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Was tun, wenn die Elternvögel ihre Jungen rupfen?

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Im Nest von den Eltern gerupfte Mohrenkopfpapageien (Poicephalus senegalus), <strong>die</strong> nach dem<br />

Herausnehmen ohne Gefiederschaden groß geworden sind und bald selbständig sein werden<br />

<strong>Was</strong> <strong>tun</strong>, <strong>wenn</strong> <strong>die</strong> <strong>Elternvögel</strong> <strong>ihre</strong><br />

<strong>Jungen</strong> <strong>rupfen</strong><br />

Rudolf K. Wagner, Dietzenbach<br />

Das Intensiv-Aufzuchtgerät und das Kükenheim<br />

von Grumbach standen seit<br />

Jahren gut und sauber verpackt im<br />

Abstellraum, weil ich sie eigentlich nie<br />

wieder benutzen, aber sie auch noch<br />

nicht abgeben wollte, solange ich Papageien-Zuchtpaare<br />

halte. Man weiß ja nie,<br />

wozu man <strong>die</strong> teuer erworbenen Geräte<br />

vielleicht doch noch einmal brauchen<br />

kann.<br />

Obwohl ich selbst zum Thema Handaufzucht<br />

vor vielen Jahren bereits in verschiedenen<br />

Artikeln erfolgreiche Methoden<br />

und Strategien beschrieben hatte,<br />

wurden mir handaufgezogene Papageien,<br />

je öfter ich mit ihnen in Kontakt kam,<br />

immer unsympathischer, weil sie in der<br />

Regel oder doch zumindest sehr oft <strong>ihre</strong><br />

natürlichen Verhaltensweisen nicht oder<br />

kaum noch zeigen. Auch habe ich kei-<br />

nen der von mir handaufgezogenen<br />

Vögel behalten, sondern sie immer weitergegeben,<br />

denn ich brauche keinen<br />

Papagei, der mich ins Ohrläppchen<br />

beißt oder sonst wo zwickt. Ich möchte<br />

meine Papageien, <strong>die</strong> paarweise leben,<br />

beobachten, wie sie miteinander interagieren<br />

– sonst nichts. Von mir bekommen<br />

sie Futter und Pflege und eine hoffentlich<br />

angemessene Unterbringung.<br />

PAPAGEIEN 2/2011 55


ZUCHT<br />

Hier zeigt sich das Ausmaß des Rupfens: Nur am Kopf, den Flügelspitzen,<br />

an den Flügelenden und am Bürzel sind <strong>die</strong> Federn<br />

nicht komplett gerupft worden<br />

Auch <strong>die</strong> sehr ausführliche Ausarbei<strong>tun</strong>g<br />

von Volker und Susanne Munkes (2003)<br />

bestärkte mich schon bald, Handaufzuchten<br />

nur in absoluten Notsituationen<br />

zu akzeptieren beziehungsweise durchzuführen.<br />

Wann, bei welchen Symptomen, in welcher<br />

Situation bin ich nun aber mit<br />

einem Notfall konfrontiert Ist das nicht<br />

manchmal eine sehr subjektive Entscheidung<br />

Mir blieb aus meiner Sicht nicht viel Zeit<br />

zum Überlegen, als ich am 30. Dezember<br />

2009 nach eigentlich zu langer Zeit<br />

wieder einmal nach den drei Nestlingen<br />

meiner Mohrenkopfpapageien (Poicephalus<br />

senegalus) schaute, <strong>die</strong> ich Mitte<br />

Dezember im Alter von 16, 14 und 13<br />

Tagen mit geschlossenen Ringen versehen<br />

hatte, also zu einem Zeitpunkt, wo<br />

man nur allererste grüne Federspitzen<br />

erkennen kann. Jetzt, zwei Wochen später,<br />

sah ich am Körper und an den Flügeln<br />

extrem stark gerupfte Junge. Ihre<br />

