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Wir fahren mit Vollgas an die Wand.pdf

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32<br />

X<br />

„<strong>Wir</strong> <strong>fahren</strong> <strong>mit</strong> Voll<br />

7-8/12 public – das österreichische gemeindemagazin


Fotos: Hetzm<strong>an</strong>nseder<br />

X 33<br />

gas <strong>an</strong> <strong>die</strong> W<strong>an</strong>d“<br />

Ständig wachsende Leistungsverpflichtungen treiben Österreichs Kommunen <strong>an</strong> <strong>die</strong> Grenzen<br />

ihrer fin<strong>an</strong>ziellen Leistungsfähigkeit. Die public-Redaktion lud Maria Fekter (Fin<strong>an</strong>zministerin,<br />

2. v. r.), Walter Leiss (Gemeindebund-General, 3. v. r.), Ingeborg Rinke (BM Krems, 5. v. r.) Bernhard<br />

Müller (BM Wr. Neustadt, 4. v. l.),und Peter Biwald (GF KDZ, 1. v. l.) zur Diskussion. Moderiert von<br />

Reinhard Göweil (Wiener Zeitung) und Josef Ruhaltinger (public) galt es, eine Frage zu be<strong>an</strong>tworten:<br />

Welche Auswege führen aus der derzeitigen Leistungskrise<br />

public – das österreichische gemeindemagazin 7-8/12


34<br />

Round Table<br />

Die Diskut<strong>an</strong>ten<br />

Dr. Maria Fekter ist seit April 2011 Fin<strong>an</strong>zministerin<br />

der Republik Österreich, zuvor<br />

Innenministerin, seit 1990 in Regierung,<br />

Nationalrat oder Volks<strong>an</strong>waltschaft<br />

auf Bundesebene aktiv, von 1986 – 1990<br />

Gemeinderätin von Attn<strong>an</strong>g-Puchheim.<br />

Dr. Walter Leiss ist seit Juli 2011<br />

Generalsekretär des Österreichischen<br />

Gemeindebundes, zuvor Mitglied des Niederösterreichischen<br />

L<strong>an</strong>dtages, zuletzt<br />

als Klubdirektor.<br />

Bernhard Müller ist Bürgermeister von<br />

Wiener Neustadt und Mitglied in der<br />

Geschäftsleitung des Österreichischen<br />

Städtebundes.<br />

Ingeborg Rinke ist seit 2007 Bürgermeisterin<br />

der Stadt Krems, seit 2003 im NÖ<br />

L<strong>an</strong>dtag.<br />

Mag. Peter Biwald ist seit 2009 Geschäftsführer<br />

des KDZ – Zentrum für<br />

Verwaltungsforschung (Verein für<br />

Forschung, Beratung und Weiterbildung<br />

für <strong>die</strong> öffentliche Verwaltung) und<br />

berufsmäßig <strong>mit</strong> der Analyse der heimischen<br />

Kommunen befasst.<br />

Die Gastgeberin war charm<strong>an</strong>t –<br />

und sowohl inhaltlich als auch<br />

org<strong>an</strong>isatorisch bestens vorbereitet.<br />

Ende Juni f<strong>an</strong>d im großen Sitzungssaal<br />

des Fin<strong>an</strong>zministeriums im neuen<br />

Ministeriumsgebäude <strong>an</strong> der Hinteren<br />

Zollamtsstraße der Round Table statt, zu<br />

dem public <strong>die</strong> wichtigsten Entscheider<br />

der heimischen Kommunalpolitik lud.<br />

Inge Rinke, ÖVP, Bürgermeisterin der<br />

Stadt Krems, und Bernhard Müller, SPÖ,<br />

Bürgermeister von Wiener Neustadt,<br />

traten <strong>an</strong>, <strong>die</strong> Auswirkungen der leeren<br />

Kassen der Fin<strong>an</strong>zministerin direkt vor<br />

Augen zu führen. Walter Leiss, Generalsekretär<br />

des Gemeindebundes, wollte <strong>die</strong><br />

Perspektiven der kleinen Kommunen verfechten.<br />

Und <strong>an</strong> Peter Biwald, Geschäftsführer<br />

des Zentrums für Verwaltungsforschung<br />

– KDZ, war es, <strong>die</strong> Diskussion <strong>mit</strong><br />

