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Das Protokoll des Fachgesprächs als [pdf] - Heide Rühle

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Die EU-Dienstleistungsrichtlinie<br />

Segen oder Fluch<br />

Fachgespräch von Bündnis 90/Die Grünen am 14.3.2005 im Bayerischen Landtag<br />

Wortprotokoll<br />

(von den RednerInnen nicht autorisiert)<br />

ReferentInnen:<br />

<strong>Heide</strong> <strong>Rühle</strong>, MdEP, stellvertretende Vorsitzende der Fraktion DIE GRÜNEN/ Europäische<br />

Freie Allianz im Europäischen Parlament<br />

Dr. Wolfgang Heubisch, Vizepräsident der Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft<br />

(vbw) und Präsident <strong>des</strong> Verban<strong>des</strong> Freier Berufe in Bayern<br />

<strong>Heide</strong> Langguth, Stellvertretende Vorsitzende <strong>des</strong> DGB-Lan<strong>des</strong>bezirkes Bayern<br />

Moderation:<br />

Dr. Martin Runge, MdL, Wirtschaftspolitischer Sprecher von BÜNDNIS 90/DIE<br />

GRÜNEN im Bayerischen Landtag und Vorsitzender <strong>des</strong> Ausschusses für Bun<strong>des</strong>und<br />

Europaangelegenheiten <strong>des</strong> Landtages


Dr. Martin Runge begrüßt die anwesenden Gäste und stellt die Referentinnen und<br />

Referenten vor.<br />

Er begrüßt zudem auch die anwesenden Abgeordneten der Fraktion, Ruth Paulig<br />

und Eike Hallitzky, Christine Kamm und Christian Magerl<br />

Dr. Martin Runge: Die Dienstleistungsrichtlinie wurde von der Europäischen Kommission<br />

Anfang letzten Jahres <strong>als</strong> Entwurf vorgelegt. Die Richtlinie soll ein elementarer<br />

Baustein der Lissabon-Strategie sein. Die Lissabon-Strategie wird momentan<br />

wieder neu diskutiert. Es wird Bilanz gezogen, was eigentlich daraus geworden ist.<br />

Unter der niederländischen Präsidentschaft hat man geschaut, wieweit man nun mit<br />

dieser Strategie ist. Was hat man dam<strong>als</strong> in Lissabon vereinbart<br />

Wir erinnern uns: Europa soll bis zum Jahr 2010 zum wettbewerbsfähigsten und dynamischsten<br />

wissensbasierten Wirtschaftsraum der Welt werden. Bei der Erreichung<br />

dieses Zieles soll die Dienstleistungsrichtlinie, angesetzt auf 2010 - eher kann die<br />

Dienstleistungsrichtlinie allerdings auch nicht greifen - ein elementarer Baustein sein.<br />

Es gibt die eine oder andere Studie, auch im Auftrag der Europäischen Kommission,<br />

die nun im Jubel von sehr viel Wachstum und Wertschöpfung spricht. Zudem werden<br />

viele hunderttausend Arbeitsplätze mehr gesehen, wenn Schranken bei den Dienstleistungen<br />

eingerissen werden.<br />

<strong>Das</strong> Besondere der Dienstleistungsrichtlinie, das man kritisch stellen kann, ist der<br />

horizontale Ansatz. Sonst kennt man immer das sektorale Vorgehen, beispielsweise<br />

die Sektorenrichtlinien Gas, Strom oder auch die Verordnung zur Vergabe gemeinwirtschaftlicher<br />

Verkehrsleistungen. Und wenn es doch einmal übergreifend ist, dann<br />

gibt es wieder einen reduzierteren Ansatzpunkt in anderer Weise, ich denke da an<br />

die Dienstleistungskoordinierungsrichtlinie, bei der es vor allem um die Art und Weise<br />

öffentlicher Aufträge geht. Diesmal sollen alle Dienstleistungen erfasst werden, die<br />

entgeltlich erbracht werden.<br />

Inhaltliche Schwerpunkte der Dienstleistungsrichtlinie sind u.a. zum einen die Niederlassungsfreiheit<br />

und zum anderen das Herkunftslandprinzip. <strong>Das</strong> heißt, bei vorübergehend<br />

erbrachten Dienstleistungen sollen die Vorschriften gelten, die in den Herkunftsländern<br />

<strong>des</strong> Dienstleisters gelten und nicht die Vorschriften <strong>des</strong> Lan<strong>des</strong>, in dem<br />

die Dienstleistungen erbracht werden. Wobei es jetzt schon viele Ausnahmen gibt<br />

und im Laufe der Diskussion noch sehr viel mehr Ausnahmen dazu kommen sollen.<br />

Ob diese vielen Ausnahmen und Sonderregelungen dann die Transparenz fördern<br />

werden, bleibt fraglich.<br />

Es gibt starke Bedenken gegen den Entwurf wie gegen das Verfahren generell. Argumentationen<br />

wie die Absenkung von Sozi<strong>als</strong>tandards, die automatische Lohnabsenkung<br />

und die Schwierigkeit von Kontrollen sind hier zu hören. Es gibt Beschwichtigungen,<br />

dass selbstverständlich Rechtskohäsion gegeben wäre, es gilt die Entsen-


derichtlinie und so es sie gibt Entsendegesetze und auch die Richtlinie zur Anerkennung<br />

von Qualifikationen. Aber in der Praxis sieht es dann doch schwieriger aus,<br />

werden Entsenderichtlinie und Entsendegesetz schon jetzt nicht eingehalten. Auch<br />

greifen diese nur da, wo Tariflohn existiert. Was passiert, wenn die Kontrollen nicht<br />

mehr in Deutschland durchgeführt werden dürfen<br />

Ganz stark in der Diskussion sind die audiovisuellen Dienstleistungen und kulturellen<br />

Angebote. Auch bei der kommunalen <strong>Das</strong>einsvorsorge, die zwar nicht erfasst sein<br />

soll beim Herkunftslandprinzip, gibt es Fragezeichen und Ausrufezeichen. Generell<br />

gibt es keine klaren Fronten in der Diskussion. Von Seiten der Kammern wie Handwerkskammern<br />

oder Industrie- und Handelskammern werden starke Bedenken geäußert.<br />

Fragen nach dem Bestand <strong>des</strong> Meisterzwangs werden gestellt. Auch die<br />

Frage, wie es mit der Zwangsmitgliedschaft aussieht, spielt eine Rolle.<br />

Da sehen Grüne auch wieder einen Hoffnungsschimmer, da die Zwitterfunktion der<br />

Kammern auf vielen Ebenen sehr fragwürdig ist. Wir ärgern uns im Landtag häufig<br />

über die Scheinheiligkeit und Doppelzüngigkeit <strong>des</strong> einen oder anderen Funktionärs.<br />

Ganz aktuell in der Diskussion sind die Sportwetten. Die öffentliche Hand, sprich die<br />

Länder, pocht hier auf ihr Monopol, weil man angeblich die Bürger vor der Spielsucht<br />

bewahren will. Deswegen dürften da keine Privaten rein. Die Manipulationsanfälligkeit<br />

bei Öffentlichen ist aber nicht geringer, wie man jetzt an Oddset sehen konnte.<br />

De facto geht es den Finanzministern und den Chefs der staatlichen Lotterie darum,<br />

bei ihren Pfründen zu bleiben und die Privaten außen vor zu lassen. Auch hier kann<br />

die Dienstleistungsrichtlinie greifen und kann für Veränderungen in der Diskussion<br />

sorgen.<br />

Dr. Runge beschließt damit seine Einleitung und leitet über an <strong>Heide</strong> <strong>Rühle</strong> mit den<br />

Fragen nach dem weiteren Vorgehen mit dem Entwurf der Kommission und der Position<br />

der Grünen.<br />

<strong>Heide</strong> <strong>Rühle</strong>: <strong>Das</strong> Europäische Parlament ist voll mitbestimmungsberechtigt von der<br />

ersten bis zur dritten Lesung, momentan findet die 1.Lesung statt. <strong>Das</strong> Parlament hat<br />

hier Vetorechte, muss sich aber auch einig sein und eine klare Mehrheit finden. Rat<br />

und Kommission haben bereits große Zweifel geäußert, große Teile <strong>des</strong> Rates haben<br />

den Entwurf der Dienstleistungsrichtlinie zurückgewiesen. Der neue Kommissar<br />

McCreevy wird nicht gegen den Widerstand großer Länder die Richtlinie durchziehen.<br />

Er will sie aber, allerdings in veränderter Form. Eigentlich wäre es sinnvoll, diesen<br />

Entwurf zurückzuziehen, damit es eine neue Handlungsgrundlage gibt. Da damit<br />

nicht zu rechnen ist, müssen Änderungsanträge auf der Basis <strong>des</strong> vorliegenden Entwurfes<br />

gestellt werden. <strong>Das</strong> können bis zu 2000 Änderungsanträge werden. Damit<br />

vergibt man sich aber auch die Chance, einen verständlicheren Text vorzulegen. Der<br />

Gesetzestext sollte aber neu vorgelegt werden, da er oft nicht eindeutig formuliert ist<br />

und durch die Änderungsanträge noch schwieriger zu lesen sein wird. Aber hier hat<br />

das Initiativrecht nur die Kommission, das Parlament kann keinen Gesetztext vorlegen.<br />

Auch der Rat wird sich auf der Basis der vorliegenden Richtlinie bewegen. Die<br />

Grüne Fraktion fordert <strong>des</strong>halb das Zurückziehen <strong>des</strong> Entwurfs und eine neue Vorlage.