Köpfe waren kaum betroffen, aber an<br />

den Flügeln waren nur noch wenige kleine<br />

Federn am Flügelbug und einige<br />

Handschwingen vorhanden. Ansonsten<br />

erinnerten mich <strong>die</strong> Tiere an gerupfte,<br />

frische Wachteln in der Auslage eines<br />

Spezialitätengeschäfts für Wildgeflügel,<br />

was ich besonders auf Märkten oder in<br />

Markthallen in Frankreich gesehen<br />

hatte, wo man das Kopfgefieder nicht<br />

beseitigt, damit der Käufer sehen kann,<br />

was für ein Federvieh er für seinen Bratofen<br />

gerade kauft.<br />

Diese am Körper und auf den Flügeln<br />

komplett gerupften Mohrenkopfpapageien<br />

waren nun für mich ein (Not-)Fall<br />

für <strong>die</strong> Handaufzucht.<br />

Schnell bestellte ich mir vor dem Jahreswechsel<br />

bei Ricos Futterkiste Aufzuchtfutter,<br />

das auch noch trotz der bevorstehenden<br />

Feiertage versandt wurde, so<br />

dass ich am 5. Januar 2010 endlich <strong>die</strong><br />

Nestlinge im Alter von 39, 37 und 34<br />

Tagen in das bereits in Betrieb genommene<br />

und vorbereitete Kükenheim setzen<br />

konnte, in dem sich auch ein Kasten<br />

befand, der ihnen als dunkle Bruthöhle<br />

<strong>die</strong>nen sollte. Ein wenig Bedenken hatte<br />

ich wegen des Alters, denn ich hatte<br />

noch nie eine Handaufzucht mit Küken<br />

begonnen, <strong>die</strong> bereits gut fünf Wochen<br />

alt und an das Füttern durch <strong>die</strong> <strong>Elternvögel</strong><br />

auch optisch gewöhnt waren.<br />

Aber schon als ich den anfänglich ziemlich<br />

flüssigen Brei zum zweiten Mal anbot,<br />

ging das Füttern mit meinem speziell<br />

gebogenen Löffel ohne jegliches<br />

Problem. Diese Futterlöffel hatte ich mir<br />

vor einigen Jahren vom Löffelhersteller<br />

speziell anfertigen beziehungsweise biegen<br />

lassen.<br />

Zur Zucht-Historie meines Paares Mohrenkopfpapageien<br />

ist anzumerken, dass<br />

es schon seit Jahren seinen Nachwuchs<br />

rupft, wobei ich den Eindruck habe,<br />

dass <strong>die</strong>ses Fehlverhalten von Brut zu<br />

Brut immer gravierender wurde. Dabei<br />

gab es aber deutlich sichtbare Unterschiede,<br />

denn <strong>die</strong> <strong>Jungen</strong> der Bruten,<br />

<strong>die</strong> das Paar meist im November beginnend<br />

in einem Kistenkäfig im Souter-<br />

2007 2009/2010<br />

Ringnummer 11 12 13 14 1503<br />

Geschlecht Männchen Weibchen Männchen Weibchen Männchen<br />

Handaufzucht ab Tag 4 2 39 37 34<br />

Lebenstag<br />

Gewicht in g<br />

34 118 97 - - 120<br />

37 125 102 - 93 118<br />

39 127 106 138 86 126<br />

44 136 108 140 96 140<br />

49 138 113 152 111 151<br />

54 - 113 158 112 155<br />

59 - - 157 111 148<br />

64 - - 152 - -<br />

Tabelle: Gewichtsentwicklung bei der Handaufzucht von Mohrenkopfpapageien<br />

56 PAPAGEIEN 2/2011


ZUCHT<br />

Die Auswirkungen des Rupfens durch <strong>die</strong> Elterntiere sind besonders deutlich am Flügel zu sehen<br />

(links); <strong>die</strong> <strong>Jungen</strong> ließen sich trotz <strong>ihre</strong>s Alters problemlos mit dem Löffel füttern (rechts)<br />

