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Reisebericht I: Marathon auf der großen Chinesischen Mauer

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Bericht: <strong>Marathon</strong> <strong>auf</strong> <strong>der</strong> <strong>großen</strong> <strong>Chinesischen</strong> <strong>Mauer</strong> / 2006<br />

„<strong>Marathon</strong> <strong>auf</strong> <strong>der</strong> <strong>großen</strong> chinesischen <strong>Mauer</strong>“ – diese<br />

kleine Schwarz-Weiß-Anzeige in L<strong>auf</strong>zeitschriften war mir<br />

schon früher <strong>auf</strong>gefallen; schließlich erinnerte sie mich<br />

jedes Mal an den Zeitungs- und S3-Fernsehbericht vom<br />

<strong>Mauer</strong>l<strong>auf</strong> <strong>der</strong> Reutlinger IGL-Läufer Gudrun und Gernot<br />

aus dem Jahr 1997. Ihr damaliger Kommentar, dies sei<br />

<strong>der</strong> bislang anspruchsvollste L<strong>auf</strong> ihres Lebens gewesen<br />

und dass sie diesen nie mehr wie<strong>der</strong>holen würden, um<br />

sich die Einmaligkeit dieses Erlebnisses zu bewahren,<br />

blieb mir nachhaltig im Gedächtnis. „Etwas so Verrücktes<br />

werde ich nie machen....“, so o<strong>der</strong> so ähnlich werde ich<br />

mich wohl damals geäußert haben. ...<br />

Aber seither sind Jahre vergangen und ich bin selbst mehr als 40 <strong>Marathon</strong>s gel<strong>auf</strong>en, und irgendwie<br />

hat mich diese kleine Anzeige im Winter 2005 gereizt, mir die Unterlagen schicken zu lassen,<br />

schließlich passte <strong>der</strong> Termin in die späten Sommerferien. Was ich erhielt, war jedoch nicht einfach ein<br />

„Prospekt einer Sportreise“, son<strong>der</strong>n eine liebevoll in Klein<strong>auf</strong>lage hergestellte Info-Broschüre mit<br />

faszinierenden Bil<strong>der</strong>n. Ein Telefonat mit dem freundlichen Organisator Wichart Hölscher aus München<br />

führte zum Entschluss, mich für dieses „L<strong>auf</strong>-Abenteuer“ anzumelden. „Wichi“ hat übrigens selbst eine<br />

beeindruckende Anzahl von Extrem-Läufen in <strong>der</strong> Wüste o<strong>der</strong> im ewigen Eis – häufig selbst<br />

organisiert – sowie u.a. die dreimalige Teilnahme am Hawai-Triathlon vorzuweisen.<br />

Da die Streckenbeschreibung in <strong>der</strong> Broschüre selbst sehr knapp gehalten war („Der gesamte<br />

Wettkampf ... findet <strong>auf</strong> <strong>der</strong> Großen <strong>Chinesischen</strong> <strong>Mauer</strong> statt, die im L<strong>auf</strong>bereich in wun<strong>der</strong>schöner<br />

hügeliger Landschaft liegt. Die Strecke wird beim <strong>Marathon</strong> 4-mal durchl<strong>auf</strong>en.“), suchte ich im Internet<br />

nach L<strong>auf</strong>berichten: darin wurden neben den hohen Temperaturen, die zu bewältigende<br />

Höhendifferenz von insgesamt 1500 Metern und vor allem die ca. 60 000 Stufen, also jeweils 30<br />

Tausend <strong>auf</strong>- und abwärts, (diese Zahl findet sich in vielen Berichten, wobei Zweifel angebracht sind)<br />

als größte Schwierigkeiten beschrieben.<br />

Bei einer Internet-Recherche mit den Suchbegriffen „<strong>Marathon</strong> + China“ landet man meist <strong>auf</strong> den<br />

Seiten <strong>der</strong> Alternativ-Veranstaltung http://www.great-wall-marathon.com/ , die von Leuten aus<br />

Dänemark organisiert wird. Dieser <strong>Marathon</strong> im Mai mit ca. 300 Finishern verläuft jedoch nur zu<br />

einem Drittel direkt <strong>auf</strong> <strong>der</strong> <strong>Mauer</strong>. Im Gegensatz dazu ist es <strong>der</strong> Anspruch von W. Hölscher seinen<br />

L<strong>auf</strong> seit 1996 ausschließlich <strong>auf</strong> <strong>der</strong> <strong>Mauer</strong> selbst durchzuführen, was eine beson<strong>der</strong>e logistische<br />

