FINE Das Weinmagazin - 04/2012
FINE Das Weinmagazin ist in der Welt der großen Weine zu Hause. Hauptthema dieser Ausgabe: CHATEAU LAFITE
FINE Das Weinmagazin ist in der Welt der großen Weine zu Hause. Hauptthema dieser Ausgabe: CHATEAU LAFITE
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E U R O P E A N F I N E W I N E M A G A Z I N E<br />
DEUTSCHLAND · ÖSTERREICH · S CHWEIZ · SKANDINAVIEN · GROSSBRITANNIEN · USA · AUSTRALIEN<br />
4 / <strong>2012</strong> DEUTSCHLAND € 15<br />
ÖSTERREICH € 16,90<br />
ITALIEN € 18,50<br />
SCHWEIZ CHF 30,00<br />
DASWEINMAGAZIN<br />
Stuart Pigott: Grosse Gewächse<br />
Chile: Aurelio Montes<br />
Harald Martenstein: Selbstgespräch<br />
Markgräflerland: Martin Wassmer<br />
Nahe: Ihre Weine, ihre Geschichte<br />
Piemont: Roberto Conterno<br />
Champagne: Salon Le Mesnil<br />
Loire: Nicolas Joly<br />
Burgund: Domaine Jacques Prieur<br />
C H Â T E A U L A F I T E
Wie der Vater, so die söhne<br />
Unsere wahre stärke<br />
liegt in den genen<br />
Die Geschichte von Land Rover begann 1947. Seitdem hat sich vieles<br />
verändert – und alles weiterentwickelt. Vom Design unserer Fahrzeuge<br />
bis hin zum Leistungsvermögen, das heute wie damals eine Klasse für<br />
sich darstellt. Ein Land Rover ist und bleibt eben ein Land Rover.<br />
landrover.de<br />
Verbrauchs- und Emissionswerte: Kraftstoffverbrauch in l/100 km: außerorts 9,9–7,0; innerorts 20,6–8,5; kombiniert 13,8–7,5;
der neue range rover –<br />
ab 18. Januar 2013 bei ihrem händler<br />
CO 2<br />
-Emission in g/km: 322–196, CO 2<br />
-Effizienzklasse: G, C, B. Alle Angaben wurden nach dem Messverfahren RL 80/1268/EWG ermittelt.
E U R O P E A N F I N E W I N E M A G A Z I N E<br />
4/<strong>2012</strong><br />
DASWEINMAGAZIN<br />
Seite 30 Nicolas Joly, der Weinpionier von der Loire Seite 54 Eine kurze Geschichte des Naheweins<br />
Seite 108 Roberto Conterno, ein Erztraditionalist<br />
unter den Barolisti<br />
Seite 116 Dom Pérignon und David Lynch<br />
Seite 120 Annegret Reh-Gartner vom Mosel-Weingut Seite 130 Martin Waßmers Weine aus dem<br />
Reichsgraf von Kesselstatt<br />
Markgräflerland<br />
8<br />
F I N E 4 / <strong>2012</strong>
D I E G R O S S E N W E I N E D E R W E L T<br />
INHALT<br />
Seite 42<br />
Die Domaine Jacques<br />
Prieur in Meursault<br />
Seite 60<br />
Große alte Rieslinge von der Nahe<br />
Seite 16<br />
Baron Eric de Rothschild, der Grandseigneur<br />
von Château Lafite-Rothschild<br />
Seite 80<br />
Seite 98<br />
Eugène-Aimé Salon,<br />
der Meister des Blanc<br />
de Blancs<br />
Aurelio Montes, der<br />
Matador des chilenischen<br />
Weins<br />
11 <strong>FINE</strong> Editorial Thomas Schröder<br />
16 <strong>FINE</strong> Bordeaux Château Lafite<br />
30 <strong>FINE</strong> Loire Nicolas Joly<br />
42 <strong>FINE</strong> Burgund Jacques Prieur<br />
54 <strong>FINE</strong> Wein und Zeit Eine kurze Geschichte des Naheweins<br />
60 <strong>FINE</strong> Nahe Riesling von der Nahe<br />
68 <strong>FINE</strong> Die Pigott Kolumne Große Gewächse<br />
74 <strong>FINE</strong> <strong>Das</strong> Große Dutzend Newton Vineyard<br />
78 <strong>FINE</strong> Die schönen Dinge Susanne Kaloff: Louis Vuitton Reisegepäck<br />
80 <strong>FINE</strong> Champagne Salon Le Mesnil<br />
88 <strong>FINE</strong> Wein & Speisen Jürgen Dollase im Restaurant Français<br />
98 <strong>FINE</strong> Chile Aurelio Montes<br />
1<strong>04</strong> <strong>FINE</strong> Reiner Wein Anne Zielke: Wo der Spaß aufhört<br />
106 <strong>FINE</strong> Weinwissen <strong>Das</strong> Rieslingfass<br />
108 <strong>FINE</strong> Piemont Roberto Conterno<br />