rain-Zimmer durchführte, waren von<br />

den Rupfaktionen der <strong>Elternvögel</strong> deutlich<br />

stärker betroffen. Die Nestlinge, <strong>die</strong><br />

ab Mai eines Jahres in einer relativ primitiven<br />

Hängevoliere im Garten aufwuchsen,<br />

waren nur wenig gerupft.<br />

Im Souterrain-Zimmer gibt es wenig Abwechslung:<br />

Langeweile, langweilig eingerichteter<br />

Kistenkäfig, überwiegend<br />

Kunstlicht, keinerlei Temperaturschwankungen<br />

zwischen Tag und Nacht – das<br />

sind <strong>die</strong> offensichtlichsten Gegebenheiten.<br />

Dagegen ist <strong>die</strong> Unterbringung im<br />

Garten nach den Eisheiligen im Mai sicherlich<br />

mit sehr viel mehr positiven und<br />

aufregenden Reizen für <strong>die</strong> Vögel verbunden:<br />

unterschiedliche Tag- und<br />

Nachttemperaturen, Sonne, Regen,<br />

Wind, Wildvögel, Katzen, Raubvögel,<br />

Mäuse etc. Während der „Schafskälte“,<br />

der Zeit Ende Mai/Anfang Juni mit häufig<br />

niedrigen Temperaturen, sind <strong>die</strong><br />

Papageien bereits an der frischen Luft.<br />

ausreichendem Umfang auslebbares Nagebedürfnis<br />

Obwohl ich – vielleicht<br />

nicht häufig genug – Äste zum Nagen<br />

anbiete. Ist in den frisch wachsenden<br />

Federn beziehungsweise Federkielen der<br />

Jungtiere etwas enthalten, das <strong>die</strong><br />

<strong>Elternvögel</strong> besonders gerne aufnehmen<br />

und auch als Nahrungsbestandteil<br />

eigentlich dringend brauchen<br />

Anzumerken ist, dass es bisher nicht zu<br />

Kannibalismus gekommen ist, also <strong>die</strong><br />

Haut der gerupften <strong>Jungen</strong> ohne Schäden<br />

intakt geblieben ist.<br />

Auf <strong>die</strong>se vielen Fragen habe ich keine<br />

schlüssigen Antworten gefunden. Vielleicht<br />

sind es von Brutpaar zu Brutpaar<br />

auch jeweils andere, individuelle Ursachen.<br />

Die Tabelle zeigt <strong>die</strong> Gewichtsentwicklung<br />

bei der Handaufzucht der drei<br />

Mohrenkopfpapageien aus dem Winter<br />

Woran liegt es, dass <strong>die</strong> Altvögel so intensiv<br />

<strong>rupfen</strong> Welches sind <strong>die</strong> ausschlaggebenden<br />

