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TECHNIK<br />
DER RECHTSFALL AUS DEM STAHLHANDEL<br />
Das Betriebsgelände –<br />
öffentlicher Verkehrsraum<br />
Nachdem in einer der letzten Folgen dieser Reihe<br />
die Haftung bei unzureichender Ladungssicherung<br />
thematisiert wurde, die auch in diesem Heft wieder<br />
aufgegriffen wird, geht es im heutigen Rechtsfall<br />
ebenfalls um eine straßenverkehrsrechtliche Frage:<br />
Ist das Betriebsgelände eines Unternehmens eine<br />
Privatfläche oder ein öffentlicher Verkehrsraum<br />
Die richtige Einordnung dieser Frage – und die Formulierung<br />
sich daraus ergebenen Konsequenzen –<br />
nimmt nachfolgend Rechtsanwalt Dr. Thorsten Hauröder<br />
von der Düsseldorfer Anwaltssozietät Henseler<br />
& Partner anhand des neuesten Rechtsfalls vor.<br />
Dieser wird zunächst geschildert,<br />
dann problematisiert und<br />
schließlich gelöst. Daraus ergibt sich,<br />
worauf <strong>Sie</strong> als Leser in entsprechenden<br />
Situationen achten <strong>sollten</strong>.<br />
Der Fall:<br />
Die Stahl und Co. GmbH unterhält<br />
ein Betriebsgelände mit mehreren<br />
Lagerhäusern im Hafen von Gelsenkirchen.<br />
Das Betriebsgelände ist<br />
umzäunt und wird ab 18 Uhr durch<br />
ein Tor verschlossen. Tagsüber steht<br />
das Tor jedoch offen, so dass das<br />
Betriebsgelände von eigenen Mitarbeitern,<br />
Kunden, Transportunternehmern<br />
etc. jederzeit befahren werden<br />
kann. Eine gesonderte Einlasskontrolle<br />
wird nicht durchgeführt.<br />
Anfang Mai 2008 ereignete sich<br />
auf diesem Betriebsgelände ein<br />
Unfall. Ein – betriebsintern als „flinker<br />
Freddie“ bekannter – Gabelstaplerfahrer<br />
hatte mit seinem Teleskopstapler<br />
einen einfahrenden Lkw des<br />
Transportunternehmens T übersehen<br />
und war mit einer Geschwindigkeit<br />
von ca. 22 km/h frontal mit<br />
diesem Lastwagen kollidiert. Dabei<br />
wurde das Führerhaus des Lkw<br />
schwer beschädigt; zudem erlitt der<br />
Fahrer dieses Fahrzeugs schwere<br />
Prellungen, und es wurde bei ihm ein<br />
schmerzhaftes Hals-Wirbel-Syndrom-Trauma<br />
festgestellt.<br />
Das Problem:<br />
Stahl & Co. nahm den Unfall<br />
zunächst gelassen und übergab den<br />
Fall an ihre Betriebshaftpflichtversicherung.<br />
Diese verweigerte jedoch kurz<br />
darauf die Deckungsübernahme und<br />
erklärte, dass die Benutzung von<br />
Betriebsfahrzeugen auf öffentlichem<br />
Verkehrsraum nicht durch die<br />
Betriebshaftpflicht abgedeckt sei.<br />
Zudem wies sie darauf hin, dass für<br />
die Benutzung eines Teleskopstaplers<br />
auf dem Betriebsgelände eine<br />
Kfz-Haftpflichtversicherung erforderlich<br />
sei.<br />
Stahl & Co. protestierte energisch: Es<br />
handele sich bei dem Betriebsgelände<br />
um Privateigentum, das der<br />
Allgemeinheit nicht zur Verfügung<br />
stünde; weiterhin hätte noch nie<br />
jemand die Vorlage einer Zulassung,<br />
geschweige denn eine Kfz-Haftpflichtversicherung<br />
für die betriebseigenen<br />
Teleskopstapler verlangt.<br />
Die Lösung:<br />
Der Schlüssel zu der Lösung des obigen<br />
Problems liegt in der Einordnung<br />
des Betriebsgeländes als öffentliche<br />
Verkehrsfläche oder als Privatfläche:<br />
❚ Bei einer Einordnung als öffentliche<br />
Verkehrsfläche greift § 1 des<br />
Pflichtversicherungsgesetzes<br />
(PflVG), wonach der Halter eines<br />
Fahrzeuges verpflichtet ist, eine<br />
Haftpflichtversicherung abzuschließen,<br />