116 <strong>FINE</strong> Lifestyle Dom Pérignon und David Lynch<br />
120 <strong>FINE</strong> Frauen im Wein Annegret Reh-Gartner<br />
128 <strong>FINE</strong> <strong>Das</strong> Bier danach Bernd Fritz: »<strong>Das</strong> ist nicht mein Bier«<br />
130 <strong>FINE</strong> Baden Martin Waßmer<br />
142 <strong>FINE</strong> Selbstgespräch Harald Martenstein<br />
146 <strong>FINE</strong> Abgang Ralf Frenzel<br />
F I N E<br />
I N H A L T<br />
9
Altes Geld<br />
und grosser<br />
Wein<br />
Von<br />
Christian Volbracht<br />
Fotos Rui Camilo<br />
Baron Eric Alain Robert David de Rothschild liebt den<br />
Erfolg, ganz eindeutig, aber fotografiert zu werden ist<br />
ihm ein Graus. Wie um diese Abneigung zu beweisen,<br />
kommt der Zweiundsiebzigjährige mit zerzaustem Haar und<br />
gelockerter Krawatte zum Gespräch in den Roten Salon von<br />
Château Lafite. »Schauen Sie mich doch an, ich bin gerade erst<br />
angekommen«, sagt er und blickt nur kurz zum Fotografen: »Ich<br />
ziehe vor, dass er Fotos vom Haus macht, alles was er will, aber<br />
nicht von mir.«<br />
<strong>Das</strong> Haus, das ist das auf einer Anhöhe gelegene Schloss bei<br />
Pauillac an der Gironde mit seinen drei alten, ganz unterschiedlichen<br />
Türmen, der steinernen Balustrade aus der Epoche Ludwigs<br />
XIV. und den prächtigen Salons aus der Zeit Napoleons III. Der<br />
Hausherr, Bankier aus Paris und Leiter des wohl berühmtesten<br />
aller Weingüter, ist im Gespräch ganz und gar nicht zurückhaltend,<br />
sondern beredt und von gelassener Souveränität. Und<br />
er scherzt nur ein bisschen, wenn die Frage kommt, ob er sein<br />
Geld lieber mit exquisitem Private Banking oder mit edlem Wein<br />
16<br />
F I N E 4 / <strong>2012</strong>
» On s’amuse«: Baron Eric de Rothschild vom<br />
Château Lafite-Rothschild in Pauillac ist der<br />
heiter-gelassene Souverän über zwei Welten<br />
verdiene: »Ach, wissen Sie, wir tun beides nicht, um Geld zu verdienen,<br />
wir tun es, um uns zu amüsieren«, sagt er lächelnd. Und<br />
ernster: »Nein, wir schauen nicht auf den Zähler, wir tun es aus<br />
Leidenschaft. Was Spaß macht, ist, Erfolg zu haben bei den Verhandlungen,<br />
mit den Weinen und anerkannt zu werden.«<br />
»On s’amuse« wird Rothschild noch öfter sagen, während wir<br />
auf roten Damastsesseln im Roten Salon sitzen, umrahmt von<br />
den Zeugnissen einer zweihundertfünfzig jährigen Familiengeschichte<br />
– »man amüsiert sich«. Von den mit rotem<br />
Seidendamast bezogenen Wänden blickt die Gemäldegalerie<br />
der Familienporträts herab, dazwischen weiße Marmorstatuen,<br />
Fotos, Edles und Alltägliches oder Kurioses. Da entdeckt man<br />
das Foto von Queen Mum neben einem Zeitungsausschnitt über<br />
einen Wettbewerb im Rebenschnitt und davor ein dickes Gästebuch<br />
mit ganzseitiger chinesischer Dankadresse eines sicherlich<br />
bedeutenden Kunden. Im kleinen Nebenraum hängt hinter<br />
Glas ein konserviertes Tier skelett – wohl eine Fledermaus – mit<br />
einem Weinkorken in den knöchernen Klauen.<br />
F I N E<br />
B O R D E A U X<br />
17
Nur ein Gehil<br />
Monument des biodynamischen Weinbaus: In der weiten<br />
sanften Landschaft der Loire liegt auf einer Anhöhe inmitten<br />
der Rebgärten das weiße Haus, das Gut von Nicolas Joly.<br />
Für Nicolas Joly, den Weinpionier von der<br />
Loire, ist Biodynamik weder Aberglaube<br />
noch illusorisches Weltbild, sondern<br />
gelebte Realität: Sein Clos de la Coulée<br />
de Serrant gibt ihm recht<br />
Von Caro Maurer MW<br />
Fotos Johannes Grau<br />
30<br />
F I N E 4 / <strong>2012</strong>
