich für meine Gerichte verwende.
„Spar enjoy
by Neni“
Seit Neuestem gibt es
auch die Linie „spar
enjoy by neni“. Damit
verbinden Spar und
Neni die Eigenmarke
von Spar und „Neni am
Tisch“. Die Menschen
haben heutzutage viel,
aber eines haben sie
nicht: Zeit. Genau darauf
geht die Linie ein.
Das Prinzip ist einfach.
Das Essen soll gesund,
lecker und schnell
sein. Haya Molcho hat
die Rezepte selbst
kreiert und hat lange
daran gewerkelt, um
die perfekte Kombination
zu schaffen. Die
Zeiten des Junkfoods
sind vorbei. Mit den
verschiedenen Salatvariationen
geben Spar
und Neni den Kunden
die Möglichkeit, auf
ihre Ernährung zu achten,
auch wenn sie im
Stress sind.
47
almanah
赋
mandarin für »Talent, Geschenk des Himmels«
48
JAHRBUCH FÜR INTEGRATION
SPORT, MEDIEN & KULTUR
Ob serbischer Volksbrauch in Favoriten oder eine Mannschaft für Menschen
mit geistigen und körperlichen Handicaps - erfolgreiche Integration
ist überall umsetzbar. Auch in der biber-Akademie, die Jungjournalisten
ausbildet.
S. 50-52
KOLOMEISTER AUS FAVORITEN
Der traditionelle Volksbrauch Folklore ist bei serbischen
Jugendlichen besonders beliebt. Wir haben die diesjährigen
Europameister aus Wien bei einem ihrer Auftritte
begleitet.
S. 54-56
ENDLICH MITTWOCH
Der Rekordmeister Rapid hat eine Fußballmannschaft
für Menschen mit geistigen und körperlichen Handicaps
gegründet. Sie lachen, weinen, spielen zusammen und
ergänzen sich gegenseitig.
S. 58–59
MADE BY BIBER
Sie arbeiten im Außenministerium, schreiben für große
österreichische Medien, landen beim Radio oder sind
stellvertretende Chefredakteure. Ein Überblick über die
biber-Akademiker.
almanah
Kolomeister aus
Favoriten
Ausgerechnet der Verein „Kud Stevan Mokranjac“
aus Favoriten hat sich bei der EM in serbischer
Folklore in Banja Luka gegen insgesamt 60
Konkurrenten bewiesen. biber begleitet den
Sieger bei einem Auftritt und erfährt, was hinter
den Kulissen vorgeht und warum der Volksbrauch
so wichtig für die Community ist.
TEXT:
Alexandra Stanić
FOTOS:
Marko Mestrović
„Folklore ist
mein Leben!“
Ein Mädchen in einer gold verzierten Tracht und
mit buntem Haarschmuck zieht sich gestrickte
Socken über die Knie. Sie bindet lederne Sandalen
um ihre Knöchel, streicht ihr Kostüm glatt. Ihr
Name ist Suzana Todić, sie ist 19 Jahre alt und Folklore-Tänzerin
bei dem serbischen Verein „Kud
Stevan Mokranjac“. Um sie herum herrscht reges
Treiben. In der einen Ecke der Garderobe stehen
ein paar Jungs, schlüpfen in mit Blumen bestickte
Hemden und helfen sich gegenseitig beim Festmachen
des Bauchgürtels. Auf der anderen Seite probt
eine Gruppe von stark geschminkten und in Trachten
gekleideten Mädchen ein altes serbisches Volkslied.
Suzana richtet sich auf, blickt strahlend in ihr
Spiegelbild und erneuert ihren pinken Lippenstift.
Obwohl der Gesang im Hintergrund eine beruhigende
Wirkung hat, ist die Stimmung im Umkleidezimmer
konzentriert und angespannt. Eine der
Sängerinnen läuft nervös im Raum hin und her, übt
immer wieder den Text ein.
„Kein simples Herumgehüpfe“
Folklore kann man sich in etwa so vorstellen: Eine
Gruppe von traditionell gekleideten Mädchen und
Jungen performt eine Show, die alte Bräuche widerspiegelt.
Manchmal geht es um Hochzeiten, Festlichkeiten
wie die Slava (siehe biber-Ausgabe 05/14)
oder um ein Neugeborenes. Das Ganze ist kombiniert
mit altertümlichem Gesang, Gedichten und
einem Volkstanz, der je nach Region eine andere
Schrittfolge hat. Auch das Aussehen der Trachten
ist abhängig von der Gegend. Folklore ist am ganzen
Balkan verbreitet und beinhaltet die Tradition verschiedener
ethnischer Gemeinschaften. In Wien hat
sich eine eigene Subkultur entwickelt. In der gesamten
ex-jugoslawischen Community ist Folklore ein
Bestandteil für die Aufrechterhaltung alter Werte,
doch vor allem in der serbischen Szene ist der Volksbrauch
wichtig. So gibt es sechs große serbische
Vereine in Wien: Stevan Mokranjac, Karadjordje,
Branko Radićević, Bambi und Jedinstvo.
Suzana selbst tanzt seit zwei Jahren bei „KUD
Stevan Mokranjac“ im zehnten Bezirk. Der Klub
bereitet sich für einen Auftritt beim serbischen
Fernsehsender „RTS“ vor. Mehrere Wiener Vereine
sind anwesend, aber als Gewinner der diesjährigen
Europameisterschaft in serbischer Folklore muss
sich der Klub Stevan Mokranjac von seiner besten
Seite zeigen. Im Oktober haben sie sich gegen
insgesamt 60 Teilnehmer bei der EM in Banja Luka,
Bosnien-Herzegowina, bewiesen und sind nun zum
zweiten Mal infolge Sieger. Mit 99 Punkten von 100
möglichen erreichten sie die höchste Punkte-Vergabe
in der Geschichte. Dafür haben sie hart
trainiert: Drei Mal die Woche proben sie, nur wer
regelmäßig trainiert, darf auch mittanzen. Suzana
erzählt, dass das Training knallhart ist, die Tänzer
müssen vollen Körpereinsatz zeigen. „Das ist kein
simples Herumgehüpfe, nach zwei Stunden ist jeder
von uns komplett fertig.“
„Folklore ist ein Teil von mir“
Das bestätigt der Vereins-Choreograph Milorad
Runjo. „Ich verlange viel Disziplin von meinen
Tänzern“, sagt der 36-Jährige. Aber nicht nur das
Trainieren ist zeitaufwendig. Die Tänzer touren oft
auch durch ganz Europa, besuchen andere serbische
Folklore-Vereine und tanzen bei verschiede- ‣
50
JAHRBUCH FÜR INTEGRATION
almanah
JAHRBUCH FÜR INTEGRATION 51
almanah
eines Tanzes höre, weiß ich, was für eine Schrittfolge
gewählt wird“, ist sie sich sicher.
