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... abgeerntet – Blick über die Halle zum Hof Becker

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Was das Leben fördert<br />

November: frühe Dunkelheit, Herbst mit Nebel, Regen,<br />

schwarzen Wolken, stürmischem Wind;<br />

November: fallendes Laub, kahle Bäume, gefährlich<br />

rutschige Straßen und Wege;<br />

November: Allerheiligen, Allerseelen, Volkstrauertag,<br />

Buß- und Bettag, Totensonntag;<br />

November: Besuche auf den Friedhöfen, Gedenken<br />

an verstorbene Angehöriger und Freunde, Gefühle<br />

von Trauer, Vergehen und Verlust, depressive Stimmungen.<br />

Die Natur zieht sich zurück, in wörtlichem oder <strong>über</strong>tragenem<br />

Sinn geht sie in den Winterschlaf, sammelt<br />

sie neue Kräfte. Denn natürlich geht es im Frühjahr<br />

wieder anders herum: längere Tage, zunehmende<br />

Wärme, frisches Laub, neue <strong>Hof</strong>fnung. Doch auch<br />

Herbst und Winter gehören <strong>zum</strong> Leben der Natur;<br />

selbst unter starrem Frost gibt es noch Leben. Die<br />

Natur braucht solche „schöpferischen“ Pausen, um<br />

immer wieder neu beginnen zu können.<br />

Und auch wir Menschen sind Teil der Natur: Wir<br />

werden geboren, wir leben mehr oder weniger viele<br />

Jahre und dann geht unser Leben zu Ende. Dazu heißt<br />

es in der Bibel: „Lehre uns bedenken, dass wir sterben<br />

müssen, auf dass wir klug werden“ (Psalm 90,12).<br />

Sich mit Sterben und Tod beschäftigen, sich mit dem<br />

Ende auseinandersetzen, um klug zu werden? Wir<br />

praktizieren eher das Gegenteil: Wir verstecken Leiden<br />

und verdrängen alle Gedanken daran. Alle vier<br />

Jahre � bei den Paralympics, den Olympischen Spielen<br />

von Menschen mit Handicap � haben Behinderte<br />

große Aufmerksamkeit, anschließend verschwinden<br />

sie wieder aus der Öffentlichkeit. Oder: Aus unseren<br />

3<br />

Friedhöfen machen wir Gärten<br />

und Parks; das Sterben wird möglichst<br />

weitgehend aus dem Leben<br />

ausgegliedert, in Krankenhäusern<br />

und Hospizen wird gestorben; dort<br />

gibt es immerhin Sterbebegleitung.<br />

So hat der Tod seinen eigenen Bereich <strong>–</strong> außerhalb<br />

des Lebens. Wir befürchten wohl, dass <strong>die</strong> Auseinandersetzung<br />

mit dem Sterben unserem Leben Qualität<br />

nimmt, unsere Lebensfreude beeinträchtigt. Aber<br />

vielleicht stimmt das gar nicht. Vielleicht gewinnt unser<br />

Leben sogar, wenn wir Schwäche und Leid, Sterben<br />

und Tod nicht ausgrenzen, sondern in unser Leben<br />

mit einbeziehen. Vielleicht lernen wir ganz neue,<br />

tiefere Dimensionen des Menschseins kennen, wenn<br />

wir auch „<strong>die</strong> andere Seite“ mit in den <strong>Blick</strong> nehmen,<br />

auch Momente, <strong>die</strong> nicht so schön sind, <strong>die</strong> wir lieber<br />

ausgeblendet lassen möchten. Ich denke, dass das<br />

„Klug werden“ eben darin besteht, dass wir Erfahrungen<br />

machen, <strong>die</strong> uns bereichern, <strong>die</strong> uns weicher,<br />

mitfühlender, letztlich menschlicher machen.<br />

Dann ist wohl auch unsere Befürchtung grundlos, unser<br />

Leben könnte an Freude und Qualität verlieren.<br />

Im Gegenteil: Wir machen ganz neue Erfahrungen,<br />

<strong>die</strong> uns verborgen bleiben, wenn wir nur dem Starken<br />

und Schönen im Leben Raum geben. Wir gewinnen<br />

an Reife und Lebensweisheit, wenn wir uns auch<br />

dem Schweren und Dunklen stellen: Behinderungen<br />

und Begrenzungen ebenso wie Sterben und Tod.<br />

Beide Seiten gehören <strong>zum</strong> menschlichen Leben und<br />

es spricht von Weisheit, wenn es in einem Kirchenlied<br />

heißt: „Lachen oder Weinen wird gesegnet sein.“<br />

Gerd-Hinrich Ostermann

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