Meine Kritik ist, dass der Entwurf ein viel zu weites Spielfeld umfasst. Grundsätzlich<br />

ist es wichtig, eine Richtlinie hierzu zu machen. Sie wissen, dass es im Bereich der<br />

Dienstleistungen sehr viele Hemmnisse und Abschottungsversuche der Mitgliedsstaaten<br />

gibt. Es gibt EuGH-Urteile, die umgesetzt werden müssen, die Gesetzgebung<br />

auf der europäischen Ebene sollte man aber nicht dem Europäischen Gerichtshof<br />

überlassen. Grundsätzlich <strong>als</strong>o ja zu einer Richtlinie, die Frage ist nur zu welcher<br />

Ein erster Kritikpunkt an der Richtlinie ist, dass diese einerseits Bürokratie abbauen<br />

muss und andererseits gerechtfertigte Standards erhalten soll. Diese werden aber<br />

nun generell in Frage gestellt, der Entwurf berücksichtigt somit nicht beide Aspekte.<br />

Der zweite Kritikpunkt bezieht sich darauf, dass die bisherigen Ergebnisse der Liberalisierung<br />

nicht einfließen. Es gibt keine Studie dazu, was bisher erfolgt ist, was die<br />

Vor- und Nachteile sind und wie sinnvolle Lösungen in einer neuen Richtlinie ausschauen<br />

könnten. Zudem gibt es keine eigene Studie zu positiven und negativen Aspekten<br />

der Vorlage. Was ist der negative Impact dieses Entwurfes Was kann man<br />

machen, um negative Aspekte abzuschwächen Wesentliche Grundsätze der bisherigen<br />

EG-Verträge werden in der Vorlage in Frage gestellt. Der Grundsatz der Subsidiarität<br />

u.a. im Bereich Bildung und allgemein der <strong>Das</strong>einsvorsorge und der Grundsatz<br />

der Verhältnismäßigkeit der Gesetzgebung sind durch die Breite dieses Ansatzes<br />

in Frage gestellt.<br />

Der dritte Kritikpunkt bezieht sich auf die fehlende Einbeziehung der Auswirkung anderer<br />

Richtlinien, am deutlichsten sichtbar bei der <strong>Das</strong>einsvorsorge. Hier gibt es einen<br />

nicht abgeschlossenen Prozess. Es wurden ein Grünbuch und ein Weißbuch<br />

erarbeitet. Es steht die Frage einer Rahmenrichtlinie zur <strong>Das</strong>einsvorsorge an. Es gibt<br />

keine Vorlage zur Abgrenzung der Dienstleistungen im allgemeinen Interesse, <strong>als</strong>o<br />

der <strong>Das</strong>einsvorsorge, von den Dienstleistungen <strong>des</strong> wirtschaftlichen Interesses. Auf<br />

welcher Grundlage gibt es Beihilfekontrollen, wie sollen Beihilfen erfolgen Äußerst<br />

problematisch ist, dass in dem Vorschlag zur Dienstleistungsrichtlinie alle Dienstleistungen<br />

erfasst sind, sofern sie Entgelte beinhalten. Entgelte können auch Gebühren<br />

sein, auch Entgelt durch Dritte wie den Staat. Dadurch ist keine Abgrenzung zur <strong>Das</strong>einsvorsorge<br />

gegeben. <strong>Das</strong> muss geklärt werden.<br />

Momentan gibt es auch eine intensive Arbeit an Rom I und Rom II. Da geht es um<br />

die allgemeinen Schuldverhältnisse. Auch da ist nicht geklärt, in welchem Verhältnis<br />

die neue Dienstleistungsrichtlinie sich dazu stellt. Rom I und Rom II arbeiten mit dem<br />

Gastlandprinzip. Wie wird das nun abgegrenzt <strong>Das</strong> gleiche Problem stellt sich mit<br />

der Richtlinie zur gegenseitigen Anerkennung der Berufsqualifikationen, die sich gerade<br />

in der zweiten Lesung befindet, wo ebenfalls das Herkunftslandprinzip verworfen<br />

wird. Oder auch die Richtlinie zum unlauteren Wettbewerb, wo ebenfalls das<br />

Herkunftslandprinzip verworfen wird. Unklar ist das Verhältnis zur Entsenderichtlinie.<br />

Die Entsenderichtlinie selbst wird teilweise durch die Dienstleistungs-Richtlinie eingegrenzt,<br />

es gibt aber keine klaren Definitionen. Unklar ist auch der gesamte Bereich<br />

Multimedia. In die Richtlinie „Fernsehen ohne Grenzen“ wird der Hörfunk nicht einbezogen.<br />

Heißt das jetzt, dass der Hörfunk anders <strong>als</strong> das Fernsehen definiert wird<br />

Was hat das für Auswirkungen auf das Verhältnis Hörfunk und Fernsehen


Dann gibt es noch den ganzen Bereich der Filmförderung. Auch dort besteht das<br />

Problem der Abgrenzung. Es besteht die Gefahr der Aufsplitterung der Rechtsordnung<br />

auf europäischer Ebene, was zu mehr Rechtsunsicherheit statt zu mehr Klarheit<br />

führt und was die Transparenz verringert.<br />

Herzstück der Dienstleistungsrichtlinie ist das Herkunftslandprinzip. Hier zeichnen<br />

sich bereits zahlreiche Ausnahmen ab. Diese Ausnahmen sind auch notwendig, da<br />

es sonst zu Doppeldiskriminierung kommt. Zum Beispiel haben Dienstleister aus<br />

Ländern mit hohen Standards Nachteile, wenn sie vor Ort mit Dienstleistern aus Ländern<br />

mit niedrigen Standards konkurrieren, wenn sie selbst dann aber in den Ländern<br />

mit niedrigen Standards agieren, werden sie en zweites Mal diskriminiert. Letztlich<br />

wird es zu einer Harmonisierung auf unterstem Niveau kommen.<br />

Es findet ein Wettlauf statt: Wer erreicht Ausnahmeregelungen<br />

Auch mit dem Kontrollrecht entstehen große Probleme. Es gilt das Herkunftslandprinzip.<br />

<strong>Das</strong> Herkunftsland hat aber gar kein Interesse, im anderen Mitgliedstaat zu<br />

kontrollieren und die Basis <strong>des</strong> Rechtes ist auch unklar, da es ja in die Rechtssubstanz<br />

<strong>des</strong> Gastlan<strong>des</strong> eingreift. Darf es hier Kontrollen vornehmen und auf welchen<br />

Grundlagen<br />

Ist das Verbraucherrecht erfasst oder nicht, auch dies ist unklar. Nehmen Sie folgen<strong>des</strong><br />

Beispiel: Ein Hausbesitzer beauftragt einen Schornsteinfeger auf Basis <strong>des</strong> Zulassungsrechts<br />

in Estland. Wie sind dann die Garantien, durch wen erfolgt Rechtsberatung<br />

in Deutschland Wie sprechen die Deutschen Gerichte hier Recht<br />

Es werden <strong>als</strong>o Ausnahmen kommen. Es gibt schon zahlreiche Ausnahmen bzw. die<br />

Forderungen nach Ausnahmen z.B. für Leiharbeit, <strong>Das</strong>einsvorsorge, Gesundheit einschließlich<br />

Krankenhäuser und Pflege, Bildung, Forschung und Entwicklung, Sozialversicherung,<br />

Sicherheitsbereiche, Biotechnologie, hoheitliche Aufgaben wie Notare<br />

und Gerichtsvollzieher, freie Rechtswahl, Kartellrecht, Regeln gegen unlautbaren<br />

Wettbewerb, Dienstleistungen verbunden mit dauerhafter Ausübung öffentlicher Gewalt,<br />

Finanzdienstleistungen sollen auch auf betriebliche Altersversorgung ausgeweitet<br />

werden, Verkehrdienstleistung noch klarer, Glückspiele (Eingeschobener Kommentar<br />

hierzu: Dies beinhaltet auch die Kontrolle durch den Staat, um der Suchtgefahr<br />

zu begegnen. Konkurrenz privater und öffentlicher Unternehmer unterliegt auch<br />

hier der Abwägung der Vor- und Nachteile), audiovisuelle Medien, Abfallentsorgung,<br />

Abwasserentsorgung, Anforderungen zum Atom- und Strahlenschutz, Steuerwesen<br />

und die Besteuerung von Dienstleistungen.<br />

All diese Ausnahmen führen zu einem durchlöcherten Herkunftslandprinzip. Deshalb<br />

ist Klarheit darüber, was die Richtlinie umfasst, nötig.<br />

Es ist eine Rahmenrichtlinie zur <strong>Das</strong>einsvorsorge nötig und es bedarf Impactstudien.<br />

Es muss eine Überarbeitung der Entsenderichtlinie stattfinden, weil sie bislang zahlreiche<br />

Fragestellungen nicht erfasst. Die Grünen wollen eine Positivliste statt <strong>des</strong><br />

Herkunftslandprinzips. Dies hätte mehr Sinn. Es muss erfasst werden, was überhaupt<br />

geht, <strong>des</strong>halb Positivliste anstatt Ausnahmeregelungen.