Fakten und Stu<strong>die</strong>n zu unterfüttern.<br />

Haftungsproblematik<br />

„Ich bin hier, um zuzuhören“, begrüßt<br />

Maria Fekter <strong>die</strong> Runde, um in ihrem Eröffnungsstatement<br />

festzuhalten, dass es<br />

für sie „aus gesamtstaatlicher Sicht ein<br />

Riesenproblem darstellt, dass wir keinen<br />

genauen Überblick über <strong>die</strong> Haftungen<br />

der Gemeinden und deren Verbände<br />

haben: <strong>Wir</strong> wissen nicht, wofür wir im<br />

Fall des großen Crashs überhaupt auf Gemeindeseite<br />

geradezustehen haben“.<br />

Fekter betont vor allem <strong>die</strong> „Haftungen<br />

aus den gesellschaftsrechtlichen Beteiligungen<br />

der Gemeinden, deren Unternehmen<br />

oft wieder über eigene Töchter <strong>mit</strong><br />

eigenen Tätigkeiten und Verpflichtungen<br />

verfügen. Da gibt es keine Tr<strong>an</strong>sparenz.“<br />

Fekter kündigt <strong>an</strong>, <strong>die</strong>s bei den <strong>an</strong>stehenden<br />

Reformgesprächen auf den Tisch zu<br />

bringen.<br />

Die Kremser Bürgermeisterin Rinke will<br />

<strong>die</strong>s nicht auf sich sitzen lassen und<br />

nennt alle entsprechenden Zahlen für ihr<br />

Budget. Die Fin<strong>an</strong>zministerin wünscht<br />

sich derartigen Durchblick in allen Gemeinden<br />

und bleibt im Thema skeptisch.<br />

Zehrende Tr<strong>an</strong>sfers<br />

Die Tatsache, dass <strong>die</strong> Fin<strong>an</strong>zministerin<br />

versprochen hat, den Kommunalpolitikern<br />

zuzuhören, will Bürgermeister Bernhard<br />

Müller nutzen: „2009 hatten wir in<br />

Österreich 72 Prozent <strong>an</strong> Abg<strong>an</strong>gsgemeinden.“<br />

Und er sei überzeugt, „dass <strong>die</strong>s das<br />

Ergebnis eines Systemfehlers und nicht<br />

der Ansammlung schwarzer Schafe ist“.<br />

Die Ausgaben für Jugendwohlfahrt, Sozialverb<strong>an</strong>dsumlage<br />

und Kr<strong>an</strong>ken<strong>an</strong>staltenabgabe<br />

seien seit 2008 jährlich um 10<br />

– 15 % gestiegen, und das werde ihm „wie<br />

einem Befehlsempfänger in einem Brief<br />

<strong>mit</strong>geteilt, ohne dass ich auf irgendeine<br />

Weise darauf reagieren k<strong>an</strong>n. Und wir<br />

haben keine Ahnung, wie <strong>die</strong>se Vorschreibung<br />

im nächsten Jahr aussehen wird.“<br />

Müller ist pessimistisch: „Durch <strong>die</strong>se<br />

Tr<strong>an</strong>sferzahlungen <strong>fahren</strong> <strong>die</strong> Gemeinden<br />

<strong>mit</strong> 100 km/h <strong>an</strong> <strong>die</strong> W<strong>an</strong>d.“<br />

Für Maria Fekter sind <strong>die</strong> Ausführungen<br />

offensichtlich nicht neu, sie bleibt ruhig.<br />

»<br />

7-8/12 public – das österreichische gemeindemagazin


EUropA<br />

fänGt In dEr<br />

GEmEIndE <strong>an</strong><br />

Viele Entscheidungen der EU reichen weit in <strong>die</strong> österreichischen<br />

Gemeinden hinein. Mit der Initiative „Europa fängt in der Gemeinde<br />

<strong>an</strong>“ wollen das Bundesministerium für europäische und<br />

internationale Angelegenheiten und <strong>die</strong> Vertretung der Europäischen<br />

Kommission BürgermeisterInnen und GemeindevertreterInnen<br />

als Europa-Beauftragte gewinnen und ihnen Wissen,<br />

Erfahrung und Kontakte ver<strong>mit</strong>teln – da<strong>mit</strong> <strong>die</strong> EU auch in den<br />

