FINE Das Weinmagazin - 04/2014
FINE Das Weinmagazin ist in der Welt der großen Weine zu Hause Hauptthema: DOM PÈRIGNON
FINE Das Weinmagazin ist in der Welt der großen Weine zu Hause
Hauptthema: DOM PÈRIGNON
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4| <strong>2014</strong> Deutschland € 15<br />
Österreich € 16,90<br />
Italien € 18,50<br />
Schweiz chf 30,00<br />
DAS WEINMAGAZIN<br />
Wodka Belvedere<br />
Der Bremer Ratskeller<br />
Riesling Jahrgang 20<strong>04</strong><br />
Anne-Claude Leflaive<br />
Grosse Weine vom Ätna<br />
Château Latour<br />
Top-Region Rheingau<br />
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E U R O P E A N F I N E W I N E M A G A Z I N E D I E G R O S S E N W E I N E D E R W E L T<br />
DAS WEINMAGAZIN<br />
4/<strong>2014</strong><br />
INHALT<br />
12 Château Latour<br />
28 Billecart-Salmon<br />
38 Roederer Cristal<br />
102 Der Rheingau<br />
20 Dom Pérignon<br />
9 <strong>FINE</strong> Editorial Thomas Schröder<br />
12 <strong>FINE</strong> Bordeaux <strong>Das</strong> neue Marketing-Konzept von Château Latour<br />
20 <strong>FINE</strong> Champagne <strong>Das</strong> Geheimnis des Dom Pérignon<br />
28 <strong>FINE</strong> Champagne <strong>Das</strong> etwas andere Champagnerhaus Billecart-Salmon<br />
38 <strong>FINE</strong> Champagne Die Geschichte des Roederer Cristal<br />
46 <strong>FINE</strong> Sizilien Die großen Weine [1]: Rund um den Ätna<br />
60 <strong>FINE</strong> Frauen im Wein Anne-Claude Leflaive<br />
66 <strong>FINE</strong> Wein & Speisen Jürgen Dollase im Gut Lärchenhof in Pulheim<br />
74 <strong>FINE</strong> Weinwissen Christian Göldenboog über die Kirschessigfliege<br />
76 <strong>FINE</strong> Tasting Die trocknen Rieslinge des Jahrgangs 20<strong>04</strong><br />
46 Sizilien<br />
60 Anne-Claude Leflaive<br />
88 Der Bremer Ratskeller<br />
120 Die Große Lage Gräfenberg<br />
84 <strong>FINE</strong> <strong>Das</strong> Große Dutzend Der Solaia der Tenuta Tignanello<br />
88 <strong>FINE</strong> Wein und Zeit Der altehrwürdige Bremer Ratskeller<br />
94 <strong>FINE</strong> Die Pigott Kolumne Die weltweite Riesling-Revolution<br />
96 <strong>FINE</strong> Wodka Der polnische Premium-Wodka Belvedere<br />
102 <strong>FINE</strong> Rheingau Die Heimat feinster Rieslinggewächse<br />
106 <strong>FINE</strong> Rheingau Die Erneuerer einer alten Weinregion. Vier Beispiele<br />
120 <strong>FINE</strong> Rheingau Die Große Lage Gräfenberg und der Winzer Wilhelm Weil<br />
126 <strong>FINE</strong> Rheingau Die Spätlesen von Schloss Johannisberg<br />
132 <strong>FINE</strong> Rheingau Die Spätburgunder vom Assmannshäuser Höllenberg<br />
138 <strong>FINE</strong> Rheingau Die Ideenfülle des Christian Ress in Hattenheim<br />
144 <strong>FINE</strong> Rheingau Die Naturliebe des Gunter Künstler in Hochheim<br />
152 <strong>FINE</strong> Wein und Kritik Folge III: Der Trend, das Terroir und das Trinkvergnügen<br />
158 <strong>FINE</strong> <strong>Das</strong> Bier danach Weingut – Bier gut<br />
96 Wodka Belvedere<br />
106 Vier Rheingauer Winzer<br />
132 Spätburgunder vom Höllenberg<br />
144 Gunter Künstler<br />
162 <strong>FINE</strong> Abgang Ralf Frenzel<br />
6 7<br />
<strong>FINE</strong> 4 | <strong>2014</strong> <strong>FINE</strong> Inhalt
Im Alleingang<br />