Im Bereich der Niederlassungsfreiheit sind Bürokratie und Hürden abzubauen, es soll<br />

die Methode der offenen Koordinierung eingeführt werden. D.h. unter Anleitung der<br />

Kommission werden die Mitgliedstaaten gemeinsam Vorschläge erarbeiten, welche<br />

bürokratischen Hürden in welchem Zeitraum abgebaut werden sollen. Die Kommission<br />

kann dies dann kontrollieren und auch erzwingen.<br />

Die Grünen wollen Verwaltungsvereinfachungen, Aufgreifen <strong>des</strong> guten Vorschlags<br />

der Kommission der one-stop-shops und der elektronischen Verfahrensabwicklung.<br />

Die Zeiträume der Umsetzung müssen allerdings verlängert werden. Es bedarf einer<br />

klareren Abgrenzung, was wo angesiedelt werden soll. Die Richtlinie zur gegenseitigen<br />

Anerkennung der Berufsqualifikationen hat auch ähnliche Einrichtungen wie onestop-shops.<br />

Gibt es jetzt zwei unterschiedliche Dies führt wieder zu mehr Bürokratie.<br />

Eine klare Anlaufstelle ist notwendig.<br />

Dr. Martin Runge: Vielen Dank, <strong>Heide</strong> <strong>Rühle</strong>. Ich habe in den Fragenkatalog <strong>des</strong><br />

Landtags zur Dienstleistungsrichtlinie eine schriftliche Anfrage eingebracht zu der<br />

Frage, ob die Richtlinie überhaupt mit dem Prinzip der begrenzten Einzelermächtigung<br />

vereinbar ist. Meines Erachtens nicht und <strong>Heide</strong> <strong>Rühle</strong> hat dies ja mit der Problematik<br />

der Subsidiarität auch angesprochen. Was sind die Kompetenzen der Mitgliedsstaaten<br />

Da muss man auch noch genauer hinschauen.<br />

Jetzt bitte Herr Heubisch.<br />

Dr. Heubisch: Ich kenne keine Richtlinie, die von allen Seiten, durch alle gesellschaftlichen<br />

Gruppierungen so diskutiert wird, wie die Dienstleistungsrichtlinie. Erst<br />

bei intensiver Beschäftigung merkt man die Brisanz dieser Richtlinie. Auch beim Warenverkehr<br />

war man ja zuerst skeptisch. Die Freigabe <strong>des</strong> Warenverkehrs war für<br />

Deutschland positiv. Es könnte <strong>als</strong>o die Dienstleistungsrichtlinie nach einigen Jahren<br />

auch für Deutschland positiv sein. Grundsätzlich ist <strong>des</strong>halb die Vereinigung der Bayerischen<br />

Wirtschaft oder der Bun<strong>des</strong>verband der Deutschen Industrie oder auch der<br />

Bun<strong>des</strong>verband der Freien Berufe oder auch wir in Bayern hier für die Dienstleistungsrichtlinie.<br />

Frau <strong>Rühle</strong> hat vieles deutlich gemacht, was wir eins zu eins übernehmen<br />

könnten. Auch im Unternehmerlager gibt es erhebliche Auffassungsunterschiede.<br />

Die Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft will die Harmonisierung innerhalb<br />

Deutschlands möglichst schnell erreichen und sieht nur Vorteile durch die Freigabe<br />

der Dienstleistungen für Deutschland. Kritisch sind dagegen die Kammern, da<br />

gibt es z.B. das Problem mit dem Meister. Befürchtungen der Handwerkskammern<br />

betreffen natürlich die Qualität, was mit den Standards ja angesprochen wurde.<br />

Anfänglich glühende Verfechter <strong>des</strong> Herkunftslandprinzips wie die Berichterstatterin<br />

Frau Gebhard, würden dies nun auch gerne zurückziehen. <strong>Das</strong> Ganze ist zu unausgegoren<br />

und zu schnell gestrickt worden. Man hätte intensiver mit den Beteiligten<br />

sprechen müssen. Am Grundprinzip der Dienstleistungsfreiheit darf nicht gerüttelt<br />

werden, aber die Konsequenzen für den Arbeitsmarkt müssen berücksichtigt werden.<br />

Ich gehe kurz auf die Gemengelage bei den freien Berufen ein. Die Bayerische Lan<strong>des</strong>-Zahnärztekammer<br />

z.B. hat sich positiv geäußert, will darauf zugehen. Aber viele<br />

sehen es eher negativ, wie z.B. die Architektenkammer und Ingenieurskammer. Die


haben schon große Probleme mit der Bauwirtschaft und Folgeaufträgen, die fehlen.<br />

Auch bei den Apothekern gibt es Bedenken. Bei den Gesundheitsberufen generell<br />

läuft eine sehr schwache Diskussion.<br />

Einwurf <strong>Heide</strong> <strong>Rühle</strong>: In Großbritannien wird das sehr intensiv diskutiert.<br />

Dr. Heubisch: Frankreich diskutiert es wohl auch, aber das war es dann auch. Allerdings<br />

begrüßt der Verband Alten- und Behinderten e.V. die Dienstleistungsrichtlinie,<br />

weil ihre Standards nicht berührt werden.<br />

Die Anerkennung von Berufsqualifikation ist auch wichtig. <strong>Das</strong> sollte zuerst gemacht<br />

werden.<br />

Deutlich machen will ich aber auch eines. Es handelt sich nur um einen vorübergehenden<br />

Aufenthalt im Gastland, das wird bei der Diskussion oft übersehen. Bei dauerhafter<br />

Niederlassung braucht z.B. ein Arzt eine Beurteilung nach Standards <strong>des</strong><br />

Gastlan<strong>des</strong>. Aus diesem Grund glauben wir <strong>als</strong> Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft,<br />

dass man gewisse Übungseffekte hat, ob man das gleich in einer Richtlinie<br />

niederlegen kann, ist natürlich zweifelhaft.<br />

Sehr positiv wird das durch alle Bereiche mit den one-stop-shops gesehen. Diskussionsbedarf<br />

gibt es noch in der Frage, wer die Anlaufposten sein sollen. Sollen es die<br />

Kommunen sein oder die Kammern Letzteres fänden wir sehr positiv, hätte in vielen<br />

Bereichen erheblichen Sinn, weil sie am besten über das Berufsumfeld Bescheid<br />

wissen. Die one-stop-shops sollen <strong>als</strong>o auf jeden Fall bei jeder weiteren Diskussion<br />

mitberücksichtigt werden.<br />

Zusammenfassend ist zu sagen, dass die Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft<br />

die Dienstleistungsrichtlinie grundsätzlich positiv sieht. Die eröffnete Diskussion dazu<br />

ist sehr wichtig, man darf sich jetzt nicht zurücklehnen und sagen, das schaffen wir<br />

sowieso nicht. Denn die Überzeugung der Unternehmen ist, dass mehr Arbeitsplätze<br />

durch die Dienstleistungsrichtlinie geschaffen werden können. Und das ist ja das<br />

Hauptproblem, was wir zu dieser Zeit haben. Kurzfristig gibt es in weiten Bereichen<br />

die Bedenken, dass Arbeitsplätze verloren gehen könnten, dazu können die Gewerkschaften<br />

aber kompetenter etwas sagen.<br />

Dr. Runge: Danke Herr Heubisch, auch für die gelungene Überleitung zu Frau Langguth.<br />

Allerdings gäbe es zu ihren Ausführungen noch einiges zu kommentieren, dies<br />

werde ich aber später machen. Nun hat Frau Langguth das Wort.<br />

<strong>Heide</strong> Langguth: Die Dienstleistungsrichtlinie hält uns seit Januar 2004 in Atem. Die<br />

Gewerkschaften haben sich intensiv damit beschäftigt. Es gab Befürchtungen, die<br />

aus der EU-Osterweiterung herrührten. Da hat man zwar die Aufschiebung der Freizügigkeit<br />

der Arbeitnehmer um zwei plus drei plus zwei Jahre, d.h. um maximal sieben<br />

Jahre erreicht, aber die Politiker konnten nicht überzeugt werden, auch die Folgen<br />

bei den Dienstleistungserbringern anzusehen. Es gab ja dam<strong>als</strong> nur wenige Einschränkungen<br />

im Baubereich, sonst aber nicht. Die Folgen waren dam<strong>als</strong> schon theoretisch<br />

klar. Wie die Folgen aussehen, hat man ja jetzt in den verschiedenen Berichten<br />

wie im Spiegelartikel gesehen, wie z.B. die Fleischerimporte aus Osteuropa, die


<strong>als</strong> Scheinselbstständige hierher kommen und zu zehntausenden hier die Fleischerkollegen<br />

arbeitslos machen. Sie arbeiten zu Dumpingpreisen, von denen in Deutschland<br />

niemand leben kann. Aber nicht nur Lohn- , sondern auch die Sozial- und Gesundheitsstandards<br />

und die ökologischen Standards werden gedumpt. Auch hier<br />

liegt die Kontrolle im Herkunftsland. Die Gewerkschaften waren dadurch schon vorgewarnt<br />

und haben sich die Richtlinie <strong>des</strong>halb sehr kritisch angeschaut.<br />