Herausfor<strong>der</strong>ung darstellt. Nur im Jahr 2003 konnte dieser Extreml<strong>auf</strong> wegen SARS nicht durchgeführt<br />

werden.<br />

Auszüge aus: http://de.wikipedia.org/wiki/Chinesische_<strong>Mauer</strong><br />

Die „Große Chinesische <strong>Mauer</strong>“ ist mit 6350 Kilometern Länge (Hauptmauer 2400 km) und damit<br />

auch hinsichtlich Volumen und Masse das größte Bauwerk <strong>der</strong> Welt. Dabei besteht die <strong>Mauer</strong> aus<br />

einem System mehrerer teilweise auch nicht miteinan<strong>der</strong> verbundener Abschnitte unterschiedlichsten<br />

Alters und Bauweise. Die Anfänge liegen in vorchristlicher Zeit; die heute bekannte Form dürfte im 15.<br />

Jh. entstanden sein. Die Maße <strong>der</strong> <strong>Mauer</strong> sind recht unterschiedlich; im Gebiet von Peking sind 4 bis<br />

8 m Breite an <strong>der</strong> Basis sowie eine Höhe von 6 bis 9 m üblich. Im Abstand von einigen hun<strong>der</strong>t Metern<br />

wurden ungefähr 12 m hohe Türme errichtet, die als Waffenlager und Signaltürme dienten. Es wird<br />

geschätzt, dass bis zu 25.000 solcher Türme in <strong>der</strong> <strong>Mauer</strong> integriert waren und dass 15.000 weitere<br />

Signaltürme die Kommunikation mit <strong>der</strong> Hauptstadt sichern sollten. (Schöne Bil<strong>der</strong> auch zu finden bei:<br />

http://www.grossemauer.de/ ) Während einige Teile <strong>der</strong> <strong>Mauer</strong> nahe Touristenzentren erhalten o<strong>der</strong><br />

sogar restauriert wurden, sind große Teile <strong>der</strong> <strong>Mauer</strong> in schlechtem Zustand.<br />

Für die Organisatoren eines <strong>Mauer</strong>-<strong>Marathon</strong>s bedeutet dies<br />

erstens, dass es sehr schwierig ist, die Genehmigung <strong>der</strong><br />

chinesischen Behörden für ein solches L<strong>auf</strong>-Event zu erhalten,<br />

und zweitens sind oftmals neue Streckenvarianten erfor<strong>der</strong>lich,<br />

da <strong>auf</strong> stark beschädigten Passagen die Durchführung eines<br />

„Wettl<strong>auf</strong>es“ nicht zu verantworten wäre. Um dies<br />

vorwegzunehmen, auch beim diesjährigen L<strong>auf</strong> gab es bei den<br />

wenigen Stürzen zum Glück nur leichte Schrammen; <strong>der</strong><br />

Transport eines Schwerverletzten ins nächste Krankenhaus<br />

wäre schwierig; ein Rettungshubschrauber - wie bei den<br />

Bergläufen in den Alpen - steht hier nicht zur Verfügung.


- 2 -<br />

Vorbereitungsphase: Nach <strong>Marathon</strong>läufen in Bonn und Leinfelden und mit ca. 2000 Trainings-Km bis<br />

August war – trotz Fersenproblemen - die Basis für eine Ausdauerleistung gesichert; auch 1500<br />

Höhenmeter hatte ich bei früheren Läufen – wenn auch zeitweise gehend – ganz gut bewältigt; so<br />

blieb als spezielle Vorbereitung vor allem das Treppenl<strong>auf</strong>en, was ich mehrmals an <strong>der</strong><br />

Fußgängerbrücke über die Bahngleise beim neuen Landratsamt trainierte: 40 Stufen hin<strong>auf</strong> und<br />

wie<strong>der</strong> herab mit jeweils 2 x 20 Wie<strong>der</strong>holungen, also über 3000 Stufen.<br />