wenn das Fahrzeug auf<br />
öffentlichen Wegen oder Plätzen<br />
i.S.d. Straßenverkehrsgesetzes verwendet<br />
wird. (Vgl. Kasten)<br />
8 Stahlreport 06/08
TECHNIK<br />
❚ Bei einer Einordnung des Betriebsgeländes<br />
als Privatfläche bestünde<br />
dagegen – mangels öffentlicher Verkehrsfläche<br />
i.S.d. Straßenverkehrsrechts<br />
– keine Kfz-Versicherungspflicht<br />
gem. § 1 PflVG, sodass<br />
etwaige, durch den Teleskopstapler<br />
verursachte, Schäden durch die<br />
Betriebshaftpflicht abgedeckt wären.<br />
Für die Abgrenzung zwischen öffentlicher<br />
Verkehrsfläche und Privatfläche<br />
gilt Folgendes:<br />
Grundsätzlich sind öffentliche<br />
Verkehrsflächen nur diejenigen, die<br />
durch straßenrechtliche Widmung<br />
der Allgemeinheit zu Verkehrszwecken<br />
zur Verfügung gestellt werden.<br />
Hierbei handelt es sich um einen<br />
förmlichen Akt der Gemeinde. Als<br />
öffentliche Verkehrsflächen gelten<br />
aber auch solche Flächen, die „mit<br />
Zustimmung oder unter Duldung<br />
des Verfügungsberechtigten tatsächlich<br />
allgemein benutzt werden.“ (§ 1<br />
Abs. 2 Allg. Verwaltungsvorschrift<br />
zur StVO, vgl. Kasten)<br />
Öffentlich im Sinne des Straßenverkehrsrechts<br />
sind daher alle Wege,<br />
Straßen und Plätze, die entweder<br />
ausdrücklich oder mit stillschweigender<br />
Duldung des Verfügungsberechtigten<br />
für jedermann zur Benutzung<br />
zugelassen sind und auch<br />
benutzt werden, und zwar ohne<br />
Rücksicht auf die Eigentumsverhältnisse<br />
(so das Oberlandesgericht Bremen<br />
in einem Urteil v. 15.10.1979, Az.<br />
Ss 168/79).<br />
Daraus folgt für Betriebsgrundstücke:<br />
❚ Sind diese für die Allgemeinheit<br />
zugänglich und können sie auch<br />
tatsächlich von betriebsfremden<br />
Personen betreten werden, so handelt<br />
es sich um eine öffentliche<br />
Verkehrsfläche.<br />
❚ Können diese nur von Betriebsangehörigen<br />
genutzt werden und<br />
haben betriebsfremde Personen nur<br />
mit Zustimmung des Verfügungsberechtigten<br />
Zutritt, liegt keine<br />
öffentliche Verkehrsfläche vor.<br />
Für die Abgrenzung, ob es sich um<br />
eine öffentliche oder nicht öffentliche<br />
Verkehrsfläche handelt, kommt<br />
es maßgeblich auf die äußeren Gegebenheiten<br />
des Betriebsgrundsstücks<br />
an. Denn daraus zieht die Rechtsprechung<br />
regelmäßig Rückschlüsse<br />
auf das Vorhandensein und den<br />
Umfang der Gestattung bzw. Duldung<br />
zum allgemeinen Verkehr. Dies<br />
hat der Bundesgerichtshof in einem<br />
aktuellen Urteil vom 04.03.2004 (4<br />
StR 377/03) noch einmal klargestellt.<br />
Für diese Abgrenzung kommt<br />
es sicherlich auf die örtlichen Gegebenheiten<br />
der einzelnen Betriebsflächen<br />
an. Es können aber folgende<br />
allgemeine Kriterien herangezogen<br />
werden, die sich an bereits ergangenen<br />
Urteilen orientieren ((+) =<br />
öffentliche Verkehrsfläche; (-) =<br />
keine öffentliche Verkehrsfläche):<br />
❚ jedermann offenstehende Verladestraße<br />
(+),<br />
❚ ein allgemein zugänglicher Parkplatz<br />
(+),<br />
❚ ein für jedermann zugängliches<br />
Betriebsgelände (+); dies gilt selbst<br />
dann, wenn<br />
– Unbefugten die Zufahrt durch<br />
Schilder untersagt ist,<br />
– für die Zufahrt eine Parkerlaubnis<br />
verlangt wird,<br />
– das Gelände nur durch ein (offen<br />
stehendes) Tor befahrbar ist,<br />
– die Benutzung des Grundstücks<br />
zeitlich oder sachlich beschränkt<br />
wird (z.B. während der Nachtzeit<br />