Wie alle anderen Verbände und Organisationen halten sie aber vom Prinzip her eine<br />

Regelung im Binnenmarkt für notwendig, um bürokratiefreies Vorgehen bei grenzüberschreitenden<br />

Dienstleistungen zu haben.<br />

Die Frage aber ist, was gilt <strong>als</strong> Bürokratie Bei einer anderen Veranstaltung wurden<br />

Beispiele für Bürokratie genannt, die ich aber <strong>als</strong> ganz wichtige Standards ansehen<br />

würde. Ist es immer sinnvoll, das zu schleifen Muss da abgebaut werden oder sind<br />

das sinnvolle Standards Der DGB Bayern hat im November eine etwas schärfere<br />

Stellungnahme dazu abgegeben, in der wir auch ein Zurückziehen der Vorlage fordern<br />

und eine Überarbeitung unter der Aufgabe <strong>des</strong> Herkunftslandprinzips. Ausnahmen<br />

sollten nur dort gemacht werden, wo Standards schon soweit angeglichen sind.<br />

Aber dort, wo die Differenz bei Lohn-, Sozial-, Gesundheitsschutz- und ökologischen<br />

Standards zu groß ist, führt es sonst zu einer Absenkung der Standards und zum<br />

Dumping.<br />

Wir sehen den horizontalen Ansatz <strong>als</strong> nicht sachdienlich an. <strong>Das</strong> Herkunftslandprinzip<br />

generell zu nehmen ist nicht förderlich. Ausnahmen im Herkunftslandsprinzip ü-<br />

berwiegen nahezu, es gibt keinen Überblick mehr, wo dieses noch gilt. Letztendlich<br />

ist dies nur noch für Fachleute geeignet, die das durchschauen. Wir denken, dass<br />

das Herkunftslandprinzip herausgenommen werden muss und nur in bestimmten<br />

Sektoren, in denen die Standards angeglichen sind, verwirklicht werden soll.<br />

Häufig hören wir das Argument, ihr Arbeitnehmer seid doch davon gar nicht betroffen.<br />

Für euch gilt doch die Entsenderichtlinie. Die Entsenderichtlinie und ihre Umsetzung<br />

in deutsches Recht gilt im Grunde nur für das Bauhaupt- und Nebengewerbe<br />

wegen der Allgemeinverbindlichkeit der Tarifverträge. Sonst gibt es nur Kann-<br />

Bestimmungen. Selbst dort, wo es Mussbestimmungen gibt, sind die Umgehungsmöglichkeiten<br />

ernorm und schwer zu kontrollieren. Eine Überarbeitung der Entsenderichtlinie<br />

ist <strong>als</strong>o dringend geboten. Arbeitnehmer außerhalb <strong>des</strong> Baugewerbes sind<br />

nicht ausgenommen vom Herkunftslandsprinzip. Ähnliches gilt auch für die Leiharbeit,<br />

dieses will ich aber jetzt nicht näher ausführen.<br />

Wo wir <strong>als</strong> Gewerkschaften ebenfalls noch große Probleme sehen, ist der Bereich<br />

<strong>des</strong> Gesundheitsschutzes und der Sicherheit am Arbeitsplatz und ihrer Kontrollen. Es<br />

wird ja kein Herkunftsland Interesse daran haben, seine Arbeitnehmer im Gastland<br />

daraufhin zu kontrollieren, ob seine Bestimmungen eingehalten werden. Wir sehen<br />

ein großes Problem in der Entmachtung deutscher Instanzen zur Kontrolle dieser<br />

Bereiche.<br />

Die Problematik der <strong>Das</strong>einsvorsorge ist schon genannt worden, das will ich jetzt<br />

nicht weiter ausführen.


Dem DGB liegen noch die Bereiche <strong>des</strong> öffentlich-rechtlichen Rundfunks sehr am<br />

Herzen. Dort ist sehr unklar inwieweit die Dienstleistungsrichtlinie greift, obwohl es<br />

schon die Fernsehrichtlinie gibt, die aber nicht für den Hörfunk gilt. Unklar ist auch,<br />

wieweit der Bereich der audiovisuellen Medien herausgenommen wird.<br />

Es ist generell ein Problem <strong>des</strong> Entwurfes, dass bestimmte Definitionen nicht klar<br />

sind. Es gibt ein großes Problem mit der Abgrenzung von grenzüberschreitenden<br />

Dienstleistungen, die ja vorübergehend und kurzfristig sein sollen, und der Niederlassungsfreiheit.<br />

<strong>Das</strong> ist in diesem Entwurf nicht eindeutig geklärt. Lücken und Unklarheiten<br />

können zur Ausnutzung führen. Es entsteht eine Spirale in den Standards<br />

nach unten.<br />

Prinzipielle Kritik der Gewerkschaften <strong>als</strong>o vor allem beim Herkunftslandprinzip, aus<br />

der begründeten Befürchtung <strong>des</strong> Sozial-, Lohn- und Umweltdumpings. Und das andere<br />

ist, wir brauchen klarere Bestimmungen bei den Dienstleistungen und den Niederlassungen<br />

und wir brauchen klarere Kontrollmöglichkeiten am Arbeitsort.<br />

Prinzipielle Anmerkung: Bei Schaffung der EU geht es ja nicht nur um wirtschaftliche<br />

Ziele, sondern die EU hat ja auch gleichrangige Ziele wie sozialen Zusammenhalt<br />

und Angleichung der Lebensverhältnisse im Verfassungsentwurf formuliert. Die fallen<br />

mit dieser Vorlage voll unter den Tisch. Wir haben eine ähnlich schlechte Erfahrung<br />

mit dem Weißbuch zum Binnenmarkt gemacht, wo es keinen einzigen Vorschlag zur<br />

Sozialpolitik gegeben hat, was sich gerächt hat. Deshalb sollten bei Richtlinienentwürfen,<br />

die so weit reichend sind wie die Dienstleistungsrichtlinie, die Folgen auf Sozi<strong>als</strong>tandards<br />

abgeschätzt werden. Die Folgeabschätzung auf Arbeitsplätze und Sozi<strong>als</strong>tandards<br />

fehlt vollständig.<br />

Dr. Runge: Herzlichen Dank <strong>Heide</strong> Langguth.<br />

Die Dienstleistungsfreiheit ist ja nichts Neues. Man argumentiert mit der so genannten<br />

Warenfreiheit. Der korrekte Begriff müsste in meinen Augen Sachleistungsfreiheit<br />

heißen. Schon jetzt klagen sich Dienstleister in Märkte im Ausland ein. Häufig mit<br />

Erfolg, weil sie sagen, da ist ein Vertragsverstoß, da wird diskriminiert. Es gibt tatsächlich<br />

mehr Grauzonen im Dienstleistungsbereich <strong>als</strong> im Sachleistungsbereich, es<br />

gibt noch mehr nicht-tarifäre Hemmnisse, es gibt mehr Diskriminierung. Deswegen<br />

jetzt der Versuch mit der Dienstleistungsrichtlinie zu kommen. Es gibt ja auch keine<br />

Sachleistungsrichtlinie. Da beruft man sich einfach auf die entsprechenden Paragrafen<br />

in den Verträgen.<br />

Ein Satz zum horizontalen Ansatz. Dieser ist von Bedeutung unmittelbar für den<br />

Landtag, schließlich sind viele Bereiche angesprochen, für die der Landtag Regelungszuständigkeit<br />

besitzt. Auf Lan<strong>des</strong>- wie auf Bun<strong>des</strong>ebene müssten zahlreiche<br />

Rechtsänderungen über so genannte Artikelgesetze herbeigeführt werden, Gesetze,<br />

über die jeweils zahlreiche Gesetze und Verordnungen gleichzeitig verändert würden.<br />

<strong>Das</strong> gilt auch für die Lan<strong>des</strong>ebene, wegen der entsprechenden Zuständigkeit<br />

z.B. für Rundfunk und Medien. Von Transparenz und Übersichtlichkeit kann hier mitnichten<br />

geredet werden. Ein Rückziehen <strong>des</strong> Entwurfs wäre der richtige Weg. Die<br />

Kommission kennt das ja, z.B. bei der Verordnung zur Vergabe gemeinwirtschaftli-


cher Verkehrsleistungen, da gab es ja auch tausende Änderungsanträge und die<br />