Bei dem Auftritt für das serbische Fernsehen
hat sich KUD Stevan Mokranjac für einen vlachischen
Tanz entschieden, der aus der Region der
serbisch-rumänischen Grenze stammt. Es bleiben
noch 20 Minuten, bevor die Show beginnt. Die
Mimik des Choreographen wird streng, er befiehlt
der Sängerinnen-Gruppe ein letzte Probe. Nebenbei
weist er ein paar Jungs zurecht, deren Kappen schief
sitzen. Er zieht die Schürze eines Mädchens enger,
richtet ihren Haarschmuck. Alle müssen perfekt
aussehen.
nen Veranstaltungen. Die Reisen finanzieren sie
sich selbst. Der Großteil von Suzanas Freundeskreis
tanzt Folklore, die Mitglieder und der Verein sind
eng miteinander verbunden. „Ich identifiziere mich
als Folklore-Tänzerin“, erklärt die 19-Jährige. „Folklore
ist einfach ein Teil von mir.“
Einer von Suzanas Tanzpartnern, Ivan Ban, kann
ihr nur zustimmen. Seit vier Jahren tanzt der Schüler
bei dem Verein Stevan Mokranjac. „Tanzen ist alles
für mich, es ist wie eine Sucht“, beschreibt der
18-Jährige seine Folklore-Liebe. Vielen anderen in
seinem Alter scheint es genauso zu gehen. Allein in
dem Klub Stevan Mokranjac tanzen über 200 Personen.
„Eltern schicken ihre Kinder zum Folklore, weil
es ein sicherer Ort ist und so die serbische Tradition
erhalten bleibt“, meint Saša Božinović, stellvertretender
Obmann des Vereins. Insgesamt gibt es fünf
Tanzgruppen, in der Hauptgruppe ist die Jüngste 15,
der Älteste 25. Es gibt aber keine fixe Gruppe, die
immer auftritt. Es kommt ganz darauf an, wer am
besten tanzt, immer bei den Proben ist und wie viele
Personen auf die Bühne sollen.
„Nach zwei
Stunden Intensivtraining
sind wir alle
völlig außer
Puste.“
Mehr als nur ein Hobby
Nach stundenlangem Warten und Vorbereiten ist
es soweit: Die EM-Sieger sind an der Reihe. Als die
Gruppe die Bühne betritt, stimmen die Musiker des
Vereins mit Trommel, Ziehharmonika und Flöte die
Melodie an. 20 Personen bewegen sich in gleichem
Tempo, die bunt bestickten Trachten der Mädchen
schwingen in der Luft. Ledersandalen berühren kurz
den Boden, bevor sie wieder in die Höhe schnellen.
Die Melodie wird schneller, ein kurzer, hoher Schrei
ertönt während des Tanzes - alles Teil der Show. Das
Publikum applaudiert, der Auftritt ist gut gelungen.
Die Stimmung der Tänzer ist jetzt entspannt,
sie marschieren direkt zur Garderobe, reden ausgiebig
miteinander. Am nächsten Tag findet bereits
die nächste Probe statt, der Verein muss sich für
die nächsten Auftritte vorbereiten. Geld verdienen
die Tänzer übrigens keins, aber darum geht es den
Jugendlichen auch gar nicht. „Wir tanzen nicht, weil
es nur ein Hobby ist oder weil wir Geld bekommen
wollen“, erklärt Suzana. „Wir tanzen Folklore, weil
es eine Verbindung zu unserer Tradition ist.“
Tracht, Schritt, Musik
Der 45-jährige Stellvertreter erzählt weiter, dass der
Gesamtwert der Trachten im fünfstelligen Bereich
liegt. Es handelt sich um handgefertigte Einzelstücke,
die am Balkan hergestellt wurden und bis zu 150
Jahre alt sind. Anhand der Kleidung erkennt jeder
Folklore-Kenner, woher die vorgeführten Stücke
stammen. Zwei weitere Kriterien sind die Schrittwahl
und die Musik. So sieht man anhand dieser
drei Dinge, aus welcher Region des Balkans der Tanz
gewählt wurde oder ob es sich um kroatische, bosnische
oder mazedonische Vereine handelt. Suzana
bestätigt diese Aussage. „Wenn ich die Melodie
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JAHRBUCH FÜR INTEGRATION
almanah
Türkischunterricht
Je mehr Sprachen wir können, desto
besser für uns. Nur Türkisch nicht. Da
wird die Diskussion sofort politisch.
Clemens Fabry
Viele
Migrantenkinder
lernen
ihre Muttersprache
meist
nur vom
Hören.
Literatur, von allem ein bisschen. Für einen ausführlichen
Unterricht waren die Stunden zu wenig, aber
was wir zumindest erhalten haben, war ein Gefühl
für unsere Muttersprache, zu der wir sonst kaum
einen vollständigen Zugang erhalten hätten.
Rumpf
Wenn wir eine Sprache lernen, dann lernen wir sie
automatisch und logisch auf mehreren Ebenen:
Rechtschreibung, Syntax, Aussprache, Redewendungen,
Dialekte usw. Viele Migrantenkinder lernen
ihre Muttersprache aber meistens nur vom Hören,
der Wortschatz ist auf den Wortschatz des Alltags
beschränkt und bleibt auch so. Man bekommt kaum
einen Einblick in all diese Ebenen, die es braucht,
um eine Sprache vollständig zu begreifen. Was
bleibt, ist der Rumpf einer Sprache, die man sprechen,
aber kaum lesen und – viel wichtiger– fühlen
kann. Diese Kinder sind schlecht vorbereitet für den
Deutschunterricht: Sie stolpern in die Schule mit
halben Kenntnissen, und daraus sollen die Lehrer
eine gepflegte Sprache basteln Der muttersprachliche
Unterricht biegt hier einiges zurecht; es ist nur
logisch, diesen Unterricht weiter zu fassen. Mit den
meisten Sprachen passiert das auch.