fe der Natur<br />
»Gehilfe der Natur und nicht Weinmacher« steht auf seiner<br />
Visiten karte. Poetischer und passender könnte sich Nicolas Joly<br />
kaum vorstellen, und anschaulicher ließe sich seine tiefgründige<br />
Leidenschaft für die Reben und den Wein auch kaum beschreiben.<br />
Joly ist eine Legende des biodynamischen Weinbaus. Für die<br />
einen Idol, für die anderen ein Spinner. Doch ein Urteil sollte erst<br />
fällen, wer von seinem Wein gekostet hat. Der Coulée de Serrant<br />
ist ein Geschöpf, das berührt und fasziniert, aber auch herausfordert.<br />
Ein großer Wein, der nicht jedem auf den ersten Schluck<br />
gefallen mag. Will er auch gar nicht. Denn er ist gnadenlos ehrlich<br />
und hochkomplex – wie der Mann, der nur der Natur assistierte,<br />
um ihn zu erschaffen.<br />
F I N E<br />
L O I R E<br />
31
Selbstbewusst: Vor der schmucken Villa der Domaine zeigen<br />
sich Martin Prieur, der Enkel des Gründers, und Edouard<br />
Labruyère, der Manager des Weinguts. Durch die Pforte führt<br />
der Weg zur Grand-Cru-Lage Montrachet.<br />
42<br />
F I N E 4 / <strong>2012</strong>
Bewegte Vergangenheit,<br />
verheissungsvolle Zukunft<br />
Die Weine der Domaine Jacques Prieur in Meursault<br />
schliessen zu den Grössten der Bourgogne auf<br />
Von Armin Diel<br />
Fotos Marc Volk<br />
Ohne Zweifel zählt das Lagenpotential der Domaine Jacques Prieur zum allerfeinsten, was der burgundische Weinbau zu bieten hat.<br />
<strong>Das</strong>s eine solche Plattform lange nicht ausreichte, um eine Rolle in der Ersten Liga zu spielen, findet in den 1970er und 1980er Jahren<br />
vor allem im mangelnden Engagement der Besitzerfamilie seine Erklärung. Erst seitdem Investoren frisches Geld in das Weingut in<br />
Meursault pumpten, ging es Anfang der 1990er Jahre wieder langsam nach oben. Eine wichtige Rolle spielt seither die couragierte Oenologin<br />
Nadine Gublin, die 1997 von der Revue du Vin de France zur Weinmacherin des Jahres gewählt wurde.<br />
einer der Teilnehmer an der fröhlichen<br />
KHochzeitsgesellschaft, K<br />
die am 24. Februar<br />
1868 die Eheschließung des Weinhändlers<br />
Claude Duvergey und der Winzertochter Marie<br />
Taboureau in Bligny feierte, konnte ahnen, dass<br />
mit diesem Tag der Grundstein für die Domaine<br />
Jacques Prieur gelegt wurde. Die Jungvermählten<br />
mussten im Lauf der nächsten Jahre die schmerzliche<br />
Erkenntnis ver arbeiten, dass ihre Ehe dauerhaft<br />
kinderlos bliebe. Dies bedeutete zugleich,<br />
dass die Linie der Duvergeys end gültig erlöschen<br />
würde. Also machte sich Marie Taboureau in ihrer<br />
eigenen Familie auf die Suche nach einem geeigneten<br />
Nach folger. Ihr Bruder Eugène hatte vier<br />
Kinder, jedoch empfahlen sich die drei Söhne<br />
kaum für die anstehende Aufgabe. So fiel die Wahl<br />
auf die zweit geborene Tochter Hélène, der man<br />
in einem Pensio nat eine angemessene Erziehung<br />
angedeihen ließ. Als sie zwanzig Jahre alt war,<br />
suchte man ihr den aus Beaune stammenden<br />
Handels reisenden Henri Prieur zum Gatten aus,<br />
den sie am 26. September 1891 heiratete. Sechzehn<br />
Monate danach erblickte der kleine Jacques<br />
das Licht der Welt.<br />
Zurück zu Claude Duvergey, der nicht nur ein<br />
überaus tüchtiger Winzer und Weinhändler in<br />
Meursault war, sondern auch die Früchte seiner<br />
Arbeit genoss. Besonders liebte er es, sich von<br />
seinem Chauffeur Antoine im offenen Renault<br />
zum Hotel Royal in Evian-les-Bains fahren zu<br />
lassen, wo er lange Jahre Stammgast war. Allerdings<br />