österreichischen Gemeinden (be)greifbarer wird.<br />

Servicepaket für<br />

Europa-GemeinderätInnen<br />

n EU-Helpline im Außenministerium<br />

n E-Mail-Newsletter <strong>mit</strong> kompakten Informationen und<br />

Fakten zu aktuellen EU-Fragen<br />

n Bildungs- und Informationsreisen zu den EU-Institutionen<br />

nach Brüssel<br />

n maßgeschneiderte Aus- und Weiterbildung<br />

n jährliches Netzwerktreffen der Europa-GemeinderätInnen<br />

Nehmen Sie <strong>die</strong>se Serviceleistungen in Anspruch und beteiligen<br />

Sie sich <strong>an</strong> <strong>die</strong>ser Initiative!<br />

KoNtAKt<br />

E-Mail: abti3@bmeia.gv.at<br />

www.aussenministerium.at


36<br />

Round Table<br />

„Wenn m<strong>an</strong> Wege findet,<br />

<strong>die</strong> Gemeindeidentität zu<br />

bewahren, d<strong>an</strong>n sind Zusammenlegungen<br />

und Kooperationen<br />

umsetzbar.“<br />

Walter Leiss, Generalsekretär<br />

des Österreichischen Gemeindebundes<br />

Peter Biwald, Geschäftsführer des<br />

KDZ, schickt sich <strong>an</strong>, dem Städtebund-<br />

Vorst<strong>an</strong>d Bernhard Müller <strong>mit</strong> Fakten<br />

zur Seite zu stehen. Er zeigt, dass sich<br />

zwischen 2007 und 2011 – „da<strong>mit</strong> nicht<br />

nur schlechte Jahre dabei sind – <strong>die</strong> Ertragskraft<br />

der Gemeinden um ein Drittel<br />

verringert hat“. Gleichzeitig wurden<br />

<strong>die</strong> steigenden Ertrags<strong>an</strong>teile durch <strong>die</strong><br />

steigenden Tr<strong>an</strong>sferzahlungen mehr als<br />

kompensiert. „Die Gemeinden haben<br />

nach dem schlechten Jahr 2009 kräftige<br />

Konsoli<strong>die</strong>rungsmaßnahmen gesetzt, <strong>die</strong><br />

durch neue Verpflichtungen wie <strong>die</strong> bundesseitig<br />

<strong>an</strong>geordnete Fin<strong>an</strong>zierung von<br />

30.000 neuen Kindergartenplätzen oder<br />

<strong>die</strong> beschriebenen Tr<strong>an</strong>sferzahlungen ins<br />

Leere laufen“, erklärt Biwald.<br />

„Gemeinden haben aufgehört, als wichtige<br />

Investoren in der Region aufzutreten,<br />

ohne dass <strong>die</strong> Sparbremse wirkt.“ Biwald<br />

wird noch eine Klage los: „<strong>Wir</strong> haben acht<br />

unterschiedliche L<strong>an</strong>desregelungen und<br />

70 verschiedene Gesetzesmaterien, <strong>die</strong><br />

<strong>die</strong> Tr<strong>an</strong>sfers regulieren. Es gibt in keinem<br />