Dieser Kommentar wurde von
der Tageszeitung „Die Presse“
zur Verfügung gestellt.
In der türkischen Sprache gibt es kein ck, sehr
wohl aber ein hartes k, das rau ausgesprochen, aber
eben nur mit einem k wiedergegeben wird. Im muttersprachlichen
Unterricht in meiner Vorarlberger
Schule haben wir Kinder türkische Wörter oft mit
ck statt k geschrieben. Nicht, dass du glaubst, wir
waren ein begriffsstutziger Haufen: Vielmehr hat
ck, der natürliche Feind unseres Türkischlehrers,
den armen Mann derart an den Rand der Verzweiflung
gebracht, dass seine Vorschläge für Eselsbrücken
immer grotesker wurden. Und darüber haben
wir uns in den Pausen natürlich amüsiert wie Kaiser
und Könige. Kinder sind so grausam, das kannst du
dir überhaupt nicht vorstellen.
Was wir im Türkischunterricht sonst so gemacht
haben: Diktate, vorlesen, Landeskunde, türkische
Nur nicht mit Türkisch.
Dann wird die Debatte – wir sehen es an der aktuellen
Diskussion um die Türkischmatura – sofort
politisch. Dadurch würden die Integrationsbemühungen
zunichtegemacht, heißt es (Umfragen
zufolge führen Türken ja das Integrationsunwilligkeitsranking
an). Aber was an der Tatsache, dass wir
in Österreich mehr Lehrer mit zusätzlichen Fremdsprachenkenntnissen
ausbilden, die in österreichischen
Schulen nach österreichischem Lehrplan
unterrichten, was also daran integrationsfeindlich
sein soll, das habe ich bis heute nicht verstanden.
Duygu Özkan wurde in der Türkei geboren, wuchs in Vorarlberg
auf und schreibt in Wien.
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almanah
Endlich
Mittwoch
TEXT:
Christian Hackl
FOTOS:
Christian Fischer
54
JAHRBUCH FÜR INTEGRATION
almanah
Rekordmeister Rapid hat ein Special Needs
Team gegründet. Die Fußballer haben
geistige oder körperliche Handicaps. Sie
sehen, hören, laufen, kämpfen, spielen,
lachen, weinen und gewinnen gemeinsam.
Es wird nur auf
dem halben
Feld gespielt.
Diese Reportage wurde von
der Tageszeitung „Der Standard“
zur Verfügung gestellt.
Daniel hat ein wesentliches Kriterium gar nicht
erfüllt. Rapid ist ihm ziemlich wurscht gewesen.
Das Geschwafel über Kult, Religion, Lebensphilosophie
ist spurlos an ihm vorbeigezogen. Er kannte
es maximal vom Weghören. Massenansammlungen
meidet er, auf der Tribüne stehen, Fahnen schwenken
und grölen, „war nie meine Welt. Ich mache
lieber selbst Sport.“ Der 29-Jährige rennt gerne, die
100 Meter schafft er in 12,4 Sekunden. Weitspringen
kann er auch. Fußballprofi war nie sein Traumberuf,
insofern ist egal, „dass ich es nicht geworden bin“.
Daniel wollte LKW-Fahrer sein. Hat nicht geklappt,
konnte nicht klappen. „Weil ich praktisch blind
bin.“
Er leidet an Albinismus, einer Erbkrankheit,
die - medizinisch laienhaft ausgedrückt - die Haut
hell und die Augen in vielen Fällen dunkel macht.
Tagsüber sitzt Daniel in der Uni Wien im Callcenter.
„Man muss die Dinge akzeptieren, wie sie sind.“
Es ist Mittwochabend. Seit Mai sind die Mittwochabende
etwas „Spezielles“. Das SK Rapid Special
Needs Team trainiert von 19 bis 20.30 Uhr neben dem
Hanappi-Stadion, das gerade niedergerissen wird.
Die Übungsplätze bleiben von den Baggern vorerst
verschont. Jakob und Florian denken ab Donnerstag
an den Mittwoch. Es sei „wahnsinnig aufregend“, das
grün-weiße Rapid-Dress tragen zu dürfen, sagen sie.
Sie haben das Downsyndrom, sind jeweils 18 Jahre alt
und praktisch unzertrennlich. Die beiden bekommt
man ausschließlich im Doppelpack. Sie lachen
gemeinsam, weinen gemeinsam, kicken gemeinsam.
„Und Tennisspielen können wir auch gemeinsam.“
Jakob ist Küchengehilfe beim Plachutta, er
putzt das Besteck so lange, „bis es glänzt. Ich darf
Reis und Kartoffelpüree kochen. Du glaubst gar
nicht, wie gut das schmeckt. Wenn du willst, mache
ich dir einmal ein Erdäpfelpüree, das ist echt kein
Problem.“ Florian ist in einer Gärtnerei beschäftigt.
Im Herbst, sagt er, sei die Arbeit stressig. „Viel Laub,
das hört nie auf runterzufallen, muss aber weg.“
Feuer und Flamme
Rückblick, Sommer 2013. Rapids Generalmanager
Werner Kuhn weilte in Liechtenstein, sah ein Turnier
von Behindertenteams. „Ich war fasziniert von
diesem Teamgeist, dieser Freude, dieser Fairness,
dieser Normalität.“ Die Akteure hatten unterschiedliche
Handicaps, körperliche und/oder geistige.
Im anglikanischen Raum gibt es diese gemischten
Teams schon seit Jahren, bei Arsenal oder Liverpool
sind sie eine Selbstverständlichkeit. Kuhn wollte
das unbedingt „bei Rapid haben“. Akademie-Leiter
Peter Grechtshammer war erstens Feuer und zweitens
Flamme, das Projekt kam in die Gänge.
Der Grad des Handicaps spielt eher eine untergeordnete
Rolle, der Behindertensportverband hat
bei der Kicker-Auswahl geholfen. Grechtshammer:
„Wichtig war, dass sie sich mit Rapid identifizieren.“
Der Kader umfasst zumindest 16 Spieler, sie
sind zwischen 16 und 35 Jahre alt. Was das Projekt
kostet Kuhn: „In diesem Fall spricht man nicht
übers Geld.“
Jakob und Florian passen perfekt ins Schema. Sie
versäumen praktisch keine Heimpartie der Profis.
