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Die gesamte Ausgabe 1/2010 als pdf-Datei - Senioren Zeitschrift ...

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Pflege pro Tag – reicht das?<br />

Gewaltprävention in Altenheimen<br />

Auf der Tagung „Gewaltprävention in stationären<br />

Einrichtungen der Alten- und Behindertenhilfe” im<br />

September des vergangenen Jahres ging es um die<br />

großen Probleme: zu wenig Personal und zu wenig Zeit in<br />

der Pflege. Was muss unternommen werden, damit Gepflegte<br />

und Pflegende besser in Pflegeheimen leben und arbeiten<br />

können? <strong>Die</strong> Rahmenbedingungen von Pflegeberufen sind eng,<br />

darin liegt ein strukturelles Gewaltpotenzial. 120 Tagungsgäste<br />

– vorwiegend aus der Pflege – nahmen an der<br />

Veranstaltung teil.<br />

Der Begriff Gewalt sei vielschichtig, sagte Volker Gussmann,<br />

Leiter Fachbereich Pflege der Hessischen Heimaufsicht.<br />

Pflegekräfte stünden oft unter Zeitdruck und könnten dem<br />

Einzelnen dadurch nicht die nötige Aufmerksamkeit schenken,<br />

die er brauche. Zeitdruck verursache ein Gefühl der<br />

Überforderung und Unzufriedenheit. <strong>Die</strong>se könnten sich in<br />

unterschiedlichsten Formen der Gewalt gegenüber den zu<br />

Pflegenden äußern. Daher müsse für eine entsprechende Person<strong>als</strong>truktur<br />

gesorgt werden. Gussmann forderte beständige<br />

Weiterbildung von Pflegekräften und mahnte die Leitungskräfte<br />

an, die Pflegenden vor Überforderungen zu schützen.<br />

Komme es aber zu Übergriffen im <strong>Die</strong>nst, etwa weil sich eine<br />

Pflegekraft angegriffen fühlt und sich wehrt, so empfahl<br />

Volker Serth, Rechtsanwalt in Frankfurt, den Pflegenden,<br />

diesen Vorfall unmittelbar schriftlich zu dokumentieren<br />

und sofort die Heimleitung zu informieren. Um diese Problemlagen<br />

möglichst früh bewusst zu machen, sei in der<br />

Altenpflegeausbildung Hessens die Gewaltprävention im<br />

Rahmenlehrplan verbindlich, erklärte Dr. Marie-Luise Marx<br />

vom Hessischen Ministerium für Arbeit, Familie und Gesundheit.<br />

Zudem wolle man, dass freiheitsentziehende<br />

Maßnahmen grundsätzlich vermieden werden. Wenn sie<br />

aber unumgänglich seien, etwa im Falle der akuten Selbstoder<br />

Fremdgefährdung, müssten sie fachlich, ethisch und<br />

rechtlich einwandfrei geregelt sein.<br />

Fixierungen haben meist<br />

schädigende Wirkungen<br />

Ein Plädoyer gegen Fixierungen in Heimen hielt Doris<br />

Bredthauer, Professorin an der FH Frankfurt. Den beruflichen<br />

wie ehrenamtlichen Betreuern gegenüber hätten<br />

Pflegekräfte zu begründen, warum eine Fixierung bei einem<br />

Bewohner notwendig sei. Axel Bauer, Betreuungsrichter in<br />

34 SZ 1/<strong>2010</strong><br />

Frankfurt, äußerte sich über die Pflichten der Berufsbetreuer<br />

und beklagte die Kürzung der Betreuervergütung seit 2005.<br />

Seitdem werde eine bewohnerorientierte Entscheidungsfindung<br />

in kritischen Situationen erheblich eingeschränkt.<br />

Würde ist nicht messbar<br />

Im Grundgesetz formuliert der Artikel 1 die Achtung der<br />

Menschenwürde und gibt ihr den Vorrang vor allen anderen<br />

Normen. Das Heimgesetz habe die Würde der Bewohnerinnen<br />

und Bewohner in Heimen vor Beeinträchtigungen zu<br />

wahren, sagte Jutta Schwenkglenks, Leiterin des Hessischen<br />

Amtes für Versorgung und Soziales, Frankfurt. Das, was den<br />

Menschen in seinem Geist und Denken, seiner Freiheit und<br />

Innerlichkeit ausmache, ließe sich nicht messen, sondern<br />

nur achten. Wer achtet, erfährt, was einem alten Menschen<br />

wichtig ist, und vermag ihn wertzuschätzen.<br />

Pflege unter Zeitdruck und<br />

ohne öffentliche Wertschätzung<br />

<strong>Die</strong> Tagung ist gut besucht.<br />

Foto: Rix<br />

„Wir müssen die Sicht der Pflege nach außen tragen und<br />

sagen, was 26 Pflegezeitminuten für den Pflegenden und für<br />

den Bewohner bedeuten”, sagte Ruth Schwerdt, Professorin<br />

an der FH-Frankfurt. Sie bezog sich dabei auf eine beispielhafte<br />

Minutensumme, die für die Unterstützung bei Teilwäsche<br />

und beim Kleiden für einen Heimbewohner mit Demenz<br />

pro Tag zur Verfügung stehen kann. Je nach Situation<br />

sei eine bedürfnis- und bedarfsangemessene Pflege in dieser<br />

Zeit nicht zu erbringen. Zu wenig Pflegezeit erhöhe daher<br />

das Gewaltrisiko, so Schwerdt.<br />

Dabei sind es nicht nur erdrückende Rahmenbedingungen<br />

und knappe Zeitressourcen, die den Pflegenden die Arbeit<br />

erschweren. Ruth Gärtner, die im Krankhaus Nord-West in<br />

Frankfurt die innerbetriebliche Fortbildung leitet, äußerte<br />

sich über die mangelnde öffentliche Wertschätzung: „Es wird<br />

Zeit, dass die Pflege in der Mitte der Gesellschaft ankommt.”<br />

Zur Veranstaltung eingeladen hatten das Hessische Versorgungsamt<br />

Frankfurt sowie die Hessische Heimaufsicht<br />

des Regierungspräsidiums Gießen. Sie wurden von ihren<br />

Kooperationspartnern, dem gastgebenden Versorgungshaus<br />

und Wiesenhüttenstift, der Fachhochschule Frankfurt, der<br />

Anwaltskanzlei FPS sowie dem Frankfurter Forum für<br />

Altenpflege unterstützt. red

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