Beetle in Bayern - Heike Platow

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Unser Reporter-Duo Auch im wirklichen Leben ein Team, waren Heike Platow (27) und Ingo Kohlschein (29) gemeinsam für den ADAC traveller unterwegs. Ihre sechstägige Erlebnis-Route durch Oberbayern führte sie vom Chiemsee über die Eggstätter Seenplatte und den Waginger See bis zum Königssee. Die Fortbewegungsmittel: ein Beetle Cabrio mit Tab-Anhänger, ferner Fahrräder, Katamaran & Sommerrodel. Mit im Gepäck: ein altes Schlauchboot aus Kindertagen und ein nagelneuer Grill. CAMPING Oberbayern Sonnenbaden am Chiemseestrand, und morgen geht’s zur Herreninsel MANCHE HUPEN. Andere lachen und winken. Fremde schenken uns ihre Vorfahrt, kurbeln die Fenster herunter, strecken die Daumen hoch. Die Komplimente gelten nicht uns, sondern unserem New Beetle Cabrio mit Tab-Anhänger – das Auto wohlgerundet, der Wohnwagen ein liegendes Riesen-Ei. Mit 100 Kilometern pro Stunde zuckeln wir über die A8, eskortiert von einem Motorradfahrer, der locker auf Tempo 200 beschleunigen könnte, uns aber off enbar spannender fi ndet als den Geschwindigkeitsrausch. Die Gerbera in der Beetle-Vase wippt im Takt von „I am sailing“. Oldie-Nachmittag bei Bayern 3 – passend zu unserem Retro-Look. Schließlich könnte der Tab von Tabbert ein Designobjekt aus den Siebzigern sein. Campen gehen, nicht nur mit Zelt und Gaskocher wie zu Schulzeiten, sondern mit allem Drum und Dran – für uns ist das die Premiere. Zum ersten Mal haben wir im Urlaub ein fahrbares Zuhause dabei. Sind ausgestattet mit Küche, Doppelbett und Steckdosen. Sogar an die Campingplatz-Reservierungen haben wir gedacht. „Ist doch spießig“, meinten unsere Hamburger Freunde unisono, als wir von unserem Auft rag erzählten. Eine ganze Woche Camping in Oberbayern! Heißt das nicht: Eingepfercht sein zwischen Wohn wagen und Holzkohlegrills? Jeden Morgen anstehen vor Gemeinschaft sduschen? Eigentlich mögen wir Fernreisen. Legen Wert auf Privatsphäre. Sind noch unter dreißig. Trotzdem möchten wir mal wieder in den bayerischen Seen planschen, an die wir schon als Kinder geschleift wurden. Die Alpen entdecken, nachdem wir Asien kennen. Beim Campen die Natur erleben, die mit unserem norddeutschen Flachland so wunderbar kontrastiert. Auch der Spießigkeits-Vorwurf prallt an uns ab: Auf der A8 haben sich Beetle und Tab als Dream-Team erwiesen. 1. TAG Stopp in einer Bäckerei in Prien am Chiemsee. Brav ordern wir Semmeln statt Brötchen, schließlich wollen wir Nordlichter die Bayern nicht gleich verärgern. Ein paar sprachliche Eigenheiten dürfen die sich ruhig leisten, haben sie doch Deutschlands höchste Berge, sonnigstes Wetter, süffi gstes Bier! Den einzigen Mangel – keine Küste im Freistaat – beseitigten sie mit einem defi nitorischen Kniff : Sie kürten ihr größtes Gewässer, den Chiemsee, einfach zum „Bayerischen Meer“. Nicht übel für 80 Quadratkilometer Wasserfl äche! Nur 26 Meter liegen im Schnitt zwischen Grund und Spiegel, und zumindest Marathonläufer können den kleinsten „Ozean“ der Welt zu Fuß umrunden. Aber immerhin: Vor 10 000 Jahren aus den Gletschern der letzten Eiszeit entstanden, wurde der Chiemsee aus den Wassern des Th etismeeres gespeist, das einmal fast halb Europa bedeckte. Wie ein echtes Meer ist er einer Art Tidenhub ausgesetzt: Bei Luft druckschwankungen aufk ommende Wellen können den Wasserstand um bis zu 30 Zentimeter heben. Und sogar zwei Eilande hat der See zu bieten: Frauen- und Herreninsel, die sich mit Kulturdenkmälern erster Klasse gegenseitig überbieten – einer Benediktinerabtei Fotos: Heike Platow (2) Wer in Prien am Chiemsee etwas auf sich hält, hat einen eigenen Katamaran – oder segelt mit Campingplatz-Chef Ritzi Zünftige Brotzeit auf dem Adersberg Panorama-Camping Harras: Die besten Stellplätze liegen direkt am Wasser Bayerische Kühe haben’s gut. Nirgends grast es sich so schön wie auf Almen mit Blick auf Chiemsee und Kampenwand Berchtesgaden zu Füßen, den Tab im Schlepptau und mit 100 PS der Sonne entgegen! 34 ADAC TRAVELLER 01/05 35
