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GUMPERT APOLLO FAHRBERICHT

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FAhrbericht<br />

GumPert APollo<br />

70 3/2008<br />

Hohe Schwelle: In den Apollo steigt<br />

man fast wie in ein Cabrio mit<br />

geschlossenen Türen, aber offenem<br />

Dach ein – nur, dass man auch<br />

noch den Kopf einziehen sollte. Um<br />

die Zuzieh-Schlaufe zu erreichen,<br />

muss sich der linke Arm strecken


oher<br />

bereich<br />

Alles am Gumpert Apollo ist roh und<br />

brutal: Optik, Beschleunigung und<br />

Abtrieb. Angeblich könnte er sogar an<br />

der Decke fahren. Kein Straßenauto kam<br />

einem Rennwagen bislang näher. ▷<br />

3/2008<br />

71


72 3/2008<br />

Bei vollem Ladedruck wird der Apollo<br />

zum Gelegenheitsraucher. Auch im<br />

zweiten Gang ringen die 345er-<br />

Hinterreifen um Fassung. Noch vor<br />

dem Einlenken in die Rechtskurve<br />

steht Tempo 200 auf dem Tacho. Und<br />

die beiden Turbos pressen weiter<br />

nach einer Vollgasfahrt dröhnt der<br />

Der Grenzbereich ist ein Balanceakt,<br />

der Lenkeinschlag begrenzt: Wer mit dem<br />

Apollo umgehen kann, zerteilt Kurven<br />

blitzschnell und akkurat. Alle anderen<br />

gehen es besser behutsam an


Kopf wie nach einem motörhead-Konzert<br />

Verstand in Schieflage: Gestern war hier<br />

noch ein Berg. Heute schiebt sich ein<br />

topografisches Trugbild ins Panorama.<br />

Denn die Fakten sprechen gegen die Erinnerung.<br />

Wo die Drehzahl emporschnalzt, kann<br />

keine Steigung sein. Wo man zügig hoch- statt<br />

zurückschaltet, auch nicht. Also kein Berg?<br />

Zumindest nicht für den Gumpert Apollo. Seine<br />

850 Nm schaffen sich ihre eigene Realität.<br />

Kein auf und ab, nur vorwärts und seitwärts.<br />

Wie sich das anfühlt? Das bisher beste Beschleunigungserlebnis<br />

mit dem Faktor Irrwitz<br />

multipliziert, dann befindet sich die Fantasie<br />

auf Kurs. Womit soll man den Gumpert vergleichen?<br />

Er zeigt allen Klischees eines Rennwagens<br />

mit Straßenzulassung, was diese Bezeichnung<br />

wirklich bedeutet: Der Apollo<br />

erfüllt die Normen von FIA und StVZO.<br />

Ein Auto wie den Gumpert sieht man im<br />

Alltagsverkehr höchstens auf dem Hänger. Ein<br />

Bürgerschreck, dessen Form nur der Funktion<br />

dienen will – und die ist rein auf Aerodynamik<br />

getrimmt. Durch die riesigen Schlünde saugt<br />

der Apollo so viel Fahrtwind in sich auf, dass<br />

man hinter ihm ein Vakuum vermutet. Unterdruck<br />

zwischen Auto und Fahrbahn, Abtrieb<br />

auf der Karosserie: Das soll den Zweisitzer bei<br />

über 300 km/h mit 1,5 Tonnen auf die Straße<br />

pressen – mehr als das nur leicht betankte<br />

Auto samt Fahrer wiegt. Damit könnte Roland<br />

Gumperts Ingenieurs-Traum wahr werden: Im<br />

eigenen Sportwagen kopfüber an der Decke<br />

eines Tunnels zu fahren.<br />

Audis ehemaliger Sportchef ist Gründungsvater<br />

und jetziger geschäftsführender Teilhaber<br />

der Gumpert Sportwagenmanufaktur mit<br />

Sitz im thüringischen Altenburg. Zähe Anfangsjahre<br />

mit wechselnden Anteilseignern<br />

hat er durchlebt. Doch im kommenden Jahr<br />

sollen 39 Apollos die Werkshalle einer ehemaligen<br />

Näherei verlassen – 45 Angestellte packen<br />

trotzig an.<br />

Ihr Apollo lebt das Extrem, das andere mit Rennsport-Bezug<br />

im Namen nur versprechen. Ein Rahmen<br />

aus Stahlrohren dient als Skelett für die<br />

Kohlefaser-Haut. Unter der vorderen Haube<br />