war Duvergey kein Bonvivant, der nur die<br />
Leichtigkeit des Seins genoss. Mit dem Erwerb<br />
erstklassiger Weinberge schuf er die Grundlage<br />
für den fantastischen Fundus an Spitzen lagen der<br />
heutigen Domaine Jacques Prieur: Im Jahr 1889<br />
kaufte er sich im Clos de Vougeot ein, drei Jahre<br />
danach arrondierte er seinen Besitz im Montrachet<br />
auf eine Gesamtfläche von stattlichen fünftausendachthundertdreiundsechzig<br />
Quadratmetern.<br />
Im Jahr 1895 kamen Parzellen im Chambertin<br />
und im Musigny hinzu, die schon damals zu den<br />
F I N E<br />
B O U R G O G N E<br />
43
Schneebedeckt liegt die Reblandschaft<br />
um Monforte d’Alba im winterlichen<br />
Licht. <strong>Das</strong> Piemont ist zu jeder Jahreszeit<br />
von eindrucksvoller Schönheit.<br />
Kompromisslos traditionsbewusst:<br />
»Warum sollte ich etwas an unserem Stil ändern«<br />
Roberto Conterno vom Weingut Giacomo Conterno<br />
in Monforte d’Alba gilt als Erzkonservativer unter<br />
den Barolisti – und sein Erfolg gibt ihm Recht<br />
Von Rainer Schäfer<br />
Fotos Rui Camilo<br />
108<br />
F I N E 4 / <strong>2012</strong>
Von den Decken hängen lose Kabel, im Weingut Giacomo<br />
Conterno in Monforte d’Alba haben Handwerker angefangen<br />
zu renovieren. Draußen, im Hof des Weinguts, stehen Holzfässer,<br />
zweimannhoch und über fünfzig Jahre alt. Auch der Keller<br />
wird umgebaut, die Fässer müssen ausgetauscht werden. Roberto<br />
Conterno stürzt nach kurzer Begrüßung wieder davon, er versucht<br />
gar nicht erst zu verbergen, dass er leidet. Die Arbeiten<br />
haben sich ver zögert, weil streikende Lastwagenfahrer die Autobahnen<br />
blockieren. Conterno ist außer sich, er telefoniert und läuft<br />
immer wieder in den Keller, als ob er dadurch etwas beschleunigen<br />
könnte. Aber es ist Freitagabend, und auch im Piemont geht die<br />
Woche zu Ende. Kein Handwerker tut jetzt noch einen Schlag.<br />
Erika Zanlorenzi, die im Büro nach dem Rechten sieht, weiß<br />
genau, was in Conterno vorgeht. »Er ist der größte Perfektionist,<br />
den man sich vorstellen kann«, sagt sie. Pedant mag sie ihren Chef<br />
nicht nennen, obwohl ihn das vielleicht noch besser charakterisierte.<br />
Aber es ist nicht nur die Verzögerung, die ihm so zusetzt.<br />
In dem Maß, wie Conterno Ordnung und Sauberkeit liebt, verabscheut<br />
er auch Chaos und Schmutz. Man kann sonst vom makellosen<br />
Keller boden essen, und jetzt diese Katastrophe.<br />
F I N E P I E M O N T<br />
109
Roberto Conterno hat sich dazu durchgerungen, das<br />
RWeingut renovieren zu lassen, zum ersten Mal nach Rsiebenundzwanzig Jahren. Veränderungen empfindet er als<br />
Irritationen. Er hatte versucht, die Bauarbeiten so lange wie<br />
möglich hinauszuzögern. Als er sich endlich hinsetzt, erkennt<br />
man, was der Umbau mit ihm angerichtet hat: Conterno, Jahrgang<br />
1968, ein gut aussehender Mann, trägt heute dunkle<br />
Schatten unter den melancholisch blicken den Augen. Die<br />
Bartstoppeln scheuern am weißen Roll kragen pullover. Es<br />
ist kein Bart, den Männer aus Kalkül stehen lassen, um mit<br />
maskuliner Attitüde zu imponieren. Diese Stoppeln sind aus<br />
Verzweiflung stehen geblieben. Conterno ist als freundlicher<br />
Mann mit guten Manieren bekannt, aber in seiner Verfassung<br />
ist schon die erste Frage eine Zumutung für ihn. »Sie<br />
modernisieren das Weingut« Conterno schaut gekränkt,<br />
seine Augenlider flattern. »Nein«, flüstert er, »ich modernisiere<br />
nicht, ich ersetze alte Teile durch neue.« Ein neuer,<br />
diplomatischerer Versuch: »Sie ersetzen die alten Fässer durch<br />