oder nur für Fahrzeuge einer<br />
bestimmten Art) oder<br />
– das Betriebsgrundstück zwar<br />
durch ein mit einem Pförtner<br />
besetztes Eingangstor abgeschlossen<br />
wird, der Pförtner sich<br />
jedoch auf die Ausübung einer<br />
reinen Verkehrskontrolle beschränkt.<br />
❚ Grundstück ist durch eine Einfriedung<br />
des Geländes durch Mauern<br />
oder Zäune gesichert (-).<br />
❚ Gelände ist durch Einlasskontrollen<br />
nur einem beschränkten Personenkreis<br />
wie den Betriebsangehörigen<br />
zugänglich (-).<br />
❚ Betriebsgrundstück ist nur mit<br />
einem besonderen Ausweis oder<br />
Passierschein zugänglich (-).<br />
Gesetzestext | Verwaltungsvorschrift<br />
§ 1 des PflVG lautet:<br />
Der Halter eines Kraftfahrzeugs […] ist verpflichtet,<br />
für sich, den Eigentümer und den Fahrer eine Haftpflichtversicherung<br />
zur Deckung der durch den<br />
Gebrauch des Fahrzeugs verursachten Personenschäden,<br />
Sachschäden und sonstigen Vermögensschäden<br />
nach den folgenden Vorschriften abzuschließen und<br />
aufrechtzuerhalten, wenn das Fahrzeug auf öffentlichen<br />
Wegen oder Plätzen (§ 1 des Straßenverkehrsgesetzes)<br />
verwendet wird.<br />
§ 1 Abs. 2 Satz. 1 der Allg. Verwaltungsvorschrift<br />
zur StVO – VwV-StVO) lautet:<br />
Öffentlicher Verkehr findet auch auf nicht gewidmeten<br />
Straßen statt, wenn diese mit Zustimmung oder<br />
unter Duldung des Verfügungsberechtigten tatsächlich<br />
allgemein benutzt werden.<br />
❚ Die entsprechende Fläche ist nur<br />
individuell zugelassenen Lieferanten<br />
und Abholen zugänglich (-).<br />
Zieht man diese Kriterien heran,<br />
wird man das Betriebsgrundstück<br />
von Stahl & Co. im Ausgangsfall als<br />
öffentliche Verkehrsfläche einordnen<br />
müssen. Denn es ist jedermann<br />
zugänglich; eine besondere Einlasskontrolle<br />
findet nicht statt. Der Unfall<br />
ereignete sich somit im öffentlichen<br />
Verkehrsraum.<br />
Im Ergebnis hätte Stahl & Co. für<br />
den Teleskopstapler eine Kfz-Haftpflichtversicherung<br />
abschließen<br />
müssen. Die Betriebshaftpflichtversicherung<br />
deckt den vom „flinken<br />
Freddie“ verursachten Schaden<br />
nicht. Lag keine Kfz-Haftpflichtversicherung<br />
vor, muss Stahl & Co. die<br />
Kosten für die Reparatur des Lkw<br />
und die Heilbehandlung des Fahrers<br />
sowie ggf. Schmerzensgeld aus eigener<br />
Tasche bezahlen.<br />
Worauf <strong>Sie</strong> achten <strong>sollten</strong>:<br />
1. Vergewissern <strong>Sie</strong> sich, ob es sich<br />
bei Ihrem Betriebsgrundstück nach<br />
den obigen Kriterien um eine öffentliche<br />
oder um eine nicht öffentliche<br />
Verkehrsfläche handelt. Verkehr, der<br />
nur in den Werks- oder Lagerhallen<br />
mit eigenen Betriebsfahrzeugen<br />
stattfindet, ist regelmäßig als nicht<br />
öffentlich einzuordnen. Flächen, die<br />
von jedermann betreten werden<br />
q<br />
Stahlreport 06/08<br />
9
TECHNIK<br />
Ladungssicherung mit Varioschiene<br />
Festgezurrt<br />
Eine der häufigsten Ursachen für eine unzureichende<br />
Ladungssicherung liegt wohl darin, dass auf der<br />
Ladefläche zu wenig Zurrpunkte vorhanden sind. Dieses<br />
Problem will ein Anbieter mit der Varioschiene lösen.<br />
Nach Ansicht der 2FS Ladesicherung GbR, die kürzlich von Harthausen<br />
nach Brühl umgezogen ist, sind die fehlenden Zurrpunkte nur<br />
ein Teil des Problems. Ist die zu sichernde Ladung nämlich auch noch<br />
unterschiedlich in ihrer Form und Belastbarkeit, wird es nach Ansicht<br />
