Erfahrungen und Anspiel zum Vaterunser - Hoffnungskirche zu ...
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Predigt am 26. September 2010 <strong>Vaterunser</strong> mit Konfirmandenhelfern<br />
Tatjana Goritschewa wurde 1947 in Russland geboren <strong>und</strong> wuchs in einem atheistisch<br />
geprägtem Elternhaus auf. Mit 26 Jahren wurde sie Christin. Sie beschreibt ihre<br />
Bekehrung wie folgt: „Als ich 26 Jahre alt war, fand ich in meinem Yoga-Buch <strong><strong>zu</strong>m</strong><br />
ersten Mal in meinem Leben ein Gebet. Es war das <strong>Vaterunser</strong>. Ich habe gar nicht<br />
gewußt, dass man beten kann <strong>und</strong> wie man beten kann. Ich habe allle alten Frauen<br />
verachtet, die in die Kirche gingen. Und ich habe gedacht, dass das Christentum eine<br />
ganz alte Sache sei, die bald verschwinden werde, wie das ja auch Chruschtschow<br />
erklärt hat. Er hat versprochen, dass er den letzten Priester im Fernsehen bald zeigen<br />
wird. Das habe ich auch geglaubt. Ich interessierte mich immer für neue, für moderne<br />
Sachen.<br />
Als ich das <strong>Vaterunser</strong> <strong><strong>zu</strong>m</strong> ersten Mal gelesen habe, habe ich nicht gebetet. Der<br />
Heilige Geist hat für mich gebetet <strong>und</strong> Ich war in einem Zustand, in dem ich ganz ergriffen<br />
wurde von der Freude, von der Erkenntnis, dass mein Himmlischer Vater existiert<br />
<strong>und</strong> dass Er die Liebe ist.“<br />
Die hier beschriebene Erfahrung verrät etwas vom Geheimnis des <strong>Vaterunser</strong>. Auch<br />
wenn unsere <strong>Erfahrungen</strong> mit diesem Gebet Jesu oft unspektakulärer sind, so gibt es<br />
doch immer wieder Menschen, die mit diesem Gebet eine besondere Erinnerung <strong>und</strong><br />
Erfahrung verbinden oder für die das <strong>Vaterunser</strong> <strong>zu</strong> einem Gerüst ihres Lebens geworden<br />
ist. Da gibt es dann Stationen, an denen das <strong>Vaterunser</strong> wichtig geworden<br />
ist.<br />
Das <strong>Vaterunser</strong> kann uns helfen <strong>zu</strong> beten, wo uns selbst die Worte fehlen.<br />
Und, liebe Gemeinde das <strong>Vaterunser</strong> ist heute der Teil, der alle Christen aller Konfessionen<br />
verbindet. Auch wenn es schmerzliche Unterschiede beim Verständnis der<br />
Taufe, des Abendmahls oder auch gr<strong>und</strong>legender Glaubensaussagen gibt, das <strong>Vaterunser</strong><br />
wird von allen Christen als das Gebet Jesu anerkannt <strong>und</strong> gebetet. Hören<br />
Sie die Worte aus der Bergpredigt Mt 6,7ff<br />
Mit der Anrede, gibt uns Jesus <strong>zu</strong> verstehen, wer denn dieser Gott ist, an den wir uns<br />
wenden, wenn wir beten. Jesus sagt: „Also sollt ihr beten: Vater unser im Himmel“.<br />
Das ist eine sehr kurze Anrede, kurz <strong>und</strong> knapp <strong>und</strong> vor allem treffend. Da steckt<br />
schon alles drin. Das ist das Gegenteil von dem „Geplapper der Heiden“, wie es Jesus<br />
<strong>zu</strong> seinen Jüngern sagte.