Kommission ist dann vernünftig geworden und hat den Entwurf zurückgezogen. In<br />

unseren Augen wäre dieses auch hier der richtige Weg.<br />

Frau Lindemann, IHK München: Wir haben uns auch mit dieser Richtlinie befasst,<br />

haben dazu eine Stellungnahme abgegeben. Wir haben uns pro der Richtlinie geäußert,<br />

haben aber auch Nachbesserung gefordert sowie eine Machbarkeitsstudie.<br />

Auch eine Auswirkungsstudie wurde gefordert und wird auf Bun<strong>des</strong>ebene gemacht.<br />

<strong>Das</strong> Herkunftslandprinzip wird polemisch in der Öffentlichkeit diskutiert. Es ist klar,<br />

dass unterschieden wird zwischen grenzüberschreitender Dienstleistung, da greift<br />

das Herkunftslandprinzip und Niederlassung, da greift Inlandsrecht. Die Definition, ab<br />

wann es eine grenzüberschreitende Dienstleistung ist, ist ein Problem.<br />

Was das Thema Standards und Harmonisierung betrifft, ist die Frage, ob man wirklich<br />

eine Harmonisierung will. Es ist so, dass Harmonisierung durchaus wettbewerbshemmend<br />

ist und gerade das will man auch im Dienstleistungsbereich erhalten,<br />

das fängt bei Min<strong>des</strong>tpreisen an und hört bei Qualitätsstandards auf. Und da muss<br />

man sich fragen, will man das <strong>Das</strong> ist dann auch die Fragestellung einer solchen<br />

Studie.<br />

Es gibt eine Eingabe vom Ring deutscher Makler, die einen staatlich zertifizierten<br />

Abschluss für Makler fordert, da sie sonst international benachteiligt sind. <strong>Das</strong> wurde<br />

übrigens von der Bun<strong>des</strong>regierung, soweit ich weiß, abgelehnt.<br />

Es geht <strong>als</strong>o auch in Richtung Orientierung an höheren Standards. Es muss <strong>als</strong>o<br />

nicht immer eine Tendenz nach unten geben.<br />

Die Unternehmen befürworten die Richtlinie. Gerade, wenn sie versucht haben, selber<br />

im internationalen Raum aktiv zu werden, befürworten sie diese. Wobei wir im<br />

Dienstleistungsbereich im Vergleich zum Industriebereich bislang wenig internationalisiert<br />

sind. Deutschland hat da dringend was nachzuholen. Andere, wie polnische<br />

Dienstleister, mit oder ohne Richtlinie, sind da weniger zimperlich, über die Grenze<br />

zu gehen, <strong>als</strong> umgekehrt Deutsche nach Polen.<br />

Eike Hallitzky: Ist der Weg der sektoralen Harmonisierung und Liberalisierung denn<br />

gescheitert Kann man den Weg nicht weitergehen Besteht nicht doch eine Chance,<br />

dass die Kommission diese Fassung der Dienstleistungsrichtlinie zurückzieht und<br />

sei es nur aus redaktionellen Gründen, um nicht das Gesicht zu verlieren Auch die<br />

Frage nach dem Zeithorizont stellt sich, wie lange zieht sich das noch hin<br />

Meine zweite Frage wendet sich an Herrn Heubisch. Für Großunternehmen kann es<br />

ja attraktiv sein, verschiedene Niederlassungen in Europa zu gründen, um strategisch<br />

immer vom billigsten Herkunftsort zu operieren. <strong>Das</strong> können aber nur große<br />

Unternehmen. Werden die kleinen und mittleren Unternehmen dann wegradiert O-<br />

der ist es zumin<strong>des</strong>t ein Wettbewerbsproblem für diese<br />

Gast: Wir tun so, <strong>als</strong> ob kleine und mittlere Dienstleistungsunternehmen durch die<br />

Richtlinie benachteiligt werden. Vorher hat man Jahre lang so getan, <strong>als</strong> ob die


zwanzig oder dreißig verschiedenen Rechtssysteme ein Grund für die Benachteiligung<br />

der kleinen und mittleren Unternehmen waren und der Grund, warum diese<br />

nicht über die Grenze gehen.<br />

Ruth Paulig: Ich möchte den Sektor Pflege ansprechen. Bei den Pflegeleistungen<br />

gibt es einen Notstand. Da gibt es ja schon einen heftigen Transfer aus dem europäischen<br />

Ausland. Mit welchem Zeithorizont wird hier gerechnet, bis etwas greift<br />

Deutsche Pflegeunternehmen z.B. ambulante Pflegedienste hier bieten hohe Standards<br />

an. Man braucht aber auch Leute in der Pflege angesichts der ansteigenden<br />

Demenz und <strong>des</strong> ansteigenden Alters, die die Arbeiten mit einfachen Standards machen.<br />

Wir brauchen auch Leute, die mit alten Leuten spazieren gehen, die bei ihnen<br />

stundenweise am Tag sind, ohne dass schwierige Pflegeleistungen anfallen. Wir<br />

brauchen tägliche Betreuungsleistungen. Wir haben einen hohen Bedarf in Deutschland<br />

an Pflege, wir sollten aufpassen, dass wir nicht zu hohe Standards setzen.<br />

Christine Kamm: Irritierend, wenn man bedenkt, dass wir viele Pflege-Hilfskräfte<br />

ausbilden. Da gibt es auch viele Arbeitslose.<br />

Ruth Paulig: Aber man weiß ja, dass wir viele aus Ungarn und Polen haben, die hier<br />

tätig sind.<br />

Dr. Runge: Wir gehen jetzt mal nach der Reihenfolge vor. <strong>Das</strong> von der Ruth angesprochene<br />

Thema hat auch mit der Arbeitnehmerfreizügigkeit zu tun, das trifft nicht<br />

nur originär die Dienstleistungsrichtlinie. Herr Heubisch ist angesprochen worden.<br />

Dr. Heubisch: Die Dienstleistungsrichtlinie für kleine und mittlere Unternehmen sehe<br />

ich eher positiv. Bisher mussten diese Unternehmen Informationen über sämtliche<br />

Vorschriften <strong>des</strong> Gastlan<strong>des</strong> einholen, in dem sie vorübergehend tätig werden wollten.<br />

Da ist es jetzt einfacher, da man sich nach dem Herkunftslandprinzip nicht mit<br />

den Vorschriften <strong>des</strong> Gastlan<strong>des</strong> beschäftigen muss. Auch preislich ist das für das<br />

Unternehmen dann leichter umzusetzen. Für große Firmen ist es momentan viel einfacher,<br />

die können sich viel leichter individuell an örtliche Gegebenheiten anpassen.<br />

Die machen häufig natürlich gleich Niederlassungen und müssen sich damit den Gegebenheiten<br />

<strong>des</strong> Gastlan<strong>des</strong> anpassen.<br />

Einwurf von Eike Hallitzky: Und das Argument, dass sich die Großen Dumpingstandorte<br />

suchen, halten Sie nicht für stichhaltig<br />

Dr. Heubisch: Bei einem attraktiven Markt kann es natürlich passieren, dass auch<br />

große Unternehmen sich Dumpingmöglichkeiten eröffnen.<br />

<strong>Heide</strong> <strong>Rühle</strong>: Bekommen die kleinen Unternehmen ihre Dienstleistungen dann auch<br />

abgenommen Beim Beispiel <strong>des</strong> Schornsteinfegers wird der Este dann vielleicht<br />

nicht zum Zug kommen, da der Verbraucher nicht die Haftung gesichert sieht und<br />

das estnische Recht dazu nicht kennt. Solange diese Fragen nicht geklärt sind, wird<br />

das kleine Unternehmen nicht unbedingt zum Zug kommen. Es findet <strong>als</strong>o solange<br />

keine Erleichterung statt, solange keine Klärung der Haftungsfragen besteht. Damit<br />

besteht die Gefahr, dass die kleinen und mittleren Unternehmen wieder zu kurz<br />

kommen. Deshalb ist die Methode der offenen Koordinierung besser, um Hemmnisse


abzubauen. Denn die Umkehrung vom Gastlandprinzip auf das Herkunftslandprinzip<br />

wird nicht zu mehr Aufträgen führen. <strong>Das</strong> ist eine Milchmädchenrechnung. <strong>Das</strong> werden<br />

die Verbraucher und auch die Kommunen nicht machen.<br />

Zum Thema Zeithorizont: Die 1.Lesung soll noch vor der Sommerpause abgeschlossen<br />

werden, bei Rückziehung <strong>des</strong> Entwurfs muss man min<strong>des</strong>tens ein halbes Jahr<br />

mehr rechnen. Die Kommission will aber möglichst noch in ihrer Amtszeit einen Erfolg<br />

erzielen, Barroso will einen Erfolg erzielen. Wenn man sich ausrechnet, 1. und 2.<br />

Lesung, mit den ganzen Verfahren zwischen Rat und Parlament, da gehen min<strong>des</strong>tens<br />

zwei Jahre ins Land. D.h. in der Mitte der Periode von Barroso wird es dann<br />

sein, sonst geht das eher gegen Ende oder dann schon unter Ägide einer neuen<br />