Zum Wohl des Weinbergs: Vor dem kompakten Turm,<br />
dem Wahrzeichen von Château Latour, zieht ein<br />
robustes Ackerpferd den Pflug durch die Rebzeilen.<br />
Mit seinem neuen Marketing-Konzept<br />
macht sich Château Latour im Bordelais<br />
nicht nur Freunde<br />
Von Christian Volbracht<br />
Fotos Johannes Grau<br />
12 13<br />
<strong>FINE</strong> 4 | <strong>2014</strong> <strong>FINE</strong> Bordeaux
<strong>Das</strong> Geheimnis<br />
des Dom Pérignon<br />
Von Kristine Bäder Fotos Guido Bittner<br />
Im charmanten Plauderton bringt Richard Geoffroy, seit mehr als<br />
zwanzig Jahren Kellermeister bei Dom Pérignon und Botschafter<br />
des Champagner hauses, seinen Tischpartnern bei einer außergewöhnlichen<br />
Fine-Verkostung nicht nur die Faszination Dom<br />
Pérignon näher, sondern auch seine Vision eines großen Champagners.<br />
20 21<br />
<strong>FINE</strong> 4 | <strong>2014</strong> <strong>FINE</strong> Champagne
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ERÖFFNUNG IM HERBST 2015
Eine önologische<br />
Rundreise zu<br />
den grossen Weinen<br />
Siziliens Teil 1: Rund um den Ätna<br />
Von Michael Schmidt<br />
Fotos Thilo Weimar<br />
»Wenn jemand eine Reise tut, so kann er was verzählen.« Die Wahrheit dieses Gedichtanfangs<br />
von Matthias Claudius gilt heute wie vor zweihundert Jahren. Doch die Fortsetzung<br />
»Drum nahm ich meinen Stock und Hut und tät das Reisen wählen« bedarf zumindest in<br />
Anbetracht der Orts- und Straßenbeschilderung Siziliens dringend einer Aktualisierung:<br />
»Doch sollte man sein Auto nie ohne ein Navi wählen«. Manchmal kann man aber selbst<br />
solchen Widrigkeiten Glanz abgewinnen: Bin ich denn außer mit neuerworbenem Wissen<br />
über den Qualitätssprung der sizilianischen Weine nicht auch noch mit fundierten Kenntnissen<br />
der ver schlungensten Feldwege am Ätna zurückgekommen<br />
46 47<br />
<strong>FINE</strong> 4 | <strong>2014</strong> <strong>FINE</strong> Sizilien
Welche Weinregion der Welt hat schon einen aktiven Vulkan<br />
vorzuweisen Auf dem einzigartigen Terroir, der schwarzen<br />
Vulkanerde, fühlt sich nicht nur Dornengestrüpp wohl. Für<br />
die Unvergleichlichkeit der Weine vom Ätna sind neben dem<br />
Boden auch das Klima, die Rebsorten und nicht zuletzt die<br />
Winzer als deren Interpreten wesentliche Faktoren.<br />
<strong>Das</strong>s Sizilien gegen Ende des 20. Jahrhunderts, ermutigt<br />
von einer schier unerschöpflichen Subventionsfreude<br />
der Europäischen Union, seine Weinproduktion ohne<br />
jede Rücksicht auf Nachfrage zu Höchstleistungen ankurbelte,<br />
hat sich derart ins kollektive Gedächnis ein gemeißelt, dass man<br />
heute der Botschaft von einer neuen spannenden Weinkultur<br />
auf der größten Insel des Mittelmeers nur zögerlich Glauben zu<br />
schenken beginnt. Natürlich ist die Gegend um den Ätna dazu<br />
prädestiniert, höchstes Aufsehen zu erregen, denn welche andere<br />
Weinregion der Welt hat einen aktiven Vulkan vor zuweisen Zu<br />
Zeiten der Massenproduktion machte man von diesem Sonderstatus<br />
jedoch wenig Aufh ebens, denn Mengen ließen sich auf<br />
den Ebenen und im Flachland besser erzeugen. <strong>Das</strong>s es mit<br />
dem Terroir am feuerspeienden Berg aber doch etwas Besonderes<br />