Zur Zeit Jesu wussten die so genannten Heiden, also die Nicht-Israeliten nicht so<br />
recht, wer denn eigentlich der wahre Gott ist unter den vielen Göttern. Darum bemühte<br />
man sich, alle möglichen Gottesbezeichnungen aneinander<strong>zu</strong>reihen – nach der<br />
Devise „Viel hilft viel“. Man fand Schriften aus dieser Zeit mit allerlei Zauberformeln.<br />
Darin wuchsen diese Gottesbezeichnungen <strong>zu</strong> endlosen Listen an. Man wollte unter<br />
den zahllosen Götternamen keinen vergessen.<br />
Wie befreiend <strong>und</strong> hilfreich wirkt demgegenüber die knappe <strong>und</strong> klare Gebetsanrede<br />
Jesu „Vater unser“. Diese Anrede erspart uns manche Verlegenheit <strong>und</strong> manche Verrenkung<br />
beim Beten. Sie nimmt die Ungewissheit weg, mit wem wir es <strong>zu</strong> tun haben<br />
beim Beten. Denn ein Vater ist eine Vertrauensperson.<br />
Gott wird mit dieser Anrede also nicht als ein übermächtiger unnahbarer Gott erfahren.<br />
Es gibt Menschen, die mit ihrem Vater nur schlechte <strong>Erfahrungen</strong> verbinden.<br />
Diesen fällt es oft schwer, Gott mit Vater an<strong>zu</strong>reden, weil sie mit dieser Anrede nicht<br />
an eine liebende Person denken, sondern sofort an einen rechthaberischen Haustyrannen.<br />
Nein, liebe Gemeinde einen solchen tyrannischen Vater meint Jesus nicht. Es geht<br />
Jesus um den himmlischen Vater, der uns nicht aus den Augen verliert, egal wie weit<br />
wir uns von ihm entfernen. Gott wird also in familiärer Vertrautheit als Vater angeredet.<br />
Das wiederum prägt unser eigenes Selbstverständnis: Wir dürfen uns als mündige<br />
Kinder Gottes verstehen. Mündig! Diesem Vater liegt daran, dass wir nicht stumme<br />
Kinder sind, sondern unsere Stimme erheben für uns, für andere <strong>und</strong> um mit Gott <strong>zu</strong><br />
reden.<br />
Luise <strong>und</strong> Nepomuk, die beiden Teamer unserer beiden Konfirmandenjahrgänge:<br />
Beter/in (B) Nepomuk:»Vater unser im Himmel.«<br />
Gott (G) Luise: »Ja«<br />
B »Unterbrich mich nicht! Ich bete.«<br />
G »Aber du hast mich doch angesprochen!«<br />
B »Ich dich angesprochen Äh...nein, eigentlich nicht. Das beten wir eben so: Vater<br />
unser im Himmel.«<br />
G »Da - schon wieder! Du sagts Vater unser. Du rufst mich an, um ein Gespräch <strong>zu</strong><br />
beginnen, oder Also, worum geht's«<br />
B »Geheiligt werde dein Name...«<br />
G »Meinst du das ernst«<br />
B »Was soll ich ernst meinen«<br />
G »Ob du meinen Namen wirklich heiligen willst.“<br />
B Was bedeutet das denn«<br />
G »Es bedeutet, dass dir mein Name wichtig ist. Wenn Menschen meinen Namen
heiligen heißt das, dass sie meinen Namen nicht für ihre Zwecke misßbrauchen. Es<br />
bedeutet, dass sich nicht selbst eine Namen machen wollen noch da<strong>zu</strong> in meinem<br />
Namen«<br />
B »Aha. Hm. Ja, das verstehe ich.<br />
Dein Reich komme<br />
G Eine schöne Bitte!<br />
B Unterbrich mich doch nicht andauernd! Aber: Wie meinst du das „Eine schöne Bitte“<br />
G : Wenn du um mein Reich bittest, heißt das, dass du mir Platz in deinem Leben in<br />
dieser Welt einräumst. Mein Reich, meine Herrschaft kann dann die Gegenwart mit<br />