neue« Ja, räumt er ein, aber nicht, weil die neuen moderner<br />
seien. »Ich hätte gern die alten behalten, aber die waren nicht<br />
mehr ganz dicht.« Modernisieren ist ein Reizwort für ihn. Den<br />
Wunsch, gemeinsam den verstaubten Keller zu besichtigen,<br />
lehnt er ent schlossen ab. Nach wenigen Minuten beschließt<br />
Conterno, nur noch italienisch zu reden. Er spricht ein gepflegtes<br />
Englisch, aber wer ihm mit Modernisierung kommt, der<br />
hat mit Konsequenzen zu rechnen.<br />
Man muss ein wenig zurückblicken, um Roberto Conterno<br />
zu verstehen. Keine andere Winzerfamilie im Piemont hält<br />
so hartnäckig an Traditionen fest wie seine. Seit drei Generationen<br />
erzeugt die Azienda Vitivinicola Giacomo Conterno<br />
Barolo im Spitzensegment, der Monfortino Riserva ist<br />
ein Monument im piemontesischen Weinbau. Auch wenn<br />
es übertrieben erscheinen mag: Es gibt Enthusiasten, die<br />
110<br />
F I N E 4 / <strong>2012</strong>
Unbeirrt von modischen Strömungen im Piemont<br />
geht Roberto Conterno seinen Weg. Für seinen Barolo<br />
vertraut er ganz und gar der Kraft der Tradition.<br />
behaupten, dass Judas Jesus nicht verraten hätte, wäre beim<br />
letzten Abendmahl ein solcher Barolo ausgeschenkt worden.<br />
Es war Roberto Conternos Großvater Giacomo, der 1920 den<br />
ersten Monfortino abgefüllt hat, der erst vier Jahre später auf<br />
den Markt kam. Seiner Zeit war er damit weit voraus, bis dahin<br />
wurde ein Großteil der Weine im Fass verkauft. Conterno<br />
glaubte daran, dass Barolo zu den besten Weinen der Welt<br />
zählen könnte, ein Status, der bislang den Abfüllungen französischer<br />
Châteaux vorbehalten war.<br />
Giacomo Conterno hat tatkräftig mitgeholfen,<br />
Barolo auf den Sockel der bedeutenden Weinregionen<br />
zu heben. Als Sohn einer italienischen Auswandererfamilie<br />
wurde er 1895 in Argentinien geboren. Als die Familie<br />
nach Italien zurückkehrte, ließ sie sich im Piemont nieder.<br />
Conterno zeigte bald, dass er über das Gespür begnadeter<br />
Winzer verfügt, die Bilder und Gerüche dieser Landschaft im<br />
Barolo einzufangen. »Sein Monfortino sollte wuchtig, aber<br />
elegant sein, über ausgewogene Tannine, einen angemessenen<br />
Alkoholgehalt und das gewisse Etwas verfügen, das ihm Langlebigkeit<br />
garantiert«, erklärt sein Enkel Roberto. Dafür ließ<br />
Conterno die Moste bis zu vierzig Tage auf der Maische gären,<br />
der Ausbau in Holzfudern konnte sich bis zu zehn Jahre hinziehen<br />
und länger. Der Jahrgang 1970 wurde erst 1985 gefüllt,<br />
viele glaubten schon nicht mehr daran, dass er jemals auf die<br />
Flasche komme. Aber diese Baroli, in ihrer Jugend widerspenstig,<br />
verlieren auch nach Jahrzehnten nichts von ihrer<br />
majestätischen Größe. Sie scheinen in Sphären der Zeit losigkeit<br />
zu schweben.<br />
Dieses Barolo-Patent wurde im Hause Conterno als Vermächtnis,<br />
fast als Gebot, von Vater zu Sohn weitergegeben.<br />
Von Giacomo auf Giovanni, der es wiederum Roberto anvertraute.<br />
Während anderswo die Söhne gegen ihre Väter rebellierten,<br />
ging es hier nur darum, die Traditionen möglichst<br />
unangetastet zu bewahren. Dabei gab es durchaus Zerreißproben<br />
in der Familie, aber die Konflikte spielten sich zwischen<br />
den beiden Brüdern Giovanni und Aldo ab, die einige Jahre<br />
gemeinsam im Weingut ihres Vaters Giacomo arbeiteten. Aldo<br />
verließ es 1969, um seinen eigenen Betrieb aufzubauen. Zu<br />
unterschiedlich waren die Ansichten, wie ein großer Barolo<br />
zu schmecken habe. <strong>Das</strong>s Aldo Conterno zu den Modernisten<br />