auf sich hat, wurde schon 1968 dadurch gewürdigt, dass<br />
der Ätna als erste Weinbauregion Siziliens mit der Ein stufung<br />
als Denominazione di Origine Controllata (DOC) bedacht<br />
wurde. Die Qualitäts schlacht wird heute aber nicht nur im nordöstlichen<br />
Teil der Insel geschlagen, sondern unter anderem auch<br />
in Trapani und Alcamo im Westen, im Agrigento im Süden, in<br />
den Provinzen Palermo und Caltanissetta und in Cerasuolo di<br />
Vittoria im Südosten, der einzigen Denominazione di Origine<br />
Controllata e Garantita (DOCG). <strong>Das</strong>s viele dieser Weine<br />
nicht unter die Ursprungsbezeichnungen DOC oder DOCG<br />
fallen, sondern in die erst 2011 eingeführte Kategorie für Landweine,<br />
Terre Siciliane Indicazione Geo grafica Tipica (IGT),<br />
steht nicht für geringere Qualität, sondern dafür, dass sich<br />
manche Erzeuger die größeren Freiräume dieser Appellation<br />
zunutze machen wollen. Für den Normalverbraucher wurde<br />
mit der neuen Bezeichnung allerdings wahrscheinlich mehr<br />
Ver wirrung als Klarheit geschaffen, da es schon vorher eine<br />
inselweit geltende Sicilia IGT gab, die 2011 rundum zur DOC<br />
Sicilia befördert wurde.<br />
<strong>Das</strong>s das Weinbaugebiet um den Ätna zu Recht seine<br />
eigene Appellation trägt, demonstrierte der Berg schon auf<br />
meiner Anfahrt von Catania mit einem wahren Inferno: Ein<br />
Wolkenbruch, prasselnder Hagel und im Zweiminutentakt<br />
zuckende Blitze führten die Vorstellung von Sizilien als einer<br />
unter Trocken heit, Hitze und Wassermangel leidenden Insel ad<br />
absurdum. Dann fiel mir auch noch ein, dass die letzte Eruption<br />
des Vulkans weniger als ein Jahr zurücklag. Die Befürchtung,<br />
wieder einmal zur falschen Zeit am falschen Ort zu sein, sollte<br />
sich aber nicht bewahrheiten. Dagegen bewies das frische<br />
Grün der Flora im strahlenden Sonnenschein des nächsten<br />
Morgens, dass hier für die in vielen Weinbergen Siziliens üblichen<br />
Bewässerungs systeme kein Bedarf besteht. Man sollte sich<br />
aber durch die selbst Anfang September mit Schnee bedeckte<br />
Bergkuppe nicht täuschen lassen: Auf der Südseite können die<br />
Temperaturen auch im Herbst noch 40 Grad erreichen. Weshalb<br />
sich die besten Lagen an den mit gemäßigteren Temperaturen<br />
gesegneten nord- und nordöstlichen Hängen zwischen<br />
sechshundert und tausend Metern Höhe befinden.<br />
Temperatur und Niederschlag allein sind natürlich nicht<br />
die einzigen Faktoren, nur im Zusammenhang mit Rebsorte,<br />
Boden und dem Winzer als deren Interpreten kann die Einzigartigkeit<br />
einer Lage definiert werden.<br />
Der Begriff des Terroirs mag in den letzten Jahren etwas<br />
überstrapaziert worden sein, weshalb er bei so manchem Weinkritiker<br />
oder -kenner fast so etwas wie eine Trotzreaktion hervorgerufen<br />
hat, ganz nach dem vor einiger Zeit in Australien<br />
verbreiteten saloppen Credo: Terroir is just a piece of dirt –<br />
Terroir ist nur ein Haufen Dreck. Nirgends sonst gibt es wohl<br />
ein geeigneteres Stück Land als die Weinberge des Ätna, um<br />
das Gegenteil zu beweisen. Selbst innerhalb einer einzelnen<br />
Lage wechseln hier die Strukturen, oft ganz abrupt, von Parzelle<br />
zu Parzelle. Man muss nicht geologisch vorgebildet sein, um<br />