Steffen Hofmann nennen sie „Fußballgott“, auch
Terrence Boyd sei super. Dass der mittlerweile für
Leipzig stürmt, ist ihnen wurscht oder entgangen.
„Man soll die Welt nicht so eng sehen.“
Irgendein Mittwochabend seit Mai, kurz vor 19
Uhr. Alle sind pünktlich eingetroffen. Disziplin ist
wichtig. Wer verhindert ist, muss sich abmelden. Sie
fassen Dressen aus, Hektik in der Kabine. Jakob und
Florian umarmen Trainer Jürgen Kerber (sie reißen
ihn fast zu Boden), fragen, wann es denn endlich
losgeht. Kerber sagt: „Gleich.“ Eine kurze Besprechung,
Treppen hoch, raus aufs Feld. Der 29-jährige
Kerber ist Kindergartenpädagoge, betreut seit sechs
Jahren die U14.
Der Vorarlberger strebte eine Karriere als Fußballer
an, allerdings übertraf die Zahl der Verletzungen
jene der Einsätze. Kerber ist mittlerweile „süchtig
nach den Mittwochabenden“. Unterstützt wird
er von Matias Costa und Dominik Formann. „Wir
wollen zeigen, dass jeder, der möchte, Fußballspielen
kann.“ Das Special Needs Team ist für Kerber
„etwas ganz Normales. Es geht darum, besser zu
werden, zu gewinnen. Man soll die Leute fordern,
nicht überfordern.“ Natürlich seien gewisse Grenzen
gesetzt. Es wird nur auf dem halben Feld gespielt,
„das ganze wäre zu groß, zu anstrengend“. Die
Partien dauern zweimal 15 Minuten. „Ich versuche
auch, ihnen Taktik beizubringen. Die Fortschritte
sind enorm.“ Was er selbst von der Arbeit mit ‣
JAHRBUCH FÜR INTEGRATION 55
almanah
Das Problem ist, dass das Specials Needs Team keine Gegner hat. Um sich zu messen, müssen sie ins Ausland reisen.
den Behinderten gelernt hat „Demut, Geduld,
Glück.“
Schlangen sind taub
Erste Aufgabe: „Jeder schnappt einen Ball.“ Der
34-jährige Owen stammt aus Jamaika. Er ist gehörlos,
sieht das Kommando. Der Mann kann kicken,
seine Schüsse sind Striche. Er arbeitet im Reptilienzentrum.
„Schlangen hören auch nicht“, tippt er
später in sein Smartphone.
Die Bälle werden eng am Fuß geführt, Doppelpass,
Gleichgewichtsübungen, Freistöße, internes
Match. Daniel hatte ursprünglich Bedenken. „Ich
dachte nicht, dass es funktioniert. Aber es klappt.
Die Handicaps werden gegenseitig wettgemacht.
Der eine sieht für mich, ich höre für den Tauben
und laufe für den, dessen Beine langsam sind.“
Jakob schießt ein Tor, Florian ist der erste Gratulant,
Kerber sagt: „Das schaut nach Profivertrag
aus.“ Jakob: „Wirklich“ Kerber: „Ich werde mit
Zoran Barisic sprechen.“ Fällt einer um, machen die
anderen abrupt Pause. Steht er auf, applaudieren sie.
Weiter geht‘s.
Daniel, und wie er die Welt sieht: „Ich erkenne
Ich erkenne
den Ball erst
dann, wenn er
knapp vor mir
auftaucht.
den Ball erst, wenn er knapp vor mir auftaucht.
Ich mache ihn aber nicht als Ball aus, sondern als
Fetzen. Schwer zu erklären.“ Sein Erfolg hängt von
den Zurufen ab. „Ich weiß, wo das Tor stehen muss,
das Gefühl entwickelt man.“ Daniel hat mittlerweile
auch das zweite Kriterium erfüllt. Er war im
Rapideum, dem Vereinsmuseum. „Da atmet man
Geschichte ein.“
Das Problem ist, dass das Specials Needs Team
keine Gegner hat. Um sich zu messen, muss ins
Ausland gereist werden. Im Juni wurde ein Turnier
in Liechtenstein und der Schweiz gewonnen. Die
Gegner waren Arsenal, Chelsea, FC Zürich, Benfica
Lissabon. Rapid hat kein Gegentor kassiert.
20.30 Uhr, Trainingsende. Dressen in den Wäschekorb,
duschen. Jakob und Florian sind traurig, Kerber
sagt: „Der nächste Mittwoch kommt bestimmt.“
Daniel würde übrigens jene berühmt-theoretische
Fee, die drei Wünsche vergibt, wegschicken.
„Wer will schon das Gewohnte aufgeben Ich habe,
wie jeder andere, Angst vor Veränderungen. Den
Mittwochabend will ich aber nicht mehr missen.“
Jakob sagt: „Ich will im Fußball gewinnen. Aber
wenn man verliert, geht die Welt auch nicht unter.
Ich koch‘ dir dann ein Erdäpfelpüree.“
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JAHRBUCH FÜR INTEGRATION
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JAHRBUCH FÜR INTEGRATION 57
almanah
Delna Antia,
biber-Akademie 2012
stv. Chefredakteurin
„das biber“
Martin Smetana,
biber-Akademie 2011
Innenpolitikredakteur
„Salzburger Nachrichten“
Amra Ducic´ ,
biber-Akademie 2012
Pressereferentin im
Außenministerium
Monate lang werden je vier Stipendiaten
ausgebildet und sie veröffentlichen
ihre Interviews, Berichte und Reportagen
online und im Heft. Zwei weitere Monate
absolvieren die biber-Akademiker in
einem Partnermedium oder einer Pressestelle
ihrer Wahl.
Made by biber
Sie sind jung, ihre
Wurzeln sind auf der
ganzen Welt verstreut
und sie wollen schreiben.
Die biber-Akademie
bildet Jungjournalisten
mit internationalem
Background aus. Unsere
Absolventen arbeiten
mittlerweile für Medien
wie die Salzburger
Nachrichten, fm4,
Kurier oder auch im
Außenministerium.