unter den Barolo-Erzeugern übergelaufen ist, verlieh diesem<br />
Zwist zusätzliche Pikanterie. Denn Giovanni und nach ihm<br />
Roberto Conterno werden unter den Barolo-Ideologen zu<br />
den Erzkonservativen gerechnet. Aldo Conterno zählte zu<br />
F I N E<br />
P I E M O N T<br />
111
In Los Angeles feierte Dom Pérignon den amerikanischen<br />
Starregisseur David Lynch und dessen Kampagne für die<br />
neuen Vintage-Editionen mit einer Mega-Party<br />
Von ANGELIKA RICARD-WOLF<br />
Signierstunde: David Lynch veredelt die Großflaschen<br />
Dom Pérignon mit seinem Autogramm.<br />
Hollywood ruft. Der amerikanische Kultregisseur<br />
David Lynch zeigt sein neuestes<br />
Opus. Lynch Genau der, dieser Typ mit der<br />
wilden weißen Stirntolle, der seit mehr als vierzig<br />
Jahren mit schrägen Avantgarde- Filmen<br />
Front gegen das Popkorn-Kino macht. Die Stars<br />
seines aktuellen Werks sind zwei Flaschen, die<br />
beiden limitierten Vintage-Editionen aus dem<br />
Haus Dom Pérignon. Er hat den Jahrgangschampagner<br />
2003 und dessen Keller genossen in<br />
Rosé aus dem Jahr 2000 für die neue Anzeigenkampagne<br />
in Szene gesetzt. Drehbuch, Regie<br />
und Premieren feier – alles made by Lynch. <strong>Das</strong><br />
verspricht eine »Crazy clown time« (Video <strong>2012</strong>).<br />
Nichts wie hin.<br />
Preview in den Milk Studios. Wie ein riesiges<br />
Stück weißer Blockschokolade liegen sie am<br />
North Cahuenga Boulevard in Los Angeles. Der<br />
Fotos: Dom Pérignon<br />
116<br />
F I N E 4 / <strong>2012</strong>
»rote« Teppich davor ist kein »Blue Velvet«<br />
(Spielfilm 1986). Er ist schwarz und führt zum<br />
quadratischen Marmor-Innenhof mit seinem<br />
puristischen Wasserbecken. Noch ein paar<br />
Stufen hoch – und schon ist man Teil der jüngsten<br />
Lynch-Inszenierung.<br />
Die ist großes Kino. Flüssiger Stickstoff wabert<br />
durch ein Labyrinth dunkler Tunnel und Räume.<br />
Lichtblitze, Laserstrahlen und Neonröhren<br />
er hellen schemenhaft die Kulisse. Kellner wie<br />
die rund fünfhundert Gäste – Dresscode (!) –<br />
sind schwarz gewandet. Einzig die giftgrüne<br />
Handtasche der britischen Rocksängerin Kelly<br />
Osbourne fluoresziert wie ein Glühwürmchen in<br />
der Nacht. Würden doch alle VIPs, von denen es<br />
hier wimmelt, ein Leuchtzeichen zwecks Ortung<br />
setzen! So bleiben sie im Dunkeln und delektieren<br />
sich diskret an reichlich Champagner.<br />
Wie das überwiegend junge Partyvolk, das LAs<br />
Spitzenkoch José Andrés mit Häppchen aus dem<br />
Reagenzglanz verwöhnt. Unübertroffen seine<br />
Molekularoliven, die saftig zerplatzen, wenn<br />
man sie genüsslich gegen den Gaumen drückt.<br />
Aus den Nebelschwaden tauchen unvermittelt<br />
ein paar obskure Objekte auf, die erahnen lassen,<br />
welch chemische und pyrotechnische Experimente<br />
in der Hexenküche abgegangen sein<br />
müssen, einem Studio außerhalb von LA, in dem<br />
das Kampagnen-Shooting stattfand. Da schwebt<br />
das Flaschenetikett wie ein einsamer Schild<br />
auf Stickstoffwölkchen über einem Bassin. Dort<br />
verschwimmt der Blick auf die Champagnerflasche<br />
durch die Luftbläschen, die im Aquarium<br />
davor aufsteigen. Und da rotierten auf<br />
einer Art Plattenteller Berge von Talmi, die unter<br />
Laserbeschuss für den Bruchteil einer Sekunde<br />
hochkarätig aufblitzen. Die Wände reflektieren<br />
die Licht explosionen, denen Super-DJ Diplo mit<br />
hartem Elektro-Beat den Rhythmus gibt. Seit<br />
den frühen Morgenstunden hat ein etwa dreißig<br />
Mann starker Einsatztrupp diese surrealen<br />