zu verstehen, dass diese Unterschiede darauf zurück zuführen<br />
sind, wie stark der jeweilige Vulkanausbruch war, wieviel Masse<br />
heraus geschleudert wurde und wie weit sich die Lavaströme<br />
er gossen. An manchen Schichten konnte der Zahn der Zeit<br />
tausend oder mehr Jahre nagen, während andere von den allerjüngsten<br />
Eruptionen stammen.<br />
Selbstverständlich ist es nicht nur die einzigartige Erd unterlage,<br />
die den Gewächsen des Ätna ihren besonderen Ausdruck<br />
verleiht. Nerello mit seinen Spielarten Mascalese<br />
und Cappuccio bei den Roten sowie Carricante und Cattaratto<br />
bei den Weißen sind die Sorten, die in einer über Hunderte<br />
von Jahren perfektionierten Symbiose mit den vulkanischen<br />
Böden einen unnachahmlichen Charakter entwickelt haben.<br />
Sicher werden hier auch anständige Syrahs, Cabernets und<br />
Merlots gemacht, ab und an auch mal ein Chardonnay, aber<br />
sie bleiben doch austauschbar. Mit dem Nerello und dem Ätna<br />
haben sich zwei gefunden, die einander so vollkommen ergänzen<br />
können, dass man an der Spitze so berechtigt von Weltklasse<br />
sprechen darf wie bei Syrah und Hermitage oder Pinot<br />
Noir und Côtes de Nuits.<br />
Der Nerello ist eine erstmals im 18. Jahrhundert schriftlich<br />
erwähnte autochthone Sorte des Ätna, ihre noblere Spielart<br />
Mascalese ist nach dem vermutlichen Ursprungsort Mascali in<br />
der Nähe der Küste benannt. Eine DNA-Analyse aus dem Jahr<br />
2010 hat ergeben, dass es sich bei ihr mit großer Wahrscheinlichkeit<br />
um einen natürlichen Abkömmling von Sangiovese<br />
und Mantonico Bianco handelt. Viele der heute auf etwa viertausend<br />
Hektar im Nordosten der Insel angepflanzten Nerello-<br />
Mascalese-Reben haben sich bei einer weiteren Untersuchung<br />
als Kreuzungen des ursprünglichen Klons mit vier oder fünf<br />
anderen bisher unbestimmten Sorten aus den örtlichen Weinbergen<br />
ergeben. In den höheren Lagen erreicht der Mascalese<br />
oft erst gegen Ende Oktober seine volle Reife, wobei er wegen<br />
seiner kompakten Traubendichte bei ungünstigeren Wetterbedingungen<br />
für den Echten Mehltau oder durch Botrytis verursachte<br />
Fäulnis anfällig sein kann.<br />
Der Nerello Capuccio genießt nicht ganz den Ruf des<br />
Mascalese und bringt etwas weichere und weniger präzise Weine<br />
hervor. Man könnte seine Rolle ein bisschen mit der des Merlot<br />
in den Grands Crus von Bordeaux vergleichen. <strong>Das</strong>s er sich<br />
vom Mascalese ableitet, ist bewiesen, unbekannt sind die übrigen<br />
Ahnen. Nur zwei Winzer in Sizilien erzeugen einen reinen<br />
Capuccio-Wein. Außerdem stehen noch einige der landes weit<br />
sechzehnhundert Hektar in Kalabrien.<br />
Wenn Nerello die rote Vorzeigesorte des Ätna ist, dann<br />
darf man Carricante trotz eines Anteils von nur vier Prozent<br />
den weißen Gegenpol nennen. Alle Weißweine, die das DOC<br />
Siegel Etna Bianco tragen, müssen mindestens sechzig Prozent<br />
der Sorte enthalten. Eine Tendenz zu hoher Säure kann manchmal<br />
ein Problem werden, weshalb der Carricante relativ spät<br />
gelesen wird. Zudem hat er eine notorische Abneigung gegen<br />
den biologischen Säureabbau. Von diesem Problem wusste der<br />
floren tinische Archäologe Domenico Sestini schon 1774 zu<br />
