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Anmerkungen C H R I S T I N E E I C H E L Vom Flaschentrockner zur Imbißbude – künstlerische Strategien in der Ornamentalen Kultur „Kunst machen heißt Dinge machen, von denen wir nicht wissen, was sie sind.“ Dieser Satz, den Adorno Benjamin entlieh, beschreibt mit planvoller Pathosvermeidung das Enigmatische der Kunst, ihren Rätselcharakter, die Chiffrenhaftigkeit einer künstlerischen Moderne, die sich allen Funktionalisierungen entzogen hatte und fortan den schwankenden Grat zwischen Autonomie und Autismus besetzte. Die Lakonie des Satzes täuscht darüber hinweg, mit welchem Pathos eine Avantgarde daherkam, die um ihre Autonomie hart hatte kämpfen müssen, allen Ansprüchen an die Kunst zum Trotz: Gegen das Postulat der Darstellung in der Bildenden Kunst beispielsweise, gegen die Tonalität in der Musik. Und, früher schon, gegen die Funktionalisierung als schmückendes Beiwerk, von der Tafelmusik bis zum Gobelin. Die Emanzipation der Künste von außerästhetischen und innerästhetischen Funktionszusammenhängen kulminiert im Benjamin-Satz: Die Unsicherheit darüber, was denn ein künstlerischer Artefakt sei, markiert die gelungene Befreiung von allen historischen Schlacken, die noch in den Anfängen der Avantgarde mitgeschleppt wurden, als geometrische Formen Gitarren und Blumenvasen zitierten. Vor diesem Szenario wird deutlich, wie radikal sich Künstler heute vom klassischen Avantgardebegriff entfernen, wenn sie beginnen, das Moment der Funktion neu zu umspielen oder explizit zum Thema zu machen. „Dinge machen, von denen wir nicht wissen, was sie sind“ – der Satz enthält darüber hinaus ein Rezeptionsmodell, das weit in die Moderne und Nachmoderne hineinreicht: Er behauptet, daß jemand da ist, jemand da sein muß, der schaut, der rätselt, der wissen möchte, was das ist, das Ding, das er betrachtet und von dem er nicht weiß, was es ist. Und gerade das ist alles andere als selbstverständlich. Mit dem 173