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Über Christoph Marthalers Inszenierung von Shakespeares "Was ihr wollt" am Schauspielhaus Zürich 2001.

LMU München - Hauptseminar Theaterwissenschaft "Inszenierungsanalyse" - 2004/05

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ersoffen sind, oder gerade ertrinken.“ 19 Wie meistens bei Anna Viebrock ist auch<br />

dieses Bühnenbild abgeschlossen: Wer durch eine der Türen abgeht, tritt kurz darauf<br />

durch eine andere ein; milchige und kleine Fenster erlauben keine Aussicht. Eine<br />

mögliche Außenwelt wird weder durch sprachliche noch andere Mittel definiert oder<br />

zumindest angedeutet. 20 Einzig die Einbeziehung des Zuschauerraums, durch die<br />

Spiegelung im Bühnenbild und Antonios Auftritt erweitert das Bühnenhaus. Das<br />

ges<strong>am</strong>te Oval des Theaters ist die dargestellte Welt und das Motorenst<strong>am</strong>pfen bzw.<br />

Summen der Propeller belebt das Schiff an sich. Es erscheint als großer Organismus,<br />

welcher sich Publikum und Darsteller einverleibt hat. Die Wahl eines Bühnenbildes,<br />

das die Anwesenden zu einer Bordgemeinschaft macht, setzt Maßstäbe für die ganze<br />

<strong>Inszenierung</strong>. Das gemeins<strong>am</strong>e Erleben <strong>von</strong> Theater wird über die Zurschaustellung<br />

eines abgeschlossenen Kunstwerks gesetzt. D<strong>am</strong>it teilt Marthaler mit vielen<br />

zeitgenössischen Regisseuren, wie Andreas Kriegenburg oder Johan Simons, die<br />

grundsätzliche Auffassung <strong>von</strong> Theater als gemeins<strong>am</strong>en Erlebnisort <strong>von</strong><br />

Schauspielern und Zuschauern. Erst im Vollzug vervollständigt sich das Kunstwerk.<br />

2.2 A Closer Look: Öffentlichkeit und Heimlichtuerei<br />

Durch die Präsenz aller Darsteller auf der Bühne ist ein gewisser Grad an Öffentlichkeit<br />

andauernd gegeben. Die Figuren haben die Möglichkeit, einander zu beobachten und<br />

sich für die anderen in Szene zu setzen.<br />

Dieses Illyrien ist eine sehr sehr selts<strong>am</strong>e Welt, eine skurrile Welt.<br />

Das ist schon beim Lesen. Und die spielen sich alle etwas vor.<br />

Ich glaube, die wissen auch alle Bescheid übereinander,<br />

untereinander. Aber die spielen sich was vor, und das ist das<br />

Schöne. Das ist Spiel. und das ist bei Shakespeare natürlich<br />

grandios. Man weiß nie wer weiß was über den andern. Sie<br />

spielen. Und das ist ganz ganz toll und das ist wunderbar. 21<br />

Privatheit ist nur als Heimlichtuerei oder Sch<strong>am</strong>losigkeit möglich. D<strong>am</strong>it ist auch die<br />

Rolle des Zuschauers als alleiniger Voyeur intimer Szenen hinfällig: die Zuschauer sind<br />

19 Berger, „Trinkend ertrinken“.<br />

Der erfolgreiche Kinofilm Titanic <strong>von</strong> J<strong>am</strong>es C<strong>am</strong>eron erschien übrigens 1997. Im Februar 2001 wurde<br />

diesem Film in Berlin die „Goldene K<strong>am</strong>era“ verliehen. Die <strong>Inszenierung</strong> fällt also noch seine<br />

unmittelbare Rezeptionsphase.<br />

20 Das Wellenrauschen in der Videoaufnahme habe ich nicht berücksichtigt.<br />

21 Auszug aus einem Interview mit <strong>Christoph</strong> Marthaler, in: Rasender Stillstand (Videoquelle).<br />

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