berichten, der sich jahrzehntelang dem Studium der sizilianischen<br />
Weinkultur widmete. Während man zu seiner Zeit den<br />
Carricante über die Wintermonate auf der Hefe lagern ließ,<br />
um ihn dann mit der Wärme des Frühlings zur malolaktischen<br />
Gärung zu ermuntern, versucht man heute, dieselbe Wirkung<br />
mit der Mikro-Oxygenation zu erzielen,die durch den französischen<br />
Berater-Guru Michel Rolland bekannt wurde. Die<br />
profunde Säure ist auch ein Grund, warum der Carricante oft<br />
mit anderen einheimischen Sorten wie Catarratto, Inzolia<br />
und Minella Bianca verschnitten wird, obwohl er unter idealen<br />
Bedingungen ganz auf sich allein gestellt Weine mit floralem<br />
Duft, lebendiger Frische, köstlichen Zitrusnoten und feiner<br />
Mineralität hervorbringen kann.<br />
Die erste namentliche Erwähnung des Catarratto Bianco als<br />
sizilianische Traubensorte findet man schon 1696 in Francesco<br />
Cupanis »Hortus Catholicus«. Mehr als vierzigtausend Hektar<br />
allein in Sizilien untermauern ihren Ruf als Lieferant für Massenware,<br />
aber bei zurückhaltenden Erträgen kann sie durchaus<br />
einen wertvollen aromatischen Beitrag leisten, wie einige der<br />
besten Weißweine aus Trapani, Palermo, Agrigento und nicht<br />
zuletzt vom Ätna beweisen.<br />
Unweit des Städtchens Randazzo, das in seiner Geschichte<br />
zweimal fast der totalen Vernichtung anheimfiel – einmal durch<br />
die Pest im 16. Jahrhundert, das andere Mal durch eine massive<br />
Bombenattacke der Alliierten im Zweiten Weltkrieg –, liegen die<br />
Weingüter Terre Nere, Cottanera, Firriato und Cantine Russo<br />
nur wenige Minuten Fahrt voneinander getrennt.<br />
48 49<br />
<strong>FINE</strong> 4 | <strong>2014</strong> <strong>FINE</strong> Sizilien
DANIEL DECKERS WEIN UND ZEIT XIII<br />
Im<br />
Allerheiligsten<br />
der deutschen Weinkultur<br />
Der Bremer Ratskeller<br />
Fotos Marco Grundt<br />
Abbildungen: Staatsarchiv Bremen<br />
Unterirdische Weihestätte<br />
Es duftet. Doch wonach Feuchtigkeit liegt<br />
in der leicht temperierten Luft, aber nach<br />
Moder oder gar Schimmel, wie er einige<br />
Meter unter dem Pflaster Bremens zu erwarten wäre,<br />
riecht es nicht. Auch die zwölf gleichmütig brennenden<br />
Kerzen geben nichts her als das schwache Licht,<br />
das den fensterlosen Raum erhellt. Der betörende,<br />
an konzentriert-öligen Honig und zarte Rauchnoten<br />
gemahnende Duft muss den zwölf Holzfässern<br />
entströmen, die dem ehrfürchtig Staunenden<br />
zur Rechten wie zur Linken das Geleit geben.<br />
Sieben von ihnen sind noch spundvoll mit Wein –<br />
doch mit welchem Nicht Jahre ist er alt, auch nicht<br />
Jahrzehnte. Mehr als zwei Jahrhunderte sind vergangen,<br />
seit die ältesten der hier lagernden Weine<br />
ihren Weg vom Rhein und von der Mosel in den<br />
Apostel-Keller fanden, die Vorhalle des heiligsten<br />
aller heiligen Orte des deutschen Weins.<br />
Einst hatte Wilhelm Hauff mit den Aposteln<br />
und ihren Weinen eine lange Nacht verbracht. Doch<br />
der schwäbische Dichter, dem danach nur noch ein<br />
Jahr zu leben vergönnt war, blieb nicht allein. In<br />
seinen »Phantasien aus dem Bremer Rats keller«,<br />
Ausgebufft: Die Bremer Weinordnung des Jahres 1635 bestätigt das Rheinweinmonopol<br />