bestimmen <strong>und</strong> mitgestalten. Und…. diese Bitte durchkreuzt alle Absolutheitsansprüche<br />
von Menschen über andere Menschen<br />
B dein Wille geschehe, wie im Himmel, so auch auf Erden...«<br />
G. Da staune ich ja<br />
B Wieso denn<br />
G : Weil du damit anerkennst, dass es einen anderen Willen neben deinem eigenen<br />
gibt, den du auch respektierst <strong>und</strong> anerkennst.<br />
B: Na, dein Wille möchte doch nur das Beste für mich oder<br />
G Ja schon Mein Wille geschieht dort, wo Liebe erfahrbar wird, wo Liebe geschieht.<br />
B.: Na also!<br />
G Nur seht ihr Menschen das manchmal anders als ich. Ihr seht manchmal nur die<br />
Liebe <strong>zu</strong> euch selbst oder gerade noch <strong>zu</strong> euren Fre<strong>und</strong>en <strong>und</strong> Verwandten.<br />
B.: Soll ich mich deshalb wie ein willenloses Schaf benehmen<br />
G: Nein natürlich nicht, aber ich freue mich halt, dass du deinen Willen nicht automatisch<br />
mit meinem identifizierst. Du wirst es in deinem Leben vielleicht in ganz konkreten<br />
Situationen erfahren wo sich mein <strong>und</strong> dein Wille gleichen <strong>und</strong> wo wir unterschiedlicher<br />
Meinung sind. Schön dass du mir vertraust!<br />
B.Kann ich jetzt mal weiter beten Unser tägliches Brot gib <strong>und</strong> heute...«<br />
G: Ja euer tägliches Brot! Also das, was <strong><strong>zu</strong>m</strong> Leben notwendig ist <strong>und</strong> nicht die Anhäufung<br />
von Reichtümern <strong>und</strong> dann noch auf Kosten anderer.<br />
Ich kann doch nichts für die ungleiche Verteilung auf dieser Welt<br />
G Nein das kannst du nicht, Du bist aber ein Teil von ihr.<br />
B Ich verstehe diese Bitte halt auch als ein Aufschrei oder ein Protest dagegen, dass<br />
Millionen von Menschen auf dieser Erde hungern. Kurze Pause Aber ich bitte das<br />
tägliche Brot auch für mich, selbst wenn ich weiß dass meine Eltern es eingekauft<br />
haben.<br />
G:Das ist gut. Es ist schön, dass du dich selbst oder deine Eltern nicht nur als die<br />
Produzierer oder Einkäufer deines täglichen Brotes siehst, sondern auch als Empfänger<br />
<strong>und</strong> mich deshalb darum bittest. Du bist also eine/einer, die/ der das tägliche<br />
Brot aus meiner Hand empfängt. Daran erinnert dich jedes Tischgebet.<br />
Und als Beschenkte/r kannst du dich wiederum dafür einsetzen, dass auch andere<br />
Menschen sich als Beschenkte erleben können.<br />
B Aha so habe ich das noch gar nicht gesehen. Kurze PauseAber schließlich steht<br />
ja in deiner Bibel, dass der Mensch nicht vom Brot allein lebt, deshalb bete ich mal<br />
weiter.<br />
»Und vergib uns unsere Schuld, wie auch wir vergeben unseren Schuldigern...«<br />
G:»Und Peter«<br />
B »Peter Jetzt fang' du auch noch von dem an! Du weißt doch, dass er mich öffentlich<br />
blamiert, dass er mir jedes Mal dermaßen überheblich entgegentritt, dass ich<br />
schon wütend bin, bevor er seine herablassenden Bemerkungen äußert. Und das
weiß er auch! Er lässt meine Meinung nicht gelten - nur das, was er sagt, ist richtig,<br />
dieser Typ ....«<br />
G:»Ich weiß, ich weiß. Und dein Gebet«<br />