aufgereiht hängt die Kühlerbatterie, unter der<br />

hinteren der Motor. Dazwischen eine Wanne<br />

aus Kohlenstoff, in der Fahrer und Beifahrer<br />

kauern – wie in alten Formel 1 auf dem Boden,<br />

in notdürftig gepolsterten Kuhlen.<br />

Da es keine Sitze im eigentlichen Sinn gibt,<br />

ist die Ergonomie nur über Lenkrad und Pedale<br />

zu beeinflussen: Beide sind verstellbar,<br />

grenzen dennoch alle Fahrer aus, die ihre jugendhafte<br />

Figur über die Jahre ausgebaut ha-<br />

ben. Doch selbst Body-Mass-Bewusste müssen<br />

Athletik und Akrobatik beweisen: Schwergängig<br />

schwingt die Flügeltüre hoch, gibt erst ab<br />

Kniehöhe eine Luke frei. Also einsteigen im<br />

Wortsinn. Doch einem beherzten Schritt steht<br />

das Lenkrad im Weg. Also per Schnellverschluss<br />

entfernen und aufs Armaturenbrett<br />

legen. Erst daraufhin gelingt das Entern.<br />

Kurz bevor das linke Bein folgt, stützt sich<br />

die rechte Hand an einem Knubbel der Schottwand<br />

ab, um den Aufprall des Körpers in der<br />

Sitzschale abzufangen. Dann fingert die Linke<br />

nach der Schlaufe und zieht die Tür zu. Nun<br />

puzzelt man den Vierpunkt-Gurt zusammen,<br />

zurrt den Oberkörper fest und steckt das Lenkrad<br />

wieder auf die Säule.<br />

Dankbar erblickt das Auge zumindest ein<br />

wenig Vertrautes, rastet an Klimabedienung,<br />

Luftausströmer, Blinker- und Wischerhebel<br />

von Audi und am ausfahrenden Bildschirm<br />

des Navigationssystems. Doch der Rest ist<br />

reines Rennwagen-Versprechen. Ein knorriger<br />

Schaltstock wächst aus dem Mitteltunnel, dahinter<br />

der Startknopf, davor Alcantara, Kohlefaser<br />

und Rundinstrumente. Das Ambiente:<br />

roh, fordernd, einschüchternd.<br />

Start des Spektakels. Dem Anlasser-Jaulen<br />

folgt orchestraler Lärm: Der Achtzylinder bollert,<br />

das Getriebe mahlt, die Kupplung klappert,<br />

die Benzinpumpe sirrt. Die Umwelt absorbiert<br />

dagegen nur tiefes Murmeln. Das<br />

Kupplungspedal fordert einen energischen<br />

Tritt ein, der rechte Arm rammt den Schaltstock<br />

nach vorn, der rechte Fuß spielt mit dem<br />

Gas, während der linke vorsichtig den Druckpunkt<br />

der Zweischeiben-Kupplung ertastet.<br />

Der Apollo ruckt, bebt, zittert, rollt los. Zwei<br />

Turbolader von KKK ringen dem 4,2-Liter-V8<br />

von Audi 650 statt der serienmäßigen 335 PS<br />

ab. Vom zuvorkommenden Wesen des Motorspenders<br />

A8 bleibt nichts mehr übrig. Selbst<br />

beim niedertourigen Dahinblubbern verharrt<br />

der Geist in Hab-Acht-Stellung – die unverblümte<br />

Geräuschkulisse ist eine Frontal-Attacke<br />

aufs zentrale Nervensystem.<br />

1,3 bar Ladedruck wecken die Lust am Brutalen.<br />

Eine gewaltige Schub-Eruption, angekündigt<br />

von bösem Turbo-Zischen. Zart Besaitete<br />

würden bei diesen Angst-Geräuschen<br />

bereits ab 2500/min verschreckt vom Gas gehen,<br />

Tapfere bleiben drauf. Der Apollo springt<br />

nach vorn, die Drehzahl ans Limit von 7200/<br />

min. Wohliges Entsetzen, berauschender<br />

Schauer, angenehme Verstörung. Der rechte<br />

Arm reißt den Knüppel zum Hochschalten<br />

nach hinten. Sequenziell, aber dennoch rein<br />

3/2008<br />

73


Zwischen den Xenon-Lichtern kauert die Crashbox aus Aluminium. Die Passagiere sitzen in einer aufgepolsterten Kohlefaser-Wanne, Gepäck<br />

ruht im Kofferraum über dem Getriebe. Doppelte Dreiecks-Querlenker führen die Räder, die liegenden Dämpfer werden über Pushrods betätigt<br />