Abreise: Am 28. August traf in München die fast 100 Personen umfassende Reisegruppe zum Flug<br />

nach Peking zusammen; Flugzeit ca. 10 Stunden, Zeitverschiebung 6 Stunden. In den nächsten Tagen<br />

gab es viel Besichtigungsprogramm: Tian’An Men-Platz, Lamatempel, Ming-Gräber, Altstadt Hutong<br />

und natürlich den Kaiserpalast = „Verbotene Stadt“ und vieles mehr.<br />

Ein <strong>Reisebericht</strong> würde hier den Rahmen sprengen, nur kurz<br />

einige Eindrücke: Die Mo<strong>der</strong>nität Pekings mit Hochhäusern<br />

und Baustellen; chaotischer Straßenverkehr: viele<br />

Luxuswagen inmitten von Radfahrern; Frühsport <strong>der</strong><br />

Chinesen in den Parks; geringe Englisch-Kenntnisse auch<br />

<strong>der</strong> jungen Chinesen; Angebot von günstigen Sportschuhen,<br />

lei<strong>der</strong> nur bis Größe 42; Wan<strong>der</strong>arbeiter, die direkt <strong>auf</strong> den<br />

Baustellen schlafen; viel Werbung als Olympiastadt 2008 ...<br />

Vom Leben <strong>der</strong> Millionen <strong>auf</strong> dem Land habe ich kaum etwas<br />

erfahren; auch die Zwänge eines autoritären Einparteien-<br />

Systems trotz marktwirtschaftlicher Öffnung bekommt man<br />

als Tourist nicht mit, da einem durch die Sprachbarriere <strong>der</strong> Zugang zu lokalen Medien verschlossen<br />

bleibt, obwohl uns <strong>der</strong> chinesische Reiseführer „Hans“ offen und informativ viele Fragen beantwortete.<br />

Müde vom täglichen Sightseeing verzichtete ich <strong>auf</strong> weiteres L<strong>auf</strong>training, das in<br />

einem Bambuswäldchen in Hotelnähe (Sino-Swiss) möglich war. Erst vor <strong>der</strong><br />

Nudelparty am Freitagabend wurden wir über die Details <strong>der</strong> Strecke eingehend<br />

informiert, die Fotos und Zeichnungen <strong>der</strong> Treppen, Eisenleitern und Übergänge<br />

beeindruckten uns. Die teilweise <strong>auf</strong>geworfene<br />

Frage, ob bzw. wie angesichts des Streckenprofils<br />

und <strong>der</strong> vielen verschiedenartigen Stufen<br />

überhaupt eine exakte Vermessung <strong>der</strong> Strecke<br />

möglich sei, wich <strong>der</strong> Erkenntnis, dass die<br />

Bewältigung <strong>der</strong> Strecke <strong>auf</strong> jeden Fall weit<br />

mehr Ansprüche stellte als mancher „gefürchtete“ Alpin-<strong>Marathon</strong>.<br />

Noch war die Möglichkeit gegeben, sich zum Halbmarathon o<strong>der</strong> 10-km-L<strong>auf</strong> umzumelden, was ich<br />

aber nicht in Erwägung zog. Nach <strong>der</strong> Nudelparty verblieben noch 32 Läufer/-innen <strong>auf</strong> <strong>der</strong> <strong>Marathon</strong>-<br />

Starterliste, darunter einige erfahrene Berg- und Extremläufer; aber auch einige <strong>Marathon</strong>-Neulinge,<br />

die mit Bravour diese Herausfor<strong>der</strong>ung meisterten.<br />

Samstag, 2. September: 5 Uhr Frühstück, 6 Uhr Abfahrt zum ca. 150 km entfernten <strong>Mauer</strong>abschnitt<br />

nordöstlich von Peking. Angesichts des starken Verkehrs im Großraum Peking dauerte trotz neuer<br />

Autobahnabschnitte die Anfahrt länger als geplant und zu unserer Überraschung war vom<br />

Busparkplatz bis zur <strong>Mauer</strong> noch ein gut viertelstündiger Fußmarsch berg<strong>auf</strong> notwendig, um an den<br />

Startplatz zu gelangen. Kein strahlen<strong>der</strong> Sonnenschein wie im Vorjahr, wie wir <strong>auf</strong> den Bil<strong>der</strong> immer<br />

gesehen hatten, kein „Foto-Wetter“, son<strong>der</strong>n eine etwas diesige Sicht, jedoch erträgliche<br />

Temperaturen von ca. 20 Grad in dieser Gegend, die ca. 800 m über NN liegt.<br />

Start:<br />

Zwar begleitete <strong>der</strong> Profi-Fotograf Michael Müller, <strong>der</strong><br />

<strong>auf</strong> L<strong>auf</strong>veranstaltungen häufig Bil<strong>der</strong> macht, die<br />

Reisegruppe und hielt das L<strong>auf</strong>geschehen fest, (siehe:<br />

http://www.foto-team-mueller.de/), trotzdem entschloss<br />

ich mich <strong>auf</strong> <strong>der</strong> 1. Runde eine Einmalkamera<br />

mitzunehmen, um einige Eindrücke selbst im Bild<br />

festzuhalten. Um 10 Uhr – mit 1 Stunde Verspätung –<br />

startete das kleine Läuferfeld (ca. je 1/3 <strong>Marathon</strong>, HM<br />

bzw. 10 km) bzw. beginnen wir die erste steile Treppe<br />

<strong>auf</strong> dem von Touristen relativ wenig besuchten<br />

<strong>Mauer</strong>abschnitt hochzusteigen.