Bundesl<strong>an</strong>d einen Tr<strong>an</strong>sferbericht,<br />

der <strong>die</strong> Fin<strong>an</strong>zströme zwischen Ländern<br />

und Gemeinden und innerhalb der Gemeinden<br />

darstellt.“ Schließlich gehe es<br />

um 4 Mrd. Euro, <strong>die</strong> zwischen Ländern<br />

und Gemeinden hin- und hergeschoben<br />

werden.<br />

Gemeindebund-Generalsekretär Walter<br />

Leiss konze<strong>die</strong>rt, dass der Bund „bei Pflegefonds<br />

oder Anschubfin<strong>an</strong>zierungen<br />

punktuell versucht hat, den Druck auf<br />

<strong>die</strong> Gemeinden zu lindern. Die Gesamt-<br />

„Es muss doch möglich<br />

sein, Verbindungswege<br />

und digitale Infrastruktur<br />

am L<strong>an</strong>d so auszubauen,<br />

dass auch dort gearbeitet<br />

werden k<strong>an</strong>n.“<br />

Ingeborg Rinke, Bürgermeisterin<br />

Krems, L<strong>an</strong>dtagsabgeordnete<br />

NÖ<br />

konstellation ist jedoch so, dass <strong>die</strong> Kommunen<br />

übrig bleiben.“ Und er verweist<br />

auf <strong>die</strong> Aufgabe der kleinen Kommunen,<br />

<strong>die</strong> „ein Mindestmaß <strong>an</strong> Infrastruktur<br />

aufrechtzuerhalten haben. Es müsse „Teil<br />

der Politik bleiben, Lebensqualität auch<br />

am L<strong>an</strong>d zu gewährleisten. Und <strong>die</strong>s ist<br />

unter den gegebenen Fin<strong>an</strong>zstrukturen<br />

schwer bis nicht möglich.“ Daher sei eine<br />

grundlegende Entscheidung notwendig,<br />

„wo <strong>die</strong> Aufgaben von Bund und Ländern<br />

liegen und wo <strong>die</strong> Gemeinden Leistung<br />

7-8/12 public – das österreichische gemeindemagazin


Round Table<br />

37<br />

zu erbringen haben, für <strong>die</strong> sie d<strong>an</strong>n aber<br />

ausreichende Mittel erhalten müssen“.<br />

Ver<strong>an</strong>twortung des Bundes<br />

Maria Fekter hat ihr Versprechen gehalten<br />

und bisl<strong>an</strong>g gelauscht. Jetzt will sie aber<br />

das Wort: „Alle Ausführungen beschreiben<br />

Matches zwischen Stadt- und Gemeindebund<br />

sowie zwischen den Kommunen<br />

und Ländern.“ Als Fin<strong>an</strong>zministerin habe<br />

sie gar nicht <strong>die</strong> Kompetenzen, in <strong>die</strong>sen<br />

Fragen aktiv zu werden. „Es ist nicht der<br />

Bund, der hier <strong>an</strong>gesprochen ist.“<br />

So leicht wollen <strong>die</strong> Bürgermeister <strong>die</strong><br />

Fin<strong>an</strong>zministerin aber nicht davonkommen<br />

lassen. Inge Rinke: „Das neue Kindergartengesetz<br />

ist ein Bundesgesetz, das<br />

von den Gemeinden frische Kapazitäten<br />

verl<strong>an</strong>gt. Und für <strong>die</strong> Erfüllung der Umweltnormen<br />

bis 2015 hat der gemeindefin<strong>an</strong>zierte<br />

Abwasserverb<strong>an</strong>d ein Darlehen<br />

für neue K<strong>an</strong>albauten aufgenommen.“<br />

Und Kollege Müller führt fort: „Die Getränkesteuer<br />

wurde vom Bund gestrichen<br />

und nicht wie versprochen ersetzt.<br />

Es ist Bundesinitiative, dass wir bei<br />

Schulbauten keine Vorsteuer mehr in<br />

Abzug bringen dürfen. Und <strong>die</strong> Senkung<br />

der Klassenschülerhöchstzahl ist Bundeskompetenz,<br />

<strong>die</strong> Wr. Neustadt acht neue<br />

Klassen beschert hat. Da brauche ich eine<br />

neue Schule. Das hat der Stadt 12 Mio. gekostet.“<br />

Diese Argumente scheinen für Maria<br />

Fekter Wasser auf den Mühlen zu sein.<br />

Sie fragt: „Brauchen wir wirklich immer<br />

neue Leistungen Benötigen wir Stützlehrer<br />

und Pädagogen <strong>an</strong> den Schulen<br />

Sind akademisch gebildete Kindergärtnerinnen<br />

unverzichtbar“ Die Fin<strong>an</strong>zministerin<br />

verweist darauf, dass „Sozialarbeit<br />

von den Gemeinden zu tragen<br />

ist“. Diese Mehrkosten würden wieder<br />

in den Kommunen l<strong>an</strong>den. Daher sei sie<br />

dagegen, dass Leistungsspektrum ständig<br />

zu erweitern, sol<strong>an</strong>ge <strong>die</strong> Kassen das<br />

nicht erlauben. Aber sie könne sich vorstellen,<br />

dass <strong>die</strong> kommenden Fin<strong>an</strong>zausgleichsverh<strong>an</strong>dlungen<br />