des »erbar Rahts«, 18<strong>04</strong> müssen Rheinweine und andere Kostbarkeiten<br />
herhalten, um die Franzosen günstig zu stimmen.<br />
die er im Jahr 1827 zu Papier brachte, schwang<br />
die alte Rose, wie der Keller daneben heißt, das<br />
Tanzbein, und selbst der steinerne Roland verließ<br />
kurzentschlossen seinen Posten vor dem Rathaus,<br />
schaute auf ein paar Gläser Wein vorbei. Denn was<br />
wäre der Apostel-Keller mit seinen Weinen, wenn<br />
er den Gast nicht einstimmte auf jenen Raum, in<br />
dem das Rosen-Fresko an der hohen Decke seit<br />
dem Jahr 1602 über das Kostbarste wacht, was die<br />
Bremer Weinherren in deutschen Gefilden erstanden,<br />
damit die für ihre Weinkultur hochberühmte<br />
Hansestadt es sich zur Zier und ihren Gästen zur<br />
Ehre gereichen ließe. 1653er Rüdesheimer prangt<br />
auf jenem geheimnisvollen, von der Zeit dunkelgegerbten<br />
Fass, das vor der Stirnseite des Rose-<br />
Kellers wie ein Gral alle Blicke auf sich zieht. Und<br />
wo ruhen der 1731er und der 1723er Mosel, nicht zu<br />
reden von den Rüdesheimern aus den Jahren 1666<br />
und 1748 Als wollten sie dem 1653er nur ver stohlen<br />
Spalier stehen, geben sie sich erst dem zu erkennen,<br />
der »sub rosa« steht.<br />
1405 ist das Jahr, in dem die Geschichte jenes<br />
Ratsweinkellers offiziell beginnt, der niemals zer-<br />
Ausgetanzt: Auch im Wien des Jahres 1814/15 und bei dem englischen Diplomaten<br />
Cockburn verfehlen »Hocks«, Weißweine vom Rhein, ihre Wirkung nicht.<br />
stört und niemals bis auf den letzten Tropfen geplündert<br />
wurde. Mochte die Bremer Kaufmannschaft<br />
schon immer in französischen Weinen machen, so<br />
wie die Hamburger und die Lübecker oder so wie<br />
die Danziger zu Hochzeiten der Hanse in spanischem<br />
Wein – keine norddeutsche Hansestadt lag<br />
günstiger zum Rhein hin als die mittel alterliche<br />
Bischofsstadt, in der freilich die Bürgerschaft schon<br />
früh das Sagen hatte. Was sie zu Wasser oder zu<br />
Land vom Rhein kommen ließ, musste den Weg<br />
durch den Ratskeller nehmen, um getrunken oder<br />
gehandelt werden zu dürfen. Nicht nur den alltäglichen<br />
Weinverfälschungen wollte man vorbeugen<br />
und den Ruf des Bremer Rheinweins von<br />
jedem Makel rein halten. Gleich ob er an Ort und<br />
Stelle verzapft wurde oder seinen Weg nach England,<br />
Skandi navien und später nach Amerika fand –<br />
die Steuern und Abgaben, die auf dem Wein lagen,<br />
waren die wichtigste Einnahmequelle der Stadt, der<br />
Wein mithin Garant der Bremer Freiheit.<br />
Oft schon wäre es um ein Haar mit dem Ratskeller<br />
vorbei gewesen. In Hamburg und Lübeck<br />
hatten Napoleons Leute kurzen Prozess gemacht.<br />
Die Ratskellerweine waren versteigert worden, der<br />
Erlös half die Kriegskasse zu füllen. Den Bremer<br />
Weinen blieb dieses Schicksal erspart, obwohl die<br />
Franzosen von 1806 bis 1813 in der Stadt das Sagen<br />
hatten. 1945, zur amerikanischen Besatzungszeit,<br />
ging etwa im Wiesbadener Kurhaus das unendlich<br />
kostbare Flaschenweinmuseum verloren. In Bremen<br />
waren die Apostel- und Rose-Weine den Blicken der<br />
Befreier sorgfältig verborgen worden – dank eines<br />
amerikanischen Soldaten, so berichtet es Rats kellermeister<br />