Was soll da erst in den nächsten
Jahren kommen Wir blicken auf ein paar
Erfolgsstories unserer „Medienprofis mit
scharf“ zurück. Amra Ducić erinnert sich
gerne an ihre Akademiezeit. „Ich hatte bis
dahin keine Erfahrung im Journalismus,
biber hat mir Einblick in die Medienwelt
gewährt“, erzählt die 26-jährige Bosnierin.
Heute arbeitet Amra in der Presseabteilung
des Außenministeriums, ist dort hauptsächlich
für Integrationsagenden zuständig
und betreut die Social Media Kanäle
des Ministeriums mit. „Ich habe dank der
Akademie gelernt, wie ich mich in dieser
Branche durchsetze.“
Genau aus diesen Gründen wurde die
biber-Akademie 2011 ins Leben gerufen:
Um engagierte Jungjournalisten mit internationalen
Wurzeln für die Medien- und
Kommunikationswelt vorzubereiten. Zwei
Fashionistas und Politikredakteure
Über 60 Jungjournalisten mit und ohne
Migrationshintergrund haben bisher die
biber-Akademie besucht. Viele von ihnen
sind im Journalismus geblieben und verfassen
Beiträge für Medien wie die Salzburger
Nachrichten, fm4, Kurier, Wiener
Zeitung, Heute, Bezirkszeitung und sogar
für deutsche wie stern.de. Andere bleiben
biber treu: 2012 absolvierte Delna Antia
die Akademie, um danach direkt bei den
Großen mitzuspielen. Die Deutsche mit
parsischen Wurzeln ist stellvertretende
Chefredakteurin und koordiniert das Heft
- ganz nebenbei organisiert sie Mode-Fotostrecken
und Fashionshows mit internationalen
Designern.
Die biber-Stipendiaten verschlägt es
in die verschiedensten Richtungen: Zum
Beispiel Marian Smetana, der 2011 in der
Akademie war und heute Innenpolitikredakteur
bei den „Salzburger Nachrichten“
ist. Amra Durić ist nach ihrem biber-Praktikum
direkt in das Kulturressort der
Heute-Zeitung gewechselt und ist dort
seither fix angestellt. Menerva Hammad
hingegen macht von allem ein bisschen:
Nach der Akademie, die sie 2013 besucht
hat, arbeitet sie für den österreichischen
Integrationsfonds. Danach hat die
25-Jährige ein Praktikum beim TV-Sender
PULS 4 gemacht. Nun hat die gebürtige
Ägypterin Österreich verlassen und zog
der Liebe wegen nach Kuwait. Ganz verloren
geht sie Wien aber trotzdem nicht:
Menerva wird biber weiterhin Geschichten
aus arabischen Ländern liefern.
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JAHRBUCH FÜR INTEGRATION
almanah
Sponsoren der biber-Akademie:
Felicitas Matern
„Mir ist eine Versachlichung der Integrationsdebatte sehr wichtig. Dabei können Journalisten
mit Migrationsbackground viel dazu beitragen und daher unterstützen wir die
biber-Akademie. Zudem geht es mir aber auch einfach darum, dass Integration gelebt
wird und auch möglichst viele Menschen mit unterschiedlichsten Lebensgeschichten im
Journalismus beschäftigt sind.“
SEBASTIAN KURZ, Bundesminister für Europa, Äußeres und Integration
„Die Zahl der jungen Menschen mit Migrationshintergrund steigt stetig und sie sind ein
fester Bestandteil der Berichterstattung in der österreichischen Medienlandschaft. Die
biber-Akademie gibt diesen jungen Menschen die Möglichkeit, das nötige Handwerk zu
erlernen, um diese Berichterstattung selbst mitzugestalten – durch ihre persönliche
Betroffenheit, ihr Wissen und ihr Engagement. Wir von der Wiener Städtischen Versicherung
freuen uns, dieses Projekt, das viel zur Integration und zu einem verständnisvolleren
Miteinander beiträgt, zu unterstützen.“
JUDIT HAVASI, Generaldirektor-Stellvertreterin der Wiener Städtischen Versicherung
Ian Ehm
„Wir sind ein internationaler Öl- und Gaskonzern, in dem mehr als 60 verschiedene
Nationen an einem Strang ziehen. Das macht uns erfolgreich und stark. Integration wird
bei uns gelebt und gespürt, einer von uns ist immer in einem unserer 30 Länder neu. Und
dabei hat uns, als OMV, die Idee der biber-Akademie sofort begeistert. Wir wünschen
viel Erfolg und freuen uns auf die neue Kommunikationsgeneration!“
MICHAELA HUBER, Senior Vice President Corporate Communications & Sustainability OMV
OMV
„Damit Diversity und Inklusion keine Slogans bleiben, müssen beide Begriffe mit Leben
erfüllt werden. Daher ist es wichtig, dass engagierte JungjournalistInnen mit migrantischen
Wurzeln ihre Talente und Fähigkeiten einbringen und die Sichtweisen der Medien
erweitern. Gerade der Start in der Medienbranche ist oftmals schwierig. Die Wirtschaftskammer
Wien unterstützt die Biber-Akademie, um diese Generation der neuen
ÖsterreicherInnen auf ihrem Weg zu fördern und zu stärken.“
WALTER RUCK, Wiener Wirtschaftskammer-Präsident
„NOVOMATIC will zu einer vielfältigen Zivilgesellschaft beitragen und unterstützt daher
die Akademie für Nachwuchsjournalisten. Journalisten mit migrantischem Background
bringen eine neue, längst überfällige Sichtweise in die festgefahrene Integrationsdebatte
in Österreich ein.“
HARALD NEUMANN, Generaldirektor Novomatic AG
Weinwurm
Novomatic
„Die Industriellenvereinigung unterstützt gerne die biber-Akademie, da hier offene und
kritische junge Menschen als zukünftige, journalistische Exzellenz Österreichs ausgebildet
und gefördert werden.“
GEORG KAPSCH, Präsident der Industriellenvereinigung
Sabine Hauswirth
Die ÖBB sind eines der öffentlichsten Unternehmen Österreichs. Mehr als 25.000 Zeitungsartikel
erscheinen über uns, aber auch in den neuen Medien und Sozialen Netzwerken
spielen wir eine große Rolle. Junge Medien-Talente auf ihrem Berufsweg zu
unterstützen, liegt also nahe. Die biber-Akademie mit ihrem innovativen Ausbildungsansatz
hat uns sofort überzeugt. Wir wünschen allen Teilnehmern viel Erfolg!