- 3 -<br />

Soll ich 1 o<strong>der</strong> 2 Stufen <strong>auf</strong> einmal nehmen Nur langsam,<br />

oben wir es sicher flacher. Einfach mal anhalten, um ein Foto<br />

zu machen. Die Stufen wollen nicht <strong>auf</strong>hören. Ganz selten<br />

kommt eine etwas flachere Passage, <strong>auf</strong> <strong>der</strong> ich zu joggen<br />

beginne, nach 10 – 20 Metern, wie<strong>der</strong> Stufen. Vorbei an <strong>der</strong><br />

zentralen Verpflegungsstelle, dann schon wie<strong>der</strong> Stufen, fast<br />

30 cm hoch, hin<strong>auf</strong> zum ersten Turm. Drinnen ist es kühl und<br />

düster. Eine steile Steintreppe hoch, durch die Fensteröffnungen<br />

sieht man ein faszinierendes Panorama; zum<br />

Ausgang, wie<strong>der</strong> einige Treppen hinunter und wie<strong>der</strong> hoch,<br />

weit vorne sehe ich die Ersten; keine längere L<strong>auf</strong>passage in<br />

Sicht. Nach je<strong>der</strong> Biegung, nach jedem Turm, ein neuer Panoramablick, einfach mal zurückschauen,<br />

die Sicht genießen, eigentlich zu schade, sich hier zu beeilen, Gesprächsfetzen: „ein traumhafter Tag“,<br />

„kannst du mal ein Foto von mir machen“, „diesen L<strong>auf</strong> muss man einfach genießen“ .... Obwohl ich<br />

den Wendepunkt noch nicht erkennen kann, kommen mir die ersten Wettläufer entgegen; zuerst <strong>der</strong><br />

„eingeflogene“ amerikanische Bergl<strong>auf</strong>spezialist Court Lilly, <strong>der</strong> mit <strong>der</strong> Zeit von 3:12:56 <strong>der</strong><br />

überlegene Sieger sein wird.<br />

Nach einem steilen Anstieg über eine halb verfallene Treppe komme ich endlich auch am Wendepunkt<br />

1 an und werde freundlich begrüßt. Die Nicht-Startenden aus <strong>der</strong> Reisegruppe leisten an den<br />

Kontrollpunkten bzw. Verpflegungsstationen zusammen mit ca. 20 Hotel-Bediensteten wichtige<br />

Helferdienste, was hier dankbar erwähnt sei. Vor allem in den harten Schlussrunden half ihr netter<br />

Zuspruch doch vielen über „Schwächemomente“ hinweg und gab Mut, auch die restliche Strecke<br />

anzugehen.<br />

Die Strecke hatte die Form eines dreistrahligen Sterns bzw. eines Ypsilons: Im Mittelpunkt befand<br />

sich die zentrale Verpflegungsstation. Von dort aus war <strong>der</strong> längste „Strahl“ zum höchsten KP 1 knapp<br />

2,5 km lang und musste 5-fach, d.h. nach dem Start doppelt, die<br />

beiden an<strong>der</strong>en Teilstrecken jeweils 4-fach bewältigt werden.<br />

KP 2 war <strong>der</strong> tiefstgelegene Punkt, nur knapp 1 km vom Zentrum<br />

entfernt.. Die dritte Strecke (ca. 1 km) führte in eine Senke und<br />

dann sehr steil zum hochgelegenen KP 3. Die Kilometer waren<br />

nicht ausgeschil<strong>der</strong>t; meine KM-Angaben sind subjektive<br />

Schätzungen; Läufer mit GPS-fähigen Uhren ermittelten teilweise<br />

geringere Distanzen, was jedoch auch <strong>auf</strong> Messfehler angesichts<br />

<strong>der</strong> steilen Treppen zurückzuführen sein könnte. Aber diese<br />

Diskussion ist müßig.<br />

Zurück zum L<strong>auf</strong>geschehen: In <strong>der</strong> zweiten Runde, nun ohne Kamera und Fotostopps und mit<br />