dieser Fachleute immer schwieriger, allen Anforderungen gerecht zu<br />
werden.<br />
Eine innovative und sichere Lösung hierzu sieht 2FS in den Varioschienen.<br />
Ohne weiteres Werkzeug werden sie quer zur Fahrtrichtung<br />
mit den vorhandenen Zurrpunkten verbunden.<br />
Die Ladegüter werden dann auf den Schienen abgestellt. Durch die<br />
Vielzahl der Lochungen können die Zurrmittel immer den Richtlinien<br />
entsprechend angebracht werden, argumentieren die Experten. Somit<br />
sei nahezu immer ein Zurrwinkel von 90° erreichbar.<br />
Durch die direkt wirkende Vorspannkraft (90°) werden weniger<br />
Überspannungen notwendig, was einen erheblichen Zeitgewinn bringt.<br />
Selbst Ladegüter unterschiedlicher Größe und Abmessungen können<br />
nach Anbieteransicht einfach und schnell nebeneinander gesichert<br />
werden. Des Weiteren sei das verbleibende Ladegut bei Teilentladungen<br />
jederzeit gesichert. Die mitgelieferten Antirutschmatten böten<br />
zudem ein weiteres Plus an Sicherheit.<br />
Weitere Informationen über das Produkt gibt es im Internet unter<br />
www.Ladesicherung.de; das System ist patentiert. 2<br />
Fotos: 2FS Ladesicherung, 68782 Brühl<br />
Varioschiene –<br />
Befestigungsdetail<br />
(oben).<br />
Varioschiene –<br />
Sicherheit für<br />
unterschiedliche<br />
Ladegüter.<br />
q können, sind dagegen öffentlicher<br />
Verkehrsraum.<br />
2. Wenn möglich, schaffen <strong>Sie</strong><br />
eine deutliche räumliche Trennung<br />
von Werksgelände und umgebendem<br />
öffentlichen Gelände (Einfriedung;<br />
Beschilderung „Privat/Werksgelände<br />
– Betreten oder Befahren<br />
nur Betriebsangehörigen oder nach<br />
Anmeldung am Haupteingang gestattet“).<br />
Es müssen aber Kontrollen zum<br />
tatsächlichen Ausschluss der Öffentlichkeit<br />
erfolgen.<br />
3. Wo eine vollständige Abgrenzung<br />
des Werksgeländes nicht möglich<br />
ist, sollte eine interne Trennung<br />
in einen Bereich, der Lieferanten,<br />
Kunden etc. zugänglich ist, und einen<br />
Bereich, der nur von Betriebsangehörigen<br />
und ausschließlich innerbetrieblich<br />
eingesetzten Fahrzeugen<br />
(Gabelstaplern) genutzt werden darf,<br />
erwogen werden.<br />
4. Ist keinerlei räumliche Trennung<br />
möglich oder praktisch nicht<br />
nachweisbar, <strong>sollten</strong> <strong>Sie</strong> sich bei Ihrer<br />
Versicherung erkundigen, ob die<br />
Betriebsfahrzeuge ausreichend versichert<br />
sind. Bei Zweifeln sollte der Versicherer<br />
eine entsprechende Bestätigung<br />
abgeben. Dies gilt insbesondere<br />
für solche Fahrzeuge, die bestimmte<br />
Geschwindigkeiten nicht überschreiten<br />
und damit bspw. nicht dem Pflichtversicherungsgesetz<br />
unterliegen<br />
(6 km/h für alle Fahrzeuge; 20 km/h<br />
für sog. selbstfahrende Arbeitsmaschinen<br />
und Stapler).<br />
Fazit:<br />
Die richtige Einordnung des eigenen<br />
Betriebsgeländes als öffentliche<br />
Verkehrsfläche ist mit weitreichenden<br />
Folgen verbunden. Dargestellt<br />
wurde in diesem Fall lediglich<br />
die Frage, welche Versicherung<br />
den Schaden deckt. Die Einordnung<br />
ist aber auch bedeutsam für die<br />
Frage, ob die straßenverkehrsrechtlichen<br />
Bußgeld- und Strafvorschriften<br />
Anwendung finden. Ein Verkehrsunfall<br />
auf einem öffentlichen<br />
Betriebsgrundstück ruft daher<br />
regelmäßig auch die Ordnungs- oder<br />
Strafverfolgungsbehörden auf den<br />
Plan. 2<br />
10 Stahlreport 06/08