KRISTIN HANUSCH-LINSER, Head of Corporate Communications and Marketing,
ÖBB-Holding AG
Kapsch AG
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almanah
arabisch für »Geschäft«
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JAHRBUCH FÜR INTEGRATION
UNTERNEHMEN & INSTITUTIONEN
Die Regierung verstärkt die Präventionsarbeit gegen Jihadismus. Ein
neues Magazin für Black Lifestyle ist am Markt und die ÖBB erhält den
„DiversCity-Preis“. Das Thema Integration wurde 2014 groß geschrieben
- ein Jahresüberblick.
BERUFSANERKENNUNG FÜR MIGRANTEN VERBESSERT
BERATUNGSHOTLINE GEGEN JIHADISMUS
ÖBB ERHÄLT DEN „DIVERSCITY“-PREIS
BLACK LIFESTYLE AUS WIEN
FAIRE KARRIERE
WIENER MUTBÜRGER
COCA-COLA SPONSERT INTEGRATIONSPREIS SPORT
almanah
Sozialminister
Rudolf Hundstorfer
Dragan Tatiić
Berufsanerkennung für
Migranten verbessert
Die Regierung will die Berufsanerkennung von qualifizierten
Fachkräften aus dem Ausland erleichtern. Vor
zwei Jahren hat sich Sozialminister Rudolf Hundstorfer
für einen Maßnahmenplan eingesetzt, der den
bürokratischen Hürdenlauf verringern soll. Seit 2014
gibt es auch den relaunchten Online-Wegweiser
www.berufsanerkennung.at, der in wenigen Schritten
zur richtigen Kontaktstelle führen soll.
In Österreich gibt es keine einheitlichen Regelungen
in Bezug auf die formale Anerkennung von im Ausland
erworbenen Qualifikationen. Die Verfahren sind abhängig
von den Abschlüssen und den Bereichen, für die sie
benötigt werden. Sozialminister Rudolf Hundstorfer
hat zusammen mit Integrationsminister Sebastian
Kurz einen Maßnahmenplan zusammengestellt, um die
Anerkennung der Qualifikationen von Migranten zu
erleichtern. Dazu gehört eine individuelle Beratung in
den Bundesländern. Außerdem sollen Migranten während
ihres Anerkennungsprozesses von Informations- und
Anlaufstellen unterstützt und begleitet werden. Der
Österreichische Integrationsfonds (ÖIF) hat zudem
zusammen mit dem Außen- und Integrationsministerium
die Webseite www.berufsanerkennung.at überarbeitet und
benutzerfreundlicher gestaltet. Migranten sollen durch
den Online-Wegweiser in wenigen Schritten die richtige
Ansprechperson für ihre Anerkennung finden.
Marko Mestrović
Vier Minister präsentieren die neue Beratungsstelle und
Hotline, die sich gegen Extremismus richtet.
Beratungshotline gegen Jihadismus
Die Regierung verstärkt die Präventionsarbeit gegen
Jihadismus: Eine neue Beratungsstelle und Hotline
soll Betroffenen helfen, die befürchten, dass junge
Menschen in ihrem Umfeld radikalisiert werden.
Im Dezember 2014 präsentierte die Regierung eine neue
Beratungsstelle und eine Hotline, an die sich Familien,
Arbeits- und Schulkollegen, Lehrer und Freunde wenden
können, wenn sich ein Jugendlicher zunehmend von
seinem sozialen Umfeld entfernt. Bei der Hilfestellung
geht es aber nicht nur um Jihadismus, sondern um alle
Formen des Extremismus. Die Beratung erfolgt anonym
und kostenlos, wobei die Anrufe und Mails anonymisiert
dokumentiert werden. Allerdings ist die Hotline nicht
uneingeschränkt anonym: Wenn im Gesprächsverlauf
deutlich wird, dass Gefahr droht, werden die persönlichen
Daten – nach Rücksprache mit dem Anrufer – an den
Verfassungsschutz weitergegeben. Neben der Hotline
gibt es eine Beratungsstelle, die im Familienministerium
angesiedelt ist. Diese besteht aus einem mobilen Team,
das für Krisensituationen ausgebildet wurde. Die Familien
oder die Freunde können so schnell aufgesucht werden.
Die Beratung erfolgt zunächst in fünf Sprachen – Deutsch,
Türkisch, Englisch, Arabisch und Persisch.
62
JAHRBUCH FÜR INTEGRATION
almanah
Sabine Hauswirth
Der ÖBB-Vorstandsvorsitzender Christian Kern
nahm die Auszeichnung für das Unternehmen
entgegen.
ÖBB erhält den „DiversCity“-Preis
Die Wirtschaftskammer Wien (WKO) vergab dieses
Jahr zum vierten Mal den „DiversCity“-Preis. In
der Kategorie „Großunternehmen“ wurde die ÖBB
gekürt.
„DiversCity“ ist eine Auszeichnung für Wiener
Unternehmen, die Maßnahmen zur Förderung
und Nutzung von personeller Vielfalt umsetzen.
Der Preis wird in folgenden Rubriken verliehen:
Kleinstunternehmen, kleine und mittlere
Unternehmen, große Unternehmen sowie einer in
der Sonderkategorie „ethnische Ökonomie“. Die
Verleihung fördert Unternehmen, die sich zukunftsweisend
in den Bereichen ethnische Herkunft, Alter,
Geschlecht, Religion, sexuelle Orientierung und
Behinderung einsetzen und wird mit einem Preisgeld
von € 3.000 unterstützt. Außerdem ist es Ziel des
Preises, Anreiz für die Auseinandersetzung mit Vielfalt
zu schaffen. Weitere Gewinner waren das biber-Magazin,
die Jobplattform „Careesma“ und „Henkel“.
Die Jury setzt sich aus Unternehmern, Pädagogen und
Persönlichkeiten in der Wirtschaft zusammen.
fresh Magazin - Black Austrian Lifestyle
Black Lifestyle aus Wien
Das österreichische „fresh“ Magazin ist vieles:
schwarz, popkulturell, aber auch sozialkritisch.