Kommission. Ich fürchte, sie werden es nicht zurückziehen, obwohl die Grünen weiter<br />

Druck machen werden. D.h. die Kommission wird weiterhin auf dieser Grundlage<br />

arbeiten wollen. D.h. bis zur Sommerpause 1.Lesung im Parlament, nach der Sommerpause<br />

ein halbes Jahr Rat, 2. Lesung nicht vor Ende 2006. Bis der Rat sich einigt,<br />

das dauert, weil die Briten sagen „auf gar kein Fall Gesundheit“, sonst könnte ihr<br />

staatliches Gesundheitssystem kippen. Frankreich schaut auf den audiovisuellen Bereich,<br />

wegen kultureller Diversität. Die kleineren Länder haben auch Nachteile zu<br />

befürchten. Es gibt einen Ost-West-Konflikt. Die osteuropäischen Länder erwarten<br />

sich Wettbewerbsvorteile, die westlichen erwarten Nachteile und den Verlust von Arbeitsplätzen.<br />

Der Rat wird <strong>als</strong>o min<strong>des</strong>tens ein halbes oder dreiviertel Jahr brauchen.<br />

Dann geht es in die 2.Lesung Parlament, das wird auch ein halbes Jahr dauern,<br />

wenn es zur dritten Lesung kommt, dann 2007.<br />

Sektorale Regelungen sind eigentlich nicht gescheitert. Aber im Bereich der Dienstleistungen<br />

gibt es sehr viele Sektoren, ca. vierhundert, eine sehr zersplitterte Landschaft.<br />

Es ist problematisch, die alle zu harmonisieren. Deshalb wollen wir die offene<br />

Koordinierung mit dem Gastlandprinzip. <strong>Das</strong> führt zum Bürokratieabbau. Eine wichtiger<br />

Schritt zum Bürokratieabbau wird auch die Richtlinie zur gegenseitigen Berufsanerkennung<br />

sein. Die muss erst mal durch, dann sieht man auch was da erreicht<br />

worden ist.<br />

Dr. Runge: Wenn der Binnenmarkt für Strom und Gas, <strong>als</strong>o eine sektoral angegangene<br />

Materie, in der Umsetzung nicht funktioniert, wie soll dann so ein Wust umgesetzt<br />

werden<br />

<strong>Heide</strong> <strong>Rühle</strong>: Es ist nicht unbedingt ein Scheitern der EU-Ebene, sondern in der<br />

Umsetzung. Deshalb sagen wir, wir brauchen dazu Impact-Studien. Auch der gesamte<br />

Bereich ÖPNV liegt noch auf Eis. <strong>Das</strong> kommende Monti-Paket wird ein Schritt dazu<br />

nach vorne sein. Völlig außen vor und umstritten ist aber noch der Bereich Wasser.<br />

<strong>Heide</strong> Langguth: Ich wollte noch etwas zu den Sozi<strong>als</strong>tandards sagen. Wenn Sie<br />

den Pflegebereich anführen und darauf verweisen, dass wir ja heute schon einen<br />

großen Markt haben, dass polnische Pflegekräfte nach Deutschland kommen und<br />

dort Menschen rund um die Uhr für vergleichsweise billiges Geld zu versorgen, dann<br />

ist das ja kein Argument für die Dienstleistungsrichtlinie, so wie sie jetzt schon vor-


liegt mit dem Herkunftslandprinzip. Man könnte sich da ja auch eine andere Regelung<br />

vorstellen, so wie es bisher gelaufen ist.<br />

Sozi<strong>als</strong>tandards und Qualitätsstandards sind ja oft auch sinnvoll und nicht nur bürokratische<br />

Hemmnisse. Deshalb finde ich den sektoralen Ansatz besser. Dieser ist<br />

überschaubarer und leichter auf Effizienz zu überprüfen. Bei all den Ausnahmen<br />

sieht man gar nicht mehr, wo die Richtlinie noch gilt. Alle loben den one-stop-shop<br />

und begrüßen es im Prinzip, aber was letztlich dann wirklich noch überbleibt, kann<br />

man gar nicht mehr genau beurteilen.<br />

Richard Betzenbichler: Wieweit glaubt die Kommission mit so einem Entwurf Handelshemmnisse<br />

abbauen zu können Wenn ich jetzt eine Dienstleistung brauche und<br />

dazu eine Ausschreibung mache, dann muss ich ja von allen Ländern die Angebote<br />

vergleichen können. Dann muss ich alle Rahmenbedingungen kennen, von den Haftungs-<br />

und Regressansprüchen gar nicht zu reden. Wer soll denn davon noch profitieren<br />

<strong>Heide</strong> <strong>Rühle</strong>: Ein bürokratischer Moloch wird gebildet unter der Prämisse, dass man<br />

bürokratische Hemmnisse abbauen will.<br />

Dr. Runge: Es gibt eine Wortmeldung von Frau Lindemann. Ich habe selbst gleich<br />

eine Frage an sie. Wie beurteilt die IHK das Infragestellen <strong>des</strong> Screeningverfahrens<br />

und der gegenseitigen Überprüfung etwa von Zulassungsbegrenzungen, das Infragestellen<br />

von bisheriger Anforderung an bestimmte Berufstätigkeitsfelder im Hinblick<br />

auf Rechtsformen, bestimmte Kapitalausstattung oder bestimmte Qualifikation, oder<br />

das Infragestellen von Zwangsmitgliedschaften Was ist da die Position der Industrie-<br />

und Handelskammer<br />

Frau Lindemann, IHK München: Man muss sich nicht verstecken, es gibt viele<br />

Gründe, die eine Zwangsmitgliedschaft begründen, wie hoheitliche Aufgaben. Dies<br />

wird nicht in Frage gestellt, sonst würden wir es ja nicht befürworten.<br />

Zu der anderen Frage: Es ist im Rahmen der Richtlinie auch geplant, dass alle Unternehmensdaten<br />

über one-stop-shops über das elektronische Verwaltungsverfahren<br />

online abrufbar sein sollen. Dienstleistungen und Qualitätsstandards sollen genau<br />

definiert werden und in allen Sprachen abrufbar sein. <strong>Das</strong> ist natürlich die Maximalforderung.<br />

Aber es gibt auch gangbare Wege wie Herkunftslandsprache und Englisch.<br />

Wir stehen dem positiv gegenüber. Bei one-stop-shops bringen wir uns auch<br />

ein, da sind bei uns Kernkompetenzen da.<br />

Dr. Runge: Erlauben Sie mir einen kleinen Widerspruch. Als Zwangsmitglied der IHK<br />

München und Oberbayern einerseits und <strong>als</strong> Europa- und Wirtschaftspolitiker andererseits<br />

habe ich mir das genau angesehen. Selbstverständlich wird das ganz massiv<br />

in Frage gestellt. Was wäre das für ein Moloch, wenn man bei jeder Dienstleistung in<br />

Deutschland Zwangsmitglied werden muss, um die Dienstleistung erbringen zu können.<br />

Es sind ja auch ganz andere Dinge wie Zulassungsbegrenzung z.B. bei Taxis,<br />

Apotheken in Frage gestellt.


Frau Lindemann, IHK München: Nur im Falle der kurzfristigen grenzüberschreitenden<br />

Dienstleistungen.<br />

Dr. Runge: <strong>Das</strong> endet damit doch dann nicht.<br />

<strong>Heide</strong> <strong>Rühle</strong>: Schauen Sie sich dazu Artikel 14 und Artikel 15 an.<br />

Herr Lutz: Viele Menschen sind jetzt arbeitslos. Im Spiegel war ein schöner Satz<br />

dazu zu lesen, von jemandem, der gesagt hat, steigt mir doch auf den Hut mit eurem<br />

Europa. Greift denn diese Richtlinie nicht zu spät Gibt es nicht kurzfristig Möglichkeiten<br />

Ich arbeite <strong>als</strong> Dozent hauptsächlich zum Thema Europa. Und das mit den<br />

kurzfristigen Maßnahmen interessiert die Leute. Die haben Angst um ihre Arbeitsplätze.<br />

Was für ein Signal kann man noch an die Bürgerinnen und Bürger senden<br />

Nicht, dass die Idee Europa vor lauter Frust auch noch über den Jordan geht.<br />

Herr Blau, Handwerkskammer: Es ist ja nicht so, dass bei den grenzüberschreitenden<br />

Dienstleistungen die Zwangsmitgliedschaft abgeschafft werden würde, die gibt<br />

es ja gar nicht mehr. Es ist ja durch die Rechtsprechung schon lange überholt. Da<br />

wird sich bei der Dienstleistungsrichtlinie nicht viel ändern.<br />

Dr. Runge: Was glauben sie aber, wie lange ich mich <strong>als</strong> deutscher Anbieter dadurch<br />

diskriminieren lasse. Es ist genau die doppelte Diskriminierung, die Frau <strong>Rühle</strong><br />

angesprochen hat.<br />

Herr Blau: <strong>Das</strong> ist das Problem mit der Niederlassungsfreiheit und der Dienstleistungsfreiheit.<br />