Karl-Josef Krötz. Als der Held den Ratskeller<br />
nach Jahrzehnten nochmals besucht habe,<br />
sei alles so gewesen wie damals, im Frühjahr 1945.<br />
Der Dank des Senats in Gestalt einer Flasche 1727er<br />
Rüdesheimer Apostelwein war dem Mann gewiss.<br />
So aber stehen auch wir an jenem aller heiligsten<br />
Ort der deutschen Weinkultur, lassen uns be tören<br />
von dem sonnengetränkten Duft von Jahr hunderten<br />
und beginnen zu phantasieren.<br />
88 89<br />
<strong>FINE</strong> 4 | <strong>2014</strong> <strong>FINE</strong> Wein & Zeit
Claire Smith, die Londoner<br />
Mixologin, mischt den polnischen<br />
Premium-Wodka Belvedere auf<br />
Von Christian Volbracht<br />
Wodka – Männersache Für einen der Top-Wodkas der Welt ist der Gaumen einer jungen Engländerin verantwortlich.<br />
Claire Smith, ehemalige Barkeeperin mit Jurastudium, stieg im Luxuskonzern LVMH zur Kreativ-<br />
Chefin für Belvedere-Wodka auf. Modern, aber der polnischen Wodka-Tradition verpflichtet, kreiert sie die<br />
verschiedenen Geschmacksrichtungen der Marke. Sich selbst nennt sie ganz einfach »the Rye-Girl«, das<br />
Roggen-Mädchen.<br />
»Ich bin ein<br />
Roggen-<br />
Mädchen«<br />
Fotos: Wodka Belvedere<br />
Es klingt ein bisschen wie »Bond-Girl«, wenn die aparte<br />
junge Frau das in der Bar des Sofitel in Danzig sagt, einem<br />
Hotelpalast an der Badeküste der Stadt. Sie hätte an die<br />
Seite von Superagent James Bond passen können, der so viel dazu<br />
beitrug, dass Wodka das alte Image als Billig-Alkohol ab gelegt<br />
hat. Denn Bond-Bücher und -Filme sorgten dafür, dass der<br />
Wodka-Martini sich neben dem klassischen Martini mit Gin<br />
etablieren konnte. Im ersten Bond-Roman »Casino Royale« aus<br />
dem Jahr 1953 ließ der trinkerfahrene Autor Ian Fleming seinen<br />
Helden einen »Vesper«-Martini mit Gin und Wodka ordern,<br />
im Champagnerglas statt im traditionellen Cocktailspitz. Später<br />
orderte der Leinwand-James-Bond fast immer Wodka-Martinis<br />
ohne Gin – immer geschüttelt und nicht gerührt.<br />
Ian Fleming ließ den Agenten sogar einmal ausdrücklich<br />
Wodka aus Polen oder Russland verlangen – und einen Barmann<br />
sagen, dass aus Roggen gebrannter Wodka der beste sei.<br />
<strong>Das</strong> passt wunderbar zur Marketing-Strategie von Belvedere<br />
und zur Wodka-Philosophie von Claire Smith. Mit ihr lerne<br />
ich die Welt der edlen und wohlschmeckenden Roggen- Wodkas<br />
bei einer Reise »vom Getreidekorn bis zur Flasche« kennen,<br />
von Danzig zu den Roggenfeldern in der masowischen Ebene<br />
bis zur Brennerei und Abfüllung im Westen von Warschau.<br />
Claire Smith, die attraktive junge Londonerin, hat an der<br />
Nottingham Trent University Jura studiert. »<strong>Das</strong> brachte mich<br />
zum Trinken.« Kein Scherz – in einer bekannten Bar in Nottingham<br />
erlernte sie während des Studiums das Cocktail-Mixen,<br />
gleich nach dem Jura-Examen zog sie in der Uni-Stadt eigene<br />
Cocktail-Bars auf. Es folgte eine Karriere als Mixologin mit<br />
zahlreichen Bartender-Wettbewerben und 2001 ein Sieg beim<br />
größten britischen Cocktail-Wettbewerb.<br />
Die Juristerei gab sie ganz auf, arbeitete als »Wodka-<br />
Botschafterin« für verschiedene Marken und kehrte<br />