Wo soll man nur zuerst hinschauen? Auf die barocke Kirche St. Bartholomä am Königssee oder auf den Watzmann, der über ihren roten Kuppeln thront? CAMPING Oberbayern Lederhosen-Schick am Platz Allweglehen von 770 und Schloss Herrenchiemsee, in dem König Ludwig II. residierte. Auf einer Landzunge im See kuppeln wir unseren Tab ab. Genauer: auf dem Panorama-Campingplatz Harras in Prien. Herrscher über die Halbinsel ist Platzbetreiber Klaus Ritzinger, der grinst wie ein Lausbub und den alle schlicht „Ritzi“ nennen. Er zeigt uns unsere Parzelle am Wasser (mit Kieselstrand und Kampenwandblick!) und dann seinen am Ufer geparkten Katamaran. Ob wir mitkommen wollten, fragt er, zeigt auf den See und hisst das neonbunte Segel. Kurz darauf hängen wir schon im Trapez. Ritzi steuert an Herren- und Fraueninsel vorbei, erzählt von den Fuchsjagden, die hier im Herbst ohne Fuchs, dafür aber mit Heringslake als Lockmittel stattfi nden, und auf dem Rückweg kennen wir seine Lebensgeschichte. Dann geht alles ganz schnell. Die Berge verschwinden im Nebel, und über der Kampenwand türmen sich dicke schwarze Wolken auf. Als das Unwetter lostobt, sitzen wir schon im Tab, der mit ausgeklapptem Bett (175 x 200 cm), Koff ern und uns ähnlich voll gestopft ist wie ein Überraschungsei. Draußen blinken Wetterwarnleuchten. Eine Piratenfl agge zerrt an ihrer Stange auf dem Wohnwagen nebenan, und das Regenprasseln auf unserem Dach mischt sich mit „Supertrouper“-Klängen, die der Wind von der Priener Seebühne her übers Wasser in unsere Richtung peitscht. Dann macht das Gewitter Schluss mit Disco-Pop: Mitten in „Waterloo“ drehen die Organisatoren des Open-Air-Musicals „Abba“ den Sängern die Mikros ab. Während die Zuschauer drüben, auf der anderen Seeseite, ins Trockene fl üchten, bereiten wir im Tab Spaghetti zu – das simpelste Gericht für unsere Mini-Küche. Aber wir haben den Wohnkomfort überschätzt. Es dampft wie verrückt. Die Scheiben beschlagen. Hitze und Luft feuchtigkeit wie in den Tropen! Auf der Suche nach der Fertigsauce, die sich irgendwo in einer Kiste versteckt, schichten wir unser Gepäck von links nach rechts und wieder zurück, klappen Holzdeckel hoch und entdecken Fächer, deren Existenz wir bisher nicht einmal ahnten. Zum Essen bauen wir das Bett auseinander und die Sitzbank zusammen, stopfen die Decken in Fächer und zaubern den Tisch hervor, der – eingeklappt – eben noch das Bettgestell war. Nach dem Kochen zieren rote Tomatensprenkel die Wände. Wir sind wunderbar satt. Als der Regen nachlässt, schlafen wir mit einem Klangspiel im Ohr ein: dem Klopfen und Klirren der im Hafen gegeneinander schaukelnden Segelboote. 2. Tag Um 9 Uhr morgens hat die Sonne unser Ei auf Rädern wieder aufgeheizt. Wir stellen unseren Klapptisch ans Ufer und frühstücken mit den Füßen im Wasser; zwei Enten machen sich über die Brotkrumen her. Programm für heute: Radeln im Chiemgau! Unsere Route zur Eggstätter Seenplatte führt uns durch Orte mit seltsamen Namen – wer sich wohl Schafwaschen ausgedacht hat? Auf jedem Dorfh ügel steht eine Kirche. Hier und da gesellt sich ein Spitzdach unter die typisch bayerischen Zwiebeltürme. Zeltwiese mit Alpenpanorama: Camper lieben das Berchtesgadener Land Gaumenfreuden FRISCH GERÄUCHERT Wer Fisch mag, wird den Königssee lieben: Hechte, Renken, Barsche und See forellen tummeln sich in Deutschlands sauberstem Stehgewässer. Die schlechte Nachricht: Der Einzige, der hier angeln darf, ist der Berufsfi scher von St. Bartholomä. Und jetzt die gute: In seinem Fischerstüberl neben der Kirche verkauft er jeden Tag frischen Fisch aus der Räucherkammer. St. Bartholomä am Königssee, unmittelbar neben der Wallfahrtskirche „Cool, der Anhänger. Dürfen wir auch mal reingucken?“ 37
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