<strong>Das</strong> wird zu Prozessen führen.<br />

<strong>Heide</strong> <strong>Rühle</strong>: Da wird der EuGH das letzte Wort haben.<br />

Herr Blau: Wir haben ja schon Dienstleistungsfreiheit mit Hindernissen. Darüber klagen<br />

auch die Handwerksunternehmen. Unser Anliegen ist halt auch beim Herkunftslandprinzip,<br />

man kann nicht einerseits hohe Standards und andererseits freie Dienstleistung<br />

fordern. Die Erosion der Vorschriften führt zwangsläufig auch zum Kahlschlag<br />

bei kleinen und mittleren Unternehmen.<br />

Eike Hallitzky: Die Grenze zwischen Niederlassungsfreiheit und Dienstleistungsfreiheit<br />

liegt bisher bei vier Monaten laut EuGH. Wenn das so bleibt, kann man das bei<br />

Dienstleistungen wunderbar umgehen, indem man Wechselschichten nachweist mit<br />

jeweils vier Monaten, etc. Da lügt man sich in die Tasche.<br />

<strong>Heide</strong> <strong>Rühle</strong>: Nur ein Satz dazu. Im Vorschlag für eine Dienstleistungsrichtlinie, Artikel<br />

14 steht schon drin: „Mitgliedstaaten dürfen die Aufnahme oder Ausübung einer<br />

Dienstleistungstätigkeit“, und damit ist schon Niederlassung und Angebot einer<br />

Dienstleistung mit drin, „in ihrem Hoheitsgebiet nicht von Anforderungen abhängig<br />

machen, wie sie nachstehend ausgeführt sind:...“<br />

<strong>Das</strong> wird im Artikel 15 noch klarer.<br />

Gast: Eine Frage an den Herrn Heubisch. Er hat vorhin gesagt, es entstehen mehr<br />

Arbeitsplätze, wenn die Dienstleistungsrichtlinie kommt. Ich habe aber gelesen, dass


die Handelskammern bzw. die Handwerkskammer über soviel Firmeninsolvenzen der<br />

kleinen und mittleren Unternehmen klagen. Ich wundere mich immer, wenn ich dann<br />

höre, dass die KMU der große Arbeitgeber schlechthin ist. Wie denken Sie denn,<br />

dass mit der Dienstleistungsrichtlinie mehr Arbeitsplätze entstehen Die Begründung<br />

hat mir gefehlt.<br />

Dr. Heubisch: Fakt ist, dass KMU-Unternehmen ca. 86% ausmachen. Die Frage ist,<br />

geht es mit dieser Dienstleistungsrichtlinie <strong>Das</strong> habe ich sehr deutlich in meinem<br />

Eingangsstatement gemacht, dass ich da Zweifel habe. Generell ist mein Petitum,<br />

dass das Ganze nicht einschläft. Wir dürfen nicht unsere hohen Hürden belassen<br />

und müssen anfangen aufzumachen. Deutschland ist dynamisch genug für Europa,<br />

auch wenn da andere soziale Standards sind. Die Deutschen haben eine sehr gute<br />

Ausbildung und eine gute Organisation. <strong>Das</strong> sind Vorteile, die uns im Inland die Arbeitsplätze<br />

erhalten. Vor was ich wirklich warnen möchte, ist, dass man sich zurücklehnt,<br />

sagt, „Dienstleistungsrichtlinie weg“ und froh ist, den Moloch verhindert zu haben.<br />

Und was kommt danach Um das geht es mir. Und dann bin ich auch überzeugt,<br />

dass wir genug Arbeitsplätze haben.<br />

Eine ganz andere Frage ist die nach den sozialen Standards, aber die hat mit der<br />

Dienstleistungsrichtlinie gar nichts zu tun. Was ist los mit dem sozialen Niveau, wo ist<br />

die Gleichheit Ist es Deutschland Ist es der unterste Staat Welche Ebene wird<br />

zum Vergleichsmoment Im Mittelfeld wird sich eine vernünftige Basis finden. Der<br />

Ansatz der EU-Kommission war nicht, die sozialen Standards zu definieren, sondern<br />

der Ansatz war Lissabon. Wir wollen 2010 zur dynamischsten Region in der Welt<br />

werden.<br />

<strong>Heide</strong> Langguth: In den Verträgen der EG sind soziale Ziele wie die Angleichung<br />

der Lebensverhältnisse und auch die Besserstellung genannt. Im Verfassungsvertrag<br />

ist das sogar noch mal zugespitzt. Da steht sogar Vollbeschäftigung drin. Diese Ziele<br />

sind gleichwertig mit anderen wirtschaftlichen Zielen. Die Europäische Union hat<br />

zwar vorrangig wirtschaftliche Ziele in den letzten Jahren umgesetzt, aber daneben<br />

gab es auch soziale Ziele und Umsetzungen wie die Teilzeitrichtlinie, Elternurlaub,<br />

usw. Unser Petitum ist, es darf keine Harmonisierung der sozialen Standards nach<br />

unten geben bzw. diese völlig entfallen. Eine Angleichung in der Mitte oder oberen<br />

Hälfte ist notwendig. Momentan gibt es noch bürokratische Hemmnisse, aber grundsätzlich<br />

sind heute Dienstleistungen schon möglich. Aber macht da zur Verbesserung<br />

der bestehenden Situation die Richtlinie, so wie sie vorliegt, Sinn Zur Angeleichung<br />

gehört auch Unternehmenssteuerangleichung in der EU, wenn man das mal umfassender<br />

betrachtet und nicht nur so isoliert. Dumping ist ja nur möglich, weil Ost und<br />

West so andere Sozi<strong>als</strong>tandards haben. Sie haben es ja im Spiegelartikel gelesen.<br />

Heute werden ja Tausende deutsche Fleischer arbeitslos, weil sie heute die Möglichkeit<br />

schon haben <strong>als</strong> Scheinselbständige oder mit Werkaufträgen von Subunternehmern<br />

hierher zu kommen. Es geht ja jetzt schon, obwohl die Arbeitnehmerfreizügigkeit<br />

noch gar nicht da ist. Es geht über die Dienstleistungsfreiheit. Man muss sich das<br />

Gesamtbild anschauen und sich fragen, was man in der Europäischen Union will.<br />

<strong>Heide</strong> <strong>Rühle</strong>: Ich will anknüpfen an die Frage nach den Wettbewerbsverzerrungen.<br />

Es gibt etliche Wettbewerbsverzerrungen, wenn man sich die Europäische Union


anschaut und das Verhältnis der Mitgliedstaaten untereinander. <strong>Das</strong> sind nicht nur<br />

die Fragen nach bürokratischen Hemmnissen, sondern auch Fragen <strong>des</strong> Unternehmenssteuerrechtes,<br />

wo die EU einstimmig handeln muss und das Parlament keine<br />

Kompetenz hat. Dies verzerrt den Wettbewerb aber massiv. In Kombinationen dann<br />

noch mit Solidarmaßnahmen wie Strukturfondsmaßnahmen und Kohäsionsfondsmaßnahmen<br />

führt das natürlich zu Verzerrungen vor allem im Bereich von Mitteleuropa.<br />

Diese Debatte muss beginnen, ist aber von der EU vollkommen ausgeklammert<br />

worden. Wir sehen die Gefahr, dass in Bereichen neue Wettbewerbsverzerrungen<br />

durch diese Dienstleistungsrichtlinie aufgebaut werden. Dies entspricht<br />

eigentlich nicht den Zielsetzungen der EU.<br />

Ich will aber noch mal auf die Fragen eingehen, die im Spiegelartikel aufgeworfen<br />

werden. Ein Problem ist die Vermengung deutscher Problematik mit europäischer<br />

Problematik. Die Art und Weise wie bei uns die Tarifstruktur gestrickt ist, die Frage<br />

der Min<strong>des</strong>tlöhne, die es bei der Mehrheit der anderen Mitgliedstaaten <strong>als</strong> Min<strong>des</strong>tabsicherung<br />

gibt, bei uns aber nicht, unser föderales System, all diese Dinge führen<br />

dazu, dass Deutschland im Bereich in der EU besonders benachteiligt ist. Auch<br />

durch den Föderalismus. Wenn man nicht endlich in Deutschland eine Diskussion<br />

dazu führt, dann wird Deutschland auf lange Sicht eher mehr Probleme mit der EU<br />

bekommen <strong>als</strong> weniger. Wir hatten eine Diskussion mit der europäischen Bauindustrie.<br />

Es ist offensichtlich so, dass andere einschließlich der Österreicher, die Problematik<br />

mit der Osterweiterung viel leichter bewältigen <strong>als</strong> die deutsche Bauindustrie.<br />

Die deutsche Bauindustrie ist mit dem Rücken an der Wand. Vor allem im grenznahen<br />