Streckenkenntnis, kam ich schneller voran und überholte einige Läufer <strong>der</strong> kürzeren Distanzen, bei<br />

denen nach 2 Stunden die Kräfte schwanden und die Beine schmerzten. Acht Starter/innen gaben <strong>auf</strong>;<br />

sechs machten von <strong>der</strong> Möglichkeit Gebrauch, <strong>auf</strong> eine kürzere Distanz zu wechseln. Als L<strong>auf</strong>zeit<br />

wurde dann die Zeit des Letzten dieser Kategorie + 10 Minuten gewertet. Anlass für Aufgabe bzw. das<br />

Wechseln <strong>der</strong> Distanz war häufig nicht nur die Härte und Anfor<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> Strecke, einige waren auch<br />

durch Magenprobleme vom „chinese food“ geschwächt und konnten somit lei<strong>der</strong> ihr sportlichen Ziel<br />

nicht voll realisieren. Schwäche, Erschöpfung bzw. Trittunsicherheit stellen aber beim <strong>Mauer</strong>l<strong>auf</strong> bzw.<br />

beim Auf- und Abstieg <strong>der</strong> unregelmäßigen Treppenstufen ein hohes Sturz- und Unfallrisiko dar und<br />

es spricht für alle Teilnehmer, dass sich bei diesem L<strong>auf</strong> niemand übernommen hat.<br />

Selbst die nur ca. 3 cm hohen Erhebungen <strong>der</strong> vielen Regenabl<strong>auf</strong>rinnen <strong>auf</strong> den flacheren Passagen<br />

stellen bei müden Beinen tückische Stolperfallen dar und erzwingen dauernde Konzentration und<br />

Anpassung <strong>der</strong> Schrittlänge.<br />

Als ich in <strong>der</strong> zweiten „schnelleren“ Runde die steilen, verfallenen<br />

Treppen zum Kontrollpunkt 3 wohl etwas zu rasch hochgestiegen<br />

war, hatte ich fast meinen Maximalpuls erreicht; das spürte ich,<br />

wenn ich auch ohne Pulsmesser lief. Ich gönnte mir eine<br />

mehrminütige Schn<strong>auf</strong>pause und nahm mir vor, alles langsamer<br />

anzugehen, keine Zwischenzeiten mehr an den Kontrollpunkten zu<br />

stoppen, um einfach nur heil ins Ziel zu kommen. Da die Sonne<br />

teilweise durch Wolken verdeckt war und <strong>der</strong> Wind etwas Kühlung<br />

brachte, absolvierte ich die dritte Runde ohne beson<strong>der</strong>e Schwierigkeiten und als erfreulicher Zufall<br />

ergab sich, dass ich den Zieleinl<strong>auf</strong> meiner Frau, die mutig die 10 Km (in Wirklichkeit waren es wohl<br />

mehr als 12 km) bewältigt hatte, begleiten konnte.


- 4 -<br />

Die fünf schnellsten <strong>Marathon</strong>is waren bereits im Ziel (Schnellster <strong>der</strong> Reisegruppe war Kurt<br />

Strohbeck, M50, TSV Althütte, in <strong>der</strong> sehr guten Zeit von 3:41:42), als ich mich <strong>auf</strong> die vierte und letzte<br />

Runde machte. Das Treppensteigen wurde zunehmend mühsamer; wenn möglich versuchte ich nun,<br />

die Hände helfend einzusetzen, aber ein Gelän<strong>der</strong> gibt es <strong>auf</strong> <strong>der</strong> <strong>Chinesischen</strong> <strong>Mauer</strong> lei<strong>der</strong> nicht.<br />

Wenn es <strong>auf</strong> den kurzen Flachstücken bzw. niedrigen Stufen <strong>auf</strong> den ersten beiden Runden bereits<br />

für mich schwierig war, einen L<strong>auf</strong>rhythmus zu finden, da die Schrittlänge fast immer durch<br />

unregelmäßigen Stufen vorgegeben war, so versuchte ich jetzt nur noch zügig zu gehen bzw. beim<br />

Abwärtsl<strong>auf</strong>en Sprünge bzw. „Erschütterungen“ zu vermeiden, um keinen<br />

Krampf zu provozieren. Der <strong>Mauer</strong>-<strong>Marathon</strong> weist durchgängig einen<br />

„steinharten“ Untergrund <strong>auf</strong>. Von den 18 <strong>Marathon</strong>-Finishern lag ich<br />