Faktoren dafür, dass <strong>die</strong><br />

Jungtiere, <strong>die</strong> in einem im Haus untergebrachten<br />

Kistenkäfig stress- und reizfrei<br />

aufgezogen werden, deutlich mehr<br />

gerupft werden Ist <strong>die</strong>ses Rupfen Ausdruck<br />

einer wie auch immer gearteten<br />

Aggression <strong>Was</strong> ich weniger glaube,<br />

denn <strong>die</strong> Nestlinge waren ansonsten in<br />

bester Verfassung: immer gut gefüttert<br />

und sehr kräftig. Ist es nur Langeweile<br />

der Eltern Ist es meine zu gute und vielseitige<br />

Futterversorgung mit viel zu vielen<br />

Zusatzpräparaten Ist es ein nicht in<br />

Das tägliche Wiegen morgens vor der ersten Fütterung und eine<br />

Dokumentation von Gewicht und Fütterungszeiten gehören<br />

selbstverständlich zu jeder Handaufzucht<br />

PAPAGEIEN 2/2011 57


ZUCHT<br />

manchmal auch sehr zügig, je nach<br />

Temperament und Geschicklichkeit, <strong>die</strong><br />

Umstellung auf normales Futter für erwachsene<br />

Mohrenkopfpapageien.<br />

Wenn <strong>die</strong> Vögel sicher auf <strong>ihre</strong>n Beinen<br />

sind und schon am Gitter klettern, setze<br />

ich sie tagsüber in einen Käfig, nachts<br />

aber wieder in <strong>ihre</strong> gewohnte Umgebung<br />

ins Kükenheim mit der „Höhle“, in<br />

<strong>die</strong> sie sich zurückziehen können.<br />

Die Mohrenkopfpapageien-<strong>Jungen</strong> sind 55 beziehungsweise<br />

57 Tage alt: sie untersuchen das angebotene Obst und Gemüse<br />

noch eher spielerisch<br />

2009/2010 und von zwei Jungtieren ab<br />

dem zweiten und vierten Lebenstag im<br />

Sommer 2007. Bei den Daten zur Gewichtsentwicklungen<br />

ist interessant zu<br />

sehen, dass <strong>die</strong> später per DNA-Analyse<br />

bestimmten weiblichen Nestlinge ein<br />

deutlich geringeres Gewicht haben als<br />

<strong>die</strong> Männchen.<br />

Meine Art, Papageienjunge zu füttern,<br />

möchte ich anhand des Fotos auf Seite<br />

57 oben rechts erläutern. In dem blauen<br />

Plastikbecher rühre ich das Futter an. In<br />

dem einen kleinen Metallgefäß habe ich<br />

sehr heißes, in dem zweiten kaltes <strong>Was</strong>ser.<br />

Den blauen Plastikbecher mit dem<br />

relativ wenigen angerührten Futter, das<br />

deshalb schnell abkühlt, kann ich nun je<br />

nach Bedarf zum weiteren Aufwärmen<br />

in das heiße <strong>Was</strong>ser oder zum Abkühlen<br />

in das kalte <strong>Was</strong>ser stellen. Mit einem<br />

gut ablesbaren Thermometer mit einem<br />

Temperaturbereich bis 60 °C kann ich<br />

<strong>die</strong> optimale Futtertemperatur des Breis<br />

von 39 bis 41 °C schnell und einfach<br />

kontrollieren.<br />

Als Aufzuchtfutter gibt es von verschiedenen<br />

Lieferanten oder Herstellern ein<br />

breites Angebot. Bei der hier geschilderten<br />

Handaufzucht habe ich auch wegen<br />

des bereits „fortgeschrittenen“ Alters der<br />

Mohrenkopfpapageien das körnig-krümelige<br />

Aufzuchtfutter von Ricos Futterkiste<br />

ohne Probleme verfüttert. Ich verrührte<br />

es jedes Mal mit Obstbrei für<br />

Menschen-Babys und gab <strong>die</strong> bekannten<br />

Laktobazillen „PT-12“ hinzu. Später<br />

mischte ich auch im Mörser zerstoßene<br />

Sonnenblumenkerne unter den Futterbrei.<br />

Gegen Ende der Handaufzuchtphase,<br />

was man sehr gut daran erkennt, dass<br />

<strong>die</strong> Jungtiere bei den Fütterungen nicht<br />

mehr viel Nahrung vom Löffel aufnehmen<br />

wollen, obwohl sie sich immer<br />

noch sehr gierig gebärden, <strong>wenn</strong> sie<br />

sehen, dass ich das Futter für sie vorbereite,<br />

biete ich bereits in verschiedenen<br />

Näpfchen Samen, Obst und Gemüse<br />

sowie Hüttenkäse an. Das Angebotene<br />

wird zunächst überwiegend spielerisch<br />

aufgenommen und im Schnabel hin und<br />

her bewegt, bis <strong>die</strong> <strong>Jungen</strong> dann herausfinden,<br />

dass und wie man <strong>die</strong> Schalen<br />

der Körner aufknacken und den Inhalt<br />

fressen kann. So beginnt langsam,<br />

Das von mir verwendete, beheizbare<br />

Grumbach Kükenheim, das schon über<br />

zehn Jahre alt ist, hat ein paar unwesentliche<br />

Nachteile. Die Vorteile sind<br />

aber, dass ich <strong>die</strong> im Lieferumfang enthaltenen<br />

Glas-Schiebescheiben durch<br />

lich<strong>tun</strong>durchlässige Scheiben oder später<br />

durch Gitter ersetzen kann, je nachdem,<br />

welche Bedingung ich für richtig<br />

halte. Die Abdunkelung ist sicherlich<br />

zunächst noch angesagt, <strong>wenn</strong> <strong>die</strong> Nestlinge<br />

sich weitgehend in der Kiste aufhalten<br />

und auch noch von dem eingebauten<br />

Heizaggregat gewärmt werden<br />

müssen, danach kommen <strong>die</strong> beiden<br />

Glasscheiben wieder zum Einsatz, damit<br />

genügend Tageslicht einfallen kann.<br />

Wenn <strong>die</strong> <strong>Jungen</strong> ausreichend befiedert<br />

sind und keine Wärmezufuhr mehr benötigen,<br />

benutze ich anstelle der Glasschiebetüren<br />

das Gitter, das ungehinderten<br />

Luftaustausch ermöglicht.<br />

Die drei Mohrenkopfpapageien sind alle<br />

groß geworden. Glücklicherweise sind<br />

sie zu dritt und nicht als Einzelvögel von<br />

Hand aufgezogen worden, so dass eine<br />

alleinige Fixierung auf einen Menschen<br />

unterblieben ist.<br />

Aus meiner Sicht war <strong>die</strong> Situation der<br />

so stark von <strong>ihre</strong>n Eltern gerupften<br />

Jungtiere eine Notsituation, der ich mit<br />

der Handaufzucht begegnen konnte.<br />

Literatur<br />

Munkes, V., & S. Munkes (2003): Massenvermehrung<br />

von Papageienvögeln<br />

durch Handaufzucht – eine kritische<br />

Betrach<strong>tun</strong>g. Gefiederte Welt 137: 166-<br />

169.<br />

Anschrift des Autors:<br />

Rudolf K. Wagner<br />

Dreieichstraße 69<br />

63128 Dietzenbach<br />

Fotos: alle vom Autor<br />

58 PAPAGEIEN 2/2011

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