Gebiet steht sie vor großen Problemen. Mir hat ein Bauunternehmer aus dem<br />

Bereich mit zwanzig Beschäftigten erzählt, dass ihm Angebote auf einer Stundenlohnbasis<br />

von zwei Euro unterbreitet werden. Er hat jetzt die Alternative, auf Scheinselbstständigen<br />

zurückzugreifen und seine Leute zu entlassen oder er wird kaputt<br />

konkurriert. Also, das ist der konkrete Druck, der in sehr vielen Bereichen besteht.<br />

Aber das hat mit vielen Unzulänglichkeiten im deutschen System zu tun, die sich jetzt<br />

verschärfen mit der Osterweiterung. Von unserer Fraktion wurde die Regierung ausdrücklich<br />

auf die Problematik hingewiesen. Was die EU angeht, ist Deutschland nicht<br />

besonders gut aufgestellt.<br />

Dr. Walter Kellner: Meine Zusammenfassung würde lauten, die EU- Kommission hat<br />

einen Befreiungsschlag versucht, das Ende ist ein Schlag ins Wasser. Der Versuch<br />

alles auf einmal zu lösen ist gescheitert. Ich wollte noch eine Frage an die Vertreter<br />

der Wirtschaft und Gewerkschaft stellen. Die Wirtschaft ist für Menschen da und<br />

auch die Ökologie ist ein Teil der Wirtschaft. Mir geht bei all den Ansätzen auf der<br />

EU-Ebene ab, dass die Wirtschaft auf der Basis unserer Natur und Ressourcen arbeitet.<br />

Da finde ich hier jetzt gar keinen Ansatz dazu, aber es war vielleicht heute<br />

auch nicht das Thema.<br />

Gast: Es gibt einen dynamischen Ansatz in der Richtlinie, der eigentlich ganz schön<br />

ist. Man geht nach vorne und sagt, lass uns mal was ausprobieren. Einen Punkt haben<br />

wir allerdings in Deutschland noch nicht realisiert. Es wird immer von der hohen<br />

Qualität gesprochen, die wir anbieten. Wenn ich mir aber Pisa ansehe, haben wir<br />

eine Art Sandwich-Generation, die nicht den Qualitätsstandard hat, den wir gewohnt<br />

sind. Wir reden immer von den bildungsstarken Schichten, so <strong>als</strong> wären das alle in


Deutschland. Wir haben auch einen Bereich, der sich unterhalb <strong>des</strong> Mittelmaßes befindet.<br />

Der ist aber der direkten Konkurrenz mit den EU-Nachbarn ausgesetzt. Wir<br />

reden immer nur von den oberen Schichten und sagen, wir sind doch gut aufgestellt.<br />

<strong>Das</strong> bezieht sich dann meistens auf produktbegleitende oder produktbezogene<br />

Dienstleistungen. Aber bei den freien Dienstleistungen wie z.B. Gesundheitswesen,<br />

die nicht produktbezogen verkauft werden, befinden wir uns eher im unteren Bildungsniveau.<br />

Diese treten aber in direkte Konkurrenz. Da muss man auch mal ehrlicher<br />

sein. Dazu würde ich gerne mal was hören. Wenn man die Unternehmer hört,<br />

wie sie klagen über die Standards von Azubis, die von der Hauptschule kommen,<br />

dann frage ich mich, warum das einfach in der Diskussion ausgeblendet wird.<br />

Dr. Heubisch: Dazu müsste man jetzt auch eine ganz eigene Diskussion führen.<br />

Aber ich will mich dem nicht entziehen. <strong>Das</strong> ist ein ganz wichtiger Punkt. Ich bin z.B.<br />

für die Bildung innerhalb der Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft (vbw) zuständig.<br />

Nur ein ganz klarer Hinweis, die Wirtschaft will keine angepassten Technokraten,<br />

kommend aus den Schulen und Unis. Die, die windschlüpfrig sind und kein eigenes<br />

Denken haben, kein Ecken und Kanten haben, mit denen sind sie nicht wettbewerbsfähig.<br />

Angepasste und stromlinienförmige Leute können nicht gegen die europäische<br />

oder internationale Konkurrenz bestehen. Mit Sicherheit nicht! Schauen Sie sich<br />

doch die Beratungsunternehmen an, die suchen nicht nur Juristen und Betriebswirte,<br />

sondern Biologen oder Leute, die Theologie studiert haben. <strong>Das</strong> sind die Anforderungen<br />

der Zukunft. <strong>Das</strong> Querdenken auch über die Fächer hinweg, das ist es. Aber<br />

das ist jetzt wirklich weit weg. Aber die vbw hat das schon lange erkannt und macht<br />

da viel.<br />

Gast: Wir haben gerade gehört, dass wir zum Teil schlecht aufgestellt sind, insofern<br />

<strong>als</strong> wir uns mit unseren Standards auch von der gesetzgeberischen Seite schwer tun<br />

gegenüber den Unternehmen, die in Osteuropa tätig sind. Wir sehen, dass die Leute<br />

aus diesen Ländern uns die Arbeitsplätze wegnehmen. Rot-Grün regiert gerade, was<br />

macht denn die Regierung gegen die Arbeitslosigkeit Was kann national getan werden,<br />

um kurzfristig die Situation zu verbessern Die Regierung wird ja auch ganz<br />

stark an den Arbeitslosen gemessen. Was kann die Politik tun, um den ganz legalen<br />

Arbeitern aus dem Osten etwas entgegen zu setzen<br />

<strong>Heide</strong> <strong>Rühle</strong>: Gerade in dem Bereich der Schlachthöfe, wird zu wenig kontrolliert,<br />

die Aussagen vom Spiegel, dass es überhaupt keine Kontrollmöglichkeiten gäbe,<br />

sind nicht richtig. Hier müsste kontrolliert werden, ob das wirklich zu Recht Kontigentarbeiter<br />

im Rahmen der bilateralen Verträge sind. <strong>Das</strong> müsste man stärker kontrollieren.<br />

Und gegebenenfalls die Verträge auch ändern.<br />

Und dann die Entsenderichtlinie, die ist ja in Deutschland nur bezogen auf den Bau<br />

ratifiziert worden. Die Begründung war, dass man sie in anderen Bereichen nicht anwenden<br />

könnte, da die Tariflandschaft so zersplittert sei und es keinen Min<strong>des</strong>tlohn<br />

gäbe. Auch das müsste nochm<strong>als</strong> überprüft und gegebenenfalls revidiert werden.<br />

<strong>Heide</strong> Langguth: Noch mal abschließend. Die Probleme sind so gewaltig, dass man<br />

durch schärfere Kontrollen auch kurzfristig kaum was bewirken kann. <strong>Das</strong> Grundproblem<br />

der hohen Arbeitslosigkeit werden Sie in kurzer Zeit nicht in den Griff be-


kommen. Da muss man global schauen. Welche Veranstaltung stellt die EU dar. Es<br />

ist ja eine Veranstaltung sich zu positionieren im globalen Wettbewerb. <strong>Das</strong> hat Folgen<br />

für die Gesetzgebung innerhalb der EU. Wenn Sie alleine die Unternehmensbesteuerung<br />

anschauen, das ist ein ganz zentraler Punkt, der Deutschland im europäischen<br />

Wettbewerb sehr schlecht stellt. Aber Deutschland kann allein da nichts machen,<br />

da Einstimmigkeit auf EU-Ebene gefordert ist. All diese Sachen müssten wir<br />

eigentlich in den Griff bekommen. Dann kommen die ganzen Bildungsfragen, die hier<br />

schon angeschnitten wurden. Auch beim dualen Ausbildungssystem muss man sehen,<br />

dass von Jahr zu Jahr weniger einen Ausbildungsplatz bekommen. Viele landen<br />

in anderen Maßnahmen. Ist das System noch zukunftsträchtig Wir werden an ganz<br />

vielen Ecken grundsätzliche Fragen stellen müssen, gleichzeitig muss man aber<br />

auch schauen, wie man kurzfristig was bewirken kann. Aber es ist eine schwierige<br />

Sache.<br />

Dr. Runge: Damit sind wir am Ende der Zeit angelangt, die gesetzt wurde. Ich möchte<br />

ein kurzes Schlusswort sagen. Ich setze mal eine Klammer, wer es nicht so sieht,<br />

kann gerne widersprechen. Es gibt einen großen Handlungsbedarf, einen Binnenmarkt<br />

für Dienstleistungen herzustellen, der sinnvoll sein kann. Auf der anderen Seite<br />

gibt der Entwurf keine fruchtbare Lösung her. Da gehört etwas anderes her.<br />

<strong>Heide</strong> Langguth: Ich möchte ganz zum Schluss noch sagen, ich finde es interessant,<br />

wenn man bedenkt, wie wir am Anfang letzten Jahres noch diskutiert haben<br />

und mit unserer Kritik noch relativ allein auf weiter Flur standen. Dann ist es immerhin<br />

ein Fortschritt, dass jetzt aus unterschiedlichsten Gruppen kritische Anmerkungen<br />

kommen. <strong>Das</strong> finde ich ermutigend.<br />

Dr. Runge: Dank an alle Teilnehmerinnen und Teilnehmer sowie an die Referentinnen<br />

und Referenten.

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