Show- Elemente installiert.<br />
»<strong>Das</strong> ist er. Einfach wow!« Richard Geoffroy,<br />
seit 1990 Chef de cave bei Dom Pérignon, ist<br />
hin und weg ob des Flaschenzaubers, den<br />
David Lynch für und um seine feinen Bouteillen<br />
veranstaltet. Nach drei Kampagnen, die Karl<br />
Lagerfeld fotografierte – edle Flaschen, flankiert<br />
von Top-Models wie Helena Christensen, Eva<br />
Herzigova und Claudia Schiffer –, brauchte die<br />
Marke nach Meinung des Kellermeisters »eine<br />
Energie zufuhr«. Deshalb engagierte er Lynch,<br />
den er für einen Renaissancemenschen hält.<br />
Der, obwohl erklärter Womanizer, verzichtete<br />
F I N E<br />
L I F E S T Y L E<br />
117
Herr im Cast<br />
130<br />
F I N E 4 / <strong>2012</strong>
ellberg<br />
Martin Wassmer<br />
und der Mundweinberg<br />
des Markgrafen<br />
Von Martin Wurzer-Berger<br />
Fotos Christof Herdt<br />
F I N E<br />
B A D E N<br />
131
Ausnahmsweise sind alle einer Meinung, Naturschützer, Landschaftsschützer,<br />
Denkmalschützer, Umweltschützer – und auch der Winzer. Eine bemerkenswerte<br />
Allianz. <strong>Das</strong> Objekt der Einigkeit: Der Castellberg in Ballrechten- Dottingen.<br />
Die Steillage in der Mitte des Markgräflerlands hat eine lange und eindrucksvolle<br />
Geschichte.<br />
Die dem Schwarzwald vorgelagerten Weinberge zählen<br />
weingeografisch zum Markgräflerland. Klimatisch profitiert<br />
es von seiner besonderen Lage: Warme Luft vom Mittelmeer<br />
gelangt über das Rhônetal, den Bresse-Graben und die<br />
als Burgundische Pforte bezeichnete Senke zwischen Vogesen<br />
und Jura in die Rheinebene und beschert dieser Landschaft<br />
und auch dem Castellberg zwischen Bad Krozingen und Müllheim<br />
häufig die höchsten Temperaturen in Deutschland.<br />
Seine weinhistorische Bedeutung ist eng mit dem Gutedel<br />
verknüpft. 1784 bestimmte Markgraf Karl Friedrich von Baden<br />
den Castellberg als Versuchsweinberg für seine bevorzugte<br />
Traube. Als Chasselas (andernorts auch Fendant genannt)<br />
stammte sie vermutlich aus den Weinbergen um den Genfer<br />
See und wurde über Jahrhunderte zur Leitrebe des Markgräfler<br />
lands. In den Akten der markgräflichen Hofdomänenverwaltung<br />
in Müllheim ist der Castellberg als Karl Friedrichs<br />
»Mundweinberg« verzeichnet.<br />
Der Dottinger Castellberg, ein Kulturdenkmal erster<br />
Klasse, darf auch einer der schönsten historischen Terrassenweinberge<br />
genannt werden. Seine süd- und südwestlich ausgerichteten<br />
Hänge mit bis zu fünfundsechzig Prozent Neigung<br />
sind aufwändig terrassiert, gestützt von kunstvoll geschichteten<br />
Trockenmauern mit einer Oberfläche von mehr als viertausend<br />
Quadratmetern. Verbunden sind die Terrassen über<br />
steinerne Treppenanlagen. An solchen Weinbergen lässt sich<br />
das Weinkulturwissen früherer Zeiten studieren, und es »ist<br />
nicht abwegig, sie als Kathedralen unserer Kulturlandschaft<br />
zu bezeichnen, da sie Kulturtechnik, Baukunst und Natur<br />
untrennbar vereinen«, wie es Landespfleger Franz Höchtl<br />
einmal formulierte.<br />
Dabei war der Castellberg nach der Jahrtausendwende<br />
durch Nutzung und Witterungseinflüsse stark gezeichnet,<br />
Mauerabschnitte waren baufällig oder verstürzt, Treppen<br />
unpassierbar. <strong>Das</strong> Castellberg-Projekt wurde ins Leben<br />
gerufen, eine umfangreiche, mit öffentlichen Mitteln unterstützte<br />
und fachlich hervorragende Sanierung. Zwischen<br />
2006 und 2009 wurden Mauerkronen erneuert, Versturzabschnitte<br />
als Trockenmauern rekonstruiert, ausgebauchte<br />