B »Ich meinte es nicht in Be<strong>zu</strong>g auf Peter.«<br />
G:»Du bist wenigstens ehrlich. Macht dir das eigentlich Spaß, mit so viel Bitterkeit<br />
<strong>und</strong> Abneigung herum<strong>zu</strong>laufen«<br />
B »Es macht mich krank.«<br />
G:»Ich will dich heilen. Vergib Peter <strong>und</strong> ich vergebe dir. Dann sind Überheblichkeit<br />
<strong>und</strong> Hass die Sorgen von Peter <strong>und</strong> nicht deine Sorgen. Dann erkennst du vielleicht<br />
hinter Peters Überheblichkeit vielmehr Angst <strong>und</strong> Unsicherheit <strong>und</strong> kannst ihm anders<br />
begegnen Vielleicht verlierst du ein Stück Ansehen bei deinen Mitschülern, aber<br />
es wird dir Frieden ins Herz bringen.«<br />
B »Hm. Ich weiß nicht, ob ich mich da<strong>zu</strong> überwinden kann.«<br />
G:»Ich helfe dir dabei.«<br />
B »Und führe uns nicht in Versuchung, sondern erlöse uns von dem Bösen...«<br />
G:»Nichts lieber als das!<br />
B »Aber das, was die Menschen so Versuchungen nennen sind doch keine wirklichen<br />
Hindernisse in meinem Leben, wie <strong><strong>zu</strong>m</strong> Beispiel die Sahnetorte oder Milka „die<br />
zarteste Versuchung seit es Schokolade gibt“.<br />
G:Da hast du Recht. Das sind banale Dinge. Aber in deiner Bitte ging es um das Böse,<br />
das die Versuchung ausmacht.<br />
B. Was ist denn das Böse<br />
G: Gute Frage! Das Böse ist das, was das Gute nicht will, was das Gute vernichtet.<br />
Das Böse zerstört Beziehungen zwischen Menschen <strong>und</strong> hinter läßt Leere oft auch<br />
Verzweiflung <strong>und</strong> Angst. Das Böse tritt dort auf, wenn du dich auf nichts <strong>und</strong> niemanden<br />
mehr verlassen kannst. Wenn du von allen guten Geistern verlassen bist. Nur<br />
gut ist es, wenn du davon verschont bleibst. Deshalb ist deine Bitte überhaupt nicht<br />
banal.<br />
B »Ich glaube, das ist das schwierigste <strong>Vaterunser</strong>, das ich je gebetet habe. Aber es<br />
hat <strong><strong>zu</strong>m</strong> ersten Mal was mit meinem Leben <strong>zu</strong> tun.«<br />
G:»Schön. Bete ruhig <strong>zu</strong> Ende.«<br />
B»Denn dein ist das Reich <strong>und</strong> die Kraft <strong>und</strong> die Herrlichkeit in Ewigkeit.«<br />
G:» Ich muss dich noch einmal unterbrechen. Das ist eine starker Satz. Mit diesem<br />
Satz legst du <strong>und</strong> alle, die das <strong>Vaterunser</strong> mit dir beten, Macht <strong>und</strong> Kraft über dein<br />
eigenes Leben in meine Hand. Damit relativierst du alle Herrschaft <strong>und</strong> Macht von<br />
Menschen über Menschen <strong>und</strong> du wirst so ein freier Mensch. Weißt du, was ich herrlich<br />
finde Wenn Menschen wie du anfangen aufrichtig <strong>zu</strong> beten <strong>und</strong> etwas mit dem<br />
Gesagten verbinden. Und wenn sie merken, dass das Beten eine Lebenshaltung ist,<br />
die ihr eigenes Leben trägt <strong>und</strong> bereichert.<br />
B Amen!<br />
Pfarrerin: Und der Friede Gottes, der höher ist, als all unsere Vernunft, der bewahre<br />
unsere Herzen <strong>und</strong> Sinne in Jesus Christus, unserem Herrn. Amen<br />
Margareta Trende