TECHNISCHE DATEN UND MESSWERTE<br />

Karosserie<br />

Zweisitziger Sportwagen, Länge � Breite � Höhe 4460<br />

� 1998 � 1114 mm, Radstand 2700 mm, Leergewicht<br />

1468 kg.<br />

Fahrwerk<br />

Einzelradaufhängung vorn und hinten, mit doppelten Dreiecks-Querlenkern<br />

und Federbeinen. Stabilisator vorn/hinten,<br />

innenbelüftete Scheibenbremsen vorn und hinten,<br />

Reifen vorn 255/35 ZR 19, hinten 345/35 ZR 19.<br />

Kraftübertragung<br />

Hinterradantrieb, sequenziell betätigtes Sechsganggetriebe.<br />

Motor<br />

Achtzylinder-V-Motor mit Abgasturbolader und Ladeluftkühler,<br />

Hubraum 4172 cm 3 , Leistung 478 kW (650 PS) bei<br />

6500/min, max. Drehm. 850 Nm bei 4000/min.<br />

Grundpreis<br />

Gumpert Apollo V8 4.2 Euro 285 005,–<br />

Fahrleistungen<br />

Höchstgeschwindigkeit 360 km/h<br />

Beschleunigung<br />

0 – 50 km/h 1,9 s<br />

0 – 80 km/h 3,0 s<br />

0 – 100 km/h 3,9 s<br />

0 – 120 km/h 4,6 s<br />

0 – 160 km/h 7,2 s<br />

0 – 200 km/h 10,9 s<br />

Elastizität<br />

60 – 100 km/h im IV./V. G 4,1/5,9 s<br />

80 – 120 km/h im IV./V. G. 3,0/4,7 s<br />

60 – 100 km/h im VI. G. 8,3 s<br />

80 – 120 km/h im VI. G. 7,2 s<br />

74 3/2008<br />

Nur Alcantara<br />

bekleidet die<br />

nackte Rohheit<br />

des Rennwagen-Innenraums<br />

Fahrversuche<br />

Slalom 18 m 68,4 km/h<br />

ISO-Wedelgasse 148,9 km/h<br />

VDA-Ausweichgasse<br />

Einfahrgeschwindigkeit 78 km/h<br />

Ausfahrgeschwindigkeit 65 km/h<br />

Bremsweg<br />

aus 100 km/h kalt (leer) 38 m<br />

aus 100 km/h kalt (beladen) 38 m<br />

aus 100 km/h warm (beladen) 36 m<br />

Hochgeschw.-Bremstest (190 km/h) 128 m<br />

Kraftstoffverbrauch<br />

Super Plus minimal 12,2 L/100 km<br />

Testverbrauch 20,6 L/100 km<br />

Leistung<br />

Leistung<br />

PS<br />

640<br />

600<br />

560<br />

520<br />

480<br />

440<br />

400<br />

360<br />

320<br />

280<br />

240<br />

200<br />

160<br />

120<br />

80<br />

40<br />

440<br />

400<br />

360<br />

320<br />

280<br />

240<br />

200<br />

160<br />

120<br />

Mehr Infos, Fotos, Videos und<br />

Diskussionen? Tragen Sie den Webcode<br />

auf www.auto-motor-und-sport.de ein<br />

0<br />

kW 478 kW (650 PS)<br />

80<br />

40<br />

825 Nm<br />

1 2 3 4 5 6 7 8<br />

Drehzahl in 1000/min<br />

Drehmoment<br />

Nm<br />

900<br />

800<br />

700<br />

600<br />

500<br />

400<br />

300<br />

Fotoshow:<br />

Gumpert Apollo<br />

F500883<br />

mechanisch betätigt – sanfte Naturen werden<br />

am Cima-Getriebe scheitern.<br />

Fünfter Gang ausgedreht. Es tobt das Inferno,<br />