Das Lifestyle-Magazin will zeigen, wie vielfältig,
selbstbewusst und global der Black Austrian Way of
Life ist.
Afrikanische Designer, Musiker oder Promis mit “black
roots” runden das “fresh” Magazin genauso ab wie
Karriere-Wege und Bildungsthemen, Haarpflege-Tipps
oder Kulinarik aus dem afrikanischen Raum. „fresh“
ist erstmals im Juli 2014 erschienen und wird in
Restaurants, beim Frisör, beim Arzt, in Kulturzentren
und Universitäten, sowie bei verschiedenen
Partnerfirmen in Wien, Graz, Linz, Klagenfurt,
Innsbruck, St. Pölten und Bregenz zur freien Entnahme
aufliegen.
Sowohl die stellvertretende Chefredakteurin Vanessa
Spanbauer als auch Marie Noel Ntwa sind ehemalige
biber-Akademikerinnen. Die beiden sind zwei der
vielen Frauen in der schwarz-weißen Redaktion.
Die Inhalte richten sich aber nicht ausschließlich
an afrikanische Österreicher, sondern an alle, die
Österreich durch die Afro-Brille sehen möchten.
JAHRBUCH FÜR INTEGRATION 63
almanah
Die beiden Veranstalter Manuel Bräuhofer und Manfred Wondrak
haben 2014 zum vierten Mal die fair.versity organisiert.
Amélie Chapalain
Eser Ari-Akbaba und Nuno Maulide haben dieses Jahr
den „Wiener Mut“ Preis erhalten.
Christoph Liebentritt
Wiener Mutbürger
Christoph Liebentritt
Faire Karriere
Bereits zum zweiten Mal lockte die Karrieremesse
fair.versity an die 2000 Besucher ins Wiener
Rathaus, wo am 23. September 2014 alles unter
dem Motto „Gender & Diversität“ stand. Moderiert
wurden die 100 Vorträge über Geschlechter und
deren Bedeutung sowie Unterschiede in der
Wirtschaft von Schauspielerin und transgender
„Kunstfigur“ Lucy McEvil.
Unter der Leitung und Planung von Manuel Bräuhofer
und Manfred Wondrak bot die fair.versity alles für
den Karriereweg: vom Lebenslauf-Check bis zum
kostenlosen Porträtfoto. Die Workshops setzten sich
aus unterschiedlichen Perspektiven mit Diversität
auseinander. Unter anderem stellte Bestseller-Autor
Christian Seidel sein Projekt „Die Frau in mir“ vor.
Bei diesem zweijährigen Selbsterfahrungsexperiment
versuchte er als Frau zu leben und hat dabei die
Geschlechterdebatte neu angeheizt. Das VIP-Business-
Speed-Dating ermöglichte jedem, Persönlichkeiten
aus Wirtschaft, Politik und TV kennenzulernen
und sich schnell wissenswerte Tipps zu holen. Wer
dieses Jahr nicht dabei war, kann das am 23. Oktober
2015 nachholen. Die fair.versity’15 findet unter dem
Stichwort „Generationen & Work-Life-Balance“ im
Museum für angewandte Kunst in Wien statt.
2014 wurde der „Wiener Mut“ Preis verliehen.
Menschen, die sich für kulturelle und sprachliche
Vielfalt in Wien engagieren, wurden in insgesamt
sechs Kategorien und mit zwei Sonderpreisen
ausgezeichnet.
Die Initiatoren von „Wiener Mut“ sind der Verein Wirtschaft
für Integration und das ORF Landesstudio Wien.
Der Preis ist eine Auszeichnung für alle Wiener, die sich
beruflich, ehrenamtlich und/oder privat dafür einsetzen
Österreichs Hauptstadt zu bereichern. Bewerben
können sich alle, die die Stadt vielfältiger und bunter
machen. 2014 wurde der Preis in sechs Kategorien
vergeben: Bildung, Bühne, Kulinarik, Sport, Wirtschaft
und Wissenschaft. Außerdem gab es zwei Sonderpreise
in den Bereichen Flucht und Migration.
Zwei Gewinner des Preises sind Eser Ari-Akbaba
und Nuno Maulide. Die in Wien geborene Kurdin und
ORF-Wetterfrau Eser ist stellvertretende Obfrau in
dem Verein „Nubigena Wolkenkind“. Im Rahmen von
Schulbesuchen vermittelt der Verein Schülern, was es
bedeutet als Flüchtling zu leben. Dafür hat die Initiative
den Sonderpreis im Bereich Flucht und Migration
erhalten. Nuno Maulide arbeitet als jüngster Professor
an der Universität Wien. Der 35-Jährige möchte den
Wissenschaftsort Wien internationaler positionieren.
Dafür wurde er in der Kategorie Wissenschaft prämiert.
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JAHRBUCH FÜR INTEGRATION
almanah
Impressum
Medieninhaber:
biber Verlagsgesellschaft m.b.H.
Herausgeber und Chefredakteur:
Simon Kravagna
Redaktionelle Leitung:
Alexandra Stanić
George Alaba, Coca-Cola-Unternehmenssprecher Philipp
Bodzenta und Sportminister Gerald Klug waren bei der
Preisverleihung.
Integration durch Sport
Der Integrationspreis Sport wurde 2014 zum
siebenten Mal verliehen – mit dabei: Coca-Cola als
Kooperationspartner. 12 innovative Sportprojekte
wurden mit insgesamt 15.000 Euro ausgezeichnet.
Integration durch Sport: Das ist das Ziel der
Preisverleihung. Integrations- und Außenminister
Sebastian Kurz, Sportminister Gerald Klug und
der österreichische Städtebund verliehen im
November 2014 die Auszeichnung an 12 vielfältige
Sportinitiativen. „Sport und ehrenamtliches
Engagement leisten einen wichtigen Beitrag dazu,
dass sich Menschen mit Migrationshintergrund
in Österreich wohl fühlen. Fairplay, gemeinsames
Engagement und Teamgeist sind Werte, die uns alle
verbinden, egal, woher wir kommen“, so Sebastian
Kurz. Auch Coca-Cola war von den Sportinitiativen
beeindruckt. „Coca-Cola steht für Integration und
Sport und was liegt näher, als Projekte wie den
Integrationspreis Sport intensiv zu unterstützen.