bei Steuerfragen<br />

eine Entwicklung bringen, bei der der<br />

Bund beim Thema Grund und Boden Teile<br />

der Steuerhoheit abgibt. D<strong>an</strong>n läge es<br />

zwischen Ländern und Kommunen, wie<br />

eine Gestaltung und Aufteilung aussehen<br />

könnte.<br />

Fusionen und Kooperationen<br />

Das Thema der Gemeindestrukturreform<br />

findet in der Runde wenig Widerspruch.<br />

Dies mag auch dar<strong>an</strong> liegen, dass kein<br />

Bürgermeister einer kleinen R<strong>an</strong>dgemeinde<br />

am Tisch sitzt. Peter Biwald<br />

tritt dafür ein, „<strong>die</strong> Kleinteiligkeit der<br />

Gemeindestrukturen zu überdenken“.<br />

Stu<strong>die</strong>n und Untersuchungen zeigten,<br />

dass „das Synergiepotential in der Administration,<br />

bei Kindergärten, in den Bauhöfen<br />

groß ist“. Es sei egal, ob Fusionen<br />

oder Kooperationen in G<strong>an</strong>g gesetzt würden,<br />

wichtig sei, dass bei den Fin<strong>an</strong>zausgleichsgesprächen<br />

<strong>die</strong> konservierenden<br />

Strukturen beseitigt werden: „Bis jetzt<br />

»<br />

„<strong>Wir</strong> haben acht L<strong>an</strong>desregelungen<br />

und 70 Gesetzesmaterien,<br />

<strong>die</strong> Tr<strong>an</strong>sfers<br />

regulieren. Kein einziges<br />

Bundesl<strong>an</strong>d erstellt einen<br />

Tr<strong>an</strong>sferbericht.“<br />

Peter Biwald, Geschäftsführer<br />

des KDZ<br />

public – das österreichische gemeindemagazin 7-8/12


38<br />

Round Table<br />

können sich <strong>die</strong> Gemeinden darauf verlassen,<br />

dass jem<strong>an</strong>d den Abg<strong>an</strong>g bezahlt.<br />

Warum soll sich d<strong>an</strong>n etwas verändern“,<br />

fragt Biwald.<br />

„Durch <strong>die</strong> Tr<strong>an</strong>sferzahlungen<br />

<strong>fahren</strong> <strong>die</strong> Gemeinden<br />

<strong>mit</strong> 100 km/h <strong>an</strong><br />

<strong>die</strong> W<strong>an</strong>d.“<br />

Bernhard Müller, Bürgermeister<br />

Wr. Neustadt, GF Städtebund<br />

Fin<strong>an</strong>zministerin Fekter ist <strong>an</strong> dem Thema<br />

sichtlich interessiert. Sie erzählt das<br />

Beispiel der oberösterreichischen Stadtgemeinde<br />

Schw<strong>an</strong>enstadt, wo <strong>die</strong> Bürgermeister<br />

von R<strong>an</strong>dgemeinden in einem gemeinsamen<br />

Amtshaus säßen, ebenso wie<br />

<strong>die</strong>s in Mondsee der Fall sei: „Derartige<br />

Kooperationen müssen auch im größeren<br />

Stil möglich sein.“<br />

Hier schaltet sich Gemeindebund-Generalsekretär<br />

Leiss ein: „Gemeinden verfügen<br />

über ein extrem hohes Identitätsbewusstsein.<br />

Wenn m<strong>an</strong> Wege findet, um<br />

den Bürgern zu helfen, <strong>die</strong>se Identität<br />

wie Ortsnamen und Vereine zu bewahren,<br />

d<strong>an</strong>n sind Zusammenlegungen und<br />

Kooperationen umsetzbar.“ Er warnt aber<br />

vor Fusionen, „<strong>die</strong> nur dadurch begründet<br />

werden, dass <strong>die</strong> Pro-Kopf-Zuweisung<br />

bei einer Stadt <strong>mit</strong> 50.000 Einwohnern<br />

höher ist als bei 15 Gemeinden, <strong>die</strong> jede<br />

einzeln viel niedrigere Zuweisungen<br />

hat.“<br />

Auch Bernhard Müller betont <strong>die</strong> unbedingte<br />