Stellen durch Injektionen und Hydraulikstempel in ihre<br />
Optimal lage zurückversetzt, Treppenwangen stabilisiert und<br />
Stufen ersetzt. Der Castellberg ist heute ein repräsentables,<br />
weit ins Land leuchtendes Denkmal.<br />
132<br />
F I N E 4 / <strong>2012</strong>
Winzer im Kulturdenkmal:<br />
Terrassen und Trockenmauern im<br />
Castellberg sind der Stolz von<br />
Martin Waßmer. Ihr Erhalt ist mit<br />
aufwändigster Arbeit verbunden.<br />
Seine Exposition ist perfekt für die tägliche Erwärmung;<br />
die nächtens kühlen Winde von den Schwarzwaldhöhen<br />
verlängern durch die Temperaturdifferenz die Vegetationszeit<br />
und erhöhen die Fruchtigkeit der Weine. Die allgemein<br />
gute Belüftung reduziert den Krankheitsdruck. Seine Bodenstruktur<br />
aus Konglomeratgestein, Kalksteinverwitterung und<br />
vor allem Kalkmergel ist gerade für Burgundersorten ideal.<br />
Die Wasserversorgung ist knapp, für die alten Reben jedoch<br />
unproblematisch.<br />
Früher gab es zahlreiche Eigentümer im Castellberg,<br />
Genossenschaftswinzer zumeist, auch ein Weingut. Die<br />
beschwerliche Handarbeit in diesem für Maschinen fast unzugänglichen<br />
Weinberg war allerdings nicht leicht mit dem<br />
Ertrag in eine vernünftige Relation zu setzen. Jetzt steht hier<br />
Martin Waßmer. Er ist von der exorbitanten Qualität des<br />
Weinbergs felsenfest überzeugt und scheut weder Arbeit noch<br />
Mühe. Seit einigen Jahren ist er der stolze Besitzer fast des<br />
ganzen, etwa dreieinhalb Hektar großen terrassierten Teils<br />
des Castellbergs. Ein gewaltiger, auch finanzieller Kraftakt,<br />
der gut überlegt sein wollte. Aber nichts ist Martin Waßmer<br />
weniger als blauäugig. Er ist ein klar denkender Geschäftsmann.<br />
Ein Realist, kein Romantiker.<br />
Am heutigen Tag blickt er zwiegespalten auf seine Herzenslage.<br />
Betrübt kontrolliert er die gerade verheilten Verletzungen<br />
an den Ruten der alten Rebstöcke. Ein früherer Eigentümer<br />
hatte ihm beim Verkaufsgespräch versichert: »Hier hat es noch<br />
nie gehagelt.« Doch am Abend des 29. August <strong>2012</strong> bildete<br />
sich im südlichen Markgräflerland eine für die Tages- und die<br />
Jahreszeit ungewöhnliche Hagelzelle. Und auch der Weg, den<br />
die Zelle nahm, war atypisch, denn der Hagel zieht in diesem<br />
Gebiet meist über dem Südschwarzwald ab.<br />
Es wurde ein schwarzer Mittwoch. Wachteleigroße Hagelkörner<br />
richteten vor allem in Bad Bellingen, Ballrechten und<br />
Dottingen großen Schaden an, Verluste bis zu fünfzig Prozent<br />
waren zu beklagen. Im Castellberg jedoch wurde die gesamte<br />
Jahresernte zerstört. Waßmer berichtet, dass die Holzreife<br />
schon fortgeschritten, an den Stöcken selbst deshalb ein<br />
nicht allzu großer Schaden entstanden sei; das lasse für das<br />
kommende Jahr hoffen. Doch in den alten Spät burgunderanlagen<br />
mussten zur Stockentlastung alle noch hängenden<br />
Trauben heruntergeschnitten werden. Ein schaurig- wildes Bild.<br />
Mitten im Sommer kahle Rebstöcke, fast ohne Blätter, ohne<br />
Trauben. Bis weit in den Oktober hinein bildeten sich neue<br />
hellgrüne Blättchen, ein fast noch unwirklicheres Szenarium.<br />
Noch immer arbeiten Wut und Enttäuschung in diesem<br />
ruhigen, beherrscht und leise auftretenden Mann. »Natürlich<br />
gilt Baden als hagelgefährdet, aber achtundzwanzig Jahre<br />
ist hier im Castellberg nichts passiert. Es ging immer um den<br />
Berg herum, es kam nie hier an.« Was es bedeutet, wenn ein<br />
F I N E<br />
B A D E N<br />
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