Es zeigt sich einmal mehr, welch großartige
Möglichkeiten Sport für die Integration bietet. Sport
verbindet Kulturen und wenn man dabei zusätzlich
noch etwas für die Gesundheit tun kann, ist das
perfekt!“, so Unternehmenssprecher Philipp Bodzenta.
Der mit 3.000 Euro dotierte Hauptpreis wurde auch 2014
von Coca-Cola präsentiert und ging an ein Gesundheitsförderungsprojekt
für muslimische Frauen.
Gabriel Rizar
Redaktion:
Delna Antia
Amar Rajković
Marina Delcheva
Alexandra Stanić
Maida Dedagić
Adam Bezeczky
Gizem Yazgan
Melisa Aljović
Olivia Mrzyglod
Gastautoren:
Philipp Woldin (ZEIT ONLINE)
Duygu Özkan (Die Presse)
Clemens Neuhold (Wiener Zeitung)
Christian Hackl (Der Standard)
AD & Grafik:
Dieter Auracher
Fotoredaktion:
Marko Mestrović
Projektkoordination:
Irina Obushtarova
Adam Bezeczky
Lektorat:
Christina Gaal
Druck:
NEOGRAFIA, a.s.
Sucianska 39A, 038 61 Martin - Priekopa
Auflage:
55.000
Kontakt:
biber Verlagsgesellschaft m.b.H.
Museumsplatz 1, E-1.4, 1070 Wien
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+43 1 95 77 528
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JAHRBUCH FÜR INTEGRATION 65
almanah
Dimitre Ovtcharov
LETZTE WORTE:
Todor Ovtcharov
Bloß nicht
beschweren!
Wisst ihr wo sich die Städte Sofia, Freiburg, Tallinn
und Tel-Aviv treffen In meinem Zimmer in
Wien. Denn hier sitzt meine Freundin M. und plaudert
mit ihren Freundinnen auf Skype.
Maggie ist eine Kollegin von M., die sie an der
Universität in Sofia kennengelernt hat. Vor einigen
Monaten hat Maggie die bulgarische Hauptstadt
verlassen und ist nach Freiburg zu ihrem deutschen
Freund gezogen. „Es ist so langweilig in der
deutschen Provinz. Alle sprechen nur über Geld und
Arbeit“, erzählt Maggie. Es wirkt so, als ob sie sich
beklagen will, aber ihrer Tonart nach zu urteilen
gibt sie eigentlich ein bisschen an. „Ich habe das
Gefühl, dass die Leute hier ständig nur arbeiten und
einkaufen, weil es sonst nichts anderes zu tun gibt.
Tom ist ganz lieb zu mir, gestern hat er mir ein neues
Kleid gekauft und wir gehen jeden Abend in einem
schönen Restaurant essen.“
Villi, die ein Masterstudium in Estland macht,
mischt sich ins Gespräch ein. „Also wenn man
über langweilige Orte spricht, dann ist Tallinn
die langweiligste Stadt der Welt“, beginnt sie ihre
Erzählung. „Alles ist so kalt und erfroren, ich dachte
da steigt die große Party, aber nein, nur Langeweile
und Heavy Metal Konzerte.“ Villi würde niemals ein
Konzert verpassen, egal um welches Genre es geht.
Sie hört sich so an, als hätte sie die ganze Nacht
mitgesungen. Ihre Stimme klingt wie die von Tom
Waits.
M. versucht etwas Positives ins Gespräch zu
bringen. „In Tallinn muss es ja auch kalt sein!“,
verteidigt sie Estlands Hauptstadt und stellt Eli
eine suggestive Frage zu Tel Aviv. „Tel Aviv ist doch
sicherlich prima“ Aber die Architektin muss sie
enttäuschen. „Nein, gar nicht“, so Eli. Neulich fuhr
Tallinn,
Sofia,
Freiburg
und Tel
Aviv
beneiden
M. um ihr
interessantes
Leben
in Wien.
sie nach Israel, um dort ihr Glück zu versuchen.
„Ich lerne die Sprache den ganzen Tag und habe für
nichts anderes Zeit. Es ist sonst ganz waaaarm“, sagt
Eli. Auf ihrem Skypebild trägt Eli einen Bikini. Die
Art wie sie „warm“ ausspricht, lässt erahnen, dass
es ihr blendend geht. M. zittert und kuschelt sich in
ihren dicken Wollschal. „Und dir Kathi, geht es dir
besser in Sofia“
Kathi ist die einzige der Freundinnen, die in
der gemeinsamen Geburtsstadt der vier geblieben
ist. „Oh ja, hier steigt, wie ihr wisst, ständig eine
Riesenparty! Ich habe weiterhin meinen blöden
staatlichen Job. Jeder versucht weiterhin nichts zu
machen und sein miserables Gehalt zu kassieren!“
Ein Anflug von Stolz ist in ihrer Stimme zu erkennen
- sie ist die einzige, die einen festen Job hat.
Nur M. sagt nichts. Vielleicht weil ich im Zimmer
bin und ungewollter Zeuge ihrer Skypegespräche
bin. Sie kann weder mit einem neuen Kleid, noch mit
einem Heavy Metal Konzert, noch mit einem festen
Job angeben. Außerdem ist es bei uns ziemlich
kalt, da ich die Heizung nicht einschalte, um Geld
zu sparen. Sie will nicht erzählen, dass ihr in Wien
langweilig ist. M. unterbricht das Gespräch. „Wir
gehen jetzt auf eine Ausstellung!“ Aus dem anderen
Ende der Leitungen erklingen bewundernde Schreie.
Tallinn, Sofia, Freiburg und Tel Aviv beneiden M. um
ihr interessantes Leben in Wien. Nur blöd, dass M.
statt auf eine Ausstellung zu gehen, Flyer für eine
Ausstellung verteilt.
Todor Ovtcharov ist Kolumnist der Zeitschrift biber und FM4.
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JAHRBUCH FÜR INTEGRATION
Österreich blüht auf – dank den zahlreichen Bahnfahrern,
die mit jedem Kilometer CO 2
sparen.
Mehr Infos zur App auf oebb.at/greenpoints