Freiwilligkeit, <strong>mit</strong> der Änderungen<br />

der Gemeindegebiete <strong>an</strong>geg<strong>an</strong>gen<br />

werden müssten. Das Thema der kleinen<br />

Gemeinden ohne Geld und ohne Bürger<br />

würde durch <strong>die</strong> Absiedlung nur verschärft:<br />

„Das ist ein böses, aber nicht aufzuhaltendes<br />

Phänomen“, ist sich der Wr.<br />

Neustädter Bürgermeister sicher. „Meine<br />

„Die Zuw<strong>an</strong>derung in <strong>die</strong><br />

Speckgürtel nimmt weiter<br />

zu. <strong>Wir</strong> treten <strong>an</strong>, den<br />

Trend zu verl<strong>an</strong>gsamen.<br />

Aufhalten können wir ihn<br />

nicht.“<br />

Maria Fekter, Bundesministerin<br />

für Fin<strong>an</strong>zen<br />

Stadt gewinnt alle drei Jahre tausend<br />

Neubürger, vornehmlich aus dem Burgenl<strong>an</strong>d,<br />

weil <strong>die</strong> nicht mehr länger ihr Leben<br />

auf dem Weg in <strong>die</strong> Arbeit verbringen<br />

wollen.“ Und er sieht eine Lösungsmöglichkeit<br />

in „Gemeinden in Bezirksgröße,<br />

<strong>die</strong> über ein eigenes Statut verfügen. Es<br />

gibt wählbare Ortsteilbürgermeister, unveränderte<br />

Ortsnamen und Vereine, aber<br />

ein Budget, einen Oberbürgermeister,<br />

eine professionelle Verwaltungsm<strong>an</strong>nschaft.“<br />

Müller verweist auf <strong>die</strong> Quelle:<br />

„Das hat der Österreich-Konvent bereits<br />

2005 vorgeschlagen. So einseitig k<strong>an</strong>n<br />

7-8/12 public – das österreichische gemeindemagazin


Round Table<br />

39<br />

<strong>die</strong>se Idee nicht sein.“ Dänemark habe<br />

bei 5,5 Millionen Einwohnern 98 Gemeinden,<br />

in Belgien verfüge keine Gemeinde<br />

über weniger als 16.000 Einwohner, da<br />

müsse Österreich „keine 2.357 Gemeinden<br />

haben, von denen 80 Prozent weniger als<br />

3.000 Einwohner aufweisen.“<br />

Abw<strong>an</strong>derung bremsen<br />

Inge Rinke stellt sich hier auf <strong>die</strong> Seite<br />

der R<strong>an</strong>dregionen: „<strong>Wir</strong> sollten nicht der<br />

Abw<strong>an</strong>derung aus den R<strong>an</strong>dregionen<br />

kampflos nachgeben. Es muss doch heute<br />

möglich sein, dass Verbindungswege und<br />

digitale Infrastruktur am L<strong>an</strong>d so stark<br />

ausgebaut sind, dass auch dort gearbeitet<br />

werden k<strong>an</strong>n.“ Sie habe schon vor 15 Jahren<br />

über einen Heimarbeitsplatz verfügt.<br />

Und d<strong>an</strong>n seien es „Bund und Länder, <strong>die</strong><br />

den R<strong>an</strong>dregionen helfen müssen, dagegenzuhalten“.<br />

Maria Fekter ist da trotz<br />

Eigendefinition als „glühende Föderalistin“<br />

weniger optimistisch: „Was sind <strong>die</strong><br />

Instrumente, <strong>die</strong> verhindern, dass sich<br />

Täler und R<strong>an</strong>dregionen leeren Obwohl<br />

vieles passiert, geht <strong>die</strong> Zuw<strong>an</strong>derung in<br />

<strong>die</strong> Städte und Speckgürtel weiter. <strong>Wir</strong><br />

arbeiten dar<strong>an</strong>, den Trend zu verl<strong>an</strong>gsamen.<br />

Gänzlich aufhalten können wir ihn<br />

nicht.“<br />

public – das österreichische gemeindemagazin 7-8/12

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