alle Adrenalin-Schleusen sind offen.<br />

Sechster Gang, der Tacho knapp vor 300 km/h.<br />

Nur Ohrenstöpsel bewahren vor Langzeitschäden.<br />

Eine Autobahnkurve, langgezogen, übersichtlich,<br />

leer. Mittelmotor-Angstgegner. Doch<br />

den Apollo saugt es flügelkontrolliert herum.<br />

Der Radius sitzt, kein mulmiges Gefühl, aber<br />

auch kein Sicherheitsnetz für den Notfall.<br />

Ein Rennwagen ohne Airbag, ohne ESP. Fürsorge<br />

bieten nur ABS und Traktionskontrolle. Doch bei<br />

850 Newtonmeter und nasser Straße sollte man<br />

sich auf die eigene Vernunft verlassen – das<br />

Heck zuckt schneller, als die Elektronik regelt.<br />

Entspannt gibt man nur auf trockenem Asphalt<br />

Gas. Dann sind Überholvorgänge so kurz, dass<br />

Lkw-Fahrer nicht wissen, ob sie soeben umfahren<br />

oder getunnelt wurden.<br />

Wie in keinem zweiten Straßensportwagen<br />

muss man selbst auf der Rennstrecke die Grenzen<br />

ertasten. Fahrspaß will hart errungen werden.<br />

Der Gumpert fordert einen sauberen,<br />

disziplinierten Fahrstil ein: präzise den Bremspunkt<br />

setzen, akkurat einlenken, linientreu<br />

um den Scheitelpunkt und dann definiert herausbeschleunigen.<br />

Passt alles, so erlebt man<br />

einen Augenblick seltener Intensität – eins<br />

werden mit Strecke und Auto.<br />

Reiz der Herausforderung: Wie ein Wildpferd<br />

akzeptiert der Apollo ausschließlich<br />

Autoritäten, alle anderen Zureiter wirft er aus<br />

dem Sattel. In seiner Ungezähmtheit übertrifft<br />

er sogar den Lamborghini Murciélago. Selbst<br />

Tester benötigen perfekte Bedingungen – zu<br />

brutal setzt die Leistung ein, zu schnell gibt<br />

die mechanische Traktion auf. Am Messtag<br />

etwa können sich die Reifen kaum für den Asphalt<br />

erwärmen, und die 850 Newtonmeter<br />

gewinnen beharrlich das Armdrücken gegen<br />

die 345er-Hinterreifen. Nur knapp unterbietet<br />

der Gumpert die Vier-Sekunden-Marke bis<br />

Tempo 100. Bei dieser winterlichen Gripverweigerung<br />

bleibt nichts als heroischer Frust.<br />

Auch die Fahrdynamikwerte ordnen den<br />

Reifenradierer vorschnell unterhalb eines Porsche<br />

GT3 ein. Dabei spricht das Gefühl eine<br />

andere Sprache: Der Gumpert Apollo ist gemacht<br />

für G-Force-Junkies, die jede Kurve erobern<br />

wollen. Und denen der ultimative Kick<br />

mindestens 285 000 Euro wert ist. Spielfrei,<br />

feinnervig, aber auch kapriziös – mehr Rennwagen<br />

verträgt derzeit kein Nummernschild.<br />

Text: Marcus Peters<br />

Fotos: Hans-Dieter Seufert

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