Weiterbildungspass mit Zertifizierung informellen Lernens
Weiterbildungspass mit Zertifizierung informellen Lernens
Weiterbildungspass mit Zertifizierung informellen Lernens
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
Die Grenzen dieses Modells liegen wie bei allen standardisierten Verfahren darin,<br />
dass nur die Kompetenzen erfasst und anerkannt werden, die im formalen allgemeinen<br />
oder beruflichen Bildungssystem vorgesehen sind. Darüber hinausgehende, innovative<br />
Kompetenzen aber und die besondere Qualität informell erworbener Kompetenzen<br />
können nicht ausreichend berücksichtigt werden. „Der subjektive Charakter<br />
dieser Kompetenzen kann sich gar nicht oder nur unzulänglich im formalen<br />
Standard niederschlagen“ (ebd., S. 124). Dabei besteht allerdings die Gefahr, durch<br />
den Rückgriff auf Standardisierung das wieder zu verlieren, was <strong>mit</strong> dem Blick auf<br />
die Kompetenzen gewonnen wird.<br />
S Komplementarität<br />
Nach diesem Modell werden einerseits Übereinstimmungen <strong>mit</strong> formalen Qualifikationsstandards<br />
festgestellt und andererseits zusätzliche Informationen über spezielle<br />
Arbeits- und Lebenszusammenhänge gegeben. Bei diesem Verfahren finden neben<br />
vergleichbaren formalen Standards individuell entwickelte Kompetenzen, ihr subjektiver<br />
Charakter und ihre Andersartigkeit Berücksichtigung.<br />
Diese Differenzierung verdeutlicht Laur-Ernst an einem heute schon zu Teilen im<br />
Erwerbsleben funktionierenden Beispiel: Ein langjährig Beschäftigter verfügt – obwohl<br />
er nie eine Berufsausbildung abgeschlossen hat – über eine „weitaus umfassendere<br />
Expertise auf diesem Gebiet als der frische Absolvent einer entsprechenden<br />
dualen oder schulbasierten Berufsausbildung. Er kann und weiß mehr“ (ebd., S.<br />
125 f.). Würde er nur an den formalen Standards des Ausbildungssystems und an<br />
vorliegenden Zertifikaten gemessen, wäre er auf das „Niveau eines ‚Novizen‘ gestellt,<br />
obwohl er bereits deutlich darüber hinaus kompetent ist“ (ebd., S. 125).<br />
S Parallelität<br />
Im Gegensatz zu den vorherigen Ansätzen bezieht sich dieses Modell nicht auf formulierte<br />
Qualifikationsstandards, sondern geht von der eigenständigen Qualität der<br />
auf <strong>informellen</strong> Wegen erworbenen Kompetenzen aus und setzt auf spezielle Verfahren<br />
zu ihrer Identifizierung und Bewertung. Laur-Ernst schlägt dafür einen „eigenständigen,<br />
auf Berufserfahrung und konkretes Handeln ausdrücklich abgestellten<br />
Anerkennungsmodus“ vor, <strong>mit</strong> dem „sich die in der Praxis tatsächlich angewandten<br />
bzw. entwickelten Kompetenzen wahrscheinlich am besten erfassen (lassen)“<br />
(ebd., S. 125).<br />
Laur-Ernst sieht in diesen eigenständigen Verfahren zur Identifizierung und <strong>Zertifizierung</strong><br />
informell erworbener Kompetenzen aber auch die Schwierigkeit vielseitiger<br />
Anforderungen: Sie müssen „hinlänglich dauerhaft und zugleich adaptiv, zuverlässig<br />
und transparent, praktikabel und vor allem sozial anerkannt und glaubwürdig sein,<br />
(...) da<strong>mit</strong> auf diesem Wege erworbene Zertifikate oder Nachweisdokumente zu einer<br />
‚harten Währung‘ werden“ (ebd., S. 125). Um die Gültigkeit dieses Verfahrens<br />
zu gewährleisten und Beliebigkeit auszuschließen, bedarf es einer Verständigung,<br />
eines Konsenses hinsichtlich neuer Referenzstandards „zumindest in der jeweiligen<br />
‚community of practice‘, also den wesentlichen Akteuren, z.B. in einer Branche, einer<br />
Region oder einem Berufsfeld“ (ebd., S. 125).<br />
Auch für Winkler stellt die Bewertung informell erworbener Kompetenzen einen „offiziellen<br />
Akt“ dar, der der Zuerkennung von Zertifikaten und da<strong>mit</strong> einer formalen Anerkennung<br />
dieser Kompetenzen dient (Winkler 2002, S. 26). Über diesen Akt wird<br />
der Zusammenhang zwischen den individuell erworbenen Kompetenzen und den<br />
Anforderungen als Voraussetzung für eine bestimmte <strong>Zertifizierung</strong> hergestellt. Die<br />
<strong>Zertifizierung</strong> wird unter der Kontrolle und der direkten Verantwortung einer Instanz<br />
durchgeführt, die auf einer gesetzlichen Grundlage agiert. Die Vorteile dieses Ver-<br />
53