„ungefährdet“ <strong>auf</strong> dem viertletzten Platz und war mit mir selbst und dem<br />

Rest <strong>der</strong> 60 000 Stufen ( – beim nächsten <strong>Mauer</strong>l<strong>auf</strong> werde ich<br />

nachzählen, grins) beschäftigt.<br />

Nur einmal deutete ein deutliches Ziehen im Oberschenkel an, dass die<br />

Belastungsgrenze fast erreicht war; nach vorsichtigem Dehnen war <strong>der</strong><br />

leichte Schmerz aber wie<strong>der</strong> verschwunden. Ein letztes Mal den<br />

mühsamen, ja jetzt quälenden Anstieg zum Kontrollpunkt 3 hin<strong>auf</strong>; dort<br />

nach langer Zeit wie<strong>der</strong> ein Blick <strong>auf</strong> die Uhr: dreiviertel Vier. Ein längerer<br />

Abstieg noch, dann <strong>auf</strong>wärts zum Ziel. Zurufe und Beifall „verführten“<br />

mich, die letzten 60 Meter <strong>der</strong> Treppe hochzurennen, im Ziel - mit<br />

Maximalpuls – knapp unter 6 Stunden - als glücklicher Finisher.<br />

Einen <strong>großen</strong> Vorteil hatten die langsamen <strong>Marathon</strong>läufer im<br />

Vergleich zu allen an<strong>der</strong>en Teilnehmern, wir mussten nicht mehr<br />

lange <strong>auf</strong> die Siegerehrung warten. Nach einer kleinen<br />

„Katzenwäsche“ mit<br />

Mineralwasser – Duschen<br />

gibt es <strong>auf</strong> <strong>der</strong> <strong>Mauer</strong> nicht<br />

– und Klei<strong>der</strong>wechsel<br />

fand schon bald in<br />

würdiger Atmosphäre <strong>auf</strong><br />

<strong>der</strong> <strong>Mauer</strong> die<br />

Siegerehrung statt: Die Übergabe einer kunstvoll gestalteten<br />

Urkunde und <strong>der</strong> goldglänzenden Pokale im<br />

Abendsonnenlicht <strong>auf</strong> <strong>der</strong> <strong>Chinesischen</strong> <strong>Mauer</strong> werden in<br />

Erinnerung bleiben.<br />

Dreistündige Rückfahrt zum Hotel, Abendessen im Hotelgarten ab 21:30 Uhr, wegen deutlicher<br />

Müdigkeit Verzicht <strong>auf</strong> eine große Siegesfeier; am nächsten Morgen sind Spannungen in den<br />

Oberschenkeln beim Abwärtsgehen deutlich zu spüren, aber es gibt ja Aufzüge, insgesamt habe ich<br />

die extreme L<strong>auf</strong>belastung erstaunlich gut verkraftet.<br />

Am Montag tritt ein Drittel <strong>der</strong> Teilnehmer bereits die Rückreise an;<br />

wir bleiben eine weitere Woche und entscheiden uns für einen 3-<br />

Tages-Ausflug nach Shanghai - Alternative wäre die Besichtigung<br />

<strong>der</strong> Terracotta-Armee in Xiang gewesen.<br />

Am Sonntag vor <strong>der</strong> Abreise gibt es noch eine 4-stündige<br />

Wan<strong>der</strong>ung bei Bil<strong>der</strong>buchwetter <strong>auf</strong> <strong>der</strong> <strong>Chinesischen</strong> <strong>Mauer</strong>, vom<br />

<strong>Marathon</strong>start über den Kontrollpunkt 1 hinaus nach Simatai.<br />

Der „L<strong>auf</strong>“ <strong>auf</strong> <strong>der</strong> <strong>großen</strong> <strong>Mauer</strong> war eine sportliche<br />

Herausfor<strong>der</strong>ung, bei <strong>der</strong> Wan<strong>der</strong>ung genießen wir die<br />

beeindruckende Landschaft und das Bauwerk, das zum<br />

Weltkulturerbe gehört.<br />

Ein herrlicher Abschluss dieser Sportreise nach China mit <strong>der</strong><br />

Möglichkeit, „Mitglied“ in einem „exklusiven Club“ zu werden:<br />

http://www.great-wall-marathon-finisher.de/<br />

Möge dieser Bericht viele Läufer/-innen animieren, die Bedingungen für eine Aufnahme zu erfüllen.<br />

Gerhard Günther, LAV Tübingen

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