dann nach London zurück, um in angesagten Bars wie<br />
Lonsdale oder der Rockwell-Bar im Trafalgar-Hotel zu arbeiten.<br />
Als Sechsundzwanzigjährige wurde sie schließlich 2003 von<br />
Moët Hennessy in England als Wodka-Botschafterin engagiert,<br />
stieg auf zur internationalen Kommunikations-Managerin und<br />
schließlich zur Kreativ-Chefin mit dem schönen Titel »Head<br />
of Spirit Creation & Mixology«.<br />
Ein vielfältiger Job mit der Verantwortung für den Belvedere-<br />
Wodka, der auf Wikipedia unter Verweis auf immer neue<br />
Auszeichnungen unwidersprochen als »der weltweit beste«<br />
bezeichnet wird. Früher von New York, jetzt von London aus<br />
reist sie alle paar Wochen nach Polen in die Belvedere- Brennerei<br />
und zu Promotion-Tours. Ideen und Anregungen holt sie sich<br />
oft bei den Bartendern, die sie auf ihren Reisen trifft.<br />
In Polen ist Wodka ein Teil der nationalen Kultur, aber<br />
einen Markt für teure Super-Premium-Wodkas gibt es nicht.<br />
Auch ist die Alkohol-Werbung in den Medien verboten. So<br />
zeigt man sich hier in besonderen Locations wie einer exquisten<br />
Dach-Bar unweit des Grandhotels am Vergnügungsstrand von<br />
Gdansk. Zum Wodka on the Rocks mit Gurken scheiben oder<br />
Grapefruitschale schauen wir durch Glasfenster mit Belvedere-<br />
Gravur aufs Meer. In der Mitte der weiten Bar mit Holzfußboden<br />
und weißen Sitzgarnituren steht kurioserweise eine<br />
Dusche. Barmann Mateusz verrät: »Die bauen wir auf, wenn<br />
Seit James Bond hat<br />
Wodka das Image als<br />
Billig-Alkohol abgelegt.<br />
Aus Roggen gebrannter<br />
Wodka soll der beste<br />
sein. <strong>Das</strong> wusste auch<br />
der Barmann, der dem<br />
Geheimagenten sein<br />
Lieblingstränk kredenzte:<br />
Wodka-Martini.<br />
96 97<br />
<strong>FINE</strong> 4 | <strong>2014</strong> <strong>FINE</strong> Wodka
Verborgene<br />
Grösse<br />
Warum<br />
Von Till Ehrlich<br />
Fotos Alex Habermehl<br />
im Rheingau<br />
grandiose Weine entstehen.<br />
Vier Beispiele<br />
Hat der Rheingau seine Zukunft verschlafen Wer hinfährt und vorurteilsfrei Winzern und Weinen<br />
begegnet, dem zeigt sich ein sehr differenziertes Bild. Es gibt fantastische und stilvolle Weine –<br />
provozierend individuelle und manchmal gar radikale Interpretationen der Weinbau tradition, über die<br />
kaum oder zu wenig außerhalb des Gebiets bekannt ist. Im Rheingau gibt es heute eine beeindruckende<br />
Phalanx von Spitzenbetrieben, die innovativ und konsequent mit neuen, unverbrauchten Ideen die alte<br />
Kunst des Weinbaus im 21. Jahrhundert voranbringen. Vielleicht werden deren Weine in den letzten Jahren<br />
von den Meinungsmachern der deutschen Weinszene nicht mehr so ignoriert wie noch vor einer Dekade,<br />
aber doch immer noch unterschätzt und schlechter bewertet, als es diesen Gewächsen zusteht. Wir haben<br />
von der Rheingauer Winzer-Avantgarde vier sehr unterschiedliche Betriebe besucht, die wir hier exemplarisch<br />
vorstellen. Es sind Güter, die auch über die Region hinaus wertvolle Impulse geben und auch in<br />
dieser Funktion noch nicht uneingeschränkt gewürdigt und wahrgenommenen werden.<br />
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<strong>FINE</strong> 4 | <strong>2014</strong> <strong>FINE</strong> Rheingau